LG Düsseldorf, Urteil vom 28.08.2012 - 10 O 192/11
Fundstelle
openJur 2013, 22622
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 158.750,00 EUR zu bezahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.11.2010 Zug um Zug gegen Rückübertragung der atypisch-stillen-Beteiligungen des Klägers an der Beklagten mit den Vertragsnummern 06101910/01, 06101910/02, 0711910/03, 07111910/04 und 07111910/05.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 2.594,91 EUR als vorgerichtliche Kosten zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.11.2010.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen angeblicher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Erwerb atypisch stiller Gesellschaftsbeteiligungen geltend.

Der Kläger erhielt ab Frühjahr 2005 Anrufe von dem Mitarbeiter X der Firma X mit Blick auf potentiell interessante Kapitalanlagen. Im Januar 2006 kontaktierte ihn dieser erneut und stellte ihm eine Beteiligung an der Beklagten vor. X übersandte dem Kläger hierzu am 16.01.2006 per Fax eine Reservierung für eine Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter an der Beklagten, die der Kläger am selben Tag mit seinen Adressdaten ausfüllte und eine Reservierungshöhe von 5.000,- EUR eintrug.

Anfang Juni 2006 kontaktierte X den Kläger erneut. Dem Kläger wurde der Verkaufsprospekt ebenfalls Anfang Juni zugesandt. Der Kläger und X schlossen am 06.06.2006 eine Sondervereinbarung bezüglich der Beteiligung an der Beklagten. In dieser heißt es: „Es wird für die Einlage ein Sonderkündigungsrecht zum 31.12.2007 vereinbart. Für diesen Zeitraum wird die Einlage mit 5 % p.a. fest verzinst“. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 6 Bezug genommen.

Der Kläger beteiligte sich an der Beklagten mit fünf atypisch-stillen Beteiligungen mit einem Beteiligungsbetrag von insgesamt 150.000,- EUR zuzüglich Agio von insgesamt 8.750,00 EUR.

- Am 19.06.2006 zeichnete er eine Beteiligung in Höhe von 4.000,- EUR zzgl. 400,- EUR Agio (Vertrag Nr. I, 06101910/01).

- Am 06./10.07.2006 zeichnete er eine Beteiligung in Höhe von 21.000,- EUR zzgl. 2.100,- EUR Agio (Vertrag Nr. II, 06101910/02).

- Am 22./26.01.2007 zeichnete er eine Beteiligung in Höhe von 50.000,- EUR zzgl. 2.500,- EUR Agio (Vertrag Nr. III, 0711910/03).

- Am 19./22.03.2007 zeichnete er eine Beteiligung in Höhe von 25.000,- EUR zzgl. 1.250,- EUR Agio (Vertrag Nr. IV, 07111910/04).

- Am 17./19.11.2007 zeichnete er eine Beteiligung in Höhe von 50.000,- EUR zzgl. 2.500,- EUR Agio (Vertrag Nr. V, 07111910/05).

Dem Vertrag Nr. II lag die Sondervereinbarung vom 26.06.2006, dem Vertrag Nr. III die Sondervereinbarung vom 26.01.2007 zugrunde.

Der Kläger unterschrieb am 20.04.2007 die als Anlage K 6a zur Akte gereichte Aufhebungsvereinbarung, mit welcher die Zusatzvereinbarungen vom 26.06.2006 und dem 26.01.2007 aufgehoben wurden. Die Aufhebung der Zusatzvereinbarung erfolgte, weil die Beklagte zuvor an den Kläger herangetreten war mit dem Hinweis, dass diese Sondervereinbarung als Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG gewertet werden könne, was zu Problemen mit der BaFin führen könne. Die Umstände, die zur Aufhebung der Zusatzvereinbarungen führten, sind zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger hat am 28.03.2011 Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gestellt.

