LG Köln, Urteil vom 31.10.2012 - 14 O 407/12
Fundstelle
openJur 2013, 22203
  • Rkr:
Tenor

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 31.08.2012, Az. 14 O 407/12, wird bestätigt.

Die Antragsgegnerin trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin vermarktet unter anderem Internetanschlüsse und betätigt sich damit als Internet-Accessprovider.

Die Verfügungsbeklagte, eine Rechtsanwaltskanzlei, vertritt unter anderem Mandanten im Rahmen von Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG. Ziel dieser Verfahren ist es, im Fall von Urheberrechtsverletzungen über das Internet, insbesondere durch sogenanntes Filesharing, Auskunft über den Namen und die Anschrift der nur der IP-Adresse nach bekannten potentiellen Verletzer vom jeweiligen Internet-Accessprovider zu erhalten. In einer Vielzahl der von der Verfügungsbeklagten geführten Verfahren war die Verfügungsklägerin als Internet-Accessproviderin der potentiellen Urheberrechtsverletzer Verfahrensbeteiligte. Im Jahr 2011 betraf dies 322 Fälle, wobei unter den insgesamt 11 Antragstellern 9 Filmproduktions- und -vertriebsunternehmen aus der Erotik- und Pornografiebranche waren.

Die Speicherung bzw. Herausgabe von Nutzerdaten aufgrund der in den Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG ergangenen Beschlüsse handhaben die Beteiligten - soweit die Verfügungsklägerin keine Beschwerde gegen die jeweilige Gestattungsanordnung einlegt - nach dem Verfahren, wie es in der Mitteilung der Verfügungsklägerin an die betroffenen Rechtsanwaltskanzleien gemäß Anlage ASt 3 (Bl. 17 ff. d. A.) zusammengefasst ist.

Am 20.08.2012 kündigte die Verfügungsbeklagte auf ihrer Internetseite an, dort voraussichtlich ab dem 01.09.2012 eine Auswahl der Gegner aus offenen und anhängigen Mandatsverhältnissen ("Gegnerliste") zu veröffentlichen (vgl. Anlage ASt 1, Bl. 12 f. d. A.). Die Zusammensetzung der Gegner-Auswahl ließ die Verfügungsbeklagte offen, wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass zu ihren Mandaten u. a. auch Auftragnehmer aus der Erotikbrache gehören. Die Veröffentlichung der Gegnerliste solle "gemäß Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.12.2007 - 1 BvR 1625/06" erfolgen.

Die Ankündigung fand ein überregionales Medienecho.

Nach Erlass der einstweiligen Verfügung kündigte die Verfügungsbeklagte auf ihrer Internetseite an, dass sie von der Veröffentlichung einer Gegnerliste absehe, da ihr durch eine Anordnung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutz und durch Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz die Veröffentlichung untersagt worden sei.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, dass ihr gegen die Verfügungsbeklagte ein Unterlassungsanspruch aus § 241 Abs. 2 BGB sowie aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 39 Abs. 1 BDSG zustehe.

Zwischen den Beteiligten bestehe aufgrund des einvernehmlich praktizierten Vorgehens bei der Abwicklung der Auskunftsverfahren ein vertragliches Schuldverhältnis. Jedenfalls bestehe ein - ebenfalls gesetzliche Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB begründendes - Schuldverhältnis im Sinne einer Sonderverbindung, das sich aus den gesetzlichen Regelungen zur Auskunftserteilung über Namen und Anschriften von solchen an Urheberrechtsverletzungen beteiligten Personen gemäß § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3, 9 UrhG ergebe.

