VG Düsseldorf, Beschluss vom 06.06.2011 - 3 L 142/11
Fundstelle
openJur 2013, 21323
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 19.01.2011 gegen die durch den Antragsgegner mit Genehmigungsbescheid vom 15.09.2010 erteilte Genehmigung zur Erweiterung und zum Betrieb einer Anlage zur Haltung und zur Aufzucht von 244 Rindern (Mastbullen, davon Bestand 244 Rinderplätze) und 1.643 Mastschweinen (davon Bestand 496 Mastschweine) einschließlich zugehöriger Nebeneinrichtungen auf dem Betriebsgelände G1, wiederherzustellen,

ist gemäß §§ 80 Abs. 5, 80 a Abs. 1 und 3 VwGO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Bei einem begünstigenden Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung, wie hier, kann das Gericht die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen einen von der Behörde für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt auf Antrag des Drittbetroffenen ganz oder teilweise nach Maßgabe des § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO wiederherstellen. Einem solchen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist stattzugeben, wenn der angefochtene Verwaltungsakt - hier die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung - Rechte des Dritten verletzt, also wenn das genehmigte Vorhaben gegen Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt und die verletzten Vorschriften auch zum Schutze des Dritten zu dienen bestimmt sind. Denn in diesem Fall kann ein überwiegendes Interesse des Genehmigungsinhabers oder der Öffentlichkeit an einer sofortigen Ausnutzung der Genehmigung nicht bestehen. Umgekehrt ist der Antrag des Dritten abzulehnen, wenn die Genehmigung ihn nicht in eigenen Rechten verletzt und eine ordnungsgemäße Begründung für die angeordnete sofortige Vollziehung gegeben ist.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 24.01.2011 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Aus der Begründung der Anordnung wird hinreichend deutlich, dass der Antragsgegner die Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs und das öffentliche Interesse sowie das Interesse des Beigeladenen an einer sofortigen Vollziehung abgewogen hat und er sich der Ausnahmesituation der Anordnung einer sofortigen Vollziehung bewusst war und aus welchen besonderen Gründen er diese als notwendig erachtet. Eine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Begründung der Anordnung hat das Gericht dagegen nicht vorzunehmen.

Maßstab für die Interessenabwägung ist bei dreiseitigen Rechtsverhältnissen die Erfolgsaussicht des vom Dritten eingelegten Rechtsbehelfs,

vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 05.03.2008 - 7 MS 115/07 -, NVwZ-RR 2008, 686 r.Sp.; OVG Schl.-Holst., Beschluss vom 28.04.2010 - 1 MR 6/10 -, juris.

In der vorliegenden Situation des Nachbarstreits hat das Gericht dabei nicht zu entscheiden, ob die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung in jeder Hinsicht rechtmäßig erteilt wurde. Ein nachbarliches Abwehrrecht des Antragstellers gegen das genehmigte Vorhaben besteht nur dann, wenn die genehmigte Anlage gerade gegen solche Vorschriften verstößt, die für ihn Wirkung entfalten. Dies lässt sich hier nicht feststellen.

Ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Vorhaben des Beigeladenen an dem Wohnhaus des Antragstellers unzulässige Immissionen - insbesondere in Bezug auf Geruch, Lärm und Bioaerosole - verursachen wird, sind nicht ersichtlich.

Gemäß der drittschützenden Betreiberpflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.

Bei der Bestimmung der Grenze der in einem bestimmten Gebiet zumutbaren Beeinträchtigungen ist - vorbehaltlich spezieller Vorgaben in den einschlägigen technischen Regelwerken - grundsätzlich die zwischen Immissionsschutzrecht und Bebauungsrecht bestehende Wechselwirkung zu berücksichtigen. Einerseits konkretisiert das Bundes-Immissionsschutzgesetz die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft allgemein und folglich auch mit Wirkung für das Bebauungsrecht. Andererseits bemisst sich die Schutzwürdigkeit eines Gebiets nach dem, was dort planungsrechtlich zulässig ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 - 7 C 7.92 -, NVwZ 1993, 987, und Beschluss vom 2. Februar 2000 - 4 B 87.99 -, NVwZ 2000, 679, Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.05.2010 - 8 B 992/09 -, juris.

