OLG Stuttgart, Urteil vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a
Fundstelle
openJur 2013, 15807
  • Rkr:

Zur Strafbarkeit wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129b StGB) durch Betätigung als Funktionär der DHKP-C in Deutschland.

Tenor

Die Angeklagten G. und Y. sind schuldig der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland.

Es werden verurteilt:

Der Angeklagte G. unter Einbeziehung der durch Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. Oktober 2004 (Az.: 5 - OJs 5/00 - 2/02) verhängten Strafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren 10 Monaten, der Angeklagte Y. zu der Freiheitsstrafe von 5 Jahren 4 Monaten.

Das Mobiltelefon der Marke Nokia, Modell 6100, IMEI 350991/60/40999079, wird eingezogen.

Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Angewandte Vorschriften:

§§ 129b Abs. 1, 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB,

- bei dem Angeklagten G.: i.V.m. § 55 StGB,

- bei dem Angeklagten Y.: i.V.m. § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB.

Gründe

Vorbemerkungen

Das vorliegende Verfahren richtet sich gegen zwei Führungsfunktionäre der Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi (Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front, im Folgenden: DHKP-C), die seit Inkrafttreten des § 129b StGB am 30. August 2002 bis zur Festnahme im November 2006 (Angeklagter Y.) bzw. bis zum Weggang nach Belgien Anfang September 2003 (Angeklagter G.) durchgängig Mitglieder einer ausländischen terroristischen Vereinigung waren. Auch in Europa agiert die DHKP-C organisatorisch verfestigt als sogenannte Rückfront. Das Ziel der Organisation war und ist es, das derzeitige politische System der Türkei zu stürzen und stattdessen eine kommunistisch-leninistische Gesellschaftsordnung zu errichten. Diese Zielsetzungen und den zu deren Verwirklichung von der Organisation geführten bewaffneten Kampf in der Türkei, zu dem auch Tötungsverbrechen gehören, billigten und förderten die Angeklagten von Deutschland aus als Gebietsleiter (Angeklagter G.) bzw. als Rechtsberater und Regionsverantwortlicher (Angeklagter Y.) durch vielfältige Aktivitäten innerhalb der Rückfront.

Ursprünglich richtete sich das Verfahren auch gegen M.A. (ab Juli 2002 Leiter der Region Süd, ab März 2003 Generalverantwortlicher für die Regionen Nord und Süd), H.S. (ab Mitte 2002 Leiter des Gebiets Ulm, ab Mai 2004 Leiter des Gebiets Berlin) und I D. (Führungskader mit Sonderaufgaben). Das Verfahren gegen diese drei Angeklagten wurde durch Beschluss vom 16. Juli 2009 nach dem 105. Verhandlungstag abgetrennt, nachdem diese angekündigt hatten, eine Verständigung im Strafverfahren mit einräumenden Erklärungen zu den sie betreffenden Tatvorwürfen anzustreben; in der Folge kam eine solche zustande, so dass das (abgetrennte) Verfahren durch Urteil vom 07. August 2009 abgeschlossen werden konnte. Eine Vernehmung der früheren Mitangeklagten als Zeugen erfolgte in vorliegendem Verfahren nicht, nachdem diese außerhalb der Hauptverhandlung ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO geltend gemacht hatten.

Die Angeklagten G. und Y. führten zwar mehrfach Verständigungsgespräche, eine Verständigung kam jedoch im Ergebnis nicht zustande. Der letzte Verständigungsversuch scheiterte endgültig am 09. Februar 2010 (Angeklagter Y.) bzw. am 02. März 2010 (Angeklagter G.).

Erster Teil: Tatsächliche Feststellungen

A. Persönliche Verhältnisse der Angeklagten

I. Angeklagter G.

1. Der ledige Angeklagte G. wurde am 24. November 1973 in Köln ehelich geboren. Er ist türkischer Staatsbürger. Er wuchs zusammen mit seinem 1980 geborenen Bruder Ilker bei seinen Eltern, Mehmet und Makbule G., in Köln auf. Von 1980 bis 1984 besuchte er eine Gemeinschaftsgrundschule in Köln. Anschließend wechselte er auf das Heinrich-Heine-Gymnasium, das er bis 1991 besuchte; währenddessen leistete er im Mai 1990 ein einmonatiges Praktikum bei der Firma K.GmbH & Co. in Köln ab, um den Beruf des Groß- und Einzelhandelskaufmanns kennen zu lernen. Im Jahre 1991 wechselte er auf die Katharina-Henoth-Gesamtschule in Köln und durchlief die Sekundarstufe II; er verließ diese nach Abschluss der 12. Klasse im Frühjahr 1993 mit dem Fachabitur.

In den Folgejahren nutzte er den Schulabschluss nicht, um eine Ausbildung bzw. ein Studium zu absolvieren. Vielmehr übte er lediglich verschiedene kurzfristige ungelernte Tätigkeiten aus. So war er von Oktober 1993 bis Januar 1994 als Servicekraft bei dem Gastronomiebetrieb GmbH, von Juli bis November 1995 als Flugzeugabfertiger auf dem Flughafen Köln bei der Service sowie von Dezember 2001 bis Januar 2002 als Aushilfe bei der Glas- und Gebäudereinigungsfirma N. in Frankenthal beschäftigt. Seine finanziellen Verhältnisse waren dementsprechend schlecht; am 12. November 2002 legte er die eidesstattliche Versicherung ab.

Weil sein Aufenthalt unbekannt war, wurde er im Mai 2004 von dem für ihn zuständigen Kölner Einwohnermeldeamt von Amts wegen nach Unbekannt abgemeldet; zuvor war er am elterlichen Wohnsitz in Köln, G. Str., polizeilich gemeldet.

Von Anfang September 2003 bis zum 19. August 2004 hielt sich der Angeklagte G. in Belgien auf; zum Grund dieses Aufenthaltes später mehr. Nach einer Hauptverhandlungshaft in der Zeit vom 19. August 2004 bis zur Verurteilung durch das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. am 21. Oktober 2004 (vgl. nachfolgend 2.), zog er wieder bei seinen Eltern in Köln ein und meldete sich dort auch wieder an.

Er plante, das Abitur nachzuholen, danach Pädagogik zu studieren und anschließend im sozialen Bereich zu arbeiten. Zur Vorbereitung dieses Vorhabens besuchte er im Schuljahr 2004 / 2005 als Gastschüler ohne Anwesenheitspflicht und ohne Benotung die Klasse 11 des Abendgymnasiums Heidelberg, um seine Kenntnisse aufzufrischen und dadurch die Basis für den Besuch der 12. Klasse im Folgejahr zu schaffen. Ab 22. Februar 2005 mietete er in Heidelberg, B. Str. 34, eine Wohnung an; die elterliche Wohnung blieb sein Nebenwohnsitz. Ab 01. Juni 2005 zog er innerhalb Heidelbergs in ein 1-Zimmer-Appartemerkannt in einem Mehrfamilienhaus in der P. Str. um. Der Angeklagte G. lebte allein, hatte keine Partnerin und keine Kinder. Den Nebenwohnsitz bei seinen Eltern in Köln behielt er weiterhin bei. Im Zeitraum Januar bis September 2005 erhielt er staatliche Leistungen (Arbeitslosengeld II) von monatlich 345,-- EUR zuzüglich eines Mietanteils.

Ab dem Schuljahr 2005 / 2006 war er schließlich regulärer Schüler des Abendgymnasiums Heidelberg und besuchte die Klasse 12. Im Zeitpunkt seiner Festnahme im November 2006 besuchte er die Klasse 13; für das erste Halbjahr dieser Klasse erhielt er noch ein Zeugnis, in dem er in Englisch mit der Note befriedigend (8 Punkte), in den übrigen Fächern mit der Note ausreichend (5 Punkte) abschnitt. Er beabsichtigte, im Juni 2007 die Abiturprüfung abzulegen. Sein schulisches Verhalten war stets korrekt und höflich, er hatte auch keine Probleme im Klassenverband. Allerdings nahm er seit dem regulären Schulbeginn nur unregelmäßig am abendlichen Unterricht, der 22 Wochenstunden umfasste, teil; insbesondere im Jahre 2006 hatte er erhebliche Fehlzeiten, die indes keine Konsequenzen nach sich zogen.

Ab dem 15. Juli 2005 war er - neben dem Besuch des Abendgymnasiums - als Aushilfskraft bei der GVO Personal GmbH mit Sitz in Heidelberg beschäftigt; er wurde beim Auf- und Abbau von Veranstaltungen sowie als Servicekraft eingesetzt. Seine vereinbarte Beschäftigung erstreckte sich zunächst auf 25 Stunden im Monat, ab 01. Oktober 2006 auf 18 Stunden monatlich; mit Zuschlägen lag der Stundenlohn bei ca. 8,-- EUR. Der tatsächliche zeitliche Aufwand war aufgrund langer Fahrtzeiten zu entfernt gelegenen Einsatzorten, wie beispielsweise München, teilweise weit höher, im Jahre 2006 vereinzelt bis maximal 89 Stunden im Monat. Er wurde vor allem am Wochenende sowie am Vormittag - teilweise kurzfristig - eingesetzt, um Überschneidungen mit den Unterrichtszeiten weitgehend zu vermeiden. Seine Arbeitgeberin war mit seinen Leistungen durchweg zufrieden. Dieses Arbeitsverhältnis bestand auch noch im Zeitpunkt seiner Festnahme.

2. Strafrechtlich ist der Angeklagte G. bereits wie folgt in Erscheinung getreten:

Durch Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. vom 21. Oktober 2004 (Az.: 5 - OJs 5/00 -2/02), rechtskräftig seit diesem Tage, wurde er wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für die Dauer von 3 Jahren - mithin bis 20. Oktober 2007 - zur Bewährung ausgesetzt wurde, verbunden mit den Weisungen, bei seinen Eltern in Köln, G. Straße 12, Wohnung zu nehmen und jeden Wohnsitzwechsel unverzüglich dem Gericht mitzuteilen. Die Strafe wurde noch nicht erlassen. Auch ein Widerruf der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ist nicht erfolgt. Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

"Der Angeklagte gehörte spätestens seit Mai 1998 bis mindestens Februar 1999 zu den führenden Funktionären der DHKP-C in der Bundesrepublik Deutschland. (...)

2. Die Einbindung des Angeklagten in die DHKP-C

In Kenntnis der innerhalb der DHKP-C bestehenden Strukturen und der bis dahin durchgeführten Aktionen war der Angeklagte seit spätestens Mai 1998 unter dem Decknamen ‚C.’ verantwortlicher ‚Bölge-Leiter’ der DHKP-C für das Gebiet ‚Bölge Kassel’.

In dieser Funktion nahm er zumindest an einem Treffen hochrangiger DHKP-C-Funktionäre (Meclis) teil, das unter konspirativen Umständen abgehalten wurde und unter anderem der Abstimmung von Aktionen diente. Seine Aufgabe als ‚Gebietsleiter Kassel’ bestand vor allem darin, die finanziellen Belange des ihm unterstellten Gebietes zu organisieren und zu kontrollieren.

Zu diesem Zweck wurden von ihm Spendengeldsammlungen durchgeführt. Entsprechende Spendengeldquittungen bewahrte der Angeklagte bei sich auf. Er kannte und billigte die Parteidirektive, dass Spendengeldbeitreibungen notfalls gewaltsam durchgesetzt wurden und war stets bereit, derartige Beschlüsse und Anweisungen zu befolgen und umzusetzen. Er verkaufte Parteizeitungen und beaufsichtigte Gesinnungsfreunde bei deren Verkauf. Zur verdeckten Verbindungsaufnahme mit anderen Führungskräften der DHKP-C benutzte er ein sogenanntes Organisationshandy mit einer codierten Telefonnummer."

Zur Strafzumessung wird Folgendes ausgeführt:

"Bei der Strafzumessung war vom Strafrahmen des § 129a Abs. 1 a. F. StGB auszugehen, der Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorsieht.

Innerhalb dieses Strafrahmens war strafmildernd vor allem das Geständnis des Angeklagten zu berücksichtigen, der uneingeschränkt den in der Anklage gegen ihn erhobenen Tatvorwurf eingeräumt hat. Darüber hinaus war strafmildernd der relativ kurze Zeitraum seiner festgestellten mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung von Mai 1998 bis zum Ende der Vereinigung in Deutschland mit der bisher eingehaltenen Gewaltverzichtserklärung vom 12. Februar 1999. Schließlich wirkte sich zu Gunsten des Angeklagten aus, dass ihm eine unmittelbare Beteiligung an den Katalogtaten des § 129a Abs. 1 StGB a. F. weder vorgeworfen worden noch nachzuweisen war und seine Tat über fünf Jahre zurückliegt. Straferschwerend wirkte die zur Zeit der Tathandlung bestandene besondere Gefährlichkeit der Vereinigung, die bundesweit organisiert und tätig war und bereits eine Vielzahl von schweren Katalogtaten begangen hatte.

Bei Abwägung aller auch ansonsten für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ist eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten daher tat- und schuldangemessen.

Der Senat hat entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gemäß § 56 Abs. 1 und 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt, obgleich erhebliche Zweifel verblieben, ob erwartet werden kann, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur ausreichenden Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Die Zweifel ergeben sich vor allem daraus, dass er nicht bereit war, über seine heutige Einstellung zur DHKP-C und seine in der Zukunft geplante politische Tätigkeit Auskunft zu geben sowie dem Umstand, dass er erst nach Erlass eines Haftbefehls sich zur Durchführung der Hauptverhandlung gestellt hat. Deshalb kann aber letztlich nicht schon allein unterstellt werden, dass seine Erklärung, er beabsichtige auf einem Abendgymnasium das Abitur nachzuholen, wolle dann Pädagogik studieren und schließlich im sozialen Bereich arbeiten und sich gesetzestreu verhalten, nur taktisch und unehrlich gewesen ist, um eine Strafaussetzung zur Bewährung zu erreichen. Vielmehr erscheint es auch auf Grund seiner noch bestehenden Einbindung in den Haushalt seiner Eltern in Köln und den sonstigen Gesamtumständen für vertretbar, die Strafe zur Bewährung auszusetzen, um ihm die Möglichkeit zu geben, seinen zukünftigen Lebensweg in der von ihm dargestellten Weise zu gestalten."

Diesem Urteil gingen 3 zunächst getrennt geführte und angeklagte Verfahren voraus:

- die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt a. M. hatte gegen den Angeklagten G. (sowie gegen A Y. N. und Ö. B.) bereits am 28. Dezember 1999 Anklage zum Landgericht - Staatsschutzkammer - Frankfurt a. M. erhoben (Az.: 50 Js 22615.5/99); dem Angeklagten G. wurde zur Last gelegt, sich "am 23. Juni 1999 und zuvor in Frankfurt am Main und anderen Orten" als Funktionär der DHKP-C betätigt zu haben, indem er Spenden eingetrieben, die Zeitschrift Kurtulus und weitere Gegenstände verkauft habe; am 23. Juni 1999 habe er nach Verlassen des Kurdischen Volkshauses in Frankfurt a. M., Gstraße, 32 Zeitungen Kurtulus, einen Spendenblock mit 17 ausgefüllten Quittungen, die eine Gesamtsumme von 2.250,- DM als Spenden an die DHKP-C dokumentieren würden, in einem Rucksack mit sich geführt (Vorwurf eines Vergehens nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG). Die Anklage war Folge einer polizeilichen Personenkontrolle vom 23. Juni 1999, anlässlich der im Rucksack des Angeklagten G. die genannten Gegenstände sichergestellt wurden; auf die Frage nach seinem Beruf antwortete er: "Revolutionär". Die Anklage wurde ihm am 12. Februar 2000 durch Übergabe an seinen Vater zugestellt. Das Landgericht Frankfurt a. M. eröffnete das Hauptverfahren durch Beschluss vom 18. August 2000 (Az.: 5/23 KLs 50 Js 22615.5/99). Mit Beschluss vom 02. Mai 2002 trennte das Landgericht Frankfurt a. M. das Verfahren gegen den Angeklagten G. von dem ursprünglich gemeinsam gegen ihn, A Y. N und Ö. B. geführten Verfahren ab und legte die Sache gemäß § 270 StPO dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. vor;

- eine weitere Anklage erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt a. M. gegen den Angeklagten G. und Ö. Bi. am 24. August 2001 (Az.: 6120 Js 225888/01); ihnen wurde vorgeworfen "am 12. Juni 2000 in Freiburg (gemeint: Freiberg) am Neckar" als Funktionäre der DHKP-C in einem auf den Angeklagten G. zugelassenen Fahrzeug 2 Kartons mit einer Vielzahl von Exemplaren der Publikation Vatan sowie 3 Notizblöcke mit Eintragungen mit sich geführt zu haben, was belegen würde, dass die Angeschuldigten sowohl mit dem Vertrieb der Zeitschrift als auch mit dem Einsammeln von Spendengeldern für die DHKP-C betraut gewesen seien (Vorwurf eines Vergehens nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG).

Bei der Fahrzeug- und Personenkontrolle vom 12. Juni 2000 wurden die genannten Gegenstände sichergestellt. Ö.B. war Fahrer des auf den Angeklagten G. zugelassenen Fahrzeugs VW Golf, amtliches Kennzeichen: K-CP 9920, der Angeklagte G. Beifahrer. Die Kontrolle erfolgte auf der A 81 bei Freiberg a. N. in Fahrtrichtung Stuttgart-Würzburg. Die Zeitschriften waren für den Verkauf vorgesehen; im Einzelnen handelte es sich um

88 Zeitschriften Vatan, Ausgabe 5 Haziran 2000 (Haziran = Juni),

5 Zeitschriften Vatan, Ausgabe 29 Mayis 2000 (Mayis = Mai), und

19 Zeitschriften K, Ausgabe 13 Mayis / Haziran 2000.

In einer der Vatans, Ausgabe 29 Mayis 2000, waren zwei Mitteilungen, die mit "Devrimci Halk Kurtuluş Cephesi - Basın Bürosu" (DHKP-C- Pressebüro) mit Emblem überschrieben waren, eingelegt. Der Angeklagte G. führte außerdem Notizblöcke mit sich, in denen unter anderem eine Vielzahl von Spendengeldeintragungen vorhanden waren.

Die Anklage wurde ihm am 15. April 2001 (durch Übergabe an seinen Bruder Ilker G.) zugestellt. Mit Beschluss vom 02. Mai 2002 (Az.: 5/23 KLs 6120 Js 225888/01) trennte das Landgericht Frankfurt a. M. das Verfahren bezüglich des Angeklagten G. ab und legte es gemäß § 209 Abs. 2 StPO dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. vor;

- zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. gegen den Angeklagten G. am 20. Februar 2002 Anklage zum Oberlandesgericht Frankfurt a. M. erhoben (Az: O Js 5/00), die schließlich zu der genannten Verurteilung vom 21. Oktober 2004 führte. Zuvor hatte der Generalbundesanwalt das zunächst von ihm seit 1999 geführte und durch Verfügung vom 03. Februar 2000 wegen unbekannten Aufenthalts des Beschuldigten entsprechend § 205 StPO mit Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung vorläufig eingestellte Verfahren (Az.: 2 BJs 39/99-3) an die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. abgegeben. Von diesem Verfahren hatte der Angeklagte G. jedenfalls am 27. Januar 2000 Kenntnis erlangt, als ihm anlässlich einer Mahnwache auf dem Stuttgarter Schlossplatz im Zusammenhang mit dem "Todesfasten" des I Y eine Beschuldigtenbenachrichtigung des Bundeskriminalamtes ("... der Generalbundesanwalt führt gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung...") übergeben worden war. Die Anklage wurde ihm am 01. August 2002 (durch Übergabe an seine Mutter) zugestellt.

Mit Beschluss vom 27. Februar 2003 (Az.: 5 - OJs 5/00 - 2/02) verband das Oberlandesgericht Frankfurt die drei Verfahren und eröffnete das Hauptverfahren. Am 08. Juli 2003 begann die Hauptverhandlung; nachdem der Angeklagte G. an dem Fortsetzungstermin vom 15. Juli 2003 ausblieb, wurde Hauptverhandlungstermin auf 07. Oktober 2003 (mit Fortsetzungsterminen) anberaumt. Auch an diesem Termin blieb der Angeklagte G. aus, so dass der Senat (Hauptverhandlungs-)Haftbefehl erließ. Entsprechend der schriftlichen Ankündigung seines Verteidigers stellte er sich am 19. August 2004 in Köln der Polizei. Die Hauptverhandlung fand daraufhin am 14. und 21. Oktober 2004 statt; in der Hauptverhandlung vom 14. Oktober 2004 wurden die beiden zuvor genannten, zu diesem Verfahren verbundenen Verfahren (Az.: 5 - OJs 5/00 - 3/02 = 50 Js 22615.5/99 und 5 - OJs 5/00 - 4/02 = 6120 Js 225888/01) gemäß §§ 154, 154a StPO eingestellt. Der Angeklagte G. befand sich vom 19. August 2004 bis zum oben genannten Urteil vom 21. Oktober 2004 in Hauptverhandlungshaft in der JVA Weiterstadt.

3. Der Angeklagte G. wurde in vorliegendem Verfahren am 28. November 2006 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 23. November 2006 - 6 BGs 103/2006 - in seiner Wohnung in der P. Straße in Heidelberg durch Beamte des Bundeskriminalamtes ergriffen. Nach Verkündung des Haftbefehls durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes am selben Tag befindet er sich seitdem in Untersuchungshaft, seit 06. März 2008 aufgrund - dem Umfang der Anklage angepassten - Haftbefehls des Senats vom 25. Februar 2008, zurzeit in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart.

4. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 01. Februar 2010 wurde der Angeklagte G., der in Deutschland über eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung verfügt, ausgewiesen; außerdem wird ihm die Abschiebung angedroht. Der Bescheid ist nicht bestandskräftig.

II. Angeklagter Y.

1. Der ledige Angeklagte Y. wurde am 14. Juli 1962 in Nazimiye, das in der Provinz Tunceli im Osten der Türkei liegt, ehelich geboren. Er ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und alevitischen Glaubens. Er wuchs in der Türkei bei seinen Eltern, Hidir und Hani Y., mit drei Schwestern und zwei Brüdern in geordneten Familienverhältnissen auf.

Zwischen 1969 und 1979 besuchte er die Grund-, Mittel- und Oberstufenschule in Pertek / Tunceli, die er mit dem Gymnasialabschluss verließ. Ab dem Jahre 1980 studierte er an der Universität Istanbul Rechtswissenschaft. Dieses Studium schloss er im Jahre 1985 erfolgreich ab; es folgte ein Anwaltspraktikum. Danach leistete er von Mitte 1985 bis Januar 1987 den 18-monatigen Militärdienst in der Immobilienabteilung des Verteidigungsministeriums. Ab 22. Januar 1987 war er als Rechtsanwalt in Istanbul zugelassen. Zu Beginn seiner Anwaltstätigkeit war er schwerpunktmäßig im Zivil- und Handelsrecht tätig. Politisch war er bis zu diesem Zeitpunkt nicht aktiv; er hatte weder Kontakte zur Devrimci Sol noch zu anderen politischen Gruppierungen. Dies änderte sich Anfang der 90er Jahre. Bereits ab 1990, insbesondere aber nach seinem Wechsel in das Rechtsbüro des Volkes (Halkin Hukuk Bürosu) in Istanbul im Jahre 1992, verteidigte er schwerpunktmäßig wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der Dev Sol / DHKP-C verfolgte Mandanten in Verfahren vor den türkischen Staatssicherheitsgerichten. Darüber hinaus war er im Verein fortschrittlicher Juristen (Cagdas Hukukcular Dernegi) engagiert, als dessen Vorstandsmitglied er Menschenrechtsverletzungen in der Türkei anprangerte.

Über die Tätigkeit im Rechtsbüro des Volkes wurde der Angeklagte Y. mit Ideologie und politischer Praxis der Dev Sol und - dieser nachfolgend - der DHKP-C vertraut. Dabei S er die von der Organisation angestrebte Revolution in der Türkei als unverzichtbar an. Seine Tätigkeit im Interesse der Organisation bezog sich zunächst auf eine Mitwirkung im juristischen Bereich. In der Zeit der organisationsinternen Auseinandersetzungen zwischen dem Yagan- und dem Karatas-Flügel erwuchs in dem Angeklagten Y. der Wunsch, "eine größere Aufgabe" in der Organisation zu übernehmen. Während er in früheren Jahren nicht davon ausging, "irgendwann einmal voll und ganz in der Organisation sein" zu können, war er nunmehr dazu bereit, wenn er auch Zweifel hegte, ob er einer etwaigen Anordnung der Partei, sich am bewaffneten Kampf zu beteiligen, würde folgen können. Ungeachtet dieser eigenen Zweifel befürwortete er den bewaffneten Kampf.

Im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für das Rechtsbüro des Volkes geriet er immer wieder in Konflikt mit den Sicherheitsbehörden, weil die in dem Rechtsbüro tätigen Anwälte verdächtigt wurden, der Dev Sol bzw. später der DHKP-C nahezustehen oder ihr gar anzugehören. Er wurde häufiger kurzzeitig festgenommen und vernommen; außerdem wurden seine Wohn- und Arbeitsräume mehrfach durchsucht. Im Zeitraum vom 29. September bis 10. Oktober 1994 befand er sich in Polizeihaft; der Grund hierfür war nach seinen Angaben im später in Deutschland gestellten Asylantrag, dass er die Verteidigung des in Frankreich aufgrund dessen Betätigung als Generalsekretär der DHKP-C verfolgten Dursun Karatas durch Übergabe von zwei Aktenordnern bei der französischen Botschaft in Ankara unterstützen wollte; das gegen den Angeklagten Y. eingeleitete Verfahren endete mit einem Freispruch. Im Zeitraum vom 20. bis 26. Juni 1995 befand er sich erneut in Polizeihaft; ihm wurde vorgeworfen, für politische Aktionen im Zusammenhang mit der Beerdigung der "DHKP-C-Kämpferin" Sibel Yalcin verantwortlich gewesen zu sein sowie Terroristen unterstützt und beherbergt zu haben; während dieser Polizeihaft wurde er - wiederum nach seinen Angaben im Rahmen der Anhörung im Asylverfahren - "eine halbe Stunde lang (an Gliedmaßen) aufgehängt".

Nach dem sog. Sabanci-Anschlag, der am 09. Januar 1996 stattfand, geriet er Anfang 1997 in Verdacht, Mustafa D., einem der Tatverdächtigen, nach der Tat eine Wohnung als Versteck besorgt zu haben. Nachdem er erfahren hatte, dass am Abend des 07. Januar 1997 in seiner Abwesenheit seine Wohnung und am 08. Januar 1997 das Rechtsbüro des Volkes durchsucht worden waren, er Kenntnis vom Vorwurf erlangt, zudem am Abend des 08. Januar 1997 im Fernsehen und am 09. Januar 1997 in mehreren Zeitungen Fahndungsaufrufe gesehen hatte, in denen er mit Namen und Foto als ein im Zusammenhang mit dem Sabanci-Anschlag Verdächtiger gesucht wurde, tauchte er unter und hielt sich versteckt. Als er später erfuhr, dass gegen ihn auch wegen Mitgliedschaft in der DHKP-C ermittelt wurde, hielt er sich im Großraum Istanbul versteckt. Als es zunehmend schwieriger wurde, geeignete Verstecke zu finden, entschloss er sich zur Flucht aus der Türkei.

Spätestens im Herbst 1997 flüchtete er mit Hilfe der DHKP-C unter Verwendung gefälschter Reisedokumente nach Deutschland. Auf welchem Weg er hierher gelangte, konnte nicht festgestellt werden. Seinen Aufenthalt hielt er zunächst mit Hilfe der Führungskader der DHKP-C vor den Behörden geheim und lebte auch in Deutschland zunächst im Untergrund. Erst am 14. Mai 1998 stellte er in Dortmund einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung trug er u.a. vor, das "Rechtsbüro des Volkes" vertrete unter anderem eine größere Anzahl von Anhängern und auch führenden Vertretern der früheren Dev Sol bzw. nunmehr der DHKP-C. Die dort tätigen Anwälte würden von den türkischen Sicherheitskräften ebenfalls verdächtigt, der DHKP-C nahe zu stehen oder ihr gar anzugehören. Außerdem stützte er seinen Antrag auf den in der Türkei gegen ihn bestehenden Haftbefehl wegen des Vorwurfs der Unterstützung eines Sabanci-Attentäters. Durch Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28. Mai 1998 wurde der Angeklagte Y. als Asylbewerber anerkannt; außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzung des § 51 AuslG (Verbot der Abschiebung politisch Verfolgter) vorliegen. Die Stadt Dortmund erteilte ihm am 26. Juni 1998 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

In Dortmund lebte er bis Sommer 1999. Danach war er an verschiedenen Anschriften in Köln polizeilich gemeldet und zwar von Oktober 1999 bis August 2002 in der Röntgenstraße 20 und von September 2002 bis Mai 2006 in der K. Straße 8. In der Zeit vom 08. Juli bis 30. August 2002 sowie vom 09. September bis 16. Dezember 2002 besuchte er bei der Volkshochschule Köln einen Sprachkurs, der auf 20 bzw. 37 Tage angesetzt war, wobei er an 10 Tagen fehlte.

Im Herbst 2002 stellte er bei der Rechtsanwaltskammer Köln einen Zulassungsantrag als "Rechtskundiger im türkischen Recht" mit dem Ziel, nach einem Praktikum bei der Kölner Rechtsanwältin V. Y. ein "Büro für Rechtsberatung im türkischen Recht" in Köln oder Umgebung zu eröffnen; dieser Antrag wurde im Hinblick auf das Verfahren, das zur Verurteilung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf führte (vgl. nachf. 2.), nicht mehr beschieden.

Ab 01. Juni 2006 mietete er in Magstadt bei Stuttgart, A Straße, bei S. K. ein Zimmer an, das er jedoch als bloße Meldeadresse nutzte.

Der Angeklagte Y. lebte in Deutschland durchgängig von staatlichen Leistungen, bis Ende 2004 von Sozialhilfe, danach von Arbeitslosengeld II nach dem SGB II, zuletzt gewährt von dem Jobcenter Sindelfingen. Gelegentlich erhielt er Gelder von finanziell gut gestellten Familienangehörigen aus der Türkei.

2. Strafrechtlich ist der Angeklagte Y. in Deutschland bereits wie folgt in Erscheinung getreten:

a. Mehrere Ermittlungs- und Strafverfahren wurden eingestellt:

Im Juli 2001 erhob die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt a. M. (Az.: 6120 Js 236379/00) gegen ihn Anklage wegen Verstoßes gegen das Vereins- und das Versammlungsgesetz (Tatzeiten: 04. November 2000 und 13. Februar 2001) zum Landgericht Frankfurt a. M.; dieses Verfahren wurde durch Verfügung vom 22. November 2002 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf ein bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf anhängiges Verfahren (Az.: 3 OJs 43/01) eingestellt. In einem weiteren Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt a. M. wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (Tatzeit: 16. Juli 2001, Az.: 6130 Js 226547/01) wurde im Hinblick auf das erstgenannte Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Erhebung der öffentlichen Klage abgesehen. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe S in dem Ermittlungsverfahren wegen der Teilnahme an der DHKP-C-Schulungsveranstaltung in Eberbach in der Zeit vom 01. bis 05. August 2004 durch Verfügung vom 05. September 2005 mit Zustimmung der Staatsschutzkammer des Landgerichts Karlsruhe gemäß § 153b Abs. 1 StPO von der Erhebung der öffentlichen Klage ab (Az.: 500 Js 30056/04).

Zu den diesen Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalten später mehr.

b. Mit einer Verurteilung endete das bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Az.: III-II 1/05, 3 OJs 43/01) von der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf angeklagte Verfahren. Am 21. Juni 2005, rechtskräftig seit 05. April 2006, wurde der Angeklagte Y. wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung - begangen vor der Tat des vorliegenden Verfahrens - zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt; die Vollstreckung der Strafe wurde für die Dauer von 3 Jahren - mithin bis 05. April 2009 - zur Bewährung ausgesetzt; die Strafe ist noch nicht erlassen, sie wurde auch noch nicht widerrufen. Nach den Urteilsfeststellungen entfaltete er im Tatzeitraum von Februar bis August 1998 folgende Aktivitäten:

"(...) spätestens im Februar 1998 übernahm der Angeklagte die Leitung des DHKP-C-Gebiets (Bölge) Berlin. Um eine bessere Kontrollierbarkeit des Angeklagten zu gewährleisten, beschloss die Europakomiteeversammlung am 24. März 1998, den Angeklagten in eine näher, zentral gelegene Region zu versetzen. Da sich zudem die seinerzeitige Leiterin des Gebiets Dortmund keine ausreichende Autorität hatte verschaffen können, ordnete die Führungsebene an, statt ihrer den Angeklagten dort einzusetzen. Ab April 1998 übernahm der Angeklagte demgemäß die Leitung des Gebiets Dortmund, die er zumindest bis August 1998 inne hatte.

In seinen Funktionen als Gebietsleiter in Berlin und Dortmund sorgte der Angeklagte mit Hilfe der ihm nachgeordneten Aktivisten für die konkrete Umsetzung der Anordnungen und Direktiven der Europa- und Deutschlandführung in seinem Bereich. Er war für sämtliche Angelegenheiten organisatorischer, personeller, finanzieller und sonstiger Art verantwortlich, die auf seinem Gebiet anfielen. Bei der Erledigung dieser weitgefächerten Aufgaben stützte sich der Angeklagte weitgehend auf die Strukturen der DHKP-C.

Ein Schwerpunkt der Tätigkeit des Angeklagten als Gebietsverantwortlicher lag in der Organisation und Überwachung der finanziellen Angelegenheiten. Im Rahmen seiner Berichts- und Rechenschaftspflicht sorgte er für die Weiterleitung der eingenommenen Gelder an die ihm vorgesetzte Organisationseinheit.

Als Verantwortlicher für sein jeweiliges Parteigebiet arbeitete der Angeklagte nicht nur mit den örtlichen Aktivisten und Anhängern zusammen, sondern hielt auch Kontakt zu ihm übergeordneten Kadern bis hin zu den Deutschland- und Europaverantwortlichen. Diese informierte er im Rahmen seiner Berichtspflicht regelmäßig über Vorkommnisse und Entwicklungen in seinem Parteigebiet und traf mit ihnen insbesondere auf den sogenannten ‚Meclis‘ zusammen.

Vor allem durch die Teilnahme an diesen Meclis und seine Kontakte und Gespräche mit den führenden Funktionären der Organisation war der Angeklagte umfassend und zuverlässig über die Zielsetzung und Entwicklung sowie über die Arbeitsweise und Methoden der DHKP-C im Allgemeinen und der Deutschland-Organisation im Besonderen informiert. Dies galt vor allem auch für die innerhalb des Funktionärskörpers spätestens seit Anfang 1995 existierende terroristische Vereinigung und ihre gerade auch im Kreise der ‚Meclis‘-Teilnehmer immer wieder erörterten und gebilligten Ziele: Für die Absicht, durch Brandanschläge gegen türkische Banken, Geschäfte und Einrichtungen in Deutschland auf bestimmte Ereignisse und Entwicklungen in der Türkei aufmerksam zu machen und gegen diese zu protestieren, sowie für den ab Mitte 1996 in seiner Bedeutung allmählich in den Vordergrund tretenden Willen, ‚Putschisten‘ und ‚Abweichler‘ streng - gegebenenfalls mit dem Tode - zu bestrafen.

Der Angeklagte, der seit Jahren Kontakte auch zu höchsten Parteikreisen unterhielt, wusste und billigte bei der Übernahme seiner Tätigkeit als Gebietsleiter, dass die terroristische Vereinigung Straftaten durchführte. Dass er selbst an einer Katalogtat beteiligt war, konnte nicht festgestellt werden."

3. Der Angeklagte Y. befindet sich nach vorläufiger Festnahme am 27. November 2006 in Köln seit dem 28. November 2006 in Untersuchungshaft, und zwar zunächst aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts München II vom 09. November 2006 (Az.: II Gs 10565/06), seit 19. Dezember 2006 aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom gleichen Tage (Az.: 6 BGs 123/2006) und schließlich seit 06. März 2008 aufgrund - dem Umfang der Anklage angepassten - Haftbefehls des Senats vom 25. Februar 2008, zurzeit in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart.

4. Eine Entscheidung der Ausländerbehörde, des Regierungspräsidiums Stuttgart, wurde aufgrund des diesem Verfahren zugrunde liegenden Tatvorwurfs noch nicht getroffen.

B. Zur DHKP-C

I. Gründung

Die DHKP-C ist eine Nachfolgerin der im Jahre 1978 entstandenen Devrimci Sol (Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol). Anknüpfend an die Ideologie der von Mahir Cayan im Jahre 1970 ins Leben gerufenen, im kommunistisch orientierten Parteienspektrum der sogenannten Neuen Linken in der Türkei etablierten Türkischen Volksbefreiungspartei - Front (THKP-C), verfolgte die aus einer Aufsplitterung der Organisation Devrimci Sol (Revolutionärer Weg) hervorgegangene Dev Sol das Ziel, in der Türkei einen Umsturz der dortigen politischen Verhältnisse herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach kommunistisch-leninistischem Muster zu errichten.

Schon frühzeitig hatte die Dev Sol für ihre - auf die Anwendung revolutionärer Gewalt ausgerichteten - Aktivitäten auch außerhalb der Türkei Stützpunkte im Nahen und Mittleren Osten errichtet und in Europa (Deutschland, Frankreich, Österreich, Griechenland, Niederlande) eigenständige Strukturen aufgebaut. In Deutschland verfügte die Dev Sol über räumliche Untergliederungen, die auf regionaler bzw. örtlicher Ebene in verschiedene Gebiete und Einheiten (Bölge, Birim bzw. Alan) eingeteilt waren. In Köln befand sich überdies eine Zentrale für sämtliche, der sogenannten Devrimci Sol im Ausland angehörenden Einheiten. Die Aktivitäten der im internen Sprachgebrauch als Hinterfront bezeichneten Europaorganisation waren ausschließlich dazu bestimmt, den in der Türkei geführten bewaffneten Kampf der Dev Sol zu fördern und voranzutreiben.

Nachdem im Jahr 1982 im Bundesgebiet schwerwiegende Straftaten und massive, äußerst gewalttätige Ausschreitungen durch Angehörige der Dev Sol festgestellt worden waren, wurde diese Organisation nebst der ihr zugehörigen Teilorganisationen HA DER (Volksvereine) durch Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27. Januar 1983 in Deutschland bestandskräftig verboten. Dessen ungeachtet setzte die Dev Sol in der Folgezeit ihre Aktivitäten in Deutschland in konspirativer Form mit der bezeichneten Zielsetzung weiter fort.

Ab 1992 kam es zu innerorganisatorischen Meinungsverschiedenheiten und persönlichen Auseinandersetzungen, die schließlich zur Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende Flügel führten. Diese bezeichneten sich nach ihren damaligen Anführern Dursun Karatas (Karatas-Flügel) und Bedri Yagan (Yagan-Flügel). Die miteinander verfeindeten Gruppierungen verstanden sich jeweils als alleinige Sachwalter der wahren Dev Sol und kämpften bis Anfang 1998 rücksichtslos und häufig unter Schusswaffeneinsatz um die Führung der Bewegung. Die damit einhergehenden, rigoros und mit äußerster Gewalt ausgetragenen Konflikte mündeten schließlich in eine formelle und endgültige Spaltung der Dev Sol.

In dem Bestreben, die mit der Dev Sol verknüpfte revolutionäre Bewegung im Zuge einer Neuformierung zu einer revolutionären Partei weiterzuentwickeln, konstituierten sich die Anhänger der Karatas-Flügels auf einem vom 30. März 1994 bis 09. Mai 1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus (Syrien) zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (kurz: DHKP) bzw. der Revolutionären Volksbefreiungsfront (kurz: DHKC) und beschlossen, ihren revolutionären Kampf fortan unter diesen Bezeichnungen fortzusetzen. Die Delegierten des Kongresses verabschiedeten ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie zahlreiche Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden. Die darin enthaltene Programmatik der Organisation gilt unverändert bis heute. Als Gründungstag wurde der 30. März 1994, das Datum der (Partei-) Kongresseröffnung, festgelegt.

