OLG Naumburg, Urteil vom 09.11.2010 - 1 U 44/10
Fundstelle
openJur 2013, 46765
  • Rkr:

Lebt ein Patient jahrelang mit einer Behinderung auf die er sich eingerichtet hat und erwägt dann den Versuch einer operativen Korrektur, der bei ihm angesichts der komplexen Ausgangslage mit einem nicht unerheblichen Risiko des Fehlschlagens behaftet ist, sogar bis hin zu einer Verschlechterung seines bisherigen Zustandes, so muss er darüber aufgeklärt werden, um ihm eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob er den Eingriff wagen oder lieber abwarten und mit seinen bisherigen Beschwerden einstweilen weiter leben will.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. April 2010 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg abgeändert.

Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin zu 90 % sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aufgrund der Operation vom 28. August 2002 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Eine Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Gründe

A.

Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz und Schmerzensgeldzahlung wegen behaupteter ärztlicher Behandlungsfehler und Aufklärungsversäumnisse im Zusammenhang mit der in der Klinik der Beklagten zu 1) am 28. August 2002 durch den Beklagten zu 2) durchgeführten dreifachen Becken-Osteotomie sowie der postoperativen Nachbehandlung in Anspruch. Ferner begehrt sie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Folgeschäden aufgrund der Operation vom 28. August 2002.

Die Klägerin leidet seit ihrer Geburt an einer spastischen Tetraplegie (krampfhafte Lähmung der Gliedmaßen) mit Hüftdysplasie links (Mangelentwicklung - Abflachung - der Hüftgelenkspfanne).

Aufgrund einer Subluxation (Teilverengung) des linken Hüftgelenkes sowie einer displastischen Fehlentwicklung der Hüftpfanne unterzog sie sich im Jahre 1998 im Krankenhaus C. einer Korrekturosteotomie mit Anlage einer Winkelplatte. Da eine dauerhafte Verbesserung der Situation durch den Eingriff wegen des Grundleidens der Klägerin nicht erzielt werden konnte und eine weitere kraniale Auswanderung des Hüftkopfes eintrat, sollte eine dreifache Becken-Osteotomie (Durchtrennen der Knochen mit Meißel oder Säge) durchgeführt werden mit dem Ziel, eine Überdachung des Hüftkopfes und damit eine Stabilität der Beweglichkeit der Hüftpfanne zu erreichen.

Zu diesem Zweck begab sich die Klägerin am 27. August 2002 in das unter der Trägerschaft der Beklagten zu 1) geführte Universitätsklinikum in M. . Nach einem Aufklärungsgespräch unterzeichnete die Klägerin noch am gleichen Tage eine formularmäßig vorgedruckte Einverständniserklärung, die keinen Hinweis auf das Risiko einer postoperativen Verschlechterung des Beschwerdebildes enthielt. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf den in den Behandlungsunterlagen der Beklagten enthaltenen Vordruck "Einverständniserklärung" vom 27. August 2002 Bezug.

Am 28. August 2002 nahm der Beklagte zu 2) die dreifache Becken-Osteotomie vor.

Die Klägerin wurde am 10. September 2002 erstmals aus dem Krankenhaus in die häusliche Pflege entlassen. Da sich die Operationsnarbe entzündete, wurde sie jedoch am 19. September 2002 erneut wegen der aufgetretenen Wundinfektion zur stationären Behandlung aufgenommen. Nach der Entlassung am 07. Oktober 2002 war die Klägerin über drei Monate bettlägerig und auf durchgängige Pflege durch ihre Familie angewiesen.

Wegen anhaltender Schmerzen konsultierte die Klägerin am 12. Dezember 2002 erneut das Universitätsklinikum zur Nachuntersuchung. Im Rahmen einer Röntgenuntersuchung wurde kein auffälliger Befund festgestellt. In einer Nachfolgeoperation Anfang Januar 2003 entfernte der Beklagte zu 2) die im Rahmen der Osteotomie und Osteosynthese der Erstoperation eingebrachten Stahlstifte und Schrauben aus dem Operationsfeld.

Im Anschluss an die Operation wurde der Klägerin physiotherapeutische Behandlung mit Massagen verordnet, die sie bis zum heutigen Tage fortsetzt. In der Zeit vom 06. März 2003 bis zum 10. April 2003 nahm die Klägerin an einer Rehabilitationsmaßnahme teil, ohne dass jedoch eine spürbare Verbesserung ihrer Mobilität und eine Stabilisierung der Stand- und Gangphasen eintrat. Das angestrebte Ziel einer Optimierung der Pfannenstellung und des CE-Winkels konnte durch die Becken-Osteotomie nicht erreicht werden.

Mit Antragsschrift vom 12. Februar 2004 leitete die Klägerin vor der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der Norddeutschen Ärztekammer in Hannover ein Schlichtungsverfahren ein. Auf der Grundlage des durch die Schlichtungsstelle eingeholten fachorthopädischen Gutachtens des Dr. med. B. vom 25. Juni 2005 und dessen ergänzender Stellungnahme vom 17. Januar 2006 gelangte die Schlichtungsstelle in ihrem Votum vom 04. Juli 2006 zu dem Ergebnis, dass der Eingriff nicht gelungen sei, und empfahl deshalb eine außergerichtliche Regulierung der für begründet erachteten Schadensersatzansprüche der Klägerin. Der mit der Angelegenheit für die Schlichtungsstelle insoweit betraute Dr. med. P. schätzte - nach eigener Auswertung der postoperativ gefertigten Röntgenkontrollaufnahmen - das Vorgehen des Beklagten zu 2) bei Durchführung der dreifachen Becken-Osteotomie in dem Abschlussbericht der Schlichtungsstelle vom 04. Juli 2006 als behandlungsfehlerhaft ein und führte die postoperativ eingetretene Verschlechterung des Gangbildes der Klägerin mit der Außenrotationsfehlstellung des linken Beins zu 90 % auf den operativen Eingriff zurück. Auch nach Einsichtnahme der intraoperativ angefertigten Röntgenbilder und Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Beklagten blieb Dr. med. P. bei seiner Einschätzung.

Wegen der Einzelheiten des Schlichtungsverfahrens nimmt der Senat auf das fachorthopädische Gutachten des Dr. med. B. vom 25. Juni 2005 - Anlage K 2 - Band I Blatt 16 bis 27 d. A. -, dessen ergänzende Stellungnahme vom 17. Januar 2006 - Anlage K 3 - Band I Blatt 28-30 d. A. -, das Votum der Schlichtungsstelle vom 04. Juli 2006 - Anlage K 4 - Band I Blatt 31 bis 34 d. A. - sowie die ergänzenden Ausführungen des Dr. med. P. vom 09. Januar 2007 - Anlage K 7 - Band I Blatt 38 d. A. und vom 21. März 2007 - Anlage K 8 - Band I Blatt 39 bis 40 d. A. - Bezug.

Die Klägerin forderte die Beklagte erstmals mit Anwaltsschreiben vom 13. Oktober 2006 (Anlage K 12 - Band I Blatt 44 bis 45 d. A.) auf, an sie wegen der unterlaufenden Behandlungsfehler unter dem Gesichtspunkt der Arzthaftung ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 60.000,- Euro zu zahlen und die begehrte Feststellungserklärung abzugeben. Mit anwaltlichen Schreiben vom 15. Januar 2007 mahnte sie eine Schadensregulierung durch den Versicherer der Beklagten letztmalig an.

Die Klägerin unterzog sich am 04. September 2009 einer erneuten Revisionsoperation im Klinikum D., bei der eine dreifache Becken-Osteotomie erfolgreich durchgeführt werden konnte. (Operationsbericht des Dr. med. K. vom 04. September 2009, Band II Blatt 191 d. A.).

