OLG Hamm, Beschluss vom 12.03.2013 - 2 UF 107/12
Fundstelle
openJur 2013, 22238
  • Rkr:

Bei der Entscheidung über die Abtrennung einer Folgesache vom Verbund gem. § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG ist im Rahmen der Abwägung der gegenseitigen Interessen auch eine obstruktive Verfahrensverzögerung des Antragsgegners zu berücksichtigen.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 30.03.2012 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Marl wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 17.865,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 19.04.1963 geborene Antragsteller und die am 23.02.1961 geborene Antragsgegnerin heirateten am 27.03.1992. Aus der Ehe sind zwei Kinder, der am 20.09.1992 geborene Sohn P und die am 06.02.1994 geborene Tochter Q, hervorgegangen. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin trennten sich Mitte Januar 2009.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 11.11.2010 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin zur Zustimmungserteilung zur gemeinsamen Veranlagung für das Jahr 2009 auf. Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.12.2010 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie grundsätzlich hierzu bereit sei, indes nur unter der Voraussetzung, dass ihr die hieraus entstehenden steuerlichen und finanziellen Nachteile erstattet würdenNach entsprechender Zustimmungserteilung seitens der Antragsgegnerin erließ das Finanzamt N die Einkommenssteuerbescheide für 2008 am 28.03.2011 und für 2009 am 18.03.2011.

Der Antragsteller reichte unter dem 04.09.2010 im Einzelnen im Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 03.09.2010 bezeichnete Einkommensunterlagen ein und erteilte Auskunft, über deren Vollständigkeit die Beteiligten streiten.

Der Antragsteller hat gemeint, dass die Scheidungsvoraussetzungen vorlägen. Soweit die Antragsgegnerin die Erweiterung des Verbundes auf nachehelichen Unterhalt begehre, sei der entsprechende Antrag verspätet eingereicht worden. Dass er die Einkommenssteuererklärungen der Jahre 2008 und 2009 nicht eingereicht habe, habe seine Ursache darin gehabt, dass Unterlagen der Antragsgegnerin aus Vermietung und Verpachtung fehlten. Für 2008 sei zunächst keine gemeinsame Steuererklärung abgegeben worden. Für 2009 hätten zunächst noch Angaben der Antragsgegnerin zu ihren Einkünften gefehlt. Insofern habe er unter dem 04.09.2010 umfänglich Auskunft erteilt. Die Verbundfolgesache nachehelicher Unterhalt sei abzutrennen, da der Scheidungsantrag vom 01.12.2009 datiere und damit das Scheidungsverfahren nunmehr seit zwei Jahren und drei Monaten rechtshängig sei. Die Antragsgegnerin wirke nicht oder nur unzureichend mit. Sie habe erst mit am 27.08.2010 eingegangenen Schriftsatz einen Auskunftsstufenantrag gestellt. Obwohl das Gericht unter dem 08.12.2010 die Antragsgegnerin zur Stellung eines bezifferten Antrags aufgefordert habe, sei eine der Antragsgegnerin mögliche Bezifferung nicht erfolgt. Beachtlich sei überdies, dass die Antragsgegnerin die Auskunftsstufe - ausdrücklich - "für erledigt erklärt habe"; sofern sie gleichwohl danach noch Auskunftsansprüche verfolge, diene dies der Verfahrensverzögerung. Zudem habe - unstreitig - ein mehrfacher Anwaltswechsel stattgefunden. Insofern sei dies allein zur Verzögerung des Verfahrens erfolgt. Ein weiterer Aufschub stelle auch in Anbetracht der Bedeutung der Folgesachen eine unzumutbare Härte für ihn dar.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Ehe der Beteiligten zu scheiden und

die Verbundfolgesache nachehelicher Unterhalt und, soweit noch nicht entscheidungsreif, die Verbundsache Versorgungsausgleich abzutrennen.

Die Antragsgegnerin hat erklärt, mit der Scheidung nur dann einverstanden zu sein, wenn eine Regelung über die Folgesachen Nachscheidungsunterhalt, Zugewinnausgleich und Hausratverteilung erzielt werde, und zunächst beantragt,

den Antragssteller zur Auskunftserteilung über die Höhe seines durchschnittlichen Einkommens durch Vorlage im Einzelnen genannter Bezügemitteilungen und Steuerbescheide zu verpflichten.

