AG Rosenheim, Beschluss vom 15.02.2013 - 3 F 2375/12
Fundstelle
openJur 2013, 20036
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, für das Kind S., geb. […], ab 01.03.2013 einen monatlichen, jeweils zum Ersten eines Monats fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 120 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des anrechenbaren Kindergeldes, derzeit einen Zahlbetrag von 345 €, zu Händen der Antragstellerin zu bezahlen.

2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, für das Kind S., geb. […], ab 01.03.2013 einen monatlichen, jeweils zum Ersten eines Monats fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 120 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des anrechenbaren Kindergeldes, zuzüglich eines Mehrbedarfs von monatlich 100 €, derzeit mithin insgesamt einen Zahlbetrag von 445 €, zu Händen der Antragstellerin zu bezahlen.

3. Der Antragsgegner wird verpflichtet, für das Kind E., geb. […], ab 01.03.2013 einen monatlichen, jeweils zum Ersten eines Monats fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 120 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des anrechenbaren Kindergeldes, zuzüglich eines Mehrbedarfs von monatlich 100 €, derzeit mithin insgesamt einen Zahlbetrag von 386 €, zu Händen der Antragstellerin zu bezahlen.

4. Der Antragsgegner wird verpflichtet, für das Kind C., geb. […], ab 01.03.2013 einen monatlichen, jeweils zum Ersten eines Monats fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 120 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des anrechenbaren Kindergeldes, derzeit einen Zahlbetrag von 273,50 €, zu Händen der Antragstellerin zu bezahlen.

5. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin ab 01.03.2013 einen monatlichen, jeweils zum Ersten eines Monats fälligen Trennungsunterhalt in Höhe von 1.000 € zu bezahlen.

6. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 1/10 und der Antragsgegner zu 9/10.

7. Der Verfahrenswert wird auf 16.017,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Kindes- und Trennungsunterhalt ist zulässig und in dem tenorierten Umfang begründet.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung. Dieses entfällt nur, wenn der geforderte Unterhalt regelmäßig bezahlt wird (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 33. Auflage 2012, § 246 FamFG Rn. 4). Dies war hier in der Vergangenheit aber unstreitig nicht der Fall. Auch die Ankündigung des Antragsgegners, er werde zukünftig den von ihm errechneten Unterhalt bezahlen, lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, zumal der Antragsgegner von einem zu niedrigen Unterhalt ausgeht.

Der Antragsgegner schuldet Kindesunterhalt gemäß §§ 1601 ff. BGB und Trennungsunterhalt gemäß § 1361 BGB.

Bei der Unterhaltsbemessung ist - vorläufig - von einem bereinigten Nettoeinkommen des Antragsgegners in Höhe von 4.016 € auszugehen. Es kann derzeit in rechtlicher Hinsicht dahinstehen, ob für die Unterhaltsbemessung auf das Geschäftsführer-Gehalt abgestellt werden kann oder ob der Antragsgegner als alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer unterhaltsrechtlich wie ein Selbständiger zu behandeln ist (vgl. hierzu Wendl/Kemper, Unterhaltsrecht, 8. Auflage 2011, § 1 Rn. 312 f.). Denn das maßgebliche Einkommen als Selbständiger aus dem Durchschnitt der letzten drei Jahre kann aufgrund der bisher vorliegenden Zahlen und Unterlagen nicht berechnet werden. Somit war im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorläufig von dem Nettogehalt als Geschäftsführer in Höhe von 5.732,41 €, welches dem Antragsgegner unterhaltsrechtlich mindestens zuzurechnen ist, auszugehen. Davon sind die geltend gemachten monatlichen Belastungen in Höhe von 1.716 € abzuziehen, so dass ein bereinigtes Nettoeinkommen von 4.016 € verbleibt. Pauschale berufsbedingte Aufwendungen können nach Ansicht des Gerichts nicht in Abzug gebracht werden, da davon auszugehen ist, dass etwaige Aufwendungen bereits bei der Gesellschaft gewinnmindernd angesetzt werden und in der Folge bereits bei der Bemessung des Geschäftsführer-Gehalts mindernd berücksichtigt wurden.