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte zu 2) habe die Osteotomie nicht nach den Regeln der fachärztlichen Kunst ausgeführt, ihm seien vielmehr erhebliche Behandlungsfehler unterlaufen. Der Eingriff sei insgesamt misslungen, da es dem Beklagten zu 2) intraoperativ nicht gelungen sei, die Pfannenstellung und den CE-Winkel der Hüftpfanne zu normalisieren. Der Beklagte zu 2) hätte die mangelnde Überdeckung der Hüftpfanne bei fachgerechtem Vorgehen schon intraoperativ erkennen und sogleich korrigieren müssen. Infolge der fehlerhaft ausgeführten Operation habe sich eine Außenfehldrehstellung des Beins sowie eine aktive Einschränkung der Beugung des linken Hüftgelenkes ergeben. Im Hinblick auf das Grundleiden der Klägerin hätte der Beklagte zu 2) im übrigen keine Drähte einsetzen dürfen, sondern nur Schrauben. Sie hat überdies behauptet, dass dem Beklagten zu 2) die notwendige Qualifikation, Erfahrung und Fachkompetenz gefehlt habe, um eine so schwierige und selten vorkommende Operation vorzunehmen. Insofern ist sie der Meinung gewesen, dass sich in der Klinik der Beklagten zu 1) mit 10 bis 15 im Jahr durchgeführten Osteotomien, die allerdings mehrheitlich angeborene Hüftdysplasien und nicht die viel selteneren Hüftdysplasien neurologischer Art betroffen hätten, allenfalls eine Basisroutine habe entwickeln können, die jedoch nicht ausreiche, um den Eingriff fachgerecht durchführen zu können. Die Beklagten hätten daher die Ausführung der Operation ablehnen und die Klägerin an eine hierfür spezialisierte Fachklinik in D. oder W. überweisen müssen. Außerdem sei ihr im Vorgespräch avisiert worden, dass der Eingriff von dem Klinikdirektor Prof. Dr. N. persönlich vorgenommen werde, was jedoch nicht den Tatsachen entsprochen habe. Hierin hat sie ebenfalls einen haftungsbegründenden Behandlungsmangel erblickt. Auch im Rahmen der postoperativen Nachsorge seien entscheidende Behandlungsfehler, die eine Schadensersatzhaftung der Beklagten auszulösen vermögen, unterlaufen. Insoweit hat die Klägerin behauptet, dass sie bereits am 13. September 2002 aus der Klinik entlassen worden sei, obwohl sich an der OP-Narbe ein behandlungsbedürftiger Entzündungsherd gebildet habe und diese Wundinfektion eine erneute stationäre Behandlung habe erforderlich werden lassen. Die bei der Erst-Operation zur Osteosynthese eingebrachten Stahlstifte und -Schrauben seien bereits im Januar 2003 völlig verfrüht entfernt worden, denn die Materialentfernung erfolge üblicherweise erst ein und ein halbes Jahr nach der Ausgangsoperation. Als behandlungsfehlerhaft habe sich zudem erwiesen, dass bereits unmittelbar nach dem Ersteingriff eine verfrühte Teilbelastung des operierten Beins mit 15 kg am Rollator angeordnet worden sei.

Sie hat behauptet, dass sich ihr gesundheitliches Befinden nach der Operation vom 28. August 2002 dramatisch verschlechtert habe. Infolge des Eingriffes sei eine massive Einschränkung in ihrer Mobilität eingetreten. Während sie vor der von dem Beklagten zu 2) ausgeführten Osteotomie trotz ihres Grundleidens in der Lage gewesen sei, eine Wegestrecke von 100 m ohne Gehhilfen zurück zu legen, sei ihr dies im Nachgang der Operation nicht mehr möglich gewesen. Sie habe sich postoperativ nur noch auf zwei Gehstützen wenige Meter selbständig und unter Schmerzen fortbewegen können und sei im übrigen überwiegend auf den Rollstuhl angewiesen gewesen. Verrichtungen des täglichen Lebens, wie das selbständige Ankleiden, das Aufsuchen der Toilette und des Bades sowie einfache Hausarbeiten, die sie vor der Operation noch selbständig ohne Fremdhilfe habe ausführen können, seien danach für sie nicht mehr zu bewältigen gewesen. Sie sei nach der OP durchgängig auf Unterstützung und Pflege durch ihre Familie angewiesen gewesen, was sie in ihrer Lebensführung massiv beeinträchtigt habe. Ein freihändiges Stehen sei ihr nicht mehr möglich gewesen. Da sie im linken Bein keine Kraft habe entwickeln und es folglich auch nicht habe anheben können, sei sie zum Treppensteigen nicht mehr in der Lage gewesen. Auch ihre früheren Freizeitbeschäftigungen wie Radfahren und Reiten habe sie aufgeben müssen, da sie das linke Bein weder habe anwinkeln noch abspreizen können. Diese erhebliche Verschlechterung gegenüber der präoperativen Situation habe bei ihr depressive Verstimmungen und Verlustängste ausgelöst und ihre zuvor trotz ihres Grundleidens allgemein vorhandene Lebensfreude nachhaltig beeinträchtigt. Sie ist der Ansicht gewesen, dass sie im Hinblick auf Art und Intensität der erlittenen Beeinträchtigungen und körperlichen Beschwerden von den Beklagten als Gesamtschuldner aufgrund des behandlungsfehlerhaften Vorgehens ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 60.000,- Euro beanspruchen könne. Außerdem stünde ihr ein Anspruch auf Ersatz ihres Erwerbsschadens zu. Hierzu hat sie behauptet, dass sie bei regelrechtem Heilungsverlauf am 01. Januar 2003 eine unbefristete Anstellung im Lohnsteuerhilfeverein Nz. hätte antreten können, durch das sie ein monatliches Nettogehalt in Höhe von 748,60 Euro erzielt hätte. Dieses Einkommen sei ihr aufgrund des Behandlungsfehlers der Beklagten entgangen, da sie die ihr angebotene Tätigkeit tatsächlich wegen der massiven Einschränkungen ihrer Mobilität nicht habe aufnehmen können. Den monatlichen Differenzbetrag zwischen dem entgangenen Nettogehalt und der Erwerbsunfähigkeitsrente, die sie seit 01. Januar 2003 beziehe, könne sie - zumindest zu einer Quote von 90 % - als Verdienstausfallschaden gegenüber den Beklagten geltend machen. Sie hat darüber hinaus vorgetragen, dass wegen der massiven gesundheitlichen Beeinträchtigung zukünftig mit materiellen und immateriellen Folgeschäden zu rechnen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Februar 2007 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin zu 90 % sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aufgrund der Operation vom 28. August 2002 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen;

3. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 4.854,02 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18. Januar 2008 zu zahlen;

4. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin beginnend ab September 2007, fällig jeweils zum ersten des Monats einen Betrag in Höhe von 86,68 Euro zu bezahlen jeweils nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem ersten des Folgemonats.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, dass der Eingriff am 28. August 2002 entsprechend dem fachlichen Standard lege artis ausgeführt worden sei, wie dies im Ergebnis auch der Schlichtungsgutachter Dr. med. B. in seinem Ergänzungsgutachten vom 17. Januar 2007 festgestellt habe. Dass die Osteotomie nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt habe, sei nicht auf eine Fehlbehandlung der Beklagten zurück zu führen. Die klinisch eingetretene Verschlechterung des Korrekturergebnisses sei möglicherweise zum einen auf eine zu frühe Belastung und zum anderen auf die angeborene Tetraspastik mit Hüftdysplasie zurück zu führen. Das Becken sei in allen drei Bereichen vollständig durchtrennt und eine korrekte Schwenkung des Pfannendaches vorgenommen worden. Die äußerst schwierige Ausgangssituation, die sich dem Operateur aufgrund des Grundleidens der Klägerin gestellt habe, dürfe bei der Beurteilung des Behandlungsgeschehens allerdings nicht vernachlässigt werden. Dass die Pfannenschwenkung um die sagittale Achse tatsächlich unzureichend gewesen sei, habe der Beklagte zu 2) während der Operation nicht erkennen können. Da die mangelnde Überdachung des Hüftkopfes für den operierenden Beklagten zu 2) nicht erkennbar gewesen sei, habe für ihn auch kein Anlass zu intraoperativen Korrekturmaßnahmen bestanden. Auch seien insgesamt vier Kirschnerdrähte sowie jeweils einer Schanz'schen und einer Spongioschraube fach- und sachgerecht zum Einsatz gekommen. Den Beklagten könne schließlich auch nicht angelastet werden, dass sie die Materialien im Januar 2003 verfrüht entfernt hätten. Die Nach-OP im Januar 2003 sei in keiner Weise zu beanstanden gewesen. Sie hat überdies bestritten, dass die Klägerin trotz einer Entzündung der OP-Narbe am 13. September 2002 entlassen worden sei. Eine Wundheilstörung sei bei der Untersuchung am Entlassungstag nicht zutage getreten. Nachdem die Wundheilstörung im Folgenden diagnostiziert worden sei, sei diese fach- und sachgerecht behandelt worden. Die von der Klägerin als Folge der Operation behaupteten körperlichen Folgebeeinträchtigungen und Einschränkungen in der persönlichen Lebensführung haben die Beklagten in Abrede gestellt und die Schmerzensgeldvorstellungen der Klägerin überdies für weit übersetzt gehalten. Den geltend gemachten Erwerbsschaden und das Feststellungsbegehren haben sie nach Grund und Höhe bestritten und insoweit behauptet, dass der Verlust des avisierten Arbeitsplatzes nicht auf eine angebliche Fehlbehandlung der Beklagten, sondern den Erlass des Rentenbescheides zurück zu führen sei.

Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 16. September 2008 Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf das fachorthopädische Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. med. K. C. vom 10. Mai 2009 (Band II Blatt 1 bis 20 d. A.) und seine ergänzende Stellungnahme vom 14. Oktober 2009 (Band II Blatt 53 - 59 d. A.) Bezug genommen, die er in dem Termin der mündlichen Verhandlung vom 03. März 2010 zudem mündlich erläutert hat (Band II Blatt 107 - 109 d. A.).

Mit dem am 21. April 2010 verkündeten Urteil (Band II Blatt 128 - 134 d. A.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin den Beweis nicht geführt habe, dass die am 28. August 2002 durchgeführte Operation sowie die Folgebehandlung mit einem Behandlungsfehler behaftet gewesen sei. Das Landgericht habe sich auf der Grundlage des fachorthopädischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. C. nicht davon überzeugen können, dass die von dem Beklagten zu 2) in der Klinik der Beklagten zu 1) ausgeführte dreifache Becken-Osteotomie nicht den Regeln der fachärztlichen Kunst entsprochen habe. Dass sich die Beklagten zur Vornahme des Eingriffs befähigt gehalten hätten, obwohl diese als ausgesprochen schwierig gelte, sei gleichfalls nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen bedürfe es ca. 10 bis 20 Operationen dieser Art im Jahr, um eine Basisroutine zu gewinnen. Diese Anzahl an Osteotomien erreiche das Klinikum der Beklagten zu 1). Den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen sei überdies zu entnehmen, dass auch die Folgebehandlung und Nachoperation lege artis ausgeführt worden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiter verfolgt.

Sie greift die von dem Landgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen an und beanstandet, dass das Urteil eine kritische Würdigung des Gutachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen unter sorgfältiger Auseinandersetzung mit den gegenläufigen ärztlichen Stellungnahmen aus dem Schlichtungsverfahren, insbesondere dem Schlichtungsgutachten des Dr. med. B. vom 25. Juni 2005, dem Votum der Schlichtungsstelle vom 04. Juli 2006 sowie den weiteren Ausführungen des Dr. med. P. aus dessen im Schlichtungsverfahren abgegebenen ergänzenden Stellungnahmen 09. Januar 2007 und vom 23. Juni 2007, vermissen lasse. Die evidenten Unstimmigkeiten und Widersprüche zwischen der Darstellung des gerichtlichen Sachverständigen einerseits und der Stellungnahme des mit der Schlichtungssache betrauten Dr. med. P. anderseits habe das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung nicht ansatzweise aufgegriffen. Seine Beweiswürdigung habe es vielmehr im wesentlichen darauf beschränkt, die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen lediglich zusammenfassend wieder zu geben. Das Landgericht habe überdies verkannt, dass bereits auf der Grundlage des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Dr. med. C. die Behauptung der Beklagten widerlegt worden sei, dass die unzureichende Pfannenschwenkung intraoperativ für den Beklagten zu 2) "beim besten Willen" nicht erkennbar gewesen sei. Sie ist darüber hinaus der Meinung, dass die Beklagten jedenfalls ein Übernahmeverschulden treffe. Der Stellungnahme der Beklagten vom 09. August 2009 lasse sich bereits entnehmen, dass das Klinikpersonal der Beklagten zu 1) und insbesondere der Beklagte zu 2) nicht über die erforderliche Fachkompetenz und Erfahrung verfügt habe, um eine derart komplizierte Operation durchzuführen. Die Tatsache, dass der Beklagte zu 2) die mangelnde Überdeckung während der Operation gar nicht habe feststellen könne, belege gleichfalls, dass ihm die erforderliche Qualifikation für einen derart schwierigen Eingriff gefehlt habe.

Erstmals in der Berufungsinstanz trägt die Klägerin vor, dass sie zu keinem Zeitpunkt vor der Operation über das Risiko aufgeklärt worden sei, dass sich trotz korrekter Ausführung der Osteotomie eine derart massive Verschlechterung ihrer Stand- und Gehfähigkeit habe einstellen können.

Die Klägerin beantragt,

das am 21. April 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg abzuändern und

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Februar 2007 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin zu 90 % sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aufgrund der Operation vom 28. August 2002 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen;

3. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 4.854,02 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18. Januar 2008 zu zahlen;

4. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin beginnend ab September 2007, fällig jeweils zum ersten des Monats einen Betrag in Höhe von 86,68 Euro zu bezahlen jeweils nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem ersten des Folgemonats.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurück zu weisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weitergehenden Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr. med. C. sowie dessen mündliche Anhörung im Termin der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2010. Wegen des Ergebnisses dieser ergänzenden Beweisaufnahme wird auf die zweite fachorthopädische Stellungnahme des Sachverständigen Dr. med. C. vom 11. September 2010 sowie das Sitzungsprotokoll vom 25. Oktober 2010 Bezug genommen.

B.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat im Hinblick auf das neue Tatsachenvorbringen der Klägerin zur mangelhaften Patientenaufklärung insoweit Erfolg, als das Rechtsmittel zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zu dem Erlass eines Grund- und Teilendurteils nach §§ 301, 304 ZPO führt.

Die Klage ist hinsichtlich der Klageanträge zu 1), 3) und 4) dem Grunde nach gerechtfertigt und hinsichtlich des Feststellungsantrages zu 2) begründet.

I.

1. Der Erlass eines Grundurteils ist gemäß § 304 ZPO gegenüber den Beklagten hinsichtlich der Anträge zu Ziffer 1), 3) und 4) zulässig. Die Voraussetzungen des § 304 Abs. 1 ZPO liegen vor. Der Klageanspruch ist dem Grunde und der Höhe nach streitig. Die Entscheidung über den Grund ist spruchreif; was die Höhe des Anspruchs anbelangt, sind hingegen noch weitere Beweiserhebungen zu den erlittenen gesundheitlichen Folgebeeinträchtigungen sowie hinsichtlich der materiellen Schäden erforderlich.

2. Hinsichtlich des Feststellungsantrages zu 2) ergeht ein Teilendurteil, da ein unbezifferter Feststellungsantrag nicht durch ein Grundurteil beschieden werden darf (vgl. BGH, NJW 02, 116; OLG Naumburg, Urteil vom 21. Januar 2010, 1 U 66/09 zitiert nach juris).

