BGH, Urteil vom 04.07.2001 - VIII ZR 279/00
Fundstelle
openJur 2010, 4236
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 15. September 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin und die Maschinenfabrik N. GmbH & Co. KG (in Zukunft: N. KG) sind Schwesterunternehmen, welche von der N.

KG hergestellte Kartoffelerntemaschinen der Marke W. über die Beklagte, eine Landmaschinenhändlerin, vertrieben. Mit Kauf- und Übernahmevertrag vom 7. November 1997 verkaufte die N. KG das gesamte Know-how über die Herstellung von Kartoffelerntemaschinen der Marke W.

einschließlich gehaltener Patente, Schutzrechte, Produktionsmittel, Kundenstamm, Warenbestände sowie die in einer Anlage 8 aufgeführten Fertigprodukte (Kartoffelerntemaschinen), sofern diese am 12. November 1997 durch die Verkäuferin noch nicht verkauft worden waren, an die niederländische Firma Ne. Development C.V. (künftig: Ne. ). In der Anlage 8 war unteranderem die Kartoffelerntemaschine W. Typ mit der Maschinennummer aufgeführt, die sich bei der Beklagten befand. Am 23. Dezember 1997 verweigerte die Beklagte den Vertretern der Firma Ne. die Herausgabe der vorgenannten Erntemaschine.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung des Kaufpreises für die Kartoffelerntemaschine W. Typ in Anspruch genommen und gemeint, zumindest müsse die Beklagte in dieser Höhe Schadensersatz leisten. Ferner hat sie den Kaufpreis für einen weiteren Kartoffel-Vollernter des Typs abzüglich von ihr errechneter Provisionsansprüche verlangt. Durch Teilurteil vom 17. Dezember 1998 hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises für den zuletzt genannten Kartoffel-Vollernter -unter Abzug von für begründet angesehener Provisionsansprüche -in Höhe eines Betrages von 39.466,01 DM nebst Zinsen verurteilt. Durch Schlußurteil vom 10. Juni 1999 hat das Landgericht die Beklagte sodann zur Zahlung von 60.375 DM nebst Zinsen als Schadensersatz für die Kartoffelerntemaschine W. Typ verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage, soweit über sie nicht durch Teilurteil vom 17. Dezember 1998 entschieden worden war, abgewiesen.

Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

I. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Klägerin sei nicht berechtigt, von der Beklagten aus Anlaß der Weigerung vom 23. Dezember 1997, der Ne. die gebrauchte Kartoffelerntemaschine W. Typherauszugeben, die Zahlung von 60.375 DM zu verlangen. Einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung habe die Klägerin nicht erlangt, da sie nicht dargetan habe, daß die Erntemaschine ihr Eigentum gewesen sei und zu ihrem Bestand gehört habe.

Aber selbst für den Fall, daß ihr und nicht der N. KG das Eigentum an der Maschine zugestanden habe, hafte die Beklagte nicht. Zwar könne sich die Beklagte nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen, da ihre Provisionsansprüche bereits durch die von ihr mit Schreiben vom 13. Oktober 1997 gegenüber dem Kaufpreisanspruch der Klägerin für den Kartoffel-Vollernter Typ erklärte Verrechnung erloschen sei; auf gegenüber der N. KG bestehende Provisionsansprüche könne die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht nicht stützen, da ihr insoweit als Gläubigerin und Schuldnerin verschiedene juristische Personen gegenüber gestanden hätten. Es fehle jedoch an dem für einen Schadensersatzanspruch nötigen Verschulden der Beklagten. Allerdings sei diese am 23. Dezember 1997 zur Herausgabe der Erntemaschine verpflichtet gewesen, falls sie Kenntnis von der käuflichen Übernahme aller Alt-Maschinen der Marke W. durch die Ne. gehabt habe. Es komme jedoch nur eine fahrlässige Verletzung ihrer Nebenpflichten aus dem Rechtsverhältnis zur Klägerin in Betracht, wobei zur Fahrlässigkeit eines Verhaltens die Vorsehbarkeit eines schädigendes Erfolges der eingetretenen Art gehöre. Dieses Verschuldensmerkmal lasse sich vorliegend bei der Beklagten, bezogen auf den vorgetragenen Schadenseintritt bei der Klägerin, nicht bejahen, weil die Beklagte bei ihrer Herausgabeverweigerung nicht habe damit rechnen müssen, daß die Maschine für die Klägerin aufgrund eines Wettbewerbsverbots unverkäuflich sein würde, wenn sie deren Herausgabe verweigerte; aus der Sicht der Beklagten sei die Entstehung eines solchen Schadens eine so unwahrscheinliche Folge der verweigerten Herausgabe gewesen, daß sie ihr Verhalten nicht habe darauf einrichten müssen.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1.

