SG Stuttgart, Urteil vom 15.11.2012 - S 5 KA 5607/10
Fundstelle
openJur 2013, 15966
  • Rkr:

Für die Behandlung desselben cm² Gesamtfläche eines Feuermals darf, wenn sowohl eine Behandlung mittels gepulstem Farbstofflaser (GOP 10320 EBM) als auch mittels Laser (GOP 10324 EBM) erforderlich war, sowohl die GOP 10320 als auch die GOP 10324 EBM abgerechnet werden.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 12.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2010 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Quartale 2/08 bis 4/08 der Gebührenordnungspositionen 10320 u. 10324 EBM 2008 (EBM - Behandlung von Naevi flammei mittels gepulstem Farbstofflaser bzw. Behandlung von Naevi flammei und/oder Hämangiomen mittels Laser) in Höhe von 38.546,72 EUR.

Der Kläger ist als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten mit Sitz in B. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Bescheid vom 12.05.2010 verfügte die Beklagte nach Abgabe durch den Plausibilitätsausschuss eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Gebührenordnungspositionen 10320 und 10324 EBM wie folgt:

2/20083/20084/2008Fehlansätze in Beispielfällen Nr. 103202395031.229Fehlansätze in Beispielfällen Nr. 10324335442403Leistungsbewertung nach Minderung Nr. 10320371,2368,5367,0Leistungsbewertung nach Minderung Nr. 10324271,2263,5262,0Berichtigungsvolumen aus Beispielfällen Nr. 1032088.716,8185.355,5451.043,0Berichtigungsvolumen aus Beispielfällen Nr. 1032490.852,0116.476,0105.586,0Summe in Punkten179.568,8301.822,5556.629,0Fachgruppenpunktwert gemittelt aus EK und PK0,0362000,0354500,038350Summe Berichtigung Beispielfälle in Euro6.500,39 EUR10.699,61 EUR21.346,72 EUR

Zur Begründung führte sie aus, die Nrn. 10320 und 10324 EBM seien nach den Legenden unabhängig von der Zahl der Sitzungen nur einmal je cm2 Gesamtfläche des behandelnden Areals berechnungsfähig. Mit dem fakultativen Leistungsinhalt Behandlung in mehreren Sitzungen werde verdeutlicht, dass unabhängig von der Anzahl der Behandlungen eines cm2 Gesamtfläche die Berechnung der Leistung jeweils nur einmal erfolgen könne. Nach Prüfung der eingereichten Bilddokumentationen der 30 exemplarisch ausgewählten Beispielsfälle unter Heranziehung eines Sachverständigen komme die Beklagte zu dem Ergebnis, dass in 17 Fällen die Leistungen im Verhältnis zur betroffenen gelaserten Hautfläche zu häufig angesetzt worden seien. Eine patientenbezogene Auswertung über die ermittelten Hautflächen und zu viel abgerechneten Leistungen fügte die Beklagte den Bescheid als Anlage 1 bei. Insoweit wird auf Bl. 74 d. Verw.-Akte Bezug genommen. Die Auswertung habe zunächst ergeben, dass die Nr. 10324 EBM meist für das bereits in einem früheren Quartal nach der Nr. 10320 EBM gelaserte Hautareal nochmals angesetzt worden sei. Zwar sei die Nebeneinanderabrechnung beider EBM-Leistungen in verschiedenen Quartalen grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Jedoch seien aufgrund der eindeutigen Vorschriften in den Nrn. 10320 und 10324 EBM die beiden Leistungen unabhängig von der Anzahl der Sitzungen nur einmal je cm2 Gesamtfläche des behandelnden Areals berechnungsfähig. Dies bedeute, dass die in einem früheren Quartal nach der Nr. 10320 EBM gelaserte Hautfläche in einem Folgequartal nicht abermals nach der Nr. 10324 EBM abgerechnet werden könne.