Die Zulässigkeit des Feststellungsantrags zu 2) begegnet nach § 256 Abs. 1 ZPO keinen Bedenken. Insbesondere verfügt die Klägerin über das erforderliche Feststellungsinteresse. Die zukünftige Schadensentwicklung ist mit Blick auf die Art und Intensität der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin derzeit noch nicht abzusehen. Aufgrund der erheblichen Gesundheitsschäden, unter denen die Klägerin infolge der rechtswidrigen Operation vom 28. August 2002 gelitten hat, kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass mit späteren Folgeschäden zu rechnen ist, auch wenn sich die im Jahre 2009 im Klinikum D. durchgeführte Revisionsoperation als erfolgreich erwiesen hat. Die Klägerin hat nach alledem ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, um die Verjährungsfrist von drei Jahren zu hemmen. Ob spätere Schadensfolgen tatsächlich auf dem operativen Eingriff vom 28. August 2002 beruhen können, bleibt dagegen der Darlegung und Beweisführung der Klägerin in einem künftigen Schadensersatzprozess vorbehalten.

II.

Ein für die Beschwerden der Klägerin kausaler Behandlungsfehler der Beklagten hat sich zwar letztlich nicht nachweisen lassen.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner (§ 840 BGB) jedoch ein Anspruch auf Ersatz ihrer materiellen und immateriellen Schäden wegen einer unzureichenden Aufklärung über das Risiko des Misslingens des operativen Eingriffs vom 28. August 2002 trotz fachgerechten Vorgehens und einer hieraus resultierenden Verschlechterung der Beschwerden aus §§ 611, 280 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB - im Hinblick auf das Prozessrechtsverhältnis gegenüber der Beklagten zu 1) - sowie mangels wirksamer Einwilligung in den Eingriff aus unerlaubter Handlung nach §§ 823, 31, 253 Abs. 2, 249 BGB dem Grunde nach zu.

1. Im Ergebnis der vor dem Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme hat die Klägerin den ihr obliegenden Beweis einer den Beklagten zurechenbaren ärztlichen Fehlbehandlung im Zusammenhang mit der am 28. August 2002 durchgeführten dreifachen Becken-Osteotomie allerdings nicht zu führen vermocht hat.

Auch auf der Grundlage der ergänzenden Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. med. C. hat sich weder feststellen lassen, dass der operative Eingriff eine ausreichende medizinische Indikation vermissen ließ, noch dass das unbefriedigende Behandlungsergebnis in Gestalt einer ungenügende Hüftkopfüberdachung, die zu der klägerseits geklagten Außendrehfehlstellung des Beines und der Einschränkung der Beugung des linken Hüftgelenkes geführt hat, auf ein unsachgemäßes intraoperatives Vorgehen des Beklagten zu 2) zurück zu führen ist.

a) Die Klägerin hat jedoch zu Recht als verfahrensfehlerhaft gerügt, dass das angefochtene Urteil eine ausreichende Auseinandersetzung mit den dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. med. C. widerstreitenden Voten des im vorprozessualen Schlichtungsverfahren mit der Schlichtungsangelegenheit betrauten Dr. med. P. vom 04. Juli 2006, 09. Januar 2007 und 21. März 2007 vermissen lässt. Der Senat hat sich deshalb zu einer Neubewertung bzw. Vervollständigung der erstinstanzlichen Tatsachengrundlage durch eine ergänzende Befragung des Sachverständigen veranlasst gesehen, um die klägerseits gerügten Widersprüche und Unstimmigkeiten zwischen den Äußerungen des gerichtlichen Sachverständigen einerseits und den Stellungnahmen des mit der Schlichtungssache betrauten Gutachters andererseits aufzuklären. Aufgrund der in sich stichhaltigen und fachlich fundierten Ausführungen des Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten vom 11. September 2010 und der mündlichen Anhörung des Sachverständigen hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass dem Beklagten zu 2) trotz des unbefriedigenden Behandlungsergebnisses ein unsachgemäßes intraoperatives Vorgehen nicht vorgeworfen werden kann.

Der Sachverständige hat sich in seinem Ergänzungsgutachten vom 11. September 2010 (Band III Blatt 34 - 42 d. A.), das er in seiner mündlichen Anhörung vom 25. Oktober 2010 vor dem Senat erläutert hat, mit dem gegenläufigen fachärztlichen Votum des im Rahmen des vorprozessualen Schlichtungsverfahrens mit der Schlichtungsangelegenheit betrauten Dr. med. P. aus dessen Stellungnahmen vom 04. Juli 2006, 09. Januar 2007 und 21. März 2007 eingehend befasst und dieses überzeugend zu entkräften vermocht. Nach sorgfältiger Auswertung der ihm zur Verfügung gestellten Behandlungsunterlagen und insbesondere der bildgebenden Dokumentation ist er zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Verbesserung der lateralen Hüftkopfüberdachung und im geringen Umfang auch der ventralen Hüftkopfüberdachung - entgegen den Darlegungen des von der Schlichtungsstelle beauftragten Dr. med. P. - tatsächlich nachzuweisen sei, die Schwenkung jedoch nicht als optimal bewertet werden könne. Auf den postoperativ am 02. und 17. September 2009 gefertigten Röntgenbildern könne eine leichte Schwenkung nach lateral in der Frontalebene sowie leicht nach ventral in der Transversalebene nachvollzogen werden. Von einer "negativen" Schwenkung bzw. Rückschwenkung in eine schlechtere als die Ausgangsposition könne nach der bildgebenden Dokumentation dagegen nicht die Rede sein. Auch die intraoperativ angefertigte Durchleuchtungsaufnahme vom 28. August 2002, 10.26 Uhr belege eine Verbesserung der Dysplasiesituation mit einer Verbesserung des Zentrierungsgrades des Hüftkopfes im Vergleich zu dem präoperativen Befund. Dass die Kopfbedeckung der Pfanne noch unzureichend gewesen sei, habe der Operateur anhand der intraoperativ gefertigten Röntgenaufnahme zwar durchaus erkennen können. Dass er gleichwohl von einem erneuten Stellungskorrekturversuch abgesehen und sich mit einer Teilkorrektur begnügt habe, sei jedoch nicht als behandlungsfehlerhaft zu bewerten, sondern der besonderen Ausgangslage und den konkreten Umständen während der Operation geschuldet. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang überzeugend begründen können, aus welchem Grund er der gegenläufigen Darstellung des Schlichtungsgutachters Dr. med. P., dass eine weitere Korrekturmaßnahme intraoperativ hätte erfolgreich vorgenommen werden können, nicht zustimmen könne. Hierzu hat er ausgeführt, dass man bei isolierter Betrachtung der auf den Röntgenbildern dokumentierten Winkelmaße zwar zu der Bewertung gelangen müsse, dass das erzielte OP-Ergebnis nicht zufriedenstellend sei. Bei einer Beurteilung des operativen Gesamtgeschehens dürfe man allerdings die spastische Vorerkrankung der Klägerin und die Voroperationen nicht ausblenden. Gerade die vorgefundene komplexe Ausgangssituation, insbesondere die spastischen motorischen Bewegungsstörungen, würden das intraoperative Vorgehen bestimmen, was auch aus dem OP-Bericht hervor gehe. Soweit in dem OP-Bericht ausgeführt worden sei, dass eine vollständige Korrektur nicht erreicht werden könne, weil anderenfalls nur noch kortikale Flächen Kontakt zum Osilium hätten, sei diese Feststellung nachvollziehbar. Der OP-Bericht lese sich so, als sei das erreicht worden, was in der konkreten Situation möglich erschienen sei. Ob durch einen erneuten Stellungskorrekturversuch eine Verbesserung der intraoperativ bereits erreichten Teilkorrektur überhaupt möglich gewesen wäre, könne der Sachverständige aus der Retrospektive nicht sicher beurteilen. Die Einschätzung des Schlichtungsgutachters Dr. med. P., zum Zeitpunkt der zweiten Kontrollaufnahme um 10.26 Uhr habe eine Verbesserung der Pfannenstellung durch eine operative Revision noch erzielt werden können, halte er daher für spekulativ. Eine Korrektur der Hüftfehlstellung sei nämlich aufgrund der bei der Klägerin vorhandenen neuromuskulären Fehlstellung mit einer generalisierenden Spastik nur mit großen Schwierigkeiten zu bewerkstelligen. Die Problematik liege bei neuromotorischen Patienten im Rahmen der Dysplasie-Chirurgie darin, dass durch die aufgrund der Spastik vorhandenen Muskelverkürzungen der Schwenkvorgang des knöchernen Pfannenfragments deutlich erschwert werde, was sich auch bei der Klägerin intraoperativ als Problem heraus gestellt habe. Der Sachverständige hat weiter nachvollziehbar ausgeführt, dass die von dem Schlichtungsgutachter Dr. med. P. - retrospektiv - aufgestellte Behauptung, durch eine Änderung der Operationsstrategie (gemeint ist: winkelöffnende Osteotomie anstelle der ausgeführten bogenförmigen Darmbeinosteotomie nach Tönnis) habe ein gutes Korrekturergebnis erzielt werden können, nicht überzeugen könne. Die in dem OP-Bericht beschriebene Vorgehensweise, nämlich die bogenförmige Darmbeinosteotomie nach Tönnis, entspreche dem fachorthopädischen Standard und sei dementsprechend nicht zu beanstanden gewesen. Gegenüber einer winkelöffnenden Osteotomie habe sie keine Nachteile geboten, zumal letztere erst seit Ende 2001 in der Fachliteratur als Modifikation bzw. technische Variante der Operationstechnik nach Tönnis beschrieben worden sei und zum Zeitpunkt der Operation in der Fachpraxis auch noch nicht als standardisiertes, allgemein anerkanntes Verfahren gegolten habe. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang im übrigen nachvollziehbar dargestellt, dass eine nachträgliche Umstellung der Operationsstrategie von dem zunächst gewählten Standardverfahren der bogenförmigen Osteotomie nach Tönnis zu einer winkelöffnenden Osteotomie intraoperativ nicht mehr möglich gewesen sei.