Bei dem von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch handelt es sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht um einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung, sondern um einen solchen aus Verzug, da die Klägerin Schadensersatz wegen Verweigerung der Herausgabe der Kartoffelerntemaschine W. Typ , Maschinennr. , begehrt. Unter den rechtlichen Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung fallen dagegen nach allgemeiner Meinung lediglich solche schuldhaften Vertragsverletzungen, die weder Unmöglichkeit der Leistung noch Verzug zur Folge haben (vgl. BGHZ 11, 80, 83; BGH, Urteil vom 19. Oktober 1977 -VIII ZR 42/76, NJW 1978, 260 unter II 3 a, jew. m.w.Nachw.).

2.

Mit Erfolg beanstandet die Revision zunächst die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe als Voraussetzung für ihren Schadensersatzanspruch nicht dargetan, daß die fragliche Kartoffelerntemaschine zu ihrem Bestand gehört habe, so daß es bereits am erforderlichen Schaden der Klägerin fehle.

a) Im ersten Rechtszug war unstreitig, daß die betreffende Maschine bei Abschluß des Vertrages vom 7. November 1997 im Eigentum der Klägerin gestanden hat. Dort hat die Klägerin vorgetragen, sie habe ihre Maschine, die ursprünglich von der Firma W. -Werk Maschinenbau GmbH geliefert worden sei, später erworben; das habe die Beklagte gewußt. Die Beklagte, die sich auch vorprozessual gegenüber dem Herausgabeanspruch der Klägerin lediglich auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen unvollständiger Provisionsabrechnungen berufen hatte (siehe Schreiben vom 27. Januar 1998), hat in erster Instanz das Eigentum der Klägerin an der Maschine nicht in Abrede gestellt. Auch das Landgericht ist in seinem Schlußurteil vom 10. Juni 1999 vom Eigentum der Klägerin an der in Frage stehenden Kartoffelerntemaschine ausgegangen. In ihrer Berufungsbegründung hat die Beklagte das Eigentum der Klägerin an der Maschine zunächst ebenfalls nicht bestritten. In ihrer Berufungserwiderung hat die Klägerin Einzelheiten zum Verkauf der gesamten Produktion der W. Kartoffelerntemaschinen sowie der damit verbundenen Rechte und Warenzeichen einschließlich der bereits produzierten Kartoffelrodemaschinen dargelegt und unter Beweisantritt vorgetragen, die N. KG habe sich im Vertrag mit der Ne. vom 7. November 1997 auch zur Übereignung solcher Kartoffelrodemaschinen verpflichtet, die ursprünglich im Eigentum der Klägerin gestanden hätten. Dabei hätten sich die Klägerin und die N. KG darauf verständigt, daß letztere auch den Bestand der Klägerin an Kartoffelerntemaschinen veräußern könne; es sei vereinbart gewesen, daß die Klägerin als Gegenleistung von der N. KG den Preis für die Kartoffelroder erhalte, den diese ihrerseits aus dem Vertrag mit der Ne. habe erlösen können. Dabei hat die Klägerin die Anlage 8 zum Vertrag vom 7. November 1997 vorgelegt, in welcher als Eigentümer die Abkürzung "O. " (offensichtlich die Klägerin) angegeben ist. Daraufhin hat die Beklagte erstmals mit Schriftsatz vom 5. Juni 2000 mit Nichtwissen bestritten, daß die streitbefangene Maschine zum Bestand der Klägerin gehört habe und die behauptete Absprache zwischen der Klägerin und der N. KG getroffen worden sei.

