OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.03.2013 - 15 A 2170/12
Fundstelle
openJur 2013, 16165
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.542,68 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Kanalanschlussbeitrags. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung S. , Flur 10, Flurstück 421. Dieses Grundstück, welches im Geltungsbereich des am 11. September 1967 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. 3 "T. " liegt und mit einem auf der Grundlage einer Baugenehmigung vom 13. Juni 2009 errichteten Einfamilienhaus bebaut ist, bildete früher eine Teilfläche der Flurstücke Gemarkung S. , Flur 3, Parzellen 1458, 1437 und (teilweise 1438). Diese Flurstücke erhielten dann in der Folgezeit die Bezeichnung Gemarkung S. , Flur 10, Flurstücke 341, 329 und 330, wobei das Flurstück 329 später in die Flurstücke 421 und 422 aufgeteilt worden ist.

Für das "Grundstück Gemarkung S. Flur 3, Parz. 1458, 1437 und 1438 teilw." zog die Rechtsvorgängerin der heutigen Beklagten mit Bescheid vom 8. Mai 1974 den seinerzeitigen Eigentümer der vorgenannten (ehemaligen) Flurstücke auf der Grundlage des damals in der örtlichen Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung geregelten Frontlängenmaßstabs zu einem Kanalanschlussbeitrag in Höhe von 3.547,80 DM heran. Unter dem 23. Januar 2012 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Bescheid, mit dem sie von ihm einen Kanalanschlussbeitrag für das Grundstück Gemarkung S. , Flur 10, Flurstück 421, in Höhe von 5.542,68 forderte. Hiergegen erhob der Kläger Klage mit der er u. a. geltend machte, "dass bereits 1974 für die zur Diskussion stehenden Parzellen, damals bezeichnet als 1458, 1437 und 1438 ... ein Kanalanschlussbeitrag nach der damaligen Verordnung erhoben und gezahlt wurde, ... (so) dass wir von der Beitragspflicht in voller Höhe zu befreien sind." Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Der Beitragsanspruch - so das Verwaltungsgericht - sei bereits vor Erlass des angefochtenen Heranziehungsbescheids wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen gewesen.

Der daraufhin seitens der Beklagten gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Dabei kann offen bleiben, ob - wovon die Beklagte unter Darlegung im Einzelnen ausgeht - keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist und daher ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und/oder ob das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich von einer Entscheidung des beschließenden Gerichts abgewichen ist (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Denn das Urteil erweist sich ungeachtet der von der Beklagten dargelegten Berufungszulassungsgründe aus einem anderen, der Sache nach vom Kläger bereits in seiner Klageschrift angesprochenen Grund (vgl. oben) jedenfalls im Ergebnis als richtig, weshalb eine Zulassung der Berufung ausscheidet.

Der streitige Kanalanschlussbeitrag verstößt gegen das Verbot der Doppelveranlagung. Das Wesen des Kanalanschlussbeitrags besteht darin, eine einmalige Abgabe zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung der Abwasseranlage in ihrer Gesamtheit zu sein. Dies bedeutet, dass die einmal entstandene Beitragspflicht für das Grundstück (unabhängig von Veränderungen in dessen Nutzung oder der satzungsrechtlichen Veranlagungsgrundlagen) nicht noch einmal entsteht, so dass der Beitrag nur einmal festgesetzt werden darf. Das Verbot der Doppelveranlagung gilt auch in den Fällen, in denen eine Beitragspflicht materiellrechtlich nicht entstanden ist, jedoch ein Beitrag wirksam, wenngleich rechtswidrig, festgesetzt worden und damit eine Beitragspflicht formellrechtlich entstanden ist. Für die aus dem Wesen des Beitrags folgende Einmaligkeit ist es unerheblich, ob die Beitragspflicht materiellrechtlich oder formellrechtlich entstanden ist.

OVG NRW, Beschluss vom 27. März 1998 - 15 A 3421/94 -, NVwZ-RR 1999, 135 ff.

Hier ist die Beitragspflicht jedenfalls formellrechtlich entstanden. Denn durch den Bescheid vom 8. Mai 1974 ist ein Kanalanschlussbeitrag in Höhe von 3.547,80 DM für das "Grundstück Gemarkung S. Flur 3 Parz. 1458, 1437 und 1438 teilw." bestandskräftig festgesetzt worden, von dem wiederum das im vorliegenden Verfahren in Rede stehende klägerische Grundstück ein Teil war bzw. ist. Der Kanalanschlussbeitrag als solcher ist damit seinerzeit auf der Grundlage des geltenden Satzungsrechts vollständig festgesetzt und die volle Beitragspflicht begründet worden.

Der durch den Bescheid vom 8. Mai 1974 begründete Vorteil des Ausschlusses einer weiteren Beitragsfestsetzung wirkt nunmehr gegenüber dem Kläger, obwohl der Bescheid ihm gegenüber nicht erlassen wurde. Das Verbot der Doppelveranlagung ist eine durch das Beitragsrecht an die Festsetzung eines Beitrags für ein bestimmtes Grundstück geknüpfte Veränderung der Rechtsstellung eines Grundstückseigentümers hinsichtlich zukünftiger Beiträge. Der Beitrag wird zwar vom in Anspruch genommenen Grundstückseigentümer persönlich geschuldet, er dient aber dem Ausgleich eines andauernden grundstücksbezogenen Vorteils, der allen Rechtsnachfolgern im Grundstückseigentum gleichermaßen geboten wird. Nicht entscheidend ist daher, ob bereits einmal ein Beitrag gerade gegenüber demselben Grundstückseigentümer festgesetzt wurde. Das Verbot einer erneuten Beitragsfestsetzung folgt vielmehr aus dem Umstand, dass der Beitrag bereits einmal für das Grundstück festgesetzt wurde. Das Verbot der Doppelveranlagung als begünstigende Wirkung des Beitragsbescheids ist mithin dinglicher Natur und haftet dem Grundstück in dem Sinne an, dass dieses anschlussbeitragsrechtlich veranlagt ist. Die begünstigende Wirkung des Beitragsbescheids geht daher kraft seiner Dinglichkeit auf den Rechtsnachfolger im Grundstückseigentum über. Der neue Grundstückseigentümer kann einer nochmaligen Heranziehung zum Anschlussbeitrag die Vorveranlagung entgegenhalten.

OVG NRW, Beschluss vom 27. März 1998 - 15 A 3421/94 -, NVwZ-RR 1999, 135 ff.

Dabei lassen auch spätere Änderungen in der baulichen Ausnutzbarkeit des Grundstücks keine erneute Beitragspflicht entstehen.

OVG NRW, Beschluss vom 15. August 1997 - 15 A 3643/97 -.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlagen in §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.