BGH, Beschluss vom 27.03.2013 - III ZR 367/12
Fundstelle
openJur 2013, 21361
  • Rkr:
Tenor

Das Verfahren ist weiterhin unterbrochen.

Gründe

I.

Die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurde in zweiter Instanz zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 80.477,34 € nebst (Prozess-) Zinsen an den Kläger wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einer Beteiligung des Klägers an der C. mbH & Co KG verurteilt. Das Oberlandesgericht ließ die Revision nicht zu. Dagegen legte die Beklagte Beschwerde ein. Das beim Senat anhängige Beschwerdeverfahren (III ZR 22/10) wurde gemäß § 240 Satz 2 ZPO dadurch unterbrochen, dass das Amtsgericht - Insolvenzgericht - M. durch Beschluss vom 5. August 2010 der Beklagten ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegte. Am 10. Dezember 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet.

Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2011 trat die H. AG auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit bei. Im Insolvenzverfahren widersprach sie als Gläubigerin der Beklagten der von dem Kläger in Höhe von 103.116,40 € zur Tabelle angemeldeten Forderung. Ein weiterer Widerspruch wurde - allerdings nur betreffend die zur Tabelle angemeldeten Zinsen von 13.928,36 € und Kosten von 8.710,70 € - vom Insolvenzverwalter erhoben. Mit Schriftsatz vom 15. November 2012 hat der Kläger das unterbrochene Verfahren ausdrücklich nur gegen die Streithelferin der Beklagten als widersprechende Gläubigerin gemäß § 180 Abs. 2 InsO in Höhe des vom Insolvenzverwalter anerkannten Betrages von 80.477,34 € aufgenommen. Dieser Betrag entspricht der dem Kläger vom Berufungsgericht zuerkannten Hauptforderung.

Die Streithelferin der Beklagten hat mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2012 beantragt festzustellen, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist.

II.

Der Antrag der Streithelferin der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verfahren ist durch die Erklärung des Klägers in seinem Schriftsatz vom 15. November 2012 nicht wirksam aufgenommen worden und daher weiterhin unterbrochen.

1. Der Antrag der Streithelferin der Beklagten ist zulässig. Sie und der Kläger streiten über die Frage, ob das vor dem Senat anhängige, gemäß § 240 ZPO unterbrochene Verfahren über die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil des Oberlandesgerichts München mit dem Schriftsatz des Klägers vom 15. November 2012 gegen 2 die Streithelferin aufgenommen werden konnte und damit fortzusetzen ist. Es handelt sich somit um einen Zwischenstreit über die Wirksamkeit der von dem Kläger erklärten Aufnahme, über den im Beschwerdeverfahren entsprechend § 303 ZPO durch Beschluss zu entscheiden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - III ZR 204/12, NJW 2012, 3725 Rn. 5, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

2. Der Antrag der Streithelferin ist auch begründet. Das Verfahren ist mit der Erklärung des Klägers vom 15. November 2012 nicht wirksam aufgenommen worden und daher weiterhin unterbrochen.

a) Ist - wie vorliegend - in einem Insolvenzverfahren eine Forderung vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es gemäß § 179 Abs. 1 InsO dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so ist die Feststellung gemäß § 180 Abs. 2 InsO durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben. Zwar obliegt es gemäß § 179 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen, wenn für eine Forderung - wie hier - ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt. Es ist aber auch der Gläubiger der Forderung zur Aufnahme befugt, wenn - wie bisher vorliegend - der Bestreitende seinen Widerspruch nicht verfolgt (Senat aaO Rn. 7 mwN).

b) Die Aufnahme des Rechtsstreits ist auch möglich, wenn der Rechtsstreit zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Revisionsinstanz anhängig war. Dies gilt auch für den Fall einer in der Revisionsinstanz anhängigen Nichtzulassungsbeschwerde (Senat aaO Rn. 8 mwN).