b) Danach hat die Klägerin vorgetragen und unter Zeugenbeweis gestellt, daß die Maschine vor Abschluß des Vertrages mit der Ne. der Klägerin gehört und zu deren Bestand gezählt hatte. Einer weiteren Darlegung ihrer Eigentumserlangung bedurfte es mit Rücksicht auf die zwischen ihr und der N. KG bestehende Verbindung entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht. Ohne eine Aufklärung des Sachverhalts durfte das Berufungsgericht die Klage daher nicht bereits wegen eines fehlenden Schadens der Klägerin als unbegründet abweisen.

3. Auch mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Hilfsbegründung kann eine Ersatzpflicht der Beklagten nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vorbringen der Klägerin nicht verneint werden.

a) Die Beklagte war am 23. Dezember 1997 zur Herausgabe der Kartoffelerntemaschine an die Vertreter der Ne. verpflichtet, da nach dem Vortrag der Klägerin Gegenstand des Kauf- und Übernahmevertrages vom 7. November 1997 die in der Anlage 8 aufgeführten Maschinen sein sollten, die per 12. November 1997 tatsächlich verfügbar waren. Aufgrund des Vertrages vom 7. November 1997 war die Ne. jedenfalls als Vertreter der Klägerin, die nach ihrem unter Beweis gestellten Vortrag die N. KG auch zur Veräußerung der in ihrem Eigentum stehenden Maschinen ermächtigt hatte, berechtigt, die fragliche Maschine gemäß § 985 BGB in Besitz zu nehmen. Soweit die Revisionserwiderung meint, die Klägerin habe nicht dargelegt, daß Ne. den Herausgabeanspruch mit Vollmacht der Klägerin der Beklagten gegenüber geltend gemacht hat, steht dies in Widerspruch zu dem im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegebenen Vorbringen der Klägerin.

b) Die Herausgabe der Maschine hat die Beklagte nach den auch von der Revisionserwiderung nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts mit Rücksicht auf bestehende Gegenforderungen gegen die Klägerin und die N. KG verweigert. In dem Herausgabeverlangen der Vertreter der Ne. lag entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung bei verständiger Beurteilung zugleich eine Mahnung im Sinne des § 284 BGB, die mit der die Fälligkeit begründeten Handlung verbunden werden kann (BGH, Urteil vom 14. Juli 1970 -VIII ZR 12/69, WM 1970, 1141 unter II 1; siehe auch MünchKomm-Thode, BGB, 3. Aufl., § 284 Rdnr. 35 m.w.Nachw.). Im übrigen ist auch eine Mahnung entbehrlich, weil die Beklagte -wie noch auszuführen sein wird -die Herausgabe von der Erfüllung nicht bestehender Gegenrechte abhängig gemacht und damit in der geschuldeten Form endgültig verweigert hat (vgl. auch BGH, Urteil vom 18. September 1985 -VIII ZR 249/84, NJW 1986, 661 unter II 2 a).

c) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten, das nach seiner Geltendmachung einen Verzug ausschließen würde (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1971 -VIII ZR 59/70, WM 1971, 1020 unter I 2 b) verneint, da die Provisionsansprüche der Beklagten gegenüber der Klägerin bereits durch die von ihr mit Schreiben vom 13. Oktober 1997 erklärte Aufrechnung erloschen waren. Daß die Beklagte zugleich die Aufrechnung mit Ansprüchen gegen die N. KG erklärt hatte, steht der Wirksamkeit der im Verhältnis zur Klägerin erklärten Aufrechnung mit einer seinerzeit auf 51.019,60 DM bezifferten Provisionsforderung gegenüber der Forderung der Klägerin aus dem Verkauf betreffend den Kartoffel-Vollernter Typ nicht entgegen. Die Gegenrüge der Revisionserwiderung, die Aufrechnung in dem Schreiben der Beklagten vom 13. Oktober 1997 mit ihren Provisionsansprüchen gegen den Anspruch der Klägerin wegen der Erntemaschine W.

