OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.03.2013 - 19 A 521/12
Fundstelle
openJur 2013, 20866
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Senat entscheidet über die Berufungszulassung durch den Vorsitzenden als Berichterstatter, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§§ 87a Abs. 2, 3, 125 Abs. 1 VwGO).

Der Berufungszulassungsantrag ist unbegründet. Die Klägerin stützt ihn auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO. Keiner dieser Gründe liegt vor.

Zunächst ergeben sich aus der Antragsbegründung der Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch ihren Vater, den am xx. April 1917 in C. geborenen K. C1. , durch seine nachgewiesene Eintragung in die Abteilung 3 der deutschen Volksliste sei mangels deutscher Volkszugehörigkeit heute nicht mehr wirksam (S. 7 des Urteilsabdrucks). Ihr hiergegen gerichteter Einwand, sie habe sowohl im Verwaltungs- als auch im Klageverfahren unwidersprochen dargelegt, dass in ihrer Familie "insbesondere die deutsche Sprache gepflegt" worden sei, geht an der maßgeblichen entscheidungstragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts vorbei. Dieses hat die deutsche Volkszugehörigkeit ihres Vaters in Übereinstimmung mit der von ihm zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Voraussetzung geknüpft, dass er die deutsche Sprache im maßgeblichen Zeitpunkt als Muttersprache oder als bevorzugte Umgangssprache gesprochen hat. Zutreffend hat es diese Voraussetzung mit der Begründung verneint, es genüge nicht, dass der Vater der deutschen Sprache lediglich mächtig gewesen sei. Auch mit ihrer Antragsbegründung hat die Klägerin keine weitergehenden tatsächlichen Anhaltpunkte für das Vorliegen der genannten Voraussetzung mitgeteilt.

Ein solcher Anhaltspunkt ergibt sich entgegen ihrer Auffassung insbesondere nicht aus der Bescheinigung über den Deutschkurs, den die Klägerin 1964/1965 in Toruń absolviert hat (Bl. 109 des Verwaltungsvorgangs). Aus dieser Bescheinigung leitet die Klägerin lediglich ab, "dass insbesondere die deutsche Sprache in der Familie ... gebraucht wurde." Dass die Familie des Vaters sie auch als bevorzugte Umgangssprache benutzt hat, ergibt sich daraus nicht. Abgesehen davon kommt es für das Volkstumsbekenntnis des Vaters maßgebend auf den Zeitpunkt kurz vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung an, die in Westpreußen mit dem Beginn der sowjetischen Winteroffensive am 12./14. Januar 1945 einsetzten.

BVerwG, Urteil vom 23. März 2000 ‑ 5 C 9.99 ‑, DVBl. 2000, 1531, juris, Rdn. 15.

Unzutreffend ist die Rechtsauffassung der Klägerin, für die Wirksamkeit des Staatsangehörigkeitserwerbs genüge die Volkslisteneintragung und das Fehlen einer Ausschlagungserklärung. Zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung ist vielmehr die deutsche Volkszugehörigkeit des Eingetragenen, wie sich aus dem vom Verwaltungsgericht zutreffend zitierten Wortlaut des § 1 Abs. 1 des 1. StAngRegG ergibt. Dies ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und in derjenigen des beschließenden Gerichts seit langem geklärt.

BVerwG, Urteil vom 15. März 1994 ‑ 9 C 340.93 ‑, BVerwGE 95, 228, juris, Rdn. 7, 9; OVG NRW, Beschluss vom 14. Juni 2011 ‑ 12 A 1058/10 ‑, juris, Rdn. 10.

Ernstliche Zweifel ergeben sich weiter nicht aus der Tatsache, dass die Stadt C. der Klägerin und ihrer Tochter am 9. Juni 1999 einen für 10 Jahre gültigen Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt hat.

Dieser Ausweis war rechtswidrig. Ihm kam für die Dauer seiner Gültigkeit lediglich die Verbindlichkeit nach § 30 Abs. 1 Satz 2 StAG in allen Angelegenheiten zu, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich war. Für eine bis heute fortbestehende Bindung der Beklagten als zuständiger Staatsangehörigkeitsbehörde für ihre Entscheidung über den Antrag auf Neuausstellung bietet die Vorschrift keine Grundlage.

Einen Vertrauensschutz, der die Neuausstellung geböte, begründet der Staatsangehörigkeitsausweis ebenfalls nicht. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Sätze 1 und 2 StAG nicht erfüllt. Danach erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin lediglich während der 10-jährigen Gültigkeitsdauer des genannten Staatsangehörigkeitsausweises. § 3 Abs. 2 StAG regelt den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit aus Gründen des Vertrauensschutzes auch abschließend. Seit seinem Inkrafttreten mit Wirkung vom 28. August 2007 ist ein Rückgriff auf die allgemeinen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzgrundsätze versperrt, welche der Gesetzgeber mit ihm gerade einfachgesetzlich konkretisieren wollte.

BayVGH, Beschluss vom 25. Februar 2008 ‑ 5 ZB 07.3117 ‑, juris, Rdn. 8; Maaßen, in: Hailbronner/ Renner/Maaßen, StAR, 5. Aufl. 2010, § 3 StAG, Rdn. 6.

Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Insbesondere lässt der Sachverhalt entgegen der Auffassung der Klägerin nach dem bereits Ausgeführten keine von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweichende rechtliche Beurteilung zu.

Ebenso wenig ist die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der von der Klägerin geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzlich klärungsbedürftig ist insbesondere nicht die Reichweite der Bindungswirkung des ihr ausgestellten Staatsangehörigkeitsausweises. Diese ergibt sich vielmehr, wie ausgeführt, bereits unmittelbar aus § 30 Abs. 1 Satz 2 StAG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).

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