AG Augsburg, Beschluss vom 19.04.2013 - 2 M 28354/12
Fundstelle
openJur 2013, 21888
  • Rkr:

1. Hat ein Gläubiger einen Haftbefehl und erteilt er den Auftrag zur Bestimmung eines Offenbarungstermins ohne Verhaftung, muss der Gerichtsvollzieher vor einer Rückgabe des Auftrags den Gläubiger nach § 139 ZPO darauf hinweisen, dass ein solcher Auftrag unzulässig ist, aber eine Umstellung auf Verhaftung möglich ist.2. Verlangt ein Gläubiger Auskunft über die Zusammensetzung eines Kostenvorschusses, weil in einem früheren Verfahren erheblich weniger verlangt wurde, besteht eine Auskunftspflicht seitens des Gerichtsvollziehers nach § 139 ZPO.

Tenor

Auf die Erinnerung des Gläubigers vom 13.11.2012 wird die Gerichtsvollzieherin in dem Verfahren 9 DRII-1255/12 angewiesen:

a) Die Kostenrechnung vom 12.11.2012 aufzuheben.

b) Den Gläubiger schriftlich darauf hinzuweisen:

(1) Der Auftrag vom 14.08.2012 ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.

(2) Der Auftrag kann auf Verhaftung aufgrund Haftbefehls vom 09.02.2011 umgestellt werden. Insoweit wird ein Vorschuss in Höhe von 59,50 € angefordert.

(3) Wird der Auftrag nicht in einen Verhaftungsauftrag abgeändert, gilt der Auftrag mit der Kostenfolge als durchgeführt, dass 16 € zu zahlen sind.

Gründe

Wegen eines Vollstreckungsbescheides des AG Coburg vom 21.09.2009 (Az. 09-1543780-0-7) wurde im Verfahren 2 M 20999/11 am 09.02.2011 ein Haftbefehl nach § 901 ZPO a.F. erlassen.

Aufgrund dieses Vollstreckungsbescheides und eines weiteren Vollstreckungsbescheides des AG Coburg ebenfalls vom 25.09.2009 (Az. 09-1543460-0-1) beantragte der Gläubiger bei einer bestimmten Gerichtsvollzieherin mit Schreiben vom 14.08.2012 die Ladung des Schuldners zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung durch die Gerichtsvollzieherin. Außerdem wird bezüglich des beigefügten Haftbefehls vom 09.02.2011 ausgeführt „Was den Vollzug des Haftbefehls gegen den …(= Schuldner) angeht, so teile ich Folgendes mit: ….(= Schuldner) ist nur nach vorheriger Absprache mit mir zu verhaften, sonst ich keinerlei Kosten übernehmen. Selbst verhaften Sie ihn jetzt nicht, aber sie können ihm gerne sagen, dass ein Haftbefehl gegen ihn in dieser Sache vorliegt, um seine Kooperationsbereitschaft zu steigern. Am Termin der eidesstattlichen Versicherung kann die Verhaftung dann nur erfolgen, sofern ich mein Einverständnis erkläre. Der beigelegte Haftbefehl dient nur ihrer Information in dieser Zwangsvollstreckungssache, jetzt geht es erst einmal um die zu bewirkende eidesstattliche Versicherung“.

Mit Schreiben vom 22.08.2012 teilte die vom Gläubiger ausdrücklich beauftragte Gerichtsvollzieherin mit, dass sie die Unterlagen der zuständigen Gerichtsvollzieherin vorlegen wird. Außerdem führte sie aus „Im Übrigen ist eine Ladung des Schuldners nicht notwendig, da Sie ja bereits über einen Haftbefehl verfügen. ….(= zuständige Gerichtsvollzieherin) kann ihm also jederzeit die eV abnehmen, wenn sie ihn antrifft. Sollte er sich weigern, muss sie eigentlich verhaften“.

Die zuständige Gerichtsvollziehern forderte den Gläubiger mit Schreiben vom 11.09.2012 auf, zur Erledigung des Auftrages einen Vorschuss in Höhe von 60 € binnen zwei Wochen einzuzahlen. Sie wies daraufhin, dass bei Nichtzahlung des Vorschusses dies als Antragsrücknahme gewertet und die Unterlagen unerledigt unter Kostenerhebung zurückgegeben werden.

Im Schreiben vom 12.09.2012 fordert der Gläubiger die Gerichtsvollziehern auf, darzulegen, wie sich der Vorschuss in Höhe von 60 € zusammensetzt, weil der Vorschuss in einem anderen Verfahren für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung viel geringer gewesen war.

Mit Verfügung vom 12.11.2012 reichte die Gerichtsvollziehrein die Unterlagen mit Kostenrechnung in Höhe von 16 € an den Gläubiger zurück.