Hiergegen erhob der Kläger am 28.05.2010 Widerspruch. Darin vertrat er die Auffassung, in verschiedenen Quartalen dürfe für denselben cm² Gesamtfläche einmal eine Behandlung nach Nr. 10320 EBM und einmal nach Nr. 10324 EBM abgerechnet werden. Dies sei ihm von der KBV B. bestätigt worden. Insoweit hat der Kläger auf ein Schreiben der KBV vom 30.03.2010 Bezug genommen. Darin wird die Berechnung der Nr. 10320 im einen Quartal und der Nr. 10324 im folgenden Quartal als möglich angesehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Aus einer Stellungnahme der KBV aus dem Jahre 2008 ergebe sich, dass die Beschränkung in den Regelungen des EBM dahingehend auszulegen sei, dass sobald 1 cm2 Haut eines Patienten mittels Lasertherapie nach 10320 EBM berechnet worden sei, diese Gebührenordnungsposition für denselben cm2 Gesamtfläche nicht nochmals berechnet werden könne. Diese Beschränkung gelte für die Gebührenordnungspositionen 10320, 10322 und 10324 EBM. Zum einen sei dies aufgrund der semantisch kumulativen Aufzählung so zu sehen, zum anderen ergebe es sich auch sachlogisch aus der Tatsache, dass sowohl die Gebührenordnungsnummer 10320 EBM als auch die Nr. 10322 EBM obligat einen gepulsten Farbstofflaser für die Therapie des jeweiligen Hautareals vorsehen würden. Eine Behandlung desselben Areals einmal wegen Naevi flammei mit diesem Laser und das andere Mal eines Hämangioms mit demselben Laser könne aufgrund der Beschränkung je cm2 Hautareal keinen Sinn machen. Aus dem Wortlaut des EBM sei unmissverständlich zu schließen, dass es sich um eine quasi mengenbegrenzende, pauschalierende Vergütung der Behandlung von Naevi flammei und/oder Hämangiomen handele.

Hiergegen hat der Kläger am 08.09.2010 Klage erhoben und seinen Vortrag wiederholt und vertieft. Er macht geltend, entgegen den Ausführungen der Beklagten ergebe die Wortlausauslegung der streitigen Regelungen des EBM nicht, dass sich die Berechnungsfähigkeit auf jeweils eine der Gebührenordnungspositionen Nr. 10320, 10322 oder 10324 EBM beziehe. Daneben bestimme die Nr. 10320 EBM, dass die Gebührenordnungsposition Nr. 10320 EBM in dem in § 21 Abs. 1 BMV-Ä und § 25 Abs. 1 EKV definierten Behandlungsfall nicht neben den Gebührenordnungspositionen Nr. 10324 EBM und 10330 EBM berechnungsfähig sei. Daraus ergebe sich, dass die Gebührenordnungsposition Nr. 10320 EBM im Kalendervierteljahr nicht neben der Gebührenordnungsposition Nr. 10324 EBM abgerechnet werden dürfe. Auch aus dieser Einschränkung ergebe sich nicht die von der Beklagten ausgeführte Rechtsauffassung. Im Übrigen hätte es dieser weiteren Einschränkung im EBM nicht bedurft, wenn aus der bereits dargestellten Regelung hervorgehen würde, dass die Behandlung der Gesamtfläche jeweils nur einmal mit einer der verschiedenen Laserarten abgerechnet werden dürfe.

Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung sei nur in engen Grenzen zulässig. Die Beklagte wende mit den von ihr gewählten Formulierungen dahingehend auszulegen, auch sachlogisch und keinen Sinn machen eine eindeutig unzulässige weitergehende extensive Auslegung nach Sinn und Zweck der Regelung, die sich nicht aus dem Wortlaut ergebe. Davon abgesehen habe der Kläger jeweils ein anderes Lasergerät verwendet. Wenn sich die Beklagte schon auf die Intention des Bewertungsausschusses in Bezug auf die Honorierung der einzelnen Behandlungssitzungen berufe, sei hinzuzufügen, dass dieser jedoch schon zwei verschiedene EBM-Nummern mit unterschiedlicher Bewertung geschaffen habe und damit auch der Tatsache Rechnung getragen habe, dass der Einsatz von unterschiedlichen Lasergeräten gerade auch mit unterschiedlichen Kosten verbunden sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 12.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 38.546,72 EUR zurückzuzahlen,

