BFH, Beschluss vom 25.10.2012 - X B 130/12
Fundstelle
openJur 2013, 19266
  • Rkr:
Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen jedenfalls nicht vor.1. Das angefochtene Urteil beruht nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--).a) Der Kläger macht geltend, er habe dem Finanzgericht (FG) ein ärztliches Attest übersandt, wonach er nicht an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen könne. Damit habe er konkludent eine Terminsverlegung beantragt. Gleichwohl habe das FG die auf den 14. März 2012 anberaumte mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Klägers durchgeführt.b) Bei dieser Sachlage kann ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG gegeben sein, wenn das FG einen Antrag auf Terminsverlegung (§ 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung --ZPO--) zu Unrecht ablehnt. Entgegen der Auffassung des FG liegt bei verständiger Würdigung in der Übersendung des Attests an das FG durch den zum damaligen Zeitpunkt nicht vertretenen Kläger keine bloße Unterrichtung des Gerichts von seiner Erkrankung. Vielmehr musste das FG die übersandte ärztliche Bescheinigung zugleich als einen konkludent gestellten Antrag des Klägers auf Terminsverlegung verstehen. Denn das FG hatte nicht das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet und diesen in der Ladung auch darüber belehrt, dass im Falle seines Ausbleibens ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 FGO). Der Übersendung der ärztlichen Bescheinigung durch den Kläger bedurfte es daher nur, wenn dieser hierdurch über die bloße Information des Gerichts hinausgehend das Ziel der Terminsverlegung erstrebte.c) Der Kläger hat jedoch das Vorliegen eines erheblichen Grunds i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO nicht glaubhaft gemacht. Wird wie im Streitfall erst kurz vor dem Sitzungstag ein Antrag auf Terminsänderung wegen des Vorliegens einer Erkrankung gestellt, dann sind die Gründe für die Verhinderung so darzulegen und zu untermauern, dass das Gericht die Frage, ob der betroffene Beteiligte verhandlungs- und/oder reisefähig ist oder nicht, selbst beurteilen kann (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--; vgl. z.B. Beschluss vom 19. November 2009 IX B 160/09, BFH/NV 2010, 454). Hierzu ist regelmäßig die Vorlage eines privatärztlichen Attests erforderlich und auch ausreichend. Dieses Attest muss aber in der Regel hinreichend substantiiert sein. Weil die Reise- und/oder Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar in dem Attest wiedergegeben sein muss, muss im Normalfall auch bescheinigt werden, um welches Krankheitsbild es sich im Einzelnen handelt (BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2000 IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353; vom 21. April 2008 XI B 206/07, XI B 207/07, BFH/NV 2008, 1191, und vom 10. August 2011 IX B 175/10, BFH/NV 2011, 1912). Anders kann der Fall liegen, wenn das Gericht bereits vor Eingang eines ärztlichen Attests, welches zur Glaubhaftmachung eines Terminänderungsantrags eingereicht wurde, über eine schwerwiegende Erkrankung des Beteiligten informiert wurde. In einem solchen Sonderfall muss das Gericht ein Attest, in dem lediglich bescheinigt wird, der Beteiligte sei nicht in der Lage, einen Gerichtstermin wahrzunehmen, als hinreichende Begründung des Terminverlegungsantrags anerkennen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 1912).Ein solcher Sonderfall war im vorliegend zu beurteilenden Streitfall nicht gegeben. Denn bis zur (kurz vor der mündlichen Verhandlung erfolgten) Einreichung des ärztlichen Attests vom 13. März 2012 lagen dem FG keine Informationen über eine etwaige Erkrankung des Klägers vor. Bei dieser Sachlage bedurfte es daher eines privatärztlichen Attests, in dem auch das Krankheitsbild des Klägers geschildert wird. Diesem Erfordernis genügt das eingereichte Attest nicht. Denn in ihm wird lediglich bescheinigt, dass der Kläger wegen Krankheit vom 13. März bis 16. März 2012 nicht an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen könne.2. Auch aus dem klägerischen Vortrag, das angefochtene Urteil selbst lasse zwar erkennen, wann die mündliche Verhandlung stattgefunden habe, nicht jedoch, wann das Urteil gefällt worden sei, ergibt sich kein Revisionszulassungsgrund.a) Soweit das klägerische Vorbringen dahingehend zu verstehen ist, die dem Kläger erteilte Urteilsausfertigung trage keinen Verkündungsvermerk, ergibt sich hieraus kein Gesetzesverstoß. Zwar muss nach § 105 Abs. 6 FGO bei verkündeten Urteilen (§ 104 Abs. 1 Satz 1 FGO) der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle auf dem Urteil den Tag der Verkündung vermerken. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf die bei den Akten befindliche Urschrift des Urteils und nicht auf Urteilsausfertigungen (BFH-Beschluss vom 26. September 2008 VIII B 23/08, nicht veröffentlicht, juris; ebenso Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 105 FGO Rz 71).b) Sofern der Kläger zum Ausdruck bringen wollte, die Urteilsurschrift sei nicht mit dem Verkündungsvermerk versehen, trifft dieser Vortrag nicht zu. Denn auf der Urschrift ist vermerkt, dass das Urteil am 14. März 2012 verkündet worden ist. Auch ist dieser Verkündungsvermerk mit der Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle versehen.c) Dass das Urteil tatsächlich wie vermerkt verkündet worden ist, steht aufgrund der Beweiskraft des Protokolls (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 7 und § 165 Satz 2 ZPO) fest. Das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 14. März 2012 weist aus, dass der Beschluss verkündet wurde, dass die Entscheidung im Lauf des Sitzungstags verkündet werde (zur Vereinbarkeit dieser Vorgehensweise mit § 104 Abs. 1 FGO vgl. BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2007 XI B 178/06, BFH/NV 2008, 562). Auch ist in diesem Protokoll unter schriftlicher Wiedergabe der Urteilsformel festgehalten, dass nach Beratung das Urteil verkündet worden sei. Damit steht die ordnungsgemäße Verkündung des Urteils fest (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Oktober 1984 VI ZR 205/83, Neue Juristische Wochenschrift 1985, 1782). Dass in dem Protokoll zwar der Tag der Verkündung, nicht aber die genaue Uhrzeit wiedergeben ist, ist unerheblich. Letzteres ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Dies zeigt auch die Vorschrift des § 105 Abs. 6 Satz 1 FGO, wonach auf der Urteilsurschrift (lediglich) der Tag der Verkündung zu vermerken ist.