Typ sei deshalb wirkungslos geblieben, weil die Beklagte seinerzeit nicht zwischen Ansprüchen gegen die Klägerin und gegen die N. KG unterschieden habe, greift nicht durch. Nach der im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegebenen Behauptung der Beklagten im Berufungsverfahren hat sie sich der betreffenden Provisionsansprüche gerade der Klägerin gegenüber berühmt und eine entsprechende Verrechnung vorgenommen. Dies unterliegt der Beweiskraft des Tatbestands (§ 314 Satz 1 ZPO). Daß der Beklagten -mangels Gegenseitigkeit -ein Zurückbehaltungsrecht wegen etwaiger Provisionsansprüche gegen die N. KG nicht zustand, bezweifelt auch die Revisionserwiderung nicht.

d) Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Verweigerung der Herausgabe der Maschine wegen offener Provisionsansprüche durch die Beklagte auf einem Irrtum oder einer falschen Beurteilung der Rechtslage beruhte. Wenn die Beklagte der Meinung war, sich gegenüber dem Herausgabeverlangen auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen gegen die N. KG bestehender Provisionsansprüche berufen zu können, handelte es sich um einen Rechtsirrtum, der nicht unverschuldet war (vgl. § 285 BGB). Nach ständiger Rechtsprechung sind an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Schuldner die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muß (BGHZ 89, 296, 303; BGH Urteil vom 14. Juni 1994 -XI ZR 210/93, NJW 1994, 2754 unter II. 3.; siehe auch Palandt/ Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 285 Rdn. 4 m.w.N.). Die Beklagte hat zwar geltend gemacht, es habe von ihr "kaum verlangt werden" können, die einzelnen Gegenansprüche aus Provisionen auseinanderzuhalten, die zum einen gegen die Klägerin und zum anderen gegen die N. KG bestanden hätten, die verschiedenen Verrechnungsmöglichkeiten seien für sie im Dezember 1997 bzw.

Januar 1998 "kaum überschaubar" gewesen. Die Behauptung, die Beklagte habe mit Ansprüchen gegen die N. KG auch gegenüber der Klägerin aufrechnen dürfen, liegt hierin jedoch nicht. Die Beklagte legt auch nicht dar, wie sie zur Ansicht einer solchen Verrechnungsmöglichkeit kommen konnte.

e) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch deshalb an einem fehlenden Verschulden der Beklagten scheitern lassen, weil für diese der eingetretene Schaden nicht voraussehbar gewesen sei.

Befand sich die Beklagte aufgrund ihrer Weigerung, die fragliche Erntemaschine am 23. Dezember 1997 an die Vertreter der Ne. herauszugeben, im Verzug, kann die Klägerin Ersatz des ihr dadurch adäquat verursachten Schadens verlangen (RGZ 109, 97, 99; MünchKomm-Thode aaO, § 286 Rdnr. 4; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 286 Rdnr. 11). Ob der ersatzpflichtige Schuldner mit dem durch die verzögerte Leistung entstehenden Schaden gerechnet hat, ist unerheblich (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1955 -II ZR 196/54, DB 1956, 110; MünchKomm-Thode aaO). Die erforderliche adäquate Verursachung des von der Klägerin geltend gemachten Schadens ist hier zu bejahen. Es liegt nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung, daß die gebrauchte Maschine, wenn ihre Herausgabe einem bestimmten Käufer gegenüber verweigert wurde, unter Umständen nicht mehr anderweitig absetzbar sein könnte. Darauf, ob der Beklagten bekannt war, daß die Klägerin einem Wettbewerbsverbot unterlag, so daß die Maschine aus diesem Grunde für die Klägerin später unverkäuflich sein würde, kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht an.

III. Da das angefochtene Urteil danach keinen Bestand haben kann, war die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.