hilfsweise, die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt unter erneuter Darlegung der Ausführungen im Widerspruchsbescheid weiterhin die Auffassung, die vorgenommene sachlich-rechnerische Berichtigung sei zu Recht erfolgt. Die von ihr vorgenommene wortlautbezogene Auslegung sei auch deshalb geboten, weil der Auffassung des Klägers allenfalls dann zu folgen sei, wenn die Aufzählung beispielsweise mit dem Zusatz jeweils verknüpft worden wäre. Durch eine Formulierung wie Die Gebührenordnungspositionen 10320, 10322 und 10324 sind unabhängig von der Zahl der Sitzungen jeweils nur einmal je cm2 Gesamtfläche des behandelten Areals berechnungsfähig wäre zum Ausdruck gekommen, dass nach der Behandlung eines bestimmten Hautareals von 1 cm2 Gesamtfläche nach der Nr. 10320 EBM in einem Quartal in einem Folgequartal die Behandlung derselben Gesamtfläche nach der Nr. 10324 EBM möglich und rechtlich zulässig gewesen wäre. Diesen Wortlaut hätten die streitgegenständlichen EBM-Nummern jedoch gerade nicht. Entscheidender Anknüpfungspunkt bleibe die definierte Behandlungsfläche von 1 cm2. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sei in erster Linie der Wortlaut einer Regelung maßgeblich. Soweit indessen der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft sei und es seiner Klarstellung diene, sei auch Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der inhaltlich zusammenhängenden und vergleichbaren Leistungstatbestände. Es könne somit keine davon Rede sein, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Leistungstatbestände in zulässiger Weise zu extensiv ausgelegt hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Gründe

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ).

Die Klage ist, soweit der Kläger damit die Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 12.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2010 begehrt, zulässig und begründet. Soweit der Kläger darüber hinaus eine Leistungsklage auf Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung von 38.546,72 EUR erhoben hat, ist diese unzulässig.

Streitgegenstand ist vorliegend der Bescheid der Beklagten vom 12.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2010. Damit hat die Beklagte das Honorar des Klägers für die streitgegenständlichen Quartale 2/2008 bis 4/2008 im Hinblick auf die Gebührenordnungsziffern Nr. 10320 und 10324 EBM um den Betrag von 38.546,72 EUR sachlich-rechnerisch berichtigt. Diese für ihn belastende Entscheidung hat der Kläger zulässigerweise mit der Anfechtungsklage angefochten. Mit dieser kann er sein Ziel, nämlich die Beseitigung der ihn belastenden Verwaltungsentscheidung und die Rückerstattung des einbehaltenen Honorars von der Beklagten vollumfänglich erreichen, denn es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte sich an ein rechtskräftiges Urteil, mit welchem die angefochtenen Bescheide aufgehoben werden, nicht halten würde. Soweit der Kläger somit zusätzlich zur Anfechtungsklage eine Leistungsklage auf Rückzahlung des einbehaltenen Betrages erhoben hat, ist diese unzulässig (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 10. Auflage, § 54 Rdnr. 38a).

Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Die Beklagte war zu der vorgenommenen sachlich-rechnerischen Berichtigung nach Überzeugung der fachkundig besetzten Kammer nicht berechtigt.

Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide der Beklagten sind die Vorschriften über die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung, § 106a Abs. 1 und 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag - Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 Ersatzkassenvertrag - Ärzte (EKV-Ä). Danach obliegt es der Kassenärztlichen Vereinigung, die vom Vertragsarzt vorgelegten Honorarabrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu überprüfen und im Falle ihrer Fehlerhaftigkeit richtig zu stellen. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheides. Die genannten, auf § 82 Abs. 1 SGB V beruhenden bundesmantelvertraglichen Bestimmungen stellen Sonderregelegungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X verdrängen. Sie stellen von den Vorschriften des SGB X abweichende Regelungen im Sinne des § 37 Satz 1 SGB I dar, die auf gesetzlicher Grundlage, nämlich aufgrund der Reichsversicherungsordnung (RVO) und später das SGB V erlassen worden sind (BSG, Urteil vom 30.06.2004, B 6 KA 34/03 R in SozR 4 - 2500 § 85 Nr. 11). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit (ex tunc) löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG, a.a.O., m.w.N.).

Die Beklagte war auch zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung. Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigung die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört u.a. auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnung der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 45 BMV-Ä bzw. § 34 EKV-Ä der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen.

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auch auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß - somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden sind. Solche Verstöße können z.B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebiets erbracht worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.1998, B 6 KA 48/97 R in SozR 3 - 2500 § 75 Nr. 10, m.w.N.). Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honoraranforderung auf bundesmantelvertraglicher Rechtsgrundlage besteht aber nicht nur im Falle rechnerisch und gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 08.09.2004 in SozR 4 - 2500 § 39 Nr. 3, m.w.N.; Urteil vom 28.09.2005, B 6 KA 14/04 R in SozR 4 - 5520 § 32 Nr. 2).