c) Die uneingeschränkte Aufnahme eines Rechtsstreits durch den Gläubiger einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung ist, wenn der Forderung mehrere Personen im Sinne von § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO (teilweise) widersprochen haben, nur wirksam, wenn der Rechtsstreit gegenüber allen Widersprechenden aufgenommen wird (Senat aaO Rn. 23 ff). Dies folgt für den Fall, dass - wie hier - schon ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig ist, aus dem Zweck der Regelung des § 180 Abs. 2 InsO, Zeit und Kosten zu sparen und den Rechtsstreit rasch zu Ende zu bringen. Die Aufnahme gegenüber allen Widersprechenden im Sinne von § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO ist deshalb geboten, weil - anders als im Fall des Bestreitens der Forderung durch den Schuldner nach § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO - der Widerspruch die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle hindert; die vom Gläubiger begehrte Feststellung setzt damit voraus, dass vorher sämtliche Widersprüche, die ihr entgegenstehen, beseitigt sind (Senat aaO mwN). Eine nicht gleichzeitige, sondern sukzessive Aufnahme des Rechtsstreits gegenüber den einzelnen Widersprechenden und eine erst nach Beseitigung des letzten Widerspruchs mögliche Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle wäre mit dem vorgenannten Zweck von § 180 Abs. 2 InsO, Zeit und Kosten zu sparen, nicht vereinbar.

aa) Vorliegend hat der Kläger das Verfahren zwar nicht gegen den ebenfalls der Feststellung der streitgegenständlichen Forderung zur Insolvenztabelle (teilweise) widersprechenden Insolvenzverwalter aufgenommen. Die vorstehenden Gründe stehen der Wirksamkeit einer solchen teilweisen Verfahrensaufnahme indes nicht zwingend entgegen. Denn soweit einer angemeldeten Forderung in Höhe eines bestimmten Teils dieser Forderung nur ein Gläubiger widersprochen hat, ist die Aufnahme des anhängigen Rechtsstreits gegen ihn ausreichend, um hinsichtlich des allein von ihm bestrittenen Teils der angemeldeten Forderung die Feststellung zur Insolvenztabelle zu erreichen. Der 9 Rechtsstreit wird in Bezug auf diesen Teil der Forderung rasch zu Ende gebracht und bedarf insoweit keiner weiteren Aufnahme. Der Umstand, dass der Rechtsstreit in Bezug auf weitere Teile der angemeldeten Forderung unterbrochen bleibt und gegebenenfalls gegen die diesbezüglich Widersprechenden aufgenommen werden kann, hindert die Wirksamkeit einer Teilaufnahme daher nicht, sofern ihr nicht allgemeine prozessrechtliche Gründe entgegenstehen (siehe unter bb). Eine Teilaufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits ist vielmehr grundsätzlich möglich (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1994 - V ZR 270/93, NJW-RR 1994, 1213; MünchKommZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 240 Rn. 24; Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl., § 240 Rn. 9).

bb) Vorliegend steht einer wirksamen Verfahrensaufnahme jedoch entgegen, dass über den vom Kläger aufgenommenen Teil des Rechtsstreits nicht durch ein dem Gebot der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussurteil entsprechendes Teilurteil entschieden werden könnte.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstands ein Teilurteil (§ 301 ZPO) nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Eine Gefahr widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (BGH, Urteile vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155; vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02, NJW-RR 2003, 1002; vom 7. November 2006 - X ZR 149/04, NJW 2007, 156 11 Rn. 12; vom 16. Juni 2010 - VIII ZR 62/09, NJW-RR 2011, 189 Rn. 21, 25; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 13 mwN und vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 25).

(2) Eine solche Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ist vorliegend gegeben. Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist die vom Kläger geltend gemachte und von Land- und Oberlandesgericht zugesprochene Hauptforderung in Höhe von 80.477,34 €. Der Senat beziehungsweise - nach gegebenenfalls erfolgender Zulassung der Revision und auf die Revision erfolgender Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache - das Berufungsgericht wird bei unterstellter Wirksamkeit der Teilaufnahme über den Bestand der Hauptforderung zu entscheiden haben.