Im Ergebnis einer umfassenden Würdigung der einander widerstreitenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen PD Dr. med. C. einerseits und des mit der Schlichtungsangelegenheit betrauten Dr. med. P. andererseits hält der Senat die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen für überzeugend und richtig. Die Feststellungen des Sachverständigen Dr. med. C., die auf einer dichten Tatsachen- und Erkenntnisgrundlage beruhen, lassen eine differenziertere Betrachtung der Befunde und eine fachlich fundierte Durchdringung der Materie erkennen, was dem Gutachten insgesamt eine hohe Überzeugungskraft zu verleihen vermag. Der Senat hat überdies keine Veranlassung, an der Qualifikation und Fachkompetenz des Gutachters zu zweifeln. Mit Herrn Dr. med. C. stand dem Senat vielmehr ein Sachverständiger zur Verfügung, der selbst in einer großen Klinik als Chefarzt tätig ist, die als Kompetenzzentrum auf dem Gebiet der Osteotomie anerkannt ist. Es handelt sich mithin um einen Sachverständigen, der sich für die angesprochenen Fragen auch aus diesem Grund als besonders kompetent erweist, was er im Rahmen seiner Anhörung dem Senat eindrucksvoll unter Beweis stellen konnte.

b) Keine im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erheblichen Zweifel an der erstinstanzlichen Tatsachengrundlage bestehen allerdings, soweit das Landgericht den operativen Eingriff auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. C. für medizinisch indiziert angesehen hat. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass die Situation der Klägerin präoperativ durch eine anhaltende Instabilität des linken Hüftkopfes bei schwerer Überdachungsstörung geprägt gewesen sei. Dementsprechend sei es folgerichtig gewesen, bei Zunahme der typischen Beschwerden im August 2002 eine Korrektur der schweren neurogenen Hüftpfannenstellung durch eine dreifach Beckenosteotomie vorzunehmen. Der präoperative klinische und radiologische Befund habe die Notwendigkeit der operativen Behandlung ergeben.

Der Senat hegt auch insoweit keine Zweifel an der Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellungen des Sachverständigen Dr. med. C. . Der Sachverständige ist im Rahmen seiner Begutachtung von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen, die er unter Berücksichtigung seiner Fachkunde erschöpfend gewürdigt hat. Er hat die ihm zur Verfügung gestellten Röntgenbilder und sonstigen Behandlungsunterlagen umfassend und sorgfältig ausgewertet und hierauf seine nachvollziehbar begründete und stichhaltige Beurteilung gestützt. Die Ausführungen des Sachverständigen sind in sich stimmig und erkennbar von seiner Sachkunde auf dem Gebiet der Orthopädie getragen.

Die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen zur medizinischen Indikation der Beckenosteotomie stehen im übrigen im Einklang mit den Ausführungen des im Rahmen des Schlichtungsverfahrens von der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammer beauftragten Schlichtungsgutachters Dr. med. B. . Der Schlichtungsgutachter hat in seinem fachorthopädischen Gutachten vom 25. Juni 2005 (Band I Blatt 16 ff d. A.) ebenfalls festgestellt, dass die ihm zur Begutachtung zur Verfügung gestellte präoperative Röntgendokumentation das Bild einer ausgeprägten Hüftdysplasie ergeben habe, die in Verbindung mit der geklagten Beschwerdesymptomatik und der Instabilität des Hüftgelenkes eine Indikation zur dreifachen Beckenosteotomie darstelle.

c) Dass das Landgericht die technische Ausführung der Osteotomieschnitte nicht als fehlerhaft bewertet hat, begegnet gleichfalls keinen Bedenken.

Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen ist bei der Operation am 28. August 2002 eine komplette Osteotomie im Bereich aller relevanten Knochen durchgeführt worden. Die Lokalisation der Osteotomieschnitte habe der beschriebenen Technik der 3-fach-Beckenosteotomie nach Tönnis und Kalchschmidt entsprochen. Unter Bezugnahme auf die gegenläufigen Ausführungen des Dr. med. P. aus dessen Schreiben vom 09. Januar 2005 hat er hierzu des weiteren ausgeführt, dass eine Analyse der Röntgenaufnahmen ergeben habe, dass die Knochensubstanz im Rahmen der Osteotomie sowohl im Bereich des Scham- als auch des Sitzbeins wie auch des Darmbeins komplett durchtrennt worden sei. Das postoperativ unbefriedigende Stellungsergebnis des Pfannenfragments sei mithin nicht durch eine inkomplette Durchtrennung der Knochensubstanz bedingt worden. Theoretisch hätte daher aufgrund der richtigen Knochenschnitte eine unbegrenzte Rotation möglich sein müssen; praktisch sei dies jedoch wegen der Weichteile der Umgebung, insbesondere der Muskelzüge, ausgeschlossen.

Der Senat macht sich die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen nach eigener kritischer Prüfung zu eigen. Die Beurteilung des Sachverständigen zur technischen Ausführung der Osteotomieschnitte beruht auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage, denn er hat die ihm zum Zwecke der Begutachtung überlassenen Röntgenbilder einer sorgfältigen Analyse unterzogen und hat nach Auswertung der bildgebenden Dokumentation in sich stichhaltig und insgesamt überzeugend erläutert, dass die Osteotomieschnitte an den richtigen Stellen technisch einwandfrei ausgeführt worden seien. Die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen zu dem Operationsverlauf sind fachlich fundiert, in sich stimmig und nachvollziehbar. Mit den gegen sein Gutachten erhobenen Einwendungen des Klägers hat sich der Sachverständige zudem im Rahmen seiner erstinstanzlichen Anhörung überzeugend auseinander gesetzt. Dass die drei Osteotomien technisch korrekt ausgeführt worden seien, hat der Sachverständige auch nochmals im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vom 25. Oktober 2010 vor dem Senat bestätigt.

