OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2004 - 8 U 90/03
Fundstelle
openJur 2013, 42598
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des

Landgerichts Wuppertal vom 15. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin, geb. 19.4.1934, erlitt nach ihren Angaben am Abend des 20.2.1998 einen Hörsturz und begab sich am folgenden Morgen ( Samstag ) in die HNO- Ambulanz der Klinik der Erstbeklagten. Der Beklagte zu 2) war der diensthabende Arzt. Die Klägerin hat behauptet, sie habe angegeben, dass es sich bereits um den vierten Hörsturz handele und dass in den früheren Fällen eine Infusionstherapie erfolgreich gewesen sei. Der Beklagte zu 2) vermerkte zur Vorgeschichte, die Klägerin leide seit längerem an Tinnitus . Er untersuchte die Klägerin klinisch und nahm Hörprüfungen vor. Dabei zeigte sich linksseitig - die Klägerin hatte das linke Ohr als das betroffene bezeichnet - eine Schallempfindungsschwerhörigkeit bis 20 dB pantonal. Eine Schallleitungsschwerhörigkeit lag nicht vor . Der Beklagte zu 2) verordnete die Einnahme von Pento- Puren 2 x 400 mg/ tägl. und die Vorstellung beim HNO-Arzt am folgenden Montag. Am 25.2.1998 suchte die Klägerin den HNO-Arzt Dr. K. auf, bei dem sie schon früher in Behandlung gewesen war. Dieser leitete am 26.2.1998 eine stationäre Infusionstherapie ein, die nach Darstellung der Klägerin aber keinen Erfolg hatte.

Die Klägerin hat behauptet, ihre Beschwerden seien durch die Behandlung nicht gebessert worden. Es rausche nach wie vor unangenehm in den Ohren . Außerdem habe sie einen Hörverlust erlitten.

Sie hat den Standpunkte vertreten, das Vorgehen des Beklagten zu 2) sei fehlerhaft gewesen, und hat von den Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes ( 30.000 DM ) verlangt und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz allen immateriellen und materiellen Schadens begehrt.

Die Beklagten sind dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und haben die Abweisung der Klage beantragt.

Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens ( Bl.75.95, 112- 117 GA ) und Anhörung des Sachverständigen ( Bl. 151 - 152 GA ) die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin die erstinstanzlich gestellten Anträge weiter. Sie meint, das Landgericht habe es verfahrensfehlerhaft versäumt, den Zeugen Dr. K. zu vernehmen. Dieser hätte ihre Ausführungen bestätigen können, insbesondere, dass am 21.2.1998 eine Infusionsbehandlung hätte vorgenommen werden müssen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Landgericht hat das auf die Zahlung von Schmerzensgeld und auf die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz allen immateriellen und allen materiellen Schadens gerichtete prozessuale Begehren der Klägerin zu Recht abgewiesen. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine vertragliche Haftung der Beklagten zu 1) nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung ( §§ 276, 278,242 BGB a.F. ) und für eine Haftung beider Beklagten nach den Regeln des Deliktsrechts ( §§ 823,831,847 BGB a.F. ) lassen sich nicht feststellen.

Im Arzthaftungsprozeß ist es grundsätzlich Sache des klagenden Patienten, den Nachweis eines haftungsbegründenden Behandlungsfehlers und dessen Ursächlichkeit, was den geltend gemachten Körper - und Gesundheitsschaden angeht, zu erbringen ( vgl. BGH NJW 1987,1482; BGH NJW 1995,1618 ). Die Auffassung des Landgerichts, nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme lasse sich ein Behandlungsfehler des Beklagten zu 2) nicht feststellen, ist nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin gibt keinen Anlass zu weiterer Sachaufklärung.