Sie hat sodann die Auskunftsstufe zunächst teilweise, dann im Schriftsatz vom 29.12.2010 ohne Einschränkungen für erledigt erklärt und sodann mit Schriftsatz vom 09.02.2012 beantragt,

den Antragsteller zu verpflichten, Auskunft über seine Einkommensverhältnisse ab 10/2009 durch Vorlage der einzelnen Gehaltsabrechnungen für die Zeit 10/2010 bis einschließlich 2/2012 sowie durch die Überreichung der Gewinn- und Verlustrechnungen für 2009 und 2010, der BWA für 2010 und 2011und des Einkommenssteuerbescheides für 2009 und 2010 zu erteilen.

Der Antragsteller hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat gemeint, dass die Steuerbescheide für die Jahre 2008 und 2009 und weiterer Bankbescheinigungen seitens des Antragstellers vorzulegen seien. Soweit sie den Stufenantrag teilweise für erledigt erklärt habe, sei beachtlich, dass dieser noch nicht erledigt sei. Es fehlten nach wie vor der Einkommenssteuerbescheid für 2009 und die Vorlage der Jahresbilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen für das Veranlagungsjahr 2010. Daher sei - ohne die Vorlage dieser Unterlagen - eine Bezifferung nicht möglich.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Marl hat mit angefochtenem Beschluss die Ehe der Beteiligten geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und die Folgesache "nachehelicher Unterhalt" abgetrennt. Zur Begründung hat es hinsichtlich der Abtrennung der Folgesache "nachehelicher Unterhalt" ausgeführt, dass diese nach § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG abzutrennen gewesen sei. Das Scheidungsverfahren sei seit dem 22.12.2009 rechtshängig. Erst nach Einholung der Auskünfte zum Versorgungsausgleich und Terminsbestimmung für den 03.09.2010 habe die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt in Form des Stufenantrages geltend gemacht und Auskunft verlangt. Am 29.12.2010 habe sie dann die Auskunftsstufe für erledigt erklärt und eine unverzügliche Bezifferung angekündigt, die indes nicht erfolgt sei. Darauf, dass ihr aufgrund Zeitablaufs nunmehr ein neuer Auskunftsanspruch zustehe, könne sich die Antragsgegnerin deswegen nicht berufen, weil der Zeitablauf allein von ihr verursacht worden sei. Dem Antragsteller sei es nicht zuzumuten, auf den Scheidungsausspruch so lange zu warten, bis die Antragsgegnerin ihren Unterhaltsanspruch beziffere und eine Entscheidung hierüber erfolge. Denn auch nach Bezifferung könne im Hinblick auf die Selbständigkeit des Antragstellers nicht kurzfristig über den Unterhaltsanspruch im Falle der Bezifferung entschieden werden. Zwar habe die Antragsgegnerin ein erhebliches Interesse an der Regelung des nachehelichen Unterhalts im Verbund. Indes habe die Verfahrensabtrennung keine konkrete Auswirkung auf die Lebenssituation der Antragsgegnerin.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Sie rügt, das Amtsgericht hätte die Folgesache "nachehelicher Unterhalt" nicht abtrennen dürfen, sondern darüber im Verbund entscheiden müssen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abtrennung gemäß § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG hätten nicht vorgelegen. Die vom Amtsgericht zur Begründung der Abtrennung der Folgesache "nachehelicher Unterhalt" angenommene unzumutbare Härte sei nicht gegeben. Allein die Verfahrensdauer sei für sich isoliert betrachtet kein Abtrennungsgrund. Tatsachen, die eine Unzumutbarkeit begründen könnten, seien seitens des Antragstellers nicht vorgetragen. Die Verzögerung habe zwar ihre Ursache auch in einem Anwaltswechsel auf ihrer Seite. Maßgebend sei aber, dass der Antragsteller bislang über seine Einkommensverhältnisse ab Anfang 2010 keine Auskunft erteilt habe. Mangels Vorliegens erforderlicher Unterlagen sei daher eine Bezifferung des Unterhaltsanspruchs nicht möglich.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Marl vom 30.03.2012 aufzuheben und das Verfahren an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.

Der Senat hat die Antragsgegnerin und den Antragsteller persönlich angehört; wegen des Ergebnisses der Beteiligtenanhörung wird auf den das wesentliche Ergebnis der Anhörung zusammenfassenden Berichterstattervermerk vom 28.02.2013 verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, indes unbegründet.

1.

