Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. Februar 2011 wird teilweise geändert.
Der Klägerin wird für das Klageverfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin L. I. aus C. beigeordnet, soweit sich ihre Klage gegen die Gebührenbescheide vom 3. Juli 2002, 1. Mai 2010, 4. Juni 2010 und 2. Juli 2010, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. September 2010, richtet und soweit sich diese Bescheide auf die Gebührenzeiträume November 2001 bis Juni 2002 (Bescheid vom 3. Juli 2002), Juli 2002 bis Dezember 2003 (Bescheid vom 1. Mai 2010), Januar 2004 bis Dezember 2006 (Bescheid vom 4. Juni 2010) und April bis Juni 2010 (Bescheid vom 2. Juli 2010) beziehen.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. Februar 2011 zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte (25,- €) ermäßigt. Etwaige Kosten des Beklagten werden nicht erstattet.
Die Beschwerde hat hinsichtlich der aus dem Tenor ersichtlichen Gebührenzeiträume (November 2001 bis Juni 2002, Juli 2002 bis Dezember 2003, Januar 2004 bis Dezember 2006 und April bis Juni 2010) Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens sind die Gebührenbescheide vom 5. März 2002 (Gebührenzeiträume Februar 1999 bis Januar 2000 und Juni bis August 2001), 3. Juli 2002 (Gebührenzeitraum November 2001 bis Juni 2002), 1. Mai 2010 (Gebührenzeiträume Juli 2002 bis Dezember 2003 und Januar bis März 2010), 4. Juni 2010 (Gebührenzeiträume Januar 2004 bis Dezember 2009) und 2. Juli 2010 (Gebührenzeitraum April bis Juni 2010), jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2010. Die Klägerin hat beantragt, diese Bescheide aufzuheben.
1. Hinsichtlich der aus dem Tenor ersichtlichen Gebührenzeiträume hat die Beschwerde Erfolg:
Die Klägerin kann nach den von ihr dargelegten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere dem Bescheid der ARGE vom 12. September 2011, die Kosten der erstinstanzlichen Prozessführung nicht aufbringen (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 S. 1, 115 ZPO). Die Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig und bietet hinsichtlich der aus dem Tenor ersichtlichen Gebührenzeiträume hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
Hinreichende Aussicht auf Erfolg bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss oder überwiegend wahrscheinlich ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzbegehrens darf dabei nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden.
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 u.a. - BVerfGE 81, 347, 356 ff., sowie vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, 1060, 1061.
Gemessen daran bietet die Klage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg.
a) Hinsichtlich der Bescheide vom 5. März 2002 sowie vom 3. Juli 2002 hat sich die Klägerin darauf berufen, diese Bescheide nicht erhalten zu haben (Bl. 12 der Gerichtsakte). Angesichts dessen dürfte ihr Anfechtungsantrag dahingehend zu verstehen sein (§ 88 VwGO), dass sie in Bezug auf diese Bescheide zumindest hilfsweise die Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO) begehrt, dass sie für die von diesen Bescheiden erfassten Gebührenzeiträume keine Rundfunkgebühren zu entrichten hat. Ihr mit der Klage verfolgtes Ziel, auch für diese Gebührenzeiträume keine Gebühren zu entrichten, lässt sich nämlich nur so und gerade nicht mit einer Anfechtungsklage erreichen, da ein nicht bekannt gegebener Verwaltungsakt nicht existent ist und folglich auch nicht aufgehoben werden kann.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juli 2004
- 15 A 3896/02 -, NJW 2004, 3730 m.w.N.
Das Verwaltungsgericht ist der Ansicht, es spreche Überwiegendes dafür, dass die Bescheide vom 5. März 2002 sowie vom 3. Juli 2002 der Klägerin zugegangen seien (S. 5/6). Dem ist in Bezug auf den Bescheid vom 5. März 2002 zuzustimmen, nicht aber in Bezug auf den Bescheid vom 3. Juli 2002: Im März 2002 wohnte die Klägerin ihren eigenen Angaben (Bl. 44 der Gerichtsakte) zufolge noch unter der Adresse C1.---straße in U. , an die beide Bescheide gerichtet waren. Für Juli 2002 ist dies jedoch zweifelhaft. Diesbezüglich hat die Klägerin angegeben, sie sei im Sommer 2002 dort ausgezogen (Bl. 44 der Gerichtsakte). Diese Einlassung wird durch die Feststellungen eines Vollstreckungsbeamten der Stadt U. bestätigt, der die Klägerin weder am 23. Juli 2002 noch am 6. August 2002 noch am 3. September 2002 unter dieser Adresse antraf und sie als unbekannt verzogen meldete (Bl. 46 der Beiakte). Allerdings wurde die Klägerin vom Einwohnermeldeamt der Stadt U. weiter unter der Adresse C1.---straße 72 geführt (Bl. 52 der Beiakte). Ausgehend hiervon ist derzeit offen, wo die Klägerin im Juli 2002 gewohnt hat. Der vom Verwaltungsgericht als geführt angesehene Anscheinsbeweis setzt voraus, dass die Übersendung an die tatsächliche Adresse des Gebührenpflichtigen erfolgt ist.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. August 2009 ‑ 8 E 42/09 -, BA S. 4 f., sowie Bayrischer VGH, Beschluss vom 6. Juli 2007 - 7 CE 07.1151 -, NVwZ-RR 2008, 252.
