VG Köln, Beschluss vom 21.12.2012 - 1 L 1231/12
Fundstelle
openJur 2013, 20561
  • Rkr:
Tenor

1.

Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

2.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäß gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO),

die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers 1 K 5607/12 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 25.09.2012 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Die auf den konkreten Einzelfall des Antragstellers bezogene Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung bezüglich des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis sowie der Gewerbeuntersagung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Antragsgegnerin hat einzelfallbezogen unter anderem dargelegt, dass bei einer Fortsetzung des Gewerbes durch den Antragsteller eine fortwährende erhebliche Gefahr zu erwarten sei, mithin ein besonderes öffentliches Interesse an der schnellstmöglichen Unterbindung dieses Handelns und der zügigen Durchsetzung der behördlichen Anordnungen bestehen. Die Antragsgegnerin hat dazu näher dargelegt, dass das Lokal des Antragstellers Teil einer Drogenszene gewesen ist, die Ziel der "Razzia" vom 19.09.2012 gewesen sei. Es sei zu befürchten, dass der Antragsteller seinen Aufsichtspflichten weiterhin nicht nachkommen und die aus seinem Lokal heraus und die in seinem Lokal begangenen Drogendelikte dadurch weiterhin begünstigen werde.

Die im Rahmen der Entscheidung des Gerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung der Ordnungsverfügung vorläufig verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung geht zu Lasten des Antragstellers aus, da seine Klage gegen die Ordnungsverfügung vom 25.09.2012 voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Die in ihr enthaltenen Regelungen erweisen sich bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig.

Dies gilt zunächst für den Widerruf der Gaststättenerlaubnis, der nicht nur als fiktive Verfügung (vgl. Satz 1 unter "zu I.:"), sondern bei objektiver Würdigung als konkrete Verfügung gemeint ist. Dieser Widerruf findet seine Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Gaststättengesetzes (GastG). Gemäß § 15 Abs. 2 GastG ist eine erteilte Gaststättenerlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Betreiber die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.

Zur Versagung bzw. zum Widerruf der Gaststättenerlaubnis genügt es, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, der Gewerbetreibende werde seinen Betrieb nicht ordnungsgemäß, d.h. im Einklang mit der Rechtsordnung führen; hierfür reichen beachtliche Zweifel aus. Eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich, anderenfalls würde es kaum noch Fälle geben, in denen eine Gaststättenerlaubnis aufgrund von § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG abgelehnt (bzw. widerrufen) werden könnte. Aus dem Gedanken der Gefahrenabwehr folgt regelmäßig die Notwendigkeit, eine Prognose über die zukünftige Entwicklung abzugeben, welche naturgemäß mit einer gewissen Unsicherheit verbunden ist,

vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16.09.1975 ‑ 1 C 27.74 -, BVerwGE 49, 154 (156 f.); VGH BW, Urteil vom 11.05.1984 ‑ 14 S 116/84 ‑, GewArch 1985, 167, sowie Beschlüsse vom 07.08.1986 ‑ 14 S 1961/86 ‑, GewArch 1987, 32 und vom 07.04.1989 - 14 S 272/89 -, NVwZ-RR 1990, 187.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Antragsteller als unzuverlässig anzusehen. Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt.

vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 - 1 C 94.78 -, GewArch 1982, 298 (299).

Nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung spricht alles dafür, dass der Antragsteller unzuverlässig ist. In seinem Lokal sind nach den bisher getroffenen Feststellungen über einen längeren Zeitraum hinweg Rauschgiftgeschäfte getätigt worden. Eine Gruppe von mindestens zwei Tätern hat von seinem Lokal aus mit Mobiltelefonen Drogenkunden herbeigerufen. Die Drogengeschäfte fanden daraufhin im Schwerpunkt im Lokal selbst und auf der Straße vor dem Lokal statt, ferner gegenüber dem Lokal unter Ausnutzung einer Mauer zu einer Schule hin, auf der Drogenpäckchen für die Kunden abgelegt wurden. Diese Feststellungen beruhen zum Teil aus den Medien, in denen der Bereich vor dem Lokal des Antragstellers als Teil der Drogenszene beschrieben wurde. Die Polizei hat zudem verdeckte Ermittler eingesetzt und die Mobiltelefone der Täter längere Zeit überwachen lassen, woraus sich deren Geschäftsgebaren und insbesondere die Bestellung der Kunden in das Lokal des Antragstellers ergeben haben. Ferner fand im Betrieb des Antragstellers am 19.09.2012 eine Razzia statt, wobei an vielen Stellen Drogenanhaftungen und Verpackungsmaterial für "Bubbles" gefunden wurde; eine Person fiel durch den Besitz von Drogen der Art auf, wie sie im Lokal des Antragstellers gefunden wurde (Kokain). Die Einlassung des Antragstellers, den Drogenhandel in seinem Lokal nicht bemerkt zu haben, erscheint angesichts der geringen Größe und der Übersichtlichkeit des Lokals, das im Wesentlichen aus einem Gastraum besteht, nicht glaubhaft. Es war aus den Medien bekannt, dass im Bereich des Lokals zumindest auf der Straße und gegenüber der angrenzenden Marienschule eine Drogenszene entstanden war. Noch am 14.09.2012 wurde in den Medien und aus politischer Sicht plakativ auf den gewachsenen und umfangreichen Missstand hingewiesen.