Gegen diese Kostenrechnung hat der Gläubiger mit Schreiben vom 13.11.2012 Fachdienstaufsichtsbeschwerde bei der Präsidentin der AG Augsburg eingelegt.

Mit richterlicher Verfügung vom 05.12.2012 ist das Schreiben vom 13.11. 2012 aufgrund der Ausführungen als Vollstreckungserinnerung gegen die Kostenrechnung vom 12.11.2012 sowie als Erinnerung gegen die Anforderung eines Vorschusses in Höhe von 60 € mit Schreiben vom 11.09.2012 ausgelegt und dem Bezirksrevisor sowie der Gerichtsvollzieherin zur Stellungnahme zugeleitet worden.

In ihrer Stellungnahme hat die Gerichtsvollzieherin bezüglich des Vorschusses in Höhe von 60 € und der Kosten wegen Nichterledigung des Auftrags in Höhe von 16 € dargelegt, wie sich die Kosten zusammensetzen:

Vorschuss 60 €Nichterledigung 16 €KV 260              17,50 €KV 604              12,50 €KV 270              30,00 €KV 700              00,50 €KV 700              00,50 €KV 713              03,00 €KV 711              02,50 €        KV 713              09,50 €        Der Bezirksrevisor hat mit Schreiben vom 11.03.2013 sowie nach Stellungnahme des Gerichtsvollzieherprüfungsbeamten vom 18.03.2013 erneut am 17.04.2013 Stellung genommen.

Die Vollstreckungserinnerungen gegen die Anforderung eines Kostenvorschusses (vom 11.09.2012) in Höhe von 60 € (1) und gegen die Kostenrechnung (vom 12.11.2012) in Höhe von 16 € (2) sind zulässig nach § 766 Absatz 2 Alternative 3 ZPO und derzeit auch begründet.

Zu (1) Die Vorgehensweise der Gerichtsvollzieherin hinsichtlich der Vorschussanforderung ist aus drei Gründen zu beanstanden.

a) Zunächst ist die Höhe des Vorschusses nicht nachvollziehbar. Aus der Stellungnahme der Gerichtsvollzieherin ergibt sich, dass bei der Vorschussberechnung ein Verhaftungsauftrag zugrunde gelegt wurde, wenn sie eine Verhaftungsgebühr in Höhe von 30 € nach Nr. 270 Kostenverzeichnis (= KV) zu § 9 Gerichtsvollzieherkostengesetz (= GvKostG) ansetzt. Ein Verhaftungsauftrag ist kostenrechtlich ein besonderer Auftrag (§ 3 Absatz 1 Satz 3 GvKostG). Ein solcher Auftrag wurde aber ausdrücklich nicht erteilt (siehe Gläubigerauftragsschreiben vom 14.08.2013).

b) Nachdem der Gläubiger mit Schreiben vom 12.09.2012 die Gerichtsvollzieherin zur Darlegung der Zusammensetzung der Vorschussforderung aufgefordert hat, weil er in einem anderen Verfahren ein viel geringeren Vorschuss bezahlt hatte, hätte die Gerichtsvollziehern wegen § 139 ZPO dem Gläubiger darlegen müssen, wie sich der Vorschuss zusammensetzt.

Auch der Gerichtsvollzieher unterliegt der Hinweispflicht nach § 139 ZPO (vgl. BGH DGVZ 2010, 130; AG Ellwangen DGVZ 2009, 187). Der Gerichtsvollzieher musste aufgrund der Ausführungen des Gläubigers erkennen, dass dieser nach ihrer Auffassung einem Rechtsirrtum unterlag, was die kostenrechtliche Bewertung des Vollstreckungsauftrages anbelangt. Sie hätte daher und auch wegen der in § 3 Absatz 4 Satz 5 GvKostG bestimmten Antragsrücknahme den Gläubiger darlegen müssen, wie sich die 60 € zusammensetzen.

c) Schließlich hätte die Gerichtsvollzieherin sich nicht auf die Vorschussanforderung beschränken dürfen. Die nach § 4 Absatz 1 GvKostG vorgeschriebene Vorschussanforderung, setzt einen zulässigen Antrag voraus. Liegt ein Haftbefehl für den Gläubiger vor, ist nach h.M. kein Rechtsschutzbedürfnis für ein neues Offenbarungsverfahren gegeben (Zöller 29. Auflage § 901 ZPO RdNr. 11 mit weiteren Nachweisen; Wiedemann DGVZ 2004, 131). Dies gilt selbst dann, wenn wegen eines weiteren Vollstreckungstitels (hier Vollstreckungsbescheides des AG Coburg vom 25.09.2009, 09-1543460-0-1), für den kein Haftbefehl vorliegt, die Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beantragt wird. Der Gläubiger ist in dieser Lage des Verfahrens auf das Verhaftungsverfahren beschränkt.