Die Verfügungsbeklagte würde mit der geplanten Veröffentlichung der ihr von der Verfügungsklägerin mitgeteilten Kundennamen die Persönlichkeitsrechte der Kunden verletzen, da die geplante Gegnerliste eine unzulässige Prangerwirkung entfalte. Daher würde sich mit der Veröffentlichung der Gegnerliste zugleich ein Verstoß der Verfügungsbeklagten gegen ihre Rücksichtnahmepflichten gegenüber der Verfügungsklägerin verbinden. Diese sei durch § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 UrhG nur insoweit von der grundsätzlichen Verpflichtung zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (§ 88 TKG i. V. m. Art. 10 GG) befreit, als sie davon ausgehen könne, dass die betreffenden Daten unter Wahrung aller sonstigen Rechte ihrer Kunden, insbesondere der Persönlichkeitsrechte, nur zur legitimen Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen verwendet werden. Dem korrespondiere eine entsprechende Rücksichtnahmepflicht der Verfügungsbeklagten bei der Behandlung der ihr von der Verfügungsklägerin übermittelten Verkehrsdaten. Die Verfügungsbeklagte habe auch kein schützenswertes Interesse an der Veröffentlichung der geplanten Gegnerliste, die die Betroffenen in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Anonymität verletzen würde und einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung gleichkäme. Die von der Verfügungsbeklagten angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.12.2007 (1 BvR 1625/06) betreffe den nicht vergleichbaren Fall einer Gegnerliste von Unternehmen aus dem Kapitalanlage-Bereich.

Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich ferner aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 39 Abs. 1 BDSG. § 39 Abs. 1 BDSG stelle ein Schutzgesetz - auch - zugunsten der Verfügungsklägerin dar, da die Vorschrift unter anderem darauf ziele, zur Wahrung ihrer gesetzlichen Verpflichtung einen Schutz gegen die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses zu gewährleisten.

Die Erstbegehungsgefahr ergebe sich aus der Ankündigung der Veröffentlichung der Gegnerliste zum 01.09.2012. Die spätere, abweichende Mitteilung auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten lasse die Begehungsgefahr nicht entfallen.

Die Verfügungsklägerin hat bei der Kammer am 31.08.2012 eine einstweilige Verfügung erwirkt, durch die es der Verfügungsbeklagten bei Meidung der in § 890 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel verboten worden ist, Kunden der Verfügungsklägerin in einer Liste im Internet zu nennen, deren Namen die Verfügungsbeklagte von der Verfügungsklägerin auf der Grundlage von Gestattungsanordnungen gemäß § 101 Abs. 9 UrhG zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen erhalten hat, insbesondere wenn sich solche möglichen Urheberrechtsverletzungen auf erotische und/oder pornografische Werke beziehen und wenn die Nennung auf einer Gegnerliste erfolgt, wie sie - ausweislich Anlage ASt 1 -

auf der Homepage www.urmann.com unter Verlinkung auf eine Pressemitteilung angekündigt ist.

Gegen die ihr am 06.09.2012 zugestellte einstweilige Verfügung hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 31.08.2012 (Az. 14 O 407/12) zu bestätigen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 31.08.2012 (Az. 14 O 407/12) aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, dass ein Unterlassungsanspruch auf vertraglicher oder vertragsähnlicher Grundlage nicht bestehe. Weder würde zwischen den Beteiligten eine entsprechende (Sonder-)Verbindung existieren, noch lägen die Voraussetzungen für eine Einbeziehung Dritter - der Kunden der Verfügungsklägerin - in das Rechtsverhältnis zwischen ihr und der Verfügungsklägerin vor. Die Datenübermittlung über sie stelle einen reinen "Workflow" im Auftrag der jeweiligen Mandanten dar. Dementsprechend seien auch die Vorschriften über das Fernmeldegeheimnis im Verhältnis zu ihr nicht anwendbar, abgesehen davon, dass eine restriktive Anwendung der Befreiung der Verfügungsklägerin von der Wahrung des Fernmeldegeheimnisses entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geboten sei, da lediglich Bestandsdaten im Sinne von § 3 Nr. 3 TKG übermittelt würden.

Unabhängig hiervon sieht sich die Verfügungsbeklagte auf Grundlage des Beschlusses des BVerfG vom 12.12.2007, Az. I BvR 1625/06 im Hinblick auf die gemäß Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit zur Veröffentlichung der angekündigten Gegnerliste auch im Verhältnis zu den Kunden der Verfügungsklägerin berechtigt. Sie habe nie erklärt, ausschließlich Gegner aus dem Erotik-Bereich in einer Gegnerliste zu führen. Überdies ergebe sich aus der Ankündigung der Gegnerliste "gemäß Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.12.2007", dass lediglich die Namen der Gegner veröffentlicht werden sollten, ohne Darstellung des Inhalts des Mandats. Dass auch Privatpersonen genannt werden würden, sei allein eine Interpretation der Medien.