Vorliegend ist die Beklagte nach Überzeugung der Kammer zu Unrecht davon ausgegangen, dass für die Behandlung desselben cm² Gesamtfläche eines Feuermals (naevus flammeus) nur entweder die Gebührenordnungsposition 10320 oder die Gebührenordnungsposition 10324 abgerechnet werden darf, obwohl der entsprechende cm² Hautfläche in einem Quartal mit einem gepulsten Farbstofflaser und in einem anderen Quartal mittels eines Lasers im Sinne der Gebührenordnungsposition 10324 EBM behandelt wurde.

Der Leistungsinhalt der Gebührenordnungsposition 10320 EBM (Behandlung von Naevi flammei) hat folgenden Wortlaut:

obligater Leistungsinhalt

- Therapie mittels gepulstem Farbstofflaser,- metrische und fotografische Dokumentation vor Beginn und nach Abschluss der Therapie,

fakultativer Leistungsinhalt

- Behandlungen in mehreren Sitzungen,- bis zu einem cm² Gesamtfläche des behandelten Areals und für jeden weiteren cm² je einmal,

525 Punkte.

Die Gebührenordnungsposition 10324 EBM (Behandlung von naevi flammei und/oder Hämangiomen) hat folgenden Wortlaut:

obligater Leistungsinhalt

- Therapie mittels Laser,- metrische und fotografische Dokumentation vor Beginn und nach Abschluss der Therapie,

fakultativer Leistungsinhalt

- Behandlungen in mehreren Sitzungen,- bis zu einem cm² Gesamtfläche des behandelten Areals und für jeden weiteren cm² je einmal,

420 Punkte.

Beiden Gebührenordnungspositionen sind in der Leistungslegende u.a. folgende Zusätze beigefügt:

Die Gebührenordnungspositionen 10320, 10322 und 10324 sind unabhängig von der Zahl der Sitzungen nur einmal je cm² Gesamtfläche des behandelten Areals berechnungsfähig...

Die Gebührenordnungsposition 10320 ist im Behandlungsfall nicht neben den Gebührenordnungspositionen 10324 und 10330 berechnungsfähig (Wortlaut Gebührenordnungsposition 10320) / Die Gebührenordnungsposition 10324 ist im Behandlungsfall nicht neben den Gebührenordnungspositionen 10320, 10322 und 10330 berechnungsfähig (Wortlaut Gebührenordnungsposition 10324).

Der Kläger behandelte in den von der Beklagten gestrichenen Fällen die Patienten in einem Quartal mittels gepulstem Farbstofflaser im Sinne der Gebührenordnungsposition 10320 und in einem anderen Quartal mittels Laser im Sinne der Gebührenordnungsposition 10324. Der obligate Leistungsinhalt der Gebührenordnungspositionen ist daher insoweit jeweils erfüllt. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten auch, dass eine dem obligaten Leistungsinhalt entsprechende metrische und fotografische Dokumentation vor Beginn und nach Abschluss der Therapie vorliegt. Insoweit hat insbesondere auch der Beklagtenvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.11.2012 auf ausdrückliche Nachfrage durch die Vorsitzende keine Einwendungen erhoben. Der obligate Leistungsinhalt der Gebührenordnungspositionen 10320 bzw. 10324 ist damit in den von der Beklagten im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung gestrichenen Fällen erfüllt.

Nach Überzeugung der Kammer ist auch durch die ergänzenden Bestimmungen der Legende zu den Gebührenordnungsnummern 10320 bzw. 10324 EBM die von dem Kläger vorgenommene Abrechnung, nämlich einmal der Gebührenordnungsposition 10320 je cm² behandelter Fläche und einmal der Gebührennummer 10324 für die Behandlung des gleichen cm² Gesamtfläche in einem anderen Quartal nicht ausgeschlossen. Einen derartigen Ausschluss vermag die Kammer entgegen der Auffassung der Beklagten dem Wortlaut der Bestimmungen nicht zu entnehmen.