b) Mit Bescheiden vom 1. Mai 2010 und 4. Juni 2010 hat der Beklagte u.a. Gebühren für die Gebührenzeiträume Juli 2002 bis Dezember 2003 und Januar 2004 bis Dezember 2009 festgesetzt. Zumindest für den Gebührenzeitraum Juli 2002 bis Dezember 2006 kommt ein Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 4 Abs. 4 RGebStV i.V.m. §§ 195, 199 BGB bzw. der vierjährigen Verjährungsfrist des § 4 Abs. 4 RGebStV a.F. bei Erlass dieser Bescheide in Betracht. Dementsprechend bedarf im Hauptsacheverfahren noch der Prüfung, ob sich die Klägerin, die unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die gegen sie festgesetzten Rundfunkgebühren nicht bezahlen will, mit Erfolg auf Verjährung berufen kann.
c) Hinsichtlich des Bescheides vom 2. Juli 2010 hat sich die Klägerin ebenfalls darauf berufen, diesen Bescheid nicht erhalten zu haben (Bl. 12 der Gerichtsakte).
Ob der Beklagte den ihm gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 VwVfG obliegenden Nachweis des Zugangs für den Bescheid vom 2. Juli 2010 führen kann, ist fraglich. Der Umstand, dass die Klägerin die ebenfalls an ihre Adresse Am B. in U. gerichteten Bescheide vom 1. Mai 2010 sowie vom 4. Juni 2010 erhalten hat, reicht hierfür nicht aus. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass immer wieder einzelne Briefsendungen auf dem Postweg verloren gehen.
Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 24. Oktober 2007 - 7 CE 07.2317 -, NVwZ-RR 2008, 220 m.w.N.
Ein entsprechender Nachweis wäre wohl auch dann nicht geführt, wenn sich feststellen ließe, dass der Bescheid vom 2. Juli 2010 nicht als unzustellbar an den Beklagten zurückgekommen ist.
Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 24. Oktober 2007 - 7 CE 07.2317 -, a.a.O.
Ein entsprechender Schluss kann nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Senats erst im Falle einer ungewöhnlichen Häufung angeblich abhanden gekommener Briefe gezogen werden.
Darüber hinaus ist eine hinreichende Erfolgsaussicht in Bezug auf den Gebührenzeitraum Juni 2010 aber auch deswegen zu bejahen, weil die Klägerin mit Schreiben vom 14. Mai 2010 (Bl. 91 der Beiakte) konkludent beantragt haben dürfte, sie gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien und einen entsprechenden Nachweis beigefügt hat (Bl. 89 der Beiakte). Mangels anderweitiger Hinweise ist nach dem derzeitigen Sachstand auch davon auszugehen, dass die Klägerin entsprechend § 6 Abs. 2 RGebStV das Original der Bescheinigung der ARGE vorgelegt hat.
2. Im Übrigen, nämlich für die verbleibenden Gebührenzeiträume Februar 1999 bis Januar 2000, Juni bis August 2001 und Januar 2007 bis März 2010 bleibt der Beschwerde der Erfolg versagt. Insoweit bietet die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg:
Gemäß § 4 Abs. 1 RGebStV beginnt die Gebührenpflicht mit dem ersten Tag des Monats, in dem ein Rundfunkgerät zum Empfang bereitgehalten wird. Die Klägerin dürfte seit Juni 2001 (wieder) ein Radio- sowie ein Fernsehgerät zum Empfang bereit gehalten haben. Dafür sprechen die von ihr unterschriebene Anmeldung vom 21. Juli 2001 (Bl. 8 der Beiakte) sowie der ebenfalls von ihr unterschriebene Befreiungsantrag vom 20. August 2001 (Bl. 12 der Beiakte). Anhaltspunkte dafür, dass ihre damaligen Angaben nicht zutreffen, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, zumal die Klägerin im gerichtlichen Verfahren angegeben hat, sie habe unter der Adresse Bahnstr. 72 in U. Geräte zum Empfang bereit gehalten (Bl. 92 der Gerichtsakte), bis diese ihr bei einem Einbruch gestohlen worden seien (Bl. 44 der Gerichtsakte). Aufgrund der von ihr im Juli bzw. August 2001 abgegebenen Erklärungen spricht alles dafür, dass dieser Einbruch sich erst nach August 2001 ereignet hat.