Gem. Art 111 Abs. 1 FGG-RG sind auf das vorliegende Verfahren die ab dem 01.09.2009 geltenden Vorschriften des FamFG anwendbar.

2.

Die Antragstellerin ist zwar durch den Ausspruch der Ehescheidung vor einer Entscheidung in der Folgesache "nachehelicher Unterhalt" beschwert, da sie grundsätzlich Anspruch darauf hat, nur geschieden zu werden, wenn gleichzeitig über die Folgesache entschieden wird (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.1986 - IVb ZR 54/85 - FamRZ 1986, 898; BGH, Urteil vom 30.07.1979 - IV ZR 160/78 - FamRZ 1979, 690; OLG Köln, Beschluss vom 13.06.2012 - II-21 UF 15/12 - FamRZ 2012, 1814; OLG Zweibrücken, Beschluss v. 19.10.2011 - 2 UF 96/11 - FamRZ 2012, 471; OLG Bremen, Beschluss vom 22.11.2010 - 4 WF 151/10 - FamRZ 2011, 753; OLG Hamm, Urteil vom 01.12.2006 - 12 UF 168/06 - FamRZ 2007, 651).

3.

Vorliegend wurde die Folgesache nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG auch spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache anhängig gemacht (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss v. 19.10.2011 - 2 UF 96/11 - FamRZ 2012, 471). Die Folgesache "nachehelicher Unterhalt" ist jedenfalls am 21.08.2010 beim Familiengericht eingegangen und die mündliche Verhandlung fand in der Scheidungssache beim Familiengericht am 02.09.2011 statt.

4.

Die Voraussetzungen für eine Abtrennung waren gegeben, da ein Abtrennungsgrund im Sinne des § 140 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG vorlag und der Antragsteller die Abtrennung beantragt hat.

a)

Eine unzumutbare Härte im Sinne des § 140 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG liegt vor, wenn das Interesse des die Abtrennung begehenden Ehegatten nach den Umständen des Einzelfalls das Interesse des anderen Ehegatten daran, dass gleichzeitig mit der Scheidung über die Folgesache entschieden wird, überwiegt, was im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.1986 - IVb ZR 54/85 - FamRZ 1986, 898; OLG Naumburg, Beschluss vom 29.06.2011 - 14 WF 108/01 - FamRZ 2002, 331; OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.01.2008 - II-5 UF 148/07 - FamRZ 2008, 1266). Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG eine Ausnahmeregelung darstellt und es grundsätzlich dem Schutz des die Folgesachen anhängig machenden Ehegatten dient, dass gleichzeitig mit der Scheidung über die wichtigsten Scheidungsfolgen entschieden wird. Dadurch soll auch vermieden werden, dass sich die Eheleute nach der Scheidung immer wieder Auseinandersetzungen wegen der früheren Ehe gegenwärtigen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 09.01.1991 - XII ZR 14/90 - FamRZ 1991, 687).

b)

Das Interesse der Antragsgegnerin an einer gleichzeitigen Entscheidung auch über die Folgesache "Unterhalt" tritt im Hinblick auf die Interessen des Antragstellers an einem Ausspruch der Scheidung in den Hintergrund.

aa)

Im Rahmen der Abwägung ist zu Gunsten des Antragstellers zunächst beachtlich, dass nach seinem unwidersprochen gebliebenen und damit unstreitigen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ein weiteres Zuwarten auf den Scheidungsausspruch zu einem gravierenden Einschnitt in die persönliche Lebensplanung des Antragstellers führte. Denn nach seinem Vortrag lebt er seit drei Jahren in einer Beziehung; seine Lebenspartnerin wird alsbald 40 Jahre alt. Da "geordnete" Verhältnisse herrschen sollen, sei seine Lebensplanung durch ein weiteres Zuwarten gefährdet. Da also mithin der Antragsteller seine Lebenspartnerin ehelichen will und vor dem Hintergrund ihres Alters ein weiteres Zuwarten eine Schwangerschaft umso risikoreicher erscheinen lässt, je älter die Lebensgefährtin wird, besteht ein erhebliches Interesse des Antragstellers an der Scheidung der Ehe, um ein gewolltes Kind nicht in außerehelichen und damit "ungeordneten" Verhältnissen das Licht der Welt erblicken zu lassen.

bb)