Die Ausführungen des Sachverständigen weichen in diesem Punkt auch nicht von den im Rahmen des vorprozessualen Schlichtungsverfahrens getroffenen Feststellungen ab. Der von der Schlichtungsstelle mit einer Gutachtenerstattung beauftragte Schlichtungsgutachter Dr. med. B. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17. Januar 2006 nämlich ebenfalls angegeben, dass die Operation hinsichtlich der Osteotomieschnitte technisch korrekt ausgeführt worden sei. Soweit der Sachbearbeiter der Schlichtungsstelle Dr. med. P. in seinem Abschlussbericht vom 04. Juli 2006 zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die dreifache Beckenosteotomie behandlungsfehlerhaft erfolgt sei und dies unter anderem darauf stützte, dass die Linea terminalis des Beckens ersichtlich nicht durchtrennt worden sei, hat er diesen Standpunkt nach erneuter Auswertung der intraoperativ gefertigten Röntgenbilder bei seiner anschließenden Beurteilung in dem Schreiben vom 21. März 2007 nicht mehr weiter verfolgt.

d) Die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts haben auch insoweit keiner Ergänzung bedurft, als dieses auf der Grundlage des Gutachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. med. C. vom 11. Mai 2009 von einer behandlungsfehlerfrei ausgeführten Osteosynthese ausgegangen ist.

Der Sachverständige hat hierzu überzeugend begründet, warum die im Nachgang der Osteotomie ausgeführte Osteosynthese (knöcherne Stabilisierungsmaßnahme) als ausreichend und regelrecht zu bewerten sei und letztlich auch zur Konsolidierung (Ausheilung) der knöchernen Durchtrennungsareale geführt habe. Hierzu hat er angegeben, dass sich die Technik der Osteosynthese bei der 3-fach-Beckenosteotomie durchaus als variabel erweise. Bei der Klägerin sei es trotz Fehlens einer Schambeinosteosynthese postoperativ zu einer sicheren Konsolidierung (Ausheilung) aller drei Osteotomie-Bereiche gekommen.

Die Feststellungen des Sachverständigen Dr. med. C. stimmen im übrigen auch hierzu mit dem Begutachtungsergebnis des Dr. med. B. im Schlichtungsverfahren überein. Der Schlichtungsgutachter hat in seinem Ergänzungsgutachten vom 17. Januar 2006 ausdrücklich hervor gehoben, dass das von dem Beklagten zu 2) ausgeführte Fixationsverfahren dem wissenschaftlichen Standard entsprochen habe (Band I Blatt 28 d. A.).

Der Senat hegt auch insoweit keine Zweifel an der Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts.

e) Die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen lassen schließlich auch insoweit keine Rechtsfehler erkennen, als das Landgericht - im Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme - ein unsachgemäßes und damit fehlerhaftes postoperatives Vorgehen der Beklagten in der Nachbehandlungsphase als nicht erwiesen angesehen hat.

aa) Einen die Schadensersatzhaftung der Beklagten auslösenden Behandlungsfehler kann die Klägerin insbesondere nicht darauf stützen, dass sie aus der stationären Behandlung der Beklagten am 13. September 2009 entlassen worden sei, obwohl sich an der Operationsnarbe ein Entzündungsherd gebildet habe. Diese von Beklagtenseite in prozessual beachtlicher Weise bestrittene Tatsachenbehauptung einer Entlassung trotz bekannter Wundinfektion hat sie schon nicht unter einen geeigneten Beweis gestellt. Soweit die Klägerin die sie seinerzeit behandelnde Hausärztin Frau Dr. med. Pn. als Zeugin zu dem Entzündungsvorgang benannt hat, hat sich dieser Beweisantritt der Klägerin allerdings erkennbar nicht auf den Zustand der Narbe am Entlassungstag bezogen. Dem diesbezüglichen Vorbringen der Klägerin lässt sich vielmehr entnehmen, dass die Klägerin die Zeugin erst eine Woche nach ihrer Entlassung wegen der Entzündung konsultierte und diese die erneute Einweisung der Klägerin in das Klinikum der Beklagten zu 1) veranlasste. Die von der Klägerin benannte Zeugin Dr. med. Pn. kann dementsprechend zu dem tatsächlichen Befund am Entlassungstag, den 13. September 2002, keine Aussage treffen. Dass bereits im Zeitpunkt der Entlassung ein Entzündungsprozess an der Narbe bekannt gewesen und die Entlassung ungeachtet dessen veranlasst worden sei, lässt sich der Patientendokumentation (Entlassungsbericht vom 13. September 2002) im übrigen an keiner Stelle entnehmen.

Darüber hinaus hat die Klägerin letztlich auch versäumt darzulegen, dass und inwiefern sich eine frühere Diagnose und Behandlung der Wundinfektion im Zeitpunkt der Entlassung auf den weiteren Heilungsverlauf und den von ihr geklagten Einschränkungen ihrer Mobilität habe auswirken können. Zu dem haftungsbegründenden Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Behandlungsfehler bei Entlassung der Klägerin und den erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen verhält sie sich nicht ansatzweise. Dass die Wundheilstörung nach erneuter stationärer Aufnahme nicht fach- und sachgerecht behandelt worden sei, behauptet die Klägerin mit ihrer Klage selbst auch nicht. Dem von ihr zur Akte gereichten Schlichtungsgutachten des Schlichtungsgutachters Dr. med. B. lässt sich hierzu vielmehr entnehmen, dass die Infektion, deren Eintreten als schicksalhaft zu bewerten sei, im Klinikum der Beklagten nach medizinischem und wissenschaftlichen Standard behandelt worden sei.

bb) Eine haftungsbegründende Fehlbehandlung kann die Klägerin schließlich auch nicht daraus herleiten, dass die im Rahmen des Primär-Eingriffs eingebrachten Schrauben und Drähte bereits im Januar 2003 in einer Nachfolgeoperation entfernt wurden. Eine verfrühte, den Behandlungserfolg insgesamt gefährdende Materialentfernung hat das Landgericht im Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme mit Recht verneint. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. med. C. hat hierzu im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vom 03. März 2010 ausgeführt, dass es fachärztlichen Standard entspreche, das eingebrachte Metall dann zu entfernen, wenn der Knochen über eine ausreichende Festigkeit verfüge. Hiervon seien die Beklagten nach Auswertung der Röntgenbilder im Zeitpunkt der Nach-OP im Januar 2003 zu Recht ausgegangen.

Der Senat sieht keinen Anlass, diese nach sorgfältiger Analyse der postoperativ gefertigten Röntgenbilder getroffene und ersichtlich von der Fachkunde des Sachverständigen getragene Feststellung in Frage zu stellen. Die Klägerin hat die diesbezüglichen Ausführungen mit ihrer Berufung auch selbst nicht weiter angegriffen.

f) Die Klägerin hat ihren Ersatzanspruch schließlich auch nicht auf ein Übernahmeverschulden der Beklagten stützen können.

