Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 27.03.2013 - 3 UF 93/12
Fundstelle
openJur 2013, 20161
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Lübben (Spreewald) vom 5. September 2012 teilweise abgeändert.

Der Mutter werden über das durch Beschluss des Amtsgerichts Lübben (Spreewald) vom 17. August 2011 (30 F 475/10) bereits entzogene Aufenthaltsbestimmungsrecht hinaus die Gesundheitsfürsorge, das Recht zur Antragstellung nach § 27 SGB VIII und das Recht zur Entscheidung aller Angelegenheiten in Bezug auf den Besuch einer Schule bzw. eines Kindergartens für das Kind V… R…, geboren am …. Januar 2009, entzogen.

Hinsichtlich dieser Teilbereiche der elterlichen Sorge wird das Jugendamt des Landkreises O… zum Ergänzungspfleger bestellt.

Das Verfahren erster und zweiter Instanz ist gerichtskostenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Eltern sind im Jahr 1991 geboren und lebten von August 2009 bis Februar 2010 zusammen. Die gemeinsame Tochter V… wurde am ….1.2009 geboren. Für V… wurde eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben.

Durch Beschluss vom 17.8.2011 (30 F 475/10) übertrug das Amtsgericht die elterliche Sorge für V… auf die Mutter allein und entzog dieser zugleich das Aufenthaltsbestimmungsrecht für V… und übertrug es auf das Jugendamt als Pfleger. Grundlage für die Entscheidung des Amtsgerichts war ein Gutachten des Sachverständigen K… vom 18.6.2011.

Durch Beschluss vom 28.3.2012 (61 XVII 232/11) hat das Amtsgericht Frau B… N… als Mitarbeiterin des Betreuungsvereins L… in L… zur Betreuerin für die Mutter bestellt. Als Aufgabenkreis hat es bestimmt

- die Sorge für die Gesundheit,- die Vertretung über Behörden und Ämter,- die Vermögenssorge,- die Wohnungsangelegenheiten,- die Geltendmachung von Ansprüchen,- die Vertretung in familiengerichtlichen Verfahren.

Das vorliegende Verfahren ist vom Jugendamt unter dem 14.3.2012 mit den „Antrag“ eingeleitet worden, der Mutter die elterliche Sorge für V… vollständig zu entziehen und in Ermangelung eines geeigneten Einzelvormunds das Jugendamt zum Vormund zu bestellen.

Das Amtsgericht hat „ergänzende“ Sachverständigenbegutachtung angeordnet. Der Sachverständige K… hat sein Gutachten unter dem 3.7.2012 erstattet.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 5.9.2012 hat das Amtsgericht der Anregung des Jugendamtes entsprochen und zugleich den Antrag der Großmutter väterlicherseits und ihres Lebensgefährten auf Übertragung der Vormundschaft zurückgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts wendet sich die Mutter mit der Beschwerde. Sie trägt vor:

Die Entscheidung des Amtsgerichts verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Sie habe seit dem 3.7.2012 eine positive Entwicklung erfahren und nehme Hilfen an. Sie sei aus der Einrichtung in L… in die Mutter-Vater-Kind-Einrichtung nach R… gewechselt. Hier lebe sie mit ihrer im Jahr 2012 geborenen Tochter M….

Sie habe Umgang mit V…, die sich inzwischen in einer Einrichtung in B…, ebenso wie R… im Landkreis M… gelegen, befinde.

Das Jugendamt sei immer direkt an sie herangetreten und habe nicht beachtet, dass ihr eine Betreuerin bestellt worden sei.

Aufgrund ihres Wegzugs sei ein Einfluss der Großeltern väterlicherseits auf sie nicht gegeben.

In der Einrichtung in B… sei festgestellt worden, dass eine Sprachförderung für V…, die altergerecht spreche, nicht mehr notwendig sei. Die Entscheidung über Arztbesuche des Kindes sollten ihr, der Mutter, überlassen bleiben.

Zur Bestätigung ihrer positiven Entwicklung sei ein weiteres Sachverständigengutachten, nun von einem anderen Sachverständigen, einzuholen.

