FG Köln, Urteil vom 27.02.2013 - 4 K 1543/09
Fundstelle
openJur 2013, 22650
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Denn die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass der gemeine Wert des Grundstücks zum Bewertungsstichtag niedriger als der vom Finanzamt C festgestellte Grundbesitzwert war.

1. Zu Recht hat der Beklagte den Grundbesitzwert nach § 146 Abs. 2-6 BewG ermittelt.

a) Der Wert eines bebauten Grundstücks ist nach § 146 Abs. 2 S. 1 BewG das 12,5fache der für dieses im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielten Jahresmiete, vermindert um die Wertminderung wegen des Alters des Gebäudes (§ 146 Abs. 4 BewG). Jahresmiete ist das Gesamtentgelt, das die Mieter für die Nutzung der bebauten Grundstücke aufgrund vertraglicher Vereinbarungen für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen haben (§ 146 Abs. 2 S. 2 BewG). Betriebskosten sind nicht einzubeziehen (§ 146 Abs. 2 S. 3 BewG). Wurde ein bebautes Grundstück an Angehörige (§ 15 der Abgabenordnung - AO -) des Eigentümers vermietet, tritt an die Stelle der Jahresmiete die übliche Miete (§ 146 Abs. 3 S. 1 BewG). Die übliche Miete ist die Miete, die für nach Art, Lage, Größe, Ausstattung und Alter vergleichbarer, nicht preisgebundener Grundstücke von fremden Mietern bezahlt wird; Betriebskosten sind hierbei nicht einzubeziehen (§ 146 Abs. 3 S. 2 BewG). Die Wertminderung wegen Alters des Gebäudes beträgt für jedes Jahr, das seit Bezugsfertigkeit des Gebäudes bis zum Besteuerungszeitpunkt vollendet worden ist, 0,5 vom 100, höchstens jedoch 25 vom 100 des Wertes nach den Abs. 2 und 3 (§ 146 Abs. 4 S. 1 BewG).

b) Der Beklagte hat sich in dem angefochtenen Bescheid an diese Bestimmungen gehalten. Er hat, der Erklärung der Klägerin folgend, eine durchschnittliche Jahresmiete von 26.996 € angesetzt, diese mit einem Vervielfältiger von 12,5 multipliziert und einen Ausgangswert von 337.450 € berücksichtigt. Von diesem hat er, da das Jahr der Bezugsfertigkeit das Jahr 1996 war, einen Abschlag von 67.490 € vorgenommen und einen Gebäudewert im Ertragswertverfahren von 269.960 € ermittelt und diesen, gerundet auf volle 500 € nach unten, als Wert der wirtschaftlichen Einheit i.H.v. 269.500 € festgestellt.

2. Demgegenüber hat die Klägerin nicht gemäß § 146 Abs. 7 BewG nachgewiesen, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger als der nach den Abs. 2-6 ermittelte Wert war.

a) Nach § 9 Abs. 2 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der einzelnen Wirtschaftsgüter bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Das ist bei Grundstücken regelmäßig der Verkehrswert (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.4.2006 II R 58/04, BFHE 213, 207, BStBl II 2006, 793 m. w. N.). Dieser Nachweis kann regelmäßig durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah erzielten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück oder vergleichbare Grundstücke oder ein Sachverständigengutachten geführt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 14.12.2006, II B 53/06, BFH/NV 2007 S. 403).

b) Einen derartigen Nachweis hat die Klägerin im Streitfall nicht geführt.

aa) Die Klägerin hat nicht durch eine nach dem BewG zulässige Methode nachgewiesen, dass der Verkehrswert des Grundstücks zum Bewertungsstichtag niedriger als der vom Finanzamt C festgestellte Grundbesitzwert war.

Die Klägerin hat kein Sachverständigengutachten vorgelegt, durch das ein niedrigerer Verkehrswert nachgewiesen wird.