Entgegen seiner Auffassung kann der Antragsteller gegenüber den geltend gemachten Beeinträchtigungen nicht denselben Schutzstandard beanspruchen wie Bewohner einer geschlossenen Ortslage. Aus dem vorliegenden Kartenmaterial und übersandten Fotos sowie dem Vorbringen der Beteiligten ergibt sich, dass das Wohnhaus des Antragstellers im bauplanungsrechtlichen Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB liegt. Einen Bebauungsplan für den hier in Rede stehenden Bereich gibt es nicht; im Flächennutzungsplan der Stadt L ist die Fläche als Landwirtschaft dargestellt.

Für eine geschlossene Ortslage bzw. einem Bebauungszusammenhang, der Anlass für die Anwendung des § 34 BauGB geben könnte, ergibt sich hier nichts. Die Gebäude des Antragstellers und des Beigeladenen liegen in einer lockeren Bebauung mit ca. 750 m Abstand zum Ortsteil U. Zwischen den Gebäuden bestehen teilweise noch größere Freiflächen mit Abständen bis zu 170 m.

Unangemessen für die Annahme eines Ortsteils ist eine rein quantitative Betrachtung der vorhandenen Bebauung. Ortsteil ist vielmehr nur ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist,

vgl. BVerwG, Urteil vom 06.11.1968 - IV C 31.66 -, E 31, 22, 26.

Auch solche Umstände, die sich als Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur darstellten, sind hier nicht zu erkennen.

Der hier betroffene Außenbereich ist bauplanungsrechtlich nur ausnahmsweise für Wohnnutzungen, in erster Linie aber als Standort für stark emittierende Betriebe vorgesehen (vgl. § 35 Abs. 1 BauGB). Im typischerweise landwirtschaftlich genutzten Außenbereich muss mit Lärm und Gerüchen gerechnet werden, die durch Tierhaltung, Dungstätten, Güllegruben und dergleichen üblicherweise entstehen. Sie sind typische Begleiterscheinungen der zulässigen landwirtschaftlichen Nutzung, so dass der Eigentümer eines Wohnhauses in der Regel nicht verlangen kann, von den mit der Tierhaltung verbundenen Immissionen verschont zu bleiben.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2008 - 10 A 1666/05 -.

Vorhaben wie die hier geplante Mastanlage sind bauplanungsrechtlich nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB dem Außenbereich zugewiesen, selbst wenn es sich - wie hier - mangels überwiegend eigener Futtergrundlage im Rechtssinne nicht um eine landwirtschaftliche (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB, § 201 BauGB), sondern um eine gewerbliche Tierhaltung handelt.

Dementsprechend stellt die Errichtung einer - wie nachfolgend dargelegt wird - im Übrigen, insbesondere in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht zulässigen Tierhaltungsanlage keinen Verstoß gegen das nachbarliche Rücksichtnahmegebot dar.

Hiervon ausgehend wird das Vorhaben des Beigeladenen den Antragsteller voraussichtlich nicht wegen der von ihm ausgehenden Geruchsemissionen unzumutbar beeinträchtigen.

Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, kann - bis zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften auf die nordrheinwestfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 zurückgegriffen werden.

Vgl. Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.05.2010 ‑ 8 B 992/09 ‑, juris.