Der Kläger behauptet, seit Juni 2006 Kontakt mit Herrn X gehabt zu haben, der ihm stets von den Erfolgen der Beteiligungsgesellschaften erzählt habe, jedoch unerwähnt gelassen habe, dass diese teils miserable Bilanzen hatten. Über Risiken der Beteiligung sei er nicht informiert worden. Herr X habe immer wieder auf die immensen Wertsteigerungschancen der Beteiligung hingewiesen und die Chance von Börsengängen (IPOs) als wahren „Gelddruckmaschinen“. Die Beklagte habe ihm fortlaufend positive Presseberichte über erfolgreiche Börsengänge im Technologiesektor zugesandt. Obwohl er zunächst keine weitere Beteiligung gewünscht habe, hätten ihn die euphorischen und positiven Berichte des Herrn X, erneut auch im Jahre 2007, zu weiteren Beteiligungen bewogen. Da er im Jahre 2007 gesundheitliche Probleme gehabt habe, habe er die weiteren Investitionen in die Beklagte als zusätzliche Einkommensquelle betrachtet, die für seine Alterssicherung dringend notwendig sei, da er selbstständig sei und nur die gesetzliche Mindestrente bezahle.

Er sei nicht bzw. nicht hinreichend darauf hingewiesen worden, dass die abgeschlossene atypisch stillen Beteiligungen mit erheblichen Risiken, insbesondere mit dem Risiko des Totalverlusts bzw. einer möglichen Nachschussfrist belastet sein, dass diese sich daher nicht zur Altersvorsorge eignen und dass bereits ab dem Jahre 2006 negative Berichte über die Beklagte in der Fachpresse existierten. Auch sei er nicht darüber aufgeklärt worden, dass die Beteiligungen nicht veräußerbar seien und die in den Sondervereinbarungen getroffenen Zinszahlungen gegen das KWG verstoßen könnten. Innenprovisionen seien verschwiegen und hinsichtlich sog. weicher Kosten nur unzureichende Angaben gemacht worden. Weiterhin sei über Prognoserechnungen getäuscht worden. Zudem sei er hinsichtlich der ihm gegebenen Zinsversprechen getäuscht worden.

Herr X habe ihn am 19. oder 20.04.2007 angerufen und zunächst die positive Entwicklung der Aktivitäten der Beklagten geschildert. Sodann habe er nebenbei um eine „rein formale Änderung der Zinsvereinbarung betreffend die Verträge I bis III“ gebeten. Als Grund hierfür habe Herr X angeführt, dass die Beklagte Probleme mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bekommen habe. Ihm sei zugesichert worden, dass sein Zinsanspruch und sein Sonderkündigungsrecht bestehen blieben. Herr X habe darauf hingewiesen, dass alle Telefonate auf Band aufgezeichnet würden, so dass diese mündliche Zusicherung definitiv nachweisbar sei. Die ihm am 20.04.2007 übersandte Vereinbarung habe er deshalb im guten Glauben auf eine adäquate Ersatzvergütung am 30.04.2007 unterschrieben.

Später sei er dann auch von dem Mitarbeiter X der Beklagte betreut worden, der ihm zugesagt habe, im Falle des Börsengangs der Beteiligungsgesellschaft X würden ihm, dem Kläger, unmittelbar Gewinnanteile ausgezahlt. Dies habe X später als unrichtig bezeichnet.

Er ist der Ansicht, er habe getäuscht werden sollen, um weitere Beteiligungen einzugehen. Dies sei unter Ausnutzung seiner gesundheitlichen Angeschlagenheit erfolgt. Bei den Werbeanrufen habe es sich um sog. unerlaubte cold-callings (Kaltakquise) gehandelt. Es sei über den Zweck der Anrufe getäuscht worden. Seiner Ansicht nach ist die Beteiligung sittenwidrig.

Seitens der Beklagten sei über die Rolle und Vorgeschichte des Xgetäuscht worden, der eine Historie von Insolvenzen, Anlegerschädigung, Delikten und Straftaten vorweisen könne. Insgesamt sei das Firmen- und Personengeflecht verheimlicht worden. Aufgrund dessen liege auch eine mangelnde Risikoaufklärung über die Gefahr von Interessenkollisionen mit Konkurrenzgesellschaften im Personengeflecht X vor.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 158.750,00 EUR zu bezahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus einem Betrag von 4.400,- EUR ab 19.06.2006,
aus einem Betrag von 23.100,00 EUR seit dem 10.07.2006
aus einem Betrag von 52.500,00 EUR seit dem 26.01.2007
aus einem Betrag von 26.250,00 EUR seit dem 20.03.2007
aus einem Betrag von 52.500,00 EUR seit dem 19.11.2007
Zug um Zug gegen Rückübertragung der atypisch-stillen-Beteiligungen des Klägers an der Beklagten mit den Vertragsnummern 06101910/01, 06101910/02, 0711910/03, 07111910/04 und 07111910/05;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 2.990,47 EUR als vorgerichtliche Kosten zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.11.2010.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Verlaufsprospekt der Beklagte weise auf S. 19 bis 26 ausreichend auf die Risiken der Beteiligung hin. Hinzu komme, dass der Kläger auch in den persönlichen Gesprächen zutreffend und auf Grundlage der Prospektinformationen aufgeklärt worden sei. Der Kläger sei durch sie nicht beraten worden, da sie, die Beklagte, keine Anlagevermittlung im Sinne von § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 KWG betreibe. Sie behauptet, es existierten keine Tonbandaufzeichnungen von Gesprächen ihrer Mitarbeiter. Sämtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen die Herrn X seien eingestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle vom 11.01.2011 und 31.07.2012 sowie die im Folgenden getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist aus dem in Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