Der Verfügungskläger stehe der begehrte Unterlassungsanspruch auch nicht aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 39 Abs. 1 BDSG zu. § 39 BDSG sei im Lichte von Art. 12 GG und der Rechtsprechung des BVerfG so auszulegen, dass ihr die Nennung der Namen von Gegnern auf einer Gegnerliste im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit unter gegebenen Voraussetzungen gestattet sei.

Mangels Verfügungsanspruchs fehle es auch an einem Verfügungsgrund. Zudem fehle dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, da die Verfügungsklägerin sie vor dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht abgemahnt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Unterlagen nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

I.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin war der Beschluss der Kammer vom 31.08.2012 zu bestätigen, da die Verfügungsklägerin im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens glaubhaft gemacht hat, dass ein Verfügungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte aus §§ 241, 1004, 823 BGB, 39 BDSG sowie ein entsprechender Verfügungsgrund bestehen.

1.

a) Zwar ergibt sich ein Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin gemäß § 241 Abs. 2 BGB nicht aus einem etwaigen Vertragsverhältnis zwischen den Parteien. Ein solches Schuldverhältnis begründet insbesondere nicht die Mitteilung der Verfügungsklägerin gemäß Anlage ASt 3, schon weil sich die Verfügungsklägerin dort ausdrücklich vorbehält, die genannte Verfahrensweise "jederzeit zu ändern oder einzustellen".

b) Jedoch besteht zwischen den Beteiligten eine außervertragliche Sonderverbindung entsprechend § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB, aus der die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin gemäß § 241 Abs. 2 BGB zu der im Tenor der einstweiligen Verfügung näher bezeichneten Unterlassung verpflichtet ist.

Allgemein anerkannt ist, dass auch in Abwesenheit vertraglicher Bindungen auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) fußende, von Vertragsbeziehungen losgelöste Sonderverbindungen bestehen können. Erforderlich, aber auch ausreichend ist hierfür eine besondere Verbindung, auch bezeichnet als qualifizierter sozialer Kontakt bzw. speziell herausgehobene Interessenverknüpfung (vgl. Roth/Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2012, § 242 Rn. 88; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 2012, BGB, § 242 Rn. 5). Dem entsprechend ist etwa im Wettbewerbsrecht anerkannt, dass bereits aus einer aufgrund der durch einen Wettbewerbsverstoß entstandenen und durch die Abmahnung konkretisierten wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung Treuepflichten erwachsen (BGH, NJW-RR 1987, 225; NJW 1990, 1905).

Die Sonderverbindung der Beteiligten gründet in ihrer zumindest mittelbar auf geschäftliche Zwecke abzielenden Beziehung mit erhöhten Einwirkungsgefahren durch die Weitergabe der datenschutzrechtlich sensiblen Verbindungsdaten (vgl. BGH, ZUM 2012, 802) im Rahmen der Abwicklung der Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG. Der Annahme einer Sonderverbindung aufgrund solchermaßen erhöhter Einwirkungsgefahren steht nicht entgegen, dass die Verfügungsbeklagte selbst nicht Inhaberin des Auskunftsanspruchs nach § 101 Abs. 2, 3 UrhG ist, sondern lediglich als Verfahrensbevollmächtigte der Anspruchsinhaber tätig wird und auch die Verfügungsklägerin nur zur Auskunft verpflichtete Dritte im Sinne von § 101 Abs. 2, 3 UrhG ist. Denn eine Sonderverbindung entsprechend § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB setzt ein vertragliches oder gesetzliches Schuldverhältnis gerade nicht voraus, sondern lässt eine faktische Nähebeziehung genügen, wie sie durch den gesteigerten Rechtsgüterkontakt im Rahmen des Auskunftsverfahrens nach § 101 Abs. 2,3 UrhG begründet wird.

c) Aus der von Treu und Glauben beherrschten Sonderverbindung der Beteiligten erwächst der Verfügungsbeklagten gemäß § 241 Abs. 2 BGB eine Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber der Rechtsgütersphäre der Verfügungsklägerin. Aufgrund dessen ist die Verfügungsbeklagte gegenüber der Verfügungsklägerin verpflichtet, die Veröffentlichung einer Gegnerliste in der verfahrensgegenständlichen Form zu unterlassen.