Die Anhänger der Yagan-Fraktion, die sich ab etwa Mitte 1994 unter der Bezeichnung THKP-C organisierten, teilweise aber auch noch unter der Bezeichnung Dev Sol agierten, wurden von der DHKP-C fortan als Putschisten bzw. Verräter bezeichnet und bekämpft.

II. Ziele

Die DHKP-C versteht sich als wahre Vertreterin der Traditionen der radikalen türkischen Linken. Die Organisation sieht sich in einer nunmehr 40-jährigen ununterbrochenen geschichtlichen Entwicklung sowie als Repräsentantin der Dev Sol, an deren Ideologie einschränkungslos festgehalten wird. Dementsprechend verfolgt die DHKP-C seit ihrer Gründung konsequent das Ziel, das verfassungsmäßige Regierungssystem in der Türkei im Wege eines revolutionären Umsturzes zu beseitigen und durch ein kommunistisches Regime kommunistisch-leninistischer Prägung zu ersetzen. Nach der erstrebten Auflösung sämtlicher staatlicher Strukturen wird als Endziel eine klassenlose Ordnung und eine Welt ohne Ausbeutung propagiert. Als grundlegende Aufgabe der sogenannten Volksbefreiungsfront der Türkei wird die Zerschlagung der sogenannten "Feindesfront der Imperialisten und deren Verbündeter" proklamiert.

Zur Realisierung dieser Vorhaben wird unter dem Leitspruch: Wir sind im Recht, (und) wir werden siegen (Hakliyiz Kazanacagiz) der bewaffnete (Volks-) Kampf bzw. Befreiungskrieg in einer revolutionären Volksherrschaft als unabdingbares Instrument erkannt angesehen. Angriffsziele sind neben Repräsentanten und Einrichtungen des türkischen Staates auch sogenannte Feinde des Volkes, zu denen insbesondere der "westliche Imperialismus", allen voran die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) sowie das Nordatlantische Verteidigungsbündnis (NATO) gerechnet werden. Die Zerschlagung dieser Feindesfront und deren Verbündeter wird als grundlegende Aufgabe bezeichnet.

Die in der Türkei verbotene DHKP-C tritt dort unter ihrem Namen auf, nutzt jedoch, um nach außen den Eindruck einer vermeintlich legalen Betätigung zu vermitteln auch Tarnbezeichnungen oder von ihr zu diesem Zweck gegründete Organisationen, wie etwa die "Vereinigung für grundlegende Rechte" (Temel Haklar Birligi). Ihre propagandistischen und militanten Aktivitäten sind überwiegend auf größere, in der Westtürkei gelegene Städte und Ballungsräume wie Istanbul und Ankara konzentriert.

III. Aufbau

In organisatorischer Hinsicht besteht die zentralistisch und hierarchisch aufgebaute DHKP-C aus einem politischen Bereich, der DHKP, und einem militärischen Arm, der DHKC.

1. DHKP

Die DHKP bestimmt als Führungsebene die politischen Leitlinien der Organisation und überwacht bzw. koordiniert die Durchführung der Parteibeschlüsse. Das höchste Parteiorgan bildet der Parteikongress, der als Leitungsgremium für die Berufung des Generalsekretärs der Organisation sowie die Mitglieder des Zentral- und Generalkomitees verantwortlich ist.

Der an der Spitze des Zentralkomitees (ZK) stehende Generalsekretär ist faktisch nicht absetzbar und mit umfassenden Vollmachten ausgestattet. Er repräsentiert die DHKP-C auf nationaler und internationaler Ebene. Ihm obliegt die Kontrolle sämtlicher Organe der DHKP und DHKC. Auf dem Parteigründungskongress im Jahre 1994 wurde Dursun Karatas, der - wie ausgeführt - schon ab dem Jahre 1978 bei der Dev Sol als Mitglied des ZK Führungsverantwortung innehatte, zum Generalsekretär der DHKP-C gewählt. Dieses Amt übte Karatas, der sich zuletzt in den Niederlanden aufhielt, in der Folge ununterbrochen bis zu seinem Tod am 11. August 2008 aus. Über seine Nachfolge ist derzeit nichts bekannt.

Das Zentralkomitee, dem formal die Leitung der Partei obliegt, kann vom Generalsekretär in seinen Befugnissen beschränkt werden. Als sogenannter Befehlshaber des Krieges hat es über "politische Vorgehensweisen und Taktiken" zu beschließen. Neben Karatas wurden auf dem Parteigründungskongress der frühere Dev Sol-Funktionär Faruk E. und Arslan T Ö. in das dreiköpfige Zentralkomitee der DHKP berufen. E., organisationsintern auch unter dem Decknamen M. agierend, wurde am 08. April 2007 - zusammen mit dem damaligen Sonderbeauftragten der DHKP-C für den Arbeitsbereich Nachschub und Logistik, dem früheren Mitangeklagten D. - in Hagen festgenommen. Gegen ihn (E.) verhandelt derzeit ein Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Ö., der sein Führungsamt innerhalb der DHKP-C einer organisationsinternen Verlautbarung zufolge im September 2007 verloren hat, wurde im August 2008 auf Zypern von der Polizei verhaftet. Welche Parteikader derzeit dem Zentralkomitee der DHKP angehören, ist nicht bekannt.

Zur Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedern des Zentralkomitees ist das Generalkomitee berufen. Bei Vorliegen außerordentlicher (Krisen-) Situationen können die Mitglieder dieses Gremiums – auch anstelle des Parteikongresses - vorläufige Anordnungen treffen. Zur personellen Besetzung des Generalkomitees liegen keine Erkenntnisse vor.

Darüber hinaus ist die Partei in Form von Komitees und Zellen organisiert, die sowohl nach geographischen Gesichtspunkten wie auch nach Sach- bzw. Arbeitsbereichen gegliedert sind.

Auch nach dem Tod von Dursun Karatas sowie der Verhaftung von E. und Ö. besteht die Organisation weiter fort.

Als Mitglied der Partei (DHKP) kann nur aufgenommen werden, wer auch Mitglied der Front (DHKC) ist. Erforderlich ist ferner das Vorliegen einer Empfehlung zweier Parteimitglieder, ein positives Votum des Zentralkomitees sowie die Bereitschaft, jedwede Aufgabe nach Anweisung der Partei bedingungslos zu erfüllen. Personen, die als Mitglieder aufgenommen werden, haben einen Eid auf die Partei zu leisten. Regelmäßig haben Organisationsanhänger anhand eines standardisierten Fragebogens einen Lebenslauf zu verfassen, der bei der Entscheidungsfindung zu der Frage, ob ein Bewerber in die Partei oder die Front aufgenommen wird, Berücksichtigung findet.

2. DHKC

Die DHKC ist als sogenannte Kriegskraft die kämpfende (Front-) Organisation der DHKP-C. Sie hat die in den Gremien der DHKP getroffenen Entscheidungen auszuführen. Hierarchisch ist die Front (Cephe) der Partei nachgeordnet. Die Leitungsorgane der DHKP bilden zugleich die höchsten Entscheidungsgremien der DHKC. Diese besteht im Wesentlichen aus bewaffneten, von Parteimitgliedern kommandierten (Propaganda-) Einheiten und Milizverbänden. Diese Kampftruppen sollen im Rahmen eines Guerillakrieges den "feindlichen Kräften wirksame Schläge versetzen". Gleichzeitig haben sie den Auftrag, Propaganda zu betreiben und "Schritte für die Offensive der Partei und der Front" einzuleiten.

Die Mitgliedschaft in der DHKC steht sämtlichen Personen offen, die sich die Regeln und Prinzipien der Front zu eigen machen und die kämpfen wollen. Sie müssen von zwei Frontmitgliedern vorgeschlagen werden und benötigen die Zustimmung des örtlich zuständigen Parteikomitees. Personen, die aus Sicht des Zentralkomitees der DHKP ungeeignet sind, bleibt auch die mitgliedschaftliche Aufnahme in die DHKC verwehrt.

Zu den militärischen Kampfverbänden der Frontorganisation gehören die aus den bewaffneten (revolutionären) Einheiten (SDB) der Dev Sol hervorgegangenen sogenannten Bewaffneten Propagandaeinheiten (Silahli Propaganda Birlikleri, kurz: SPB), die in Großstädten agieren und - vorzugsweise in ländlichen Gebieten bzw. Vororten größerer Städte eingesetzte - (Guerilla-) Milizverbände. Sämtliche dieser Einheiten sind unmittelbar der, aus dem Zentralkomitee und Generalsekretär bestehenden, Parteiführung unterstellt, welche die Aufträge bzw. Genehmigung zur Durchführung von Anschlägen erteilt.

3. (Räumlich-sachliche) Einheiten

In struktureller Hinsicht ist die DHKP-C in der Türkei in verschiedene räumliche Organisationseinheiten untergliedert, die jeweils von verantwortlichen, gegenüber übergeordneten Einheiten berichtspflichtigen Führungskomitees oder - bei kleineren Gebieten auf örtlicher Ebene - von einzelnen Funktionären gesteuert bzw. angeführt werden. Derzeit hat die Organisation entsprechende Kader-Komitees für die Gebiete Mittelmeer, Marmara, Schwarzes Meer, Mittleres Anatolien und Kurdistan installiert. Daneben existieren einzelne, nach sachlichen Kriterien abgegrenzte Arbeits- / Tätigkeitsbereiche, zu denen z. B. auch die Jugendorganisation zählt. Darüber hinaus hat die DHKP-C in der Türkei - wie bereits erwähnt - eine sogenannte demokratische Ebene errichtet, die sich aus weit verzweigten Tarneinrichtungen / -vereinen zusammensetzt und dazu dient, Aktivitäten verdeckt im Rahmen scheinbar legaler Betätigungen, zu denen etwa auch die Durchführung von Demonstrationen, Protestmärschen und Kundgebungen gehören, vorbereiten bzw. durchführen zu können.

4. Kaderwesen

Sämtliche innerorganisatorische Planungen, Vorgänge und sonstige Begebenheiten werden akribisch erfasst und in Berichten detailliert verschriftet festgehalten. Der Informationsaustausch und die Kontaktaufnahme zwischen einzelnen Kadern wird im Wege einer durchweg codierten Korrespondenz abgewickelt.

Dem absoluten Herrschaftsanspruch einer kommunistisch-leninistischen Kaderpartei gemäß sind die Mitglieder der DHKP-C eng in die Organisationsstrukturen eingebunden. Sie sind zu bedingungslosem Gehorsam verpflichtet und haben sich (letztendlich) ohne weiter zu diskutieren an die Parteidisziplin zu halten. Sie unterliegen einer organisationsinternen Strafordnung. Diese sieht bei Fehlverhalten und sogenannten schweren Verbrechen, zu denen unter anderem die Initiierung eines Putschs, Verrat, die Kapitulation vor dem Feind sowie die Nichterfüllung von Befehlen und Anweisungen der Partei gerechnet werden, Sanktionsmaßnahmen vor, die vom Entzug der Parteimitgliedschaft bzw. Ausschluss aus der Front bis hin zur Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe reichen. Für den Fall ihrer Festnahme durch die Polizei und anschließender Inhaftierung sind die Mitglieder der Organisation in der Türkei allgemein angewiesen, gegen jedwede Maßnahmen der Sicherheitskräfte bzw. Vollzugsbeamten Widerstand zu leisten.

Personen, die in der Türkei am bewaffneten Kampf der DHKP-C teilgenommen und als Asylanten ohne vorherige Zustimmung vorgesetzter Kader in Europa Zuflucht gesucht haben, werden von der Organisation des Verrats bezichtigt bzw. als Verräter angesehen. Ihre Eingliederung in die Rückfront kommt erst dann in Betracht, wenn die Betreffenden (wieder) am bewaffneten Kampf teilnehmen wollen und einen detaillierten Lebenslauf, aus dem sich eine entsprechende Bereitschaft ergibt, vorgelegt haben. Erforderlich ist außerdem die erfolgreiche Durchführung eines förmlichen organisationsinternen Prüfungsverfahrens, in dem ein spezifisches Schulungsprogramm zu absolvieren ist, sowie das Vorliegen einer positiven Bewertung durch die verantwortlichen Funktionäre.

Als Verräter bzw. Verbrecher werden auch diejenigen Organisationmitglieder bezeichnet, die sich am sogenannten Todesfasten beteiligt, dieses dann aber eigenmächtig abgebrochen haben. Die jeweiligen Personen sind in diesen Fällen dazu aufgerufen, sich durch Selbstverbrennung organisationsintern "zu reinigen".

Hierzu ist auszuführen:

Mit dem Begriff Todesfasten werden unbefristete Hungerstreiks bezeichnet, die im Oktober 2000 in türkischen Haftanstalten begonnen und sich in der Folge auch außerhalb von Strafvollzugseinrichtungen fortgesetzt hatten. Die DHKP-C war bestrebt, durch diese Aktion ihrem Protest gegen die Einführung und Belegung neuer Haftanstalten mit Einzelzellen und kleinräumigen Gemeinschaftszellen (sogenannte F-Typ-Gefängnisse) anstelle der bisherigen Unterbringung in Großraumzellen und damit einhergehenden Verlegungen von Gefangenen wirkungsvoll und in spektakulärer Form Ausdruck zu verleihen. Anlass für die Einrichtung derartiger F-Typ-Gefängnisse war der Entschluss der türkischen Regierung, die materiellen Haftbedingungen europäischen Standards anzugleichen und der Bildung extremkommunistischer und krimineller Gruppierungen in Haftanstalten entgegenzuwirken. Die DHKP-C behauptet, Gefangene in derartigen Haftanstalten seien in stärkerem Maße der Gefahr von Übergriffen durch Vollzugsbedienstete ausgesetzt. Sie befürchtete, dass infolge dieser Strafvollzugsreform die bis dahin bestehende und von ihr genutzte Möglichkeit der Steuerung von Aktivitäten durch inhaftierte Organisationsangehörige aufgehoben und die Einfluss- und Zugriffsmöglichkeiten der Vereinigung auf ihre inhaftierten Mitglieder eingeschränkt werden könnten. So wurden im System der Sammel- / bzw. Massenzellen in Gefängnissen älterer Bauart durch (Führungs-) Funktionäre der DHKP-C Anschläge aus Vollzugsanstalten befehligt und Schulungen im Bombenbau, zur Handhabung von Waffen bzw. Passfälschungen durchgeführt sowie sogenannte Teams für die Gewährleistung eines regelmäßigen und uneingeschränkten Nachrichtenaustauschs unter Gefangenen zusammengestellt. Organisationsmitglieder, die im Verdacht standen, von der Parteidisziplin abgewichen zu sein bzw. mit den Sicherheitskräften kooperieren zu wollen, wurden in den Haftanstalten von Funktionären "verhört" und - gegebenenfalls - als Verräter in unterschiedlicher Form mit Sanktionen, zu denen unter anderen auch die Verhängung von, bis zu einem Jahr andauernden, Isolationsmaßnahmen oder Hungerstrafen sowie Todesurteile gehörten, belegt. An den Folgen der bezeichneten, bis Anfang 2007 durchgeführten Hungerstreiks sind, organisationsinternen Erklärungen zufolge, insgesamt 122 - als Märtyrer bzw. Todesfastenkämpfer bezeichnete - "Genossen" verstorben.

Die nach Auffassung der DHKP-C in F-Typ-Gefängnissen ausgeübte Isolationsgewalt wird von der Organisation überdies häufig als Legitimation für die Anschläge angeführt, die von bewaffneten Einheiten bzw. Selbstmordattentätern der DHKP-C in der Türkei verübt werden.

Anders als in türkischen Gefängnissen älterer Bauart, welche (Massen-) Hafträume für bis zu 100 Personen aufwiesen, entsprechen die Haftbedingungen in den seit dem Jahre 2001 eingeführten F-Typ-Gefängnisse im Hinblick auf Zellengröße, Hygiene, Betätigungsmöglichkeiten für Gefangene und ärztliche Betreuung durchweg mitteleuropäischen Standards. Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass Gefangene in derartigen Haftanstalten einer gezielten Isolation ausgesetzt sind, bestehen nicht. Um entsprechenden - auch von türkischen Menschenrechtsorganisationen erhobenen - Vorwürfen zu begegnen, wurde Anfang 2007 angeordnet, dass in F-Typ-Gefängnissen inhaftierten Personen in 10er-Gruppen zehn Stunden pro Woche die Gelegenheit für Zusammenkünfte eingeräumt werden soll.

IV. Bewaffneter Kampf

1. Zur Programmatik und grundsätzlichen Vorgehensweise

Als Vereinigung, die den revolutionären Kampf unter anderem durch Mord und Totschlag voranzutreiben versucht, verfolgt die DHKP-C seit ihrer Gründung die organisationsinterne Zielsetzung, das "blutige Ausbeuterregime" in der Türkei gewaltsam zu beseitigen und durch die "revolutionäre Volksmacht aller Volkskräfte" zu ersetzen, dadurch, dass sie gegen Repräsentanten und Einrichtungen des türkischen Staates wie auch Führer von Wirtschaftsunternehmen sowie "Treffpunkte und Vergnügungsorte des Kleinbürgertums" unter Einsatz von (Schuss-) Waffen, Sprengstoffen und Brandsätzen vorgeht. Entsprechende Angriffe richten sich auch gegen Personen oder Unternehmen, die von der Organisation mit Rauschgift, Glücksspiel und Prostitution in Verbindung gebracht werden. Durch dieses Vorgehen und damit einhergehender bewaffneter Propagandamaßnahmen soll die Sympathie des Volkes, von dem die angestrebte Revolution ausgehen soll, geweckt und Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit für die Ziele der Organisation erlangt werden.

Seit dem Jahr 1994 wurden daher in der Türkei durch Einheiten der DHKP-C eine Vielzahl von Tötungsdelikten sowie Brand- und Sprengstoffanschlägen begangen, die ab dem Jahr 2001 mitunter auch durch Selbstmordattentäter, in der organisationsinternen Sprachregelung als Aufopferungskämpfer bezeichnet, ausgeführt werden. An dieser terroristischen Zielsetzung hält die DHKP-C, die in der Türkei aktuell über eine Personalstärke von etwa 300 bis 500 satzungsmäßigen Mitgliedern verfügt, bis heute fest.

Die mit der Durchführung von Anschlägen beauftragten Attentäter rekrutieren sich aus speziellen (Kampf-) Kommandos, denen in Ausbildungscamps umfassende Kenntnisse für den Guerillakampf vermittelt werden. Zu diesem Zweck werden die entsprechenden Einheiten mit Finanzmitteln und Gegenständen wie (Schuss-) Waffen, Sprengstoffen, Zeitzündern, Handgranaten und Wurfbrandsätzen (Molotowcocktails) ausgestattet. Bei Bombenanschlägen kommen in der Regel unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen (kurz: USBV) zum Einsatz, die aus militärisch-gewerblichen Sprengstoffen oder Selbstlaboraten zusammengesetzt sind. Die Zündung der Sprengsätze erfolgt in der Regel durch Zeitzündung mittels Uhren bzw. Fernzündung per Mobiltelefon. Zur Vorbereitung eines Anschlags hat (haben) die hiermit beauftragte(n) Person(en) auf Anweisung der Organisationsspitze zunächst ein, zumeist mit einem Decknamen bezeichnetes, Angriffsziel auszuspähen. Hierbei sind insbesondere die geplante Annäherung an den möglichen Tatort, dessen Beschaffenheit, die beabsichtigte Vorgehensweise bei der Anschlagsausführung sowie Fluchtmöglichkeiten in den Blick zu nehmen. Über die hierzu gewonnenen Erkenntnisse ist - ebenso wie über den Aufbau des für den Einsatz vorgesehenen Sprengsatzes, des Zünders sowie etwaige Funktionsüberprüfungen - an die Organisationsführung zu berichten. Diese entscheidend darüber, ob, durch wen und in welcher Form ein Anschlag verübt wird. Nach Begehung der Anschläge werden von der DHKC regelmäßig - mit dem Begriff Revolutionäre Volksbefreiungsfront unterzeichnete - Bekennerschreiben veröffentlicht. Diese jeweils mit Begründungen versehenen Selbstbekennungen werden im Internet oder in Schriftwerken (Publikationen), welche von der Organisation herausgegeben werden oder deren Zielsetzungen propagieren, verbreitet. Darüber hinaus wurden von der DHKP-C in Einzelfällen auch Videoaufzeichnungen hergestellt, die zu späteren Propagandazwecken die Vorbereitung von Selbstmord-Attentaten dokumentieren.

2. Anschläge und Bestrafungsaktionen der DHKP-C

a. Bis zum 30. August 2002

Die Dev Sol und ihr nachfolgend die DHKP-C verübten in der Türkei bis zum 30. August 2002 zahlreiche Anschläge mit vielen Toten. Zu den propagandistisch besonders bedeutsamen Aktionen zählten unter anderen die Ermordung des ehemaligen Justizministers der Türkei, Mehmet T. im Jahre 1994, der im Jahre 1996 erfolgte Angriff auf das Sabanci-Center, in dessen Verlauf die Unternehmer Sabanci und Haluk Görgün sowie eine Sekretärin ermordet wurden und der Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul (-Taksim) durch das Frontmitglied U Bülbül im September 2001, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt worden sind.

b. Nach dem 30. August 2002

Auch nach Inkrafttreten des § 129 b StGB kam es zu einer Vielzahl von Anschlägen der DHKP-C in der Türkei, bei denen zahlreiche Menschen getötet oder schwer verletzt wurden. Bei Anschlägen, bei denen - z. B. wegen rechtzeitig eingeleiteter Evakuierungsmaßnahmen - lediglich Sachschäden entstanden, waren die jeweiligen Angriffe aufgrund der eingesetzten Mittel (Sprengsätze) jeweils geeignet, die Tötung von Personen herbeizuführen. Dies nahmen die Täter jeweils billigend in Kauf. Infolge dieser Anschlagstätigkeit der DHKP-C entstand eine bis heute andauernde hohe Verunsicherung in der türkischen Bevölkerung. Hervorzuheben sind folgende, besonders gravierende Anschläge:

- Am 15. April 2003 explodierte in Istanbul im Gebäude der Stiftung zur Stärkung der Rechtsorgane, einer Sozialeinrichtung für Richter, eine im Bereich der dortigen Cafeteria von Semiran P. deponierte, mit einer Zeitschaltvorrichtung versehene Splitterbombe mit Druckwirkung. Es entstand erheblicher Sachschaden;

- zwei weitere, ebenfalls am 15. April 2003 vor Filialen der Schnellimbisskette McDonald´s in Istanbul deponierte Sprengsätze konnten rechtzeitig vor ihrer Detonation von der Polizei entdeckt und durch kontrollierte Explosionen unschädlich gemacht werden. Es entstanden ebenfalls Sachschäden;

- am 20. Mai 2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer sogenannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden;

- am 03. Juni 2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-) Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-) Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte;

- am 15. / 16. Juli 2003 wurde in einem Parkgelände des Vergnügungszentrums Laila in Istanbul-Besiktas ein Sprengsatz deponiert. Zu der geplanten Detonation der ferngesteuerten Bombe kam es in der Folge nicht. Die Sprengvorrichtung konnte von türkischen Sicherheitskräften aufgefunden und entschärft werden;

- am 06. August 2003 war ein (Shuttle-) Bus des türkischen Militärs, in dem an diesem Tag mindestens 30 Angehörige eines Pionierbataillons befördert wurden, Ziel eines Bombenanschlags. Die durch Fernsteuerung gezündete Sprengvorrichtung, der zur Verstärkung der Explosionswirkung Eisenteile beigefügt waren, wurde hierzu in Istanbul im Bereich einer Lichtzeichenanlage am Straßenrand abgelegt. Es entstand lediglich Sachschaden am Transportbus und an einem weiteren Fahrzeug;

- am 22. April 2004 detonierte unter einem Dienstwagen des türkischen Militärs sowie zwei weiteren Kraftfahrzeugen, die in Istanbul eine Verbindungsstraße zum Flughafen befuhren, eine (Splitter-) Bombe. Es entstand Sachschaden an den drei Fahrzeugen;

- am 24. Juni 2004 explodierte in Istanbul in einem Linienbus der städtischen Verkehrsbetriebe ein Sprengkörper. Infolge der Explosion wurden außer der Attentäterin, Semiran P., drei Fahrgäste getötet. 21 weitere Personen erlitten Verletzungen, teilweise mit bleibenden Schäden;

- am 01. Juli 2005 kam es zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf das türkische Justizministerium in Ankara. Der Attentäter, Eyüp B,, wurde von türkischen Sicherheitskräften aufgegriffen und erlitt bei dem Versuch, sich seiner Festnahme durch die Polizei zu entziehen, tödliche Verletzungen;

- am 26. Dezember 2005 schossen Angehörige einer bewaffneten Propagandaeinheit in Istanbul in Tötungsabsicht auf die Insassen eines Streifenwagens der örtlichen Sicherheitspolizei. Ein Polizeibeamter wurde hierbei verletzt;

- im Februar 2006 töteten Mitglieder der DHKP-C im Rahmen sogenannter Bestrafungsaktionen in der Türkei die beiden türkischen Staatsangehörigen H S. und HAl A.;

- am 13. Februar 2006 wurde in Istanbul der türkische Polizeibeamte A Riza C. in Tötungsabsicht beschossen, weil er bezichtigt wurde, ein Folterpolizist zu sein und zwei unbewaffnete Revolutionäre getötet zu haben. A C. erlitt mehrere (Schuss-) Verletzungen;

- am 12. Juni 2006 stürmten maskierte Mitglieder der DHKC mit Schusswaffen zwei Istanbuler Musiklokale. Die dort anwesenden Personen mussten sich auf den Boden legen. Die von den Angreifern geworfenen Brandsätze (Molotowcocktails) entzündeten sich nicht. Es entstand jeweils Sachschaden;

- am 19. Juni 2006 feuerten zwei Mitglieder der Organisation in Istanbul aus einem Hinterhalt heraus mit Schusswaffen auf ein Mannschaftstransportfahrzeug der Polizei, um die darin befindlichen Personen zu töten. Der Fahrer des Kraftfahrzeugs wurde getroffen und erlag in der Folge seinen Schussverletzungen;

- am 18. August 2006 kam es in Istanbul zu einem, von maskierten Tätern verübten Schusswaffenattentat auf ein Polizeifahrzeug. Ein im Fahrzeug befindlicher Polizeibeamter wurde durch einen Schuss in die Brust lebensgefährlich verletzt. Ein zweiter Beamter erlitt einen Streifschuss im Gesicht;

- am 18. September 2006 betraten vier maskierte DHKP-C-Kämpfer ein Friseurgeschäft in Istanbul. Nachdem die anwesenden Geschäftskunden aus den Räumlichkeiten verwiesen worden waren, wurden die Betriebsräumlichkeiten mittels eines Molotowcocktails in Brand gesetzt. Ein Angestellter wurde durch Schläge und Schüsse in die Beine verletzt;

- am 21. September 2006 wurden zwei Istanbuler Musiklokale von jeweils etwa 45 bis 50 maskierten und mit Schlagstöcken bewaffneten Aktivisten der DHKP-C überfallen, die den Versuch unternahmen, Molotowcocktails zu zünden.

Trotz erheblichen polizeilichen Fahndungsdrucks und eines nur geringen Rückhalts in der türkischen Bevölkerung halten die Terroraktivitäten der DHKP-C bis heute an. Nach ihrem Selbstverständnis hält sich diese Organisation nach wie vor für die schlagkräftigste Gruppierung innerhalb der linksextremkommunistischen Vereinigungen in der Türkei. Auch in der Zeit nach der Festnahme der Angeklagten G. und Y. Ende November 2006 kam es in der Türkei zu weiteren terroristischen Anschlägen:

- So wurden im Juni / Juli 2007 mehrere - teilweise unter Einsatz von Bomben und Brandsätzen durchgeführte - Anschläge auf Wahlbüros verschiedener Parteien (AKP, CHP, SP und MHP) sowie andere (öffentliche) Gebäude in Istanbul und anderen Orten verübt. Es entstanden jeweils Sachschäden;

- am 29. April 2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen.

C. Die Rückfront der DHKP-C

I. Begriff und Zielsetzung

Entsprechend ihrer Zielsetzung, der Herbeiführung einer Weltrevolution und dem Sturz des Imperialismus, haben nach der Parteiprogrammatik Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der, organisationsintern mit dem Synonym Heimat bzw. Land bezeichneten, Türkei, sondern auch in anderen Staaten zu erfolgen. Von dem Bestehen einer (Kampf-) Front wird überall dort ausgegangen, wo sich Mitglieder der Organisation aufhalten.

Vor diesem ideologischen Hintergrund hat sich die DHKP-C auch außerhalb der Türkei strukturell verfestigt. Neben einem Stützpunkt im Mittleren Osten (Syrien) und Verbänden in Südosteuropa mit den Ländern Griechenland, Bulgarien und Rumänien, besteht diese sogenannte Rückfront auch in (West-) Europa, wo die DHKP-C in Deutschland, Frankreich, England, Italien, Niederlande, Belgien, Österreich und der Schweiz agiert. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei zu fördern.

Entsprechend ihrer auf dem Parteigründungkongress formulierten Programmatik ist die DHKP-C davon überzeugt, dass der in der Türkei geführte "Krieg ... nicht an der Front, sondern an der Rückfront gewonnen ..." wird. Die Rückfront der DHKP-C ist daher für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung.

Innerhalb der Rückfront der DHKP-C ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei, das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen.

Nach Maßgabe der auf dem Gründungskongress beschlossenen Vorgaben wurden ab dem Jahre 1994 in einer Reihe westeuropäischer Staaten, von denen die DHKP-C annahm, dort ohne (nachhaltige) strafrechtliche Verfolgung agieren zu können, als (Kontakt- oder Front-) Büros bezeichnete Schaltstellen eingerichtet. Hierzu zählt(e) zum Beispiel die sogenannte Presseagentur Ö. in Amsterdam, wo die Organisation ein - im Jahre 2004 sichergestelltes - (Nachrichten-) Archiv aufgebaut hatte.

Ebenso wie in der Türkei hatte sich im Bundesgebiet spätestens ab dem Jahr 1995 eine personell die Führungsfunktionäre umfassende, sich von untergeordneten Organisationsangehörigen abschottende, Gruppierung innerhalb der DHKP-C gebildet. Entsprechend wurde beschlossen, auch in Deutschland aus propagandistischen Zwecken durch Gewaltaktionen gegen türkische Einrichtungen vorzugehen. In zahlreichen deutschen Städten kam es daher in der Folge zu - von der türkischen Mutterorganisation angeordneten und den Führungsfunktionären der Deutschlandorganisation bzw. nachgeordneten Kadern ausgeführten - militanten Aktionen.

Ab etwa Mitte des Jahres 1996 konzentrierten sich die Gewalttätigkeiten auf die Auseinandersetzung mit Anhängern des Yagan-Flügels oder sonstigen Abweichlern, gegen die nunmehr rigoros vorgegangen wurde, um das andauernde Putschisten-Problem endgültig zu lösen. Auf Anordnung des damaligen Deutschlandverantwortlichen der Organisation kam es im Jahre 1997 zu entsprechenden gewalttätigen Vergeltungsaktionen.

Nachdem seitens der deutschen Sicherheitsbehörden festgestellt wurde, dass die Organisation einen personellen und organisatorischen Apparat gebildet hatte, der den revolutionären Kampf der früheren Dev Sol fortführte, wurde die DHKP-C durch Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 06. August 1998 als Ersatzorganisation der Devrimci Sol bestandskräftig verboten und deren Auflösung angeordnet. Die DHKP-C verlagerte daraufhin ihre Zentrale nach Belgien und später in die Niederlande.

Am 12. Februar 1999 gab der damalige Generalsekretär der DHKP-C, Dursun Karatas, unter dem Eindruck einer Vielzahl von Festnahmen und Verurteilungen hoher Funktionäre der DHKP-C eine Erklärung dahin ab, dass sich die von ihm geführte Organisation in Deutschland fortan ausschließlich auf den politischen Kampf beschränken und hier keine Gewalt mehr anwenden wolle. Seit dieser Gewaltverzichtserklärung sind terroristische Gewalttaten der DHKP-C im Bundesgebiet nicht mehr registriert worden. Gleichwohl ist diese Vereinigung in Deutschland wegen der in der Türkei uneingeschränkt fortbestehenden Gefährdungslage weiterhin verboten. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten.

II. Aufbau

An ihrer Zielsetzung, den in der Türkei geführten bewaffneten Kampf der Organisation personell und materiell zu fördern, hielt die Rückfront der DHKP-C auch nach der bezeichneten Erklärung ihres Generalsekretärs vom Februar 1999 fest. Zur Verwirklichung dieses Ziels werden auch Verstöße gegen Gesetze in Kauf genommen. Die DHKP-C hat, anknüpfend an bereits von der Dev Sol geschaffene Organisationseinheiten, in der Rückfront festgefügte, hierarchisch gegliederte und nahezu flächendeckende Strukturen aufgebaut.

- Europaführung

An der Spitze der Rückfront der DHKP-C in Europa steht die unmittelbar von der Organisationsführung (Zentrale) eingesetzte Europaführung, die für sämtliche, zur (europäischen) Rückfront gehörenden Länder verantwortlich ist. Die in den einzelnen Staaten errichteten Organisationsstrukturen werden jeweils von (nationalen) Länderverantwortlichen geleitet, wobei der für Deutschland verantwortliche Funktionär üblicherweise auch als Europaverantwortlicher fungiert und mit der Leitung und Überwachung der gesamten Rückfront in Europa betraut wird. In dieser Funktion hat er die innerhalb seines räumlichen Zuständigkeitsbereichs gelegenen DHKP-C-Einheiten nach den Weisungen und Vorgaben des Zentralkomitees bzw. Generalsekretärs anzuleiten und zu führen sowie die praktische Umsetzung entsprechender Anordnungen in eigener Verantwortung sicherzustellen. Als höchste Hierarchieebene der Rückfront in Europa ist der / die Europaverantwortliche unmittelbar der Partei- / Organisationsführung unterstellt und weisungsgebunden.

In dieser Position agierte ab Anfang 1995 N E.., der sich bereits im Jahre 1976 der Dev Sol in der Türkei angeschlossen und in der Folgezeit am revolutionären Kampf dieser Organisation teilgenommen hatte. Mitte 1995 wurde E.. in seiner Funktion als Europaverantwortlicher durch das DHKP-C-Mitglied Serefettin G abgelöst. Nach Gs Festnahme im September 1997 fungierte E.., auch unter dem Decknamen C., bis zu seiner Festnahme im Oktober 1999 erneut als Deutschland- und Europaverantwortlicher der DHKP-C. Zu seiner Nachfolgerin wurde ein bislang nicht eindeutig wiedererkanntes weibliches Organisationsmitglied mit dem Decknamen M bestimmt, das in der Folge bis mindestens Ende 2003 / Anfang 2004 als Deutschland- und Europaverantwortliche agierte, zunächst unter der (Tarn-) Bezeichnung A. und ab Mitte Juli 2002 mit dem Decknamen G.. An der Spitze der Deutschland- und Europaorganisation der DHKP-C steht auch weiterhin ein von der Parteiführung bestimmter Funktionär.

- Nachgeordnete Einheiten auf Länderebene

Der Europaführung nachgeordnet sind nationale, entweder aus einer Einzelperson oder mehrköpfigen Komitees bestehende Organisationseinheiten (Länderverantwortliche / -komitees) für die einzelnen, zur Rückfront der DHKP-C in Europa gehörenden Staaten. In räumlicher Hinsicht hat die Organisation neben Deutschland auf diese Weise - wie bereits dargelegt - das Territorium der Länder England, Frankreich, Niederlande, Belgien, Österreich, Schweiz für sich erschlossen. Darüber hinaus ist die DHKP-C bestrebt, in Dänemark, Schweden und Finnland strukturell Fuß zu fassen, um dort organisiert-systematische Aktivitäten entfalten und auch von diesen Ländern aus den bewaffneten Kampf in der Türkei vorantreiben zu können.

Die in Deutschland bestehende Rückfront der DHKP-C ist in räumlicher Hinsicht in verschiedene, als Bölge bezeichnete Regionen und Gebiete aufgeteilt, deren geographischer Zuschnitt von Zeit zu Zeit verändert wird. So wurden die ursprünglich fünf Regionen (Nord, Westfalen, Mitte, Ost, Süd) im Jahr 2000 zu drei Regionen (Nord, Westfalen und Süd) zusammengefasst. Der Region Nord sind Hamburg, Bremen und Hannover sowie die Bölge Berlin mit der Stadt Dresden angegliedert. Zur Region Westfalen gehören (unter anderen) die Gebiete Dortmund, Duisburg, Wuppertal, Köln, Aachen und Bielefeld. Der Region Süd sind die Gebiete Stuttgart, Ulm sowie München / Augsburg / Nürnberg zugeordnet. Das ab 2000 ebenfalls zur Region Süd zählende Gebiet Mitte, bestehend aus den Städten Frankfurt am Main, Mannheim, Karlsruhe, Kassel und Saarbrücken, bildet seit etwa Oktober 2002 wieder eine eigenständige, vierte Region Mitte.

Die (Regions- / Gebiets-) Leitung obliegt auf sämtlichen dieser Strukturebenen professionellen Führungskadern, den sogenannten Regions- bzw. Gebietsverantwortlichen, die entweder als Einzelpersonen und / oder innerhalb mehrköpfiger (Gebiets- bzw. Regions-) Komitees agieren. Teilweise werden einzelne, besonders geeignete Führungskader auch zu Generalverantwortlichen bestimmt und in dieser Funktion mit der Leitung mehrerer Regionen bzw. der Überwachung der jeweiligen Regionsleiter beauftragt. Sämtliche Führungsfunktionäre in der Rückfront - bis hin zu den Gebietsleitern - werden unmittelbar von der Parteiführung oder auf deren Weisung von der Europaführung eingesetzt und abberufen.

Neben den räumlichen Untergliederungen existieren besondere, nach sachlichen Kriterien abgegrenzte Arbeitsgebiete bzw. Organisationseinheiten, die ebenfalls einem - für die jeweilige Sonderaufgabe - verantwortlichen, teilweise direkt der Organisationsführung der DHKP-C unterstellten, Führungsfunktionär zugeordnet sind. Außer der Jugendorganisation Devrimci Genclik (Revolutionäre Jugend, Kurzbezeichnung: Dev Genc) und dem Beauftragten (Büro) für Rechtsangelegenheiten und Gefangenenbetreuung gehört hierzu insbesondere der (noch ausführlich darzustellende) Arbeitsbereich Nachschub und Logistik.

- Tarnorganisationen

Schließlich verfügt die DHKP-C im Bundesgebiet über verschiedene, von ihr kontrollierte Einrichtungen, über die insbesondere Anhänger und Sympathisanten in die Organisation eingebunden und indoktriniert werden. Sie treten eigenständig nach außen unter Tarnbezeichnungen in Erscheinung und verfolgen in Übereinstimmung mit der Programmatik der DHKP-C deren Zielsetzung. Sie dienen ferner der Umsetzung von Vorgaben der Führungskader, dem Nachrichtenaustausch, als örtliche Treffpunkte für Funktionäre und Aktivisten der Organisation sowie der Verteilung von Publikationen und Propagandamaterial der DHKP-C.

