BGH, Urteil vom 19.04.2002 - V ZR 3/01
Fundstelle
openJur 2010, 4120
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 28. November 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger und J. R. verkauften als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein ihnen gehörendes Grundstück in B. -

S. mit notariell beurkundetem Vertrag vom 24. Juli 1998 an den Beklagten. Das Grundstück war in Abteilung III des Grundbuchs zugunsten der Bayerischen Handelsbank AG mit einer Grundschuld über 1.950.000 DM belastet. Der Kaufpreis in Höhe von 1.300.000 DM sollte vollständig durch Übernahme der der Grundschuld zugrunde liegenden Verbindlichkeit beglichen werden. Im Fall eines Scheiterns der Schuldübernahme und der dann nach Maßgabe von § 2 Abs. 4 des Kaufvertrages vereinbarten Fälligkeit des Kaufpreises sollte der Beklagte die Verkäufer gegenüber der Bayerischen Handelsbank AG hinsichtlich etwaiger Ansprüche auf Vorfälligkeitsentschädigung -bezogen auf den Valutenstand bei Vertragsabschluß -freistellen, sofern die Bank die Schuldübernahme aus Gründen ablehnt, die in der Person des Käufers liegen. Die Bank lehnte eine Schuldübernahme durch den Beklagten ab und berechnete die Vorfälligkeitsentschädigung für einen Betrag von 1.300.000 DM mit 83.634,83 DM. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26. Mai 1999 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 11. Juli 1999 zur Zahlung dieses Betrages auf. Der Beklagte lehnte dies ab, weil die Berechnung nicht prüffähig sei.

Mit der Behauptung, die Bayerische Handelsbank AG habe die Übernahme des Darlehens aufgrund der erfolgten Bonitätsprüfung abgelehnt, worauf er an sie zur Ablösung 83.634,38 DM gezahlt habe, hat der Kläger auch aus abgetretenem Recht des Mitgesellschafters R. beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 83.634,38 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht meint, es könne dahinstehen, ob dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der Vorfälligkeitszinsen zustehe. Jedenfalls habe er einen solchen Anspruch nicht schlüssig dargetan. Der Beklagte sei nach § 11 Abs. 2 des Vertrages nur verpflichtet, den Kläger von begründeten Ansprüchen der Bank auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung freizustellen. Den geltend gemachten Betrag in Höhe von 83.634,38 DM habe der Kläger indes nicht nachvollziehbar dargetan. Die Bezugnahme auf die Aufstellung der Bank vom 16. April 1999 sei dafür unzureichend. Aus ihr ergebe sich die Berechnungsweise nicht und die Berechnung könne aufgrund der angegebenen Zinsen, Abzinsungstage und Abzinsungssätze auch nicht nachvollzogen werden. Dies ergebe sich auch daraus, daß die von der Bank vorgenommene Berechnung sich auf den 20. Dezember 1998 beziehe, während der Beklagte nach dem Vertrag eine auf den 24. Juli bezogene Vorfälligkeitsentschädigung schulde.

II.

Die Revision hat Erfolg.

1.

Das Berufungsgericht läßt offen, ob dem Kläger gegen den Beklagten grundsätzlich ein Anspruch auf Erstattung von an die Bank gezahlten Vorfälligkeitszinsen zusteht. Es unterstellt damit, daß die Bank die Genehmigung zur befreienden Schuldübernahme aus Gründen verweigert hat, die in der Person des Beklagten liegen, und daß der Kläger die geltend gemachte Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank gezahlt hat. Hiervon ist demnach bei der revisionsgerichtlichen Prüfung auszugehen.

2.

Fehlerfrei legt das Berufungsgericht § 11 des Kaufvertrages außerdem dahin aus, daß von der Freistellungsverpflichtung nur begründete Ansprüche der Bank auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung erfaßt werden.

3.

Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht dagegen darin, daß bei einem möglichen Schadensersatzanspruch die Darlegungslast dafür, daß der von der Bank geltend gemachte Vorfälligkeitsentschädigungsanspruch der Höhe nach begründet ist, bei dem Kläger liege. Denn eine Verletzung der Freistellungsverpflichtung führt nicht dazu, daß der Freizustellende auf seine Gefahr zu prüfen hat, ob die Ansprüche des Drittgläubigers zu Recht bestehen. Der Gefahr, entweder eine unbegründete Forderung zu erfüllen oder sich wegen einer begründeten Forderung mit Klage überziehen zu lassen, soll der Freizustellende nach dem Sinn der Freistellung gerade enthoben sein. Verweigert der Freistellungsschuldner daher die Freistellung und stellt der Freistellungsgläubiger den Dritten deswegen selbst frei, so kann der Freistellungsschuldner gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Freistellungsgläubigers nicht mehr einwenden, daß dieser die Forderung des Dritten zu Unrecht befriedigt habe (BGH, Urt. v. 24. Juni 1970, VIII ZR 268/67, NJW 1970, 1594, 1596). Dies setzt allerdings voraus, daß dem Freistellungsschuldner Gelegenheit gegeben wurde, seiner Freistellungsverpflichtung durch Verhandlungen mit dem Drittgläubiger nachzukommen. Denn für den Freistellungsanspruch ist es gerade typisch, daß der gegen den Freistellungsgläubiger erhobene Anspruch abgewehrt werden soll. Die Nichterfüllung der Abwehrpflicht hat daher grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des Verzugs oder der positiven Forderungsverletzung einen Schadensersatzanspruch zur Folge (BGH, Urt. v.

19. Januar 1983, IVa ZR 116/81, NJW 1983, 1729, 1730). Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Wenn der Kläger dem Beklagten aber keine Gelegenheit eingeräumt hat, ihn von dem Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung gemäß der Berechnung der Bank freizustellen, der Kläger den ihm von der Bank berechneten Betrag vielmehr selbst an diese gezahlt und den Beklagten mit Schreiben vom 26. Mai 1999 auf Erstattung dieses Betrages in Anspruch genommen hat, kommt als Anspruchsgrundlage nicht ein Schadensersatzanspruch, sondern nur ein Aufwendungsersatz- oder Bereicherungsanspruch wegen berechtigter oder unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht (§§ 683, 667 oder 684, 812 BGB). Für einen solchen Anspruch verbleibt es dann allerdings bei der von dem Berufungsgericht angenommenen Darlegungslast des Klägers. Er muß also darlegen, daß ein Vorfälligkeitsentschädigungsanspruch in der geltend gemachten Höhe entstanden ist, weil nur insoweit dessen Tilgung dem mutmaßlichen Willen des Beklagten entsprach oder dieser hierdurch bereichert ist. Das hat er durch Bezugnahme auf die KAPO -Berechnung der Bank vom 16. April 1999 ausreichend getan. Daß das Berufungsgericht diese Berechnung nicht nachvollziehen kann, läßt sie noch nicht hinreichend als unschlüssig erscheinen. Etwas anderes hätte nur dann zu gelten, wenn sich auch mit sachverständiger Hilfe nicht hätte klären lassen, ob und inwieweit das für die Berechnung grundsätzlich geeignete KAPO - Programm (BGH Urt. v. 7. November 2000, XI ZR 27/00, WM 2001, 20, 24) richtig angewendet wurde. Das hat das Berufungsgericht aber nicht dargelegt. Daß sich die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht auf den Valutenstand zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses (20. Juli 1998), sondern auf den 20. Dezember 1998 bezieht, reicht nicht aus, um die Berechnung als unschlüssig erscheinen zu lassen. Denn insoweit hätte das Berufungsgericht von der ihm durch § 287 Abs. 2 ZPO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen können, wenn es nicht einen entsprechenden Hinweis an den Kläger für erforderlich hielt.

Da das angefochtene Urteil nach alledem mit der gegebenen Begründung keinen Bestand hat, ist es aufzuheben und die Sache zwecks weiterer Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.