Der Kläger hat mit Blick auf die Verträge Nr. I bis III einen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB.

1.)

Die Beklagte hat den Kläger nicht nur darüber getäuscht, dass die Aufhebung der Sonderkündigungsvereinbarung in Verbindung mit der Festverzinsung unter § 1 KWG falle und von daher aufgehoben werden müsse, sondern auch darüber, dass die entsprechenden Rechte des Klägers nicht weiter fortbestehen würden.

Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers hat dieser die Beteiligungen nur gezeichnet, weil ihm seitens der Beklagten neben einem Sonderkündigungsrecht auch eine Festverzinsung zugesichert wurde. Der Vortrag des Klägers deckt sich insoweit mit der zur Akte gereichten schriftlichen Dokumentation. Aus Anlage K 6 vom 06.06.2006 geht hervor, dass ein Sonderkündigungsrecht mit Blick auf Vertrag I zum 31.12.2007 vereinbart wurde und die Einlage mit 5 % p.a. fest verzinst werde. Anlage K 6a bezieht sich auf zwei andere Sondervereinbarungen (vom 26.06.2006 und 26.01.2007) und datiert vom 20./30.04.2007.

a)

Vor allem die bewusste Täuschung bei Vertragsschluss (BGH WM 1985, 866, 868), auch nur über einzelne Bestimmungen, begründet die Haftung nach § 826 BGB. An dieser Stelle kann jedoch dahinstehen, ob aus Sicht der Beklagten bereits von vorneherein geplant war, das Sonderkündigungsrecht bzw. die feste Verzinsung nicht aufrechtzuerhalten oder nicht. Denn auch unabhängig davon, ob das Kapitalanlagemodell der Beklagte bereits von vorneherein auf eine Anlegertäuschung angelegt war, liegt neben einer vertraglichen Pflichtverletzung auch eine Schädigungshandlung im Sinne des § 826 BGB vor.

b)

Denn auch im Rahmen der Vertragsdurchführung selbst können bewusst falsche Angaben zur Haftung nach § 826 BGB führen (vgl. OLG Dresden NJW-RR 2000, 207, 208). Sittenwidrig ist beispielsweise das Erschleichen eines Rechtsverzichts oder eines Erlasses von Forderungen (Staudinger/Oechsler, § 826 BGB, Rn. 197).

aa)

Die Beklagte hat den Kläger nach unstreitigem Parteivortrag dazu bewegt, sein Einverständnis zur vertraglichen Aufhebung der Zusatzvereinbarungen vom 06.06.2006, 26.06.2006 und 26.01.2007 zu den Beteiligungsverträgen Nr. I, Nr. II und Nr. III zu geben (vgl. Anlage K 6a). Hierdurch hat der Kläger auf weitreichende Rechte verzichtet, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten.

(1)

Die Darstellung des Klägers, dass diese Zusatzvereinbarungen ein wesentlicher Bestandteil der Vereinbarung der Parteien waren und ein Sonderkündigungsrecht mit Zinsversprechen gerade vor dem Hintergrund der langen Beteiligungszeit ein besonderer Anreiz war, ist nachvollziehbar. Wieso der Kläger diese ohne Kompensation aufgeben sollte, ist nicht ersichtlich und konnte auch die Beklagte nicht erklären. Insofern spricht viel dafür, dass der Kläger nicht beabsichtigte, diese Rechte ersatzlos aufzugeben.