Neben der Front für Rechte und Freiheiten (Halklar Öürlükler Cephesi, Kurzbezeichnung: HÖC) mit Sitz in Dortmund und dem - aus dem Komitee gegen Isolationshaft (Izolasyon Iskencesine Karsi Mücadele Kimitese, kurz: IKM) als Solidaritätsverein mit den politischen Gefangenen und deren Familien in der Türkei hervorgegangenen TAYAD-Komitee e. V. (Tutuklu Aileleri ile Yardimlasma Dernegi) in Hamburg und Berlin, gehört hierzu auch die aus dem Verband anatolischer Volkskulturvereine e. V. (Anadolu HA Kültür Dernegi Federasyonu) hervorgegangene Anatolische Föderation (Anadolu Federasyonu) in Köln, die als Bundes-Dachverband für verschiedene Vorfeldorganisationen der DHKP-C auf örtlicher Ebene fungiert. Ende des Jahres 2004 waren der Anatolischen Föderation entsprechende Stützpunkte der DHKP-C in Berlin (Verein gegen Rassismus und für Völkerverständigung e. V., kurz: IKAD), Hamburg (Anadolu Der e. V.), Köln (Anatolisches Volkskulturhaus e. V.), Dortmund (Anatolisches Kulturzentrum e. V.), Duisburg (Kultur- und Bildungszentrum e. V.), Stuttgart (Anatolisches Kultur- und Kunsthaus e. V.) sowie Nürnberg (HA Kültür Evi e. V.) angegliedert.

- Kaderwesen

Sämtliche Funktionäre der DHKP-C schulden übergeordneten Kadern jederzeit unbedingten Gehorsam. Auch die in Deutschland und anderen (west-) europäischen Staaten agierenden Kader sind in die Hierarchiestruktur der Gesamtorganisation eingebunden und unterstehen so ebenfalls uneingeschränkt der vom Generalsekretär bzw. dem Zentralkomitee der DHKP-C ausgeübten Befehlsgewalt. Anordnungen und Anweisungen vorgesetzter Kader müssen verbindlich entgegengenommen und uneingeschränkt befolgt werden. Für weiterreichende Entscheidungen ist die vorherige Einholung der Zustimmung des jeweils vorgesetzten Funktionärs erforderlich.

Überdies haben die Gebiets- und Regionsverantwortlichen über geplante bzw. durchgeführte Arbeiten und zu jedem besonderen Ereignis innerhalb ihres Verantwortungsbereichs in regelmäßig konspirativ zu verfassenden Lage- / Tätigkeitsberichten Stellungnahmen und Einschätzungen abzugeben, die in der Hierarchie an die jeweils nächste Rangebene weitergegeben werden. Diese Berichtspflicht gilt auch für die mit der Wahrnehmung von Sonderaufgaben betrauten Führungskader, die unmittelbar der Parteiführung unterstellt sind. Bei Ausführung ihrer Aufgaben kooperieren sie arbeitsteilig mit der Europaführung und nachgeordneten Kadern. Sie sind innerhalb ihres (abgegrenzten) Zuständigkeitsbereichs für sämtliche Angelegenheiten organisatorischer, personeller, finanzieller und sonstiger Art verantwortlich.

Die in der Rückfront der DHKP-C eingesetzten Führungsfunktionäre haben ihr Privatleben zugunsten der Organisation vollständig aufgegeben und sind in der Regel nicht (mehr) in der Lage, ihren Lebensunterhalt vollständig selbst zu finanzieren; allenfalls Beschäftigungen geringeren Umfangs sind möglich. Eine vollzeitige berufliche Tätigkeit ist neben dem umfassenden Einsatz eines Kaders für die Organisation ausgeschlossen. Sie werden durch finanzielle Zuwendungen von der DHKP-C alimentiert und / oder leben von staatlichen Leistungen oder Zuwendungen ihrer Familien. Ihre Lebensführung wird durch organisationsinterne Vorgaben streng reglementiert und überwacht. Bei der Durchführung ihrer Aufgaben bedienen sich die Funktionäre der als Sympathisanten und Aktivisten bezeichneten Anhängerschaft der DHKP-C, die ihnen auch Unterkünfte, Kraftfahrzeuge und Kommunikationseinrichtungen zur Verfügung stellt. Wohnungen von Anhängern werden ebenso wie Räumlichkeiten von Einrichtungen, die von der Organisation kontrolliert werden oder dieser nahestehen, auch für Funktionärstreffen genutzt. Auf sämtlichen Hierarchieebenen werden regelmäßig verdeckt abgehaltene Versammlungen verantwortlicher Funktionäre zur Besprechung und Koordinierung allfälliger Arbeiten für die Organisation durchgeführt.

Zwischen den in der Türkei agierenden (Kampf-) Einheiten und den von der DHKP-C in Europa eingesetzten Kräften findet ein personeller Austausch statt. So werden Organisationsmitglieder aus der Türkei an die europäische Rückfront verbracht, um dort Führungsaufgaben zu übernehmen; in umgekehrter Richtung entsendet die DHKP-C geeignete, zur Teilnahme am bewaffneten Kampf entschlossene Personen aus Europa in die Türkei.

Ob eine der Organisation zugehörende Person in der Türkei oder an der Rückfront zum Einsatz kommt und welche Aufgaben der / die Betreffende jeweils konkret zu erfüllen hat, wird auf zentraler Ebene von der Parteiführung verbindlich festgelegt. Zur Vorbereitung entsprechender Entscheidungen sind detaillierte Lebensläufe anhand eines ausführlichen - einem standardisierten Muster folgenden - Fragebogens vorzulegen. Die Befragten haben hierbei lückenlos über ihre Herkunft, Familienverhältnisse, politische Einstellung und etwaige, damit einhergehende Aktivitäten sowie schulische Ausbildung(en) und berufliche Entwicklung zu berichten. Ferner ist darzulegen, ob die Bereitschaft zur Teilnahme am bewaffneten Kampf in der Türkei besteht. Personen, die Letzteres bekundet haben, müssen mit organisationsinternen Disziplinierungsmaßnahmen rechnen, falls sie einem daraufhin von der Führung erteilten Kampfauftrag nicht uneingeschränkt und unverzüglich Folge leisten.

- Konspiration

Aus Gründen der Tarnung und Mobilität verfügen die Führungsfunktionäre mitunter zwar über Meldeadressen, leben aber tatsächlich an unterschiedlichen, häufig wechselnden Aufenthaltsorten. Zwischenmenschliche Beziehungen werden außerhalb der Organisation nicht aufgebaut.

Aus Sicherheitsgründen agiert jeder Funktionär konspirativ nach Maßgabe von Sicherheitsvorschriften, die von der Parteiführung vorgegeben werden. Neben Anordnungen zur Handhabung der fernmündlichen Kommunikation und des elektronischen Nachrichtenaustauschs gehören hierzu insbesondere Weisungen zur Benutzung von Fahrzeugen, dem Tragen und Besitz von Waffen sowie Regelungen über die von der Organisation beherrschten Vereine.

Die Führungsfunktionäre der DHKP-C, die in Deutschland für die Rückfront der Organisation tätig sind, verwenden Decknamen, die im Bedarfsfall häufig gewechselt werden. Zu einem solchen Namenswechsel kommt es insbesondere dann, wenn einem Organisationsmitglied von der Führung ein neuer Wirkungsbereich zugewiesen wird. Überdies werden Tarnbezeichnungen und Synonyme zur Verschleierung illegaler Aktivitäten und Umschreibung von Gegenständen benutzt. Beispielsweise werden Sprengstoffe als Seifen, unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV) als Schäume, Faustfeuerwaffen als Radios, Schusswaffen / Magazine / Munition als Materialien, Patronen als Knöpfe, Magazine als Antennen, Panzerfäuste als Tulpen, (voll-) automatische Kalaschnikow-Infanterie- / Sturmgewehre als Kles, Schrotflinten als Pumpen, Ausweispapiere als Hefte, Brillen oder Zeitung(en) und die für Passfälschungen benötigten (Präge- / Feucht-) Siegel als Warm- / Heiß- bzw. Kaltstempel bezeichnet. Angehörige der Organisation werden im Jargon der DHKP-C als Bürger, Polizeibeamte bzw. Sicherheitskräfte als Onkel umschrieben.

Für den fernmündlichen Nachrichtenaustausch werden überwiegend Mobiltelefone, die auf Dritte angemeldet sind oder öffentliche Telekommunikationsanlagen genutzt. Zumeist werden für entsprechende Kontaktaufnahmen mit hierarchisch übergeordneten Stellen einerseits und Gesprächen unter gleichrangigen bzw. mit nachgeordneten Funktionären / Aktivisten andererseits unterschiedliche Telefonapparate verwendet. Häufig kommen dabei auch ausschließlich für eingehende Telefonate bestimmte Fernsprecher, sogenannte Empfangshandys, zum Einsatz.

Der elektronische Nachrichtenaustausch erfolgt über mehrfach verschlüsselte E-Mails, die häufig über Internet-Cafés versandt werden, oder andere Speichermedien wie z. B. "Flashcards". Regelmäßig werden aus Gründen der Konspiration mobile Datenträger (Laptops bzw. Notebooks) genutzt. Festplatten werden häufig getrennt von der übrigen (Computer-) Hardware verwahrt. Datenspeicher werden von Zeit zu Zeit gelöscht oder physikalisch zerstört.

Den Organisationsangehörigen ist es untersagt, bei Reisen belastende Gegenstände oder Unterlagen mit sich zu führen. Auf erwartete polizeiliche Maßnahmen wird unverzüglich durch die Abänderung bzw. den Austausch von telefonischen Erreichbarkeiten, E-Mail-Adressen, Decknamen und Verschlüsselungsprogrammen reagiert. Sobald organisationsintern davon ausgegangen wird, dass die Gefahr einer bevorstehenden Enttarnung oder Festnahme eines verantwortlichen Funktionärs besteht, agiert die betreffende Person eher aus dem Hintergrund und wird erforderlichenfalls aus ihrem bisherigen räumlichen Wirkungsbereich entfernt und andernorts mit neuen Aufgaben beauftragt. Teilweise werden entsprechende Kader hierzu auch außer Landes gebracht.

Der überwiegend auf elektronischen Datenträgern gespeicherte organisationsinterne Nachrichtenaustausch und Schriftverkehr mit der Europaführung bzw. höheren Funktionären wird von der DHKP-C an zentralen Orten zusammengeführt und verwahrt bzw. archiviert. Derartige Sammelstellen und Archive unterhielt die Organisation im Jahre 1999 in Knokke-Heist (Belgien) bzw. Chur (Schweiz) und im Jahre 2004 in Amsterdam (Niederlande).

III. Aufgaben und Aktivitäten

Die Rückfront der DHKP-C in (West-) Europa, die der Organisation auch als Rückzugsraum für ihre Mitglieder dient, bildet die Basis für den Guerillakampf in der Türkei und ist für die Aufrechterhaltung und Fortführung der dort entfalteten Aktivitäten dieser Vereinigung unerlässlich. Um die erstrebte Förderung des bewaffneten Kampfes in der Türkei (Heimat) aus dem Ausland möglichst effektiv zu gestalten, entwickelt die DHKP-C unter Nutzung ihrer Organisationsstrukturen insbesondere im Bundesgebiet vielfältige Aktivitäten. In Deutschland werden die hierfür zu erledigenden praktischen Arbeiten im Wesentlichen von den jeweiligen Verantwortlichen der Organisation auf regionaler und örtlicher Ebene vorbereitet, koordiniert und durchgeführt. Hierzu im Einzelnen:

1. Beschaffung von Finanzmitteln

Entsprechend den Vorgaben im Parteigründungsbeschluss Nr. 11, wonach die Partei "... zur Ausdehnung des Krieges die erforderlichen finanziellen Ressourcen schaffen ..." muss, gehört die laufende Geldbeschaffung zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu den wichtigsten Aufgaben der an der Rückfront in (West-) Europa eingesetzten Funktionäre; hierzu gehören Spendensammlungen (a.), Beitragszahlungen (b.), kommerzielle Veranstaltungen (c.) und der Verkauf von Publikationen (d.).

a. Spendensammlungen

Die Haupteinnahmequelle bilden Spendensammlungen, die nach festen, streng überwachten Regeln von den Regions- und Gebietsleitern in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen als sogenannte Kampagnen bei (türkischen) Landsleuten durchgeführt werden.

- (Kampagne-) Formen

Neben einer jährlichen, regelmäßig im Zeitraum zwischen Oktober / November bis März europaweit durchgeführten Frontkampagne gehören hierzu auch gesonderte, anlassbezogene (Zwischen-) Sammlungen wie z. B. Veteranen- oder Inhaftiertenkampagnen, deren Aufkommen der Finanzierung spezieller Vorhaben wie etwa der finanziellen Unterstützung nicht mehr aktiver oder inhaftierter Mitglieder der DHKP-C bzw. deren Angehörigen dienen. Überdies unterscheidet die Organisation zwischen der sogenannten inneren Kampagne bei Mitgliedern und Aktivisten der DHKP-C und einer mit dem Begriff äußere Kampagne umschriebenen Sammlungstätigkeit bei türkischen Geschäftsleuten und Familien.

- Vorbereitung und Durchführung

Der jeweilige Zeitraum der Sammlungstätigkeit, die Mindesthöhe der erwarteten Spenden, das sogenannte Limit, die Verwendung vereinnahmter Spendengelder, deren Weiterleitung an den / die jeweiligen Empfänger sowie die für die Sammlung eingesetzten Propagandathemen / -mittel werden zentral von der Parteiführung vorgegeben. Die entsprechenden Regelungen haben in sämtlichen Gebieten, Regionen und Ländern Gültigkeit; ihre Einhaltung wird streng überwacht. Die mit der Durchführung von Sammlungen beauftragten Organisationsangehörigen sind angewiesen, Spenden, die im Einzelfall durch Sachleistungen erbracht werden können, erforderlichenfalls mit Nachdruck einzufordern.

Vor Beginn der eigentlichen Sammlungen haben sämtliche Gebietsführungen sogenannte Kampagnenkomitees aufzustellen, die mit der Abwicklung der Spendenaktion(en) befasst werden. Die Mitglieder dieser Komitees werden vor Aufnahme ihrer Tätigkeit in speziellen Schulungsversammlungen von Verantwortlichen der Organisation über ihre Aufgaben unterrichtet.

Die Führungsfunktionäre sind dem jeweils übergeordneten Kader über den Verlauf und das Ergebnis der (Spenden-) Kampagnen berichtspflichtig. Die Europaführung leitet die - in regelmäßigen Abständen vorzulegenden - Berichte und Abrechnungen, die ihr über die Regionsverantwortlichen zugehen, an die Parteiführung weiter. Die jeweiligen Gebietsleiter haben nach Festlegung des Spendenlimits zusammen mit zuarbeitenden Aktivisten in ihrem jeweiligen räumlichen Zuständigkeitsbereich vorab Zusagen von potenziellen Spendern einzuholen. Deren Namen werden zusammen mit einer bestimmten (Spenden-) Summe auf vorgedruckten Quittungen schriftlich fixiert. Mitunter wird hierbei in Auflistungen zwischen erwarteten bzw. zugesagten ("geschriebenen") und vereinnahmten ("gegebenen") Spendenbeträgen differenziert. Die tatsächlich gesammelten Gelder erreichen nicht immer die zuvor geschriebenen Beträge.

Die für die einzelnen Gebiete, Regionen und Länder verantwortlichen Funktionäre / Komitees sind angewiesen, mit den Spendensammlern während der Kampagne wöchentlichen Versammlungen durchzuführen und deren Ergebnisse zu kontrollieren. Hierüber haben sie der jeweils übergeordneten Stelle regelmäßig Bericht zu erstatten. Verstöße hiergegen führen dazu, dass der jeweilige Funktionär für "verloren gegangene" Gelder organisationsintern persönlich haftbar gemacht wird. Sämtliche Einheiten sind überdies angehalten, einmal pro Monat mit den jeweiligen Komitees, die mit der Abwicklung der Spendenkampagne befasst sind, sogenannte Bewertungsversammlungen durchzuführen.

Vereinnahmte Spendengelder, die der Organisation auch über ihre Tarnvereine zufließen, sind durch die an den jeweiligen Kampagnen beteiligten Funktionäre unverzüglich und ungeschmälert an die Parteiführung weiterzuleiten. Hierzu nutzt die DHKP-C an der Rückfront zentralisierte Geldsammeleinrichtungen, in denen die Spendengelder bis zum anschließenden Transfer in die Türkei zeitweilig deponiert werden. Mit dem in regelmäßigen Abständen durchgeführten Transport der Spendengelder zu diesen Sammelstellen werden unverdächtige Personen betraut. Verantwortliche Funktionäre dürfen damit nicht befasst werden. Geldbeträge, welche die Summe von EUR 15.000,-- übersteigen, sind von einer entsprechenden Beförderung ausgeschlossen.

- Limits und Erträge

Die DHKP-C ist bestrebt, bei ihren Geldsammlungen mindestens das Spendenaufkommen der jeweils vorhergehenden Kampagne zu erreichen. Mit dieser Maßgabe wurde etwa im Rahmen der Spendenkampagne 1999 / 2000 für Deutschland eine Zielvorgabe von über DM 1.000.000,-- festgesetzt. Das entsprechende Limit für 2002 / 2003 bezifferte sich auf EUR 650.000 bis EUR 700.000,--. Für die (Jahres-) Kampagne 2003 / 2004 war in den Gebieten Frankfurt am Main, Mannheim, Saarbrücken, Dortmund, Duisburg, Köln, Hamburg, Berlin, Stuttgart sowie die Länder Österreich, Schweiz und Frankreich ein Gesamtbetrag in Höhe von EUR 412.000,-- festgesetzt worden. Im Rahmen der Spendenkampagne 2002 / 2003 wurde allein in den Gebieten Köln, Duisburg und Dortmund ein Gesamtbetrag von mindestens EUR 65.450,-- vereinnahmt. Bei der Spendensammlung 2004 / 2005 hatte die DHKP-C bereits im Dezember 2004 in der Region Westfalen knapp EUR 400.000,-- eingenommen. Darüber hinaus wurde ihr in den Niederlanden eine Einzelspende in Höhe von EUR 300.000,-- zugeleitet. Bei der Folgekampagne 2005 / 2006 waren bereits Ende November 2005 in Deutschland EUR 230.000,-- und in Frankreich EUR 30.000,-- Spendengelder vereinnahmt. Eine im Namen des TAYAD-Komitees unter dem Motto: "Isolation bedeutet Tod und soll abgeschafft werden" ab Mitte des Jahres 2003 veranstaltete Inhaftierten- / Gefangenenkampagne, für die ein Limit von EUR 70.000,-- bis EUR 80.000,-- festgesetzt worden war, erbrachte bis September 2003 ein Spendenaufkommen von EUR 31.564,--.

b. Beitragszahlungen

Eine weitere Finanzierungsquelle der DHKP-C bilden Beitragszahlungen, die bei Mitgliedern der Organisation als sogenannter Frontbeitrag und bei Anhängern, Sympathisanten oder sonstigen Personen als einfacher Beitrag bzw. Händlerbeitrag erhoben werden. Die auf diese Weise realisierten Geldzuflüsse - beispielsweise wurden im Gebiet Berlin im Jahre 2003 Händlerbeiträge in Höhe von EUR 19.200,-- vereinnahmt - dienen im Wesentlichen der Finanzierung laufender Kosten der Gebietsarbeiten und werden unter anderem zur Zahlung der Mietzinsen für Räumlichkeiten der zur Organisation gehörenden Tarnvereine, Telefongebühren oder Reisekosten sowie für die Alimentierung von Führungskadern verwendet. Ein danach eventuell verbleibender Rest des Beitragsaufkommens ist an die Parteiführung abzuführen.

c. Kommerzielle Veranstaltungen

Auf die Erzielung von Einnahmen ist auch die Durchführung kommerzieller Veranstaltungen und von Konzerten auf zentraler und regionaler Ebene (Gebiets- / Regional- / Zentralabende) ausgerichtet.

Zu den auf überregionaler Ebene durchgeführten Großveranstaltungen gehört das jährliche Parteifest, das die DHKP-C regelmäßig anlässlich des Jahrestags ihrer Gründung und zum Gedenken an die "Gefallenen der Revolution" feiert. Voraussetzung für den Besuch dieser Veranstaltung ist der Erwerb von Eintrittskarten. Diese werden im Vorverkauf auch als sogenannte Sympathiekarten bzw. Solidaritätstickets angeboten und auch Personen aufgedrängt, die an der entsprechenden Veranstaltung nicht teilnehmen können oder wollen. Die Gesamtverantwortung für diese und andere Großveranstaltungen auf überregionaler Ebene trägt die / der Europaverantwortliche. Diese(r) legt die Rahmenbedingungen fest und erteilt nachgeordneten Funktionären konkrete Handlungsanweisungen zur arbeitsteiligen Vorbereitung und Durchführung der betreffenden Veranstaltung. Neben der Verpflichtung und Betreuung von Künstlern, Anmietung von Veranstaltungsräumen, Beschaffung technischer Ausrüstung und Durchführung von Werbemaßnahmen sowie Beibringung von Visa für aus der Türkei einreisende Künstler gehört dazu insbesondere auch der Verkauf bzw. Vertrieb der (Eintritts-) Tickets.

Zu den häufig von bzw. über Tarnorganisationen (z. B. die Anatolische Föderation) durchgeführten Veranstaltungen in einzelnen Regionen und Gebieten gehören neben Konzerten auch Lieder- und Gedichtabende bzw. Filmvorführungen sowie sogenannte Picknicks. Die Planung, organisatorische Vorbereitung und Abwicklung derartiger Veranstaltungen obliegt grundsätzlich den jeweiligen Gebiets- und Regionsverantwortlichen, die nach vorheriger Abstimmung mit vorgesetzten Kadern auch die Anzahl und Preise der hierfür zu verkaufenden Eintrittskarten festlegen. Engagiert werden regelmäßig populäre, der Ideologie der DHKP-C nahestehende Künstler, zu denen sehr häufig auch Musiker der türkischen G Y gehören. Bei derlei Ereignissen und anderen, organisationsexternen Veranstaltungen ist die DHKP-C bestrebt, Einnahmen auch im Wege des Verkaufs von Speisen und Getränken sowie der Anpreisung sonstiger Produkte wie etwa Zeitschriften, Bücher, (Musik-) CDs und Kassetten mit propagandistischen Inhalten zu erzielen.

Sofern finanzielle Gewinne erwirtschaftet werden, müssen die jeweiligen Überschüsse von den verantwortlichen Funktionären regelmäßig mit ausführlichen Bilanzierungsberichten an die Organisationsführung weitergeleitet werden. Teilweise dürfen vereinnahmte Gelder nach Genehmigung durch die Führung auch für andere Vorhaben auf regionaler oder örtlicher Ebene von den dort agierenden Einheiten verwendet werden.

d. Verkauf von Publikationen

Der Erzielung von Einnahmen dient schließlich auch der Vertrieb von Publikationen, der insbesondere den Verkauf einer organisationseigenen Wochenzeitschrift umfasst. Die Durchführung entsprechender Aktivitäten gehört zum Aufgabenbereich der jeweiligen Gebietsverantwortlichen, die hierbei durch unterstellte Kräfte unterstützt werden. Erzielte Verkaufserlöse werden - zusammen mit Tätigkeits- / Ergebnisberichten - über vorgesetzte, mit der Abrechnungskontrolle befasste, Funktionäre oder aber unmittelbar dem sogenannten "Zeitschriftenbüro" der Organisation zugeleitet. Dieses befand sich mindestens bis zum Jahre 2003 in Köln.

Sofern eingenommene Gelder aus dem Zeitschriftenverkauf durch die verantwortlichen Funktionäre nicht bzw. nicht rechtzeitig abgeliefert werden oder ein vollständiger Verkauf der Publikationen nicht zu realisieren war, werden die entsprechenden Defizite den betreffenden Gebieten, die jeweils eine bestimmte Anzahl von Zeitschriften verbindlich abzunehmen haben, als sogenannte Zeitungsschulden belastet. Die jeweiligen Gebietsleiter haben sodann für einen Ausgleich dieser Schulden zu sorgen.

Ein nach Abzug der Druckkosten und notwendiger Ausgaben zur Unterhaltung des Zeitschriftenbüros verbleibender Überschuss aus dem Zeitschriftenverkauf ist nach den organisationsinternen Vorgaben für den Transfer in die Türkei zur Finanzierung des dortigen bewaffneten Kampfs der DHKP-C bestimmt. In zurückliegender Zeit konnte die Organisation mangels vollständigen Absatzes ihrer Publikationen oder ausbleibender Zahlungen der Abnehmer häufig tatsächlich keine Einnahmen durch den Zeitschriftenvertrieb erzielen.

2. Nachschub und Logistik

Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt für die an der Rückfront agierenden Organisationsmitglieder ist der Bereich Nachschub und Logistik. Die in Deutschland und anderen Ländern der Rückfront in (West-) Europa agierenden Kader sind seit spätestens 1998 an der Beschaffung von (Ausrüstungs-) Gegenständen, die für den bewaffneten Kampf der Organisation benötigt werden, deren Verwahrung in geeigneten Verstecken sowie der Vorbereitung bzw. Durchführung zugehöriger Kuriertransporte in die Türkei befasst. Die praktische Umsetzung der hierbei vorzunehmenden Arbeiten obliegt in erster Linie hochrangigen Funktionären, die als Sonderbeauftragte unmittelbar der Parteiführung unterstellt sind und nach deren Weisung vorzugehen haben. Darüber hinaus sind auch die Europa- / Deutschlandführung sowie nachgeordnete Führungsfunktionäre auf Regions- und Gebietsebene in das Beschaffungs- und Kurierwesen eingebunden. Hierzu im Einzelnen:

a. Beschaffung von (Ausrüstungs-) Gegenständen

Wesentlicher Bestandteil des Arbeitsgebiets Nachschub und Logistik ist die Beschaffung von Ausrüstung aller Art. Neben dem Erwerb von Mobil- und Satellitentelefone, Funkgeräten, Computern und anderer für die Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei geeigneter bzw. benötigter Gegenstände gehören hierzu insbesondere auch (Schuss-) Waffen, Munition, Waffenersatzteile und Waffenzubehör sowie Sprengstoffe. Überwiegend werden die Waffen- und Sprengstoffbestände der DHKP-C in der Türkei, Griechenland und Bulgarien oder - an diese Länder - angrenzenden anderen Staaten beschafft und gelagert. Teilweise erlangt die Organisation die Verfügungsgewalt über derartige Gegenstände aber auch in Westeuropa. So verfügte der dort von der Parteiführung als "Rüstmeister" eingesetzte Führungsfunktionär etwa im März 1998 über fünf Panzerfäuste, eine Maschinenpistole, eine Pumpgun, verschiedene weitere Schusswaffen (Pistolen und Revolver) und zahlreiche Magazine sowie mehrere tausend Stück Munition. Zur Aufbewahrung von Waffen unter Mitwirkung des Angeklagten G. später mehr. Im Frühjahr bzw. Juni / Juli 2003 gehörten unter anderem eine Rakete, eine Panzerfaust, zahlreiche (Maschinen-) Pistolen und Gewehre, Magazine, verschiedenes Zubehör sowie mehrere tausend Stück Munition zum Arsenal der Rückfront in Westeuropa.

b. Verstecke / Depots

Des weiteren wird die Rückfront von der DHKP-C für die Einrichtung von Verstecken und Depots genutzt, in denen zuvor beschaffte Waffen / Sprengstoffe und / oder Ausrüstungsgegenstände aber auch vereinnahmte Gelder, Ausweispapiere oder zur Nachrichtenübermittlung geeignete Speichermedien bis zu ihrem (Ab-) Transport in die Türkei verdeckt (zwischen-) gelagert werden. Ausgewählt werden hierzu meist unverdächtige Orte oder in der Diktion der DHKP-C "saubere" Wohnungen von Anhängern / Sympathisanten, in denen mitunter auch Funktionäre vorübergehend untergebracht sind. Teilweise werden solche Räumlichkeiten auch ohne Wissen der Wohnungsinhaber für derartige Einlagerungen von der DHKP-C genutzt.

c. Kurierwesen

Das Kurierwesen bildet einen weiteren Schwerpunkt des Aufgabenbereichs Nachschub und Logistik. Es umfasst die Suche nach bzw. Anwerbung und Rekrutierung von Kurieren für die Durchführung konspirativer Transporte. Die jeweiligen Regions- und Gebietsverantwortlichen haben permanent nach hierfür geeigneten Personen Ausschau zu halten und der Europaführung geeignete Kandidaten zu benennen sowie deren Zuverlässigkeit zu überprüfen. Ausgewählt werden meist Zeitgenossen aus dem Sympathisantenumfeld der DHKP-C, die keine engeren bzw. polizeibekannten Verbindungen zur Organisation aufweisen. Auch türkischstämmige, in (West-) Europa ansässige Familien, die urlaubshalber in die Türkei reisen oder Inhaber von Fuhrunternehmen sowie dort angestellte Personen gehören zur bevorzugten Zielgruppe der Organisation für derartige Kurierdienste.

Der für die Planung, Vor- und Nachbereitung von auf dem Land- / See- oder Luftweg durchgeführten Kuriertransporten in die Türkei verantwortliche Führungsfunktionär hat die Aufgabe, die ausgewählten Kuriere zu schulen und mit der organisationsinternen Nachrichtenübermittlung sowie zugehörigen Codierungsmechanismen vertraut zu machen. Die ausgewählten Fahrer werden nach Erhalt detaillierter Instruktionen und genauer Verhaltensanweisungen sowie Erläuterungen zu Kontaktaufnahmen und Übergabemodalitäten am Zielort mit den für die Kuriertätigkeit benötigten Mitteln wie z. B. (Spesen-) Geld, Flugtickets, Pkws und Kommunikationsmitteln (Mobiltelefonen) ausgestattet, bevor sie mit der Ausführung des jeweiligen Transportauftrages beginnen. Kuriere werden von der DHKP-C immer dann eingesetzt, wenn ein regulärer Versand z. B. auf dem Postweg aufgrund der Art des zu transferierenden Gegenstandes nicht in Frage kommt (wie z. B. bei Waffen und Sprengstoffen) oder das Frachtgut aufgrund seines Inhalts oder Wertes eine hohe Wichtigkeit für die Organisation besitzt und daher einem möglichen Zugriff durch Strafverfolgungsbehörden entzogen werden soll.

Die Abwicklung von Waffen- und Sprengstofftransporten wird regelmäßig mittels Kraftwagen, die eigens für diesen Zweck beschafft bzw. präpariert und in speziellen Depots vorgehalten werden, vorgenommen. Zu den hierbei bevorzugten Kraftwagen gehörten zeitweise die Fahrzeuge Mercedes der Baureihen W 123 und 126, da diese aus Sicht der Organisation bauartbedingt in besonderem Maße für verdeckte Transporte geeignet sind. Nach dem Einbau von Verstecken zur Aufnahme von Gegenständen werden die betreffenden Fahrzeuge unmittelbar vor Beginn eines Transports in der Regel auf den Namen des jeweiligen Kuriers zugelassen, der das Fahrzeug nach Durchführung der Kurierfahrt wieder an die Organisation zurückzugeben hat. Die Kuriere sind angewiesen, über den Verlauf der Transporte regelmäßig in verdeckter Form zu berichten. Neben Waffen und Sprengstoffen werden auch Ausweispapiere, Bargeld, elektronische Speichermedien sowie Pässe innerhalb eines Landes wie auch grenzüberschreitend transportiert. Im Falle von Waffen- / Sprengstofftransporten ist das Bestimmungsland regelmäßig die Türkei. Ausgangspunkte für entsprechende Kurierfahrten sind neben Deutschland auch andere Länder der Rückfront. Bei Waffentransporten, die im Bundesgebiet ihren Anfang nehmen, werden die zur Beförderung in die Türkei vorgesehenen Gegenstände häufig erst im Ausland wie z. B. in Griechenland oder Bulgarien in das jeweilige Kurierfahrzeug verladen. Teilweise werden von der DHKP-C entsprechende Transporte auf dem Landweg auch ohne (vorherige) Information der jeweiligen Fahrer über die in den genutzten Kraftfahrzeugen versteckte Kurierfracht veranlasst.

Durch dieses Kurierwesen wird ein konstanter Transfer und eine verdeckte Nachrichtenübermittlung an Organisationsangehörige in die Türkei sowie Rückmeldungen von kämpfenden Einheiten an verantwortliche Parteifunktionäre gewährleistet.

3. Propaganda und Publikationen

Ein weiteres wichtiges Aufgabengebiet der Rückfront bilden propagandistische Arbeiten, die darauf ausgerichtet sind, den "... Kampf in aller Ausführlichkeit der gesamten Welt bekannt zu machen ...". In Staaten, in denen die DHKP-C verfolgt wird, erfolgt diese Propagandaaktivität konspirativ und unter Einschaltung von Tarnorganisationen. Neben der Durchführung von Veranstaltungen und Demonstrationen umfasst die auf eine Massenmobilisierung ausgerichtete Öffentlichkeitsarbeit insbesondere den Vertrieb eigener Zeitungen / Zeitschriften. Als offizielles Publikationsorgan sämtlicher "legaler und illegaler" Verlautbarungen und wichtigstes Mittel zur Schulung von Funktionären wird von der DHKP-C die Zeitschrift Devrimci Sol eingesetzt. Die organisationsintern aus Gründen der Konspiration häufig mit dem Synonym "Ds" bezeichnete Zeitschrift erscheint unregelmäßig und soll die ideologischen Leitlinien für alle sonstigen Veröffentlichungen der Organisation vorgeben.

a. Wochenzeitung

Von der DHKP-C wird zur Verbreitung ihrer Zielsetzungen und der Berichterstattung über Aktivitäten auch eine wöchentlichen herausgegebene Zeitschrift genutzt. Dies war bis Oktober 1994 die schon von der Dev Sol herausgegebene Wochenzeitung Mücadele (Kampf). Ab Januar 1995 erschien ebenfalls in wöchentlichem Abstand die Zeitschrift Kurtulus (Befreiung), die im August / September 1999 von dem Journal Vatan (Heimat) abgelöst wurde, dessen Redaktion in Köln ansässig war. Im Anschluss wurde in der Zeit von März 2002 bis Mitte Mai 2005 die Wochenzeitung Ekmek ve Adalet (Brot und Gerechtigkeit) herausgegeben; Redaktion und Verlag dieser Publikation waren ebenfalls in Köln angesiedelt. Seit Ende Mai 2005 wird in wöchentlichem Abstand die Zeitschrift Yürüyüs (Marsch), die im August 2006 eine Auflage von 2.500 Stück pro Ausgabe erreichte, veröffentlicht. Neben der Printausgabe wird die Zeitschrift in elektronischer Fassung auf der Seite www.yuruyus.com auch im Internet verbreitet. Dort sind auch frühere Ausgaben der Yürüyüs eingestellt. Seit April 2008 wechseln sich die Publikationen Halk Gercegi (Volksrealität), Yeni Kurtulus (Neue Befreiung) und Yürüyüs Emperyalizme ve Oligarsiye Karsi (Der Marsch gegen Imperialismus und Oligarchie) in Beibehaltung des Wöchentlichen Erscheinungsrhythmus der Yürüyüs unregelmäßig ab.

Die Inhalte der veröffentlichten Berichte und Kommentare spiegeln im Wesentlichen die ideologischen Grundsätze und politischen Einschätzungen / Aussagen der DHKP-C wider. Neben Reportagen über Mitglieder bzw. sogenannte Märtyrer dieser Organisation gehört hierzu unter anderem die journalistische Begleitung zentraler Agitationsthemen der DHKP-C wie etwa das sogenannte Todesfasten von Gesinnungsgenossen in türkischen Haftanstalten. Darüber hinaus werden auch Tatbekennungen der Organisation zu Anschlägen in der Türkei sowie Berichte über gerichtliche Verfahren gegen Mitglieder der DHKP-C publiziert.

Die redaktionellen Arbeiten für die organisationsintern aus Gründen der Konspiration mit dem (Tarn-) Begriff "Wöchentliche" bezeichnete Parteizeitschrift sowie deren Druck und Vertrieb erfolgen sowohl in der Türkei wie auch in (West-) Europa. Für den Verkauf tragen die einzelnen Gebiete und Regionen die Verantwortung. Ursprünglich wurde der Zeitschriftenvertrieb in Deutschland von Köln aus abgewickelt. Teilweise wurden auch in einzelnen Gebieten Vertriebszentralen eingerichtet bzw. vorgehalten. Die Leiter der betreffenden Einheiten oder von ihnen beauftragte Aktivisten hatten dort die bereitgestellten und zur Verteilung bestimmten Zeitschriftenexemplare wöchentlichen abzuholen, soweit diese nicht versandt werden (hierzu mehr im Zusammenhang mit den Aktivitäten des Angeklagten Y.).

b. Bulletins, Internet, Rundfunk

Außerdem verbreitet die DHKP-C ihre Mitteilungen über sogenannte (Nachrichten-) Bulletins, die unter der Kontrolle der "Zentrale" herausgegeben werden. Während das DHKP-Bulletin zur Veröffentlichung von Erklärungen der Partei bestimmt ist, dient das DHKC-Bulletin der Verbreitung sämtlicher Erklärungen sonstiger Art wie zum Beispiel "Kriegsnachrichten", "Richtigstellungen" und "Warnungen". Die entsprechenden Publikationen und Aufrufe werden über das Internet auf den dort gesondert für die DHKP und die DHKC eingerichteten, teilweise mehrsprachig betriebenen Seiten veröffentlicht. Auf diesen Plattformen werden auch Stellungnahmen der Europaführung und anderer, von der DHKP-C beherrschter Verbände wie z. B. der HÖC präsentiert. Überdies werden die bezeichneten Bulletins auch für die Verbreitung von Tatbekennungen zu Anschlägen, die von Mitgliedern der DHKP-C in der Türkei verübt wurden, genutzt. Anders als bei den Zeitschriften der Organisation, bei denen die DHKP-C formell nicht als Herausgeberin in Erscheinung tritt, erfolgen ihre Verlautbarungen im Internet regelmäßig im Namen der Partei (DHKP) und / oder der Front (DHKC). Sämtliche verantwortlichen Funktionäre sind angewiesen, die entsprechenden Internetseiten immer wieder aufzurufen, die dort eingestellten Erklärungen und Verlautbarungen auszudrucken und diese anschließend an interessierte Abnehmer zu verteilen.

c. Sonstige Maßnahmen

Ferner betreibt die DHKP-C zur Propagierung ihrer Ziele an einem nicht bekannten Ort unter der Bezeichnung Halkinsesi TV (Stimme des Volkes) eine eigene Rundfunkstation. Propagandistischen Zwecken dienen auch die von der DHKP-C durchgeführten Konzerte und sonstigen Veranstaltungen, bei denen die Organisation durch Informationsstände mit Schriften und Plakaten, Auftritten und Reden von Parteikadern sowie anderweitigen Darbietungen für ihre ideologischen Vorstellungen wirbt, um die Teilnehmer für die Ziele der Organisation in der Absicht einzunehmen, auf diese Weise neue Anhänger bzw. Mitglieder für die DHKP-C zu gewinnen. Auch die Durchführung von bzw. Teilnahme an Demonstrationen, Gedenkfeiern, Kundgebungen, Pressekonferenzen oder Ausstellungen wird von der DHKP-C zur Verbreitung ihrer Ideologie genutzt. Inhaltlich werden bei derartigen Gelegenheiten regelmäßig wichtige Propagandathemen der DHKP-C in plakativer Form zur Sprache gebracht. Beherrschendes Agitations- bzw. Kampfthema der DHKP-C in den letzten Jahren war - wie bereits erwähnt - das sogenannte Todesfasten.