Die Klägerin hat einen niedrigeren Verkehrswert auch nicht durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah erzielten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück nachgewiesen.

Als gewöhnlicher Geschäftsverkehr ist der Handel nach den wirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage zu verstehen, bei dem die Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern in Wahrung ihrer eigenen Interessen handeln (BFH-Urteile vom 14.2.1969 III 88/65, BFHE 95, 334, BStBl II 1969, 395; vom 7.12.1979 III R 45/77, BFHE 129, 394, BStBl II 1980, 234; vom 28.11.1980 III R 86/78, BFHE 132, 482, BStBl II 1981, 353, vom 5.3.1986 II R 232/82, BFHE 146, 460, BStBl II 1986, 591 und vom BFH 26.4.2006, II R 58/04, BFHE 213, 207, BStBl. II 2006, 793).

Der von der Klägerin und Frau J abgeschlossene "Auseinandersetzungsvertrag und Auflassung" vom 1.12.2006 kann nicht einem im gewöhnlichen Geschäftsverkehr geschlossenen Kaufvertrag gleichgestellt werden.

Denn die Klägerin und Frau J standen sich nicht als fremde Dritte, sondern als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegenüber, die sie zu diesem Zeitpunkt auflösen wollten. Das Interesse der Frau J und der Klägerin lag deswegen nicht nur darin, einen angemessenen Ausgleich für die Grundstücksübertragung zu erzielen. Vielmehr lag es auch darin, die Gesellschaft mit einem für beide Gesellschafter befriedigenden Ergebnis zu beenden. Aus diesem Grund verfolgten die Partner des Auseinandersetzungsvertrag nicht nur ihre eigenen Interessen, die für die Veräußerin darin lagen, einen möglichst hohen Preis für die Überlassung des Grundstücks zu erhalten und für die Erwerberin darin bestanden, möglichst wenig für den Erwerb des Grundstücks zu bezahlen. Vielmehr hatten die Partner des Auseinandersetzungsvertrags auch gleichgerichtete Interessen. Diese lagen darin den Verlust, den sie durch den überhöhten Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks bezahlt hatten, auf beide Partner zu verteilen. Der von den Partnern des Auseinandersetzungsvertrags vereinbarte Kaufpreis orientierte sich deswegen nicht nur an dem am Markt erzielbaren Preis, sondern auch an dem ursprünglich bezahlten Ankaufspreis.

bb) Gegen die Heranziehung des in dem Auseinandersetzungsvertrag vereinbarten Kaufpreises für die Übertragung des hälftigen Grundstücksanteils als Grundlage für den Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer spricht aber auch die Gesetzessystematik. Denn § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 3. Alt. GrEStG schließt bei Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage die Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung gerade aus und ordnet stattdessen die Bestimmung dieser Bemessungsgrundlage nach den Werten im Sinne des §§ 138 Abs. 2 oder 3 BewG an. Wollte man für die danach gemäß § 138 Abs. 3 BewG vorzunehmende Ermittlung des Grundstückswertes unter Anwendung der §§ 139 und 145-150 BewG unter dem Gesichtspunkt eines im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Kaufpreises auf ein in dem Auseinandersetzungsvertrag vereinbartes Entgelt für die Grundstücksübertragung zurückgreifen, so würde dies dem sich aus § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 3. Alt. GrEStG ergebenden gesetzgeberischen Willen zuwider laufen. Denn im Ergebnis würde die Feststellung eines niedrigeren Verkehrswertes gemäß § 146 Abs. 7 BewG dann wieder auf dem Wert der Gegenleistung basieren und die Vorstellung des Gesetzgebers, bei Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage nicht das vereinbarte Entgelt als Bemessungsgrundlage zu Grunde zu legen, auf dem Umweg über die Bewertung gemäß § 138 Abs. 3 BewG in ihr Gegenteil verkehrt.

cc) Schließlich kann der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts durch den zwischen den ehemaligen Gesellschafterinnen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts abgeschlossenen Auseinandersetzungsvertrag auch deswegen nicht geführt werden, weil eine derartige Handhabung der Beurteilung des für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt C widersprechen würde.

aaa) Nach § 138 Abs. 5 S. 1 BewG (in der damaligen Fassung) sind die Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn sie für die Erbschaftssteuer oder Grunderwerbsteuer erforderlich sind (Bedarfsbewertung).

