VG Oldenburg, Beschluss vom 28.03.2013 - 5 A 4541/12
Fundstelle
openJur 2013, 21673
  • Rkr:
Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung des Gerichts richtet sich grundsätzlich danach, welchem Beteiligten bei Fortsetzung des Verfahrens, d.h. ohne die eingetretene Erledigung durch die Übersendung des vollständigen Kongenerenmusters an den Kläger, voraussichtlich die Kosten auferlegt worden wären. Für diese Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache maßgebend, wobei der in § 161 Abs. 2 VwGO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit das Gericht an einer weiteren Sachaufklärung und Beweiserhebung sowie an einer abschließenden Prüfung rechtlicher Zweifelsfragen hindert.

Billigem Ermessen im Sinne von § 161 Abs. 2 VwGO entspricht es, die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen, da der Kläger bei Fortsetzung des Verfahrens voraussichtlich obsiegt hätte.

Die Klage war im Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits zulässig.

Entgegen der Darstellung des Beklagten im Schriftsatz vom 7. März 2013 war die Klage nicht ausschließlich auf Erlass eines Widerspruchsbescheides gerichtet. Klagegegenstand war vielmehr die Verpflichtung des Beklagten zur Mitteilung von Kongenerenmustern entsprechend dem Antrag vom 26. April 2012 und die Aufhebung des dies ablehnenden Bescheides vom 23. Mai 2012 sowie - nach Klageerweiterung - des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2012. Die Klage war auch in ihrer ursprünglichen Form als Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO zulässig, da ein zureichender Grund dafür, dass innerhalb angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist, weder dargelegt noch ersichtlich ist. Da der Beklagte ohnehin die Auffassung vertritt, dass die beantragte Übersendung der Kongenerenmuster in der ursprünglichen Form (Bl. 15 bis 18 des Verwaltungsvorgangs) aufgrund von § 8 Umweltinformationsgesetz - UIG - i.V.m. § 3 Niedersächsisches Umweltinformationsgesetz - NUIG - ausgeschlossen war, hätte eine - unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung abschlägige - Bescheidung des Widerspruchs, wie sie letztlich am 10. Oktober 2012 auch erfolgt ist, zeitnah erfolgen können. Daran ändert es nichts, dass sich der Beklagte gegenüber seiner vorgesetzten Behörde für eine kurzfristige Freigabe der beantragten Informationen eingesetzt hat, da sich die diesbezüglichen Anfragen - soweit ersichtlich - nur auf die Freigabe der Kongenerenmuster nach der für erforderlich erachteten Aufbereitung bezogen.

Auch fehlte es dem Kläger entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Weder war sein Rechtsschutzinteresse erfüllt, da er die beantragten Informationen zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht erhalten hatte, noch war die Antragstellung unlauter oder rechtsmissbräuchlich, weil es dem Kläger unbenommen ist, die Erteilung von Auskünften nach dem UIG mit einem gleichlautenden Antrag gegenüber mehreren informationspflichtigen Stellen geltend zu machen (vgl. Reidt/ Schiller, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, § 8 UIG Rn. 55 m.w.N).

Die Klage hätte voraussichtlich auch in der Sache Erfolg gehabt, weil die die Ablehnung der beantragten Information voraussichtlich rechtswidrig war.

Anspruchsgrundlage für die Herausgabe der beantragten Informationen ist § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG i.V.m. § 3 NUIG. Danach hat jede Person nach Maßgabe der Bestimmungen des Umweltinformationsgesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle i. S. d. § 2 Abs. 1 UIG verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Die Beklagte ist als eine andere Stelle der öffentlichen Verwaltung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UIG informationspflichtig.

Die Ablehnung des Antrags auf Bekanntgabe des Kongenerenmusters konnte entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten voraussichtlich nicht auf § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder Nr. 4 UIG gestützt werden. Die Ablehnungsgründe sind als Ausnahmen von dem grundsätzlich vorgesehene Anspruch auf Umweltinformationen eng auszulegen (vgl. Begr. zum RegE, BT-Drucks. 15/3406, S. 18).

Gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 UIG ist ein Antrag auf Bekanntgeben der Informationen abzulehnen, soweit ein Antrag offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntmachung überwiegt. Entgegen der Auffassung des Beklagten war diese Voraussetzung entsprechend den obigen Ausführungen zum Rechtsschutzbedürfnis nicht erfüllt.

Ein Antrag ist gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 UIG auch dann abzulehnen, wenn er sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Abs. 1 UIG bezieht, sofern nicht das öffentliche Interesse an der Bekanntmachung überwiegt. Auch diese Voraussetzung war - soweit ersichtlich - nicht erfüllt. Der Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, dass es sich im konkreten Fall bei den Kongenerenmustern um interne Mitteilungen zwischen zwei oder mehreren informationspflichtigen Stellen handelte und - entsprechend dem Gesetzeszweck - im Falle des Bekanntwerdens die Effektivität der internen Arbeitsabläufe und des Zusammenwirkens der informationspflichtigen Stellen beeinträchtigt worden wäre (vgl. Begr. zum RegE, BT-Drs. 15/3046, S. 19). Der Kläger begehrte zudem nicht die Bekanntgabe des Inhaltes verwaltungsinterner Mitteilungen, die im Rahmen eines Abstimmungsprozesses zu einem Vorgang zwischen den informationspflichtigen Stellen ausgetauscht worden sind, sondern die Bekanntgabe des Vorgangs selbst, nämlich der Kongenerenmuster.

Der Herausgabe der Information stand auch § 8 Abs. 2 Nr. 4 UIG voraussichtlich nicht entgegen. Danach ist ein Antrag abzulehnen, soweit er sich auf die Zugänglichmachung von Material bezieht, das gerade vervollständigt wird, sowie auf noch nicht abgeschlossene Schriftstücke oder noch nicht aufbereitete Daten, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntmachung überwiegt. Auch dieser Ablehnungsgrund bezweckt die Gewährleistung und den Schutz der Effektivität des Handelns der Verwaltung und der informationspflichtigen Stellen (vgl. Begr. zum RegE, BT-Drs. 15/3406, S. 19). Die Effektivität ist gefährdet, wenn und soweit sich die Pflicht zur Herausgabe von Informationen auf Gegenstände bezieht, an denen die Verwaltung noch arbeitet und sich insbesondere im Arbeitsprozess der Sichtung und Sammlung der relevanten Daten befindet (Reidt/ Schiller, a.a.O., § 8 UIG Rn. 64). Die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung war hier indes nicht gefährdet, da die Sammlung der Daten mit Erstellung der Kongenerenmuster abgeschlossen war und lediglich eine fachliche Bewertung der gewonnenen Daten ausstand.

