LG Ingolstadt, Urteil vom 29.12.2010 - 33 O 136/10
Fundstelle
openJur 2013, 23214
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aufgrund behaupteter Beratungsfehler des Beklagten bei Vermittlung einer Versicherung.

Der Beklagte ist Versicherungsvertreter der … Versicherungsgesellschaft a. G. … . Am 29.09.2008 beriet der Beklagte die Klägerin als langjährige Bestandskundin hinsichtlich einer aktuelleren Wohngebäudeversicherung Variante "basis plus 2008". Hierauf schloss die Klägerin die angebotene Wohngebäudeversicherung ab zu den Bedingungen 2008 ab (Anlage K 1). Der Versicherungsschein stammt vom 14.10.2009 (Anlage K 2).

Anfang Juli 2009 musste die Klägerin einen Wasserschaden im Keller ihres Hauses feststellen, der durch einen insgesamt dreifachen Bruch der Abflussrohre im Außenbereich entstanden war (Anlage K 3). Auf den Schadensbericht vom 14.07.2009 (Anlage B 3) sowie die gefertigte Schadensskizze vom 05.08.2009 (Anlage B 4) wird verwiesen. Danach war eine Dachrinnenentwässerungsleitung zweifach sowie die Mischabwasserleitung unterirdisch gebrochen.

Die Klägerin trägt vor, sie habe aufgrund einschlägiger Erfahrungen mit einem Wasserschaden im Garten sich im Rahmen des Beratungsgespräches ausdrücklich danach erkundigt, ob alle Rohre auf dem Grundstück, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Pool versichert seien, dies habe der Beklagte bejaht. Insgesamt habe der Beklagte gegenüber dem Vorvertrag ein verbessertes Leistungsbild behauptet.

Nach Eintritt des Schadensfalles habe sich herausgestellt, dass nunmehr im Gegensatz zum alten Vertrag Ableitungsrohre außerhalb von Gebäuden nicht mehr in der neuen Wohngebäudeversicherung vom Versicherungsschutz umfasst seien (Anlage K 5).

Es liege deshalb einen Beratungsfehler vor, den der Beklagte anfänglich auch eingestanden habe (Anlage K 6).

Die Klägerin begehrt die Kosten der Leckageortung über 273,70 € (Anlage K 4), 1.475,60 € für Trocknungsarbeiten (Anlage K 7), Stromkosten von 155 € sowie pauschalen Schadensersatz für die Sanierung des Kellers in Höhe von 1.850 €, die Reparaturkosten für die defekten Rohre über 3.854,48 € (Anlage K 8), hieraus werde lediglich ein Teilbetrag in Höhe von 1.073,50 € geltend gemacht, für die Arbeiten im Außenbereich sei der Betrag von 7.410,20 € angefallen (Anlage K 9), ersetzt (Anlage K 4). Hinsichtlich der weitergehenden Forderungsaufstellung wird auf die Klageschrift, insbesondere dort S. 9 verwiesen.

Die Klägerin beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.000 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 961,28 € zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte betont, bei der Wohngebäudeversicherung habe es sich nur um ein Nebengebiet der Besprechung vom 29.09.2008 gehandelt (Anlage B 1). Die Behauptung der Klägerin, wonach sie sich über den Umfang der Versicherung für "alle Rohre auf dem Grundstück" erkundigt habe, sei unzutreffend. Bereits am 15.07.2008 habe der Beklagte der Klägerin einen Versicherungsvorschlag unter Umstellung auf die aktuellen Versicherungsbedingungen mit Deckungserweiterung zugesandt (Anlage B 2).

