VG Ansbach, Urteil vom 21.02.2013 - AN 14 K 12.00835
Fundstelle
openJur 2013, 22515
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2 .Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Kostenerstattung für die ... und deren Kind ... ab 1. Juli 2011 erbrachte sozialpädagogische Familienhilfe.

Der Kläger gewährte der am ... geborenen ... und deren am ... geborenen Kind ... in der Zeit vom 5. April 2010 bis zum 30. Juni 2011 eine stationäre Hilfe für Mutter und Kind gemäß § 19 SGV VIII im Haus ... des Sozialdienstes ... in ... Vor der stationären Unterbringung wohnte die Kindsmutter in ..., im Bereich des Klägers.

Mit Schreiben vom 13. Juli 2011 beantragte die Kindsmutter beim Kläger eine sozialpädagogische Familienhilfe und weitere Kostenübernahme für den Krippenplatz von ... Sie sei ledig und habe das alleinige Sorgerecht für ihre Tochter ...; eine gemeinsame Sorgerechtserklärung mit dem Kindsvater liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 3. August 2011 stellte der Kläger die vollstationäre Jugendhilfe gemäß § 19 SGB VIII mit Ablauf des 30. Juni 2011 ein und gewährte ab 1. Juli 2011 eine sozialpädagogische Familienhilfe gemäß § 31 SGB VIII. Der Kläger sei in fortdauernder Leistungsverpflichtung zuständig bis die Beklagte in eigener Zuständigkeit die Fortführung der gewährten ambulanten Hilfe übernehme. Die Hilfeart in der stationären Form sei hilfeplangemäß beendet worden. Der zum Ende der stationären Hilfe noch vorhandene Bedarf erfordere jedoch keine Fortsetzung dieser Hilfeart, sondern werde gemäß dem Antrag der Kindsmutter vom 13. Juli 2011 und entsprechender Hilfeplanung in ambulanter Form gedeckt.

Mit Email vom 8. August 2011 bat der Kläger die Beklagte um Übernahme des Hilfefalles und Kostenerstattung.

Die Beklagte vertrat mit Schreiben vom 11. Januar 2012 die Auffassung, dass auf Grund eines Urteils des Verwaltungsgerichtshofs München vom 31. August 2005 (12 BV 02.2651) eine Zuständigkeit der Beklagten nicht vorliege. Man gehe davon aus, dass der Kläger gemäß § 86 b SGB VIII weiterhin als Folgezuständigkeit aus der Hilfe nach § 19 SGB VIII für die Hilfegewährung zuständig sei.

Der Kläger führte mit Schreiben vom 8. Januar 2012 aus, dass § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII anzuwenden sei. Das zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs betreffe den Fall, ob die auf die § 19 Maßnahme folgende §§ 27 ff. Maßnahme einen Neubeginn der Leistung darstelle oder nicht. Der „Beginn der Leistung“ sei aber bei § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII (im Gegensatz z.B. zu § 86 Abs. 2 Satz 2) kein Tatbestandsmerkmal.

Mit Negativbescheinigung gemäß § 58 a SGB VIII bescheinigte das Jugendamt der Beklagten, dass keine Sorgeerklärung gemäß § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB verwahrt werde.

Mit Bescheid vom 19. Juni 2012 beendete der Kläger die ambulante Jugendhilfe mit Ablauf des 30. Juni 2012, da ein Hilfebedarf nicht mehr bestand.

Mit am 29. Mai 2012 bei Gericht eingegangenem Schreiben erhob der Kläger Klage mit den Anträgen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die für Frau ... und deren Kind ... nach § 86 c SGB VIII aufgewandten Kosten für eine gewährte Sozialpädagogische Familienhilfe ab deren Beginn am 1. Juli 2011 zu erstatten.

2. Die Beklagte wird verurteilt, auf den gemäß Ziffer 1 sich ergebenden Kostenerstattungsbetrag eine Verzinsung i.H.v. 8 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu leisten.

Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Kostenerstattung auf Grund von § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zu. Er leiste die sozialpädagogische Familienhilfe auf Grund einer Verpflichtung nach § 86 c SGB VIII und sei bis 30. Juni 2011 zuständig gewesen. Der Wechsel der örtlichen Zuständigkeit sei zum 1. Juli 2011 eingetreten und habe die örtliche Zuständigkeit der Beklagten bewirkt. Mit dem Einzug in das Mutter-Kind-Haus am 5. April 2010 habe die Kindsmutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten begründet und diesen nach dem Auszug aus dem Mutter-Kind-Haus beibehalten. Der Kindsvater halte sich im Landkreis ... auf und habe demgegenüber während des gesamten Hilfezeitraumes einen verschiedenen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Die Kindsmutter sei allein sorgeberechtigt. Somit ergebe sich die örtliche Zuständigkeit für die Beklagte gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. August 2005 sei entgegen der Ansicht der Beklagten auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Im vorliegenden Sachverhalt hätten die beiden Elternteile nicht ein gemeinsames Sorgerecht. Somit sei tatbestandsmäßig keine Zuständigkeitsnorm eröffnet, die als Rechtsfolge die Festschreibung der bisherigen Zuständigkeit bestimme, wie etwa § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII. Die Zuständigkeit für die SPFH bestimme sich nicht nach § 86 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.2.2008, Az. 5 B 109/06; vom 19.10.2011, Az. 5 C 25/10). Selbst wenn dem so wäre, würde es am Ergebnis nichts ändern.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 31. August 2005 habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Januar 2004 (Az. 5 C 9/03) festgestellt, dass der öffentlich-rechtliche Jugendhilfeträger für eine sich an eine § 19 SGB VIII Leistung anschließende Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII örtlich zuständig bleibe, der auch für die § 19 SGB VIII Leistung ehedem örtlich zuständig gewesen sei, immer mit der Maßgabe, dass ein einheitlicher und kontinuierlich anhaltender jugendhilferechtlicher Bedarf bestehe, was nach Auffassung der Beklagten im streitgegenständlichen Verfahren der Fall sei. Jedenfalls zunächst im Anschluss an eine Hilfe nach § 19 SGB VIII – bei fortbestehendem Hilfebedarf – bleibe das bisher zuständige Jugendamt zuständig, auch falls die Mutter bei Auszug aus dem Mutter-Kind-Heim ihren gA in einen anderen Ort verlegt haben sollte. Vorliegend habe die Mutter lediglich innerhalb ... eine andere Wohnung bezogen. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umfasse nicht nur den Fall, dass ein § 19 Fall auf eine Hilfe nach § 27 ff. zurückwechsle, sondern wohl auch grundsätzlich den Fall, dass die Jugendhilfegewährung mit § 19 SGB VIII beginne und dann im Anschluss eine Hilfe nach § 27 ff SGB VIII gewährt werde. Für die Hilfe nach § 19 SGB VIII habe die statische Zuständigkeit des § 86 b Abs. 1 SGB VIII bestanden. Bei fortbestehendem einheitlichem Hilfebedarf und da keine „neue Leistung“ mit der sich anschließenden Hilfe nach § 31 SGB VIII gegeben sei, setze sich daher zunächst die statische Ausgangszuständigkeit des Klägers fort. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führe z.B. aus, dass keine erstmalige Zuständigkeitsbestimmung nach § 86 SGB VIII durchzuführen sei, weil eben keine neue Leistung beginne. Wenn aber dann diese Anschlussmaßnahme an die Hilfe nach § 19 SGB VIII installiert worden sei, könne wohl aus Billigkeitsgründen für weitere Wechsel eines maßgeblichen gA nicht dauerhaft für den weiteren gesamten Verlauf der Jugendhilfe für das betroffene Kind auf Jahre hinaus die über § 89 b SGB VIII begründete „statische“ Zuständigkeit beibehalten werden. Insoweit wären dann aus der Sicht der Beklagten erst ab einem gegebenenfalls nächsten gA-Wechsel der Mutter wohl auch wieder die Anwendung der üblichen dynamischen Zuständigkeitsregeln gemäß § 86 SGB VIII einschlägig, was aber im vorliegenden Fall nicht erfolgt sei. Die Rechtsfrage sei auch durch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach und auch nicht im Berufungsverfahren beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geklärt worden. Das Verwaltungsgerichtsurteil vom 11. August 2011 enthalte wohl eine unrichtige Begründung. Die am 26. Juni 2012 hierzu ergangene ablehnende Berufungsentscheidung kläre diese noch offene Rechtsfrage nicht. Im Urteil des OVG NRW vom 19. Oktober 2011 (12 A 1493/11) werde im Hinblick auf eine ähnliche Fragestellung verwiesen. Fraglich erscheine auch, weshalb im Erfolgsfalle der Klage 8 % über dem Basiszinssatz einschlägig sein sollten und nicht wie üblich 5 %.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Der Kläger teilte mit Schreiben vom 27. August 2012 mit, dass die Gesamtkosten für die Maßnahme (Beginn 1.7.2011, Ende 30.6.2012) 6.943,94 EUR betragen.