Die TA Luft enthält keine Vorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen. Bei den in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft für die Errichtung von Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren geregelten Mindestabständen, die in Form einer Kurve dargestellt werden und sich nach der in der Anlage vorgesehenen Tierlebendmasse in Großvieheinheiten richtet, handelt es sich, wie sich aus Nr. 1 und der Überschrift des 5. Abschnitts der TA Luft ergibt, um Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen. Die Einhaltung der Mindestabstände der TA Luft ist deshalb zwar ein Indiz dafür, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG auftreten. Dies bedeutet aber nicht, dass ein Betreiber seine Schutzpflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG nicht erfüllt, wenn die Mindestabstände nicht eingehalten werden. Im Übrigen finden die in der TA Luft geregelten Mindestabstände nach Nr. 5.4.7.1 der TA Luft nur Anwendung auf vorhandene oder in einem Bebauungsplan festgesetzte Wohnbebauung, also nicht auf - wie hier - außerhalb eines Bebauungszusammenhangs im Außenbereich gelegene Einzelhäuser.

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie sowie die VDI-Richtlinien 3471 und 3472 (Emissionsminderung Tierhaltung - Schweine bzw. Geflügel) bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden können; sie enthalten technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454.

Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn-/Mischgebiete ein Immissionswert (IW) von 0,10 (10 % Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert von 0,15 (15 % Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt ebenfalls ein Immissionswert von 0,15; einen Immissionswert für den Außenbereich regelt die GIRL nicht ausdrücklich. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. In der Begründung und in den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL ist erläuternd ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es "möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert bis zu 0,25 für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen."

Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es grundsätzlich ‑ vorbehaltlich von hier nicht vorliegenden Ausnahmen ‑ einer Prognose, bei der aus der Vor- und der Zusatzbelastung im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Gesamtbelastung ermittelt wird.

Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand entspricht die Geruchsimmissionsprognose der Dipl.-Ing. X und Dipl.-Ing. W, Sachverständige für Immissionsschutz bei der Firma V aus B, vom 10.12.2008, ergänzt unter dem 09.01.2009 und 06.05.2010 den Anforderungen der GIRL in der derzeit gültigen Fassung. Nach dem Ergebnis dieser Prognose ist an der nächstgelegenen Wohnbebauung zur Hofstelle, dies ist das Wohnhaus des Antragstellers, mit einer Geruchsgesamtbelastung von 14 % der Jahresstunden zu rechnen.

Damit wird der in der GIRL 2008 für den Außenbereich im Einzelfall als zumutbar in Betracht kommende Immissionswert (bis zu 25 %) deutlich unterschritten; es wird auch der für Dorfgebiete vorgesehene Immissionswert von 15 % der Jahresgeruchsstunden eingehalten.

Die vom Antragsteller gegen die Plausibilität der Geruchsimmissionsprognose erhobenen Rügen greifen nicht durch.

Dabei ist zunächst die Annahme des Antragstellers unzutreffend, ausweislich der Prognose seien als Hauptwindrichtung Winde aus nordwestlicher Richtung angegeben, was bedeute, dass sein Wohngrundstück auf Grund seiner Lage in süd-östlicher Richtung zu den verschiedenen Emissionsorten besonders stark von der Anlage ausgehenden Geruchsimmissionen betroffen sein werde. Dies dürfte auf einer Fehlinterpretation der AK-Statistik, Anhang II, Seite 2 von 2 der Geruchsimmissionsprognose vom 10.08.2008 beruhen. Die dort quantifizierten Angaben beziehen sich auf die "Windgeschwindigkeit" und "Windrichtung (aus Richtung)". Als Hauptwindrichtung würde danach also der Wind aus süd-östlicher Richtung über das Grundstück des Antragstellers in Richtung des Hofes des Beigeladenen wehen.

Auch greift der Einwand nicht, bei der Ermittlung der Emissionsparameter seien nicht alle Besonderheiten der hier zu beurteilenden Gesamtanlage, wie die Entmistung der Schweineställe sowie Ein- und Ausstallungsvorgänge, berücksichtigt worden.

