OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 22.01.2013 - 2 M 187/12
Fundstelle
openJur 2013, 20817
  • Rkr:
Tenor

Die (Sach-) Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin – 6. Kammer – vom 07.12.2012 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller, ein dreizehnjähriger Gymnasiast, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, als Trägerin der Schülerbeförderung die Kosten seiner Beförderung vom Wohnort zur ca. 1,5 km entfernten Bushaltestelle zu tragen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 07.12.2012 abgelehnt.

Die dagegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.

Im Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der obergerichtlichen Prüfung nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts anhand derjenigen Gründe zu überprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Vor diesem Hintergrund verlangt das Darlegungserfordernis von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat. Die Beschwerdebegründung muss an die Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht aus tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss.

Die erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren. Diese Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind für einen Beschwerdeführer auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Beschwerdeführer rechtskundig vertreten sind (vgl. Beschluss des Senats vom 21.07.2011 – 2 M 31/11 –, mwN.).

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde erfolglos bleibt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob alle vom Verwaltungsgericht zur Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung angeführten jeweils selbständig tragenden Argumente (etwa: nicht ordnungsgemäße Vertretung des Antragstellers allein durch seinen Vater, fehlender behördlicher Antrag) einer rechtlichen Überprüfung standhalten. Es kann ebenfalls offenbleiben, ob der Antragsteller hinreichend konkretisiert hat, um welche Kosten (z. B. die für die Taxifahrten) es ihm geht.

Die Beschwerde hat jedenfalls deshalb keinen Erfolg, weil die – ebenfalls selbständig tragende – Erwägung des Verwaltungsgerichts, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin seien nicht glaubhaft gemacht, durch die Beschwerdebegründung nicht durchschlagend entkräftet wird.

Ansprüche des Antragstellers lassen sich aus § 3 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 SBS 2012 nicht herleiten, weil die Entfernung zwischen Wohnung und nächstgelegener Haltestelle hier (lediglich) ca. 1,5 km beträgt. Hiervon gehen ersichtlich auch die Beteiligten übereinstimmend aus, sodass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf.

Ein Anspruch des Antragsteller ergibt sich aber auch nicht unmittelbar aus § 113 SchulG M-V oder aus §§ 3 Abs. 3 Satz 2, 4 Abs. 1 Buchst. d, 6 Satz 2 SBS 2012. Nach den genannten Satzungsbestimmungen hat der Landkreis die Beförderungskosten unabhängig von der in § 3 Abs. 2 SBS 2012 genannten Mindestentfernung zu übernehmen, „wenn der Schulweg als besonders gefährlich einzuschätzen ist.“

Die Auffassung des Antragstellers, die zitierten Satzungsbestimmungen verstoßen gegen höherrangiges Recht, die Beschränkung des Anspruchs auf besonders gefährliche Schulwege laufe „den Grundgedanken der Schülerbeförderung aus § 113 SchulG M-V zuwider“, teilt der Senat nicht. § 113 Abs. 3 Satz 1 SchulG M-V überlässt es den Landkreisen, „die Mindestentfernungen zwischen Wohnung und Schule“ zu bestimmen. Dabei haben sie „die Belastbarkeit der Schülerinnen und Schüler und die Sicherheit des Schulwegs zu berücksichtigen“ (vgl. § 113 Abs. 3 Satz 2 SchulG M-V). Dass die zitierten Satzungsbestimmungen diesen Anforderungen nicht gerecht würden, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Es spricht nichts dagegen, dass der Normgeber von der ihm verbleibenden Gestaltungsfreiheit in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht hat. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich in den einschlägigen Gesetzen anderer Bundesländer Regelungen finden, die denen der hier maßgeblichen Satzung entsprechen (vgl. etwa: Art. 2 Abs. 1 Satz 2 des Bayrischen Schulwegkostenfreiheitsgesetzes, § 161 Abs. 2 Satz 2 des Hessischen Schulgesetzes, § 69 Abs. 2 Satz 1 des Rheinland-Pfälzischen Schulgesetzes). Auf die „besondere“ Gefährlichkeit abzustellen, ist in der – soweit ersichtlich – einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung auch nicht beanstandet worden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.10.2012 – 19 A 2625/07 – ; Bayrischer VGH, Urteil vom 09.08.2011 – 7 B 10.1565 –; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12.08.2011 – 2 LA 283/10 –). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Senats vom 27.05.2010 – 2 O 118/09 –. Der Fall lag in mehrfacher Hinsicht anders. In dem der Senatsentscheidung zugrundeliegenden Klageverfahren war der Sachverhalt in Bezug auf die Sicherheit des Schulwegs nicht hinreichend geklärt. Außerdem stellte die in jenem Verfahren maßgebliche Schülerbeförderungssatzung gerade nicht auf die „besondere Gefährlichkeit“ des Schulwegs ab.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Organisation des Schulwegs um keine staatliche Aufgabe handelt, sondern um eine Obliegenheit der Eltern schulpflichtiger Kinder. Die rechtlichen Regelungen über die Schülerbeförderung wollen lediglich finanzielle Belastungen der Eltern bei der Gestaltung des Schulwegs mildern (vgl. Bayrischer VerfGH, Entscheidung vom 28.10.2004 - Vf.8-VII-03 –, Rn. 22, zitiert nach juris).

Soweit der Antragsteller die Auffassung vertritt, sein Schulweg sei besonders gefährlich, führt die Beschwerdebegründung nicht zu einer für ihn günstigeren Entscheidung.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Schulweg nur dann „besonders“ gefährlich ist, wenn konkrete Umstände das Schadensrisiko als überdurchschnittlich hoch erscheinen lassen (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, aaO., Rn. 10, zitiert nach juris). Abzustellen ist hierbei auf Gefahren, Erschwernisse oder Umstände die der Schüler normalerweise zu bewältigen hat. Auf gelegentlich auftretende extreme Straßenverhältnisse etwa infolge von Schneefall oder Eisregen kommt es dagegen nicht an (vgl. Bayrischer VGH, aaO., Rn. 21 mwN., zitiert nach juris).

Ob die vom Verwaltungsgericht zur Sicherheit des Schulwegs des Antragstellers getroffenen Feststellungen in allen Einzelheiten zutreffen, kann hier dahinstehen. Der offenbar besonders wesentlichen Annahme des Verwaltungsgerichts, es sei von einer „verkehrsarmen Landstraße auszugehen, die allenfalls auf einem kurzen, zudem gerade verlaufenden Teilstück eine Geschwindigkeit von 100 km/h zulasse,“ tritt die Beschwerdebegründung jedenfalls nicht substantiiert entgegen. Der Antragsteller müsste also erforderlichenfalls die Fahrbahn wohl nur in den eher seltenen Fällen des Begegnungsverkehrs verlassen. Auch werden in der Beschwerdebegründung keine konkreten Angaben gemacht, weshalb der Antragsteller die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, er gehöre nicht zu einem (besonders) risikobelasteten Personenkreis, nicht teilt.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass mit dieser Entscheidung nur über die Frage der Kostenerstattung befunden wird. Es bleibt in der Verantwortung der Eltern, darüber zu entscheiden, ob sie ihr Kind den – unbestreitbaren – Gefahren des Schulwegs aussetzen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Vater des Antragstellers nicht in der Lage wäre, diesen zur Bushaltestelle zu fahren. Dass er zur selben Zeit seine Tochter in eine andere Richtung fährt, überzeugt nicht, da die Fahrt zu der Bushaltestelle, um die es im vorliegenden Verfahren geht, nur wenige Minuten in Anspruch nehmen dürfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG.

Der Beschluss ist gemäß §§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.