Mit weiterem Schreiben vom 28. August 2012 legte der Kläger weitere Unterlagen vor und machte mit Schreiben vom 31. August 2012 weitere Ausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Behördenakten der Beteiligten sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Dem Kläger steht der von ihm geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch gemäß § 89 c SGB VIII nicht zu, da er die geltend gemachten Kosten nicht im Rahmen einer Verpflichtung nach § 86 c SGB VIII aufgewendet hat, sondern selbst für die Hilfeerbringung zuständig war.

Gemäß § 89 c Abs. 1 sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86 c aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Der Kläger hat jedoch nicht gemäß § 86 c SGB VIII als vorläufiger Leistungsträger gehandelt, sondern auf Grund eigener Zuständigkeit die Leistung erbracht. Zum Zeitpunkt der Gewährung von sozialpädagogischer Familienhilfe (§§ 27, 31 SGB VIII) hat die örtliche Zuständigkeit nicht gewechselt, sondern ist bei dem Kläger verblieben.

Für die vorangegangene Hilfe nach § 19 SGB VIII war unstreitig der Kläger gemäß § 86 b Abs. 1 SGB VIII örtlich zuständig, da die gemäß § 19 SGB VIII leistungsberechtigte Kindsmutter vor Beginn der Leistung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ..., im Bereich des Klägers hatte. Durch die Einstellung der vollstationären Jugendhilfe gemäß § 19 SGB VIII mit Ablauf des 30. Juni 2011 durch Bescheid vom 3. August 2011 wurde die Jugendhilfeleistung zuständigkeitsrelevant nicht unterbrochen bzw. beendet und stellt die im Anschluss daran ab 1. Juli 2011 bewilligte sozialpädagogische Familienhilfe gemäß § 31 SGB VIII keine neue zuständigkeitsrelevante Hilfeleistung und damit auch keinen neuen Leistungsbeginn dar.

Bei einer geänderten Hilfegewährung im Rahmen eines – wie hier – einheitlichen, ununterbrochenen Hilfeprozesses beginnt nicht allein deswegen eine zuständigkeitsrechtlich relevante „neue“ Leistung, weil die geänderte oder neu hinzutretende Jugendhilfemaßnahme ganz oder teilweise einer anderen Nummer des § 2 SGB VIII zuzuordnen ist (BVerwG vom 29. Januar 2004, 5 C 9/03, BVerwG vom 23. März 2010, 5 C 12/09, BVerwG vom 19. Oktober 2011, 5 C 25/10). Bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung der einzelnen Hilfen ist entscheidend für die Annahme einer einheitlichen Leistung im Sinne von § 86 SGB VIII, ob eine auf Deckung eines qualitativ unveränderten jugendhilferechtlichen Bedarfs bezogene Gesamtmaßnahme vorliegt. Eine zuständigkeitsrechtlich einheitliche Leistung liegt dann vor, wenn sich die Hilfegewährung ungeachtet aller Modifikationen, Änderungen und Ergänzungen noch als Fortsetzung der ursprünglichen Hilfemaßnahme darstellt und nicht der Deckung eines andersartigen, neu entstandenen Bedarfs dient (vgl. BVerwG vom 29.1.2004, 5 C 9/03).

Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich vorliegend um einen fortlaufenden Hilfebedarf, der bereits im Jahr 2009 nach der Geburt des Kindes am ...begonnen hat, ohne dass es zunächst zur Einleitung eines förmlichen Jugendhilfeverfahrens geführt hätte. So fand schon am ... nach der Geburt des Kindes ein Hilfeplangespräch statt mit dem Ergebnis, dass eine Aufnahme in einer Mutter-Kind-Einrichtung für erforderlich erachtet wurde wegen der unzureichenden häuslichen Verhältnisse und eine ambulante Maßnahme nicht für ausreichend gehalten wurde. Zu einer stationären Aufnahme kam es allein deshalb nicht, weil sich die Kindsmutter damals noch einer solchen Maßnahme verweigerte, wie sich aus einem weiteren Gespräch beim Jugendamt des Klägers am 6. Mai 2009 entnehmen lässt. Erst auf Grund Antragstellung durch die Mutter der Kindsmutter am 4. April 2010 bzw. des Vormundes für das Kind am 17. Mai 2010 auf Hilfe zur Erziehung erfolgte dann die tatsächliche Aufnahme im Mutter- und Kindheim am 5. April 2010 durch Bescheid vom 19. Mai 2010. Mit Beendigung der stationären Unterbringung im Mutter- und Kindheim zum 30. Juni 2011 und Einzug der Kindsmutter und des Kindes in eine eigene Wohnung am 1. Juli 2011 in ... war jedoch ganz offensichtlich der bisherige Hilfebedarf nicht entfallen. So führt der Sozialdienst ... in einer Stellungnahme an das Jugendamt des Klägers vom 27. Juni 2011 aus, dass für die weitere positive Entwicklung von Kindsmutter und Kind die Installierung einer sozialpädagogischen Familienhilfe empfohlen wurde, insbesondere deshalb, weil noch Unterstützungsbedarf in folgenden Bereichen bestand: Erledigung organisatorischer, amtlicher Angelegenheiten, Erarbeitung einer beruflichen Perspektive (nachdem die Kindsmutter ihre schulische Ausbildung abgebrochen hatte), Ordnung und Sauberkeit im Haushalt, weitere Unterstützung zur Förderung einer guten Erziehungsfähigkeit, Umgang mit Finanzen. Damit stellt sich der Kammer bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung die Jugendhilfeleistung als einheitliche Maßnahme zur Deckung eines unverändert fortbestehenden Hilfebedarfs dar, der mit Änderung der konkreten Hilfe nicht zu einer Neubeurteilung der Hilfe führt. Dies wird letztlich bestätigt durch die Hilfeplanfortschreibung vom 19. April 2012, in der auf die kontinuierliche positive Entwicklung sowie die Notwendigkeit weiterer Unterstützung durch ambulante Hilfemaßnahmen, wenn auch in zeitlich geringfügigerem Umfang, hingewiesen wurde. Schließlich wurde auch seitens des Klägers der fortlaufende Hilfebedarf selbst nicht in Zweifel gezogen, da er andernfalls auch eine lediglich nur vorläufige Hilfeleistung nicht hätte erbringen dürfen und schließlich auch seitens des Klägers erst zum 30. Juni 2012 ein Hilfebedarf nicht mehr gesehen wurde.

Darüber hinaus verfolgen beide Hilfeformen (nach § 19 SGB VIII einerseits und nach § 31 SGB VIII andererseits) im Wesentlichen die gleichen Ziele, und zwar die Sicherung/Wiederherstel-lung der Erziehungsfähigkeit des (alleinerziehenden) Elternteils bzw. die Verbesserung des Erziehungsverhaltens der Eltern. Adressat einer Hilfe nach § 19 SGB VIII sind die alleinerziehenden Mütter oder Väter und ihre Kinder unter sechs Jahren. Die Maßnahme nach § 19 SGB VIII soll Hilfe zur Persönlichkeitsentwicklung der Mütter und Väter sein und steht im Dienst der Pflege und Erziehung des Kindes. Damit ist Ziel der Hilfe, Mütter und Väter zu befähigen, mit ihren Kindern selbstständig und eigenverantwortlich zu leben. Erziehungs- und Förderungshilfen müssen so ausgerichtet sein, dass Mütter/Väter im Zusammenleben mit ihren Kindern zu deren Pflege, Erziehung und Förderung befähigt werden. Die Zielsetzung der Hilfe liegt in der auf die Erziehungsfähigkeit bezogene Persönlichkeitsentwicklung des alleinerziehenden Elternteils. Sobald er die Aufgabe des Alleinerziehens bewältigen kann, ist eine weitere Gewährung von Leistungen nach § 19 SGB VIII nicht mehr erforderlich. Es handelt sich dabei um eine komplexe, multifunktionale Leistung, die darauf abzielt, den gesamten pädagogischen Bedarf in dieser spezifischen Lebenssituation abzudecken (vgl. Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage, RdNr. 9 zu § 19).