Soweit sich die Beklagte zur Begründung der Ablehnung des Antrags insoweit auf § 8 Abs. 2 Nr. 4, 3. Variante UIG - noch nicht aufbereitete Daten - stützt, überzeugt dies ebenfalls nicht. Unter Aufbereitung ist eine Systematisierung und Ordnung der vorhandenen Rohdaten zu verstehen (Reidt/ Schiller, a.a.O., § 8 UIG Rn. 71). Darum ging es dem Beklagten indes nicht, da die streitgegenständlichen Kongenerenmuster (Bl. 15 - 18 des Verwaltungsvorgangs) in übersichtlicher tabellarischer Form, hinreichend anonymisiert, sortiert nach Probennummern und unter Auflistung der verschiedenen Einzelstoffe vorlagen. Dem Beklagten ging es ausweislich der Begründung des Widerspruchsbescheids vielmehr darum, eine eigene Bewertung der gewonnenen Ergebnisse vorzunehmen. In dem Bescheid vom 10. Oktober 2012 wird ausgeführt, der Verbraucher könne anhand der Kongenerenmuster keinen zweckdienlichen Rückschluss auf die Ursache der Kontamination ziehen. Es mache nur Sinn, Untersuchungsergebnisse mitzuteilen, wenn ein sicheres Endergebnis gefunden worden sei und die Information somit einen Aussagegehalt habe, den die Öffentlichkeit auch nutzen könne. Es sei nicht dienlich, halbfertige Untersuchungen und unverständliche Ergebnisse zu veröffentlichen, weil dies lediglich zu Verunsicherungen, schlimmstenfalls zum Verlust der Glaub- und Vertrauenswürdigkeit der Lebensmittelüberwachungsbehörden führen würde. Die dem Kläger bereits vorliegenden Informationen seien für das Ziel einer gesundheitlichen Aufklärung ausreichend. Die damit vom Beklagten beabsichtigte Auswertung oder Kommentierung der gewonnenen Daten stellt keinen Fall der Aufbereitung im Sinne der Vorschrift dar (vgl. Reidt/ Schiller, a.a.O., § 8 UIG Rn. 71, BVerwG vom 21. Februar 2008 - 4 C 13.07 - BVerwGE 130, 223, Rn. 15 nach juris). Es genügt, dass die gewonnenen Daten interpretationsfähig sind. Dass diese Voraussetzung gegeben ist, bestreitet auch der Beklagte nicht. Er vertritt jedoch die Auffassung, dass es, selbst wenn der Kläger in der Lage wäre, die Kongenerenmuster eigenständig zu untersuchen und zu bewerten - was die grundsätzliche Möglichkeit der Nutzung der gewonnenen Daten zum Zwecke der Interpretation impliziert -, zuallererst Aufgabe der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde sei, diese Arbeit zu übernehmen und die Öffentlichkeit über die Ergebnisse zu informieren. § 8 Abs. 2 Nr. 4, 3. Variante UIG soll jedoch nicht sicherstellen, dass die informationspflichtige Stelle die Öffentlichkeit als erstes über von ihr gewonnene Erkenntnisse informieren kann.

Das Umweltinformationsgesetz dient nach seinem Leitgedanken dazu, den Anspruch der Öffentlichkeit auf Zugang zu Umweltinformationen zu fördern, eine wirksamere Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbezogenen Entscheidungen zu erreichen und damit letztlich einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten (vgl. Begr. zum RegE, BT-Drucks. 15/3406, S. 11). Dieses Verständnis sieht den Bürger eher als mündigen Informationsempfänger, der selbst bereit und in der Lage ist, die Informationen auf ihren sachlichen Gehalt und ihre Verwertbarkeit zu überprüfen.

Die Beklagte kann sich daher auch nicht darauf berufen, dass eine Bekanntgabe der Kongenerenmuster in der ursprünglichen Form zu Missverständnissen geführt hätte. Der Ablehnungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 4 UIG soll zwar sicherstellen, dass keine Informationen bekannt gegeben werden müssen, die ohne die noch notwendige Vervollständigung und Aufbereitung missverständlich oder sogar irreführend sind (vgl. Reidt/ Schiller, a.a.O., § 8 UIG Rn. 64 und § 5 UIG Rn. 9). Dass die Datensätze etwa fehlerhafte Angaben enthielten oder unvollständig waren, hat die Beklagte jedoch nicht dargelegt. Wie bereits ausgeführt bedurften die Daten auch keiner Aufbereitung im Rechtssinne. Im Übrigen wäre es in Betracht gekommen, die Kongenerenmuster mit einem entsprechenden Hinweis bzw. allgemeinen Erläuterungen dazu an den Kläger weiterzugeben, ob und in welchem Umfang sich aus den Mustern Rückschlüsse auf die Ursache von Belastungen ziehen lassen. Schließlich konnte die Beklagte auch nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass es dem Kläger am hinreichenden Sachverstand fehlte und daher die Gefahr bestand, er werde die Kongenerenmuster fehlerhaft deuten, da ihr bekannt war, dass der Kläger als langjähriger Rechercheur für die Verbraucherorganisation „foodwatch“ tätig ist (vgl. Bl. 3 des Verwaltungsvorgangs sowie „DER SPIEGEL“, Ausgabe 17/2006, S. 104).