VG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 13.11.2012 - 11 K 2433/12
Fundstelle
openJur 2013, 15986
  • Rkr:

Einer Entscheidung durch den Einzelrichter - § 6 Abs. 1 VwGO - mittels Gerichtsbescheid - § 84 Abs. 1 VwGO - steht nicht unbedingt entgegen, dass das Bundesverwaltungsgericht in einem ähnlichen Zusammenhang den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung angerufen hat.Ein Auskunftsanspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 (Bundes-)IFG gegenüber einem örtlichen Finanzamt in Baden-Württemberg besteht nicht, weil das beklagte Land bzw. das örtliche Finanzamt als dessen Vertreter von den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erfasst wird.Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über die Finanzverwaltung - FVG - handelt es sich bei den örtlichen Finanzämtern um Landesbehörden.Groteske Ergebnisse müssen im Föderalismus mitunter hingenommen werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des beklagten Landes, vertreten durch das örtliche Finanzamt, ihm eine Auskunft auf der Grundlage des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - im Folgenden: IFG) vom 05.09.2005 (BGBl. I, S. 2722) zu erteilen.

Der Kläger ist durch Beschluss des zuständigen Amtsgerichts zum Insolvenzverwalter einer GmbH bestellt. Den vorausgegangenen Insolvenzantrag hatte die Beklagte selbst gestellt, wegen erheblicher Steuerforderungen gegen die Schuldnerin.

Im Rahmen seiner Tätigkeit stellte der Kläger fest, dass die Schuldnerin spätestens seit 1993 bilanziell überschuldet war und die Beklagte hierüber, aufgrund der ihr vorliegender Bilanzen, auch unterrichtet war. Infolge dessen hat der Kläger Steuerzahlungen der Schuldnerin an die Beklagte für die Zeiträume 2008 bis 2010 insolvenzrechtlich angefochten und die Beklagte hat insoweit auch (Rück-)Zahlungen geleistet. Ebenfalls angefochten hat der Kläger steuerliche Zahlungen der Schuldnerin für die Zeiträume 2001 bis 2005. Insoweit hat die Beklagte eine Überprüfung in Aussicht gestellt.

Aufgrund fehlender Geschäftsunterlagen der Schuldnerin für die Jahre 2006 und 2007 ist dem Kläger nicht bekannt, welche steuerlichen Zahlungen die Schuldnerin während dieser beiden Jahre geleistet hat. Er beabsichtigt, auch diese Zahlungen anzufechten.

Mit Schreiben vom 27.06.2012 beantragte der Kläger daher bei der Beklagten, ihm Auskunft für den Zeitraum 01.01.2006 bis 31.12.2007 durch Herausgabe von Jahreskontenauszügen zu erteilen.

Mit Antwortschreiben vom 18.07.2012 teilte die Beklagte mit, nach einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 17.12.2008 sei eine Auskunftserteilung zu verneinen, wenn die Auskunft dazu dienen kann, zivilrechtliche Ansprüche gegen den Bund oder ein Land durchzusetzen und Bund oder Land zivilrechtlich nicht verpflichtet sind Auskunft zu erteilen (z. B. Insolvenzanfechtung).

Der Kläger hat am 24. Juli 2012 das Verwaltungsgericht angerufen. Zur Begründung beruft er sich darauf, die Beklagte sei dem Kläger gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG zur Auskunftserteilung verpflichtet. Das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen stehe dieser Rechtspflicht nicht entgegen. Die Rechtsprechung habe einen Auskunftsanspruch ausdrücklich auch dann bejaht, wenn es darum gehe, nach dem Insolvenzrecht anfechtbare Vermögensverschiebungen aufzudecken. Auch dies diene der Kontrolle staatlichen Handelns.

Die Beklagte ist der Klage zunächst unter Hinweis darauf entgegengetreten, eine förmliche Ablehnung eines Antrages nach dem IFG sei noch gar nicht erfolgt. Das Schreiben vom 18.07.2012 sei lediglich als Ablehnung eines zivilrechtlichen Anspruches gemeint gewesen. Im Übrigen richte sich das vom Kläger herangezogene IFG ausdrücklich nur an Bundesbehörden. Das Finanzamt als Landesbehörde sei von etwaigen Auskunftspflichten nach diesem Gesetz aber nicht erfasst. Zwar hätten eine überwiegende Zahl der Bundesländer inzwischen eigene Landes-Informationsfreiheitsgesetze erlassen. Gerade Baden-Württemberg habe aber kein solches Landes-IFG.