Der Antragsteller übersieht hier zunächst, dass die Entmistung der Stallanlage über Güllekanäle erfolgt, die unter einem Spaltenboden verlaufen, auf dem die Tiere stehen. Diese betrieblichen Anlagenteile sind in der Geruchsimmissionsprognose berücksichtigt. Auch der Einwand, das Gutachten in der Fassung des Nachtragsgutachtens vom 09.01.2009 stelle nicht die tatsächliche Belastung durch den Güllebehälter dar, weil für diesen zu Unrecht eine Emissionsminderung von 80 % angesetzt sei, greift nicht. Der Antragsteller führt insoweit aus, nach Nr. 5.4.7.1 h) der TA Luft solle die Lagerung von Flüssigmist außerhalb des Stalls in geschlossenen Behältern erfolgen oder es seien gleichfertige Maßnahmen zur Emissionsminderung anzuwenden, die einen Emissionsminderungsgrad bezogen auf die offenen Behälter ohne Abdeckung von mindestens 80% der geruchsintensiven Stoffen und an Ammoniak erreichten. Bei der Lagerung von Rinderflüssigmist sei es nach Nr. 5.4.7.1 h) nicht erforderlich, eine zusätzliche Abdeckung vorzuhalten, wenn sich eine natürliche Schwimmdecke bilde. Dabei werde in dem Geruchsgutachten verkannt, dass die angenommene Emissionsminderung von 80 % nur bei Rindergülle den weiteren Bewertungen zu Grunde gelegt werden dürfe, nicht aber dann, wenn das Güllebehältnis sowohl mit Rinder-, wie auch mit Schweinefäkalien befüllt werde, weil sich dann die natürliche Schwimmdecke nicht ausbilde. Dem ist nicht zu folgen. Die Gutachter durften ihrer Prognose durchaus die emissionsmindernde Wirkung einer Schwimmdecke des Güllebehältnis zugrunde legen. Ausweislich der Auflage Nr. 56 der Anlage 2 des Bescheides vom 15.09.2010 hat der Betreiber darauf zu achten, dass sich auf dem Güllebehälter eine Schwimmdecke ausbildet. Wenn sich keine natürliche Schwimmdecke bildet, ist eine künstliche Schwimmdecke zu schaffen. Die Betriebsbedingungen sind also so gestaltet, dass in jeden Fall eine Schwimmdecke geschaffen wird. Diese Auflage ist drittschützend und notfalls auch selbständig durchsetzbar.

Dem Antragsteller ist auch nicht darin zuzustimmen, der Prognose läge eine fehlerhafte Auswahl der Beurteilungsflächen zugrunde. Nach Nr. 4.4.3 Satz 1 GIRL sind die Beurteilungsflächen quadratische Teilflächen des Beurteilungsgebietes, deren Seitenlänge bei weitgehend homogener Geruchsbelastung i.d.R. 250 m beträgt. Eine Verkleinerung der Beurteilungsfläche soll nach Satz 2 gewählt werden, wenn außergewöhnlich ungleichmäßig verteilte Geruchsimmissionen auf Teilen von Beurteilungsflächen zu erwarten sind, so dass sie mit den Vorgaben nach Satz 1 auch nicht annähernd zutreffend erfasst werden können. Diese Regelungen sind in der Geruchsprognose berücksichtigt. Die Gutachter haben in Anwendung von Nr. 4.4.3 Satz 2 GIRL eine Reduzierung der Seitenlängen auf 125 m vorgenommen, also die regelmäßig vorgesehene Beurteilungsfläche geviertelt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorgehensweise fehlerhaft und eine weitere Reduzierung der Seitenlängen der Beurteilungsflächen geboten ist, kann dem Vorbringen des Antragstellers nicht entnommen werden. Sie sind für das Gericht auch sonst nicht ersichtlich. Die Beurteilungsflächen sind durch die Verkleinerung insbesondere so gewählt, dass sich das Wohnhaus des Antragstellers und die genehmigte Anlage in unterschiedlichen Flächen befinden, also eine Überlagerung von Quell- und Beurteilungsfläche ausgeschlossen ist.