Die Tatsache, dass sich der Beklagte zu 2) trotz der wegen des Grundleidens der Klägerin ausgesprochen komplizierten Ausgangssituation die Dreifach-Beckenosteotomie zugetraut und die Klägerin nicht an eine auf Operationen dieser Art spezialisierte Klinik in D. oder W. verwiesen hat, begründet keinen haftungsauslösenden Behandlungsfehler.

aa) Einem Arzt obliegt grundsätzlich die Pflicht, eine ärztliche Behandlung nur aufgrund hinreichender allgemeiner und spezieller Fachkenntnisse vorzunehmen. Er hat daher bei der Übernahme der Behandlung oder vor Durchführung einer Operation stets zu prüfen, ob er die erforderlichen praktischen und theoretischen Kenntnisse besitzt und über die für die konkrete Behandlung erforderliche technisch-apparative Ausstattung verfügt, um die voraussichtlich erforderlich werdende Behandlung oder den Eingriff entsprechend dem Stand der medizinischen Erkenntnisse zum Zeitpunkt des Eingriffs durchzuführen. Die Bejahung eines Übernahmeverschuldens hängt davon ab, ob der Arzt nach der bei ihm vorhandenen Qualifikation und den Erfahrungen Bedenken gegen die Übernahme der Verantwortung für die Behandlung hätte haben und eine Gefährdung des Patienten hätte voraussehen müssen. Es kommt mithin darauf an, ob er sich unter den Umständen des Falles darauf verlassen durfte, dass der vorgesehene Eingriff bzw. die Behandlung ihn nicht überforderte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1994, VI ZR 299/ 93, NJW 1994, 3008 - 3009 zitiert nach juris; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdn. B 106 m.w.N.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Kapitel B, I. Rdn. 11 m.w.N.). Zur Überweisung des Patienten an eine Spezialklinik ist er dann verpflichtet, wenn ein erforderlicher Eingriff nur dort ohne bzw. bei erheblich verminderten Komplikationsrisiko vorgenommen werden kann und eine besondere Dringlichkeit für den Eingriff nicht besteht (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 15. Dezember 1983, 8 U 67/82, MedR 1985, 85 - 87 zitiert nach juris).

bb) Anhaltspunkte, die auf ein Übernahmeverschulden der Beklagten hinweisen könnten, sind im vorliegenden Fall indessen weder hinreichend dargetan, noch bewiesen. Es hat nichts dagegen gesprochen, dass der Beklagte zu 2) die eigenverantwortliche Leitung der Operation übernommen hat.

Die Operation der Klägerin mag sich mit Blick auf deren Grundleiden zwar als ausgesprochen kompliziert dargestellt haben, wie auch der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. med. C. in seinem Gutachten vom 10. Mai 2009 bestätigt hat. Dass die komplizierte Operation zur Vermeidung etwaiger Risiken aber nur in einer auf diesem Gebiet der neurogenen Hüftdysplasie besonders renommierten und erfahrenen Schwerpunkt - Spezialklinik ausgeführt werden konnte, vermag der Senat nicht festzustellen. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass der Beklagte zu 2) nicht über die erforderliche Fachkompetenz und Erfahrung zur Vornahme der Dreifach-Osteotomie verfügte und auch die Klinik der Beklagten zu 2) nicht die gebotene personelle und apparative bzw. technische Ausstattung vorhielt, um auf etwaige Komplikationen während des Eingriffs angemessen reagieren zu können. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat hierzu bereits in erster Instanz vielmehr überzeugend ausgeführt, dass es aus seiner Sicht 10 bis 20 Osteotomie-Operationen im Jahr bedürfe, um auf diesem Fachgebiet eine Basisroutine zu entwickeln. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten wird in der Klinik der Beklagten zu 1) diese Anzahl an Osteotomien im Jahr erreicht, so dass sich zumindest eine Basisroutine hat einstellen können. Der Sachverständige ist zu der Bewertung gelangt, dass es nach seiner fachlichen Einschätzung und beruflichen Erfahrung durchaus vertretbar erschien, die Operation in der Klinik in M. durchzuführen.

Die fachlich fundierten Ausführungen des Sachverständigen zu der für einen Eingriff dieser Art erforderlichen Fachkompetenz vermögen zu überzeugen. Er hat aufgrund seiner eigenen Sachkunde und beruflichen Qualifikation als Chefarzt einer auf Dreifach-Osteotomien spezialisierten Schwerpunktklinik und nach vorheriger Analyse der Behandlungsunterlagen einschätzen können, ob in einer orthopädische Fachklinik wie der Beklagten zu 1) ausreichende Spezialkenntnisse und chirurgische Erfahrungen vorliegen können, um bei einer Operation dieser Art den gebotenen fachärztlichen Behandlungsstandard gewährleisten zu können. Die Auswertung der Operationsberichte und sonstigen Behandlungsdokumentation hat den Sachverständigen im konkreten Fall keine Veranlassung geboten, von dieser Einschätzung abzurücken.

2. Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche stehen der Klägerin gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aber unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Aufklärung über die Erfolgsaussichten und Risiken des operativen Eingriffs aus dem Behandlungsvertrag der Parteien nach §§ 611, 280 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB bzw. mangels einer wirksamen Einwilligung aus Delikt nach §§ 823 Abs. 1, 31, 249, 253 Abs. 2 BGB zu.

Den Beklagten ist im Streitfall eine unzureichende Aufklärung über das Misserfolgsrisiko der Operation und insbesondere die Gefahr einer Verschlimmerung der Beschwerden der Klägerin vorzuwerfen mit der Folge, dass die Einwilligung der Klägerin in die Operation unwirksam war und die Beklagten für die aus dem Eingriff resultierenden Gesundheitsbeschädigungen der Klägerin einzustehen haben.

a) Soweit die Klägerin ihren Ersatzanspruch erstmals in der Berufungsinstanz auch auf eine unzureichende Aufklärung über die Risiken einer Dreifach-Osteotomie stützt und insoweit vorträgt, dass sie vor der Operation zu keinem Zeitpunkt darüber unterrichtet worden sei, dass sich selbst bei korrekter und fehlerfreier Ausführung des Eingriffs eine massive Verschlechterung ihres gesundheitlichen Befindens habe einstellen können, ist dieses Tatsachenvorbringen zwar als neu im Sinne der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zu bewerten. Das erstmals mit der Berufung behauptete Aufklärungsversäumnis ist jedoch gleichwohl im zweiten Rechtszug - ungeachtet der Zulassungsvoraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO - zu berücksichtigen gewesen. Denn die Beklagten haben die Behauptung der Klägerin, sie sei über die Gefahr des Misslingens der Operation und der Möglichkeit einer Verschlimmerung ihrer Beschwerden präoperativ nicht aufgeklärt worden, weder in der Berufungserwiderung, noch im Termin der mündlichen Verhandlung in Abrede gestellt. Die Beklagten haben sich im Hinblick auf die Reichweite der präoperativ durchgeführten Aufklärung lediglich auf das den Krankenakten beigefügte Einwilligungsformular bezogen, in dem einzelne Operationsrisiken und Komplikationen handschriftlich eingefügt worden sind. Das Risiko einer massiven Verschlimmerung der Beschwerden und eines weiteren Verlustes an Mobilität geht aus dem Aufklärungsbogen hingegen nicht hervor. Der Behauptung der Klägerin, sie sei nicht darauf hingewiesen worden, dass selbst bei fachgerechter Ausführung des Eingriffes die Gefahr einer Verschlechterung ihrer Situation, insbesondere eines Rückschrittes an Mobilität bestanden habe, sind die Beklagten nicht entgegen getreten. Das Vorbringen ist unstreitig geblieben.

Der Ausschluss neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsrechtszug gilt, auch soweit sie im ersten Rechtszug aus Nachlässigkeit nicht geltend gemacht worden sind, aber gerade nicht für unstreitige Tatsachen. Aus einer die Zwecke des Zivilprozesses und der Präklusionsvorschriften berücksichtigenden Auslegung der § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 ZPO folgt, dass unter "neue Angriffs- und Verteidigungsmittel" im Sinne des § 531 ZPO lediglich streitiges und beweisbedürftiges Vorbringen fällt. Unstreitige neue Tatsachen können hingegen - im Interesse an einer zutreffenden Tatsachenfeststellung und damit einer materiell gerechten Entscheidung - unabhängig von den Zulassungsvoraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO jederzeit in das Berufungsverfahren eingeführt werden und sind dementsprechend von dem Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. BGH MDR 2005, 527 zitiert nach juris; BGH NJW 2009, 2532 zitiert nach juris; Heßler in Zöller, ZPO, 28. Aufl. § 531 ZPO Rdn. 20 m.w.N.).

b) Zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts der Klägerin waren die Beklagten verpflichtet, die Klägerin in angemessener Form auch darüber in Kenntnis zu setzen, dass selbst bei fehlerfreier Durchführung des Eingriffs eine Verschlechterung ihres Befindens nicht auszuschließen war und sie in diesem Fall den vorhandenen Rest an Mobilität verlieren und in ihrer Entwicklung um Jahre zurück geworfen würde (vgl. BGH VersR 1987, 667 - 668 zitiert nach juris; BGH VersR 1981, 532 - 533 zitiert nach juris; OLG Stuttgart VersR 1998, 637 - 638 zitiert nach juris; OLG Hamm, Urteil vom 05. November 2003, 3 U 102/03 zitiert nach juris; OLG Koblenz MDR 2004, 881 - 882 zitiert nach juris; Martis/ Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdn. A 1060 ff; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Kapitel C Rdn. 41 ff).