Da es sich bei dem Bruch der Regenwasserrinne auf der Westseite und an der NW-Ecke des Hauses nicht um Leitungswasserrohre gehandelt habe, seien entsprechende Schäden bereits nach den Bedingungen 1999 nicht mitversichert gewesen (Anlage B 5). Die Versicherungsbedingungen 2008 (Anlage B 6) beinhalteten hinsichtlich der Regenfallrohre dieselben Regelungen wie die Bedingungen 1999 und sähen dort einschlägig einen Leistungsausschluss vor. Versichert seien insoweit lediglich Schäden, bei denen Wasser aus Zu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung bestimmungswidrig austrete. Die Schäden, die aus der dritten Bruchstelle (der Mischwasserleitung im Norden) herrührten, seien daher unabhängig von ihrer Lage bereits nach den Bedingungen 1999 mitversichert. Auch hinsichtlich des Rohrbruches der Mischwasserleitung im Norden des Hauses ergebe sich keine abweichende rechtliche Beurteilung aus den Versicherungsbedingungen des Jahres 1999 im Vergleich zu 2008. Auch dort seien lediglich Schäden aus Leitungswasserzuleitungen, die außerhalb des Grundstücks liegen, mitversichert, vorliegend habe es sich um eine Ableitung gehandelt.

Die Beratungspflichten des Beklagten seien auf den Abschluss eines Versicherungsvertrages beschränkt, nicht auf nachvertragliche Beratungspflichten wie sie die Umstellung eines Vertrages auf neue Bedingungen beträfen.

Im Übrigen sei der Schadensumfang zu bestreiten, zumal die Klägerin anlässlich der Schadensbehebung auch Sanierungsarbeiten durchführen habe lassen.

Es wird verwiesen auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 20.10.2010 mit Anhörung der Beteiligten und Einvernahme der Zeugin …, die Schriftsätze der Parteivertreter und die zum Akt gelangten Anlagen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Beklagte hat keine Beratungsfehler begangen, die seine persönliche Haftung für die entstandenen Schäden begründen würden.

I.

19Gegen den Beklagten lässt sich schon keine Verletzung von Beratungspflichten bei der Beratung während der Vertragslaufzeit erkennen. Der Beklagte hat zutreffend darauf hinweisen lassen, dass lediglich für den erstmaligen Abschluss eines Versicherungsvertrages Beratungspflicht und nachfolgend Haftung des Vermittlers in Betracht kommen, die gemäß § 61, 63 VVG definiert sind. Für den Bereich der Vertragsänderungen während der Vertragslaufzeit ist eine persönliche Haftung des Vermittlers dagegen ausgeschlossen, da es hierbei nicht mehr um die Bedarfsermittlung des Versicherungsnehmers und um die Aufklärung des Interessenten über das Wesen der Versicherung geht, § 6 IV VVG (Prölls/Martin Kommentar zum VVG (28.) § 6 Rn. 44).

Vorliegend hat die Klägerin keinen Neuabschluss getätigt, sondern den bestehenden Vertrag lediglich auf einen anderen Tarif umgestellt. Dies ergibt sich aus den klägerseits hereingereichten Anlagen K 1 und dem Versicherungsschein Anlage K 2, der lediglich Änderungen im bestehenden Versicherungsvertrag bestätigt. Ansprüche gegen den Beklagten sind daher bereits grundsätzlich und unabhängig von dem Verlauf der Beratungsgespräche im September 2008 ausgeschlossen.

II.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20.10.2010 wurde die Klägerin persönlich angehört. Sie gab an, Anlass für die Versicherungsgespräche sei die Erhöhung der Deckungssummen des bisherigen Vertrages der Wohngebäudeversicherung gewesen. Der Beklagte habe gesagt, dass der Vertrag genauso ausgeführt werde und dieselbe Deckung entfalte wie der alte Vertrag auch. Der Beklagte habe auf Nachfrage weiter angegeben, dass alle Rohre, die mit dem Haus verbunden seien, auch mitversichert seien.

Der Beklagte gab an, er habe die Aussage getätigt, alle Rohre, die auf dem Grundstück liegen, seien mitversichert, der Versicherungsumfang sei gleichlautend wie vorher auch.