Die Antragstellerin hat nach ihrem unbestrittenen Sachvortrag kein eigenes Einkommen. Weshalb die Antragsgegnerseite bei der Unterhaltsberechnung ein Einkommen der Antragstellerin von 400 € angesetzt hat, wurde nicht näher dargelegt. Eine Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin nach § 1361 Abs. 2 BGB besteht - jedenfalls während der Trennungszeit - in Anbetracht des Umstands, dass die Antragstellerin vier gemeinsame Kinder im Alter von 3 Jahren bis 8 Jahren betreut, nicht.

Die Bedürftigkeit der Antragstellerin entfällt auch nicht deswegen, weil sie nach dem Vortrag des Antragsgegners über erhebliches Vermögen verfügt. Denn selbst wenn dies zutreffen sollte, besteht derzeit keine Verpflichtung zur Verwertung des Vermögensstamms, zumal der Antragsgegner ein überdurchschnittlich hohes Einkommen hat, so dass es ihm zumutbar ist, trotz eines etwaigen Vermögens der Antragstellerin Trennungsunterhalt zu leisten (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Wendl/Dose § 1 Rn. 616).

Schließlich kann sich der Antragsgegner auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Anspruch auf Trennungsunterhalt sei gemäß § 1361 Abs. 3 BGB i.V.m. § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine verfestigte Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner vorliegt, ist in einem zweiten Schritt noch eine umfassende Billigkeitsabwägung vorzunehmen, wobei insbesondere die Belange der gemeinsamen Kinder zu wahren sind. Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin vier gemeinsame Kinder im Alter von 3 bis 8 Jahren betreut, erscheint es nicht grob unbillig, dass der Antragsgegner - jedenfalls während der Trennungszeit - auf den vollen Trennungsunterhalt in Anspruch genommen wird.

Der Mehrbedarf der Kinder Samuel und Emily in Höhe von je 100 € wurde nicht bestritten und war daher bei der nachfolgenden Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen:

[Es folgt eine computergestützte Unterhaltsberechnung mit folgendem Ergebnis:]

ZahlungspflichtenAntragsgegner zahlt anAntragstellerin        1.155,00 EuroS.            345,00 EuroS.            445,00 EuroE.            386,00 EuroC.             273,50 Euro                2.604,50 EuroEin Trennungsunterhalt konnte nur in Höhe von 1.000 € zugesprochen werden, der er nur in dieser Höhe beantragt wurde.

Zudem konnte der Unterhalt erst ab 01.03.2013 tituliert werden, da per einstweiliger Anordnung grundsätzlich nur der laufende Unterhalt und kein Unterhalt für die Vergangenheit zugesprochen werden kann (Keidel/Giers, FamFG, 17. Auflage 2011, § 246 Rn. 4). Entgegen der wohl herrschenden Meinung (u. a. Hüßtege in Thomas/Putzo, § 246 FamFG Rn. 1, 7) ist dabei für die Frage, ob es sich um rückständigen oder zukünftigen Unterhalt handelt, nach Ansicht des Gerichts nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen. Denn das Argument, dass hinsichtlich des Unterhalts für die Vergangenheit den Schutzinteressen des Unterhaltspflichtigen gegenüber der Inanspruchnahme angesichts des geringen Grades an Beweiskraft für das nur glaubhaft gemachte Vorbringen des Unterhaltsberechtigten der Vorrang gebührt (Wendl/Schmitz § 10 Rn. 403), trifft in gleicher Weise auf den Zeitraum zwischen Antragstellung und gerichtlicher Entscheidung zu. Die einstweilige Anordnung soll nicht abschließend über die materielle Rechtslage befinden, sondern nur vorläufig den Lebensunterhalt des Berechtigten sichern. Dieser Schutzzweck kann aber zum Zeitpunkt der Entscheidung nur noch für die Zukunft und nicht rückwirkend ab Antragstellung erreicht werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 119 Abs. 1 Satz 1, 51 Abs. 4, 243 Satz 1 und 2 Nr. 1 FamFG. Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenentscheidung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Vorliegend war hierbei insbesondere das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten zu berücksichtigen. Der zugesprochene Unterhalt beläuft sich auf insgesamt 2.449,50 €, mit dem Antrag eingefordert wurden insgesamt 2.669,50 €. Dies ergibt in etwa die Quote von 1/10 und 9/10.

Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf §§ 41, 51 FamGKG:

2.669,50 € x 12 Monate : 2 = 16.017 €.

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