4. Schulungen

Zu den wesentlichen Aufgaben der Rückfront der DHKP-C gehören auch Schulungen. Dabei wird zwischen der Kaderschulung, der Massenschulung, einer Waffenschulung für militärische Einheiten, die mit der Durchführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei unmittelbar betraut sind, sowie sonstigen (Schulungs-) Maßnahmen differenziert. Sämtliche Schulungsaktivitäten sind dazu bestimmt, den bewaffneten Kampf der Organisation in der Türkei zu fördern. Die zugehörigen Unterrichtungen werden teilweise durch spezielle, als Beauftragte für Schulungsthemen agierende, Funktionäre durchgeführt.

a. Kaderschulung

Die Kaderschulung umfasst neben der Rekrutierung und Ausbildung zukünftiger Funktionäre die Fort- bzw. Weiterbildung von Organisationsangehörigen, die bereits mit Führungsaufgaben befasst sind. Die in Form von Schulungsgruppen oder Einzelschulungen durchgeführten Maßnahmen werden zentral gesteuert. Dabei obliegt die Konzeption und Durchführung der für die als Gebiets- oder Regionsleiter tätigen Führungskader notwendigen Schulungsmaßnahmen dem / der Europaverantwortlichen. Die Europaführung legt in Absprache mit der Zentrale auch fest, welche Funktionäre als Lehrer in den einzelnen Gebieten Ausbildungsaufgaben wahrzunehmen haben. Im Rahmen dieser Schulungen werden Kader unter anderem dazu verpflichtet, bestimmte, in (organisations-) eigenen Beständen vorgehaltene, Bücher zu lesen und Berichte hierüber anzufertigen, die - versehen mit einer Bewertung - an die Führungsebene übermittelt werden. Die am Parteiprogramm orientierten Inhalte dieser Schulungen sind von der Organisationsführung vorgegeben. Neben den Themenbereichen Philosophie, Gesellschaft, Klassen, Staat, Imperialismus, Faschismus, Revolutionismus, gehören hierzu im Wesentlichen auch Fragestellungen zur Leitung und Führung von Menschen sowie Organisierung der Revolution und der sogenannten Massenarbeit. Ein wichtiges Ziel der Kaderschuldung besteht darin, dass "... die revolutionäre Begeisterung, der Enthusiasmus, die Entschlossenheit, der Hass und die Wut, die man dem Feind gegenüber empfindet ... motiviert werden".

b. Massenschulung

Die Massenschulung ist regelmäßig in propagandistische Aktivitäten der DHKP-C und damit einhergehende Rekrutierungsmaßnahmen eingebettet. Als integraler Bestandteil von sogenannten Camps, die unter den Bezeichnungen Winter-, Sommer-, Jugend-, Vereins- oder Familiencamp teilweise über Tarnorganisationen wie die Anatolische Föderation in unregelmäßigen Abständen durchgeführt werden, versucht die Organisation den Kreis ihrer Anhängerschaft auszuweiten, um gleichzeitig möglichst viele Personen zu gewinnen, die bereit sind, sich an den terroristischen Aktivitäten der DHKP-C zu beteiligen. Beispielhaft hierfür stehen:

- eine in der Zeit vom 19. bis 30. August 2002 in einer angemieteten (Pfadfinder-) Hütte in Neuhausen-Sch. im Enzkreis durchgeführte, als Familientreffen bezeichnete Schulungsveranstaltung, an der zeitweise bis zu 30 Personen, die aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus Belgien und den Niederlanden angereist waren, teilgenommen haben. Diese Veranstaltung war darauf ausgerichtet, den Teilnehmern durch tägliche, ein- bis zweistündige Unterrichtseinheiten die Ziele und Agitations- und Kampagnethemen der DHKP-C nahe zu bringen, um diese Personen zu befähigen, die Ideologie der Organisation weiterzuverbreiten. Neben der Schulung von Anhängern und Sympathisanten war die Veranstaltung auch darauf ausgerichtet, neue Mitglieder für die DHKP-C zu rekrutieren;

- ein Anfang August 2004 über die Anatolische Föderation als "FAMILIE UND JUGENDCAMP (AİLE VE GENÇLİ KAMPI)" durchgeführtes einwöchiges Zeltlager auf einem Campingplatz in E. am Neckar mit bis zu 49 Teilnehmern.

Darüber hinaus finden Massenschulungen, die der Organisation durch das Werben von Anhängern gleichzeitig neue Finanzquellen erschließen sollen, auch im Rahmen von Seminar- und Bildungsveranstaltungen in Tarnvereinen, Podiumsdiskussionen, Symposien sowie sogenannten Familien- / Hausbesuchen durch hiermit beauftragte Funktionäre der DHKP-C statt.

c. Militärische Schulung

Militärische Schulungen erhalten insbesondere solche Kader, die für eine Verwendung in einem Kampfverband in der Türkei vorgesehen sind. Innerhalb der zu Westeuropa gehörenden Staaten beschränken sich derartige Ausbildungsmaßnahmen auf theoretische Unterweisungen auf den Gebieten Waffenkunde und Tarnung. Die weitergehende praktische Schulung im Umgang mit Waffen und Sprengstoffen wird vorwiegend in speziellen Ausbildungslagern außerhalb der (west-) europäischen Rückfront, z. B. auf der Insel Kreta, durchgeführt. Mitglieder von kämpfenden Einheiten werden in solchen Ausbildungscamps in Taktiken des Guerillakampfes unterwiesen. Neben Anleitungen zum Herstellen von Bombenvorrichtungen, Zeitzündern und Fernsteuerungen erstreckt sich die praktische Ausbildung auch auf ein Waffen- und Schießtraining.

d. Sonstige Schulungen

Darüber hinaus werden von der DHKP-C auch gesonderte Schulungen zu speziellen Themenbereichen wie z. B. Spendensammlungen, Passfälschungen oder über die Einsatzmöglichkeiten und Bedienung von Computern durchgeführt.

5. Schleusungen und Fälschungsaktivitäten

Notwendiger Bestandteil für die Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei sind auch die von Funktionären der DHKP-C in der Rückfront organisierten Schleusungen und Fälschungsaktivitäten.

a. Passbeschaffung und -fälschung

Die mit der Beschaffung von Falschpapieren für Organisationsangehörige, die keinen legalen Aufenthaltsstatus besitzen oder geschleust werden sollen, befassten Funktionäre der Rückfront haben auf Weisung der Europaführung nach geeigneten Landsleuten oder Sympathisanten zu suchen, die bereit sind, der Organisation ihre Personaldokumente auf Dauer oder zeitweilig zu überlassen. Die - bei türkischen Nationalpässen - regelmäßig durch Lichtbildauswechslungen unter Verwendung unechter Präge- bzw. Feuchtsiegel ausgeführte Verfälschung dieser Ausweispapiere erfolgt durch hierzu geeignete Rückfrontkader. Anschließend werden diese Falschpapiere den jeweiligen Empfängern für illegale Grenzübertritte bzw. zur scheinbaren Legitimierung eines illegalen Aufenthalts in konspirativer Form weitergeleitet. Die Passüberlasser werden angewiesen, das betreffende Personaldokument bei der zuständigen Behörde als verloren oder gestohlen zu melden.

b. Schleusungen

Die zur Rückfront gehörenden Staaten werden von der DHKP-C auch als Rückzugsraum für ihre Mitglieder genutzt. So werden Organisationsangehörige, die in der Türkei strafrechtlich verfolgt werden oder aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen dauerhaft oder zeitweise nicht mehr am dortigen bewaffneten Kampf teilnehmen können oder aus sonstigen Erwägungen die "Heimat" verlassen müssen, unter Falschpersonalien nach (West-) Europa eingeschleust. In entsprechender Weise wurden etwa auch der frühere Mitangeklagte M.A. sowie - wie bereits ausgeführt - der Angeklagte Y. organisationsintern nach Deutschland gebracht. Darüber hinaus kommt es auch innerhalb der Rückfront zu Schleusungsaktivitäten der Organisation, um etwa hier agierende Funktionäre vor Strafverfolgungsmaßnahmen wie z. B. drohenden Verhaftungen in Sicherheit zu bringen.

Die Entscheidung, ob, wann, von wem und in welcher Weise Schleusungen aus derartigen Anlässen durchgeführt werden, trifft die Parteiführung. Die Ausführung entsprechender Anordnungen obliegt der Europaführung und nachgeordneten Funktionären. Diese sind unter anderem für die Beschaffung und Bereitstellung von Falschpapieren und Unterkünften verantwortlich. Bei Schleusungen innerhalb der Rückfront wird von den jeweils verantwortlichen Funktionären auch der Transport der betreffenden Person über eine Grenze übernommen.

D. Einbindung der Angeklagten in die DHKP-C und ihre Taten

I. Angeklagter G.

1. Werdegang bis zum Tatzeitraum

a. Aktivitäten in den 90er Jahren

Der Angeklagte G. war schon als Jugendlicher politisch aktiv, wobei er sich zunächst bei den Jungsozialisten auf legale Weise betätigte. Alsbald fokussierte sich sein Interesse aber auf die Zustände in der Türkei und die Überzeugung, dass die - seiner Meinung nach bestehende - Unterdrückung des türkisch / kurdischen Volkes durch eine Revolution beseitigt werden müsse. Prägend für diese Einstellung war, dass er bereits Anfang der 90er Jahre in Deutschland in Kontakt mit Aktivisten der Vorgängerorganisation der DHKP-C, der Dev Sol, gekommen war. In dieser Zeit wirkte er an verschiedenen Aktionen in Deutschland mit, wie beispielsweise im Jahre 1992, als er zusammen mit Dev Sol-Aktivisten Räume der "Turkish Airlines" im Flughafen Köln / Bonn besetzte, sowie im Jahre 1996, als er mit anderen den Zugang zu einem Abfertigungsschalter am Flughafen Köln / Bonn versperrte und Flugblätter verteilte, die mit dem Kürzel DHKC unterschrieben waren. Ziel der jeweiligen Aktionen war es unter anderem, auf eine vermeintlich schlechte Situation von Gesinnungsgenossen in der Türkei aufmerksam zu machen.

b. Kaderfunktion ab Mai 1998 im Gebiet Kassel

Die DHKP-C versucht, auf jugendliche Aktivisten, die für (Funktionärs-) Aufgaben in der Organisation geeignet erscheinen, dergestalt einzuwirken und sie zu beeinflussen, dass sich diese "von der Gesellschaft lösen". Der Angeklagte G. wurde schon in jungen Jahren als für eine Führungsposition geeigneter Kader angesehen und entsprechend organisationsintern gefördert. Ende der 90er Jahre war er ausreichend für eine Führungsfunktion vorbereitet. Ab Mai 1998 wurde er von der Führung der DHKP-C als Bölgeleiter, d. h. als professioneller Kader, für das Gebiet Kassel in der bis Februar 1999 innerhalb der DHKP-C bestehenden inländischen terroristischen Vereinigung unter dem Decknamen C. eingesetzt (diese Tat war, wie bereits ausgeführt, Gegenstand des gegen den Angeklagten G. ergangenen Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. vom 21. Oktober 2004).

Auch nach der Beendigung der inländischen terroristischen Vereinigung innerhalb der DHKP-C im Februar 1999 betätigte er sich weiter als Führungskader der DHKP-C im Gebiet Kassel.

Ab März 2000 war er dem neuen Leiter des Gebiets Mitte, dem Angeklagten Y., unterstellt. In dieser Zeit nahm er an regelmäßigen Schulungsmaßnahmen für Führungskader durch den damaligen Regionsverantwortlichen für die Region Süd, A C. (Deckname: T.), teil. Die erste Unterrichtseinheit beschäftigte sich mit dem Thema "Im revolutionären Kampf dauerhaft existieren und ein Leben lang revolutionäres Sein".

c. Sekretär der Europa- und Deutschlandverantwortlichen

Innerhalb des Zeitraums von Mitte 2000 bis Anfang 2001 berief die damalige Europa- und Deutschlandverantwortliche, damaligen Deckname: A., den Angeklagten G. zu ihrem Sekretär; dies entsprach der üblichen Praxis der Förderung von jungen Parteikadern, die nach ihrer Auffassung über "besondere Eigenschaften" verfügen, durch sie persönlich. Mit der Übernahme dieser Aufgabe endete die Tätigkeit des Angeklagten G. als Bölgeleiter für das Gebiet Kassel. Die Sonderfunktion übte der Angeklagte G. für die Dauer von vier Monaten unter dem Decknamen M. aus. In dieser Zeit war er der ständige Begleiter der Europa- und Deutschlandverantwortlichen, führte ihre Anweisungen aus und besuchte mit ihr die Gebiete.

d. Bölgeleitung in Mannheim ab Frühjahr 2001

Nach einer anschließenden, mindestens zweimonatigen Phase der Untätigkeit erklärte er sich nach einem Gespräch mit der Europaverantwortlichen A. bereit, wieder eine Funktion zu übernehmen. Daraufhin wurde er zunächst geschult und sodann wieder als Funktionär eingesetzt.

Ab Frühjahr 2001 war der Angeklagte G. im Gebiet Mitte unter dem neuen Decknamen C. tätig. In diesem Gebiet, zu dem u.a. die Städte Frankfurt a. M., Mannheim und Saarbrücken gehörten, war er zunächst verantwortlich für die Bölge Mannheim. Er nahm sämtliche Aufgaben eines Bölgeleiters wahr. Zu dieser Zeit war er dem damaligen Verantwortlichen für das Gebiet Mitte, dem Angeklagten Y., unterstellt, der seinerseits dem Regionsleiter Süd, A C, untergeordnet war. Der Angeklagte G. betätigte sich auch in weiteren Städten, namentlich in Worms, Ludwigshafen, Wiesloch, Heidelberg, Aschaffenburg, Erbach, Darmstadt und Kassel.

Der Angeklagte G. war zudem in die Organisation und Durchführung der Jahresspendenkampagne 2001 / 2002 eingebunden. Außerdem war der Angeklagte G. mit dem Vertrieb der Organisationszeitschrift im Gebiet Mitte betraut. Der Angeklagte G. war auch an der Weiterleitung gesammelter Gelder an die Einheiten in der Türkei beteiligt. Am 11. Juli 2002 sicherte er einem unbekannten Funktionär aus Köln auf dessen Anfrage verbindlich zu, eine Person zu finden, über deren Konto Gelder dorthin überwiesen werden könnten.

2. Einbindung im Tatzeitraum (30. August 2002 bis Anfang September 2003)

a. Bölgeleitung innerhalb des Gebiets Mitte

Der Angeklagte G. wurde etwa Mitte des Jahres 2002 Leiter der Gebiete Frankfurt a. M. und Mannheim und blieb dies auch nach Inkrafttreten des § 129b StGB. Der regionale Zuschnitt dieser beiden Gebiete erstreckte sich nach den Vorgaben der Führung neben den genannten Stadtgebieten auf die Städte Lauterbach, Wetzlar, Aschaffenburg, Darmstadt, Erbach, Michelstadt, Worms, Alzey, Germersheim, Heidelberg, Wiesloch und Karlsruhe.

Er war direkt dem damaligen Regionsverantwortlichen Süd, A C (Decknamen: Tamer und T), unterstellt, da das Gebiet Mitte damals noch zur Region Süd gehörte. Nach der Verhaftung des A C. am 12. Juli 2002 wurde vorübergehend der frühere Mitangeklagte M.A. von der Europaverantwortlichen G. mit der Aufsicht über das Gebiet Mitte beauftragt und war somit sein neuer übergeordneter Kader.

Im Oktober 2002 wurde das Gebiet Mitte aus der Region Süd ausgegliedert und war fortan eine eigenständige Region Mitte mit eigenem Regionsverantwortlichen, der dem Angeklagten G. als Bölgeleiter übergeordnet war. Der Deckname des Regionsverantwortlichen war zunächst S A.

Der Angeklagte G. übte sämtliche Aufgaben eines Bölgeleiters aus. Er organisierte die Parteiarbeit in den von ihm geführten Gebieten und setzte dabei die Anweisungen seines übergeordneten Funktionärs mit Hilfe der ihm unterstellten Aktivisten um. In dem von ihm geleiteten Gebiet war er unter anderem mit den DHKP-C-Aktivisten S A. aus Biblis, A C. aus Darmstadt, B A. aus Sinsheim, V A. aus Wiesloch, Ö.B. (Deckname: M) aus Ludwigshafen, H A. aus Hösbach, H I.r aus Darmstadt und A Y. N. (Deckname: T.) aus Oberursel in telefonischem und persönlichem Kontakt. Die Wohnung des A C. in Darmstadt diente den DHKP-C-Mitgliedern im Gebiet als Treffpunkt.

Die Kommunikation erfolgte konspirativ. Schriftliche Mitteilungen und Berichte wurden codiert versandt. Für die fernmündliche Kommunikation verfügte er als verantwortlicher Gebietsleiter über sogenannte Organisationshandys. Ein Mobiltelefon nutzte er zum Empfang von Mitteilungen ihm unterstellter Aktivisten. Die eigene Kontaktaufnahme mit Aktivisten erfolgte in der Regel aus öffentlichen Telefonzellen. Für seine Nachrichtenübermittlung an andere Führungskader der DHKP-C war ein weiteres Mobiltelefon vorgesehen. Im November 2002 erhielt er von seinem übergeordneten Kader M. sogleich ein Mobiltelefon zur konspirativen Kontaktaufnahme.

Entsprechend den generellen Anweisungen über die Berichtspflicht von Gebietsverantwortlichen legte er der Führung regelmäßig Rechenschaft über die in seinem Gebiet vorgenommenen Aktivitäten ab.

Im November 2002 wurde H D. (Decknamen: E., H. und Ö.) mit der Bölgeleitung des Gebiets Frankfurt beauftragt; die Zuständigkeit des Angeklagten G. beschränkte sich ab diesem Zeitpunkt auf das Gebiet Mannheim. Um den Jahreswechsel 2002 / 2003 wurde H D. nach England geschickt, um dort Arbeiten für die DHKP-C zu leisten. Zugleich nahm der Angeklagte G. wieder die Position des Bölgeleiters von Frankfurt a. M. und Mannheim ein. Diese Funktion übte er bis zu seinem Weggang nach Belgien Anfang September 2003 aus.

Die terroristischen Ziele der DHKP-C waren dem Angeklagten G., der deren Programmatik kannte, bekannt. Er wusste, dass die bewaffneten Propagandaeinheiten und Milizverbände der DHKC einen bewaffneten Kampf führten. Jedenfalls durch Bekennungen und Berichte in der Organisationszeitschrift und durch die Medien erhielt er Kenntnis von den Anschlägen. Diese nahm er billigend in Kauf.

b. Betätigungsfelder des Angeklagten G. im Rahmen der Bölgeleitung

- Beschaffung von Finanzmitteln

Der Angeklagte G. hat sich in den seiner Aufsicht unterstehenden Bölge in Mannheim und Frankfurt a. M. an Maßnahmen zur Geldbeschaffung beteiligt, deren Zweck es war, der Organisation Gelder zur Verfügung zu stellen. Gemeinsam mit den ihm unterstellten Aktivisten beschaffte er durch Spenden- und Beitragssammlungen, kommerzielle Veranstaltungen, sowie durch den Verkauf der Parteizeitung und anderer Publikationen Geld zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes in der Türkei. Dabei handelte er in dem sicheren Wissen und mit dem Willen, dass das Geld jedenfalls auch zur Finanzierung der terroristischen Aktivitäten dient. Im Einzelnen sind folgende Aktivitäten zu nennen:

Er organisierte die Verteilung der Parteizeitung "Ekmek ve Adalet" für das Gebiet Mitte und kontrollierte die Abgabe des eingenommenen Geldes.

Die für das Gebiet Mitte vorgesehene Anzahl von Zeitungen, die zum Stückpreis von mindestens 3,-- EUR an DHKP-C-Anhänger verkauft wurden, holten der Angeklagte G. oder ihm unterstellte Aktivisten wöchentlichen beim A. Verlag in der O.straße in Köln ab. Dort wurden durch E G. (Decknamen: H. und H. bzw. Ha.) auch die Abrechnungen für die Gebiete geführt. Mit Hilfe des Aktivisten A C organisierte der Angeklagte G. die Weiterleitung der im Keller der Wohnung des A C. in D., Bismarckstraße, gelagerten Zeitungen an die einzelnen Gebiete und Verteiler. In dem Keller befand sich jedenfalls im August 2002 ein Archiv der Parteizeitung.

Am 13. September 2002, 24. Oktober 2002 und 20. November 2002 sammelte der Angeklagte G. beispielsweise gemeinsam mit ihm unterstehenden Aktivisten insgesamt 630,-- EUR zur Bezahlung der Zeitungen, um das Geld in Köln an E G. zu übergeben.

Er war als Bölgeleiter auch für die Spendengeldkampagnen der Organisation in seinem Gebiet zuständig. Der ihm übergeordnete Regionsleiter, ein Funktionär mit dem Decknamen M., hatte Ende Oktober/Anfang November 2002 für die Jahreskampagne 2002 / 2003 Versammlungen in den zum Gebiet gehörenden "Bölge Frankfurt und Mannheim" durchgeführt, auf denen die von der Führung festgelegten Spendenziele genannt sowie die Beiträge der Teilnehmer an der Sammlung auf 10.000,-- EUR festgelegt wurden. Zur konkreten Durchführung der Sammlung wurden von den Verantwortlichen für das Gebiet jeweils detaillierte Anweisungen erstellt.

Der Angeklagte G. sammelte zunächst mit ihm unterstellten Aktivisten in der Bölge Mannheim, während die Funktionärin H D. die Aufsicht im Gebiet Frankfurt a. M. hatte, nach dem Weggang von H D. überdies bis Anfang März 2003 im Gebiet Frankfurt.

Im Ergebnis wurden bis zum 03. Juni 2003 im Gebiet Frankfurt a. M. 32.250,-- EUR und im Gebiet Mannheim 11.650,-- EUR an Spendengeld eingetrieben. Während der Beteiligung des Angeklagten G. an der Kampagne in Frankfurt a. M. (ab Anfang 2003) wurden mindestens 7.400,-- EUR gesammelt.

Der Angeklagte G. beteiligte sich als Bölgeleiter auch an weiteren Spendensammlungen wie einer im Oktober 2002 im Gebiet Mitte durchgeführten "Veteranenkampagne" sowie an einer Mitte 2003 durchgeführten "Gefangenenkampagne", die allein in der "Bölge Mannheim" zu Einnahmen in Höhe von 2.000,-- EUR führte.

Ferner beteiligte sich der Angeklagte G. als Gebietsverantwortlicher an der Geldbeschaffung für die DHKP-C durch die Organisation von Konzerten und anderen Veranstaltungen. So sorgte er unter anderem für den Verkauf von Eintrittskarten, den Verkauf von Speisen und Getränken, die Herstellung von Plakaten und die Mobilisierung und den Transport von Teilnehmern zu Veranstaltungen.

Exemplarisch sind hier folgende Veranstaltungen zu nennen:

- für ein 2-tägiges Fest bei Karlsruhe, das am Wochenende vom 07. bis 08. September 2002 stattfand, organisierte er den Verkauf von Döner-Kebap, indem er eine entsprechende Maschine, 3 Fleischspieße à 50 kg sowie 1.500 Fladenbrote bestellte;

- im September 2002, am 05. Oktober 2002, am 30. November 2002 sowie am 14., 26. und 28. Dezember 2002 betrieb er mit Aktivisten des Gebietes Mitte Verkaufsstände bei Hochzeiten von DHKP-C-Aktivisten oder DHKP-C-Anhängern. Beispielsweise wurden bei der Hochzeit des DHKP-C-Aktivisten Ö.B. am 05. Oktober 2002 durch den Verkauf von Büchern, Kassetten und Tee 263,-- EUR an Einnahmen erzielt. Die Einnahmen aus diesen Verkaufsständen diente n der Bestreitung der laufenden Ausgaben;

- für eine Abendveranstaltung im November 2002 organisierte er den Verkauf von Eintrittskarten in seinem Zuständigkeitsbereich; im Gebiet Frankfurt wurden durch den Verkauf von Eintrittskarten für 470,-- EUR erzielt;

- am Wochenende des 21./22. Dezember 2002 verblieben durch den Getränkeverkauf bei einer Veranstaltung 60,-- EUR Gewinn;

- am Abend des 23. Februar 2003 veranstaltete die DHKP-C in Darmstadt ein Konzert, bei dem zur Erzielung von Einnahmen Speisen und Getränke sowie Publikationen angeboten wurden. Aus dem Kartenverkauf und den übrigen Verkäufen wurden Einnahmen von 15.090,-- EUR erzielt. Nach Abzug der Unkosten verblieb ein Gewinn i.H.v. 7.820,-- EUR;

- weiter war er angewiesen, für das jährliche Parteifest zum Jahrestag der Parteigründung und zum Gedenken an die "Gefallenen der Revolution" am 26. April 2003 in Rotterdam/Niederlande in Frankfurt a. M. 300 Eintrittskarten und in Mannheim 150 Eintrittskarten zu verkaufen sowie sicherzustellen, dass aus Frankfurt 120 Personen und aus Mannheim 80 Personen tatsächlich teilnehmen.

- Auswahl von Kurieren

Der Angeklagte G. war als Führungskader auch in die Auswahl von Kurieren für Waffentransporte der Organisation in die Türkei eingebunden. So beteiligte er sich ab Juli 2002 - und auch noch im Tatzeitraum - bis September 2002 an der Auswahl und Vorbereitung des H H für eine Kurierfahrt (dieser mitgliedschaftliche Betätigungsakt wird später erörtert).

- Aufbewahrung von Waffen in Deutschland

Darüber hinaus zählte es zu den Aufgaben des Angeklagten G. als Führungskader, bei Bedarf in Kontakt mit Sympathisanten zu treten, in deren Wohnungen Waffen, die zu gegebener Zeit in die Türkei verbracht werden sollten, zwischengelagert wurden. Zumindest in einem Fall wurde der Angeklagte G. diesbezüglich tätig. Als Ende November 2002 in den Lagerräumen des Geschäfts eines Anhängers im Raum Frankfurt a. M. Waffen versteckt werden sollten, wurde der Kurier angewiesen, für die Kontaktaufnahme mit dem Ladenbesitzer den Namen von H D oder von D G. anzugeben. Nachdem die Waffen dort einige Zeit gelagert waren, bat der Ladenbesitzer Ende März 2003 den Angeklagten G. mittels einer verschlüsselten Nachricht, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Aufgrund der von der Führung befürchteten Observation des Angeklagten G. durch die Polizei wurde ein unbekanntes Mitglied mit dem Decknamen Eser zum Geschäftsinhaber geschickt. Nachdem Eser berichtete, dass die Waffen wegen des Umzugs des Ladenbesitzers bis Mai 2003 abgeholt werden müssten, wollte der Regionsverantwortliche D zunächst den Angeklagten G. mit dieser Aufgabe betrauen. Die Europaverantwortliche entschied aber wegen der von ihr befürchteten Strafverfolgung des Angeklagten G., den Funktionär Eser einzusetzen.

- Beschaffung von Ausweisdokumenten

Er wirkte schließlich auch an der Beschaffung von Ausweisdokumenten für Organisationsmitglieder mit; beispielsweise leitete er im Herbst 2002 der Führung die Personaldokumente zweier unbekannter Personen zu, die diese der Organisation zur Verfügung gestellt hatten.

c. Vorbereitung der "Herausnahme" aus Deutschland

Als die Organisation Ende März 2003 die polizeiliche Verfolgung des Angeklagten G. wegen des gescheiterten Waffentransports mit dem Kurier H befürchtete (zu diesem später mehr), wurden seitens der Führung erste Vorsichtsmaßnahmen getroffen und Außenaktivitäten des Angeklagten G. eingeschränkt. Beispielsweise wurde der Angeklagte Y. für kurze Zeit mit der Verteilung der Organisationszeitschrift, der "Kassettenarbeit" und dem Ticketverkauf in seinem Gebiet betraut.

Schließlich wurde im Mai 2003 in der Organisation vermutet, dass H H ein - in der Diktion der DHKP-C - "Geständiger" wurde. Die Führung erwog deshalb, den Angeklagten G. aus Deutschland herauszubringen.

Zunächst blieb der Angeklagte G. aber in seiner Funktion als Bölgeleiter aktiv. S. fragte am 14. Juli 2003 bei G, an, ob der Angeklagte G. (Cengiz) am Folgetag zur Verhandlung erscheinen solle - tatsächlich war auf den 15. Juli 2003 ein Fortsetzungstermin in der gegen ihn laufenden Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt anberaumt, die am 08. Juli 2003 begonnen hatte. Der Angeklagte G. erschien zum Fortsetzungstermin nicht.

Nachdem am 09. Juli 2003 bundesweit Durchsuchungen durch die Staatsanwaltschaft Koblenz bei DHKP-C-Funktionären stattgefunden hatten, und der Angeklagte G. berichtete, der Aktivist S A sei aufgrund der Angaben des H H festgenommen worden, entschied die Führung Ende Juli 2003, dass der Angeklagte G. Deutschland verlassen müsse. Er hielt sich in der Folgezeit zunächst zehn Tage in der Wohnung seiner Eltern in Köln auf und wurde anschließend in der Wohnung eines der Polizei nicht bekannten Anhängers untergebracht, einer - in der Diktion der DHKP-C - "sauberen Wohnung". Schließlich wurde er Anfang September 2003 mit Hilfe des Organisationsmitglieds E. nach Belgien geschleust. Vorgesehen war zwar seitens der Führung, dass der Angeklagte G. in dem südlich von Brüssel gelegenen Charleroi mit Ö. zusammen arbeiten sollte. Mit dem Weggang des Angeklagten G. nach Belgien endete aber seine Betätigung als (Führungs-) Funktionär für die DHKP-C.

3. Betätigungen ab September 2003 bis zur Festnahme

am 28. November 2006 (Nachtatverhalten)

Im September 2003 nahm er an einer Versammlung der DHKP-C teil und besuchte einen Kurs in Lüttich. Weitere Aktivitäten des Angeklagten G. für die DHKP-C in Belgien sind nicht bekannt.

Wie bereits ausgeführt, stellte sich der Angeklagte G. erst am 19. August 2004 seinem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. und befand sich bis zum Tag der Verurteilung am 21. Oktober 2004 in Hauptverhandlungshaft.

Auch nach seiner Rückkehr aus Belgien war er kein (Führungs-) Funktionär der DHKP-C mehr. Vielmehr wandte er sich nach Jahren ausschließlicher Tätigkeit für die DHKP-C in Deutschland wieder anderen Lebensinhalten zu, begann mit dem bereits beschriebenen Besuch des Abendgymnasiums und schließlich ab Mitte Juli 2005 mit der Teilzeitbeschäftigung bei der G. P.l GmbH.

Er war allerdings auch weiterhin bereit, auf Anforderung Aufgaben für die DHKP-C zu übernehmen und stand in Kontakt mit Aktivisten, unter anderem mit V A., H A., S A., Ö.B. und H I.. Im Einzelnen:

- der Angeklagte G. führte Aktivitäten Gelegentlich zusammen mit der Funktionärin H D bzw. mit deren Fahrzeug aus.

So wurden der Angeklagte G. und H D am Dienstag, dem 11. Januar 2005, um 0:20 Uhr im Raum Wiesbaden von der Polizei als Fahrer des PKW Mercedes Benz der H D kontrolliert; am gleichen Tag wurde der Angeklagte G. abends gegen 22:15 Uhr auf der BAB 3 am Autobahnkreuz Offenbach, Fahrtrichtung Würzburg, kontrolliert. Am F, dem 04. Februar 2005, wurde er zusammen mit H D nach dem Grenzübertritt aus den Niederlanden kommend überprüft.

Am Montag, dem 09. Januar 2006, war er am späten Vormittag Teilnehmer einer Demonstration der DHKP-C-Tarnorganisation TAYAD vor dem türkischen Generalkonsulat in Frankfurt a. M., bei der die Funktionärin H D als Rednerin mit einem Megaphon auftrat. Die Versammlung thematisierte den Tod des "Genossen" SE Del als "121. politisches Todesopfer" in türkischen Gefängnissen. Weitere Teilnehmer waren die DHKP-C-Aktivisten H A, A Y. N., Hidir Y. und Kemal B..

Am Sonntag, dem 16. Juli 2006, wurde er bei einer Verkehrskontrolle zwischen Karlsruhe und Heidelberg am Steuer eines auf die DHKP-C-Funktionärin H D zugelassenen Fahrzeuges angetroffen. Im Inneren des Fahrzeuges wurden ein Plakat der DHKP-C-Tarnorganisation TAYAD zum Thema "Todesfasten" sowie mehrere zur Verteilung bestimmte Kartons der DHKP-C-Publikation "Yürüyüs" festgestellt;

- er verteilte in dieser Zeit auf Anfrage auch die Parteizeitschrift "Yürüyüs". Im Zeitpunkt seiner Festnahme hatte er zum Zwecke des Verkaufs an Aktivisten mehrere Ausgaben der letzten Monate in seinem Besitz - im Zeitraum vom 20. August 2006 bis 05. November 2006 jeweils zwischen 2 und 8 Exemplare je Ausgabe (insgesamt 62 Exemplare) -, während er für die Monate Mai 2005 bis Juli 2006 überwiegend nur Einzelexemplare besaß, wobei einzelne Ausgaben fehlten.

II. Angeklagter Y.

1. Werdegang bis zum Tatzeitraum

a. Erprobungsphase nach der Einreise im Herbst 1997

Bereits zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Bundesgebiet wurde in der DHKP-C diskutiert, welche Funktion der Angeklagte Y., der damals den parteiinternen Decknamen R führte, in Deutschland ausüben könne. Die Überlegung, ihm eine Funktion in Norddeutschland zuzuweisen und ihm darüber hinaus einen Platz in einem übergeordneten Komitee einzuräumen, wurde zunächst verworfen. Vielmehr erging die Anordnung, ihn auf unterer Ebene zu beauftragen. Die Partei ordnete an, ihn zunächst einmal nach Ablauf von zwei Monaten zu beurteilen. Der Zeitraum der Ungewissheit sollte höchstens ein Jahr betragen; aus diesem Grund wurden dem Angeklagten Y. zunächst keine hoch angesetzten Aufgaben erteilt. Die Organisation gelangte zunächst zu der Beurteilung, der Angeklagte Y. verstehe die Bewegung (noch) nicht vollständig und bedürfe weiterer "Erziehung". Schon nach wenigen Monaten war der Angeklagte Y. jedoch als Führungskraft einsetzbar.

b. Bölgeleitung in Berlin und Dortmund im Zeitraum Februar bis August 1998

Spätestens im Februar 1998 übertrug ihm die Führung die Leitung des Parteigebiets Berlin. Bereits im April 1998 wechselte er in das Gebiet Dortmund. Hier war er mindestens bis August 1998 als verantwortlicher Gebietsleiter tätig. Als Bölgeleiter in Berlin und Dortmund gehörte er der inländischen terroristischen Vereinigung an, die innerhalb des Funktionärskaders der DHKP-C in Deutschland bis Februar 1999 bestand, ohne sich jedoch selbst an der Ausführung der von diesem Führungszirkel angeordneten terroristischen Gewalttaten zu beteiligen. Zu dieser Zeit trug er weiterhin den Decknamen R,. Der Angeklagte Y., der seit Jahren Kontakte auch zu höchsten Parteikreisen unterhielt, wusste und billigte bei der Übernahme seiner Tätigkeit als Gebietsleiter, dass die terroristische Vereinigung Straftaten durchführte. Diese Tat war, wie bereits ausgeführt, Gegenstand des gegen ihn ergangenen Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2005.

c. Aufbau eines Rechtsbüros ab August 1998

Im August 1998 wurde er von der DHKP-C-Führung mit dem Aufbau eines Rechtsbüros in Deutschland beauftragt, das für die Rechtsangelegenheiten der Organisation und ihrer Mitglieder zuständig sein sollte. Dieser Anweisung folgend, baute er ein Rechtsbüro zunächst in Dortmund, später in Köln auf. Ihm wurde von der Parteiführung aufgetragen, sich nur noch mit dieser Aufgabe zu befassen. Dementsprechend widmete er sich dem seinerzeit beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren wegen des Verbots der DHKP-C nach dem Vereinsgesetz. Zudem "betreute" er inhaftierte Führungsfunktionäre.

Nachdem der DHKP-C-Aktivist Mesut Del am 17. November 1998 festgenommen worden war, übernahm der Angeklagte Y. kurzfristig dessen Aufgabe, die u.a. in Hamburg geführten Prozesse gegen die Parteifunktionäre Sereffetin G, E. C. und A E. und gegen Angehörige des Yagan-Flügels zu beobachten. Da der Angeklagte nicht über ausreichende Deutschkenntnisse für die Wahrnehmung der neuen Aufgabe verfügte, stellte ihm die Organisation die Dolmetscherin S. zur Seite, die ihn nach einer gewissen Einarbeitung in die juristische Materie auch in seiner sachlichen Arbeit unterstützte. In seiner Funktion als Prozessbeobachter musste der Angeklagte Y. regelmäßig an die Parteiführung berichten.

Neben der Prozessbeobachtung fungierte der Angeklagte - ab März 1999, mithin nach der Gewaltverzichtserklärung des Dursun Karatas im Februar 1999 - auch als Bote zwischen der Parteiführung, den Verteidigern der DHKP-C-Aktivisten und der Bundesanwaltschaft. Nach der Festnahme des früheren Europa- und Deutschlandverantwortlichen der DHKP-C, N E., im September 1999 in der Schweiz hielt der Angeklagte Y. Kontakt zu dessen Anwälten und berichtete der Führung über den Gang des Verfahrens.

d. Leitung des Gebiets Mitte ab März 2000 bis etwa Anfang Juni 2002

Spätestens im März 2000 übertrug ihm die DHKP-C-Führung die Leitung des Gebiets Mitte. Dieses Gebiet umfasste damals die Städte Frankfurt a. M., Mannheim, Saarbrücken und Kassel. In Frankfurt a. M. oblag ihm als Verantwortlichem die Umsetzung der Anordnungen der Parteiführung selbst, in den angeschlossenen Städten hatte er die Arbeiten der regional Verantwortlichen zu überwachen. Diese Funktion übte er bis etwa Anfang Juni 2002 aus. Als Gebietsleiter war er unter anderem für die Organisation der Spendensammlungen sowie für die Verteilung der Parteizeitung, damals der "Vatan", und die Weiterleitung der eingenommenen Gelder verantwortlich. Er nahm auch sämtliche weiteren Aufgaben eines Gebietsleiters wahr. Beispielsweise trat er am 16. Juli 2001 als Leiter einer Versammlung der DHKP-C in Frankfurt a. M. vor dem türkischen Generalkonsulat aus Anlass des Todes eines "Todesfastenden" in einem türkischen Gefängnis auf. Anlässlich der am 17. Juli 2001 stattfindenden Trauerfeier für den verstorbenen DHKP-C Aktivisten I E hielt er in Dortmund eine Trauerrede. Am 13. November 2001 nahm er an einer von einem SPD-Mitglied organisierten Besetzungsaktion eines Frankfurter SPD-Büros teil.

Gemeinsam mit der Europaverantwortlichen diskutierte er mehrfach darüber, was die Gebiete "hinter der Front" zur Stärkung der Organisation beitragen könnten. Wegen der Ende der 90er Jahre bestehenden Schwierigkeiten, neue "Kontakte" zu gewinnen und diese an die Organisation zu binden, sprach er sich im Mai 2000 dafür aus, Angelegenheiten wie das Beschaffen von Geld, Ausweispapieren und Telefonkarten vorübergehend von der übrigen Gebietsarbeit zu trennen und gesondert zu organisieren. Er war sich der Bedeutung der Tätigkeit an der Rückfront für den Zweck und die Betätigung der terroristischen Vereinigung in der Türkei bewusst; dementsprechend äußerte er gegenüber der Europaverantwortlichen: "Europa zu organisieren bedeutet, die Türkei zu organisieren". Seine Einschätzung basiert auf der Programmatik der DHKP-C, insbesondere auf dem Beschluss 8 des Gründungskongresses, wonach der Krieg an der Rückfront gewonnen wird.

In seiner Funktion als Bölgeleiter für das Gebiet Mitte war er zugleich Mitglied im Gebietskomitee des DHKP-C-Gebietes Süd, zu dem neben der Bölge Mitte auch die Bölge Stuttgart und die Bölge München/Nürnberg/Augsburg gehörten. Wie alle führenden Funktionäre der DHKP-C nutzte er ausschließlich Decknamen. Als Bölgeleiter Mitte erhielt er ab März 2000 den Decknamen K, wurde jedoch nach wie vor auch Gelegentlich als R bezeichnet. Im Gebiet Mitte war ihm anfangs der Angeklagte G. als Gebietsleiter in Kassel, später als Verantwortlicher für Mannheim unterstellt. Diesem erteilte er Anweisungen etwa zur Abholung der Zeitschrift beim "Zeitschriftenbüro" in Köln und zur Weiterleitung der Zeitungsgelder. Der Angeklagte G. war es auch, der ihn mit H H bekannt machte und ihm diesen als geeigneten Kurier für die Organisation vorschlug. In diesem Zusammenhang kam es auch zu Treffen zwischen dem Angeklagten Y. und H H (die diesbezüglichen, Anfang 2002 im Zusammenhang mit H H entfalteten Aktivitäten des Angeklagten Y. werden nachfolgend unter III.1.a. geschildert).