Welche konkreten Pflichtenstandards und Haftungsfolgen eine bestimmte Sonderverbindung nach sich zieht, ist einzelfallbezogen abzuwägen, wobei insbesondere die typische Situation und die Berufsgruppe zu berücksichtigen sein können (vgl. Bachmann/Roth, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2012, § 241 Rn. 125; 242 Rn. 89).

(i) Im Rahmen dieser Abwägung spricht entscheidend für die Annahme einer Unterlassungspflicht der Verfügungsbeklagten, dass die Verfügungsklägerin als Anbieterin von Telekommunikationsdiensten gemäß § 88 TKG i. V. m. Art. 10 GG zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet ist und ihr eine Verwendung dieser Kenntnisse für andere als die in § 88 Abs. 3 S. 1 TKG vorgesehenen Zwecke, insbesondere die Weitergabe ihrer Kenntnisse über Verbindungsdaten an Dritte, nur gestattet ist, soweit eine gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht (§ 88 Ab. 3 S. 3 TKG). Bei der ausnahmsweise gemäß § 101 Abs. 2, 3 UrhG gestatteten Weitergabe von Verbindungsdaten an Dritte - hier: die Verfügungsbeklagte bzw. deren Mandanten - obliegt die Verfügungsklägerin daher besonderer Prüf- und Sorgfaltspflichten. Kehrseite dieser Sorgfaltspflichten der Verfügungsklägerin ist eine entsprechende Rücksichtnahmepflicht der Verfügungsbeklagten gemäß § 241 Abs. 2 BGB, mit den ihr als "Durchgangsstelle" übermittelten Daten so umzugehen, dass sie die Verfügungsklägerin nicht dem Risiko privatrechtlicher Inanspruchnahme oder gar öffentlichrechtlicher Sanktionen aussetzt. Die Veröffentlichung der im Tenor näher bezeichneten Gegnerliste durch die Verfügungsbeklagte verstieße gegen diese Rücksichtnahmepflicht, da sie der Verfügungsklägerin hierdurch das (Prüfungs-)risiko aufbürden würde, durch die Weitergabe von Verkehrsdaten zu faktisch auchsachfremden Zwecken, der Eigenwerbung der Verfügungsbeklagten, gegen eigene Sorgfalts- und Prüfpflichten zu verstoßen.

(ii) Demgegenüber steht der Verfügungsbeklagten kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Veröffentlichung einer Gegnerliste in der verfahrensgegenständlichen Form entsprechend Art. 12 Abs. 1 GG zu.

Zwar unterfällt eine solche Werbemaßnahme grundsätzlich dem Schutzbereich der Berufsfreiheit, zu der auch die berufliche Außendarstellung einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste - auch im Internet - gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.12.2007, 1 BvR 1625/06 = GRUR 2008, 352 - Gegnerliste).

Jedoch ergibt sich eine Einschränkung der freien Entscheidung der Verfügungsbeklagten über die Art und Weise ihrer Außendarstellung aus den kollidierenden Interessen der Betroffenen, da die Veröffentlichung ihrer Namen auf einer Gegnerliste im Lichte der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte einen unzulässigen Verstoß gegen ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht (Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) darstellen würde.

Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts, dessen Reichweite nicht absolut feststeht, sind in der Rechtsprechung Abwägungskriterien unter anderem nach Maßgabe einer abgestuften Schutzwürdigkeit bestimmter Sphären, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht, herausgearbeitet worden. Danach genießen besonders hohen Schutz die so genannten sensitiven Daten, die der Intim- und Geheimsphäre zuzuordnen sind. Geschützt ist aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten, die lediglich zur Sozial- und Privatsphäre gehören. Allerdings hat der Einzelne keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über "seine” Daten; denn er entfaltet seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft. Vielmehr ist über die Spannungslage zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Person zu entscheiden. Deshalb muss der Einzelne grundsätzlich Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinnehmen, wenn und soweit solche Beschränkungen von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls oder überwiegenden Rechtsinteressen Dritter getragen werden und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (vgl. zum Ganzen BVerfG, NJW 2009, 2888 - www.spickmich.de).