Hieraus hat die Rechtsprechung geschlossen, dass es nicht Aufgabe des für die Grundbesitzwertfeststellung zuständigen Finanzamts ist, die Erforderlichkeit dieser Bewertung eigenständig zu untersuchen. Vielmehr hat das Feststellungsfinanzamt regelmäßig davon auszugehen, dass die Wertfeststellung i.S. von § 138 Abs. 5 BewG "erforderlich” ist, wenn ein Finanzamt um die Feststellung eines solchen Werts für Zwecke einer beabsichtigten Steuerfestsetzung nachsucht. Denn über das Bestehen eines solchen "Bedarfs” und damit die "Erforderlichkeit” der Wertfeststellung entscheidet allein das für die Festsetzung der Steuer zuständige Finanzamt durch einen verwaltungsinternen Vorgang in Form der Anforderung des Grundbesitzwerts beim Lagefinanzamt. Dies schließt es im Regelfall aus, im Rechtsmittelverfahren gegen den Feststellungsbescheid die Steuerbarkeit betreffende materiellrechtliche Einwände zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschluss vom 10.2.2011 II S 39/10 (PKH), BFHE 232, 310, BStBl II 2011, 657 und BFH-Urteil vom 24.5.2005 II R 57/03, BFH/NV 2005, 1982). Dies gilt selbst dann, wenn die Rechtsansicht des für die Festsetzung der Steuer zuständigen Finanzamts fehlerhaft ist.

bbb) Aus diesem Grund war das Finanzamt C1 an die (geänderte) Rechtsansicht des Finanzamts C gebunden, dass im Streitfall der Übergang des Eigentums an dem Grundstück nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterlag. Dass diese Ansicht des Finanzamts C, das für den Übergang des Eigentums keine Auflassung für erforderlich hielt, derjenigen des beurkundenden Notars, der eine Auflassung beurkundete, widersprach, ist ohne Bedeutung. Da das Finanzamt C die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer aus § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 3. Alternative GrEStG ableitete, bemaß sich die Steuer nach den Werten im Sinne des § 138 Abs. 2 oder 3 des BewG. Diese Rechtsansicht beinhaltete aber die Auffassung, dass § 8 Abs. 1 GrEStG nicht einschlägig war und dass sich aus diesem Grund die Steuer nicht nach der Gegenleistung bemaß. An diese Beurteilung würde sich das beklagte Finanzamt C1 nicht halten, wenn es wegen der Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten den Verkehrswert in Höhe dieser Verbindlichkeiten feststellen würde. Denn es würde dann im Gegensatz zu dem die Steuer festsetzenden Finanzamt die vereinbarte Gegenleistung als gesetzlich zulässige Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer werten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen. Es liegt bisher nach Erkenntnis des entscheidenden Senats kein Urteil des BFH zu der Frage vor, ob und unter welchen Voraussetzungen das Entgelt für die Übertragung eines Grundstücks im Rahmen eines gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungsvertrags einem im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Kaufpreis gleichgestellt werden kann bzw. ob eine solche Handhabung gegen § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 3. Alt GrEStG verstößt. Darüber hinaus bedarf es der höchstrichterlichen Untersuchung, ob die Tatsache, dass das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt die Steuer gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG nach den Werten des § 138 Abs. 2 oder 3 BewG (heute § 138 Abs. 2-4 BewG) bemisst, für das Lagefinanzamt dazu führt, dass dieses dem Vertrag über den Erwerbsvorgang nicht die Vereinbarung einer Gegenleistung, durch die ein niedrigerer Verkehrswert nachgewiesen ist, entnehmen darf.