Der Kläger beruft sich im Folgenden darauf, das IFG des Bundes müsse auch hier Anwendung finden. Die Schuldnerin habe an die Beklagte ausschließlich Beiträge zur Einkommensteuer und zur Umsatzsteuer abgeführt. Deren Aufkommen stehe dem Bund und den Ländern gemeinsam zu. Insoweit nehme die Beklagte daher auch Interessen des Bundes wahr. Soweit das Finanzamt Bundesinteressen wahrnehme, handele die Beklagte folglich für die Bundesbehörde. Daher müsse auch das IFG des Bundes Anwendung finden.

Der Kläger beantragt (bei Korrektur eines offensichtlichen Schreibversehens bei der Jahreszahl),

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Auskunft durch Herausgabe von Jahreskontoauszügen darüber zu erteilen, wann und in welcher Höhe die Beklagte im Zeitraum 01.01.2006 bis 31.12.2007 von der Fa. ... ... GmbH Zahlungen auf die Steuernummer .../... erhalten hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze und die Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Das Gericht konnte - nach einem Übertragungsbeschluss gemäß § 6 Abs. 1 VwGO - durch den Einzelrichter und dabei ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 VwGO vorliegen und die Beteiligten hierzu gehört wurden. Der Vorgehensweise nach § 6 Abs. 1 bzw. § 84 Abs. 1 VwGO steht nicht entgegen, dass das Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits möglicherweise merkwürdig anmutet (dazu sogleich) bzw. in einem ähnlichem Zusammenhang das Bundesverwaltungsgericht jüngst mit Beschluss vom 15.10.2012 (- 7 B 2.12 -, ) den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung angerufen hat. Denn jedenfalls auf der Grundlage der in Baden-Württemberg geltenden Rechtsvorschriften liegen hier keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art und auch keine grundsätzliche Bedeutung vor.

Die - inzwischen nach § 75 VwGO - zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat den von ihm geltend gemachten Auskunftsanspruch nach dem IFG nicht, weshalb das Gericht die Beklagte auch nicht entsprechend verpflichten konnte.

Nach der Klageschrift vom 23.07.2012 und der weiteren Klagebegründung vom 25.10.2012 steht vorliegend allein ein Auskunftsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten nach dem (Bundes-)IFG in Streit. Ob der Kläger darüber hinaus einen - gegebenenfalls ungeschriebenen - Akteneinsichtsanspruch auf der Grundlage der Abgabenordnung hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.10.2012, a.a.O.), der vor den Finanzgerichten geltend zu machen wäre, oder ob er etwa einen insolvenzrechtlichen Auskunftsanspruch, beispielsweise mit Blick darauf besitzt, dass es gerade die Beklagte war, die das Insolvenzverfahren hier beantragt hat, der vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen wäre, war hier nicht zu entscheiden.

Ein Auskunftsanspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 (Bundes-)IFG besteht aber schon deshalb nicht, weil das beklagte Land Baden-Württemberg bzw. das örtliche Finanzamt als dessen Vertreter von den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erfasst wird. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. vom 15.10.2012, a.a.O.) im dortigen Verfahren, der mit dem vorliegenden Rechtsstreit nahezu identisch ist, seiner Prüfung auch - allein - die landesrechtliche Vorschriften des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes (nunmehr Hamburgisches Transparenzgesetz) zugrunde gelegt.

Zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, da das Aufkommen an Einkommensteuer und Umsatzsteuer, hinsichtlich derer Zahlungsauskünfte begehrt sind, jedenfalls teilweise auch dem Bund zustehen, müsse sich die Beklagte in funktionalem Sinne als Bundesbehörde betrachten lassen. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (Finanzverwaltungsgesetz - FVG) handelt es sich bei den örtlichen Finanzämtern um Landesbehörden. Lediglich für den Bereich der Kraftfahrzeug-Steuer findet sich in § 18a Abs. 1 Satz 2 FVG eine (Übergangs-)Bestimmung, wonach die Finanzämter insoweit als Bundesbehörden tätig werden. Eine Erweiterung dieser Ausnahmevorschrift auf den Bereich der Einkommen- bzw. Umsatzsteuer scheidet aus. Daher ist das (Bundes-)IFG auf die Beklagte bzw. die baden-württembergische Landesfinanzverwaltung im vorliegenden Zusammenhang nicht anwendbar.

Aus dem Umstand, dass Baden-Württemberg als eines von wenigen Bundesländern kein eigenes landesrechtliches Informationsfreiheitsgesetz besitzt, folgt nichts anderes, insbesondere kein Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung. Man mag es für ein groteskes Ergebnis halten, dass in Insolvenzverfahren bei völlig identischen Sachverhalten ein Insolvenzverwalter etwa in Hamburg einen entsprechenden Auskunftsanspruch besitzt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.10.2012, a.a.O.), der Kläger, der das Insolvenzverfahren in Baden-Württemberg durchführt, aber nicht. Groteske Ergebnisse müssen im Föderalismus mitunter hingenommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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