Die Daten, deren Veröffentlichung in Rede steht, sind der Privat- bzw. Intimsphäre der betroffenen Personen zuzuordnen. Die Nennung ihrer Namen auf einer Gegnerliste der Verfügungsbeklagten würde in der Öffentlichkeit als zumindest mittelbare Aussage darüber verstanden werden, dass sie sich - unabhängig von der Haftungsform - an illegalem Filesharing pornografischer Filmerzeugnisse beteiligt haben. Dies gilt unabhängig davon, ob die Verfügungsbeklagte - was sie in der Ankündigung vom 20.08.2012 offengelassen hat - außer den Namen der Betroffenen weitere Angaben, etwa den streitgegenständlichen Werktitel, veröffentlichen würde. Denn ungeachtet der eidesstattlichen Versicherung des Alleingesellschafters der Verfügungsbeklagten vom 03.10.2012, wonach die Verfügungsbeklagte auch mehrere tausend Mandate ohne Erotik-Bezug bearbeite, ist unstreitig, die in den Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG, an denen auch die Verfügungsklägerin beteiligt war, in der jüngeren Vergangenheit fast ausschließlich Filmproduktions- und -vertriebsunternehmen aus der Erotik- und Pornografiebranche vertreten hat. Dass dies der öffentlichen Wahrnehmung der Verfügungsbeklagten entspricht, ergibt sich auch aus der in der Anlage zum Verfügungsantrag vorgelegten Presseberichterstattung.

Aus den vorgenannten Gründen ist die Namensnennung von Privatpersonen auf einer Gegnerliste der Verfügungsbeklagten - auch wenn die wahrheitsgemäße Information, dass jemand in eine gerichtliche oder außergerichtliche Auseinandersetzung involviert sei, grundsätzlich nicht ehrenrührig ist (vgl. BVerfG, a. a. O.) - nicht sittlich neutral, sondern vielmehr geeignet, ein schwerwiegendes, mit einer Prangerwirkung verbundenes Unwerturteil über die betroffenen (Privat-)personen zu fällen.

Überwiegende Interessen der Verfügungsbeklagten gemäß Art. 12 GG, die diese Beschränkungen in der Gesamtabwägung tragen können, bestehen nicht. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Veröffentlichung der verfahrensgegenständlichen Gegnerliste in relevantem Umfang Werbezwecke befördern könnte. Die namentliche Bezeichnung von Privatpersonen auf einer Gegnerliste lässt - anders als etwa die Nennung branchenweit bekannter, marktmächtiger Unternehmen - keinen werberelevanten Rückschluss auf eine besondere Expertise der Verfügungsbeklagten in der Rechtsberatung und -vertretung zu, zumal die Verfügungsbeklagte nicht die Nennung von Gegnern aus - ggfs. erfolgreich - abgeschlossenen Verfahren, sondern aus noch laufenden Verfahren angekündigt hat. Hinzu kommt, dass die Verfügungsbeklagte durch die Untersagung der Veröffentlichung einer Gegnerliste in der verfahrensgegenständlichen Form nicht jeder Möglichkeit beraubt wird, für ihre Berufstätigkeit zu werben. Ohne Weiteres möglich wäre etwa die Nennung der Zahl der laufenden bzw. erledigten Verfahren.

Soweit die Verfügungsbeklagte einwendet, dass eine Nennung von Privatpersonen nicht beabsichtigt gewesen sei, enthält ihre Ankündigung vom 20.08.2012 diese Einschränkung gerade nicht, so dass sie der Prüfung auch nicht zugrunde gelegt werden kann. Eine entsprechende Einschränkung ergibt sich auch nicht aus dem nicht näher spezifizierten und damit letztlich inhaltsleeren Verweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, 1 BvR1625/06. Im Übrigen sollten Privatpersonen selbst ausweislich der Anlage AG 6, auf die die Verfügungsbeklagte selbst verweist, nur "vorerst" von der Gegnerliste ausgenommen sein.

d) Der Unterlassungsanspruch kann bereits jetzt - im Wege des vorbeugenden Unterlassungsschutzes - geltend gemacht werden.