Das Gericht vermag sich auch nicht der Einschätzung anzuschließen, nach den Regeln der GIRL und den hierzu ergangenen Auslegungshinweisen sei es unzulässig, die zunächst ermittelte Geruchsstundenhäufigkeit mit der aus dem Nachtragsgutachten zu addieren. Dabei dürfte es sich in der Tat, wie der Beigeladene ausführt, um einen konservativen Ansatz handeln.

Soweit der Antragsteller rügt, dass bei der Erstellung der Geruchsimmissionsprognose nicht ein die Vorschriften der GIRL modifizierendes Ausbreitungsberechnungsverfahren basierend auf dem vom Landesumweltamt NRW entwickelten Verfahren "Abschätzung der maximalen Geruchshäufigkeiten im Nahbereich" zur Anwendung gekommen sei, ist schon nicht dargelegt, dass dieses Verfahren überhaupt dem Stand der Technik entspricht. Unabhängig davon ist dieses Verfahren ausweislich Seite 2 des vom Antragsteller vorgelegten Merkblattes des Landesumweltamtes NRW insbesondere gedacht für den Nahbereich von bodennahen Emissionsquellen (Entfernung zwischen Immissionsort und Emissionsquelle unter 100 m). Darauf bezieht sich die vorgelegte Prognose aber nicht. Desweiteren ist die Anwendung des Verfahrens ohnehin eingeschränkt, da der Gutachter als Emissionsort verschiedene Gebäude auf dem Hof des Beigeladenen zu berücksichtigten hatte, die sich zum Teil als Strömungshindernisse im Bereich des Ausbreitungspfades zwischen Emittent und Immissionsort darstellten.

Nicht näher dargelegt ist schließlich auch, warum vorliegend dem Gutachten gerade das Merkblatt "Geruchsimmissionsprognosen bei Tierhaltungsanlagen" des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 2009 oder das des Landkreises Cloppenburg, Festlegung der Geruchsimmissionsfaktoren im Landkreis Cloppenburg, 2005, hätte zugrunde gelegt werden müssen.

Anhaltspunkte für unzumutbare Lärmbelastungen sind nicht dargelegt.

Dem Nachbarn steht auch in Bezug auf Lärmeinwirkungen ein Abwehrrecht nur insoweit zu, als es sich um schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG handelt. Der gesetzliche Maßstab für die Schädlichkeit ist in der TA Lärm mit Bindungswirkung für das gerichtliche Verfahren jedenfalls insoweit abschließend konkretisiert, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 - , E 129, 209.

Für das Außenbereichsgrundstück des Antragstellers ist danach in Anlehnung an Nr. 6.1 Buchst. c) TA Lärm ein Immissionsrichtwert von tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) zu beachten.

Diese Werte werden hier durch die Auflage 62 der Anlage 2 des Genehmigungsbescheides vom 15.09.2010 in der Fassung des Nachtrags vom 01.04.2011 dem Beigeladenen verbindlich vorgeben; auf Verlangen ist die Einhaltung der Werte an den Immissionsorten, also auch am Wohnhaus des Antragstellers, durch eine nach § 26 BImSchG bekannt gegebene Messstelle überprüfen zu lassen. Diese Auflage ist auch drittschützend und notfalls selbständig durchsetzbar.

Anhaltspunkte dafür, dass die vorgegebenen Werte durch den genehmigten Betrieb grundsätzlich nicht einhaltbar sind, hat der Antragsteller weder vorgetragen, noch sind solche sonst ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus dem Schallgutachten der Dipl.-Ing. C und Dipl.-Ing. X1, Sachverständige für Immissionsschutz bei der Firma V aus B, vom 22.03.2011.