2. Einbindung im Tatzeitraum (30. August 2002 bis zum 27. November 2006)

a. ab Mitte 2002: Rechtsberater der DHKP-C

Ab Mitte des Jahres 2002 wurde der Angeklagte Y. von der DHKP-C-Führung in Köln eingesetzt, um sich vornehmlich um die - auch rechtliche - Betreuung der in Deutschland inhaftierten DHKP-C-Funktionäre, z. B. des A C., zu kümmern; diese Funktion übte er auch nach Inkrafttreten des § 129b StGB weiter aus.

Fortan war er von der DHKP-C-Führung hauptsächlich mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines Rechtsberaters für die Organisation betraut. Insbesondere gehörte es weiterhin zu seinen Aufgaben, sich um die Belange der inhaftierten Parteifunktionäre zu kümmern. Als "Gefangenenbetreuer" war er direkt der Führung unterstellt, der er Bericht über seine Aktivitäten erstattete.

Darüber hinaus beteiligte er sich aber weiterhin an Spendensammlungen für die DHKP-C. Beispielsweise teilte im Februar 2003 die Europaverantwortliche G der Organisationsführung mit, man verfüge noch über 2.400,-- EUR "bekanntes Geld von K A" und 1.950,-- EUR "Kampagnengeld von K A".

Im Februar 2003 S die DHKP-C-Führung eine erneute Verwendung des Angeklagten Y. als Bölgeleiter vor. Die Europaverantwortliche G schlug für den Fall, dass er weiter in Köln an dem Deutschkurs teilnehmen müsse, eine Aufgabe in Nordrhein-Westfalen vor. Andererseits käme er auch für eine Arbeit im Norden oder einen Einsatz als Leiter der inzwischen eigenständigen Region Mitte oder der Region Süd in Frage. Letztlich wurde entschieden, ihm in der Nachfolge des früheren Mitangeklagten M.A. die Führung der Region Süd zu übertragen.

Die terroristischen Ziele der DHKP-C waren dem Angeklagten Y., der deren gesamte Programmatik bereits aus seiner Zeit als Rechtsanwalt in der Türkei im Einzelnen kannte, bekannt. Er wusste, dass die bewaffneten Propagandaeinheiten und Milizverbände der DHKC einen bewaffneten Kampf führten. Jedenfalls durch Bekennungen und Berichte in der Organisationszeitschrift und durch die Medien erhielt er Kenntnis von den Anschlägen. Diese nahm er zumindest billigend in Kauf.

b. ab März 2003 bis zur Festnahme: Leiter der Region Süd und Rechtsberater

Nach einer Einweisung durch M.A. war der Angeklagte Y. ab März 2003 bis zu seiner Festnahme im November 2006 durchgängig als Leiter der Region Süd tätig. Wegen der Größe der Region Süd stellte ihm die Organisationsführung für seine Tätigkeit ein Fahrzeug zur Verfügung. Als Regionsverantwortlicher war er M.A. unterstellt, der als Generalverantwortlicher für die Regionen Süd und Nord eingesetzt wurde.

Als Regionsleiter Süd erhielt er - im organisationsinternen Schriftverkehr - ab 23. März 2003 den Decknamen K mit der ausdrücklichen Weisung, diesen Namen nur im Schriftverkehr, bei der Gebietsarbeit aber weiterhin den Decknamen K oder den Klarnamen zu benutzen; tatsächlich behielt er bei der Gebietsarbeit den Decknamen K bei. Von einigen Personen wurde er überdies immer noch R genannt. Aktivisten, zu denen er eine besonders enge Bindung entwickelt hatte und die ihn auch in privaten Fragen als Ratgeber heranzogen, wie beispielsweise die Familie A aus Neusäß, nannten ihn auch E (auf Deutsch: Onkel). Als Regionsverantwortlicher Süd bereiste er regelmäßig den gesamten süddeutschen Raum, unter anderem die Städte München, Augsburg, Nürnberg, Ulm, Darmstadt und Sindelfingen. Neben persönlichen Kontakten stand er mit den dort tätigen Aktivisten auch telefonisch in Verbindung und erteilte ihnen Anweisungen zur Umsetzung der Arbeiten. Daneben blieb er weiter auch in die Regelung von Rechtsangelegenheiten der Organisation, insbesondere in die Gefangenenbetreuung, eingebunden, wobei er nunmehr auch bei diesen Tätigkeiten der Europaverantwortlichen unterstellt war. So hatte er unter anderem im März 2003 die Aufgabe, sich um die Gewährung von Freigang bzw. eine vorzeitige Entlassung des Verurteilten N E. zu bemühen.

Ende März / Anfang April 2003 unterstützte er überdies für kurze Zeit den Angeklagten G. im Gebiet Frankfurt a. M., als die Organisationsführung aufgrund dessen Beteiligung an dem Waffentransport durch H H befürchtete, der Angeklagte G. werde polizeilich verfolgt.

Den Anweisungen der Organisationsführung für die verantwortlichen Funktionäre folgend kommunizierte er mit den übrigen Organisationsangehörigen äußerst konspirativ meist durch den Austausch elektronischer Dateien, die verschlüsselt - als Bilddateien getarnt - übermittelt wurden. Für die Kommunikation mit den ihm untergeordneten Funktionären und Aktivisten verwendete er überwiegend Mobiltelefone, die auf Dritte angemeldet waren; abgehende Gespräche führte er häufig auch über öffentliche Fernsprecheinrichtungen. Im April 2003 wurde er ausdrücklich von der Führung ermahnt, "im Gebiet" kein auf seinen richtigen Namen registriertes Telefon zu benutzen. Er nahm auch an Zusammenkünften mit anderen Führungsfunktionären teil. Für konspirative Treffen von Funktionären - auch mit der Europaverantwortlichen - beschaffte er sogenannte "saubere Wohnungen".

Als Regionsverantwortlicher sorgte er für die konkrete Umsetzung der Anordnungen der Parteiführung in allen Belangen organisatorischer, personeller, finanzieller und sonstiger Art. Über sämtliche Aktivitäten in den Gebieten, die ihm unterstellt waren, bestand regelmäßige Berichtspflicht gegenüber dem ihm übergeordneten Generalverantwortlichen A. Die Europa- und Deutschlandverantwortliche erstattete der Organisationsführung hierüber entsprechend den bei ihr eingehenden Mitteilungen des M.A. Bericht.

c. Einzelne Betätigungsfelder

- Schulungen

Als Führungsfunktionär nahm er regelmäßig an Schulungen teil, die sowohl von der Europa- und Deutschlandverantwortlichen als auch von M.A. durchgeführt wurden. Im Rahmen seiner Zuständigkeit vermittelte er die Schulungsinhalte seinerseits an die ihm untergeordneten Kader und - in der Diktion der DHKP-C - der Masse. Gemeinsam mit der Europaverantwortlichen überlegte er, welche Personen "aus dem Volk" für eine Schulung in Frage kämen. Anfang August 2004 nahm er an einem "Sommercamp" der DHKP-C in E. teil, bei dem er als Diskutant zu dem Thema "Panel: Die USA, der Nahe / Mittlere Osten und Antiimperialismus" sowie als Leiter des Forums mit den Themen "Jugend in Europa" sowie "Patriotismus- Die Heimat / das Land" angekündigt war. Als Veranstalter des Camps, das neben der Verbreitung der Ideologie der DHKP-C auch der Rekrutierung weiterer Anhänger für die Organisation diente , trat nach außen die "Anatolische Föderation" auf. Im Rahmen von Schulungs- und Vortragsveranstaltungen propagierte er die ideologischen und politischen Ziele der DHKP-C und rief die Anhänger zur Unterstützung auf. Dabei war es nicht nur das Ziel des Angeklagten Y., die Ideologie der DHKP-C zu verbreiten, sondern auch, weitere Anhänger für die Organisation zu gewinnen, die ihr zumindest als so genannte Kontakte nützlich sein konnten. War eine entsprechende Rekrutierung gelungen, meldete der Angeklagte Y. dies an die Führung.

- Gründung von Tarnvereinen

Der Angeklagte Y. war in die Gründung von Tarnvereinen in seinem Gebiet eingebunden. Beispielsweise ab Juni 2003 auf Weisung der Führung in Stuttgart; dort wurde schließlich im Oktober 2004 mit Hilfe der DHKP-C-Aktivisten M B und C K, die nach außen als Vereinsvorstände fungierten, der Verein "A. Kultur- und Kunsthaus e.V." gegründet. Dieser diente den Organisationsmitgliedern als Anlaufstelle und Treffpunkt. Der Angeklagte Y. nutzte die Vereinsräumlichkeiten in der Straße 80a auch als Übernachtungsstätte.

- Beschaffung von Finanzmitteln

Der Angeklagte Y. beteiligte sich im Tatzeitraum, verstärkt ab März 2003 als Regionsverantwortlicher Süd, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Vereinigung und mit Hilfe der ihm untergeordneten Aktivisten an Maßnahmen zur Beschaffung von Finanzmitteln, deren Zweck es war, der terroristischen Vereinigung Gelder, sonstige finanzielle Vermögenswerte oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Gemeinsam mit den ihm unterstellten Aktivisten beschaffte er dadurch Geld für die Organisation. Dabei handelte er in dem Wissen und mit dem Willen, dass das Geld jedenfalls auch zur Finanzierung der terroristischen Aktivitäten dient. Diesem Zweck diente n vor allem folgende Betätigungsfelder:

Er war verantwortlich für die Verteilung der von der DHKP-C herausgegebenen Parteizeitungen und sonstigen Publikationen. Die vereinnahmten Gelder leitete er an die übergeordnete Organisationseinheit weiter. Auch der von dem Angeklagten Y. gemeinsam mit den ihm unterstellten Aktivisten durchgeführte Verkauf der Parteizeitungen diente der Erzielung von Einnahmen für die Vereinigung. Diesbezüglich war er für die Kontrolle der Abrechnungen der Zeitungsverkäufe in der Region und die Weiterleitung der eingenommenen Gelder zuständig, beteiligte sich aber auch selbst an dem Vertrieb.

Im Frühjahr 2006 erhielt er von der Führung den Auftrag, eine kostengünstige Möglichkeit des Drucks der wöchentlichen erscheinenden Organisationszeitung "Yürüyüs" zu finden. Zu diesem Zweck suchte er im Mai 2006 zusammen mit dem Funktionär E G, der gut deutsch spricht, Klaus G, den Inhaber der Druckerei G in H / Kreis Ludwigsburg, auf und wurde mit diesem in der Folgezeit handelseinig. Ab August 2006 druckte die Druckerei G auftragsgemäß monatlich 2.500 Exemplare der Zeitschrift "Yürüyüs" zum Preis von 2.000,-- EUR (incl. USt und Versandkosten) und versandte ca. 2.000 Exemplare an verschiedene Verteileradressen in Deutschland sowie in andere Länder Europas; mindestens 150 Exemplare wurden jeweils von E G, Asan T oder E D abgeholt (der Rest war nicht verwendbarer "Ausschuss"). Als die für den Bereich Westfalen vorgesehenen Exemplare anfangs versehentlich nicht per Post zugeschickt wurden, vereinbarte der Angeklagte Y. mit einer unbekannten Person aus Köln, die sich deshalb am 10. August 2006 telefonisch an ihn wandte, die Zeitschriften persönlich oder durch Dritte dorthin bringen zu lassen.

Er organisierte die Spendensammlungen in den ihm unterstellten Gebieten. So führte er ab März 2003 gemeinsam mit M.A. die bereits von diesem begonnene Jahresspendenkampagne 2002 / 2003 der DHKP-C im Gebiet Stuttgart zu Ende. Bis zum Mai 2003 wurden in dem Gebiet mindestens 34.000,-- EUR Spendengelder für die DHKP-C gesammelt und von dem Angeklagten Y. an die Führung weitergeleitet. Die Europaverantwortliche verlangte von dem Angeklagten Y., bis Mitte Juni 2003 weiter zu sammeln, um auf insgesamt 45.000,-- EUR zu kommen. Bis Anfang Juni 2003 waren allerdings erst mindestens 34.250,-- EUR Spendengelder aus Stuttgart weitergeleitet worden.

Mitte des Jahres 2003 fand zudem eine "Gefangenenkampagne" statt, bei der das Spendenlimit für das Gebiet Stuttgart bei 10.000,-- EUR lag.

Darüber hinaus gehörte es zu den Aufgaben des Angeklagten Y., mit Hilfe der ihm untergeordneten Kader kommerzielle Konzerte und Veranstaltungen zur Geldbeschaffung zu organisieren und sich an deren Vorbereitung zu beteiligen. Auch die hierdurch erzielten Einnahmen leitete er an die Organisation weiter. Exemplarisch sind folgende zu nennen:

- im Mai 2003 übergab der Angeklagte Y. 1.000,-- EUR "Ticketgeld" an die Führung, das er aus Anlass des Parteigründungsfestes, das am 26. April 2003 in Rotterdam / Ahoy stattgefunden hatte, gesammelt hatte; der noch offene Betrag wurde später übergeben, nachdem er weitere Gelder von ihm untergeordneten Aktivisten erhalten hatte;

- im November 2003 bereitete der Angeklagte Y. eine nicht näher konkretisierbare Abendveranstaltung in Stuttgart vor;

- nach dem Wechsel des H.S. nach Berlin übernahm der Angeklagte Y. den von diesem bereits im Bereich Ulm / Augsburg / München begonnenen Verkauf von Eintrittskarten für das Parteigründungsfest am 22. Mai 2004 und die Reisen der Teilnehmer zum Veranstaltungsort in `s-Hertogenbosch/Niederlande;

- im März 2006 betrieb der Angeklagte Y. mit Hilfe der ihm untergeordneten DHKP-C-Angehörigen den Verkauf von Eintrittskarten für ein Konzert der "G Y" am 12. März 2006 in Stuttgart-Fellbach, mit dem finanzielle Gewinne für die DHKP-C erzielt werden sollten. Die Veranstaltung wurde von etwa 1.500 Zuschauern besucht. Als offizieller Veranstalter trat der "Verein für Folklore" aus Stuttgart auf, der dort unter derselben Anschrift wie der DHKP-C-Tarnverein "Anatolisches Kultur- und Kunsthaus e.V." in der Schloßstraße 80a ansässig ist;

- wie bereits im Jahre 2004 organisierte er in der Region Süd den Verkauf von Eintrittskarten auch für das Parteigründungsfest der DHKP-C am 29. April 2006 und die Reisen der Teilnehmer zum Veranstaltungsort in `s-Hertogenbosch/Niederlande;

- am Samstag, dem 22. Juli 2006, fand in Leinfelden-Echterdingen ein von dem Angeklagten Y. mit organisiertes "Picknick" der DHKP-C statt, für das Eintrittskarten verkauft wurden;

- darüber hinaus war er jedenfalls in der Zeit von August bis November 2006 an der Planung weiterer Veranstaltungen in der Region Süd beteiligt, für die er die in Betracht kommenden bekannten Künstler aus der Türkei mit auswählte und über deren Gagen er verhandelte.

Auch nicht organisationsinterne Veranstaltungen nutzte der Angeklagte Y. zur Erzielung von Einnahmen für die Vereinigung, beispielhaft folgende:

- er organisierte im Jahr 2006 den Betrieb von Getränkeständen bei der am Samstag, dem 15. Juli 2006, in Berlin stattfindenden Loveparade. Er schickte fünf Personen aus der Region Süd (aus den Städten Augsburg, Stuttgart und Nürnberg) zum "Arbeiten" nach Berlin zur Loveparade. Für die Fahrt stellte er ihnen seinen PKW zur Verfügung. Bereits 2003 hatte der für Berlin verantwortliche Funktionär "E" im Namen des dortigen DHKP-C-Tarnvereins IKAD e.V. drei Standerlaubnisse für den Verkauf von Getränken bei der Loveparade beantragt, von denen eine durch die Gebiete Stuttgart und Frankfurt genutzt werden sollte. Damals wurde ein Gewinn von ca. 6.000,-- EUR pro Stand erzielt;

- eine ebenfalls von dem Angeklagten Y. beabsichtigte Teilnahme der Region Süd an dem in Düsseldorf vom 26. bis 27. August 2006 stattfindenden Landesfest "60 Jahre NRW" mit einem Verkaufsstand für Essen und Getränke scheiterte daran, dass er die für die Standgebühren und den Einkauf der Waren benötigte Summe von 5.000,-- EUR nicht aufbringen konnte.

- Suche und Auswahl von Kurieren

Zudem war er - wie bereits im Jahr 2002 als Gebietsleiter Mitte - auch als Verantwortlicher für die Region Süd mit der Suche und Auswahl geeigneter Kuriere für den Transport von Geld, Waffen und sonstiger Gegenstände zu den aktiven Mitgliedern in der Türkei befasst. Beispielsweise beteiligte er sich im Mai 2003 an der Suche nach Kurieren, die hierzu bereit und geeignet waren. M.A. hatte im April 2003 von der Organisationsführung den Auftrag erhalten, in jeder der ihm unterstellten Regionen geeignete Kuriere einerseits für den Transport codierter, auf einem Laptop oder einer Flashcard gespeicherter Nachrichten und andererseits für den Transport von Waffen mit Fahrzeugen zu suchen. Im Mai 2003 benannte der Angeklagte Y. dem ihm übergeordneten M.A. weisungsgemäß eine Person, die für die Durchführung von Kurierdiensten, unter anderem für den Transport von Waffen, geeignet sei und sich ihm gegenüber hierzu bereit erklärt habe.

- Mitwirkung an Propagandaaktionen

Er beteiligte sich an verschiedenen Propagandaaktivitäten wie Demonstrationen und Kundgebungen und trat als Redner bei Veranstaltungen der DHKP-C auf. Zum 1000. Tag des "Todesfastens" von DHKP-C-Angehörigen in der Türkei, den die Organisation auf den 15. Juli 2003 festlegte, organisierte er vom 12. bis 20. Juli 2003 die Aufstellung von "Hungerstreikzelten" unter anderem in Frankfurt a. M.. Dort wurde im Namen des TAYAD-Komitees zur Solidarität mit den hungerstreikenden Genossen in der Türkei aufgerufen und Propaganda für die Ziele der DHKP-C betrieben.

Schließlich nahm er im Jahre 2006 selbst an einem "Solidaritätshungerstreik" teil und unterstützte im Herbst 2006 andere Aktivisten bei entsprechenden Aktionen.

III. Vorgänge im Zusammenhang mit H H

Im September 2002 fuhr der vom türkischen Geheimdienst (Milli Istihbarat Teskilati, nachfolgend als MIT bezeichnet), dem als Auslands-Nachrichtendienst auch die Beobachtung und Informationsbeschaffung über außerhalb der Türkei agierende türkische Oppositionelle obliegt, mit der Beschaffung von Informationen über Strukturen, Personen und Aufgaben der DHKP-C an der Rückfront beauftragte türkische Staatsangehörige H H mit einem von der Organisation bereitgestellten Kraftfahrzeug von Deutschland in die Türkei, um einen von Funktionären der Organisation in die Wege geleiteten Waffentransport abzuwickeln. Die Zuladung der Waffen erfolgte in Bulgarien; das Transportfahrzeug wurde an der bulgarisch-türkischen Grenze abgestellt und dort sichergestellt. Im Einzelnen kam es hierzu wie folgt:

1. Zur Vorgeschichte (vor dem Tatzeitraum)

a. Geheimdienstliche Kontakte Hs und Einschleusung in die DHKP-C

Im Frühjahr 2001 gelang es Mitarbeitern des MIT in Deutschland, H H, einem seit Ende 1990 hier lebenden türkischen Staatsangehörigen, als Vertrauensperson zu gewinnen; dieser erklärte sich bereit, Verbindung zur DHKP-C aufzunehmen, um über deren Struktur und Aktivitäten in Deutschland zu berichten sowie Angehörige dieser Organisation auszuspähen. Es gelang ihm, in der Folgezeit zu verschiedenen, an der Rückfront agierenden Aktivisten und Funktionären der DHKP-C Kontakt aufzunehmen. So lernte H H beim Besuch eines Konzerts türkischer Musiker in Ludwigshafen im (Früh-) Sommer 2001 etwa Ö.B. kennen, der sich unter dem Decknamen M / Mahsur für die DHKP-C betätigte. Dieser machte ihn kurze Zeit danach bei einer (Demonstrations-) Veranstaltung der DHKP-C in Frankfurt am Main mit dem Angeklagten G. bekannt, der - wie bereits ausgeführt - seinerzeit unter dem Decknamen C als Verantwortlicher der DHKP-C für das Gebiet Mannheim agierte.

In der Folge kontaktierte H H von Zeit zu Zeit den Angeklagten G., von dem er regelmäßig die Wochenzeitung der Organisation (damals: Ekmek ve Adalet) bezog. Auf Einladung G.s oder anderer Organisationsangehöriger nahm er wiederholt an Versammlungen und anderen Aktivitäten der DHKP-C bzw. deren Tarnorganisationen teil. So war er z. B. auch bei der Besetzung von Räumlichkeiten der TU Darmstadt durch eine Gruppe des Tayad (-Komitees) am 15. September 2001 anwesend. Anlässlich eines Aufenthalts - wie ausgeführt - in der als Treffpunkt für Funktionäre der Rückfront dienenden Wohnung A C in Darmstadt lernte H H Ende des Jahres 2001 auch den seinerzeit in Worms für die DHKP-C agierenden S A kennen.

Nachdem es ihm auf diese Weise gelungen war, das Vertrauen des Angeklagten G. zu gewinnen, schlug ihn dieser organisationsintern vorgesetzten Funktionären, zu denen auch der Angeklagte Y. gehörte, als möglichen Kurierfahrer bei der Durchführung von Transporten in die Türkei vor.

Anfang Dezember 2001 wurde H H vom Angeklagten G. in ein türkisches Caféhaus nach Mannheim einbestellt. Dort war auch der Angeklagte Y. anwesend, der sich H H unter seinem damaligen Decknamen K vorstellte. Y. wies im Verlauf der sich anschließenden Unterredung mit H H darauf hin, dass die Organisation in Deutschland alljährlich eine (Spenden-) Kampagne durchführt, an der sich auch Anhänger der DHKP-C durch Zahlung eines angemessenen Geldbetrages zu beteiligen hätten. Obwohl H auf seine (damalige) Arbeitslosigkeit und beschränkten finanziellen Möglichkeiten verwies, verlangte Y. unbeeindruckt hiervon die Zahlung eines Betrages von DM 1.000,--. H H erklärte sich hierzu außer Stande. Y. hielt gleichwohl an seiner Forderung fest und beschied H dahingehend, dieser solle den genannten Betrag zu einem späteren Zeitpunkt bezahlen.

Zu Beginn des Jahres 2002 arrangierte der Angeklagte G. ein weiteres Treffen zwischen H und dem Angeklagten Y.. Dieser erwartete H H in der Wohnung A C in Darmstadt, die seinerzeit - wie bereits dargelegt - von Funktionären der Organisation im Gebiet Mitte als Kontaktbüro genutzt wurde. Y., der sich über G. einen schriftlichen Lebenslauf Hs hatte vorlegen lassen, wollte bei diesem neuerlichen Aufeinandertreffen herausfinden, ob H als Kurierfahrer für die Durchführung von Transporten der Organisation in die Türkei in Frage kam. Er befragte diesen deshalb, ob er für die Organisation einen größeren Geldbetrag von etwa EUR 30.000,-- bis EUR 40.000,-- auf dem Luftweg nach Istanbul bringen könne. H H, der anknüpfend an seine frühere berufliche Betätigung organisationsintern auch mit dem Decknamen (Türkische-) Pizzabäcker / -verkäufer (auf türkisch: Lahmacuncu) bezeichnet wurde, erklärte sich hierzu grundsätzlich bereit. Zuvor hatte ihm der Angeklagte Y. mit dem Hinweis, er (Y.) sei (Rechts-) Anwalt und kenne sich aus, versichert, dass es für ihn (H) bei einem derartigen Unterfangen keinerlei Risiken gebe. Zu einem entsprechenden Transportauftrag kam es in der weiteren Folge allerdings nicht.

Einer Weisung des MIT Folge leistend, der von H H über das Treffen mit Y. und dessen Ansinnen zeitnah unterrichtet worden war, gab H sodann im Verlauf eines Gesprächs mit dem Angeklagten G. vor, im April 2002 nach Istanbul reisen zu wollen. G. erklärte daraufhin, dass er sich melden werde, falls bei dieser Gelegenheit "irgendetwas" für die Organisation in die Türkei mitgeschickt werden solle. Obwohl in der Folge weder der Angeklagte G. noch ein anderer Verantwortlicher der DHKP-C wegen eines Transportauftrags an ihn herangetreten war, flog H H in der Sorge, für den Fall einer Nichtdurchführung der angekündigten Reise in die Türkei bei Verantwortlichen der Organisation Verdacht zu erregen und Misstrauen gegen seine Person hervorzurufen, Ende April 2002 auf eigene Kosten nach Istanbul.

Auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland stand er zu dem Angeklagten G. weiter in Kontakt und erhielt von diesem schließlich den Auftrag, nach Istanbul zu reisen. H H traf sich daraufhin in Germersheim, seinem damaligen Wohnsitz, mit G., der in Begleitung seines (weiteren) Vorgesetzten, dem damaligen Verantwortlichen der DHKP-C für die Region Süd, A C (Deckname Tr / Ti) erschienen war. Neben dem für das Flugticket erforderlichen Geldbetrag und EUR 250,-- Spesengeld übergaben C und der Angeklagte G. H H ein Päckchen und benannten eine Istanbuler Anschrift, wo dieses abzugeben war. Bevor er anschließend am Hauptbahnhof in Karlsruhe abgesetzt wurde, übernahm H einen weiteren, ebenfalls in die Türkei zu transportierenden Gegenstand, der von C als Computerteil bezeichnet wurde. Noch vor seinem Abflug in die Türkei erhielt H - wie zuvor von C in Aussicht gestellt - über den Angeklagten G. telefonisch weitere Instruktionen. Entsprechend diesen Vorgaben lieferte H die ihm anvertrauten Gegenstände tags darauf an der ihm mitgeteilten Adresse in Istanbul bei einer (unbekannt gebliebenen) weiblichen Person ab. Im Rahmen seiner Rückfahrt meldete sich H H telefonisch beim Angeklagten G. und bat diesen, ihn am Mannheimer Hauptbahnhof abzuholen. G. machte sich daraufhin zusammen mit dem ebenfalls für die DHKP-C tätigen S A auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Dort erkundigte er sich bei H, ob das "Anvertraute" wie besprochen übergeben worden sei, was dieser betätigte.

Über seine innerhalb der Organisation gewonnenen Erkenntnisse informierte H H seine Kontaktpersonen beim MIT regelmäßig und zeitnah. Neben seiner Tätigkeit für den türkischen Geheimdienst, agierte H H in der Zeit von März bis September 2002 als Informant für den Verfassungsschutz des Landes Rheinland-Pfalz und berichtete auch dieser Behörde über die DHKP-C. Der türkische Geheimdienst war hierüber informiert. Einer Weisung des MIT Folge leistend verschwieg H demgegenüber dem deutschen Verfassungsschutz sowohl seine Kontakte zum MIT wie auch seine Mitwirkung an dem - nachfolgend geschilderten - Waffentransport der Organisation. Den Verantwortlichen der DHKP-C waren zum damaligen Zeitpunkt weder die Kooperation H Hs mit dem MIT noch dessen Zusammenarbeit mit dem deutschen Verfassungsschutz bekannt.

b. Vorbereitung und Durchführung eines Waffentransports

Im Juni 2002 wurde H H vom Angeklagten G. telefonisch nach Mannheim einbestellt. Dort kam es - im Beisein G.s - zu einem weiteren Treffen mit A C. Dieser erteilte H H, der aufgrund des erfolgreich abgewickelten vorangegangenen Transports organisationsintern als zuverlässig galt, nunmehr den Auftrag, als Kurierfahrer an einem Transport mitzuwirken. C erklärte dabei zunächst, dass in einem Auto "Sachen" in die Türkei verbracht werden sollten. Auf Nachfrage H Hs wurde dieser von C dahingehend instruiert, dass es sich um Waffen handle. Über den genauen Zeitpunkt, an dem der in Rede stehende Transport durchgeführt werden sollte, erfuhr H zunächst nichts. C erklärte hierzu lediglich, dass es jederzeit sein könne und er (C) dann auf H zukommen werde. H berichtete diesen Vorgang zeitnah seiner Kontaktperson beim MIT und wurde daraufhin angewiesen, fortan ausschließlich mit T, einem Agenten des MIT in der Türkei, in Kontakt zu treten und diesen über den weiteren Fortgang der Ereignisse zu informieren, was H auch tat. Auf die Fragen ob, wann oder wie dieser Transport zu bewerkstelligen war, wurde durch den MIT in keiner Phase Einfluss genommen.

Nach der am 12. Juli 2002 erfolgten Festnahme A Cs durch die Polizei traf sich H H Ende Juli 2002 mit dem Angeklagten G. auf dessen Veranlassung in Köln. G. brachte ihn zum dortigen Tarnverein der DHKP-C und machte H H dort mit dem früheren Mitangeklagten M.A., den neuen Leiter der Region Süd, bekannt. In dieser Funktion oblag A nunmehr auch die weitere Vorbereitung des anstehenden Waffentransports. Im Anschluss an das Zusammentreffen in Köln fuhr er deshalb mit G. und H in dessen Pkw in den Großraum Stuttgart. Dabei war er nachhaltig darum bemüht, nähere Erkenntnisse über H H, insbesondere dessen Privatleben und soziales Umfeld, in Erfahrung zu bringen. In der Folge kam es bis Mitte August 2002 zu zwei weiteren Treffen zwischen A und H. Dieser bemühte sich zunächst im Rahmen eines sogenannten Picknicks der DHKP-C in Köln darum, von A nähere Informationen zu seinem avisierten Einsatz als Kurierfahrer zu bekommen. In der gleichen Absicht wurde A von H im Vorfeld einer - vom Angeklagten G. geleiteten - Protest-Demonstration der DHKP-C vor dem Türkischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main am 12. August 2002 kontaktiert. Bei beiden Aufeinandertreffen beschied A das Ansinnen H Hs mit dem knappen Hinweis, dieser habe zuzuwarten, bis er weitergehende Informationen von G. erhalte. Dieser meldete sich einige Tage später bei H und unterrichtete diesen dahingehend, dass er (H) alsbald in das Gebiet Ulm gebracht würde. Um eine ungestörte Vorbereitung des anstehenden Waffentransports und die hierfür erforderliche Instruktion des Kuriers H H zu ermöglichen, hatte A nach Übernahme der Verantwortung für die Region Süd den früheren Mitangeklagten H.S., den Leiter der Bölge Ulm, mit der Suche nach einer hierfür geeigneten Örtlichkeit beauftragt. Entsprechend dieser Vorgabe nahm S im August 2002 Kontakt mit den seinerzeit in Neu-Ulm wohnhaften türkischen Eheleuten M und M Y auf, die sich bereit erklärten, eine Person (H H) vorübergehend in ihrer damaligen Mietwohnung im Gebäude Bstraße unterzubringen. Ende August 2002 - möglicherweise noch vor Inkrafttreten des § 129b StGB - fuhr der Angeklagte G. mit H H sodann von Germersheim nach Ulm, wo sich beide mit S trafen. Dieser lotste G. anschließend zu der Wohnung der Eheleute Y, die über H Hs Eintreffen bereits informiert worden waren. Der Angeklagte G. wies H H an, seine wahre Identität gegenüber den Wohnungsinhabern zu verschleiern, den Decknamen Z zu benutzen und auf das Eintreffen einer als "Freund" bezeichneten Person zu warten, die ihn (H) abholen werde.

Der Angeklagte G. war sich nicht nur darüber im Klaren, dass eine Kurierfahrt durchgeführt werden sollte. Er wusste vielmehr auch, dass bei dem anstehenden Transport Waffen in die Türkei für den dortigen bewaffneten Kampf der DHKP-C transferiert werden sollten, wenngleich ihm möglicherweise die genaue Anzahl dieser Waffen wie auch die Modelle im Einzelnen nicht bekannt waren.

2. Betätigungsakte im Tatzeitraum (nur Angeklagter G.)

Während seines Aufenthalts im Gebiet Ulm kontaktierte H H wiederholt nach dem 30. August 2002 fernmündlich den Angeklagten G., vereinbarte mit diesem weitere Treffen und bat um die Erlaubnis, kurzfristig nach Germersheim zurückkehren zu dürfen. G. stimmte diesem Ansinnen zu und brachte H am 02. September 2002 erneut von Germersheim mit dem Auto nach Neu-Ulm. Einige Tage später begab sich H, nachdem er von A und S in der bezeichneten Wohnung der Eheleute Y aufgesucht worden war, nochmals nach Germersheim, wo es - bevor er alleine mit dem Zug nach Neu-Ulm zurückfuhr - zu einem erneuten Treffen mit G. kam. Dieser erklärte ihm nunmehr, dass es jetzt nicht mehr lange dauern würde, bis "die Freunde" kämen.

Am späten Abend des 12. September 2002 wurde H H daraufhin in der Wohnung der Eheleute Y von dem früheren Mitangeklagten I D. kontaktiert. Dieser war als professioneller Führungsfunktionär und Sonderbeauftragter der Organisation für den (Arbeits-) Bereich Nachschub und Logistik seit mindestens Anfang 1998 vollständig in die Rückfront der DHKP-C in (West-) Europa eingebunden. In hierarchischer Hinsicht unmittelbar der Zentrale unterstellt, agierte D. - hauptsächlich unter dem Decknamen U auftretend - in enger Kooperation mit der Europaführung. Neben der Beschaffung von Ausweispapieren und Lichtbildern hierfür sowie der Verfälschung von Pässen und dem Erwerb von Ausrüstungsgegenständen aller Art einschließlich Schusswaffen und Sprengstoff war er durchgängig bis zu seiner Festnahme im April 2007 insbesondere auch mit der Vorbereitung und Durchführung von Transportfahrten in die Türkei sowie damit verbundenen Einweisungen von Kurieren befasst. Entsprechend seiner - mit der Organisationsführung abgestimmten - Vorgehensweise bei vorangegangenen Vorgängen dieser Art, übernahm D. die weiter anstehenden Vorarbeiten für die Kurierfahrt Hs. Hierzu wies er diesen im Verlauf der Nacht vom 12. / 13. September 2002 in der Wohnung der Eheleute Y in Neu-Ulm zunächst in Details des bevorstehenden Transports sowie Verschlüsselungscodes ein. H H erfuhr, dass er sich in Sofia / Bulgarien mit einer als Z bezeichneten Person treffen und sich dieser gegenüber als "Lahmacuncu" vorstellen solle. Anschließend teilte ihm D. mit, dass ein Auto bereitstehen würde, mit dem H - nachdem das Fahrzeug auf ihn zugelassen worden sei - "Dokumente oder Waffen" in die Türkei zu verbringen habe. Zur Klarstellung fügte D. hinzu, dass der Pkw erst in Bulgarien (Sofia) mit der Fracht beladen werde.

Am Folgetag fuhren beide mit dem Zug nach Germersheim. Dort beschaffte D. zunächst eine zur Zulassung des Kurierfahrzeugs erforderliche Meldebescheinigung für H bei der örtlichen Stadtverwaltung und einen Versicherungsnachweis für das Kraftfahrzeug. Anschließend meldete er - noch im Verlauf des 13. September 2002 - den für den Transport vorgesehenen Pkw auf den Namen H Hs bei der örtlichen Zulassungsstelle mit dem amtlichen Kennzeichen GER-EJ 524 an. Bei diesem Kraftfahrzeug handelte es sich um einen Mercedes der Baureihe W 123, Fahrgestellnummer: WDB 1232231A112213, welcher von der DHKP-C bereits zuvor für Transportfahrten in die Türkei verwendet worden war. Der Pkw verfügte über einen eigens für diese Zwecke durch Ausbau der Heizungsanlage präparierten, unter dem Armaturenbrett bzw. Handschuhfach befindlichen, zur Aufnahme der (Schuss-) Waffen bestimmten Hohlraum. Dieser war so dimensioniert, dass mindestens zehn Gewehre oder Maschinenpistolen nebst zugehörigen Magazinen und anderem Zubehör sowie etwa 2.500 Stück Munition eingelagert werden konnten. Am 20. September 2002 kam es bei einem erneuten Treffen zwischen D. und H in Germersheim zur Übergabe dieses Transportfahrzeugs. H wurde (weiter) in die Fahrtroute und die Identifizierung der Kontaktperson in Bulgarien eingewiesen. Dieser sollte in Sofia die Zuladung der in die Türkei zu verbringenden Gegenstände veranlassen. D. erklärte nunmehr, dass mit großer Wahrscheinlichkeit Kalaschnikows zugeladen werden. Außerdem zeigte er H das im Mercedes befindliche Versteck und eine dort angebrachte, zur sicheren Befestigung der (Schuss-) Waffen dienende Drahtvorrichtung. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass H die Codierung gelernt hatte, übergab D. diesem ein Mobiltelefon, das zur Kontaktaufnahme mit der "Zentrale" verwendet werden sollte. Außerdem überließ er ihm Telefonkarten im Wert von EUR 300,-- sowie einen Bargeldbetrag in Höhe von EUR 2.300,-- zur Finanzierung reisebedingter Auslagen. Einen Schutzbrief des ADAC hatte sich H zusammen mit D. bereits zuvor in Speyer beschafft. Einer - von D. erteilten - Anweisung Folge leistend, führte H mit dem ihm überlassenen Mobiltelefon ein erstes Telefonat mit der Zentrale und erhielt von einer unbekannt gebliebenen weiblichen Person in codierter Form Anweisungen für den anstehenden Transport.

Entsprechend diesen Anweisungen fuhr H H am späten Abend des 20. September 2002 gegen 23:00 Uhr von Germersheim mit dem ihm überlassenen Kraftfahrzeug in Richtung Bulgarien, wo er am 21. September 2002 einreiste und - wie vorgegeben - nach Sofia weiterfuhr. Dort traf er sich tags darauf an dem von D. bezeichneten Ort mit der Person, die er anhand zuvor benannter Erkennungszeichen als seinen Kontaktmann wiedererkannte. Auf fernmündliche Anweisung der Zentrale, mit der er während der gesamten Fahrt regelmäßig Kontakt hielt, überließ er diesem den Mercedes zum Zwecke der Beladung. Ziya veranlasste daraufhin die Befüllung des beschriebenen Hohlraums mit 10 Schusswaffen (5 Maschinenpistolen und 5 automatische Gewehre), Magazinen, Munition und sonstigem Zubehör (Schalldämpfer). Im Einzelnen handelte es sich um folgende Gegenstände:

- eine Maschinenpistole, Kaliber 7.62x39mm mit einer Lauflänge von 21 cm und der Bezeichnung "1-2 4-5 6" auf der festen Kimme;

- drei Maschinenpistolen, Kaliber 7.62x39mm mit einer Lauflänge von 21 cm und der Bezeichnung "4-5 π" auf der festen Kimme;

- eine Maschinenpistole, Kaliber 7.65mm, Marke "Skorpion" mit der Nummer "1985-27992" nebst zwei zugehörigen Magazinen und passendem Schalldämpfer;

- ein automatisches Gewehr, Kaliber 7.62x39mm mit der Bezeichnung "4-5 π" auf der festen Kimme bzw. "Bπ7911" auf den Federbolzen, hergestellt in Bulgarien;

- ein automatisches Gewehr, Kaliber 7.62x39mm mit der Bezeichnung "4-5 π" auf der festen Kimme;

- zwei automatische Gewehre, Kaliber 7.62x39mm mit der Bezeichnung "4-5 S-1" auf der festen Kimme;

- ein automatisches Gewehr, Kaliber 7.62x39mm, Marke Kalaschnikow mit der Nummer "BE35 1961-1961", hergestellt in Bulgarien;

- 2255 Projektile des Kalibers und Typs 7.62x39mm nebst 24, zur Aufnahme derartiger Projektile passenden Magazinen;

- 49 Projektile des Kalibers 7.65mm.

