OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.03.2013 - 12 A 2760/12
Fundstelle
openJur 2013, 21299
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Berufungszulassungsverfahren auf 272.965,77 Euro festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe gegeben ist.

Das Zulassungsvorbringen führt nicht i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf ernstliche Zweifel an der insoweit allein angegriffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass § 25 Abs. 1 VAG, wonach sich die Beitragspflicht der im Laufe des Geschäftsjahres ausgeschiedenen oder eingetretenen Mitglieder eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit danach bemisst, wie lange sie in dem Geschäftsjahr dem Verein angehört haben, in den Fällen der Erhebung eines Einmalbeitrags gem. § 30i BetrAVG nicht anwendbar ist.

Bereits aufgrund des Kontextes mit § 24 VAG und dem - vom Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. März 1991 - 3 C 24.90 - (BVerwGE 88, 79) beschriebenen - Sinn und Zweck der Vorschrift, eine einfache und klare Berechnung eines Jahresbeitrages zu ermöglichen, ergibt sich, dass § 25 Abs. 1 VAG nur insoweit anwendbar ist, als aus einem längerfristigen Beitragspflichtverhältnis im Ansatz laufende bzw. in jedem Geschäftsjahr wiederkehrende Umlagen und evtl. deren Korrektur durch Nachschüsse hervorgehen. Auf einmalige Beiträge, die sich nicht auf die Ausgaben eines Geschäftsjahres beziehen, ist § 25 Abs. 1 Satz 2 VAG nicht zugeschnitten. Soweit § 24 Abs. 1 VAG als Gestaltungsmöglichkeit im voraus zu zahlende einmalige Beiträge zulässt, stellt die Vorschrift - gleichsam unter Verhältnismäßigkeitsgesetzen - erkennbar auf die Ausgabendeckung eines Geschäftsjahres ab.

Vgl. Weigel, in: Prölls, VAG, 12. Aufl. 2005, § 24 Rn. 1 u. 2.

§ 25 VAG ist auch insoweit im Zusammenhang mit der die Ausgabendeckung für das jeweilige Geschäftsjahr gewährleistenden Regelung des § 24 VAG zu sehen.

Vgl. Weigel, a. a. O., § 25 Rn. 1.

So würde denn die Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 2 VAG auf den Einmalbeitrag nach § 30i BetrAVG auch zu Wertungswidersprüchen führen, indem ausschließlich für die Gruppe derjenigen Arbeitgeber, die im Laufe des Jahres 2005 erstmals insolvenzsicherungspflichtig geworden ist, eine Binnendifferenzierung entsprechend der Dauer der Insolvenzsicherungspflicht und Mitgliedschaft eingeführt würde. Nach der Intention des Gesetzgebers sollten mit letztgenannter Vorschrift - um die bis zum Umstellungszeitpunkt aus den Jahren 1975 bis 2005 aufgelaufenen, gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften nachzufinanzieren - nämlich alle im Jahre 2005 insolvenzsicherungspflichtigen Arbeitgeber zu einem Einmalbeitrag herangezogen werden, ohne dass eine Binnendifferenzierung nach der Dauer ihrer Insolvenzsicherungspflicht und ihrer Mitgliedschaft beim Beklagten vorgesehen war.

Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes, BT-Drucks 16/1936 vom 23. Juni 2006, Begründung B. Besonderer Teil, Zu Artikel 1, Zu Nummer 2 (§ 30i), S. 7.

Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass § 30i BetrAVG wegen der fehlenden Binnendifferenzierung innerhalb der beitragspflichtigen Arbeitgeber - auch was die Gruppe derer betrifft, die erst im Jahr 2005 erstmalig beitragspflichtig geworden sind - nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. September 2010

- 8 C 35/09 -, NVwZ-RR 2011, 156, juris.

Auch die kritischen Stimmen in der Fachwelt haben das Erfordernis einer unterschiedlichen Veranlagung der erst im Laufe des Jahres 2005 beitragspflichtig gewordenen Arbeitgeber je nach dem Zeitpunkt ihres Eintritts beim Beklagten nicht aufgestellt.

Vgl. etwa Rolfs/Evke de Groot, Verfassungswidrigkeit der Sonderbeitragspflicht zum Pensions-Sicherungs-Verein (§ 30i BetrAVG)?!, in: DB 2009, 61.

Dem steht auch nicht entgegen, wenn das Bundesverwaltungsgericht an anderer Stelle,

vgl. Urteil vom 28. Oktober 2009 - 8 C 11.09 -, NVwZ-RR 2010, 946, juris,

zum Jahresbeitrag nach § 10 BetrAVG von Arbeitgebern, die im laufenden Kalenderjahr erstmals zur Insolvenzsicherung beitragspflichtig werden, ausgeführt hat, dass § 25 Abs. 1 VAG über § 14 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG im Hinblick auf während des Wirtschaftsjahres neu eintretende oder ausscheidende Mitglieder anzuwenden ist, und den wortgleichen § 14 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG a. F. jedenfalls früher als eine umfassende Verweisung verstanden hat.