Ob eine erhebliche Steigerung des Kraftfahrzeugsverkehrs im unmittelbaren Nahbereich zum Betriebsgrundstück des Beigeladene und zum Wohngrundstück des Antragstellers die Situation im Hinblick auf die Einhaltung der Grenzwerte der TA Lärm wesentlich verändern würde, braucht das Gericht dagegen nicht zu entscheiden. Das genehmigte Vorhaben des Beigeladenen hat gegenüber der beabsichtigten Verwirklichung der betreffenden Regionalplanung (Realisierung des Projektes Spiel- und Erlebnispark Irrland) nicht zurückzutreten. Vielmehr sind bei der Verwirklichung dieses Projektes die Grenzen der TA-Lärm ebenfalls zu beachten.

Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Antragsteller Gefahren in Form von Bioaerosolen zu erwarten hat, liegen nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nicht vor.

Unter Bioaerosolen ist nach der Definition in der VDI-Richtlinie 4255 die Summe aller im Luftraum befindlichen Ansammlungen von Partikeln zu verstehen, denen Pilze (Sporen, Konidien, Hyphenbruchstücke), Bakterien, Viren und/oder Pollen sowie deren Zellwandbestandteile und Stoffwechselprodukte (z.B. Endotoxine, Mykotoxine) anhaften bzw. die diese beinhalten oder bilden. Immissions- oder Emissionswerte sieht die TA Luft insoweit nicht vor; insbesondere enthält sie in Bezug auf Bioaerosole kein Emissionsminderungsgebot. Es gibt bislang auch keine sonstigen Grenz- oder Orientierungswerte, die die Schädlichkeitsschwelle für Bioaerosole beschreiben. In Betracht kommt daher allenfalls eine Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 der TA Luft, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft. Das ist hier nicht der Fall. Allerdings spricht gegenwärtig Erhebliches dafür, dass von Tierhaltungsbetrieben luftgetragene Schadstoffe wie insbesondere Stäube, Mikroorganismen (z.B. Pilzsporen) und Endotoxine ausgehen, die grundsätzlich geeignet sind, nachteilig auf die Gesundheit zu wirken.

Vgl. Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 12. August 2008 10 A 1666/05 -, m.w.N., und vom 10.05.2010 - 8 B 992/09 -, juris

Wissenschaftliche Untersuchungen und Erkenntnisse darüber, von welcher Wirkschwelle an diese allgemeine Gefährdung in konkrete Gesundheitsgefahren für bestimmte Personengruppen umschlägt, sind indessen nicht bekannt. Es gibt weder ein anerkanntes Ermittlungsverfahren noch verallgemeinerungsfähige Untersuchungsergebnisse über die gesundheitliche Gefährdung der Nachbarschaft durch eine landwirtschaftliche oder gewerbliche Tierhaltung. Messtechnische Untersuchungen, die das LANUV seit dem Jahr 2007 an Schweine- und Legehennenställen betreibt, haben ergeben, dass sich eine Erhöhung bestimmter Parameter - insbesondere von Staphylokokken und Bakterien - an der in Windrichtung gelegenen (Lee-) Seite eines Legehennenstalls (ca. 300 Großvieheinheiten) gegenüber der windabgewandten (Luv-) Seite, die der jeweiligen örtlichen Hintergrundbelastung entspricht, noch in einer Entfernung von bis zu 500 m nachweisen lässt. Daraus folgt aber nicht ohne weiteres, dass bei derartigen Entfernungen auch mit gesundheitsgefährdenden Konzentrationen zu rechnen ist. Denn die ermittelten Immissionskonzentrationen lagen nach Einschätzung des LANUV auf einem "vergleichsweise niedrigen Niveau und erreichten bei weitem nicht die Konzentrationen, wie sie an Arbeitsplätzen gemessen werden."

Heller/Köllner (LANUV), Bioaerosole im Umfeld von Tierhaltungsanlagen - Untersuchungsergebnisse aus Nordrhein-Westfalen, 2007.