Sämtliche dieser Schusswaffen, Projektile und sonstigen Waffenteile waren funktionsfähig. Lediglich ein automatisches Gewehr wies am Magazinschacht eine Deformation auf, so dass kein Magazin eingesetzt werden konnte. Am Folgetag gab Z das solchermaßen beladene Kraftfahrzeug an H zurück. Dieser setzte seine Fahrt am 23. September 2002 weisungsgemäß in Richtung bulgarisch-türkische Grenze fort. Noch am gleichen Tag traf er dort am Spätnachmittag am Kontrollpunkt Kapikule / Edirne ein. Er stellte den Mercedes nach Passieren der bulgarischen Ausreisekontrolle vor einem Wartesaal für Reisende im Bereich der Duty-Free-Geschäfte auf dem türkischen Zollareal verschlossen ab. Ob dies auf Anweisung des MIT oder aus anderen, beispielsweise in der Person des H liegenden, Gründen geschah, konnte nicht festgestellt werden. Jedenfalls wurde H H von T, seinem Kontaktmann beim MIT, den er über die Vorbereitung und den Verlauf der Kurierfahrt (fernmündlich) stets auf dem Laufenden gehalten hatte sowie einer weiteren Person erwartet und - ohne dass seine Einreise in die Türkei amtlich vermerkt wurde - nach Istanbul mitgenommen. Dort hielt er sich in der Folge eine Zeitlang in einer vom türkischen Geheimdienst bereitgestellten Unterkunft auf. Die in dem Hohlraum unter dem Armaturenbrett bzw. Handschuhfach des Mercedes versteckten Gegenstände wurden noch am selben Tag von türkischen Zoll- / Grenzsicherungs- bzw. Polizeibeamten aufgefunden und - ebenso wie der Pkw - sichergestellt. Ob dies auf Veranlassung oder unter Mitwirkung des MIT geschah, konnte nicht festgestellt werden. Am 27. September 2002 kehrte H H schließlich in Absprache mit dem MIT per Flugzeug von Istanbul nach Deutschland zurück. Neben einem Bargeldbetrag von USD 2.500,--, der ihm von T in Istanbul übergeben wurde, erhielt er vom türkischen Geheimdienst mittels mehrerer Geldüberweisungen insgesamt weitere EUR 8.300,-- als Lohn für seine Tätigkeit als Vertrauensperson.

Nachdem auch (Führungs-) Verantwortliche der DHKP-C Kenntnis vom Scheitern des Waffentransports erlangt hatten, wurde der Angeklagte G. organisationsintern federführend damit beauftragt, die (Hinter-) Gründe hierfür in Erfahrung zu bringen. Zugleich wurde er angewiesen, H Anweisungen für dessen weiteres Verhalten zu erteilen. G. nahm sich dieser Aufgabe sogleich mit großem Engagement an. Er begab sich noch in der Nacht nach der Rückkehr Hs aus der Türkei am 27. / 28. September 2002 zu dessen Wohnung in Germersheim. H war zur fraglichen Zeit dort zwar anwesend, ließ sich jedoch durch seine Ehefrau, Berrin H, gegenüber dem Angeklagten G. verleugnen. Erst als dieser am nächsten Tag erneut erschien und Auskünfte verlangte, berichtete ihm H über Verlauf und Ende der Kurierfahrt, ohne jedoch seine Kontakte zum MIT zu erwähnen. Er gab vor, Angst vor einer Festnahme bekommen zu haben und deshalb unter Zurücklassung des Mercedes an der Grenze geflohen zu sein. G. leitete diese Erkenntnisse über A, seinen damaligen Vorgesetzten, an die Europaführung weiter.

Auf Weisung der Europaverantwortlichen G, die festgelegt hatte, dass sich ausschließlich der Angeklagte G. um die Angelegenheit mit dem "türkischen Pizzamann" kümmern sollte, suchte G. in der Folge H noch mehrere Male auf, um sich über den Gang der Dinge zu informieren und weitere Vorgaben zu machen.

Aufgrund einer Mitteilung von Interpol Ankara, in der die deutschen Strafverfolgungsbehörden Ende September 2002 auf den Waffenfund in dem auf H H zugelassenen Pkw unterrichtet worden waren, wurde von der Staatsanwaltschaft Landau / Pfalz ein Ermittlungsverfahren gegen H eingeleitet. Dieser wurde daraufhin am 18. Februar 2003 festgenommen; der Vollzug von Untersuchungshaft wurde angeordnet. G. erfuhr Anfang März 2003 von Berrin H von dessen Festnahme. Im Rahmen eines Gesprächs erteilte er ihr Verhaltensanweisungen / -ratschläge und händigte ihr Bargeld, das ihm zu diesem Zweck von der Organisation überlassen worden war, in Höhe von EUR 100,-- aus und erklärte, dass die Organisation einen Rechtsanwalt für H einschalten werde. Kurz darauf erhielt G. von der Europaführung den Auftrag, über einen Anwalt die polizeilichen Ermittlungsakten betreffend H zu beschaffen.

In der Folge war G. weisungsgemäß bestrebt, den Verbleib H Hs und dessen (Aussage-) Verhalten in Erfahrung zu bringen. Zu diesem Zweck kontaktierte er Ende März 2003 und Anfang Mai 2003 auch Mete T, den Schwager Hs. Auch diesem bot er - allerdings erfolglos - die Zahlung eines Geldbetrages an.

Am 30. September 2005 wurde H H in der Türkei - in Abwesenheit - wegen dieses Waffentransports (illegale Einfuhr von Waffen aus dem Ausland in die Türkei) rechtskräftig zu der Freiheitsstrafe von neun Jahren sowie einer Geldstrafe verurteilt. Bereits zuvor war H H am 01. April 2004 durch das OLG Koblenz wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit rechtskräftig zu der Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt worden. Die Vollstreckung dieser - zwischenzeitlich erlassenen - Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Zweiter Teil: Beweiswürdigung

A. Vorbemerkung zu den wesentlichen Beweismitteln

Vorab sind folgende (allgemeine) Bewertungen zur Qualität einzelner Beweismittel und den sich daraus für den Senat ergebenden Schlüssen veranlasst:

I. Zeugenvernehmungen

1. Beamte deutscher Polizeibehörden sowie Zeugen und Behördengutachten

des Verfassungsschutzes

Die Aussagen der vernommenen Zeugen des Bundeskriminalamts (BKA), die im Rahmen ihrer Tätigkeit als ermittlungsführende Polizeibeamte umfassende Erkenntnisse zur DHKP-C, insbesondere deren Aktivitäten und Vorgehensweise in der Türkei und Europa erlangt und hierüber in der Hauptverhandlung anschaulich und umfassend zu den verschiedenen Bereichen im Sinne der Feststellungen zum Sachverhalt berichtet haben, sind nach Überzeugung des Senats glaubhaft und richtig. Weder aus dem Aussageverhalten der einzelnen Zeugen, noch aus ihren Bekundungen haben sich Unstimmigkeiten oder Anhaltspunkte auf fehlerhafte Erkenntnisse bzw. Angaben ergeben. Ein überschießendes Verfolgungsinteresse war nicht festzustellen.

Uneingeschränkt glaubhaft waren auch die als Zeugen vernommenen Ermittlungsbeamten des Polizeipräsidiums Mainz (KOK F und KHK A), welche insbesondere umfassende Angaben zum Tatkomplex H H gemacht und hierbei detailliert, ausführlich und sachlich über die Hintergründe, den Verlauf und das Ergebnis der in diesem Zusammenhang durchgeführten polizeilichen Ermittlungen berichtet haben.

Der Zeuge KHK S berichtete zuverlässig über das Ergebnis der Ermittlungen des ursprünglich von der KPI Augsburg geführten Ermittlungsverfahrens. Dieses richtete sich aufgrund eines Hinweises vom 30. Dezember 2005 zunächst gegen A B, Neusäß-Ottmarshausen, F-straße. Daraufhin wurde Anfang 2006 die "AG Karatas" gegründet; zeitnah wurden die Ermittlungen auch auf Ayse A., die Ehefrau des B A, sowie auf den Angeklagten Y. und weitere Aktivisten aus der Region Süd ausgedehnt.

Dies gilt in gleichem Umfang auch für den Zeugen RD V, der dem Senat die beim Bundesamt für Verfassungsschutz (im Folgenden: BfV) vorliegenden Erkenntnisse zur DHKP-C und deren Strukturen und Aktivitäten insbesondere an der Rückfront in (West-) Europa bzw. in Deutschland anschaulich vermittelt hat. Diese - sachkundig und widerspruchsfrei vorgetragenen - Erkenntnisse beruhen - wie der bezeichnete Zeuge glaubhaft angegeben hat - neben der Erhebung und Auswertung von Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen bzw. der Sichtung organisationsinterner Dokumente und Publikationen der DHKP-C insbesondere auch auf - nicht näher benannten - nachrichtendienstlichen Mitteilungen. Er hat hierzu ergänzend erläutert, dass Erkenntnisse, die für die Verwendung in einem Strafverfahren bestimmt sind, durch das BfV nicht ungeprüft weitergegeben werden. Es sei jederzeit sichergestellt, dass es sich insoweit ausschließlich um Informationen aus zuverlässigen Quellen handle, deren Berichte sich in der Vergangenheit regelmäßig als zutreffend herausgestellt hätten. Eine Weitergabe entsprechender Mitteilungen erfolge darüber hinaus nur unter der Voraussetzung, dass mehrere, sich gegenseitig bestätigende Informationen vorliegen oder durch einen Abgleich mit anderweitigen verlässlichen Erkenntnissen wie zum Beispiel Bestätigungen durch ausländische Behörden verifiziert werden konnten.

Auch bei den Angaben des Zeugen ORR K, Landesamt für Verfassungsschutz (künftig: LfV) Baden-Württemberg, ist der Senat überzeugt, dass diese verlässlich sind. Dem Senat war zwar sowohl die Vernehmung der "Quellen" als auch der "V-Mann-Führer" mangels Bekanntgabe der Personalien und ladungsfähigen Anschriften dieser Personen und infolge der nur beschränkten Aussagegenehmigung des beamteten Zeugen ORR K verwehrt. Der Zeuge wurde aber intensiv zur Frage der Zuverlässigkeit der "Quellen" befragt, auch derjenigen, die noch keine Verpflichtungserklärung abgegeben haben, was bei der Veranstaltung vom 13. Mai 2000 der Fall war (bei der dort aufgeführten "ZP" handelt es sich nach Angaben des Zeugen um die Vorstufe einer "VP" bzw. "VM"). Auch die "ZP" - die Bedeutung der Abkürzung legte der Zeuge nicht offen - war dem LfV seit "etlichen Monaten" bekannt. Sämtliche Berichte wurden durch Abgleich mit dem bisherigen Informationsaufkommen und anderen Erkenntnisquellen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft.

Die von dem Zeugen geschilderten Erkenntnisse beruhen auf mehreren verschiedenen menschlichen "Quellen", wobei jeweils eine "Quelle" des LfV anwesend gewesen sei. Eine konkrete Zuordnung sei aus Quellenschutzgründen nicht möglich.

Der Zeuge hatte als ehemaliger Referatsleiter engen Kontakt zu den V-Mann-Führern, so dass er auch deren Zuverlässigkeit überprüft hat.

Nur bei einer Quelle haben sich - in erheblichem zeitlichen Abstand zur letzten Veranstaltung - Führungsprobleme ergeben; diese hat zweimal Abrechnungsmanipulationen vorgenommen, d.h. versucht, mehr Geld zu bekommen als ihr zustand. Es habe aber zu keinem Zeitpunkt inhaltliche Zweifel hinsichtlich der Berichterstattung der Quelle gegeben. Aus Vorsichtsgründen habe das LfV ab Bekanntwerden der Probleme keine Berichte dieser Person mehr nach außen übermittelt, sondern nur noch als Ansatzpunkt für weitere Ermittlungen verwendet.

Im Vorfeld der Vernehmung legte das LfV die (in Teilen geschwärzten) Quellenmeldungen von V-Leuten, die jeweils zeitnah nach den Veranstaltungen gefertigt wurden, offen; über deren Inhalt und auch über weitere Erkenntnisse des LfV berichtete der Zeuge ORR K. Durch die weitgehende Offenlegung der Quellenberichte konnte sich der Senat einen ausreichenden Eindruck von der Authentizität der von dem Zeugen vermittelten Berichte verschaffen.

Der Senat war sich bewusst, dass aufgrund der Zwischenschaltung eines weiteren Zwischenglieds ("Quelle" - V-Mann-Führer - ORR K) das Gebot äußerster Vorsicht bei der Beweiswürdigung in besonderem Maße gilt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 250 Rdnr. 5 m.w.N.).

Außerdem verwertete der Senat amtliche Erklärungen des Bayerischen LfV vom 01. Oktober 2007; dieses erläuterte die Quellen der mitgeteilten Erkenntnisse wie folgt:

"Sämtliche Erkenntnisse stammen aus nachrichtendienstlichen Quellen, die nicht benannt werden können. Die Bewertung und Überprüfung der Quellen erfolgte im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten unter Beteiligung der sachkundigen Mitarbeiter des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Die Gewinnung bzw. die Beschaffung der Informationen erfolgte rechtmäßig unter Berücksichtigung der bestehenden Befugnisse. Detaillierte Auskünfte kann ich aus Gründen der Gefährdung unserer Arbeitsweise nicht geben. Die Bewertung und Überprüfung der nachrichtendienstlichen Quellen ergaben, dass der oben dargestellte Sachverhalt schlüssig ist und sich das Informationsaufkommen nicht widerspricht. Nach meiner Auffassung ist von der Richtigkeit der Erkenntnisse auszugehen. Gegenteilige Ansatzpunkte gibt es nicht."

Vor diesem Hintergrund ist der Senat von der Verlässlichkeit dieser Erkenntnisse überzeugt.

Die zuverlässigen Erkenntnisse des Ministeriums des Innern und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz für den Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz schilderte dieses im Behördenzeugnis vom 23. Juli 2007 wie folgt:

"Diese stammen aus nachrichtendienstlichen Quellen, die nicht benannt werden können. Die Gewinnung bzw. die Beschaffung der Informationen erfolgte rechtmäßig unter Berücksichtigung der bestehenden Befugnisse. Nach meiner Auffassung ist von der Richtigkeit der Erkenntnisse auszugehen. Gegenteilige Ansatzpunkte gibt es nicht."

2. Der türkische Polizeibeamte EKHK B

Der Zeuge EKHK B ist türkischer Polizeibeamter und seit März 1997 im Referat Linksterrorismus beschäftigt, das in der Abteilung für Terrorismusbekämpfung beim Polizeipräsidium Istanbul unter anderem auch mit der DHKP-C befasst ist. In dieser Funktion war er auch an Tatortermittlungen beteiligt, die im Zuge von Anschlägen der DHKP-C in der Türkei durchgeführt wurden. Im Jahre 2007 wurde ihm die Leitung einer Terrorbekämpfungseinheit in dem bezeichneten Referat mit derzeit 50 Mitarbeitern übertragen. Vom Polizeipräsidium Istanbul wurde er den deutschen Strafverfolgungsbehörden als Auskunftsperson für das vorliegende Strafverfahren und damit im Zusammenhang stehende Vorgänge in der Türkei benannt. Im Rahmen seiner - an insgesamt 8 Hauptverhandlungstagen durchgeführten - Vernehmung hat EKHK B umfassende Angaben zu Anschlägen und Bestrafungsaktionen dieser Organisation in der Türkei gemacht. Er hat aufgrund seiner dienstlichen Tätigkeit neben diesen Kenntnissen zu Aktivitäten der DHKP-C auch ein fundiertes Wissen zur Entwicklung dieser Organisationen und deren Strukturen sowohl in der Türkei wie auch in den zur Rückfront gehörenden Ländern. Auch hierüber hat er im Rahmen seiner Vernehmung ausführlich berichtet.

Seine Erkenntnisse beruhen neben - auch im Internet verbreiteten - Selbstbezichtigungen bzw. Bekennervideos sowie der Auswertung von - in polizeilichen Ermittlungsakten enthaltenen - objektiven Tatortbefunden und zugehöriger Untersuchungsberichte auch auf der Sichtung und Auswertung von organisationsinternem Schriftverkehr, welcher - wie der Zeuge EKHK B glaubhaft angegeben hat - im Wege der Rechtshilfe von den niederländischen Justizbehörden der türkischen Polizei im Jahre 2006 zugänglich gemacht wurde. Die vom Senat vorgenommene bzw. durch das BKA veranlasste Überprüfung dreier, vom Zeugen EKHK Bn in der Hauptverhandlung übergebener, Auswerteberichte bzw. Auflistungen von Dokumente n betreffend die Angeklagten G. und Y. einerseits sowie H H andererseits hat ergeben, dass die darin aufgeführten Dokumente auch auf den Datenträgern enthalten sind, welche dem BKA in Erledigung eines Rechtshilfeersuchens der Generalbundesanwältin in vorliegender Sache Ende des Jahres 2005 von den niederländischen Behörden übermittelt wurden. Sämtliche dieser Schriftstücke konnten anhand der darauf vermerkten Herkunftsbezeichnungen und Datumsangaben dem Datenbestand zugeordnet werden, der - wie noch auszuführen ist - dem BKA im Wege der Rechtshilfe aus den Niederlanden im Zusammenhang mit der dort am 01. April 2004 erfolgten Durchsuchung des sogenannten Pressebüros Ö zugeleitet worden ist.

Das Aussageverhalten des Zeugen EKHK B war sachlich bestimmt. Ein überschießender Belastungseifer war zu keinem Zeitpunkt bei ihm festzustellen. Anhaltspunkte dafür, dass er unwahre bzw. unvollständige Angaben gemacht hat, liegen nicht vor. Seine Bekundungen fügen sich nahtlos in das Ergebnis der übrigen Beweisaufnahme ein. Auch ergaben sich keine Hinweise dafür, dass der Zeuge EKHK B in zurückliegender Zeit bei seiner dienstlichen Tätigkeit in der Türkei verbotene bzw. menschenrechtswidrige Methoden angewandt haben könnte. Hinsichtlich der von der Verteidigung in diesem Zusammenhang benannten konkreten Strafverfahren gegen den Zeugen EKHK B in der Türkei wegen des Vorwurfs der Anwendung von Folter hat der Senat Folgendes festgestellt:

Aus einer - vom Zeugen EKHK B übergebenen - Abschrift eines Urteils des 1. Landgerichts für Strafsachen zu Istanbul vom 25. März 2009 (Aktennummer: 2007/165 Urteilsnummer: 2) geht hervor, dass das Verfahren abgeschlossen ist; EKHK B wurde vom Vorwurf der Anwendung von Folter freigesprochen. Ihm - und weiteren (Mit-) Angeklagten - war die Misshandlung verschiedener, in einem "Zeitschriftenbüro" der DHKP-C in der Türkei festgenommener, Personen im Zuge der sich anschließenden polizeilichen Ermittlungen im Jahre 2002 in der Direktion der Abteilung für Terrorbekämpfung zu Istanbul zur Last gelegt worden. Im Einzelnen wurde festgestellt, dass

"(...) die Angeklagten, die aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des 2. Staatssicherheitsgerichts zu Istanbul, (...) einen Betrieb in Aksaray durchsuchen sollten, da in Bezug auf diesen Betrieb der Verdacht vorhanden war, dass sich darin ein(e) Selbstmordattentäter(in) (= lebende Bombe) aufhält, dass eine bewaffnete Aktion sowie terroristische Aktionen durchgeführt werden sollten, (...) an der Durchführung gehindert wurden und dass Widerstand gegen die Durchsuchung geleistet wurde. (...) Einige Beschwerdeführer seien festgenommen worden und es sei Verstärkung angeordnet worden. Danach sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführer und ihre Freunde die Fahrzeuge beschädigten, als sie in die Fahrzeuge einsteigen sollten. Da die Beschwerdeführer sowohl bei ihren Vernehmungen als auch während der Durchsuchung Widerstand leisteten und die Fahrzeuge beschädigten, wurden sie verletzt, und diese Verletzungen hatten sie schon, bevor sie in den Gewahrsam genommen wurden. Man habe die Beschwerdeführer nicht schlecht behandelt und es lägen keine Beweise vor, die das Gegenteil aufzeigen würden. (...) In den Protokollen sei vermerkt, dass Krawalle entstanden seien und auf angemessene Art und Weise Gewalt eingesetzt worden war. Es seien jedoch keinerlei glaubhafte und ausreichenden Beweise dafür vorhanden, dass die Beschwerdeführer im Gewahrsam schlecht behandelt worden sind. (...)"

Ein weiteres, beim 6. Strafgericht für schwere Strafsachen in Istanbul anhängiges Verfahren (Aktenzeichen 2006/15) steht nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen EKHK B kurz vor dem Abschluss. Dieses betrifft - wie der Zeuge EKHK B weiter dargelegt hat - Vorgänge im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel im Jahre 2004 in Istanbul. Bei gewaltsamen Ausschreitungen seien Demonstranten mit Steinen und Molotowcocktails gegen Sicherheitskräfte vorgegangen. Mehrere Fahrzeuge seien angezündet worden. Einige Polizisten hätten aufgrund dieser Angriffe ihr Augenlicht verloren. Insgesamt seien mehr als 28 Personen - unter Gewaltanwendung - festgenommen worden. Er selbst habe sich nicht vor Ort befunden. Die in der von ihm geleiteten Abteilung beschäftigten Beamten seien lediglich für die Befragung der Festgenommenen zuständig gewesen. Sämtliche Beschuldigten hätten von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Unrechtmäßige Vernehmungsmethoden seien nicht angewandt worden.

II. Die Einführung fremdsprachiger Urkunden

Der Senat ist überzeugt, dass die nachfolgend im Rahmen der Beweiswürdigung zu den einzelnen Feststellungen der Dev Sol, später DHKP-C und deren Funktionäre zugeordneten - bei polizeilichen Durchsuchungen in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz oder im Internet gesicherten - Textdokumente und Videoaufzeichnungen von dieser Organisation stammen und authentisch sind.

1. Asservate aus Belgien und der Schweiz

Nach den Bekundungen der Zeugen KHK B und KHK T, jeweils BKA, wurden im September 1999 bei einer Durchsuchungsmaßnahme der Polizei in Knokke-Heist (Belgien) in einer Wohnung und zwei Kraftfahrzeugen - darunter ein von dem früheren Mitangeklagten D. (zu diesem später mehr) gekaufter Pkw - neben Schusswaffen, Munition und Mobiltelefonen unter anderem Computer, zahlreiche CDs, Disketten und eine Vielzahl schriftlicher Unterlagen beschlagnahmt. Die Schriftstücke und Datenträger seien in der Folge in Belgien im Zuge eines Rechtshilfeersuchens der Bundesanwaltschaft von Beamten des Bundeskriminalamts unter Hinzuziehung von Dolmetschern für die türkische Sprache durchgesehen worden. Elektronisch gespeicherte Dokumente habe man komplett ausgedruckt und von beweisrelevanten Unterlagen Ablichtungen anfertigen lassen, die in der Folge von den belgischen Behörden dem Bundeskriminalamt überstellt worden seien. Die Sichtung und Auswertung dieser Unterlagen habe ergeben, dass es sich um einen Teil des damaligen Archivs der DHKP-C handelte. Von der Authentizität dieser (Text-) Dokumente ist der Senat überzeugt.

Der überwiegende Teil der in Belgien sichergestellten Textdokumente wurde - nach den Bekundungen des Zeugen KHK B - offensichtlich als E-Mail-Nachricht auf elektronischem Weg versandt / empfangen und sodann - versehen mit einem Dateinamen bzw. Zugriffspfad auf Datenträgern gespeichert. Auf Grund des Aufbaus des Dateinamens, der Textinhalte, der Über- / Unterschriften sei die Identifizierung des Verfassers bzw. Adressaten der jeweiligen Dokumente nahezu vollständig möglich gewesen. Es habe sich erwiesen, dass Dokumente , die im Dateinamen mit dem Buchstaben "b" vor dem angegebenen Datumskürzel versehen waren, von der Organisationsführung der DHKP-C verfasst wurden. Adressat sei in diesen Fällen die Person gewesen, deren (Deck-) Namen davor eingetragen war. Bei Dokumenten, die vor dem Datumskürzel mit dem Buchstaben "o" gekennzeichnet waren, stamme die jeweilige Nachricht jeweils von der Person, deren (Deck-) Name davor vermerkt ist.

Der Senat ist auch von der Authentizität von in der Schweiz sichergestellten Dokumente n überzeugt. Diese wurden - wie die Zeugen KHK B und KHK T weiter übereinstimmend angegeben haben - im Zuge einer Durchsuchungsmaßnahme in Chur / Graubünden im Anschluss an die Festnahme N E, des damaligen Europaverantwortlichen der DHKP-C im Oktober 1999 von der Schweizer Polizei aufgefunden und ebenfalls auf dem Rechtshilfeweg dem BKA zugeleitet.

Ausweislich der Angaben des Zeugen KHK B habe sich unter den bis 1999 sichergestellten Unterlagen auch umfangreicher organisationsinterner Nachrichtenaustausch zwischen N E. (damaligen Deckname: C l), der Organisationsführung ("Zentrale") sowie dem früheren Mitangeklagten D. (damaligen Deckname: U) befunden. Inhaltlich habe der entsprechende Schriftverkehr in zahlreichen Fällen die Beschaffung und die Deponierung von Ausrüstungsmaterial aller Art einschließlich (Schuss-) Waffen und Sprengstoffen, die Suche und Auswahl von Kurieren, die Bereitstellung und Präparierung von Kurierfahrzeugen sowie weitere Vorbereitungen zur Durchführung von Transporten in die Türkei (Heimat) und deren Abwicklung zum Gegenstand gehabt.

2. Asservate aus den Niederlanden: Pressebüro Ö, Amsterdam

Zum Anlass, Verlauf und Ergebnis der am 01. April 2004 erfolgten Durchsuchung des sogenannten Pressebüros Ö im Gebäude Witte de Withstraat in A hat der Senat die niederländischen Polizei- / Kriminalbeamten G, B und van M gehört, die an der bezeichneten Untersuchungsmaßnahme sowie der Beweissicherung bzw. Auswertung der sichergestellten Asservate beteiligt waren. Nach den übereinstimmenden Angaben der genannten Zeugen wurde die bezeichnete Untersuchungshandlung in den Niederlanden im Zuge der Erledigung eines Italienischen Rechtshilfeersuchens ausgeführt, in dem - so der Zeuge G - unter anderen auch der durch Urteil des Schwurgerichts Perugia (Italien) vom 20. Dezember 2006 wegen Betätigung für die DHKP-C verurteilte A Er benannt worden sei (zur Befassung des Angeklagten Y. mit A Er später mehr). Bestätigt und ergänzt wurden diese Angaben durch den Zeugen KHK T, der - nachdem an das Bundeskriminalamt Kopien von Unterlagen, die in den Niederlanden sichergestellt wurden, übersandt worden sind, mit der Sichtung und Auswertung der entsprechenden Asservate befasst war. Demzufolge war die Durchsuchung des Pressebüros Ö Teil von entsprechenden, zeitgleich in Deutschland, Belgien und der Türkei durchgeführten Ermittlungshandlungen, die ebenfalls jeweils auf Veranlassung der Italienischen Strafverfolgungsbehörden im Zuge der internationalen Rechtshilfe in strafrechtlichen Angelegenheiten umgesetzt wurden.

Die Zeugen G und van M haben übereinstimmend und jeweils glaubhaft bekundet, dass bei der im Rahmen des niederländischen (Ermittlungs-) Verfahrens "RL-8509" erfolgten Durchsuchungsmaßnahme Computer sowie zahlreiche Datenträger bzw. elektronische Speichermedien wie Festplatten, Disketten, CDs und USB-Sticks sowie schriftliche Unterlagen sichergestellt werden konnten. Überdies habe man in der abgehängten Decke eines Zimmers einen Bargeldbetrag von EUR 16.500,-- aufgefunden.

Der Zeuge Bi hat als sogenannter digitaler Kriminalbeamter die Inhalte der - im Zuge der als Untersuchung "RL-8509" bezeichneten Maßnahme - aufgefundenen elektronischen Speichermedien gesichert und gesichtet. Nach seinen glaubhaften Angaben wurden sämtliche Inhalte dieser Datenträger von Computerforensikern der niederländischen Polizei kopiert und der gesamte, ein Speichervolumen von 1,2 Terabyte umfassende Datenbestand, bestehend aus 66 Festplatten (Harddisks), 116 Disketten, 3 CD-ROM, einem USB-Stick und jeweils einer CF- und SD-Karte, als sogenannte Backup Images in Form von physikalischen Kopien auf insgesamt 6 Harddisks (Festplatten) mit Hilfe forensischer Computerprogramme fachgerecht gesichert. Sämtliche Original-Datenträger wurden - wie der Zeuge G bestätigt hat - anschließend von der niederländischen Polizei an die letzten Gewahrsamsinhaber zurückgegeben.

Auf einem im Zuge der Durchsuchungsmaßnahme sichergestellten Notebook konnte - wie der Zeuge B. weiter glaubhaft bekundete - das Verschlüsselungs- / Codierungsprogramm Keysafe aufgefunden werden. Der Zeuge van M hat bestätigt, dass sich unter den aufgefundenen Datenträgern auch 9 "lose" in einer Schachtel verwahrte Festplatten befanden, die unter einem Schreibtisch in einem als Büro und Schlafzimmer genutzten Raum in der ersten Etage des Gebäudes gelagert waren. Zu diesen 9 Datenträgern habe auch eine Festplatte gehört, die mit der Bezeichnung "04-033-69 HD7" in die polizeiliche Asservatenliste aufgenommen worden sei.

Nach den Angaben des Zeugen B wurde im Verlauf der weiteren Untersuchungen festgestellt, dass sich auf diesem Datenträger im Bereich der sogenannten Unallocated-Clusters Hinweise auf gelöschte Textdateien befanden. Ausweislich des Gutachtens des Niederländischen Forensischen Instituts (im Folgenden: NFI) vom 05. August 2005 handelt es sich bei Unallocated Clusters um den ungenutzten Platz eines Datenträgers, der Daten von gelöschten Dateien enthalten kann. Der Zeuge Bi hat bestätigt, dass die in diesem Bereich vorgefundenen Spuren von (Text-) Dateien mit Hilfe forensischer Software und Ausführung eines speziellen Textexportskripts (Encase Version 4) zu insgesamt 8217 türkischsprachigen Textdateien der (Datei-) Formate ".doc" und ".txt" lesbar wiederhergestellt ("exportiert") werden konnten, die anschließend auf einer DVD, mit einem Index versehen, gesammelt worden seien. In einem weiteren Schritt seien von Mitarbeitern des NFI auf der genannten Festplatte mit der Bezeichnung "04-033-69 HD7" Spuren des Programms KeySafe.exe sowie über 13.000 verschlüsselte (Text-) Dateien gefunden worden.

Hierzu passen die Darlegungen in den NFI-Gutachten vom 05. August 2005 und 12. September 2005. Danach wurden dem NFI am 22. Februar 2005 vom Landespolizeikorps über den Zeugen B. eine Kopie der Daten der Festplatte (Harddisk) mit der Kennung "04-033-69 HD7" zum Zweck der Indizierung der gelieferten Daten und der Ermittlung für die mit dem Programm KeySafe.exe verschlüsselten Dateien übergeben. Hierzu wurden zunächst die Kenndaten (MD5- und SHA1-Hashwerte) der einzelnen Dateien ermittelt. Anschließend wurde der Datenträger mit Hilfe des forensischen Untersuchungsprogramms Encase, Version 5.03 dahingehend überprüft, ob darauf mit KeySafe verschlüsselte Dateien enthalten sind, um diese - nach erfolgreicher Ermittlung von Passwörtern - sodann zu entschlüsseln. Hierbei konnten in den Unallocated Clusters insgesamt 13.110 Dateien gefunden werden, welche mit dem Codierungsprogramm KeySafe.exe verschlüsselt waren. Diese wurden nach Ermittlung zugehöriger Passwörter computerforensisch entschlüsselt und lesbar gemacht.

Übergabe und technische Erfassung durch das BKA

Die wiederhergestellten und entschlüsselten, von der Festplatte mit der Bezeichnung "04-033-69 HD7" stammenden Textdateien wurden - wie der Zeuge B. bekundete - sodann auf Datenträger (CD-R und DVD+R) übertragen, die am 08. November 2005 bzw. 07. Dezember 2005 im Zuge der Erledigung eines Rechtshilfeersuchens der Bundesanwaltschaft dem Bundeskriminalamt zugeleitet wurden. Dieser Übergabevorgang wurde vom Zeugen KHK M, BKA bestätigt. Darüber hinaus wurden dem Bundeskriminalamt - wie der Zeuge KHK M und der im BKA in der dortigen Abteilung für Computerforensik tätige Bundesangestellte (BA) B angegeben haben - von der niederländischen Polizei physikalischen Kopien (sogenannte Backup-Images) des gesamten, bei der Durchsuchungsmaßnahme in den Niederlanden betreffend die Untersuchung "RL-8509" sichergestellten, auf insgesamt 6 (Image-) Datenträgern ("RL-8509" DISK 1 bis DISK 6) übergeben.

Zu der Untersuchung dieser Datenträger hat der Senat BAB gehört, der seit 1989 beim Kriminaltechnischen Institut des Bundeskriminalamts als Computerforensiker beschäftigt ist. Dieser hat angegeben, dass es sich bei den auf der CD-R (Asservat 1) und der DVD+R (Asservat 2) gespeicherten Dateien überwiegend um komplette Textdokumente im Word 6.0- bzw. RTF-Format handelt. Diese Dateien seien dupliziert und sodann zur Aufbereitung für die Übertragung in ein System zur inhaltlichen Datenträgerauswertung (IDA-System) teilweise mit spezifischen Untersuchungsprogrammen / -tools (Easy Recovery) bearbeitet und sodann in das IDA-System des Bundeskriminalamts importiert worden, um dadurch eine lückenlose und fehlerfreie Auswertung sicherzustellen. Den entsprechenden Dateien wurde bei diesem Vorgang automatisiert eine individuelle, sechsstellige, nicht fortlaufende Identifizierungsnummer (ID-Nr.) zugeordnet. Die in den bezeichneten Asservaten-Nrn. 1 und 2 enthaltenen (elektronischen) Textdokumente wurden auf diese Weise mit den Datei ID-Nummern 728 987 bis 741 964 (Asservat 1) bzw. 748 626 bis 764 551 (Asservat 2) gekennzeichnet.

Weitere, ebenfalls aus der niederländischen Rechtshilfe stammende, elektronische Schriftstücke wurden beim BKA ohne vorherige Eingabe in das bezeichnete IDA-System gesichtet und ausgewertet. Die Kennzeichnung der entsprechenden Dokumente erfolgte in diesen Fällen durch die Benennung des den jeweiligen Dateien zugeordneten Pfadnamens, d. h. einer Zeichenfolge wie z. B. "/Bronbestanden (ALL)/Export-4/Unallocated Clusters~123", mit welcher die exakte Fundstelle von Daten auf einem elektronischen Speichersystem fixiert wird. Belege dieser Art wurden nachfolgend durch Kurzbezeichnungen unter Beschränkung auf die jeweilige "Export"-Reihe und die Nummer der zugehörigen "Unallocated Clusters" (wie z. B. "Export-4/Unallocated Clusters~123") kenntlich gemacht.

Der Senat ist vor diesem Hintergrund überzeugt, dass die Inhalte der einzelnen Dateien im Zuge der bei der niederländischen Polizei bzw. beim NFI oder beim Bundeskriminalamt durchgeführten Wiederherstellungs-, Entschlüsselungs-, Übertragungs- und Aufbereitungsvorgänge unverändert geblieben sind. BA B hat auch zu den auf einzelnen Dateien vorhandenen farblichen (gelben) Markierungen so wie in dem von ihm gefertigten - (Ermittlungs-) Vermerk des BKA vom 26. Mai 2008 Stellung genommen. Dort heißt es zur Herkunft bzw. dem Ursprung dieser Markierungen innerhalb der Text- / Word-Dateien wie folgt:

"(...) Bei den hier in Frage kommenden Dateien handelt es sich um entschlüsselte Daten (Ass. 1) sowie wiederhergestellte Daten (Ass. 2), die ihren Ursprung aus dem Unallocated Clusterbereich des Ass. 33.1 haben. Um sicherstellen zu können, dass die innerhalb der Dokumente existierenden Hervorhebungen nicht im Rahmen der Entschlüsselung oder Wiederherstellung entstanden sind, wurde der Unallocated Clusterbereich des Ass. 33.1 mit Hilfe von Encase ohne Verwendung von entsprechenden Scripten oder Programmen erneut untersucht. Zur Überprüfung der einzelnen Untersuchungsschritte und Ergebnisse wurden jeweils elektronische `Fingerabdrücke´ so genannte MD5 Summen erstellt und verwendet. (...)"

Nach detaillierter Schilderung der anhand zweier exemplarisch ausgewählter Dokumente (Datei ID-Nr. 730 406 und 752 871) durchgeführten Rekonstruktion und Überprüfung wird als Schlussbemerkung anschließend Folgendes resümiert:

"Die Verwendung der Funktion `Hervorhebungen´ innerhalb der Dokumente stellt keine Besonderheit im Rahmen der Erstellung eines Dokuments dar. Durch oben beschriebene Rekonstruktion der Dateien konnte belegt werden, dass die innerhalb der Dokumente existierenden Hervorhebungen im Original- bzw. Ursprungsdatenbestand des Asservats 33.1 vorhanden sind. Eine Einbringung der Hervorhebungen im Rahmen des Entschlüsselungs- bzw. Wiederherstellungsprozesses kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden."

Untersuchung durch den Sachverständigen Z

Zu den Fragen, ob Feststellungen dahingehend getroffen werden können, wann und wie die Dateien, die auf dem Datenträger mit der niederländischen Asservatennummer "04-033-69 HD7" im Bereich der Unallocated-Clusters abgelegt wurden, ursprünglich auf die entsprechende Festplatte (Harddisk) gelangt sind, ob und ggf. wann die entsprechenden Dateien ausgedruckt und / oder auf elektronischem Wege versandt wurden und zu welchem Zeitpunkt bzw. in welcher Art und Weise Löschungen auf dem bezeichneten Speichermedium vorgenommen wurden, hat der Senat den Sachverständigen Dipl. Ing. (FH) Rainer Z gehört. An dessen Sachkunde bestehen keinerlei Zweifel. Der Sachverständige Z ist nach erfolgreichem Abschluss eines naturwissenschaftlichen Studiums seit dem Jahre 2001 bei der auf dem Gebiet der Computer Forensik (elektronische Beweissicherung) und Datenwiederherstellung spezialisierten Firma K O GmbH in B beschäftigt. Seit 2004 arbeitet er dort als "Senior Computer Forensics Project Manager" in der forensischen Abteilung und ist schwerpunktmäßig mit Fragen der gerichtsverwertbaren Datenwiederherstellung befasst. Zur Vorbereitung seiner gutachtlichen Darlegungen wurden dem Sachverständigen Z neben der beim BKA beschafften physikalischen Kopie (sogenanntes Rohdaten- bzw. Backup-Image) des in Rede stehenden Datenträgers (Festplatte mit der niederländischen Asservatennummer "04-033-69 HD7") nebst zugehörigen - für die Zusammensetzung der Daten zu einem Abbild des Datenträgers erforderlichen - Kenndaten (MD5- und SHA1-Hashwerte), Ablichtungen der Sachverständigengutachten des NFI vom 24. Juni 2004 (Analyse des Kodierungsprogramms KeySafe.exe), 05. August 2005 und 12. September 2005 (zur Ermittlung von Passwörtern) sowie Vermerke des Zeugen B vom 01. Juni 2006 (betreffend die Vorgehensweise bei der Aufbereitung der dem Bundeskriminalamt von den niederländischen Behörden zugeleiteten Datenträger CD-R und DVD+R sowie dem zugehörigen Datenimport in das IDA-System) überlassen. Überdies wurden dem Sachverständigen Z 12 beispielhaft ausgewählte, türkischsprachige Textdokumente , die auf der in Rede stehenden Festplatte gesichert worden waren, zugeleitet.