So bereits: BVerwG, Urteil vom 14. März 1991

- 3 C 24.90 -, BVerwGE 88, 79, juris.

Die Verweisungsregelung stammt nämlich aus einer Zeit, in der es einen einmaligen Beitrag, wie er erst durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 2741) mit Einfügung von § 30i BetrAVG geschaffen worden ist, noch nicht gab. Auch betraf die Charakterisierung der Verweisung durch das Bundesverwaltungsgericht als "umfassend" ein Gesetz, das keine Anordnung zu einem einmaligen Beitrag zwecks Absicherung eines über Jahre hinweg in der Vergangenheit angewachsenen Risikos traf.

Das alles bedingt, dass es hier einer ausdrücklichen Bestimmung, nach der § 25 Abs. 1 Satz 2 VAG ausnahmsweise keine Anwendung findet, nicht bedarf. Wenn § 14 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG bestimmt, dass die Vorschriften des VAG gelten, "soweit dieses Gesetzes nichts anderes bestimmt", setzt das die Einschlägigkeit der jeweiligen Norm des VAG und die Zugänglichkeit der Regelung des BetrAVG für eine Ergänzung durch die besagte Norm voraus (vgl. auch § 25 Abs. 3 VAG).

Die Berufung kann auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassen werden.

Die Frage der Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 Satz 2 VAG beantwortet sich nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen des Senats und der Argumentation des Verwaltungsgerichts bereits aus der Gesetzeshistorie, der Gesetzessystematik und dem aus den Gesetzesmaterialien hervorgehenden Normensinn und -zweck in Abgleichung mit der zu diesem Themenbereich bereits ergangenen Rechtsprechung. Die Problemlösung stellt vor diesem Hintergrund keine außergewöhnlichen Anforderungen an einen mit der Materie vertrauten Spruchkörper und bedarf deshalb keiner Aufarbeitung in einem Berufungsverfahren.

Das entsprechende gilt auch für die vom Kläger desweiteren als schwierig angeführte Problematik, welche Folgerungen hier das Auseinanderfallen des im Gesetzesblatt veröffentlichten Gesetzestextes ("Beträge") und der Vorlage zeitigt, die vom Bundestag laut Beschlussprotokoll bei der Abstimmung zugrunde gelegt worden ist ("Beiträge"). Es ist in der Rechtsprechung vielmehr seit langem anerkannt, dass der Bürger über den Erlass einer Norm zwar nur dann ausreichend informiert ist, wenn er anhand der öffentlichen Bekanntmachung zweifelsfrei entnehmen kann, was nunmehr rechtens sein soll.

Vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 17. Oktober 2002 - 1 S 2114/99 -, DVBl. 2003, 416 (Leitsatz), juris, und vom 3. Februar 1993 - 2 S 2763/91 -, VGHBW-Ls 1993, Beilage 4, B3-4, juris.

Eine Abweichung zwischen dem bekannt gemachten Text und dem Text des Gesetzesbeschlusses kann allenfalls dann auf die Gültigkeit des Normenwerks ohne Einfluss sein, wenn die Abweichung unwesentlich und nicht geeignet ist, eine inhaltliche Diskrepanz zu erzeugen. Entsprechendes gilt aber nach gefestigter Meinung auch dann, wenn die Abweichung auf einem offensichtlichen, aus dem Werdegang der Norm zu erklärenden Redaktionsversehen beruht, wenn also zwingende Gründe für die Annahme vorliegen, versehentlich sei an die Stelle der vom Normgeber beabsichtigten Wortfassung eine andere Wortfassung getreten.

Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 1 S 2114/99 -, a.a.O., mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 29. August 1966 - VIII C 360.63 -, Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 75; BSG, Urteil vom 20. Juni 1985 - 11b/7 RAr 41/84 -, BSGE 58, 180, juris.

Ein solches unschädliches Redaktionsversehen muss also offensichtlich und aus dem Werdegang des Gesetzes zu erklären sein. Ein dem Wortlaut des Gesetzes entsprechender Wille des Gesetzgebers muss "ausgeschlossen" erscheinen; erforderlich sind "zwingende Gründe, ein Vergreifen im Ausdruck anzunehmen".

so BSG, Urteil vom 20. Juni 1985

- 11b/7 RAr 41/84 -, a.a.O., m.w.N.