Der Verfahrensbeistand tritt dem Begehren der Mutter entgegen und ist der Auffassung, eine Fremdunterbringung V… sei weiter erforderlich. Eine Rückführung in den Haushalt der Mutter komme erst bei Schaffung stabiler Lebensverhältnisse in Betracht. Hierfür sei eine intensive psychologische Therapie notwendig. Unter den gegebenen Umständen der Mutter sei von einem hierfür erforderlichen Zeitraum von ca. vier Jahren auszugehen.

Das Jugendamt tritt der Beschwerde ebenfalls entgegen.

Der Vater äußert sich im Beschwerdeverfahren dahin, dass er das Sorgerecht für V… erhalten möchte.

Die Großmutter väterlicherseits und ihr Lebensgefährte nehmen im Beschwerdeverfahren dahin Stellung, dass die enge Bindung, die sie zu V… aufgebaut hätten, nicht abgebrochen werden dürfe.

Der Senat hat die Eltern, einen Vertreter des Jugendamtes und den Verfahrensbeistand angehört sowie den Sachverständigen K… vernommen. Insoweit wird auf den Anhörungsvermerk zum Senatstermin vom 4.3.2013 verwiesen.

II.

Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde der Mutter führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Ihr ist neben dem Aufenthaltsbestimmungsrecht für V…, das ihr bereits durch Beschluss des Amtsgerichts vom 17.8.2011 (30 F 475/10) entzogen worden ist, nicht die gesamte elterliche Sorge zu entziehen, sondern lediglich weitere Teilbereiche derselben.

1.

Ungeachtet des Umstands, dass die Mutter unter Betreuung steht, begegnet die wirksame Einlegung der Beschwerde durch die Mutter selbst, bevor sie ihre Verfahrensbevollmächtigte beauftragt hat, keinen Bedenken. Der vom Amtsgericht beigezogenen Betreuungsakte 61 XVII 232/11 lässt sich nicht entnehmen, dass die Mutter etwa geschäfts- und damit verfahrensunfähig wäre. Auch bei ihrer Anhörung durch den Senat haben sich Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit nicht ergeben.

2.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein das Rechtsmittel der Mutter, die sich dagegen wendet, dass ihr über das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens 30 F 450/10 war, hinaus die gesamte elterliche Sorge entzogen worden ist.

a)

Ein Rechtsmittel des Vaters liegt nicht vor. Dieser hat zwar zu erkennen gegeben, dass er die elterliche Sorge für V… anstrebt. Eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 5.9.2012 hat er aber nicht ausdrücklich eingelegt.

Auch aufgrund seines weiteren Vorbringens, insbesondere der Angaben im Senatstermin vom 4.3.2013, kann nicht angenommen werden, dass der Vater ein Rechtsmittel einlegen wollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ihm die elterliche Sorge bereits in einem früheren Verfahren mit Beschluss des Amtsgerichts vom 17.8.2011 (30 F 475/10) entzogen worden ist. Die Rechtsposition, die er seinerzeit verloren hat, könnte er daher nur im Wege eines Abänderungsverfahrens nach § 1696 BGB zurückerlangen. Eine solche Abänderung war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens kann grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand sein, über den im ersten Rechtszug entschieden worden ist (BGH, NJW 2011, 2577 Rn. 11; NJW-RR 2011, 1081 Rn. 12; FGPrax 2011, 78 Rn. 7; vgl. auch Hahne/Munzig/Gutjahr, BeckOK FG, Edition 7, § 69 Rn. 40). Mithin hätte ein erstmals in zweiter Instanz gestellter Abänderungsantrag keinen Erfolg.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Vater Beschwerde nicht eingelegt hat. Dessen ungeachtet ist sein Ziel, die elterliche Sorge (zurück)zu erlangen im Rahmen der Vorschrift des § 1680 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen.

b)