Hilfe zur Erziehung bezweckt den Ausgleich mangelhafter elterlicher Erziehungsleistungen. Ein solcher Ausgleich setzt eine Berücksichtigung der konkreten Umstände voraus, die im Einzelfall Ursache der Erziehungsmängel oder gar des Erziehungsversagens des Sorgeberechtigten sind. Diese Umstände hat der Jugendhilfeträger zu ermitteln und seiner Entscheidung über die notwendige und geeignete Hilfeart zu Grunde zu legen. Anspruchsberechtigte der Hilfe zur Erziehung nach § 31 SGB VIII sind die Personensorgeberechtigten. Die Maßnahme nach § 31 SGB VIII dient der Förderung und Entwicklung des Kindes durch Hilfe für die Familie, wobei sich die Aufgabenstellung der sozialpädagogischen Familienhilfe zentral an der Sicherung oder Wiederherstellung der Erziehungsfunktion der Familie orientiert. Sie hat damit vor allem eine Verbesserung der Situation des bzw. der Kinder oder Jugendlichen in der Familie zum Ziel. Sozialpädagogische Familienhilfe soll die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in der Familie durch eine Verbesserung des Erziehungsverhaltens der Eltern, der Interaktionen der Familienmitglieder sowie der gesamten Rahmenbedingungen fördern. Dabei soll an inner- und außerfamiliäre Ressourcen angeknüpft werden, die gemeinsam mit den Eltern gefunden, entwickelt und nutzbar gemacht werden müssen und es sollen weitergehende Eingriffe, insbesondere die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen außerhalb der eigenen Familie vermieden werden (vgl. Wiesner, a.a.O., § 31 RdNrn. 5 und 6). Die Eltern in den Familien sollen befähigt werden, ihre Aufgaben eigenständig und selbstverantwortlich ohne fremde Hilfe wahrzunehmen. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Familien über ausreichende, durch die Fachkräfte aktivierbare Ressourcen verfügen (so Wiesner, a.a.O., § 31 RdNr. 10).

Vorliegend ist die Hilfeempfängerin nicht nur Adressat einer Hilfe nach § 19 SGB VIII als alleinerziehende Mutter sondern auch als Personensorgeberechtigte für die Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 31 SGB VIII. Darüber hinaus dient die sich unmittelbar an die Hilfe nach § 19 SGB VIII anschließende sozialpädagogische Familienhilfe der Unterstützung und damit der Fortsetzung der bisherigen Leistung nach § 19 SGB VIII. Bei dieser Sachlage kann in der sich anschließenden sozialpädagogischen Familienhilfe keine neue eigenständige Jugendhilfeleistung zur Deckung eines andersartigen, neu entstandenen Bedarfes gesehen werden.