(2)

Ungeachtet dessen hat die Beklagte den Kläger mit Blick auf den von ihr angeführten Grund für die Aufhebungsvereinbarung auch arglistig getäuscht. Nach übereinstimmendem Parteivortrag ist die Beklagte an den Kläger mit der Bitte um Unterzeichnung der Aufhebungsvereinbarung herangetreten, weil die Zusatzvereinbarung gegen § 1 KWG verstoße. Diese Information ist jedoch falsch.

Weder die Vereinbarung von 5 % Zinsen, noch die Einräumung eines Sonderkündigungsrechtes, sind vom Anwendungsbereich des § 1 KWG erfasst. Es handelt sich bei der vorliegenden Vereinbarung entgegen der Ansicht der Beklagten nicht um ein Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG. Unter Einlagengeschäft ist die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums zu verstehen, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird. Auf die Vergütung von Zinsen kommt es dabei nicht an.

Die einzigen Gelder, die die Beklagte vom Kläger angenommen hat, waren diejenigen, die er für seine Beteiligung zu entrichten hatte. Einlagen der Gesellschafter, die in Erfüllung der gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung zur Erbringung des Eigenkapitals geleistet werden, sind jedoch keine Einlagengeschäfte. Sie sind zum einen nicht fremde Gelder, zum anderen nicht rückzahlbar und damit nicht darlehensweise überlassen (vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 1 KWG, Rn. 40). Das gilt auch für Einlagen stiller Gesellschafter (BGH, WM 1984, 957; WM 2010, 928, 929).

Ein Einlagengeschäft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG liegt nicht schon immer dann vor, wenn die im Rahmen eines Vertrages über eine atypische stille Gesellschaft eingebrachte Einlage bei gleichzeitiger Verlustteilnahme mindestverzinst wird. Der für das Einlagengeschäft wesentliche unbedingte Anspruch auf Rückzahlung der Einlage ist vielmehr nur dann gegeben, wenn die Mindestverzinsung der Einlage von den Vertragsparteien im Sinne einer nicht von den Geschäftsverlusten abhängigen Einlagenrückzahlung vereinbart wurde oder wenn der Anleger nach den Werbeaussagen des Unternehmens davon ausgehen musste, er werde die Einlage ähnlich wie bei einer Bankanlage ungeschmälert zurückerhalten (VGH Kassel: Beschluss vom 29.10.2007, Az. 6 TG 1468/07).

Dass der Kläger seine Einlage ungeschmälert zurückerhalten würde, ist von den Parteien ausweislich Anlage K 6 nicht vereinbart worden. Vereinbart wurde allein, dass die Einlage über einen bestimmten Zeitraum mit 5 % p.a. fest verzinst werden würde. Durch die Sondervereinbarungen wurde die in § 3 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages bestimmte Verlustteilnahme des Anlegers nicht abbedungen. Auf das für den Anleger fortbestehende Risiko eines Totalverlustes seiner Einlage hat der Prospekt der Beklagten darüber hinaus mit ausreichender Deutlichkeit hingewiesen.

Auch ist das dem Kläger in den Sondervereinbarungen befristet zugestandene Sonderkündigungsrecht allein nicht geeignet, seine gesellschaftsvertraglich vorgesehene Verlustbeteiligung als abbedungen zu betrachten. Es ist nämlich zweifelhaft, ob ein kurzfristiges Sonderkündigungsrecht ohne zusätzliche Sicherheiten ausreicht, um von der Einräumung eines unbedingten Rückzahlungsanspruchs ausgehen zu können (vgl. VGH Kassel, Beschluss v. 29.10.2007, Az. 6 TG 1468/07 m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund ist anhand des maßgeblichen objektiven Erklärungsinhalts davon auszugehen, dass eine Mindestverzinsung der Einlage bei fortbestehender Verlustbeteiligung der Anleger vereinbart wurde.

bb)

Die Aufhebungsvereinbarung war daher nicht erforderlich, was die Beklagte auch wusste. Ungeachtet dessen hat sie den Kläger zum schriftlichen Verzicht der ihm zugesicherten Rechte bewegt. Es sind keine Gründe ersichtlich, wieso der Kläger ersatzlos auf seine Rechte verzichten sollte. Die Beklagte, die gegenüber dem Kläger vertraglich zu einem fairen Verhalten verpflichtet gewesen ist, hat es offensichtlich darauf angelegt, diesen über die Erforderlichkeit der Aufhebung der Sondervereinbarung zu täuschen und in eine von ihr gestellte "Erlass-Falle" zu locken (vgl. OLG Dresden v. 31.08.1998, Az. 17 W 1185/98).