Vgl. beispielhaft: http://www.generalanzeigerbonn.de/bonn/bonn/nordstadt/Drogenhandelaufoffener-Strasse-Anwohnerkritisieren-Zustaendearticle857370.html; http://gruenebonn.de/detail/nachricht/situationandermarienschulenichtakzeptabel.html.

Aus dem Verwaltungsvorgang ergibt sich, dass aus Sicht der ermittelnden Polizei auch für unbeteiligte Dritte offenkundig Drogen an und aus der "T. " verkauft wurden. In einer solchen Situation gehört es zu den Obliegenheiten des Antragstellers als Gastwirt, sich (erfolgreich) darum zu bemühen, dass der Handel und der Konsum von Drogen in seinem Lokal oder von seinem Lokal aus nicht stattfinden. Er hatte sich also darum zu bemühen, dass sein Lokal kein Mittelpunkt der so umschriebenen Drogenszene ist. Unbeschadet der Frage, ob ein Gastwirt im Einzelfall sogar verpflichtet sein kann, sein Lokal notfalls zu schließen,

vgl. VG Saarland, Beschluss vom 20.12.2004 - 1 F 23/04 -, OVG Hamburg, Beschluss vom 18.11.1993 - Bs VI 99/93 - und VG Hamburg, Beschluss vom 13.08.2002 - 17 VG 3303/02 -, alle zit. nach juris,

ist der Antragsteller in keiner Weise diesen Pflichten nachgekommen; er will ein paar Hausverbote erteilt haben (Seite 3, 3. Absatz der Antragsschrift), von dem Rauschgifthandel aber sonst nichts bemerkt haben. Dieses Vorbringen, von dem Drogenhandel nichts bemerkt zu haben, ist angesichts der äußerlich erkennbaren und stadtbekannten Probleme nicht glaubwürdig. Dies bedurfte jedoch keiner Vertiefung. Denn die Annahme der Unzuverlässigkeit setzt wegen des Charakters des Gewerbeordnungsrechts als Gefahrenabwehrrecht ein Verschulden nicht voraus und knüpft an das objektiv pflichtwidrige Verhalten an.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 02. Februar 1982 - 1 C 146.80 -, BVerwGE 65, 1 ff (4); Beschlüsse vom 16. Februar 1998 ‑ 1 B 26.98 ‑, Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 69, und vom 11. November 1996 ‑ 1 B 226.96 ‑, Gewerbe-Archiv (GewArch.) 1997, 8.

Schließlich führt auch der Umstand, dass die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Antragstellers infolge des Widerrufs geschmälert wird, nicht zu einer ihm günstigeren Beurteilung. Der Gesetzgeber nimmt in Kauf, dass der Gewerbetreibende als Folge seiner gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit seine Einnahmequelle verliert und möglicherweise sogar der Sozialhilfe zur Last fällt,

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 21. Februar 2005 - 4 B 2729/04 -.

Hinzu kommt, dass der Antragsteller zumindest zwei weitere Gaststätten in C. und in T1. betreibt, sodass seine wirtschaftliche Existenzgrundlage nicht verloren geht.

Auch die von der Antragsgegnerin verfügte Gewerbeuntersagung ist rechtmäßig. Die Untersagung des von dem Antragsteller konkret ausgeübten Gewerbes, nämlich des erlaubnisfreien Teils des Gaststättengewerbes, findet ihre Rechtsgrundlage in § 35 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO). Hiernach ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Antragsteller aus den oben genannten Gründen als unzuverlässig im gewerberechtlichen Sinne anzusehen ist. Die Verfügung ist insoweit auch verhältnismäßig, weil dem Antragsteller lediglich der weitere erlaubnisfreie Betrieb des konkreten Betriebs untersagt worden ist. Auf eine ebenso denkbare allgemeine Untersagung, die auch die weitere berufliche Tätigkeit des Antragstellers betroffen hätte, hat die Antragsgegnerin verzichtet.

Die Aufforderung zur Einstellung des Gaststättenbetriebes findet ihre Rechtsgrundlage in § 31 GastG i.V.m. § 15 Abs. 2 GewO, soweit sie an den Widerruf der Gaststättenerlaubnis anknüpft, und in § 35 Abs. 1 Satz 1 VwGO, soweit der erlaubnisfreie Teil des Gaststättenbetriebs in Rede steht. Diese Aufforderung ist ebenso wie die auf §§ 55 Abs. 1, 57, 60, 62 und 63 VwVG NRW beruhenden Zwangsmittelandrohungen nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an der Rechtsprechung des OVG NRW (Beschluss vom 01. Oktober 2004 - 4 B 1637/04 - ), wobei für die Untersagung des konkreten Gewerbes und für den Widerruf der Gaststättenerlaubnis insgesamt 15.000 EUR zugrundegelegt worden sind. Dieser Betrag war für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.