Die Zeugin …, Tochter der Klägerin, gab an, sie habe dem Gespräch der Parteien lediglich kurz zugehört und sich dann ins Wohnzimmer zurückgezogen, sie sei dem Gespräch nicht gefolgt. Dennoch habe die Zeugin als Wortfetzen mitbekommen, dass der Beklagte die Zusage "die Rohre sind versichert" getätigt habe. Die Klägerin habe sogar wiederholt insoweit nachgefragt. Weitere Angaben zu den Gesprächen könne die Zeugin hingegen nicht mehr tätigen.

Die Aussagen der angehörten Parteien und Zeugen decken sich im Kern, nämlich dahin, dass der Beklagte die Zugehörigkeit aller Rohre, die auf dem Grundstück liegen, mitversichert seien. Diese Aussage ist in ihrer Globalität nicht richtig.

Die Klägerin konnte diese verknappte Aussage des Beklagten unabhängig von dem oben zu I Gesagten aber nicht zur Begründung von Ansprüchen gegen den Beklagten heranziehen.

Die Klägerin, zum Zeitpunkt der Beratungsgespräche 48-jährige Beamtin, konnte bei Anwendung objektiver Maßstäbe nicht erwarten, dass der Beklagte über die ausführlichen und umfangreichen Regelungen der Versicherungsbedingungen hinaus anspruchsbegründend Zusagen über den Versicherungsschutz machte, die in inhaltlichem Widerspruch zu den Bedingungen des Versicherers stehen. Unstreitig sind Schäden, die aus dem Bruch von Regenwasserleitungen entstehen, weder nach den alten noch nach dem neuen Versicherungsbedingungen mitversichert. Die vom Beklagten getätigte Aussage, dass alle Rohre versichert seien, konnte deshalb nach dem Dafürhalten des Gerichts keine Erweiterung des bestehenden Versicherungsvertrages und die Schaffung neuer Leistungsbilder generieren, sondern lediglich Bezug nehmen auf den Stand des bisherigen Versicherungsumfangs. Dies hat der Zeuge auch entsprechend bestätigt, indem er angab, der Versicherungsumfang sei gleichlautend wie vorher auch. Entsprechend musste die Klägerin diese Aussage auch verstehen und würdigen. Auch die Klägerin gibt im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung an, dass ein Abgleich zwischen den neuen und alten Versicherungsbedingungen der Maßstab der Gespräche gewesen sei.

Es ist auch für den Interessenten oder Versicherungsnehmer einer Wohngebäudeversicherung gut nachvollziehbar, dass Regenwasserentwässerungsrinnen, wenn sie beispielsweise mit herbstlichem Laub oder Schnee und Eis verstopft sind, leicht überlaufen können und Schäden am Gebäude erzeugen können, ohne dass ein Schadensfall an den Rohren selbst vorliegt. Die Übernahme eines entsprechenden Versicherungsschutzes durch die Wohngebäudeversicherung in solchen Fällen wäre wirtschaftlich nicht darstellbar und kann auch marktgerecht vom Verbraucher nicht erwartet werden. Es darf auch eine Auseinandersetzung des Versicherungsnehmers mit den übergebenen Versicherungsbedingungen und dem dortigen Regelungen erwartet werden, ein Beratungsgespräch wäre mit der Diskussion dieser zahlreichen Normierungen eindeutig überfrachtet.

Die Klägerin hat der beklagtischen Behauptung auch nicht widersprochen, dass es einen Versicherungsschutz hinsichtlich aller Rohre eines Grundstückes, insbesondere der Regenentwässerungsleitungen gegen bestimmungswidrigen Austritt von Regenwasser nicht gebe. Eine Beweiserhebung hierzu war daher untunlich, § 288 ZPO.

Dem Beklagten konnte bei seinem Gespräch eine Pflichtverletzung, die kausal zum klägerischen Schaden gewesen wäre, nicht nachgewiesen werden.

III.

Die Klage war bereits im Anspruchsgrund abzuweisen, auf die Höhe der einzelnen Schäden kommt es dabei nicht an. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

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