Für die Auslegung der vertragsärztlichen Gebührenordnungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in erster Linie der Wortlaut der Leistungslegenden maßgeblich (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 25.08.1999, B 6 KA 32/98 R in SozR 3 - 5533 Nr. 2449 Nr. 1, m.w.N.). Erweiternde Interpretationen der Leistungslegenden sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur in engen Grenzen zulässig. Die Zurückhaltung bei der Auslegung des EBM beruht auf ihrem, dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten einerseits und Krankenkassen andererseits dienenden vertraglichen Charakter (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Es ist in erster Linie Aufgabe der Bewertungsausschüsse, unklare Regelungen der Gebührenordnungen zu präzisieren. Wegen der aus funktionalen Gründen gebotenen Zurückhaltung der Gerichte bei der Auslegung der Gebührenordnungen kann eine systematische Interpretation lediglich im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen erfolgen (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegenden klarzustellen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt nur insoweit in Betracht, als Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung erläutert haben (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Die Leistungsbeschreibungen dürfen schließlich auch weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewandt werden.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist nach Überzeugung der Kammer der Wortlaut der streitigen Regelung in den EBM Nummern 10324 und 10320 im Sinne des Klägers zu verstehen. Die streitige Formulierung in der Leistungslegende der Gebührenordnungspositionen lautet: Die Gebührenordnungspositionen 10320, 10322 und 10324 sind unabhängig von der Zahl der Sitzungen nur einmal je cm² Gesamtfläche des behandelten Areals berechnungsfähig. Aus diesem Wortlaut kann nach Überzeugung der Kammer nicht, wie die Beklagte meint, eindeutig geschlossen werden, dass nur eine der genannten Gebührenordnungspositionen, vorliegend also entweder die Gebührenordnungsposition 10320 oder die Gebührenordnungsposition 10324 für die Behandlung eines cm² Gesamtfläche abgerechnet werden kann. Zu Recht hat der Kläger insoweit geltend gemacht, dass die Formulierung dann lauten müsste: Die Gebührenordnungspositionen 10320, 10322 oder 10324 sind unabhängig von der Zahl der Sitzungen nur einmal je cm² Gesamtfläche des behandelten Areals berechnungsfähig. Einer weiteren Verdeutlichung durch einen Zusatz - wie die Beklagte meint (jeweils) - bedurfte es somit nicht.

Auch die weitere in den Bestimmungen zu den Gebührennummern 10324 und 10320 enthaltene Regelung, wonach die Gebührenordnungsposition 10324 im Behandlungsfall nicht neben der Gebührenordnungsposition 10320 berechnungsfähig ist, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn Behandlungsfall ist gemäß § 21 BMV-Ä bzw. § 25 Abs. 1 EKV-Ä die gesamte von derselben Arztpraxis innerhalb desselben Kalendervierteljahrs an demselben Versicherten ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse vorgenommene Behandlung. Die genannte Regelung schließt damit eine Berechnung der Gebührenordnungspositionen 10324 und 10320 nur innerhalb desselben Quartals aus.

Darüber hinaus hat der Kläger schlüssig dargelegt und es entspricht auch der Kenntnis der fachkundig besetzten Kammer, dass es aus medizinischen Gründen gerade erforderlich sein kann, dasselbe Hautareal einmal mittels Laser und einmal mittels eines gepulsten Farbstofflasers zu behandeln, da damit unterschiedliche Hautschichten erreicht werden und nur so eine Behandlung sowohl der tieferen als auch der oberflächlichen Hautveränderungen möglich ist. Eine fachgerechte Therapie setzt damit gerade den Einsatz zweier verschiedener Lasergeräte voraus, die der Arzt zur Durchführung der Therapie vorhalten und verwenden muss. Vor diesem Hintergrund ist aber auch die - wie dargelegt - sich aus dem Wortlaut des Normgebers ergebende Entscheidung sinnvoll und nachvollziehbar, je cm² Gesamtfläche behandelten Areals einmal die Gebührenordnungsposition 10320 und einmal die Gebührenordnungsposition 10324 berechnen zu können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. Da zentraler Streitpunkt die Frage der Rechtmäßigkeit der vorgenommenen sachlich-rechnerischen Berichtigung war, ist es nach Überzeugung der Kammer auch unter Berücksichtigung der daneben erhobenen Leistungsklage nicht geboten, dem Kläger einen Teil der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

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