Die Klägerin hatte mit ihrer Behinderung jahrelang gelebt und sich auf diese eingerichtet. Der Versuch einer operativen Korrektur war bei ihr angesichts der komplexen Ausgangslage mit einen nicht unerheblichen Risiko des Fehlschlagens behaftet, was für die Klägerin mit nicht unerheblichen Belastungen verbunden sein konnte, und es bestand überdies die Gefahr, die sich bei der Klägerin auch verwirklicht hatte, dass sich ihr Zustand deutlich verschlechtern würde. Über diese Gefahr eines Mißlingens der Operation mit der Folge einer Verschlimmerung ihrer Situation hätte die Klägerin aber in angemessener Weise belehrt werden müssen, um ihr eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob sie den Eingriff wagen oder lieber abwarten und mit ihren bisherigen Beschwerden einstweilen weiter leben wollte (vgl. BGH VersR 1987, 667-668 zitiert nach juris; BGH VersR 1981, 532-533 zitiert nach juris). Denn nur auf der Grundlage einer umfassenden Aufklärung über die Tragweite des Eingriffs und dessen Risiken ist die Klägerin zu einer umfassenden und informierten Risikoabwägung in der Lage gewesen, was aber eine unabdingbare Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung darstellt. Die Einwilligung der Klägerin in die OP ist nämlich nur dann geeignet, dem Eingriff als selbstbestimmte medizinische Behandlung Rechtmäßigkeit zu verleihen, wenn sie auch die Tragweite ihrer Zustimmung zur Zeit der Abgabe der Erklärung auch erkannte (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 11. Juli 2006, 1 U 1/06 zitiert nach juris). Die Beklagten waren insoweit gehalten, der Klägerin alle Fakten für die Abwägung von Nutzen und Risiken der Operation im Sinne einer Schadens-Nutzen-Relation an die Hand zu geben, um sicher zu gehen, dass sie sich über die Erfolgschancen der geplanten Operation und über das, was sie im Falle eines Fehlschlagens auf sich nehmen muss, keine Illusionen machen konnte. Denn es ist nicht auszuschließen, dass der Patient - angesichts des Risikos einer postoperativen Verschlimmerung seines Zustandes - die bestehenden Beschwerden möglicherweise nicht als derart belastend empfindet, dass er sich einer Operation auch tatsächlich aussetzen will. Ohne entsprechende Belehrung bliebe es für einen medizinischen Laien wie die Klägerin hingegen völlig überraschend, dass gerade diejenige Behandlung, von der sie sich Heilung erwartet, zu einer Verschlimmerung ihrer Beschwerden führt. Der gerichtliche Sachverständige Dr. med. C. hat im Rahmen seiner mündlichen Anhörung - auf der Grundlage seiner beruflichen Erfahrungen als Oberarzt einer auf dem Fachgebiet der Osteotomie deutschlandweit renommierten Fachklinik ebenfalls bestätigt, dass es gerade angesichts der Komplexität des Eingriffs im Rahmen einer ordnungsgemäßen Aufklärung auch eines Hinweises auf das Risiko einer Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes der Klägerin bedurft hätte, der hier jedoch - unstreitig - unterblieben ist.

Dieses Aufklärungsversäumnis ist den Beklagten anzulasten. Der Beklagte zu 2) durfte sich als verantwortlicher Operateur insbesondere nicht darauf verlassen, dass in dem vorausgegangenen, von dem Assistenzarzt Dr. med. M. geführten Aufklärungsgespräch eine ausreichende Risikoaufklärung über die Gefahr der Verschlechterung der Beschwerden erfolgt ist, zumal sich dies gerade nicht aus dem Aufklärungsbogen ergab. Wird - wie hier - aus dem Einwilligungsformular ersichtlich, dass bestimmte, nicht unerhebliche Risiken nicht angesprochen worden sind, obliegt es dem Operateur, dies rechtzeitig nachzuholen und die Aufklärung hinreichend zu vervollständigen (vgl. BGH NJW 2007, 217, 219; OLG Koblenz VersR 2009, 1077, 1078/ 1079 zitiert nach juris; Martis/ Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdn. A 1752, A 1753).

Die unzulängliche Aufklärung durch die Beklagten hat die Rechtswidrigkeit des vorgenommenen Eingriffs zur Folge, da die ohne ausreichende Belehrung über die relevanten Risiken erteilte Einwilligung der Klägerin unwirksam ist. Die Beklagten behaupten nämlich selbst auch nicht, dass die Klägerin auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die Risiken in den operativen Eingriff in jedem Fall gleichwohl eingewilligt hätte. Die persönliche Anhörung der Klägerin hat dem Senat ebenfalls nicht den Eindruck vermittelt, dass sie sich in der Klinik der Beklagten zu 1) durch den Beklagten zu 2) hätte operieren lassen, wenn sie um die Gefahr einer Verschlechterung ihres bisherigen Zustandes gewusst hätte.

c) Der mithin nicht durch eine rechtmäßige Einwilligung der Klägerin gedeckte und damit rechtswidrige Eingriff der Beklagten hat bei der Klägerin auch unstreitig zu einer klinischen Verschlechterung ihres Gangbildes und der Standsicherheit geführt. Auf die Behandlung sind eine Außendrehfehlstellung des Beines sowie eine Einschränkung der Beugung der linken Hüfte zurück zu führen. Durch die veränderte Pfannenposition ist nämlich eine verstärkte Außendrehfehlstellung des Beines eingetreten. Dies ist in den Behandlungsunterlagen sowie dem Schlichtungsgutachten des Prof. Dr. med. B. vom 25. Juni 2005 ausreichend dokumentiert und wird von den Beklagten letztlich auch nicht in Zweifel gezogen. Eine haftungsbegründende Kausalität zwischen dem Aufklärungsversäumnis und dem primär eingetretenen Gesundheitsschaden kann hier nach alledem ohne weiteres bejaht werden.

Da es aufgrund des Aufklärungsmangels an einer rechtswirksamen Einwilligung in die Dreifach-Beckenosteotomie gefehlt hat, kann die Klägerin von den Beklagten als Gesamtschuldner nach alledem zum Ausgleich für die erlittenen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen dem Grunde nach ein angemessenes Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB sowie Ersatz der geltend gemachten materiellen Schäden beanspruchen.

III.

Da die Höhe der auf Schmerzensgeldzahlung und Schadensersatzleistung gerichteten Ansprüche der Klägerin allerdings noch einer weiteren Sachaufklärung bedarf, hat der Senat ein Grundurteil gemäß § 304 ZPO und ein Teilurteil nach § 301 ZPO hinsichtlich des Feststellungsantrages zu 2) erlassen.

Dem nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässigen Feststellungsantrag der Klägerin ist nach dem Vorgesagten auch in der Sache ein Erfolg beschieden, weil die Klägerin über die Tragweite und Risiken der Operation (Gefahr einer Verschlechterung des Beschwerdebildes auch bei kunstgerechter Ausführung des Eingriffs) nicht hinreichend aufgeklärt wurde und es insoweit an der Grundlage für eine rechtswirksame Einwilligung in die Behandlung fehlte.

Den Eintritt eines auf den operativen Eingriff zurückgehenden weitergehenden, zukünftigen Schadens kann der Senat nicht ausschließen, auch wenn die im Jahre 2009 in dem Klinikum D. durchgeführte Revisionsoperation erfolgreich verlaufen ist.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.