Auch der Umstand, dass es sich bei der Hilfe nach § 19 SGB VIII um eine Leistung der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 SGB handelt, während die sich hieran anschließende Hilfe zur Erziehung um eine Leistung der Jugendhilfe zu § 2 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII handelt, beide Jugendhilfeleistungen demnach einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII unterfallen, kann nicht zu einer Neuüberprüfung der Zuständigkeit führen (vgl. hierzu BVerwG vom 29.1.2004, 5 C 9/03, vom 23.3.2010, 5 C 12/09 und vom 19.10.2011, 5 c 25/10). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg im Urteil vom 15. Juni 2009 (13 K 2641/07), auf die sich der Kläger beruft, wonach bei einer Änderung der Leistung nach § 19 SGB VIII in eine Hilfe zur Erziehung nach § 33 SGB VIII keine einheitliche Leistung im vorgenannten Sinne vorliegt (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.10.2011, 12 A 1493/11 juris), vermag nicht zu überzeugen. Konsequenterweise würde dies bedeuten, dass im Falle einer vorangegangenen Hilfe nach § 19 SGB VIII für eine sich daran anschließende Hilfe zur Erziehung stets die örtliche Zuständigkeit neu zu prüfen wäre und zwar unabhängig davon, ob, wie hier, ein einheitlicher bedarfsdeckender Hilfeprozess zu bejahen ist oder ein neu entstandener Hilfebedarf zu decken ist. Zur Überzeugung der erkennenden Kammer steht jedoch ein allgemeiner Rechtssatz, dass bei einem Übergang von einer Leistung nach § 19 SGB VIII zu einer Hilfe zur Erziehung nach § 33 SGB VIII grundsätzlich nicht von einer einheitlichen Leistung auszugehen ist, so dass der Bestimmung des § 86 b Abs. 1 unmittelbar zuständigkeitsrechtliche Bedeutung zukommt, mit der Folge, dass die Anschlussleistungen zuständigkeitsrechtlich neu zu beurteilen sind, nicht im Einklang mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Januar 2004 (a.a.O.). Soweit offenbar das Verwaltungsgericht München in seiner Entscheidung vom 24. April 2002 (M 18 K 00.2155, JAmt 2002, 523 – 524) die Auffassung des Verwaltungsgerichts Hamburg teilt, kommt dem für die streitgegenständliche Entscheidung schon deshalb keine Bedeutung zu, da in dem vom Verwaltungsgericht München entschiedenen Fall unterschiedliche Leistungsberechtigte gegeben waren (Leistungsberechtigter nach § 19 SGB VIII der mit den Kindern untergebrachte Elternteil, Leistungsberechtigte für die Hilfe zur Erziehung beide Elternteile), vorliegend jedoch allein für beide Leistungen die Kindsmutter maßgeblich ist. Die Einschätzung der Aufnahme einer Jugendhilfeleistung nach Verlassen des Mutter-Kind-Heimes als neue Maßnahme ist insoweit nachvollziehbar und mit streitgegenständlichem Fall nicht vergleichbar.

Dem gegenüber geht der Bayerischer Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 31. August 2005 (12 BV 02.2651) davon aus, dass der bisher zuständige örtliche Träger auch dann weiterhin zuständig bleibt, wenn lediglich die Art der Hilfe von der Hilfe nach § 19 SGB VIII zu einer Hilfe zur Erziehung, hier nach §§ 27, 34 SGB VIII, zurückwechselt. Zwar ging in dem dort entschiedenen Fall der Gewährung von Leistungen nach § 19 SGB VIII unmittelbar eine Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII voraus, weshalb gemäß § 86 b Abs. 3 SGB VIII der örtliche Träger zuständig blieb, der bisher zuständig war. In diesen Fällen, in denen wie hier, nur die Art der Hilfe, nämlich von einer Hilfe zur Erziehung zu einer Hilfe nach § 19 SGB VIII wechselt, soll ein Wechsel der Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers vermieden werden. Der bisher zuständige Jugendhilfeträger soll vielmehr weiterhin für den Hilfefall zuständig bleiben. Schon hieraus ergibt sich nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass dieser bisher zuständige örtliche Träger auch dann weiterhin zuständig bleibt, wenn lediglich die Art der Hilfe von der Hilfe nach § 19 SGB VIII zu einer Hilfe zur Erziehung - dort nach § 27, 34 SGB VIII - zurück wechselt. Wenn schon der Wechsel auf die Hilfeart „gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder“ nach § 19 SGB VIII die bisherige Zuständigkeit des erziehungshilfeleistenden Jugendhilfeträgers unberührt lässt, dann besteht keinerlei Anlass, den Wechsel zurück auf die Hilfe zur Erziehung als Grund für einen Zuständigkeitswechsel anzuerkennen.

Vor diesem Hintergrund und dem hier vorliegenden einheitlichen Hilfeprozess kann dem Wechsel in der Hilfeart keine zuständigkeitsrechtliche Konsequenz zukommen, da es keinen Unterschied machen kann, ob mit Gewährung einer Hilfe gemäß § 19 SGB VIII eine Jugendhilfemaßnahme neu eingeleitet worden ist oder ob der Hilfe nach § 19 SGB VIII bereits eine Jugendhilfemaßnahme vorangestellt war.

Nach alledem war der Kläger für die Fortsetzung der einheitlichen Hilfeleistung unverändert örtlich zuständig, so dass ihm ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beklagten nicht zusteht.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 6.943,94 EUR festgesetzt

52 Abs. 3 GKG).