Der Kläger hat den Rechtsstreit nicht hinsichtlich der - ihm von Land- und Oberlandesgericht ebenfalls zugesprochenen - Prozesszinsen (§ 291 BGB) aufgenommen. Ein Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen setzt den Bestand einer Geldschuld, das heißt vorliegend der dem Kläger bisher zugesprochenen Hauptforderung voraus. Der Senat beziehungsweise - nach gegebenenfalls auch insoweit erfolgender Zulassung der Revision und auf die Revision erfolgender Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache - das Berufungsgericht wird daher, sollte das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren später auch hinsichtlich des Zinsanspruchs aufgenommen werden, erneut über den Bestand der Hauptforderung zu entscheiden haben.

Der Senat beziehungsweise das Berufungsgericht würde mithin auf die Teilaufnahme hinsichtlich der Hauptforderung eine Frage zu entscheiden haben, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche (hier: den Zinsanspruch) noch einmal stellt oder stellen kann. Dadurch würde nach 13 den vorstehend dargestellten Grundsätzen zur Zulässigkeit eines Teilurteils eine Gefahr widersprechender Entscheidungen begründet, die einem auf die Hauptforderung bezogenen Teilurteil und damit zugleich der Wirksamkeit der entsprechenden Teilaufnahme des Verfahrens entgegensteht.

(3) Allerdings gilt das Teilurteilsverbot bei Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht ausnahmslos. Es hat zurückzutreten, wenn der Anspruch einer Prozesspartei auf effektiven Rechtsschutz überwiegt. So ist insbesondere anerkannt, dass das dargestellte Teilurteilsverbot nicht gilt, wenn es zu einer Unterbrechung oder Aussetzung des Prozesses gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen infolge dessen Todes oder Insolvenz kommt und dadurch eine Prozesssituation eintritt, die zu einer faktischen Trennung der Verfahren führt. Hier ist der Erlass eines Teilurteils bezüglich der weiteren Streitgenossen gestattet, weil es dem Rechtsschutzanspruch der übrigen Prozessbeteiligten entgegenstünde, wenn der sie betreffende Rechtsstreit für eine längere und ungewisse Dauer verzögert würde, ohne dass sie hierauf Einfluss nehmen können (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 aaO S. 1002 f mwN; vom 7. November 2006 aaO Rn. 14 ff; vom 16. Juni 2010 aaO Rn. 26 und vom 11. Mai 2011 aaO Rn. 17 f mwN; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 301 Rn. 7 a.E.; Musielak aaO § 301 Rn. 3; Hk-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 301 Rn. 6).

Es handelt sich bei der vorliegenden Konstellation indes nicht um einen solchen Ausnahmefall, in dem trotz der bestehenden Gefahr einer abweichenden Entscheidung ein Teilurteil zulässig wäre. Die eintretende Verzögerung entspricht vielmehr - anders als bei den vorgenannten Fallgestaltungen - dem Willen des Klägers und kann von diesem auch jederzeit durch die Aufnahme des Verfahrens im Übrigen beendet werden. Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gibt daher hier keine Rechtfertigung für den Erlass eines Teilur-16 teils bei gleichwohl bestehender Gefahr widersprechender Entscheidungen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 aaO Rn. 18 zu einem auf Wunsch der Parteien angeordneten Ruhen eines Teils des Rechtsstreits).

3. Angesichts der seitens des Klägers somit nicht wirksam erfolgten Aufnahme des Verfahrens war auf den Antrag der Streithelferin der Beklagten festzustellen, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist.

Schlick Herrmann Hucke Tombrink Remmert Vorinstanzen:

LG München I, Entscheidung vom 18.09.2008 - 22 O 13697/08 -

OLG München, Entscheidung vom 14.01.2010 - 23 U 1568/09 - 18