An diesen Erfordernissen hat sich das Verwaltungsgericht orientiert, wenn es der Frage nachgegangen ist, wie es zu der Abweichung gekommen ist und ob sich die Abweichung überhaupt in die Gesetzessystematik einordnen lässt. Der Leiter des Sekretariats weist insoweit zutreffend darauf hin, dass die Formulierung "Beiträge" sachlich jedoch keinen Sinn ergibt. Denn § 30i Abs. 1 BetrAVG sieht für den Einmalbeitrag eine Umlage auf die beitragspflichtigen Arbeitgeber entsprechend § 10 BetrAVG vor. § 10 Abs. 3 BetrAVG wiederum stellt in seiner Stichtagsregelung auf "Beträge" zum Schluss des Wirtschaftsjahres des Vorjahres ab. "Beiträge", die zum Ende eines Kalenderjahres erhoben werden, gibt es im Anwendungsbereich des BetrAVG nicht. Dass die Aufarbeitung dieser Zusammenhänge - namentlich die Subsumtion der Informationen, die dem Verwaltungsgericht durch die Auskunft des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages vom 17. Juli 2012 erlangt hat - überhöhte Anforderungen an einen tagtäglich mit der Frage der Gültigkeit und des Aussagegehaltes von Normen beschäftigten Spruchkörper stellen, lässt sich nicht feststellen.

Ebenso wenig kommt eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung in Betracht.

Zum einen drängt sich die Antwort auf die von der Klägerin als grundsätzlich aufgeworfene Frage, ob § 25 VAG bei einem Beitragsanspruch aus § 30i BetrAVG außer Betracht zu bleiben hat, unter Berücksichtigung von Gesetzeshistorie, Gesetzessystematik und den aus den Gesetzesmaterialien hervorgehenden Normensinn und

-zweck im Abgleich mit der zu diesem Themenbereich begangenen Rechtsprechung bereits ohne Weiteres auf (s. o.). Es besteht aber kein Bedarf an einer obergerichtlichen Klärung, wenn sich die aufgeworfene Frage - wie hier - auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt.

Vgl. zum Revisionsrecht etwa: BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 5 B 34.12 -, juris, m.w.N.

Zum anderen ist hier mit § 30i BetrAVG, der die Erhebung eines einmaligen Beitrags zur Absicherung in der Vergangenheit bis zum 31. Dezember 2005 aufgrund eingetretener Insolvenzen entstandener Anwartschaften vorsieht, eine Regelung zu dem Schnittpunkt getroffen worden, an dem das Finanzierungsverfahren der gesetzlichen Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung zum Rentenwertumlageverfahren auf die vollständige Kapitaldeckung umgestellt worden ist. Die Erhebung des Sonderbeitrags ist insoweit einmalig und keiner Wiederholung zugängig. Nachdem die Einmalbeitragsbescheide nach § 30i BetrAVG - bis auf ganz vereinzelte Ausnahmen - sämtlich im Jahre 2007 erlassen worden sind, ist die Ausfinanzierung der Altlast auch grundsätzlich rechtskräftig abgeschlossen und handelt es sich somit bei § 30i BetrAVG, um dessen Handhabung es hier geht, um auslaufendes Recht. Fragen auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts verleihen einer Rechtssache regelmäßig aber keine grundsätzliche Bedeutung, weil dieser Zulassungsgrund eröffnet wird, um Fragen zur Auslegung des geltenden Rechts mit Blick auf die Zukunft richtungsweisend zu klären.

Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2012, a. a. O., m.w.N.

Zwar können auch Fragen des auslaufenden Rechts ausnahmsweise dann grundsätzlich klärungsbedürftig sein, wenn das in Rede stehende Recht noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist jedoch die Beschwerde darlegungspflichtig; es müssen Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen dargelegt und ersichtlich sein.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2012,

a.a.O., m.w.N.

Die diesbezüglichen Darlegungen der Klägerin mit Schriftsatz vom 8. Februar 2013 sind indes weder innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfolgt noch inhaltlich ausreichend. Dass § 30i BetrAVG einen zentralen Bestandteil des heutigen Finanzierungs- und Beitragskonzeptes des Beklagten darstellt, ändert nichts daran, dass die Nachfinanzierung der zum 31. Dezember 2005 noch nicht ausfinanzierten Altlasten durch Einmalbescheide an die insolvenzpflichtigen Arbeitgeber so gut wie abgeschlossen ist. Das Finanzierungssystem als ganzes steht vorliegend nicht im Streit. Es reicht auch nicht aus, dass sich die Problematik des Regelungsgehaltes des § 30i BetrAVG unter Berücksichtigung des § 25 Abs. 1 VAG bei Einführung anderer Einmalbeiträge im Bereich des Insolvenzsicherungsrechtes oder bei Einmalbeiträgen auf anderen Sachgebieten erneut stellt oder stellen würde. Der Regelungsgehalt hängt immer auch von der Funktion der einzelnen Norm innerhalb des Systems ab und lässt sich nur im konkreten Kontext beurteilen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO und - hinsichtlich der Streitwertfestsetzung - nach § 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).