Nach den gutachtlichen Darlegungen des Sachverständigen Z wurden aus den in den bezeichneten Beispieldateien enthaltenen Dokumente n "einzigartige" Text-Passagen extrahiert und mittels einer Schlüsselwortsuche die gesamte Festplatte, sowohl im sichtbaren wie auch unsichtbaren Bereich durchsucht, um dadurch sämtliche Speicherorte und möglicherweise (noch) vorhandene, für die Beantwortung der in Rede stehenden Fragen notwendigen "Metadaten" der jeweiligen (Text-) Dateien aufzuspüren. Dies habe in keinem Fall zum Auffinden derartiger Informationen geführt. Insbesondere hätten sich auch im gelöschten Bereich (Unallocated Clusters) des fraglichen Datenträgers keine, den bezeichneten (Text-) Dokumente n zugehörige Metadaten auffinden lassen.

Vor diesem Hintergrund sei daher nicht (mehr) feststellbar, wann die in Rede stehenden (Text-) Dateien generiert oder bearbeitet worden sind. Auch im Inhaltsverzeichnis des Betriebssystems, wo entsprechende Informationen regelmäßig abgelegt werden, fänden sich hierzu keinerlei Einträge. Hinweise zu einem etwaigen Ausdruck oder (elektronischen) Versand von Dateien oder dem Zeitpunkt, an dem die - vom Betriebssystem nicht gespeicherte - Löschung vorgenommen bzw. auf welche Art eine solche Maßnahme durchgeführt wurde, hätten sich ebenfalls nicht gefunden. Insbesondere seien auch keine sogenannten Temporärdateien aufzufinden gewesen. Ob ein Ausdruck oder ein Versand der in Rede stehenden (Text-) Dokumente stattgefunden hat und wann derartige Arbeitsschritte ggf. vorgenommen wurden, könne daher nicht (mehr) beantwortet werden. Ebenso müsse offenbleiben, wann die entsprechenden Dateien gelöscht worden sind.

Der Sachverständige Z hat bestätigt, dass bei der Herstellung eines sogenannten Backup-Image sämtliche auf einem Datenträger gespeicherten Daten physikalisch vervielfältigt werden, so dass nach dieser Spiegelung eine mit dem Original "absolut identische 1:1-Kopie" vorliege. Zwischen dem ursprünglichen Speichermedium und dessen Backup-Image gebe es daher inhaltlich normalerweise keinen Unterschied. Überdies werde bei Herstellung eines entsprechenden "Spiegelabbildes" eines Datenträgers das originale Speichermedium üblicherweise mit einem Schreibschutz versehen. Auf diese Weise werde verhindert, dass Metadaten wie z. B. Zeitstempel durch den Vervielfältigungsvorgang verändert werden können. Aus diesem Grunde könne deshalb auch anhand eines aufgefundenen Zeitstempels nicht festgestellt werden, wann bzw. wie oft ein Datenträger vervielfältigt (gespiegelt) wurde.

Für das Zustandekommen bzw. Vorhandensein farblicher Hinterlegungen in den (Text-) Dateien kommen nach den Darlegungen des Sachverständigen Z verschiedene (Erklärungs-) Möglichkeiten in Betracht. Naheliegend sei etwa die Anwendung eines Suchprogramms bei dem mittels spezieller forensischer Werkzeuge durch Stichwortrecherchen Textpassagen in dem damit untersuchten Dokument (heraus-) gefiltert und als sogenannte Treffer markiert werden.

Der Senat hat sich die plausiblen und nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigung Z nach eigener Überzeugungsbildung zu eigen gemacht. Soweit dieser im Zuge der Beantwortung der Frage nach dem Zeitpunkt der letzten Formatierung des Datenträgers das Datum "07.01.2004 um 19:58 Uhr" als frühesten Zeitstempel auf der Festplatte benannt hat, bezieht sich diese Angabe - wie der Sachverständige Z auf ausdrückliche Nachfrage klargestellt hat - zweifelsfrei nicht auf die im Pressebüro Ö in Amsterdam bei der Durchsuchungsmaßnahme vom 01. April 2004 sichergestellte Festplatte mit der Asservatennummer "04-033-69 HD7" oder darauf gespeicherte (Text-) Dateien, sondern auf den (Image-) Datenträger, der von den niederländischen Strafverfolgungsbehörden zur Speicherung von Sicherungskopien der genannten Harddisk ("04-033-69 HD7") sowie weiterer, ebenfalls bei der genannten Untersuchungsmaßnahme in den Niederlanden aufgefundener elektronischer Datenträger, verwendet worden ist. Der bezeichnete Zeitstempel ist daher für die Bestimmung der Zeitpunkte der Herstellung der in Rede stehenden Harddisk "04-033-69 HD7" sowie der Erstellung, Bearbeitung oder Löschung darauf gespeicherter Dateien ohne Bedeutung.

Anhaltspunkte dafür, dass es bei der Vervielfältigung der fraglichen Festplatte ("04-033-69 HD7") im Zuge der Herstellung eines physikalischen Abbildes dieses Datenträgers zu einer Veränderung von Dateien und / oder den zugehörigen "Metadaten" gekommen ist, sind nicht ersichtlich. Der Senat hat auch keinen Grund zu der Annahme, dass eine Untersuchung weiterer, ebenfalls auf dem in Rede stehenden Datenträger ("04-033-69 HD7") im Bereich der Unallocated-Clusters aufgefundener Textdateien zur Ermittlung von Metadaten wie z. B. Zeitstempel geführt hätte, die Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der Erstellung, Bearbeitung oder Löschung der zugehörigen Dokumente ermöglichen würden.

Inhaltliche Sichtung / Auswertung beim BKA

Zur methodischen Vorgehensweise bei der Sichtung und inhaltlichen Auswertung des im Pressebüro Ö in A aufgefundenen elektronischen Datenbestandes und den hierbei beim Bundeskriminalamt gewonnenen Erkenntnissen haben die daran beteiligten Beamten des BKA, die Zeugen EKHK Kl, EKHK Ht, KHK M, KHKin S, KHKin S-K, KHK T und KHK T jeweils ausführlich berichtet. Demzufolge waren die (lesbaren) Textdateien überwiegend in türkischer und englischer Sprache verfasst. Bei den englischsprachigen Dokumente n habe es sich um Nachrichten, Pressemeldungen, Literatur, Programme, Bedienungsanleitungen, eingescannte Bücher u. a. gehandelt, die für den das vorliegende Verfahren betreffenden Vorwurf keine Relevanz gehabt hätten.

Die - unter Zuhilfenahme von Übersetzern gesichteten - Textdokumente in türkischer Sprache enthielten hiernach Meldungen von Nachrichtenagenturen, theoretische Abhandlungen zu kommunistisch-leninistischen Themen, eingescannte Bücher und Zeitschriften, Erklärungen verschiedener Organisationen, Adresslisten von politischen Parteien und Rechtsanwälten sowie Teilnehmerlisten betreffend Hungerstreikaktionen in der Türkei, zahlreiche Briefe von Gefangenen in türkischen Gefängnissen sowie eine Vielzahl von Erklärungen der DHKP, DHKC, HÖC und des TAYAD aus dem Zeitraum 1996 bis Ende März 2004. Darüber hinaus fanden sich Tätigkeitsberichte von Mitgliedern kämpfender Einheiten in der Türkei über Ausspähungsvorgänge und die Durchführung von Anschlägen. Wie zahlreiche Textdokumente (z.B. Datei ID-Nr. 748 657, 749 615, 750 001, 750 311, 752 091, 752 092, 753 127, 754 371 und 762 224) belegen, erhielten die "Kämpfer" durch verschlüsselte Nachrichten Anweisungen zur Ausspähung von Anschlagszielen, denen jeweils Codenamen zugeordnet wurden. Die entsprechend beauftragten Frontmitglieder berichteten in der Folge – wie die Mitteilungen in den Dateien ID-Nr. 749 615, 750 153, 750 153, 750 195, 750 325, 751 219, 751 385, 751 624, 752 317, 753 127, 755 197, 755 245, 755 652, 761 884, 761 907, 761 913, 762 226, 762 845 und 764 217 zeigen - über die mögliche Annäherung an den Tatort, die geplante Ausführung des jeweiligen Anschlags und über bestehende Fluchtmöglichkeiten. Dass die Organisationsführung in diesem Zusammenhang konkrete Handlungsanweisungen vorgibt, belegen die Berichte in den Dateien ID-Nr. 752 269, 752 317 und 753 096. Aus weiteren Dokumente n (Dateien ID-Nr. 752 091, 752 092, 752 269 und 761 907) ergibt sich, dass vor Ausführung eines Anschlages eine Genehmigung bei der Zentrale zu beantragen ist. Nach Durchführung einer Aktion werden die hierüber gefertigten Berichte der hieran beteiligten Organisationsangehörigen einer Bewertung unterzogen (Dateien ID-Nr. 753 275, 754 383, 755 104 und 762 258).

Außerdem beinhalten die sichergestellten Dateien eine Vielzahl von Mitteilungen hochrangiger Funktionäre der Organisation aus der Zeit von November 1999 bis Ende 2003 über deren Aktivitäten an der Rückfront. Wie noch näher auszuführen ist, belegen diese Berichte, dass die in Deutschland und anderen Teilen (West-) Europas agierenden Führungsfunktionäre vollständig in die hierarchischen Strukturen der DHKP-C implementiert und der Befehlsgewalt der Organisationszentrale unterworfen sind.

Bei den bezeichneten organisationsinternen Berichten und Mitteilungen wurde regelmäßig der Name des Verfassers und Absenders der jeweiligen Nachricht in Klammern gesetzt und an eine Datumsangabe angefügt, während dies bei dem Empfänger einer Mitteilung nicht der Fall ist. So heißt es beispielhaft in dem Dokument der Europaverantwortlichen G vom 09. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 471) wie folgt:

"9.10.2002

Hallo ()

Am 9.10. schicke ich 3 Zip Dateien.

Notiz, die ich an T A geschrieben habe:

8.10.2002

Hallo,

T (...)"

Anhand dieser systematisch verwendeten Begrüßungsformel und den jeweiligen Textinhalten, waren die verschiedenen Berichte den Verfassern, Absendern oder Empfängern der Nachricht eindeutig zuzuordnen. Anhand ausdrücklich vorangestellter Datumangaben, inhaltlicher Angaben im Berichtstext oder der dem jeweiligen elektronischen Textdokument beigefügten Dateibezeichnung konnte auch eine zweifelsfreie zeitliche Fixierung vorgenommen werden.

Die Inhalte dieser Berichte und Mitteilungen wurden im Ermittlungsverfahren in Gegenwart der genannten polizeilichen Sachbearbeiter von Übersetzern zunächst mündlich zusammengefasst in die deutsche Sprache übertragen, um auf dieser Grundlage eine erste Prüfung der Verfahrens- / Beweisrelevanz zu ermöglichen und die Entscheidung über die Notwendigkeit einer schriftlichen Übersetzung der jeweiligen Texte treffen zu können. Anschließend wurde bei Textdateien, die nach Bewertung durch den jeweiligen polizeilichen Sachbearbeiter als verfahrensrelevant eingestuft wurden, die Verschriftung der Datei und deren vollständig oder teilweise wörtliche Übersetzung in die deutsche Sprache bzw. die Fertigung von Inhaltsangaben angeordnet. Auf diese Weise wurden, wie die Zeugen KHK M und KHK T bekundet haben, sämtliche auf Asservat 2 (DVD+R) gespeicherten Dateien und - auf der Grundlage einer Schlagwortsuche - eine Vielzahl der in Asservat 1 (CD-R) enthaltenen Dokumente überprüft. Prüfungsmaßstab für die Einstufung als verfahrensrelevant waren unter anderem die Klar- und bekannten Decknamen der Angeklagten, der früheren Mitangeklagten und anderer Führungsfunktionäre der DHKP-C, die Schilderung von Sachverhalten zur Struktur und Aktivitäten der Organisation wie zum Beispiel die Vorbereitung und Durchführung von Anschlägen, Spendensammlungen und andere Maßnahmen zur Beschaffung von Finanzmitteln, Kuriertätigkeiten, Urkundenfälschungen, Schleusungen, Schulungen, Propagandatätigkeiten, Kodierungen sowie das Vorliegen eines Deutschland- oder Europabezuges gewesen.

Der Senat ist allem nach von der Authentizität dieser Textdokumente überzeugt. Er hat keine Zweifel, dass es sich um organisationsinterne Schriftstücke der DHKP-C handelt. Hierfür sprachen vor allem deren - noch darzulegende - Inhalte mit zahlreichen originellen Details und gegenseitigen Bezügen, die nur der Führung der DHKP-C oder hochrangigen Funktionären der Organisation bekannt sind, sowie Überschneidungen mit anderen Ermittlungserkenntnissen. Anhaltspunkte für eine manipulative Erstellung oder Fälschung der großen Anzahl und teils sehr umfangreichen Dateien durch Dritte haben sich nicht ergeben.

Die Überzeugung des Senats, dass es sich bei dem Pressebüro Ö um eine der DHKP-C zuzurechnende Einrichtung handelte, wird schließlich auch dadurch gestützt, dass die Organisation in A, wenn auch an anderer Stelle, weiterhin unter der Bezeichnung Presseagentur Ö ein Informationsbüro unterhält, wie sich aus Folgendem ergibt: Mit Beschluss vom 22. Februar 2010 hat der Senat Ablichtungen von - an die Angeklagten G. und Y. adressierten und mit Poststempel vom 02. Dezember 2009 versehenen - Briefsendungen eines / einer Deniz D beschlagnahmt. Die am 04. Dezember 2009 bei der Justizvollzugsanstalt Stuttgart eingegangenen Schreiben enthielten jeweils folgende Absenderangabe: "Press Agency O, A.". In beiden, weitgehend gleichlautenden Mitteilungen an die Angeklagten geht D auch auf die Todesfastenkampagnen der Organisation, die als Weg zur Befreiung bewertet werden, ein. Zum anstehenden Jahrestag des Beginns des Widerstands heißt es: "...umarmen wir in Deiner Person alle unsere Gefangenen".

3. Internet

Bezüglich der im Internet gesicherten Erklärungen wurde von den Zeugen RD V, EKHK H und KHK M übereinstimmend angegeben, dass die DHKP-C Erklärungen über ihre Aktivitäten, insbesondere von der Organisation in der Türkei verübte Anschläge, über eigene Internetseiten verbreitet. Nach den Bekundungen der Zeugen EKHK K, EKHK H, KHK M und KHK T, die beim Bundeskriminalamt umfangreiche Internetrecherchen zur DHKP-C durchgeführt haben, sind die Internetseiten www.dhkc.org, www.dhkc.net, www.dhkc.info, www.hAinsesi.tv und www.ozgurluk.org der DHKP-C zuzuordnen. Dass die Organisation derartige Seiten im Internet zur Nachrichtenverbreitung bzw. für Propagandazwecke eingerichtet hat und nutzt, belegt auch ein interner Bericht vom 08. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 754 716) in dem unter der Überschrift: "Was die Internetseiten angeht ..." unter anderem Folgendes mitgeteilt wird:

"(...) Auf dem Server unserer Freunde, der Firma FREETEAM in Amsterdam, befinden sich zum Beispiel unsere Seiten in folgender Form:

192.56.678.32/~ozgurluk

192.56.678.32/~ekmekveadalet

192.56.678.32/~hAinsesi-tv (...)

Im Ergebnis zähle ich die Dinge, die wir machen müssen, zusammen mit dem, was ihr gesagt habt, wie folgt auf:

1. Die Seiten:

www.ozgurluk.org

www.ekmekveadalet.com

www.tayad.org

www.hAinsesi-tv.com

www.vatan-online.com

www.dhkc.net

sollten sich auf verschiedenen Servern befinden. Sie sollten keinerlei Verbindung zueinander haben. (...)

4. Wir werden mit Kerem sprechen und ihm sagen, er soll für Halkinsesi-tv einen anderen Server finden und die Seite darauf umstellen; wir werden es kontrollieren. (...)

- Auf die DHKC-Seite werden sämtliche Erklärungen gesetzt, einschließlich derer der Front, der Partei und besonderer Stellungnahmen. (...)"

Für die Authentizität der auf diesen Internetseiten veröffentlichten Erklärungen sprechen bereits deren namentliche Bezeichnungen, die sich aus den in die Hauptverhandlung eingeführten Ausdrucken ergeben. Ferner standen die auf diesem Weg verbreiteten Mitteilungen durchgängig mit den – aufgrund anderer Beweismittel, z. B. Tatortbefunden, festgestellten – Zielen und Aktivitäten der DHKP-C sowie der internen Sprachregelung dieser Organisation im Einklang. Anhaltspunkte für systemfremde Abweichungen oder sonstige, mit der Programmatik der DHKP-C nicht zu vereinbarende Diskrepanzen, die auf Manipulationen als solcher nicht gekennzeichneter Dritter schließen lassen könnten, hat der Senat - in der umfangreichen Beweisaufnahme hierzu - nicht festgestellt. Hinweise für eine Verfälschung der Webseiten hat die Beweisaufnahme ebenfalls nicht ergeben.

Der Senat ist überzeugt, dass die über die bezeichneten Internetseiten oder auf anderem Wege verbreiteten Selbstbekennungen der DHKP-C zu den festgestellten Anschlägen von dieser Organisation stammen und inhaltlich richtig sind. So hat - wie der Zeuge StA H bekundet hat - der frühere Deutschland- und Europaverantwortliche N E. im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge im Verfahren gegen F. E. vor dem OLG Düsseldorf in dortiger Hauptverhandlung in der Zeit vom 22. April bis 03. August 2009 zum Themenkomplex Anschlagsbekennungen der DHKP-C bestätigt, dass die Bekennung zu Anschlägen zum "Kernbereich einer revolutionären Tätigkeit" gehört (habe). Die Organisation sei stets nach der Maxime vorgegangen, dass man zu Anschlägen, die man begangen habe, steht, diese erklärt und erläutert. Umgekehrt würde eine Bekennung zu Taten, welche die Organisation nicht zu verantworten hätte, nicht abgegeben.

Zur Erläuterung des Hintergrunds der Vernehmung des Zeugen StA H über die Umstände und den Verlauf der Vernehmung des Zeugen E. vor dem Staatsschutzsenat des OLG Düsseldorf ist Folgendes zu bemerken:

Der Zeuge E. hat im Rahmen seiner Vernehmung in vorliegender Sache unter Berufung auf § 55 StPO die Beantwortung einzelner Fragen verweigert.

Der Senat S vor diesem Hintergrund Anlass dafür, sich über das Aussageverhalten des Zeugen E. im Rahmen dessen Vernehmung vor dem 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Strafverfahren Faruk E - 2 StE 4/08 - Kenntnis zu verschaffen. Er hat hierzu den Zeugen StA H gehört, der an der bezeichneten Strafsache als Sitzungsvertreter der Bundesanwaltschaft teilgenommen hat. Wie sich aus den glaubhaften Angaben des Zeugen H ergibt, wurde N E. im dortigen Verfahren innerhalb der Zeit vom 22. April bis 03. August 2009 an insgesamt 7 Sitzungstagen als Zeuge, insbesondere zu den Themenkomplexen "Person des Faruk E" und "Strukturen der DHKP-C in der Türkei und in Westeuropa / Deutschland" vernommen. N E. habe hierzu umfangreiche Angaben gemacht.

Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Erhebungs- und / oder Verwertungsverbots haben sich in diesem Zusammenhang nicht ergeben. Ausweislich der hierzu im Freibeweisverfahren erhobenen Erkenntnisse wurde N E. vom Vorsitzenden des Staatsschutzsenats des OLG Düsseldorf ordnungsgemäß über seine Zeugenpflichten /-rechte belehrt und hierbei in allgemeiner Form auch auf ein mögliches Auskunftsverweigerungsrecht sowie die für den Fall einer unberechtigten Auskunftsverweigerung möglichen rechtlichen Folgen (§ 70 StPO) hingewiesen.

Für die Authentizität der in Rede stehenden Selbstbezichtigungen spricht weiter, dass - wie die Zeugen KHK M und RD V übereinstimmend bestätigt haben - in keinem einzigen Fall ein Dementi oder eine Richtigstellung der DHKP-C hinsichtlich eines Anschlags, zu dem sich diese Organisation selbst bekannt hat, erfolgt ist. An der Authentizität der jeweiligen Tatbekennungen habe es zu keinem Zeitpunkt Zweifel gegeben.

Der Senat ist überzeugt, dass eine entsprechende Distanzierung bzw. Berichtigung durch die DHKP-C erfolgt wäre, wenn sie für die jeweiligen Anschläge nicht verantwortlich bzw. die in ihrem Namen verbreiteten Tatbekennungen von Dritten gefertigt oder verfälscht worden wären. Dass die Organisation für den Fall unzutreffender Meldungen / Informationen zur Urheberschaft von bzw. Beteiligung an Anschlägen entsprechende berichtigende oder richtig stellende Erklärungen abgegeben hätte, wurde auch von dem Zeugen E. sowohl in der Hauptverhandlung in vorliegender Sache als auch - wie der Zeuge StA H bekundet hat - im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf im dortigen Strafverfahren gegen Faruk E ausdrücklich bestätigt.

Die Richtigkeit von Selbstbekennungen der Organisation belegen auch die in den Niederlanden sichergestellten (Text-) Dokumente . Wie bereits ausgeführt, ergibt sich hieraus zweifelsfrei, dass die Organisationsführung der DHKP-C die Begehung von Anschlägen in der Türkei angeordnet hat, die von dort kämpfenden (Front-) Einheiten nach Ausspähung möglicher Ziele und genauer Planungen, die in den entsprechenden Dateien detailliert geschildert werden, auch ausgeführt und anschließend einer innerorganisatorischen Bewertung unterzogen wurden.

4. Übersetzungen aus der türkischen / in die türkische Sprache

Soweit der Senat seiner Entscheidungsfindung die Inhalte von Schriftstücken mit türkischsprachigem Ursprungstext zugrunde gelegt hat, wurde deren Wortlaut durch Verlesung deutschsprachiger Übersetzungen in die Hauptverhandlung eingeführt bzw. die deutschsprachigen Übersetzungen zum Gegenstand des Selbstleseverfahrens gemacht. Den Angeklagten wurden neben Ablichtungen der fremdsprachigen Ursprungstexte auch Kopien der zugehörigen deutschsprachigen Übersetzungen ausgehändigt, die sie sich bei Bedarf durch den Sprachsachverständigen B erläutern bzw. rückübersetzen lassen konnten. Die (deutschsprachigen) Übersetzungen wurden entweder unmittelbar durch ermittlungsbehördliche Übersetzer oder - soweit sich in den Akten keine deutsche Übersetzungen fanden oder lediglich zusammenfassende Inhaltsangaben vorlagen - unmittelbar von den durch den Senat beauftragten Sprachsachverständigen S. B, M. G und G. A-C (an-) gefertigt. Diese haben auf Veranlassung des Senats deutschsprachige Übersetzungen, die bereits durch Sprachmittler im Zuge des Ermittlungsverfahrens hergestellt worden waren, auf sinnentstellende Fehler und Auslassungen überprüft und über das Ergebnis ihrer Begutachtungen in der Hauptverhandlung nachvollziehbar und überzeugend berichtet. Vom Werdegang, der beruflichen Qualifikation und Berufserfahrung der genannten Sprachsachverständigen hat sich der Senat zuverlässig Kenntnis verschafft. Die Genannten haben in der Hauptverhandlung zugleich als Dolmetscher fungiert. Auch insoweit hat sich der Senat von ihrer Sachkunde überzeugt.

Hinsichtlich der - im Selbstleseverfahren eingeführten - Schriftstücke aus der belgischen Rechtshilfe und verschiedener weiterer, in türkischer Sprache verfasster Dokumente wurde die Richtigkeit der von Sprachmittlern im Auftrag der Ermittlungsbehörden oder des Senats gefertigten, deutschsprachigen Übersetzungen von den Verfahrensbeteiligten auch ohne Vorliegen einer Überprüfung durch die bezeichneten Sprachsachverständigen nicht in Zweifel gezogen. Anhaltspunkte für das Vorliegen von sinnentstellenden Fehlern und / oder Auslassungen haben sich jeweils nicht ergeben, weshalb auch der Senat insoweit keinen Anlass hatte, entsprechende, weitergehende Richtigkeitskontrollen vornehmen zu lassen.

III. Einführung fremdsprachiger Telefonate / SMS-Nachrichten

Der Senat hat seinen Feststellungen auch - aufgrund ergangener gerichtlicher Beschlüsse verwertbare - Erkenntnisse aus türkischsprachigen Ferngesprächen und Kurztextnachrichten (SMS), welche im Rahmen durchgeführter Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen aufgezeichnet worden sind, zugrunde gelegt. Neben den im Ursprungsverfahren der Staatsanwaltschaft Koblenz gegen S A, D G., A C, B Ar, H I (im gerichtlichen Beschluss versehentlich mit Ican bezeichnet) wegen Verstoßes gegen das VereinsG u. a. (Az.: 2010 Js 59003/01) erhobenen Daten - nachfolgend TKÜ A, B, C, D, E, F, G, H - gehörten hierzu auch Gesprächs- und SMS-Aufzeichnungen, die aus dem ursprünglich bei der Staatsanwaltschaft München I gegen B A u. a. wegen Verstoßes gegen das VereinsG u. a. geführten Ermittlungsverfahren (Az.: 111 Js 10221/06) - nachfolgend TKÜ Y. und L - sowie in den Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft gegen D K u. a. (Az.: 2 BJs 13/03-7) sowie den früheren Mitangeklagten H.S. (Az.: 2 BJs 71/03-7) - nachfolgend: TKÜ by-Tec - stammen.

Zum überwiegenden Teil wurden hierzu Gesprächsmitschnitte durch Abspielen der entsprechenden Tonaufzeichnungen in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen, die zugehörigen Wortprotokolle, technische Daten und - soweit vorhanden - Funkzellenortungen verlesen. Darüber hinaus hat der Senat Aufzeichnungen von Telefonaten und SMS-Nachrichten aus der TKÜ by-TEC auch im Wege des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO auf der Grundlage von Wortprotokollen in die Hauptverhandlung eingeführt.

Die deutschsprachigen Übersetzungen der eingeführten Wortprotokolle wurden entweder unmittelbar durch ermittlungsbehördliche Übersetzer oder - soweit sich in den Akten keine deutschen Übersetzungen fanden oder lediglich zusammenfassende Inhaltsangaben vorlagen - von dem durch den Senat beauftragten Sprachsachverständigen Serdar B (an-)gefertigt. Dieser hat überdies auf Veranlassung des Senats deutschsprachige Übersetzungen, die bereits durch Sprachmittler im Zuge des Ermittlungsverfahrens hergestellt worden waren, auf sinnentstellende Fehler und Auslassungen überprüft und über das Ergebnis seiner Begutachtung in der Hauptverhandlung nachvollziehbar und überzeugend berichtet.

Zum Verlauf und Ergebnis der in den verschiedenen Ermittlungsverfahren erfolgten Telekommunikationsüberwachungen hat der Senat die hiermit befassten Polizeibeamten, die Zeugen KHKin S-K und KOK F hinsichtlich der TKÜ A bis H, den Zeugen KHK S hinsichtlich der TKÜ Y. und L sowie die Zeugin KHKin S betreffend die TKÜ by-Tec gehört. Die Genannten haben dabei auch über die im Zuge der Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse zur Identifizierung der jeweiligen Anschlussnutzer ausführlich berichtet. Aufgrund der glaubhaften Angaben der genannten Zeugen hat sich zu den bezeichneten Telefonüberwachungsmaßnahmen im Einzelnen Folgendes ergeben:

TKÜ A - Festnetzanschluss 06245 / 29595 -

Anschlussinhaberin des Festnetzanschlusses war Emre A, Richard-Wagner-Str., 68647 B. Unter der gleichen Anschrift wohnte S A, ein Aktivist der DHKP-C, der diesen Anschluss (ebenfalls) nutzte.

TKÜ B - Mobiltelefonatsanschluss 0174 /

Anschlussinhaber und Nutzer des Mobiltelefonatsanschlusses war S A, Richard-Wagner-Str. 27, 68647 Biblis.

TKÜ C - Mobiltelefonatsanschluss 0160 / 4 -

Anschlussinhaber des Mobiltelefonatsanschlusses war Mehjar Hn, Diemelstraße; tatsächlicher Nutzer war hingegen der Angeklagte G., der diesen Anschluss als sogenanntes Empfangshandy zur Entgegennahme eingehender Gespräche oder SMS-Nachrichten im Rahmen des organisationsinternen Nachrichtenaustauschs nutzte.

TKÜ D - Mobilfunkanschluss 0170 / -

Anschlussinhaber des Mobilfunkanschlusses war Bircan I, Schönweibergasse 15,; benutzt wurde das Mobiltelefon von dem im Laufe der Ermittlungen als A C wiedererkannten Organisationsangehörigen.

TKÜ E - Mobilfunkanschluss 0175 / 4739315 -

Anschlussinhaber und Nutzer des überwachten Mobilfunkanschlusses war B A, ein ebenfalls der DHKP-C zuzurechnender Aktivist.

TKÜ F - Mobilfunkanschluss 0172 / 448692

Der Mobilfunkanschluss, Anschlussinhaber: Adnan Kr, Rheinholdstraße 48, , wurde von einer als H I wiedererkannten Person genutzt.

TKÜ G - Mobilfunkanschluss 0173 / 981468 -

Anschlussinhaber dieses Mobilfunkanschlusses war Emre A; tatsächlich genutzt wurde dieser jedoch, wie bei der TKÜ A, durch den dort bereits genannten S A.

TKÜ H - Mobilfunkanschluss 0179 / 8912860 -

Anschlussinhaber dieses Mobilfunkanschlusses war Ceylan D, Cadolzburger Str. 4, Tatsächlich handelte es sich - wie bei der TKÜ C - um ein sogenanntes Empfangshandy des Angeklagten G. zur Entgegennahme von eingehenden Anrufen im Zuge des organisationsinternen Organisationsaustausches.

TKÜ Y. - Mobilfunkanschluss 0160 / 95469297

Anschlussinhaberin dieses Mobilfunkanschlusses war Rechtsanwältin V Y, straße 20, Köln; tatsächlicher Nutzer war jedoch der Angeklagte Y..

TKÜ L - Mobiltelefonatsanschluss 0179 / -

Anschlussinhaber dieses Mobiltelefonatsanschluss es war Jana L, Radegundistraße 8,; Nutzer war A B, Fabrikstraße 2, Neusäß.

TKÜ - Mobilfunkanschluss 0162 / -

Anschlussinhaberin dieses Mobilfunkanschlusses war die Firma Elektronikhandelsgesellschaft, B Str. 27, Köln. Tatsächlicher Nutzer dieses Anschlusses war nach Angaben der Zeugin KHKin Sr der frühere Mitangeklagte H.S.; es handelte sich nach den weiteren Bekundungen der Zeugin um ein sogenanntes Empfangshandy des H.S.. Ausgangspunkt dieser Telekommunikationsmaßnahme war nach Angaben der Zeugin KHKin Seine Durchsuchung im YAPI Verlag in Köln in einem Verfahren gegen S A; bei E G sei eine codierte Telefonliste sichergestellt worden. Die Nummer eines "Piro" habe dechiffriert werden können. Hierbei habe es sich um die Nummer des Anschlusses by-Tec gehandelt. H.S. habe das Handy im überwachten Zeitraum bis auf wenige Ausnahmen als so genanntes Empfangshandy genutzt und sei in den Gesprächen mit seinen Decknamen Pir und K angesprochen worden. Abgehende Gespräche seien in der Regel nicht erfolgt.

Die Sprecherzuordnung

Bei den Ferngesprächen, die der Senat verwertet hat, konnte er Sprecherzuordnungen teilweise schon aufgrund der dokumentierten Inhalte der Gespräche oder deren Verlauf vornehmen. In manchen Fällen wurden am Telefonat beteiligte Personen von ihrem Gesprächspartner im Verlauf der jeweiligen Unterredung mit dem jeweiligen Decknamen benannt und auf diese Weise wiedererkannt. Bei anderen Aufzeichnungen konnte die Sprecheridentifizierung auch anhand der Thematik einer bestimmten Mitteilung unter Berücksichtigung des übrigen Beweisergebnisses vorgenommen werden. Weiter wurden Telefonatsaufzeichnungen aus der TKÜ C in der Hauptverhandlung im Beisein des Zeugen H H abgespielt, welcher daraufhin - wie noch auszuführen ist - zu Identifizierungen der an den einzelnen Ferngesprächen beteiligten Personen in der Lage war.

Darüber hinaus hat der Senat die Angeklagten G. und Y. wie auch den früheren Mitangeklagten A in zahlreichen Telefonaten ohne Weiteres an ihrer Stimme und jeweils damit einhergehenden Spezifika als Gesprächsteilnehmer Erkannt. Anhand der Inaugenscheinnahme einer Vielzahl von Telefongesprächen in der Hauptverhandlung war dem Senat eine auditive Stimmvergleichung möglich. Hierbei wurde die beschränkte Tonqualität aufgezeichneter Telefongespräche ebenso berücksichtigt, wie der Umstand, dass es sich um türkischsprachige Unterredungen handelte. Der Senat war sich ferner der Möglichkeit des dadurch gesteigerten Risikos einer Falschidentifizierung und der generellen Problematik des Wiedererkennens von Stimmen bewusst.

Wertende Zusätze, beispielsweise eine auf den TKÜ-Protokollen vorgenommene, d.h. nicht im Gespräch enthaltene Zuordnung der Sprecher hat der Senat nicht in das Verfahren eingeführt bzw. soweit die Bezeichnungen im Text vorhanden waren - wie bereits in der Hauptverhandlung angekündigt - nicht verwertet. Aus diesem Grund ist für den Senat bei den TKÜ-Maßnahmen Y. und L die Frage ohne Bedeutung, ob diese wertenden Zusätze von Sachbearbeitern der KPI Augsburg oder von dem Dolmetscher T vermerkt wurden.

Die Zuordnung der SMS (allein) hinsichtlich der Frage des Absenders bzw. Empfängers ist bereits deshalb leicht möglich, weil diese mit "kommend" bzw. "abgehend" gekennzeichnet sind. Auch hier hat der Senat wertende Zusätze, wie bei der TKÜ-Y.: "SMS vom K" - nicht berücksichtigt; verwertet wurden ausschließlich die technischen Daten sowie der reine SMS-Text. Schlüsse auf den Verfasser / Empfänger zog der Senat in der Gesamtschau mit den weiteren Beweisumständen, beispielsweise daraus, dass sich der Empfänger bei dem Angeklagten Y. telefonisch gemeldet und bestätigt hat, dass er von ihm eine SMS erhalten hat; dies wird an geeigneter Stelle im Zusammenhang mit der Würdigung einzelner Gespräche / SMS ausgeführt.

Die Möglichkeit, dass ein anderer Funktionär mit gleicher stimmidentifizierender Vorgabe einen Teil der Gespräche geführt haben könnte, schließt der Senat angesichts des sehr begrenzten Kreises von DHKP-C-Mitgliedern in Führungsfunktionen in einem bestimmten Gebiet als nur theoretische Möglichkeit mit Sicherheit aus. Im Einzelnen hat sich Folgendes ergeben:

Angeklagter G.

Der Senat ist - in einer Gesamtbewertung mit den weiteren Beweiserkenntnissen (namentlich den Gesprächen, in denen er mit seinem Decknamen Cengiz angesprochen wird, dem Ergebnis einer Videoobservation sowie den Gesprächsinhalten, wie bei der Beweiswürdigung zum Angeklagten G. noch im Einzelnen dargelegt wird) - davon überzeugt, dass der Angeklagte G. in zahlreichen Gesprächen selbst zu hören war. Der Angeklagte G., der sich zwar weder zur Person noch zur Sache eingelassen hat, hat sich immer wieder in der Hauptverhandlung sowohl auf Türkisch als auch auf Deutsch in freier Rede, in der Regel spontan als Reaktion auf bestimmte Vorgänge geäußert, meist mit Ausfälligkeiten gegenüber der Bundesanwaltschaft und dem Senat. Hierdurch gab er dem Senat die Möglichkeit, mit den Eigenheiten seiner Stimme vertraut zu werden und diese mit den Stimmen in den zahlreichen in Augenschein genommenen Gesprächen, insbesondere der TKÜ C, abzugleichen. Der Senat hat neben dem gedanklichen Inhalt der Äußerungen des Angeklagten G. im Bewusstsein der Beweisbedeutung besonders auf dessen Stimme und deren individuelle Merkmale geachtet. Der Senat stellte eine Übereinstimmung in der Sprechstimmlage, der Angeklagte G. hat eine sonore und tiefe Stimme, dem gleichförmigen Sprechrhythmus, der recht hohen Artikulationsgeschwindigkeit, der prägnant gesprochenen Grußformel zu Beginn der Telefonate (häufig "alo merhaba") sowie der charakteristischen Art seines Lachens, das kontrolliert, häufig in der Sprechstimmlage erfolgte, fest.

Angeklagter Y.

In einer Vielzahl der in Augenschein genommenen Telefongespräche ist als Gesprächsteilnehmer unzweifelhaft der Angeklagte Y. zu erkennen. Dieser hat dem Senat in der Hauptverhandlung vielfach Gelegenheit gegeben, die Eigenheiten seiner Sprechweise und seiner Gefühlsäußerungen kennenzulernen und dies sowohl bei vorbereiteten Erklärungen als auch bei spontanen Äußerungen.

Auch bei dem Angeklagten Y. hat der Senat im Bewusstsein der Beweisbedeutung nicht nur auf den Dolmetscher, sondern auch auf dessen Stimme und deren individuelle Merkmale geachtet.

Der Senat stellte eine Übereinstimmung in der Sprechstimmlage mit nasalem Tonfall, dem Sprechrhythmus und der Artikulationsgeschwindigkeit fest. In besonderer Weise charakteristisch war sein "meckerndes" Lachen, das bei keinem seiner türkischsprachigen Gesprächspartner in ähnlicher Weise festzustellen war.

In zahlreichen Gesprächen wird der Angeklagte Y. überdies von seinen Gesprächspartnern ausdrücklich als Kl oder K A angesprochen. Eine klare Zuordnung des Decknamens Kl zu seinem Klarnamen A D Y. ergibt sich dabei aus dem Gespräch vom 15. Juli 2006 (ID: 464.880, TKÜ Y.; vgl. nachf. V.2.a.bb.). Schließlich belegt auch der Soziolekt einen (auch juristisch) gebildeten Menschen, der bei aller Abstraktion und Konspiration in der Lage ist, klar und eindeutig auf gehobenem sprachlichem Niveau zu formulieren. Im Gegensatz hierzu stehen einige einfache Aktivisten mit einer schlichten Sprache, die sich so unpräzise ausdrücken, dass der Angeklagte Y. immer wieder ungeduldig reagiert. Soweit dieser Umstand nicht bereits in der Übersetzung deutlich wurde, z. B. durch nicht zu Ende gesprochene Sätze, wies der Sprachsachverständige B auf die Schlichtheit der Sprache und die vielen umgangssprachlichen Begriffe ausdrücklich hin.

Früherer Mitangeklagter A

M.A. hat sich in dem abgetrennten Verfahren wiederholt und teilweise ausführlich geäußert. Der Senat hatte dadurch hinreichend Gelegenheit, sich mit den auditiv vernehmbaren Besonderheiten seiner mittleren Sprechstimmlage (Grundfrequenz), einer zur Nasalität tendierenden Stimmqualität, der (zumeist) monotonen Sprechrhythmik, einem weitgehenden Fehlen sprachlicher Häsitation sowie anderen charakteristischen Eigenarten des Intonationsverlaufs wie z. B. einer auffallend gleichförmigen Sprachmelodie sowie einer zumeist gedämpft anmutenden Intensität der Sprechweise (Lautstärke) und einer zur Monotonie neigenden Artikulationsgeschwindigkeit, vertraut zu machen und diese Gesichtspunkte mit dem Inhalt der Gesprächsaufzeichnungen abzugleichen. Aufgrund dessen war der Senat ohne Weiteres in der Lage, in den bezeichneten Gesprächen die Stimme des früheren Mitangeklagten A zu erkennen bzw. diese einem der jeweiligen Sprecher zuzuordnen.