Des Weiteren streitet zu Gunsten des Antragstellers die obstruktive Verfahrensverzögerung der Antragsgegnerin, die bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen zu berücksichtigen ist (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 18.11.1991 - 12 UF 90/91 - NJW-RR 1992, 712; OLG Bamberg, Urteil vom 03.02.1987 - 2 UF 160/87 - FamRZ 1988, 531; AG Bad Iburg, Beschluss vom 17.01.2010 - 5 F 320/09 UE - FamRZ 2011, 1084; Lorenz, in: Zöller, 29. Aufl.2012, § 140 FamFG Rn. 9; Musielak/Borth, FamFG, 3. Aufl. 2012, § 140 FamFG Rn. 13; vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 17.11.2008 - 6 UF 131/08 - FamRZ 2009, 710). Die gleichzeitige Endentscheidung über die Folgesache verzögerte den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Folgesache eine unzumutbare Härte für den Antragsteller darstellt. Da überdies die Vorschriften über den Scheidungsverbund den wirtschaftlich Schwächeren schützen sollen, dienen sie gerade nicht dazu, diesem ein Mittel in die Hand zu geben, das Verfahren länger zu führen, als bei sachgemäßem prozessualem Vorgehen.

Eine obstruktive Verfahrensverzögerung ist anzunehmen, wenn der Gegner seit einem nennenswerten Zeitraum (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 18.11.1991 - 12 UF 90/91 - NJW-RR 1992, 712) eine Mitwirkung unterlässt oder der Gegner den Wunsch des die Scheidung Begehrenden durch eine verzögerliche Verfahrensführung hintertreibt. Vorliegend hat die Antragsgegnerin seit einem nennenswerten Zeitraum ihre Mitwirkung am Verfahren ohne erkennbaren Grund unterlassen.

(1)

Dabei kann vorliegend zunächst dahinstehen, ob die aufgrund des zweifachen Anwaltswechsels verursachten zeitlichen Verzögerungen der Antragsgegnerin vorwerfbar sind. Zu Gunsten der Antragsgegnerin berücksichtigt der Senat überdies, dass sich erst unter dem 20.04.2011 die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin meldeten, zunächst Akteneinsicht begehrten und eine Einarbeitungszeit benötigten, die jedenfalls zum Zeitpunkt der durch das Amtsgericht unter dem 16.06.2011 verfügten Terminierung zum 02.09.2011 ausreichend bemessen war.

Damit aber wäre nicht nur eine Bezifferung des Leistungsantrages spätestens zum 16.06.2011 möglich gewesen, insbesondere da seit Ende März 2011 die verlangten Steuerbescheide vorlagen. Entscheidend ist vielmehr, dass mit Schriftsatz vom 29.12.2010 die Erledigung seitens der Antragsgegnerin umfassend erklärt worden ist und in angemessener Zeit weder ergänzend Auskunft begehrt noch der Unterhaltsantrag beziffert worden ist; ein plausibler Sachgrund hierfür ist nicht dargetan. Denn selbst unter Berücksichtigung des Anwaltswechsels am 20.04.2011 und einer möglichen Einarbeitungszeit wäre jedenfalls ab der Terminsverfügung Mitte Juni 2011 eine Bezifferung oder - wenn diese aus Sicht der Antragsgegnerin nicht möglich gewesen wäre - jedenfalls zumindest die Beantragung ergänzender Auskunft möglich gewesen. Erst unter dem 09.02.2012 - und damit knapp acht Monate später - hat die Antragsgegnerin weiter Auskunft verlangt. Ein Grund für diese Verzögerung ist weder seitens der Antragsgegnerin vorgetragen noch anderweit erkennbar, was umso schwerer wiegt, als das Amtsgericht mit an die nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gerichteter Verfügung vom 04.05.2011 ausdrücklich auf das Erfordernis der Bezifferung und der seinerzeit nicht möglichen Verfahrensförderung hinwies, es im Verfahrenskostenhilfebeschluss vom 01.09.2011 die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Folgesache "Unterhalt" ausdrücklich wegen fehlenden Sachantrages verweigerte und der Antragsteller jeweils in den Schriftsätzen seiner Verfahrensbevollmächtigen vom 10.02.2011, 14.03.2011, 06.04.2011 und 31.05.2011 und damit mehrfach um eine Terminierung bat.

(2)

Ein weiteres Zuwarten bis zur Entscheidungsreife des Unterhaltsantrags im Verbund ist dem Antragsteller nicht mehr zumutbar.