Ein Rechtsmittel der Großmutter väterlicherseits und ihres Lebensgefährten ist ebenfalls nicht gegeben. Diese sind auf die Frage der Vormundschaft in ihren Äußerungen im Beschwerdeverfahren nicht mehr ausdrücklich zurückgekommen, sondern haben lediglich in der Sache Stellung bezogen. Da es im Beschwerdeverfahren um die Person des Vormunds bzw. Pflegers nicht mehr geht, sind die Großmutter und ihr Lebensgefährte auch nicht Beteiligte des Beschwerdeverfahrens. Soweit die Großmutter die Frage des Umgangs anspricht, ist dies nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

c)

Das Rechtsmittel der Mutter ist allein darauf gerichtet, die Entziehung weiterer Teilbereiche der elterlichen Sorge – über das bereits vorab entzogene Aufenthaltsbestimmungsrecht hinaus – zu verhindern. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht selbst könnte, wie ausgeführt, nur Gegenstand eines Änderungsbegehrens nach § 1696 BGB sein. Die Verfahrensbevollmächtigte der Mutter hat im Übrigen im Senatstermin vom 4.3.2013 ausdrücklich erklärt, dass sich die Mutter gegen den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zurzeit nicht wende.

3.

Der Mutter ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts über das Aufenthaltsbestimmungsrecht hinaus nicht die gesamte elterliche Sorge zu entziehen. Vielmehr reicht der Entzug der Gesundheitsfürsorge, des Rechts zur Antragstellung nach § 27 SGB VIII und des Rechts zur Entscheidung aller Angelegenheiten in Bezug auf Schule bzw. Kindergarten aus.

a)

Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind, § 1666 Abs. 1 BGB. Darauf, ob hinsichtlich der Gefährdung des Kindeswohls ein Verschulden der Eltern festzustellen ist, kommt es nicht an (vgl. Johannsen/Henrich/Büte, Familienrecht, 5. Aufl., § 1666 Rn. 40). Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist ein bereits eingetretener Schaden des Kindes oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BVerfG, NJW 2010, 2333 Rn. 41; BGH, NJW 2010, 1351 Rn. 19; NJW 2012, 151 Rn. 25). Eine in diesem Sinne konkrete Gefährdung liegt hier vor.

Hinsichtlich der bei der Mutter bestehenden Defizite wird Bezug genommen auf die ausführlichen Feststellungen im angefochtenen Beschluss sowie die nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten im Verfahren 30 F 450/10 wie auch seinem Ergänzungsgutachten im vorliegenden Verfahren sowie seine Erläuterungen im Senatstermin vom 4.3.2013. Dass es diese Defizite gegeben hat, wird von der Mutter auch nicht ernstlich in Abrede gestellt. Sie beruft sich vorrangig darauf, ihre Situation habe sich stabilisiert. Dazu verweist sie darauf, nun in der Mutter-Kind-Einrichtung die Versorgung ihres ganz kleinen Kindes allein sicher stellen zu können. Dabei ist aber zu beachten, dass durch die Gewährleistung der Mutter-Kind-Einrichtung auf unbestimmte Dauer das Jugendamt eine engmaschige Unterstützung der Mutter durch das Betreuungspersonal in der Einrichtung sicher stellt.

Eine Stabilisierung der Situation der Mutter mag sich in der Mutter-Kind-Einrichtung eingestellt haben. Nach dem vorgelegten Entwicklungsbericht der Einrichtung ist die Beschwerdeführerin in Bezug auf die kleine Tochter M… eine liebevolle und sich kümmernde Mutter und im Verhältnis zu den mit in der Einrichtung beschäftigten Personen zur Mitarbeit bereit. Seitens der Einrichtung wird eingeschätzt, dass von den vier laut Hilfeplan vom 23.5.2012 getroffenen Vereinbarungen drei Ziele vollständig und eines überwiegend erreicht sei. Das vollständige Erreichen bezieht sich auf die Konkretisierung des Hilfebedarfs gemeinsam mit der Mutter, das Einhalten von Absprachen und die Unterstützung der Mutter in den Versorgungssituationen von M…. Das Einhalten des Tagesplans wird als überwiegend erreicht eingeschätzt. Diese Einschätzungen sprechen allerdings für eine Stabilisierung auf Seiten der Mutter. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass die Stabilisierung im Rahmen des festen Gefüges der Einrichtung erreicht worden ist. Damit ist – auch in Bezug auf M… – noch nicht sichergestellt, dass die Mutter ohne engmaschige Unterstützung in der Lage wäre, Versorgung und Betreuung des Kindes eigenverantwortlich zu übernehmen. Jedenfalls enthält der mit Schriftsatz vom 30.1.2013 vorgelegte Entwicklungsbericht der Einrichtung auch Hinweise darauf, dass es ungeachtet des guten Willens der Mutter nach wie vor gilt, Defizite aufzuarbeiten. Dies betrifft etwa die nach wie vor benötigte Unterstützung im Bereich der Körperpflege ihres Kindes und der täglichen Ordnung, aber auch das Hintanstellen eigener Bedürfnisse wie Essen oder Rauchen, wenn M… ihre alltäglichen Bedürfnisse deutlich macht. Mithin ist die Mutter bei der Versorgung und Betreuung M… voll gefordert. Dass darüber hinaus Raum für eine weitergehende Übernahme von Verantwortung in Bezug auf V…, kann nicht angenommen werden.

Auch der Sachverständige hat der Mutter im Senatstermin den Willen zu einer positiven Entwicklung nicht abgesprochen, bislang jedoch vermisst, dass sie den Willen unter Beweis gestellt hat. Die Notwendigkeit, eine Psychotherapie zu absolvieren, ist seit längerem betont worden. Bereits in seinem ersten Gutachten hat der Sachverständige einen erheblichen psychotherapeutischen Aufarbeitungsbedarf seitens der Mutter gesehen. Auch im Rahmen der Nachbegutachtung im vorliegenden Verfahren hat er erneut die psychotherapeutische Behandlung der Mutter empfohlen. Dessen ungeachtet hat die Mutter eine Psychotherapie erst kürzlich begonnen. Inwieweit diese geeignet ist, die aufgezeigten Defizite abzubauen, bleibt abzuwarten.

b)

Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, § 1666 a BGB, sind aber lediglich die aus der Beschlussformel ersichtlichen Maßnahmen zu ergreifen. Dabei kommt der vom Amtsgericht ausgesprochene vollständige Entzug der elterlichen Sorge nicht in Betracht (vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch Gottschalk, Anmerkung zu OLG Köln, Beschluss vom 12.9.2012 – 4 UF 142/12, ZKJ 2013, 30).

Entgegen der Auffassung der Mutter reicht es allerdings nicht aus, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind vorzuenthalten. Es bedarf des Entzuges auch der weiteren genannten Teilbereiche der elterlichen Sorge.

aa)

Soweit es die Gesundheitsfürsorge betrifft, ergibt sich das Erfordernis eines Eingriffs schon daraus, dass der Mutter, soweit es sich Sorge für ihre eigene Gesundheit angeht, eine Betreuerin bestellt worden ist. Im Betreuungsverfahren ist angenommen worden, dass die Mutter nicht ausreichend in der Lage ist, für ihre eigene Gesundheit selbst zu sorgen. Angesichts dessen ergibt sich nahezu zwingend, dass die Mutter auch nicht in der Lage ist, die Gesundheitsfürsorge für ihr Kind zu übernehmen.

Die nach wie vor nicht ausreichende Einsicht in die Erfordernisse der Gesundheitsfürsorge machen die Angaben der Mutter im Senatstermin zu den Zahnproblemen V… deutlich. Insoweit hat sie sich allein auf die Aussagen des Zahnarztes zurückgezogen, sich hingegen aber nicht mit den Ursachen für die Zahnprobleme, wie sie bereits in dem Schreiben des Jugendamtes vom 14.3.2012 genannt worden sind, auseinandergesetzt.

bb)

Im Hinblick darauf, dass sich die Kinder infolge des Vollzuges des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht mehr in der Obhut der Mutter befinden, ist ihr auch das Recht zur Antragstellung nach § 27 SGB VIII zu entziehen.