Die entsprechenden Voraussetzungen (vgl. allgemein Bachmann/Roth, a. a. O., Rn. 129) liegen vor, da sich die abzuwehrende Begehungsgefahr durch die Ankündigung der Verfügungsbeklagten vom 20.08.2012 hinreichend konkretisiert hat.

2.

Die Verfügungsklägerin hat zudem auch die Voraussetzungen der erforderlichen Erstbegehungsgefahr glaubhaft gemacht.

Die Erstbegehungsgefahr setzt die ernsthafte und greifbare Besorgnis einer künftigen Rechtsverletzung voraus (BGH, GRUR 1992, 318 - Jubiläumsverkauf). Sie ist im Hinblick auf die Ankündigung einer Gegnerliste durch die Verfügungsbeklagte vom 20.08.2012 gegeben.

Die Begehungsgefahr ist auch nicht nachträglich entfallen.

Zwar sind an die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr grundsätzlich weniger strenge Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine Verletzungshandlung begründeten Gefahr der Wiederholung des Verhaltens in der Zukunft. Eine durch Berühmung geschaffene Erstbegehungsgefahr und mit ihr der Unterlassungsanspruch entfallen grundsätzlich mit der Aufgabe der Berühmung. Eine solche liegt jedenfalls in der uneingeschränkten und eindeutigen Erklärung, dass die beanstandete Handlung in der Zukunft nicht vorgenommen werde (BGH, GRUR 2001, 1174 - Berühmungsaufgabe; vgl. kritisch Köhler, in: GRUR 2011, 879).

An einer solchen, die Erstbegehungsgefahr ausräumenden uneingeschränkten und eindeutigen Erklärung der Verfügungsbeklagten fehlt es in der Gesamtschau. Zwar hat sie auf ihrer Internetseite mitgeteilt, dass sie von der Veröffentlichung einer Gegnerliste absehen werde, da diese ihr durch das Bayerische Landesamt für Datenschutz und durch Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz untersagt worden sei. Im Hinblick auf die Begründung ist schon zweifelhaft, ob hierin eine uneingeschränkte Erklärung gesehen werden kann. Jedenfalls spricht gegen eine uneingeschränkte und eindeutige, die Erstbegehungsgefahr beseitigende Unterlassungs-Erklärung der Verfügungsbeklagten, dass diese sich - abgesehen davon, dass sie sich weiter berechtigt sieht, eine Gegnerliste in der verfahrensgegenständlichen Form zu veröffentlichen - in diesem Verfahren auch nicht bereiterklärt hat, eine Unterlassungserklärung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht abzugeben. Bei dieser Sachlage verbleibt eine Rechtsunsicherheit, die - zumal der wirtschaftliche Anreiz für die Veröffentlichung einer Gegnerliste unverändert fortbesteht - einer Beseitigung der Begehungsgefahr entgegensteht.

Soweit die Verfügungsbeklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vorgelegt hat, wonach eine Veröffentlichung einer Gegnerliste im Internet seit dem 29.08.2012 nicht mehr beabsichtigt sei, kann dies die glaubhaft gemachte Begehungsgefahr schon im Hinblick auf § 296a S. 1 ZPO nicht beseitigen.

3.

Auf die Frage, ob der Verfügungsklägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zudem auch aus § 1004 BGB i. V. m. § 39 BDSG zusteht, kommt es nicht entscheidungserheblich an.

4.

Die erforderliche Eilbedürftigkeit liegt vor. Die öffentliche Ankündigung der Verletzungshandlung durch die Verfügungsbeklagte datiert vom 20.08.2012; der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 29.08.2012 bei Gericht eingegangen.

Auch fehlt dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die vorherige Abmahnung des Antragsgegners ist keine Voraussetzung für das Rechtsschutzbedürfnis eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 2012, § 12 UWG Rn. 3.35).

5.

Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätze der Verfügungsbeklagten vom 10.10.2012 und der Verfügungsklägerin vom 22.10.2012 lagen bei der Entscheidung vor, gaben jedoch keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Das die einstweilige Verfügung bestätigende Urteil wirkt wie die ursprüngliche einstweilige Verfügung (§§ 936, 929 Abs. 1 ZPO) und ist daher mit der Verkündung sofort vollstreckbar, auch wegen der Kosten (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 2012, § 925 Rn. 9).

III.

Streitwert: 250.000,00 EUR