(a)

Bereits zum jetzigen Zeitpunkt ist eine außergewöhnliche Verfahrensverzögerung anzunehmen. Dabei kann dahinstehen, ob als Maßstab für eine durchschnittliche Verfahrensdauer eines Scheidungsverfahrens ein Zeitraum von zwei Jahren (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.1986 - IVb ZR 54/85 - FamRZ 1986, 898) oder nach empirischen Werten des Statistischen Bundesamtes nach dem Bericht "Rechtspflege Familiengerichte" ein Zeitraum von 10 Monaten im Bundesdurchschnitt, 10,3 Monaten im Landesdurchschnitt oder 9,6 Monaten im Durchschnitt im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm zu Grunde zu legen ist. Denn in beiden Fällen ist eine ungewöhnlich lange Verfahrensverzögerung anzunehmen.

Der Scheidungsantrag wurde am 22.12.2009 zugestellt. Mitte Januar 2009 erfolgte die Trennung, so dass im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses die Beteiligten etwa über drei Jahre getrennt lebten. Da nach § 140 Abs. 4 Satz 1 FamFG der vor Ablauf des ersten Jahres seit Eintritt des Getrenntlebens liegende Zeitraum außer Betracht bleibt, ist auf den Ablauf des Trennungsjahres Mitte Januar 2010 abzustellen.

(b)

Eine Bezifferung des Unterhaltsanspruchs ist nach wie vor nicht erfolgt und in absehbarer Zeit ist mit einer Bezifferung nicht zu rechnen. Überdies ist nach der Erklärung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat davon auszugehen, dass sie nach Bezifferung des Unterhaltsantrages noch die Folgesachen "Zugewinn" und "Hausrat" in den Verbund einstellen will. Mit einer noch erträglichen Zeitspanne bis zur Entscheidung über sämtliche Folgesachen ist damit nicht zu rechnen.

(3)

Dass die Antragsgegnerin erstinstanzlich ausdrücklich einen Antrag im Sinne des § 235 Abs. 2 FamFG gestellt hat, entlastet sie vom Vorwurf der grundlosen Verfahrensverzögerung nicht.

Vorliegend mag dahinstehen, ob die Voraussetzungen für ein Vorgehen des Amtsgerichts nach § 235 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit § 235 Abs. 1 FamFG bereits deswegen nicht vorlagen, weil kein bezifferter Leistungsantrag rechtshängig ist (vgl. Götz, NJW 2010, 897). Denn ein Vorgehen nach § 235 Abs. 2 FamFG setzt jedenfalls voraus, dass der Antragsgegner vor Beginn des Verfahrens seiner Auskunftspflicht entgegen einer Aufforderung innerhalb angemessener Frist nicht nachgekommen ist (vgl. Klein, FPR 2011, 9). Die Antragsgegnerin hat insoweit lediglich pauschal und damit substanzlos im Schriftsatz vom 02.03.2012 behauptet, der Antragsteller habe auf ihr Auskunftsverlangen nicht reagiert. Dass ihm eine Frist gesetzt worden ist, hat sie hingegen weder in dem Schriftsatz vom 02.03.2012 noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat behauptet. Denn dort hat ihr Verfahrensbevollmächtigter allein vorgetragen, dass es ein außergerichtliches Auskunftsaufforderungsschreiben gegeben habe. Von wann dieses datiert, welchen Inhalt es hatte und ob darin eine Frist gesetzt worden ist, ist nicht dargelegt. Damit aber kann allein davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller erstmals im Schriftsatz vom 09.02.2012 - und damit gleichzeitig mit der Stellung des Antrags nach § 235 Abs. 2 FamFG - zur ergänzenden Auskunftserteilung, allerdings ohne Bestimmung einer Frist, aufgefordert wurde. Eine zuvor erfolgte Aufforderung zur ergänzenden Auskunftserteilung ist nicht dargetan. Im Gegenteil: die Antragsgegnerin hat noch mit Schriftsatz vom 29.12.2010 die Auskunftsstufe vollumfänglich für erledigt erklärt. Überdies müsste der Antragsteller keine Auskunft erteilt haben; es genügt nicht, dass die geforderte Auskunft - wie hier seitens der Antragsgegnerin gerügt - nur unvollständig erteilt worden wäre (vgl. Viefhues, FPR 2010, 162).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Angesichts des vollständigen Unterliegens der Antragsgegnerin in der Beschwerdeinstanz war eine abweichende Kostenentscheidung nicht angezeigt.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 40 Abs. 1 Satz 1; 43 Abs. 2; 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG.