BFH, Beschluss vom 13.12.2012 - X B 209/11
Fundstelle
openJur 2013, 19574
  • Rkr:
Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) benannten Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen teils der Sache nach nicht vor, teils sind sie nicht ordnungsgemäß dargelegt worden.1. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung der Rechtseinheit erforderlich ist (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).a) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO setzt voraus, dass das Finanzgericht (FG) bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH, das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG. Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist darzulegen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Mai 2012 X B 57/11, BFH/NV 2012, 1307, m.w.N.).b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Revision nicht zuzulassen.aa) Nach dem klägerischen Vortrag soll sich aus dem Urteil des FG der abstrakte Rechtssatz ableiten lassen, dass Versorgungsleistungen für die Übertragung eines Ertrag bringenden Vermögensgegenstandes einkommensteuerlich als abziehbare Sonderausgaben nicht in Betracht kämen, wenn der Vermögensgegenstand dem Übernehmer alternativ entgeltlich zur Nutzung überlassen werden könne und dies umso weniger möglich sei, wenn der Übernehmer dem Übertragenden sonst unter keinem Gesichtspunkt zu Leistungen verpflichtet sei. Dieser Rechtssatz ist dem Urteil des FG jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr geht das FG im konkreten Fall aufgrund seiner Vertragsauslegung davon aus, dass zwischen dem Kläger und der E entweder eine Veräußerungsrente oder eine Unterhaltsleistung i.S. des § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vereinbart worden ist. Soweit sich der Kläger gegen diese Vertragsauslegung wendet, rügt er die Verletzung materiellen Rechts, was eine Revisionszulassung grundsätzlich nicht rechtfertigt (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Februar 2012 IV B 126/10, BFH/NV 2012, 774, m.w.N.).Zu Recht lehnt das FG als Folge dieser Auslegung im vorliegenden Einzelfall die Berücksichtigung der Zahlungen als Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG ab. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, der im Urteil vom 18. Mai 2010 X R 32-33/01 (BFHE 230, 305, BStBl II 2011, 675) ausdrücklich daran festgehalten hat, dass eine Veräußerungsrente nicht zu Sonderausgaben führen kann, weil diese Rente nicht als begünstigte Versorgungsleistung zu qualifizieren ist. Unterhaltsleistungen i.S. des § 12 Nr. 2 EStG sind nach dem Urteil des Senats vom 8. Dezember 2010 X R 35/10 (BFH/NV 2011, 782) ebenfalls auch (weiterhin) nicht als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) abziehbar.bb) Die Divergenzrüge des Klägers gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist auch insoweit unsubstantiiert, als es an der Darlegung von höchstrichterlichen Entscheidungen fehlt, die von einem abstrakten Rechtssatz des FG abweichen. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge gehört es gerade, u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze auch aus den behaupteten Divergenzentscheidungen vorzunehmen, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist darzulegen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 13. Juli 2011 X B 117/10, BFH/NV 2011, 2075, m.w.N.). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall schon deshalb, weil der Kläger nur eine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung insgesamt behauptet. Der Kläger hätte aber konkrete Entscheidungen benennen müssen, die nach seiner Ansicht zu einer Abweichung führen. Es gehört nicht zur Amtsermittlungspflicht des BFH, derartige Darlegungsmängel durch eigene Recherchen von Amts wegen zu heilen (BFH-Beschluss vom 7. Dezember 2006 VI B 103/06, BFH/NV 2007, 735).c) Es ist kein schwerwiegender Rechtsfehler gegeben, der ebenfalls gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Zulassung der Revision führen könnte.Die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes liegen jedenfalls vor, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar --d.h. greifbar gesetzeswidrig-- ist und das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur wieder hergestellt werden kann. Greifbare Gesetzeswidrigkeit ist anzunehmen, wenn das Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt und auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (Senatsentscheidung vom 22. August 2012 X B 155/11, BFH/NV 2012, 2015). Diese besonderen Umstände sind in der Beschwerdeschrift auszuführen (u.a. Senatsbeschluss vom 5. Mai 2011 X B 155/10, BFH/NV 2011, 1294, m.w.N.). Daran fehlt es. Vor allem liegt eine greifbare Gesetzeswidrigkeit der Entscheidung schon deshalb nicht vor, weil die Auslegung des Vertrages durch das FG nicht objektiv willkürlich erscheint. Die Entscheidung des FG steht nicht "völlig freitragend im Raum", wie es der Kläger formuliert. Das FG wendet vielmehr --wie bereits unter 1.b aa erläutert-- die vom Senat entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze für die Fallgruppen der Veräußerungsrente bzw. Unterhaltszahlung an.2. Die Entscheidung des FG beruht auf keinem Verfahrensmangel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.a) Soweit der Kläger der Ansicht ist, die Notarurkunde sei vom FG völlig ungeprüft geblieben, macht er einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten geltend, der nach der ständigen Rechtsprechung des BFH als solcher kein Verfahrensmangel ist (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Juli 2007 X B 6/07, BFH/NV 2007, 1921, m.w.N.). Die Rüge des Verstoßes gegen den Inhalt der Akten kann allerdings so zu verstehen sein, dass hiermit die Nichtbeachtung des § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO geltend gemacht wird, wonach das Gericht nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet. Diese Vorschrift verpflichtet das FG, den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 14. November 2001 II B 29/00, BFH/NV 2002, 512). Die Rüge eines derartigen Verfahrensverstoßes setzt die Darlegung voraus, dass das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt habe, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen des Beteiligten nicht entspreche oder eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen habe (BFH-Beschluss vom 9. Juli 2012 III B 66/11, BFH/NV 2012, 1631). Diese Voraussetzungen sind in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt und auch nicht erkennbar. Letztlich wendet sich der Kläger mit seinem Vorbringen allein gegen die aus seiner Sicht fehlerhafte Vertragsauslegung, die aber nicht --wie bereits unter 1.b aa dargestellt-- zur Revisionzulassung führen kann.b) Soweit der Kläger geltend macht, das FG hätte den Steuerberater X als Zeugen vernehmen müssen, macht er einen Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend (Verletzung der Sachaufklärungspflicht aus § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dieser kann im vorliegenden Beschwerdeverfahren aber nicht zur Zulassung der Revision führen.Ein Verfahrensmangel kann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können oder verzichtet haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung). Dazu gehört auch das Übergehen eines Beweisantrages, wie die im Streitfall beantragte Zeugenvernehmung. Bei solchen Verfahrensmängeln geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge; ein Verzichtswille ist dafür nicht erforderlich (Senatsbeschluss vom 23. Februar 2012 X B 91/11, BFH/NV 2012, 1150, m.w.N.).Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2011 rügte der Kläger nicht, dass eine Vernehmung des Steuerberaters X als Zeugen für das FG erforderlich sei, obwohl er in dieser Sitzung sachkundig vertreten und vom Vorsitzenden ausdrücklich darauf hingewiesen worden war.