Ausgehend von diesem Erkenntnisstand greift die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr nicht ein, weil ungewiss ist, ob mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist. Potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emissionen und Schadenseintritt oder ein generelles Besorgnispotential können allerdings Anlass für Vorsorgemaßnahmen sein.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 -, E 119, 329.

Vor diesem Hintergrund bezeichnet der kürzlich vorgelegte Entwurf ("Gründruck") einer VDI-Richtlinie 4250 (Bioaerosole und biologische Agenzien, Umweltmedizinische Bewertung von Bioaerosol-Immissionen) in Nr. 7 jede Erhöhung der Immissionskonzentration gegenüber den Hintergrundwerten als "umwelthygienisch unerwünscht", fügt aber hinzu, dass dabei das Gesundheitsrisiko nicht quantifiziert werden könne. Aus Gründen der Vorsorge seien Bioaerosol-Konzentrationen zu vermeiden, die gegenüber der Hintergrundbelastung erhöht seien. Davon ausgehend wird etwa die Einhaltung der in Anhang C des Richtlinienentwurfs genannten Abstände nicht den drittschützenden Betreiberpflichten i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG, sondern den Vorsorgeanforderungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen sein. Auf deren Einhaltung hat der Nachbar grundsätzlich keinen Anspruch.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 12. August 2008 - 10 A 1666/05 -, und vom 10.05.2010 - 8 B 992/09 -, juris

Entsprechendes gilt hinsichtlich der in Nr. 5.4.7.2 der TA Luft geregelten Pflicht zur Prüfung etwaiger Möglichkeiten, die Emission an Keimen und Endotoxinen durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu vermindern. Ausgehend davon fehlt es nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand an ausreichenden Anhaltspunkten für die Annahme, dass das Grundstück des Antragstellers durch das Vorhaben des Beigeladenen Bioaerosol-Immissionen ausgesetzt sein wird, die über eine allgemeine, gebietstypische Gefährdung hinausgehen und bereits zu einer konkreten Gefährdung der Gesundheit führen können.

Die konkreten Einzelfallumstände geben keinen hinreichenden Anlass zu einer abweichenden Einschätzung. Da der Übertragungsweg bei Bioaerosolen im Grunde derselbe ist wie bei Gerüchen, liegt eine Orientierung an den Ergebnissen der Geruchsimmissionsprognose nahe. Diese gelangt zu einer Geruchshäufigkeit von 14 % der Jahresstunden. Danach ist davon auszugehen, dass sich auch die Belastung mit Bioaerosolen in einem für den ländlichen Raum gebietstypischen Rahmen bewegt. Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Bevölkerung des ländlichen Raums in signifikantem Umfang an Krankheiten insbesondere der Atemwege leidet, die auf Bioaerosole zurückzuführen sind, bieten die vorliegenden wissenschaftlichen Stellungnahmen nicht.

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch Ammoniakemissionen durch das Vorhaben des Beigeladenen auf das Grundstück des Antragstellers einwirken, sind nicht gegeben.

Dies gilt zunächst im Hinblick auf sein Vorbringen, die auf dem Grundstück wachsenden Pflanzen, welche auch als Futtergrundlage für seine Pferde dienten, könnten in ihrer Nutzbarkeit und Wachstum beeinträchtigt werden.

Durch die Immissionsprognose der Dipl.-Ing. X und Dipl.-Phys. N, Sachverständige für Immissionsschutz bei der Firma V aus B, vom 05.03.2010 ergänzt unter dem 06.05.2010, sind die Ammoniak-Immissionen, die von dem Vorhaben und der vorhandenen Anlage des Beigeladenen herrühren, auf der Grundlage der TA Luft 2002 beurteilt worden. Die TA Luft legt einen Immissionswert für Ammoniak zum Schutz vor erheblichen Nachteilen nicht fest, sondern verlangt eine Prüfung nach Nr. 4.8, bei der Anhang 1 Abbildung 4 heranzuziehen ist (Nr. 4.4.2). Die Unterschreitung der aus Abbildung 4 abgeleiteten Mindestabstände gibt einen Anhaltspunkt für das Vorliegen erheblicher Nachteile (Nr. 4.8). Solche Nachteile liegen auch bei Unterschreiten des Mindestabstandes aber dann nicht vor, wenn entweder die Zusatzbelastung mit Ammoniak 3 µg/m³ oder die Gesamtbelastung 10 µg/m³nicht überschreitet,