Vielmehr hätte die Gerichtsvollzieherin den Gläubiger darauf hinweisen müssen, dass aufgrund des Haftbefehls vom 09.02.2011 mangels Rechtsschutzbedürfnisses der Antrag auf Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ohne Verhaftung unzulässig ist, nach § 4 Absatz 1 Satz 1 GvKostG als durchgeführt bzw. erledigt gilt und Kosten in Höhe von 16 € (12, 50 € nach Nr. 604 KV i.V.m. § 9 GvKostG + 0,50 € nach Nr. 700 KV + 3,00 € nach Nr. 713 KV) verursacht.

Weiterhin hätte die Gerichtsvollzieherin den Gläubiger mitteilen müssen, dass zur Vermeidung der Kosten in Höhe von 16 € der ursprüngliche Antrag vom 14.08.2012 auf Fortführung des Offenbarungsverfahrens mit Verhaftungsauftrag (§ 909 ZPO a.F.) umgestellt werden kann.

Dies ergibt sich aus § 139 ZPO, wonach auf die Stellung eines sachdienlichen Antrags bzw. auf Abänderung eines Antrags hinzuwirken ist (vgl. zur Pflicht des Richters, eine Klageänderung anzuregen: Münchener Kommentar 4. Auflage 2013, § 139 ZPO RdNr. 26 ff.). Diese Hinweispflicht lässt sich auch § 104 Absatz 1 Satz 3 GVGA entnehmen. Danach ist der Gerichtsvollzieher darauf bedacht, dass nur die unbedingt notwendigen Kosten und Aufwendungen entstehen. Dieser Hinweispflicht ist die Gerichtsvollzieherin mit dem Schreiben vom 22.08.2012 nicht nachgekommen, weil der Gläubiger weder auf die Unzulässigkeit seines Auftrags vom 14.08.2012 noch auf die Kostenfolge, wenn er den Auftrag nicht auf Verhaftung umstellt, hingewiesen wurde.

Die Gerichtsvollzieherin kann in diesem Zusammenhang bereits Kostenvorschuss für den Verhaftungsauftrag anfordern, falls doch ein Verhaftungsauftrag erteilt wird. Die Höhe des in dem Schreiben vom 11.09.2012 angeforderten Vorschusses in Höhe von 60 € war geringfügig um 0,50 € (59,50 € = 17,50 + 30 + 9 + 2,50 + 0,50) überhöht. So können eine Verhaftungsgebühr nach Nr. 270 KV in Höhe von 30 €, eine Restgebühr für die im Rahmen der Verhaftung eventuell abgegebene eidesstattlichen Versicherung nach Nr. 260 KV in Höhe von 17,50 € (= 30 € - 12,50 € bereits nach Nr. 604 KV angefallene Gebühr), zwei Auslagenpauschalen nach Nr. 713 KV in Höhe von insgesamt 9 € (= 6 € [= 20 % aus 30 € nach Nr. 270 KV] + 3 € [20 % aus 30 € nach Nr. 260 KV abzüglich 3 € bereits früher erhobener Auslagen bezüglich 12,50 € nach Nr. 604 KV]), ein Wegegeld nach Nr. 711 in Höhe von 2,50 € sowie eine Dokumentenpauschale nach Nr. 700 KV in Höhe von 0,50 € anfallen.

Zu (2) Kosten in Höhe von 16 € (= 12, 50 nach Nr. 604 KV + 0.50 nach Nr. 700 KV + 3 € nach Nr. 713 KV) - wie in der Kostenrechnung vom 12.11.2012 abgerechnet – können „derzeit“ nicht erhoben werden. Erst wenn der Gläubiger nach den von der Gerichtsvollziehern vorzunehmenden Hinweis, seinen Antrag vom 14.08.2012 nicht auf einen Verhaftungsantrag abändert, kann der Auftrag vom 14.08.2012 als unerledigt mit Kostenerhebung in Höhe von 16 € zurückgegeben werden.

Hinweis:

Da die Auftragserteilung vor dem 01.01.2013 erfolgte, aber auch weil der der Haftbefehl nach altem Recht erlassen wurde, ist die Umstellung des Gläubigerantrags auf Verhaftung nach altem Recht zu beurteilen (vgl. AG Augsburg Beschluss vom 26.02.2013,1 M 1472/13,BeckRS 2013, 04365). Die Frist für die Vollziehung des Haftbefehls vom 09.02.2011 beträgt 3 Jahre (§ 909 Absatz 2 ZPO a.F.), weil die 2-Jahresfrist nach § 802 Absatz 1 ZPO nicht anzuwenden ist (AG Augsburg Beschluss vom 12.04.2013, 1 M 3026/13).