Der Sachverständige Prof. Dr. Sch.- C. hat sich im einzelnen mit dem diagnostischen und dem therapeutischen Vorgehen des Beklagten zu 2) auseinandergesetzt und hat dieses Vorgehen als regelgerecht gewertet. Die Ergebnisse der klinischen Untersuchungen und der Hörprüfungen zeigten keine schwerwiegende Erkrankung des Hörorgans der Klägerin. Dies hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten wie auch bei seiner Anhörung durch das Landgericht im Rahmen der Darstellung der unterschiedlichen Behandlungsmethoden deutlich gemacht. Da die Klägerin angab, dass ihr linkes Ohr betroffen sei, durfte der Beklagte zu 2) den Widerspruch zu dem Befund der Hörprüfungen vom 21.2.1998 als eine akute Hörverschlechterung des zuvor besserhörenden linken Ohres bei vorbestehender rechtsseitiger Schwerhörigkeit deuten. Er mußte im Rahmen der " Notfallbehandlung " der Klägerin weder die Hörprüfungen wiederholen noch bestand Anlaß, die Klägerin zur stationären Behandlung aufzunehmen.

Prof. Dr. Sch.- C., dessen Gutachten zu folgen keine Bedenken bestehen, hat wiederholt deutlich gemacht, dass es korrekt war, der Patientin Pentoxifyllin zur oralen Anwendung zu verordnen und ihr aufzutragen, sich am folgenden Montag bei dem sie behandelnden HNO-Arzt vorzustellen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin mußte das Landgericht den HNO-Arzt Dr. K. nicht als Zeugen vernehmen. Die Vernehmung des Zeugen konnte nur dazu dienen, Feststellungen dazu zu treffen, welche Befunde am 25.2.1998 bei der Klägerin erhoben worden sind und wie die Vorerkrankungen behandelt worden und verlaufen waren. Auf diese Feststellungen kommt es indessen haftungsrechtlich nicht an, weil sie für die Bewertung des Vorgehens des Beklagten zu 2) am 21.2.1998, die der Sachverständige mit eindeutigem Ergebnis vorgenommen hat, ohne Bedeutung sind. Aus der Sicht eines Patienten mag der Gedanke an einen Behandlungsfehler aufkommen können, wenn der Arzt einem Hinweis des Patienten auf eine früher erfolgreich angewandte Thrapie nicht folgt. Diese Sichtweise läßt aber außer Betracht, dass die Wahl der Therapie grundsätzlich dem Arzt überlassen ist, der sie in der jeweiligen Behandlungssituation nach seinen Kenntnissen und Erfahrungen unter Beachtung des Standards des Fachgebietes zu treffen hat. Die erstinstanzliche Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Wahl der Therapie, die der Beklagte zu 2) zur Behandlung der Klägerin getroffen hat, nicht zu beanstanden war, weil auch die orale Gabe von Pentoxifyllin vor dem Hintergrund der Anamnese, der geklagten Beschwerden und der Ergebnisse der klinischen und der audiometrischen Untersuchungen eine der in Betracht kommenden Formen der Behandlung des Hörsturzes darstellte. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass es völlig ungewiss ist, ob die von der Klägerin für geboten gehaltene Infusionstherapie, wenn sie von dem Beklagten zu 2 ) gewählt worden wäre, zu einem für die Klägerin günstigeren Verlauf geführt hätte. Der behauptete Erfolg voraufgegangener Infusionstherapien ist kein Beleg dafür, dass diese Form der Behandlung mit dem Wirkstoff Pentoxifyllin erneut den gewünschten Erfolg gebracht hätte. Denn es gilt auch für die Infusionstherapie ebenso wie für alle anderen angewandten Therapieformen das grundsätzliche Problem der Hörsturztherapie: Gesicherte Behandlungsmethoden mit reproduzierbaren Ergebnissen existieren nicht. Erfolge bestimmter Therapieformen lassen sich lediglich empirisch belegen.Selbst wenn man den Verzicht auf die Infusionstherapie am 21.2.1998 als Behandlungsfehler werten würde, würde es wegen der Unsicherheit des Therapieerfolges an dem Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität, der ebenso wie der Fehlernachweis der Klägerin obliegt, fehlen. Beweiserleichterungen könnten der Klägerin insoweit nicht zugebilligt werden, weil nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ein grober Behandlungsfehler keinesfalls festgestellt werden kann.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708

Nr. 10, 713 ZPO.

Es bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen.

Der Wert der Beschwer für die Klägerin liegt unter 20.000 EUR.

R. S.-B. T.