2.)

Die Beklagte hat auch mit dem erforderlichen Vorsatz gehandelt. Vorsatz i.S.d. § 826 BGB erfordert insbesondere das Bewusstsein, dass das eigene Handeln den schädlichen Erfolg herbeiführen wird (BGH NJW 1963, 148, 150; NJW-RR 2002, 1309, 1310). Bedingter Vorsatz als billigende Inkaufnahme des Schadens beim Geschädigten (BGH NJW 2001, 3187, 3189 unter Verweis auf BGHSt 7, 363, 370 = NJW 1955, 1688; 1968, 660, 661; 1988, 2794) genügt. Anders als im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB muss der Vorsatz die Zufügung des Schadens umfassen, um die Haftung aus § 826 BGB nicht ausufern zu lassen (BGH NJW 1963, 148, 150; NJW 2000, 2896, 2897; NJW-RR 2002, 1309; OLG Düsseldorf NJW-RR 1990, 732, 734).

Hier sprechen bereits die objektiven Umstände für eine subjektive Kenntnis der Beklagen. Dem Kläger die Aufhebungsvereinbarung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen – und vor allem: ohne Gegenleistung – abzuringen, setzt denklogisch voraus, dass die Beklagte davon Kenntnis hatte, hierdurch einen Schaden beim Kläger herbeizuführen. Sie wusste, dass er sich dadurch seiner Rechte begeben würde. Die Rechtsprechung zieht in Fällen, in denen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, den Schluss, dass eine verwerfliche Gesinnung desjenigen, der sich die überhöhte Vergütung versprechen lässt, nahe liegt (BGHZ 125, 135, 140; BGH NJW 2000, 2669, 2670; NJW-RR 1998, 1065). In Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass jemand, der unter Angabe falscher Tatsachen jemanden dazu bringt, ersatzlos auf seine Rechte zu verzichten, dies in verwerflicher Gesinnung tut. Die Beklagte hat auch nichts vorgetragen, was diese Annahme widerlegen könnte.

3.)

Der Kläger hat einen Vermögensschaden in Gestalt des Anlagebetrages erlitten. Die den Sittenverstoß begründende Handlung war auch für die Rechtsgutsverletzung, also den Eintritt des Nachteils, kausal. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, die streitgegenständlichen Anlagen – jedenfalls die ersten drei Verträge – nicht ohne gleichzeitigen Abschluss der jeweiligen Zusatzvereinbarung getätigt zu haben. Insofern besteht ein Zusammenhang zwischen der Zusatzvereinbarung und der Anlage selbst.

4.)

Damit ist die Beklagte dem Kläger zum Schadensersatz nach §§ 249 ff. BGB verpflichtet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orientiert sich der deliktische Schadensersatzanspruch wegen arglistiger Täuschung bei der Vertragsanbahnung oder -abwicklung am negativen Interesse (BGHZ 57, 137, 139; BGH NJW 1960, 237 f.; WM 1969, 496, 498). Danach ist der Geschädigte so zu stellen, als hätte er den Vertrag niemals abgeschlossen.

Der Kläger kann damit die Rückabwicklung der Verträge Nr. I bis III verlangen. Mit Blick auf die Verträge Nr. I bis III ist dem Kläger ein Schaden in Höhe von 80.000,- EUR entstanden. Diese hat die Beklagte ihm zu ersetzen, Zug um Zug gegen Rückübertragung der atypisch stillen Beteiligung an der Beklagten.

II.

Hinsichtlich der Verträge Nr. IV bis V steht dem Kläger ein außerordentliches Kündigungsrecht zu, das der Kläger auch wirksam ausgeübt hat.

1.)

Ist eine Partei einer Publikumsgesellschaft als atypischer stiller Gesellschafter beigetreten, so kann sie den Gesellschaftsvertrag aus wichtigem Grund kündigen (BGH NJW-RR 1995, 1061). Denn Gesellschaftsverträge sind, ähnlich wie Arbeits- oder Mietverträge, Dauerschuldverhältnisse, bei denen eine Kündigung grundsätzlich möglich ist (vgl. BGH a.a.O.).

Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung des atypischen stillen Gesellschaftsvertrags ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes, aufgrund dessen dem Kündigenden nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen des Festhalten am Gesellschaftsvertrag unzumutbar ist. Dabei sind die Besonderheiten der stillen Gesellschaft zu berücksichtigen. Die stille Gesellschaft ist ein Schuldverhältnis und grundsätzlich keine Rechtserwerbs- und Verpflichtungsgemeinschaft. Der stille Gesellschafter hat in der Regel lediglich beschränkte Mitwirkungsbefugnisse, seine Hauptpflicht ist die Vermögenseinlage. Ihn trifft zwar auch eine Treuepflicht, diese ist jedoch weniger ausgeprägt als die eines Gesellschafters. Gründe, die eine Ausschließung eines Gesellschafters rechtfertigen, stellen wegen des weniger engen Verhältnisses nicht immer auch einen wichtigen Grund für die Kündigung eines stillen Gesellschafters dar (vgl. OLG Dresden, NZG 1999, 1220, 1221).

Das Vertrauensverhältnis der Parteien ist vorliegend aufgrund der Täuschung durch die Beklagte als derart erschüttert anzusehen, dass dem Kläger ein Festhalten am Vertrag nicht länger zuzumuten ist. Die Beklagte hat den Kläger unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu bewegt, umfangreich auf seine ihm zustehenden Rechte zu verzichten. Ein derartig vertrags- und treuwidriges Verhalten macht dem Kläger ein Festhalten an seinen übrigen Gesellschaftsanteilen unzumutbar.

2.)

Der Kläger kann daher nach erklärter fristloser Kündigung von der Beklagten verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er die Verträge Nr. IV und V nicht abgeschlossen.

Zwar sind die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auf die stille Gesellschaft anwendbar. Diese Grundsätze stehen einem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage aber nicht entgegen, wenn der Vertragspartner des stillen Gesellschafters verpflichtet ist, diesen im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte er den Gesellschaftsvertrag nicht geschlossen und seine Einlage nicht geleistet (BGH NJWRR 2006, 178; Bestätigung von BGH, NJW-RR 2004, 1407; NJW-RR 2005, 627; NJW 2005, 1784).

Hätte der Kläger die beiden Verträge nicht abgeschlossen, hätte er keine Einlage zzgl. Agio in Höhe von insgesamt 78.750,- EUR geleistet. Diese Summe kann er Zug um Zug gegen Übertragung seiner Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter der Beklagten verlangen.

III.

Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Jedoch kann der Kläger nicht bereits ab Zeichnung, sondern erst ab Inverzugsetzen der Beklagten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz verlangen. Der Kläger hat der Beklagten ausweislich Anlage K 11 mit Schreiben vom 18.11.2010 eine Frist bis zum 29.11.2010 zur Rückzahlung der geleisteten Einlagen in Höhe von 158.750,- EUR gesetzt. Diese Frist verstrich erfolglos, so dass gemäß § 187 Abs. 1 BGB ab dem 30.11.2010 Verzug der Beklagten vorlag.

IV.

Unter Verzugsgesichtspunkten kann der Kläger auch Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von der Beklagten verlangen. Insoweit kann jedoch - entgegen der Ansicht des Klägers – lediglich von einer 1,3fachen und nicht von einer 1,5fachen Geschäftsgebühr ausgegangen werden. Der Kläger hat keine besonderen Umstände dargelegt, aus denen sich eine erhöhte Geschäftsgebühr rechtfertigen würde. Unter Zugrundelegung des Streitwerts in Höhe von 158.750,- EUR errechnet sich damit eine 1,3fache Geschäftsgebühr (Ziff. 2300 VV RVG) in Höhe von 2.160,60 EUR. Zuzüglich der Pauschale nach Ziff. 7002 VV RVG in Höhe von 20,- EUR und der Umsatzsteuer von 19 % ergibt sich somit eine Gesamtforderung in Höhe von 2.594,91 EUR. Hinsichtlich des Zinsbeginns gilt das unter III. Gesagte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert: 158.750,- EUR

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