Vgl. Beschluss des OVG Lüneburg vom 20.12.2009 - 12 ME 33/09 -, juris.

Vorliegend ist im Gutachten jedenfalls für ein südwestlich gelegenes Waldgebiet eine Ammoniakzusatzbelastung sowohl im Ist- wie auch im Planzustand bei mehr als 3 µg/m³ festgestellt worden. In einem Teilbereich der Hofstelle des Beigeladenen wird eine Ammoniakkonzentration von 10 µg/m³ überschritten. Die punktuelle Ermittlung weist hier ein Maximum von 20 µg/m³ aus.

Nach Nr. 4.8 Abs. 7 (i.V.m. Nr. 4.4.2 Abs. 3) der TA Luft soll aber Einzelfallprüfung nur stattfinden, sofern sich Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme aufgrund der Einwirkung von Ammoniak ergeben. Anhang 1 der TA Luft enthält sodann nähere Bestimmungen zur Ermittlung des Mindestabstandes zu empfindlichen Pflanzen und Ökosystemen im Hinblick auf die Anforderungen der Nr. 4.8. Einer Sonderfallprüfung bedarf es insoweit jedoch nur, wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile für die genannten Schutzgüter vorliegen. Das ist nicht bereits dann der Fall, wenn sich auf einem Grundstück einzelne Pflanzen befinden, die möglicherweise empfindlich auf Ammoniakimmissionen reagieren. Vielmehr ist der Begriff der "empfindlichen Pflanzen" in Nr. 4.8 Abs. 7 der TA Luft im Lichte des danach folgenden Klammerzusatzes ("z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen") zu verstehen. Dieser Zusatz ist aufgrund des Beschlusses des Bundesrates vom 26. April 2002 (BR-Drs. 393/02 (Beschluss), S. 7 f) in die TA Luft eingefügt worden und dient in Gestalt der beispielhaften Klammereinfügung der Klarstellung und Eingrenzung des Begriffs der "empfindlichen Pflanzen". Damit lässt diese Einfügung erkennen, dass es in dieser Verwaltungsvorschrift darum geht, empfindliche Pflanzen zu schützen, soweit sie Bestandteil von gärtnerischen, landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betrieben sind und diese durch Pflanzenschäden unzumutbare Vermögenseinbußen erleiden könnten.

vgl. Hansmann, in Landmann/Rohmer, Stand September 2010, 3.2 TA Luft Nr. 4.8, Rdnr. 47.

Solche unzumutbaren Vermögenseinbußen hat der Antragsteller hier nicht geltend gemacht.

Eine Gesundheitsgefährdung des Antragstellers und seiner Familie ist nicht zu befürchten. Ammoniak ist ein vorwiegend pflanzenschädliches Gas, dessen gesundheitsschädigende und (geruchs)belästigende Wirkung für den Menschen erst bei Konzentrationen eintritt, die weit über den für die Vegetation schädlichen Werten liegen,

vgl. Hansmann, in Landmann/Rohmer, Stand September 2010, 3.2 TA Luft Nr. 4.4, Rdnr. 13, m.w.N.

Hat der Widerspruch des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg, hat sich die Interessenabwägung daran auszurichten, da sich ansonsten gleichgewichtige Interessen des Antragstellers und des Beigeladenen gegenüberstehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 19.2 und 2.2.1, 2.2.2 i.V.m. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).