§ 4 Abs. 2 RGebStV bestimmt, dass die Gebührenpflicht mit Ablauf des Monats endet, in dem das Bereithalten eines Rundfunkgerätes endet, jedoch nicht vor Ablauf des Monats, in dem dies der Landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist. Ein Umzug beendet - entgegen der Ansicht der Klägerin - die Gebührenpflicht also nicht.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. April 2011
- 8 A 2726/10 -, S. 4.
Aus § 3 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Beklagten über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkgebühren vom 18. November 1993 (GVBl. NRW 1994 , S. 245), zuletzt geändert durch Satzung vom 3. Juni 2002 (GVBl. NRW, S. 239; im Folgenden: Satzung), folgt, dass die Abmeldung schriftlich zu erfolgen hat. Da der Beklagte bzw. die mit der Einziehung der Gebühren betraute GEZ (vgl. § 2 der Satzung) bezüglich der Abmeldung nicht gemäß § 3 Abs. 2 der Satzung auf die Einhaltung der Schriftform verzichten,
vgl. Gall, in: Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Auflage 2008, § 3 RGebStV, Rn. 39,
dürfte es sich bei dem von der Klägerin in Bezug genommenen Anruf ihrer Mutter bei der GEZ (vgl. Bl. 74 der Beiakte) schon wegen der Nichteinhaltung der Schriftform nicht um eine wirksame Abmeldungsanzeige i.S.d. § 4 Abs. 2 RGebStV handeln. Es spricht daher alles dafür, dass die Vorgehensweise der Beklagten, das Gebührenkonto der Klägerin erst aufgrund des anwaltlichen Schriftsatzes vom 22. Juni 2010 mit Ablauf des Monats Juni 2010 zu schließen (Bl. 104 der Beiakte), rechtlich nicht zu beanstanden ist, zumal der Wortlaut des § 4 Abs. 2 RGebStV eine rückwirkende Abmeldung ausschließt.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Mai 2011 - 8 E 77/11 -, S. 5, vom 29. September 2010 - 8 E 724/10 ‑, S. 5, sowie Beschluss vom 3. Dezember 2009 - 8 E 762/09 -, juris Rn. 13 m.w.N. (std. Rspr.)
Der Einwand der Klägerin, der Beklagte hätte sich im November 2011 nicht an sie, die Klägerin, sondern an ihre Betreuerin wenden und diese darauf hinweisen müssen, dass ein erneuter Befreiungsantrag erforderlich sei (Bl. 43, 84/85 der Gerichtsakte), dürfte insoweit unerheblich sein. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem rechtlichen Gesichtspunkt sich eine entsprechende Verpflichtung des Beklagten ergeben sollte. Entgegen ihrer Darstellung hat die damals bereits volljährige Klägerin ihre Rundfunkgeräte im Juli 2001 nicht über eine dritte Person, sondern selbst angemeldet. Ob eine Verpflichtung zur Kontaktierung einer dritten Person bestanden hätte, wenn die Klägerin damals geschäftsunfähig oder in ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt gewesen wäre, bedarf keiner Entscheidung; letzteres hat die Klägerin selbst nicht behauptet.
Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin - entsprechend ihrem Vorbringen - für die streitgegenständlichen Gebührenzeiträume von der Gebührenpflicht befreit war. Entsprechende Befreiungen befinden sich weder in der Beiakte, noch hat die Klägerin derartige Unterlagen vorgelegt. Ob die Klägerin für die streitgegenständlichen Zeiträume auf einen entsprechenden Antrag von der Gebührenpflicht zu befreien gewesen wäre, ist in diesem Zusammenhang unerheblich; eine rückwirkende Befreiung von der Gebührenpflicht scheidet gemäß § 6 Abs. 5 RGebStV aus.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Juli 2010
- 8 E 656/10 -, S. 4.
Die Beiordnung von Frau Rechtsanwältin I. erfolgt gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 1. Alt. ZPO, da eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Die Ermäßigung der Gerichtsgebühr auf die Hälfte ergibt sich aus Nr. 5502 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz. Danach kann das Gericht die Gebühr nach billigem Ermessen auf die Hälfte ermäßigen oder bestimmen, dass eine Gebühr nicht zu erheben ist, wenn die Beschwerde nur teilweise verworfen oder zurückgewiesen wird.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).