Dafür, der Mutter dieses Recht zu entziehen, spricht auch der Umstand, dass der Aufgabenkreis ihrer Betreuerin die Vertretung vor Behörden und Ämtern und die Geltendmachung von Ansprüchen mit umfasst, also angenommen werden muss, dass die Mutter – auch was ihre Angelegenheiten anbetrifft – zur selbständigen Wahrnehmung dieser Bereiche nicht in der Lage ist. Gleiches muss auch für die Belange des Kindes angenommen werden.

cc)

Wegen der besonderen Situation bei der Betreuung des Kindes erstrecken sich die Maßnahmen nach § 1666 BGB zudem auf Angelegenheiten, die Schule und die Kindertageseinrichtungen, welche die Kinder besuchen, betreffend. Auch der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Mutter zu Entscheidungen in Bezug auf den Kindergarten nicht in der Lage sei.

dd)

Der Entzug der elterlichen Sorge hinsichtlich der soeben genannten Teilbereiche ist ausreichend. Ein Entzug der Personensorge darüber hinaus, § 1666 a Abs. 2 BGB, ist nicht erforderlich. Gleiches gilt erst recht hinsichtlich der Vermögenssorge, die das Amtsgericht, indem es seinen Ausspruch auf die gesamte elterliche Sorge erstreckt hat, mit entzogen hat. Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindesvermögens sind nicht vorhanden. Dass V… über Vermögen verfügt, ist weder dem Jugendamt bekannt noch sonst ersichtlich. Angesichts dessen bedarf es des Entzugs der Vermögenssorge nicht, obwohl die Mutter insoweit auch zur Wahrnehmung ihrer eigenen Belange nicht in der Lage erscheint, wie der Umstand deutlich macht, dass die Vermögenssorge auch zum Aufgabenkreis ihrer Betreuerin gehört.

4.

Einer Übertragung derjenigen Teilbereiche der elterlichen Sorge, die der Mutter durch diesen Beschluss gezogen werden, auf den Vater gemäß § 1680 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. Es lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht feststellen, dass dies dem Wohl des Kindes dienen würde.

In dem Verfahren 30 F 475/10 sind erhebliche Defizite auf Seiten des Vaters festgestellt worden. Auch bei ihm ist offensichtlich eine Stabilisierung eingetreten, insbesondere auch durch die Aufnahme einer Partnerschaft zu einer Frau mit zwei Kindern. Der Vater erkennt auch die Fortschritte an, die V… im Rahmen der Fremdunterbringung gemacht hat. So hat er in seinem Schreiben vom 12.2.2013 erklärt, V… sei momentan bei der Familie S… bestens untergebracht.

Zurzeit wäre es dem Kindeswohl aber nicht dienlich, wenn dem Vater mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts, das nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, die übrigen Teilbereiche der elterlichen Sorge, die der Mutter zu entziehen sind, übertragen würden. Schon der Umstand der Fremdunterbringung und der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch das Jugendamt als Pfleger spricht eher dafür, auch die übrigen Teilbereiche dem Pfleger zu übertragen. Außerdem ist der Vater in der Vergangenheit seiner Verantwortung gegenüber V… noch nicht gerecht geworden. Er wird sich zukünftig um eine engere Bindung zum Kind bemühen müssen, etwa durch regelmäßige Wahrnehmung des Umgangs, gegebenenfalls auch durch das Bestreben, die Umgangskontakte auszuweiten. Ist das geschehen und hat die Stabilisierung des Vaters – insbesondere im Rahmen der neuen Partnerschaft – weitere Fortschritte erbracht, wird sich zeigen, ob die Einschätzung des Jugendamts im Bericht vom 5.2.2013, wonach „der Fokus weniger auf die Mutter, sondern klar auf den Vater sowie dessen Lebensgefährtin gelegt werden sollte“, eine Bestätigung findet.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, die Wertfestsetzung auf § 45 Abs. 1, 3 FamGKG.

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