IV. Erkenntnisse türkischer Strafverfolgungsbehörden

Der Senat hat sich aufgrund der von den Angeklagten und früheren Mitangeklagten erhobenen Foltervorwürfen in der Republik Türkei auch mit der dortigen allgemeinen Menschenrechtslage befasst.

In organisationsinternen Dokumente n finden sich - vorwiegend die Zeit bis Mitte / Ende der 1990er Jahre betreffend - Schilderungen von Angehörigen der DHKP-C über die Anwendung von Folter durch türkische Sicherheitskräfte. Hierzu gehört z. B. ein Bericht von Sema T, in welchem schwerwiegende Misshandlungen beschrieben werden, die im Jahre 1996 von einer Sondereinsatztruppe der Polizei verübt worden sein sollen (Datei ID-Nr. 738 630). Auch der Zeuge D, der - ausweislich der Angaben des Zeugen G - in der Türkei als (Rechts-) Anwalt im Rechtsbüro des Volkes beschäftigt war und - eigenen Angaben zufolge - seit 1996 / 1997 als "anerkannte r politischer Flüchtling" in Deutschland lebt, hat ausgesagt, dass Übergriffe bis hin zu Tötungen durch Sicherheitskräfte in türkischen Gefängnissen bis ins Jahr 2007 andauerten. Allein bei der sogenannten "Operation zurück ins Leben" seien im Jahre 2000 insgesamt 28 Inhaftierte "massakriert" worden. Schließlich hat der Zeuge G bekundet, dass während seiner Tätigkeit als Führungsfunktionär der Dev Sol, d. h. in den Jahren von 1991 bis 1994 die Anwendung von Folter "systematische Staatspolitik" in der Türkei gewesen sei.

Vor diesem Hintergrund hat sich der Senat zu den Fragen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in der Türkei Maßnahmen der Folter oder sonstige menschenrechtswidrige Handlungen durch staatliche Organe angewandt bzw. vorgenommen werden, anhand von Berichten des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (nachfolgend: Lageberichte Türkei) Kenntnisse für den Zeitraum von 2002 bis 2009 verschafft.

Demzufolge sind Folter und sonstige (physische und psychische) Misshandlungen durch Sicherheitskräfte nach türkischem Recht seit langem gesetzlich verboten. Die Vornahme derartiger Handlungen ist unter Strafe gestellt. Gleichwohl waren im Jahre 2002 entsprechende, "vor allem in den ersten Tagen nach einer Festnahme und zwar in Staatssicherheitsangelegenheiten deutlich häufiger als in sonstigen Strafsachen" praktizierte, Übergriffe ausweislich der Lageberichte vom 20. März 2002 und 09. Oktober 2002 immer noch weit verbreitet. Der weitaus überwiegende Teil der dokumentierten Folterfälle betraf demzufolge in Polizeigewahrsam genommene Personen, gegen die noch kein Strafverfahren eingeleitet war. Trotz spürbarer Verbesserungen gegenüber der Situation Ende der 1990er Jahre ist es der türkischen Regierung - nach den Darlegungen in den Lageberichten vom 12. August 2003 und 19. Mai 2004 - auch 2003 und 2004 nicht gelungen, Folter und Misshandlung flächendeckend zu unterbinden. Jedoch konnten im Vergleich zu vorangegangenen Jahren entsprechende Praktiken im Hinblick auf ihre Anzahl und Intensität 2004 erstmals deutlich zurückgedrängt werden. Diese Entwicklung setzte sich im Zuge der sogenannten Null-Toleranz-Politik und der in diesem Zusammenhang von der türkischen Regierung gegen Folter und Misshandlung ergriffenen gesetzgeberischen Mittel in der Folge - wie nachfolgende Lageberichte vom 03. Mai 2005, 11. November 2005, 11. Januar 2007 und 11. September 2008 belegen - weiter fort. Gleichwohl konnte auch im Jahr 2009 ein vollständiges Unterbleiben von Folter und Misshandlung durch staatliche Sicherheitskräfte in der Türkei nicht festgestellt werden. Entsprechende Rechtsverstöße kommen in wenigen Ausnahmefällen weiter vor. Dies wird - ausweislich des Lageberichts vom 29. Juni 2009 - auch von der türkischen Regierung eingeräumt. Zur Erläuterung wird hierzu der Fall des Engin C erwähnt. Dieser war - wie auch der Zeuge EKHK B bestätigt hat - in Istanbul von der Polizei zusammen mit anderen Personen verhaftet worden, weil er linksgerichtete Zeitschriften und Flugblätter verteilt hatte. Die Festgenommenen hätten eine behördliche Aufforderung, sich auszuweisen nicht befolgt und stattdessen starken Widerstand geleistet. Außerdem sei ein Dienstfahrzeug mit Steinen beworfen worden, weshalb polizeilicherseits Gewalt angewandt und von der Schusswaffe Gebrauch gemacht worden sei. Engin C sei nach Überstellung an die türkischen Justizbehörden in einem zur Gendarmerie, einem paramilitärischen Verband, gehörenden Gefängnis und mithin außerhalb des Einflussbereichs der Polizei (-behörden) verstorben. Im bezeichneten Lagebericht des Auswärtigen Amts heißt es hierzu:

"(...) Ein Beispiel war im Jahr 2008 der Tod des Linksaktivisten Engin C, der erwiesenermaßen im F-Typ-Gefängnis (...) von S, vermutlich aber auch von "Jandarma-Kräften" unmenschlich behandelt wurde und laut gerichtsmedizinischer Untersuchung an den Folgen seiner Verletzungen gestorben ist. Erstmalig hat sich eine türkische Regierung für solch einen Vorgang öffentlich bei den Hinterbliebenen entschuldigt. (...)"

Des Weiteren wird im betreffenden Bericht des Auswärtigen Amts aus dem Jahr 2009 vermerkt, dass auch willkürliche kurzfristige Festnahmen bei - erlaubten, aber in einigen Fällen eskalierenden - Demonstrationen oder Trauerzügen ebenso vorkommen wie willkürliche Tötungen nach vorhergehenden Warnschüssen oder unter Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips.

Der Senat hat vor diesem Hintergrund seinen Feststellungen zu Gegebenheiten der DHKP-C und deren Aktivitäten einschließlich des bewaffneten Kampfs keinerlei - in Rechtshilfeunterlagen aus der Türkei enthaltene oder durch Zeugen in der Hauptverhandlung berichtete - Erkenntnisse zugrunde gelegt, die auf Angaben beruhen, welche in der Türkei im Rahmen der dortigen Strafverfolgung betreffend die DHKP-C von staatlichen Organen im Wege von (Beschuldigten- und / oder Zeugen-) Vernehmungen erlangt worden sind. Dies gilt auch, soweit der Zeuge EKHK B vereinzelt über (Er-) Kenntnisse berichtete, die er anhand von Aussagen festgenommener bzw. inhaftierter Mitglieder der DHKP-C erlangt hat; dies wurde von ihm jeweils deutlich gemacht und von dem Senat nicht verwertet. Aus diesem Grund war auf die Hilfsbeweisanträge, die für den Fall gestellt waren, dass der Senat Feststellungen auf Angaben in der Türkei vernommener Personen stützen will, nicht einzugehen.

Die - von dem Zeugen EKHK H, BKA vermittelten - Auskünfte der General-sicherheitsdirektion Ankara (im Folgenden: GSD) beruhen ausschließlich auf Erkenntnissen, die anhand von Tatortbefunden und anderen Sachbeweisen erlangt wurden. Es handelt sich dabei nicht um die Wiedergabe von Vernehmungsinhalten. An der Zulässigkeit dieser Beweiserhebung und der Verwertbarkeit der daraus resultierenden Beweisergebnisse bestehen daher keine Zweifel. Uneingeschränkt verwertbar waren auch die in Ausführung eines Rechtshilfeersuchens des Senats aus der Türkei übermittelten, den Waffentransport im September 2002 (Tatkomplex H) betreffenden, Unterlagen sowie die vom Zeugen EKHK B im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung hierzu übergebenen Schriftstücke.

B. Die Einlassungen der Angeklagten sowie der früheren Mitangeklagten

I. Angeklagter G.

Der Angeklagte G. hat sich weder zur Person noch zur Sache eingelassen.

II. Angeklagter Y.

Der Angeklagte Y. hat sich mehrfach in Erklärungen und in Anträgen eingelassen. In weiten Teilen handelt es sich aber nicht um Einlassungen im eigentlichen Sinne, sondern um die Äußerung politischer Ansichten, insbesondere über die Türkei und die dortigen Verhältnisse.

1. In seiner umfangreichen vorbereiteten Erklärung zum Prozessauftakt machte er - eine von ihm an das Bundesministerium der Justiz gerichtete Strafanzeige wegen der zu erwartenden "nicht ordnungsgemäße(n) und manipulierte(n) Beweisaufnahme" mehrere Stunden vorlesend - Strafklageverbrauch geltend und trug vor, § 129b StGB und die "Terrorliste der EU" seien "verfassungswidrig". Nach Ausführungen zur "Geschichte des Terrorismus" versuchte der Angeklagte Y. eine Definition des Begriffs Terrorismus unter Aufstellung "dem globalen / universellen Recht entsprechende(r) Kriterien". Zum Vorrang des "friedlichen Kampfes" führte er diesbezüglich Folgendes aus:

"(...) solange ein ersehntes Recht auf friedlichem Wege erlangt werden kann, gilt der Einsatz von Gewalt als verboten. Dieses Prinzip darf aber nicht wie das ‚Werkzeug eines Holzschuhmachers‘ (nach den Angaben des Sprachsachverständigen B handelt es sich insoweit um eine idiomatische Redewendung i.S.v. einseitiges auslegen / nur auf sich bedacht interpretieren) ausgelegt werden.

Bewaffnete Gewalt, wie sie auch der Widerstandsartikel der deutschen Verfassung betont, kann häufig ein Mittel sein, um Recht zu bekommen und um in Friedenszeiten / im Frieden das Gleichgewicht zu halten. Die Menschen sind schließlich nicht gezwungen, auf die ‚orangefarbenen Revolutionen‘ zu warten."

Zum "Prinzip, ziviles Leben im Auge zu behalten und dieses nicht zu schädigen", trug er wie folgt vor:

"Beispielsweise Bombenanschläge auf Zugstationen, Brandschläge auf oder an Orten öffentlichen Lebens und Angriffe in allen Bereichen zivilen Lebens. Diese Aktionsformen dienen im eigentlichen Sinne nicht dem Ziel. Sie führen zu verbrecherischen Ergebnissen. Sie füttern nur Hass, Abscheu und Angst. Es sind Aktionsformen, die aus tiefer Überzeugung / mit Leib und Seele abzulehnen sind."

Er habe versucht, Vorreiter zu sein und eine kompetente , internationale Konferenz mit qualifizierten Juristen verschiedenster Nationen einzuberufen, "bei der der Begriff ‚Terrorismus‘ aufgegriffen wird, Ursachen und Ergebnisse diskutiert werden und die rechtlichen Stränge / Leitlinien deutlich gemacht werden". Dies sei aber nicht gelungen.

Die "Aktivisten der EU" nähmen auch die "schlechten Kopien" der westlichen Republiken "unter ihre Fittiche", um ihre Vorteile zu wahren; die "Terrorgesetze" diente n diesem Zweck. Sie erklärten "alle Staaten für heilig". Die Rechtsprechung müsse "dieses Spiel zerschlagen. Die Suche der Massen nach Gerechtigkeit und gleichmäßiger Verteilung sollte von niemandem in Ketten geschlagen werden. (...) Man muss sich von Regelungen fernhalten, die die Auslöschung / Vernichtung von Oppositionellen vorsieht, die die Entwicklung einer Gesellschaft nach ihrer inneren Dynamik und ihre Modernisierung bedroht."

Es folgten Ausführungen über § 129b Abs. 2 StGB, die Auswirkungen der neuen Weltordnung auf das Verfahren unter Schilderung der Krisen der westlichen Demokratien mit der von dem Angeklagten Y. geäußerten Überzeugung, dass die Lehre des "großen Philosophen Karl M" auch heute noch "jede Frage" beantworte. Sodann folgte ein Exkurs über kulturelle Auseinandersetzungen und den Islam ("Der islamische Block lebt den Kapitalismus bis ins Mark."). Schließlich resümierte der Angeklagte Y., sie würden für das Recht auf revolutionäre Opposition "bis zum Schluss" kämpfen; erstmals in der Geschichte gebe es keinen "Hafen", in dem die Opposition Zuflucht suchen könne. Zum bewaffneten Kampf erklärte er Folgendes:

"In meinem Land findet der Kampf um Demokratie seit 36 Jahren unter revolutionärer Führung statt. (...) Niemand ist auf Waffen und Gewalt versessen oder krank danach. Sie sind nur in die Hand genommen worden, weil die demokratische Realität und Gegebenheit nicht gegenwärtig war und stellten einen Teil des revolutionären Kampfes dar. Tatsächlich werden in einer freiheitlich werdenden Realität Waffen kein Thema mehr sein."

Nach Beschreibung der Zustände in der Türkei in den Gefängnissen in Zeiten der Militärdiktatur und Ausführungen zur aktuellen politischen Situation äußerte er zur DHKP-C:

"Die DHKP-C ist keine terroristische Bewegung, sondern verfügt - ganz im Gegenteil - über ausreichend Sensibilität gegenüber menschlichem Leben und ist gegen blinden, mörderischen Terror. Sie unterscheidet sich von anderen Organisationen, die ähnliches für sich behaupten, ganz augenscheinlich. Sie ist eine Volksbewegung, eine Freiheitsbewegung. Darüber hinaus verfügt sie bei den Völkern der Türkei über eine tief verwurzelte Sympathie, so dass sie nicht einfach herausgerissen und weggeworfen werden kann. Wie mir aus meiner beruflichen Tätigkeit bekannt ist, sind mindestens 100.000 Personen in dieser Sache in unterschiedlicher Weise verfolgt worden. In der Zeit, in der ich als Rechtsanwalt in der Türkei gearbeitet habe, bewegte sich die Zahl der politischen Gefangenen in der Türkei stets zwischen 10.000 und 12.000. Diese Zahl setzte sich zusammen aus 8.000 bis 10.000 Gefangenen der kurdischen nationalen Bewegung PKK und 1.200 bis 1.800 Gefangenen aus der DHKP-C. Die übrigen 500 bis 1.000 Personen kamen aus allen weiteren linken Gruppierungen. Selbst in Zeiten größter Unterdrückung war sie (die DHKP-C) in der Lage, eine Masse von 30.000 Menschen in Bewegung zu setzen. Dies versetzte sogar die Tagespresse in Erstaunen. Die DHKP-C ist eine historische Realität in der Türkei. (...) In der Anklage ist versucht worden, das Thema Waffen ziemlich angsteinflößend darzustellen. Selbst wenn diese Behauptungen alle der Wahrheit entsprechen, so hätten doch die Revolutionäre aus dem dunklen / schwarzen Strom, der seit Jahren aus der Mitte Europas fließt, höchstens / gerade mal ein Glas Wasser getrunken."

Der Angeklagte Y. beendete seine Erklärung mit Zitaten von Fidel Castro: "Die Geschichte wird uns in jedem Fall freisprechen" und "Der Sozialismus wird siegen".

2. Ein Schwerpunkt seiner Einlassungen im Verlauf der weiteren Hauptverhandlung war die Programmatik der DHKP-C, insbesondere die Darlegung der formellen Voraussetzungen einer Mitgliedschaft in der DHKP-C. Aus dieser wollte der Angeklagte Y. herleiten, dass die DHKP-C in der "Rückfront" keine satzungsmäßigen Mitglieder habe, die er als "Kernmitglieder" oder als "Kämpfer-Kernmitglieder" bezeichnete.

Die Kenntnis der Programmatik der DHKP-C räumte er voll umfänglich ein. Er kenne die Rechte und Pflichten eines DHKP-C-Mitglieds "am Besten". Bereits im Jahre 1994 habe er - neben M D, Ulutan G und weiteren Rechtsanwälten - Dursun K vertreten, den er im Übrigen bewundert und dem er Respekt und Liebe / Zuneigung entgegengebracht habe. Bezüglich Dursun K führte er weiter aus: "In Gedenken an sein Andenken verneige ich mich respektvoll. Er war kein Jurist, aber sein gesunder Menschverstand bezüglich der Gesetze, Gerechtigkeit und seine Feststellungen waren viel fortschrittlicher als die meinen." Als er, der Angeklagte Y., gezwungen gewesen sei, sein Rechtsanwaltsbüro in der Türkei zu verlassen, habe sich die Zahl der schriftlichen Bevollmächtigungen auf "nahezu Zehntausend" belaufen, ein Großteil hiervon habe mit DHKP-C-Verfahren zu tun gehabt. Die DHKP-C sei eine "große und ernsthafte Organisation".

Zur Untermauerung seiner These, er sei nicht Mitglied der DHKP-C und sei es auch nicht gewesen, zitierte er in der Hauptverhandlung umfangreich aus der Programmatik der DHKP-C und aus Dateien der niederländischen Rechtshilfe, in denen bezüglich "Europa" nicht von Mitgliedern, sondern nur von "Anhängern", die Aufgaben "als Frontkader" (in der Türkei) ablehnen könnten, und "Veteranen" die Rede sei. Die Möglichkeit, Aufgaben ablehnen zu können, sei mit einer satzungsmäßigen Mitgliedschaft unvereinbar. Auch "Veteranen" seien keine Mitglieder, es handle sich hierbei um eine "Ehren- und Loyalitätsbeziehung".

Die "Kernmitglieder" der Organisation befänden sich in der Türkei; wie in Dutzenden von Urkunden und Lebensläufen niedergeschrieben sei, werde man zum Mitgliedskandidaten, "wenn man unter dem diskussionslosen Befehl der Organisation bereit ist, zu sterben und zu töten". Wiederholend, auch noch in seinen Schlussausführungen, betonte der Angeklagte Y., dass Deutschland nicht das Gebiet der Organisation für "Mitgliedskader" sei. Die "Deutschlandstruktur" bestehe aus "Anhängern". Auch ein "Probemitgliedschaftsstatus" sei nicht möglich, solange sie sich in Deutschland aufhielten, selbst wenn sie selbst erklärten, "zu allem bereit zu sein". Daran ändere sich auch nichts, wenn derjenige, der sich in Deutschland organisiert habe, im "Europakomitee" sei; er sei dann höchstens ein "vertrauenswürdiger Anhänger". Der Europaverantwortliche habe keine Befugnis, Mitglieder vorzuschlagen, zu bewerten, Mitglieder aufzunehmen und zu bestätigen / zu befürworten. Die Tätigkeiten in Deutschland seien klar definiert: "Kampagnen, Zeitschriften, Vereine, Konzerte und Demonstrationen." Diese seien in einer Vielzahl von Dokumente n aufgeführt. Die Aktivitäten seien bereits durch die Kongressbeschlüsse beschränkt. Die Anhänger, die innerhalb von Deutschland eine Verantwortung akzeptiert haben, unterlägen anderen "Bestimmungen" als Mitglieder. Diese könnten - anders als Mitglieder - die Aufgaben einseitig beenden. Deutschland sei "ein freier Bereich und völlig außerhalb der Kampfgruppenpsychologie". Deutschland befinde sich nicht unter den Zielen der Organisation und sei auch nicht Kriegs- / Kriegerausbildungsbereich. Es würden in der Rückfront weder Krieger rekrutiert noch dort hingeschickt; Ausnahmen könne es geben. Die Organisation habe außer in ihrem eigenen Land, in keinem Land ein Verständnis von bewaffneter Gewalt. Aus diesen Gründen könnten alle Anschuldigungen nicht die Linie der "Unterstützung der Organisation" überschreiten; auch der Vorsatz sei insoweit begrenzt. Ergänzend führte der Angeklagte Y. in seinen Schlussausführungen unter anderem noch Folgendes aus: "Die angeblichen Gebiets- und Länderverantwortlichen haben nicht die Befugnis, Mitglieder vorzuschlagen, zu bewerten, Kader zu schulen, Anhänger zu rekrutieren und zu akzeptieren. Anhängerschaft ist mit der Beziehung begrenzt, Unterstützung zu organisieren und Bericht zu erstatten." Insbesondere der in dem gegen ihn ergangenen Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2005 zitierte Lebenslauf, in dem der Angeklagte Y. zwar einerseits den Wunsch äußerte, eine größere Aufgabe in der Organisation zu übernehmen, andererseits aber Zweifel hegte, ob er einer etwaigen Anordnung der Partei, sich am bewaffneten Kampf zu beteiligen, würde folgen können ("Ich kann jedoch nicht ruhigen Gewissens mit ‚Ja‘ antworten, wenn ich gefragt werde, ob ich unter allen Umständen kämpfen würde, wenn dies die Organisation anordnet."), sei der "sichere Beweis" dafür, dass er selbst nicht Mitglied gewesen sei. Hierfür sei eine "völlige Unterwerfung des Willens" Voraussetzung. Er bezeichnete sich als "einen Intellektuellen, der sich um die Demokratisierung in seinem Land bemüht und wenn die Zeit da ist, wieder zurückkehrt".

Da die Rückfront keine "Kernmitglieder" habe, komme eine Strafbarkeit wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bereits deshalb nicht in Betracht. Es läge ein Verstoß gegen das Vereinsgesetz vor; die Handlungen, die in dem gegen ihn geführten ersten Verfahren als Mitgliedschaft in der bis Februar 1999 existierenden inländischen terroristischen Vereinigung gereicht hätten, könnten in dem jetzigen Verfahren "höchstens für die Erfüllung der Tat ‚Unterstützung der Organisation’ reichen".

Der Angeklagte Y. bekundete zwar immer wieder, der Begriff der "Kernmitgliedschaft" im Sinne der DHKP-C und der Begriff der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß §§ 129b Abs. 1, 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB seien deckungsgleich; in seinen Erklärungen wurde aber immer wieder deutlich, dass er sehr wohl zu einer differenzierten Betrachtung in der Lage war. Beispielsweise erklärte er in der Hauptverhandlung vom 02. Februar 2010, er sei nicht "Kernmitglied" der DHKP-C gewesen und weiter: "Als Mitglied können sie mich im Sinne des deutschen Gesetzes bezeichnen." In der Hauptverhandlung vom 02. März 2010 erklärte er im Rahmen von Ausführungen zu den (endgültig) gescheiterten Verständigungsgesprächen unter anderem, dass für ihn wichtig sei, "welcher Art die Mitgliedschaft ist. Es ist eine Mitgliedschaft, die keine DHKP-C-Mitgliedschaft ist. (...) Natürlich gibt es auf der anderen Seite juristisch gesehen die Mitgliedschaft. Hier wird ein Verfahren gegen eine ausländische terroristische Vereinigung geführt; in dieser ist die Mitgliedschaft maßgeblich."

Offenkundig zur hierarchischen Einordnung des Angeklagten G. erklärte der Angeklagte Y. im Zusammenhang mit Ausführungen zur Frage der Rücknahme von Anträgen in der Verhandlung vom 02. Februar 2010, die er bzw. seine Verteidiger gestellt hatten, ohne dass der Zusammenhang zur Frage der Rücknahme seiner Anträge deutlich wurde und ohne dass er dies - abgesehen von der Bemerkung "hier liegt eine Sünde vor" - näher erläuterte, Folgendes: "Herr G. stellt sich weit unterrangig unter mir dar." In seinem "Widerspruch gegen den Beschluss zur Haftfortdauer respektive Antrag auf Aufhebung des Haftfortdauerbeschlusses" vom 16. März 2010 folgten weitere Ausführungen bezüglich des Mitangeklagten G. im Kontext, dass es einen Unterschied mache, ob Mitglieder oder Aktivisten die Verbindung abbrechen würden:

"So hat mein mitangeklagter Freund, Herr G., als er ein nur mäßig tätiger Aktivist war, laut den Akten, im Jahr 2004 die Verbindung abgebrochen (zu diesem Abbruch kam es mindestens zwei Mal). Als er verhaftet wurde, befand er sich in der Position eines passiven Sympathisanten (wörtlich: in der Position der Volksbeziehung). Dies geht aus den Akten hervor. Er befindet sich somit auf derselben Ebene von denjenigen, die vor einem Landgericht angeklagt und zu fünf bzw. sechs Monaten Haftstrafe verurteilt wurden."

In seinen Erklärungen wurde stets deutlich, dass sich der Angeklagte Y. als zur DHKP-C zugehörig ansieht; so sprach er in Bezug auf die DHKP-C regelmäßig in der "Wir"-Form (z. B. "Herr Dursun Karatas, den wir letztes Jahr im August verloren haben...").

3. Weiter legte der Angeklagte Y. dar, "was er zur Ergenekon-Anklageschrift zu sagen habe". Aus Sicht der Oppositionellen sei es in der Türkei zu keiner Demokratie gekommen. Die verhängnisvolle und faschistische Struktur des Staates werde genau gleich fortgesetzt. Es existiere kein Staat; vielmehr handle es sich bei dem illegalen Gebilde "Ergenekon" um den Staat selbst. Die allgemeine Struktur des Staates sei illegal, genau wie in Nazi-Deutschlands gewesen sei. Die "Ergenekon"-Anklage sei nichts anderes als der Beweis dessen, was die Revolutionäre seit 30 Jahren behaupteten. Schließlich belege die "Ergenekon"-Anklage eine "bekannte, auf zentralem Niveau gelegene Manipulation gegen die DHKP-C" durch den Staat. Die radikale Linke, das kurdische Volk sowie alle Oppositionellen seien seit Jahren Opfer von Komplotts geworden.

In seinen Schlussausführungen zitierte der Angeklagte Y. überdies Folterberichte aus Dateien der niederländischen Rechtshilfe und zog hieraus den Schluss, dass die Türkei ein "barbarischer und folternder Staat" sei. Bis heute werde in der Türkei systematisch gefoltert, um Beweise zu erlangen. Es folgten Ausführungen zur Geschichte der Aleviten, deren Diskriminierung sowie zu den Problemen von Kurden, Armeniern und anderen Minderheiten in der Türkei aus der Sicht des Angeklagten Y..

4. Soweit in den Erklärungen und schriftlichen Eingaben des Angeklagten Y. neben den Ausführungen zur (Kern-) Mitgliedschaft in der DHKP-C, zur rechtlichen Einordnung und zu "Ergenekon" weitere Einlassungen zur Person und zur Sache im eigentlichen Sinne enthalten sind, werden diese an geeigneter Stelle wiedergegeben.

5. Außerhalb der Hauptverhandlung machte der Angeklagte Y. im Ermittlungsverfahren Angaben vor der Haftrichterin des Amtsgerichts München, der Zeugin RAG A, im Rahmen seiner Vernehmung bei Eröffnung des Haftbefehls am 28. November 2006. Eine Mitgliedschaft in der DHKP-C hatte der Angeklagte Y. bereits damals abgestritten. Die Zeugin RAG A erinnerte sich jedenfalls insoweit zuverlässig. Sie bekundete, der Angeklagte Y. habe in der Vernehmung entschieden bestritten, an führender Stelle in die organisatorische Struktur der DHKP-C eingebunden zu sein. Er sei nicht Mitglied der DHKP-C. Er habe sich nur an legalen Aktionen nicht verbotener Organisationen beteiligt (zu den beispielhaft genannten später mehr). Zu seinen Angaben in der Vernehmung vom 28. November 2006 bei Eröffnung des Haftbefehls erklärte der Angeklagte Y., diese stammten von ihm und seien insoweit richtig protokolliert (eine Korrektur brachte der Angeklagte Y. nur hinsichtlich des Punktes an, wie er in den Besitz der SIM-Karte seines Mobiltelefons gelangt ist; diese sei nicht, wie protokolliert, von seiner Schwester gekauft, sondern dieser von V Yl überlassen worden. Das Mobiltelefon selbst habe er im Jahre 2001 von seiner Familie erhalten.

III. Einlassungen der früheren Mitangeklagten vor der Verfahrensabtrennung

1. M.A.

M.A. verlas zu Beginn der Hauptverhandlung keine Einlassung im eigentlichen Sinne, sondern eine Prozesserklärung, in der er sich u.a. abstrakt mit der Frage befasste, wer Terrorist sei; er selbst sei "ein sozialistischer Journalist, ein sozialistischer Mensch, kein Terrorist". Bis heute habe er "für die Demokratie und für die Freiheit" und für "eine vollkommen unabhängige Türkei gekämpft". Er habe sich "der Ungerechtigkeit und der Grausamkeit widersetzt. Aus diesem Grund sei er in der Türkei "massiv gefoltert und tyrannisiert" worden. Der Prozess sei Folge eines Komplotts, einer Provokation des MIT.

Im Oktober 2008 verlas M.A. eine weitere Prozesserklärung, in der er die Situation in der Türkei, insbesondere in Zeiten der Militärdiktatur, anhand mehrerer Beispiele (beginnend mit den Ereignissen am 01. Mai 1977 auf dem Taksim-Platz in Istanbul) aus seiner Sicht schilderte. Er machte Angaben zu seinem Werdegang in der Türkei, insbesondere zu seinen Inhaftierungen, zu selbst erlebter Folter und deren Folgen für seine Gesundheit. Er schilderte die Erstürmung der Haftanstalt von Ümraniye durch Polizeibeamte im Januar 1996 (infolge einer Protestaktion der Gefangenen), bei der er schwer verletzt wurde; insbesondere erlitt er eine Fraktur eines Lendenwirbels, Frakturen beider Handgelenke und Kopfplatzwunden. Schließlich schilderte er seine Teilnahme an einem Hungerstreik ab Mai 1996, der sich gegen die Haftbedingungen gerichtet habe und in allen Gefängnissen der Türkei von "alle(n) politischen Gefangenen" durchgeführt worden sei; dieser habe seinen Allgemeinzustand weiter dauerhaft verschlechtert. In diesem Kontext erwähnte er auch den Angeklagten Y. wie folgt:

"Die Verhandlungen mit dem Justizministerium führten während des Widerstandes der Schriftsteller Yasar Kl, der Musiker Zülfü L, der Journalist Oral C und der Rechtsanwalt A D Y.. Herr Y. hatte auch die Toten des Todesfastens gesehen. Er ist Zeuge dieses Widerstandes. Er ist einer derjenigen Menschen, der am besten die Praktiken des Staates kennt. Ich beantrage deshalb, ihn als Zeugen anzuhören."

2. H.S.

Auch H.S. verlas zu Beginn der Hauptverhandlung eine Prozesserklärung, der er voranstellte, dass er "in dieser Rede gar nichts zu den Anschuldigungen sagen (werde)". Er sei Alevite und Kurde, kein Terrorist; für ihn sei ein Terrorist ein "Blut vergießender Grausame(r), der Verbrechen gegen die Menschheit begeht". Sein Beruf sei der "Dienst am Schöpfer", was gleichzusetzen sei mit dem "Dienst am Menschen"; diesen leiste er als "Derwisch", als "geistiger Führer der alevitischen Rotschöpfe" und als Mitglied der alevitischen Gesellschaft. Er schilderte Beispiele der Unterdrückung der Aleviten und der Kurden in der Geschichte der Türkei. Er sei sich sicher, dass er "gegenüber der Geschichte und der Menschen unschuldig" sei, es handle sich um einen "politischen Prozess". Er sei Angeklagter, weil er sein "Recht auf Gedanken- und Glaubensfreiheit genutzt habe" sowie sein "Recht auf Religionsausübung und Ausdrucksfreiheit". Er habe nichts getan, was dem deutschen Staat geschadet habe und würde es auch nicht tun, weil ihn dieses Land aufgenommen habe.

3. I D.

I D. hat sich weder zur Person noch zur Sache eingelassen.

C. Die Beweiswürdigung im Einzelnen

I. Zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten

1. Angeklagter G.

Die Feststellungen zur Person des Angeklagten G. beruhen hinsichtlich des familiären Hintergrundes, den Miet-, Melde- und Arbeitsverhältnissen sowie der Dauer des Bezugs öffentlicher Leistungen auf den Angaben der Zeugin KHKin S-K, BKA, die über die von Behörden, Arbeitgebern und dem Hausverwalter des Objekts P Str., , erteilten Auskünfte berichtet hat. Deren Angaben stehen hinsichtlich des Zeitraums bis Oktober 2004 in Einklang mit den Feststellungen des gegen den Angeklagten ergangenen Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. vom 21. Oktober 2004 (Az.: 5 OJs 5/00 - 2/02), der einzigen Eintragung im Bundeszentralregister, und ergänzen diese; die Bewährungszeit und die Bewährungsweisungen ergeben sich aus dem zugehörigen Bewährungsbeschluss.

Die Feststellungen zum Besuch des Abendgymnasiums Heidelberg beruhen auf den Angaben des Zeugen Dr. M, dem damaligen Schulleiter des Abendgymnasiums Heidelberg; diese decken sich mit dem Inhalt der Schulbescheinigung vom 07. September 2005 und dem Zeugnis der Jahrgangsstufe 13, 1. Halbjahr, vom 29. Januar 2007. Soweit der Zeuge schilderte, der Angeklagte G. habe im Jahre 2006 an bis zu 40 % der Unterrichtsabende gefehlt, schränkte er dies dahingehend ein, dass die tatsächlichen Fehlzeiten möglicherweise etwas niedriger lagen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass in Einzelfällen bei einem späteren Erscheinen der zu Beginn des Unterrichts vom jeweiligen Fachlehrer gefertigte Abwesenheitseintrag nicht korrigiert wurde.

Die Feststellungen zum Arbeitsverhältnis bei der Firma G P GmbH basieren auf den Angaben der Zeugin G, der damaligen Betriebsleiterin der Firma G P GmbH.

Die Feststellungen zur Schulbildung und in Teilen auch zu früheren Beschäftigungsverhältnissen stehen weiter in Einklang mit zwei Lebensläufen des Angeklagten G.. Der erste Lebenslauf, der handschriftlich unterzeichnet ist, datiert vom 20. Januar 2005; diesen hatte er bei dem Abendgymnasium Heidelberg eingereicht. In diesem hatte er für die Zeit von Januar bis August 2003 angegeben, dass er sich der psychosozialen Betreuung seines erkrankten Bruders und der Führung des elterlichen Haushalts gewidmet habe, obwohl er tatsächlich für die DHKP-C tätig war (hierzu später mehr). Der zweite Lebenslauf, ein Computerausdruck, der nicht handschriftlich unterzeichnet ist, trägt das Datum 06. Oktober 2006; dieser wurde nach Angaben der Zeugin KHKin S-K am 28. November 2006 in seiner Wohnung sichergestellt. In diesem führt er aus, dass er im Zeitraum 1994 bis 2003 in der Türkei aufenthältlich und selbständig tätig gewesen sei; tatsächlich hielt er sich - mit Ausnahme des Zeitraums von September 2003 bis August 2004, in dem er in Belgien untergetaucht war (hierzu später mehr) - jedenfalls weit überwiegend in Deutschland auf. Soweit er weiter aufführte, im Zeitraum von September 2003 bis September 2005 als kaufmännische Kraft bei der Firma Ar GmbH beschäftigt gewesen zu sein, bekundete die Zeugin KHK S-K, dass die diesbezüglichen Ermittlungen dies nicht bestätigt hätten; im Übrigen fällt in diesen Zeitraum auch sein Belgien-Aufenthalt.

Hinsichtlich des Verfahrensganges bis zum Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. vom 21. Oktober 2004 basieren die Feststellungen auf den zitierten Urkunden. Die Beweiswürdigung zu den Vorwürfen der beiden nach §§ 154, 154a StPO eingestellten Verfahren (infolge der Polizeikontrollen vom 23. Juni 1999 und 12. Juni 2000) erfolgt später.

Die Feststellungen zur Ausweisung beruhen auf der Verfügungsformel des Bescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 01. Februar 2010 (Az.: 81c9-0307043/Ro).

2. Angeklagter Y.

Die Feststellungen des Senats basieren auf den in dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2005 (Az.: III - II 1/05), dem einzigen Eintrag im Bundeszentralregister, getroffenen Feststellungen zur Person und zur Sache, die in Einklang stehen mit den Ergebnissen der weiteren Beweisaufnahme und durch diese verifiziert und - insbesondere hinsichtlich des danach liegenden Zeitraums - ergänzt wurden.

Die Überzeugung des Senats stützt sich weiter auf den von Rechtsanwalt J namens des Angeklagten Y. gestellten Asylantrag an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 14. Mai 1998 mit ergänzendem handschriftlichen Schreiben des Angeklagten Y. vom 22. Mai 1998, auf das Anhörungsprotokoll vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 26. Mai 1998 sowie auf den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28. Mai 1998.

Soweit er in seinem Asylantrag behauptete, erst am 28. April 1998 nach Deutschland - mit dem Flugzeug von Istanbul nach Düsseldorf - eingereist zu sein, ist dies durch die Beweisaufnahme widerlegt; die im Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf getroffenen Feststellungen zur Einreise im Herbst 1997 sowie zur Übernahme einer Bölgeleitertätigkeit im Februar 1998 werden bestätigt durch Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe; hierzu später mehr.

Der Zeuge KHK B, BKA, der die Ausländerakte ausgewertet hat, schilderte den familiären und beruflichen Hintergrund des Angeklagten Y., den Grund seiner Flucht nach Deutschland, die Umstände der Asylantragstellung, die Meldeverhältnisse und das Ergebnis der Ermittlungen zur finanziellen Situation. Die Feststellungen zum Studium der Rechtswissenschaft, zur Ableistung des Wehrdienstes, zur Anwaltstätigkeit und zum ursprünglichen Vorhaben, in Köln oder Umgebung - nach Verleihung des "Titels des Rechtskundigen im türkischen Recht" und einem Praktikum bei V Yl in Köln - ein "Büro für Rechtsberatung im türkischen Recht" zu eröffnen, basieren weiter auf einem von dem Zeugen KHK B ausgedruckten Lebenslauf des Angeklagten Y., der sich auf einer Compact-Flash-Karte in seiner Reisetasche befand, die er an seiner Übernachtungsstätte während seines Aufenthaltes in Köln vor seiner Festnahme, der Wohnung des Zeugen D, abgestellt hatte (hierzu gleich mehr); in dem Lebenslauf teilt er mit, dass er diesen auf Türkisch geschrieben und die "Kollegin V Y", der er "voll vertraue", diesen übersetzt habe.

Bezüglich seiner Einstellung zum bewaffneten Kampf in früherer Zeit bekundete der Zeuge Ulutan G glaubhaft, der Angeklagte Y. habe diesen bereits als Rechtsanwalt in der Türkei befürwortet.

Zu seinen Lebensverhältnissen vor der Festnahme äußerte der Angeklagte Y. bei seiner Vorführung vor der Haftrichterin am 28. November 2006 nach Angaben der Zeugin RAG A, die sich insoweit zuverlässig erinnerte, er lebe von Sozialhilfe; außerdem wende ihm seine Familie, die finanziell gut gestellt sei, Geld zu.

Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich bei den Wohnungen, die der Angeklagte Y. im Tatzeitraum innehatte, um bloße Meldeadressen handelte; er hielt sich dort jedenfalls seit Übernahme der Leitung der Region Süd kaum auf, wie die Zeugen KHKin B, KHK S und KHK B bekundet haben.

Bezüglich seiner früheren Wohnung in K-B berichtete die Zeugin KHKin B über Gespräche mit früheren Mitbewohnern des Angeklagten Y. in dem Mehrparteienwohnhaus in der Kuseler Str. am 28. November 2006. Die frühere Wohnung des Angeklagten Y. war seit Anfang Oktober 2006 neu vermietet. Die Zeugin sprach mit anderen Bewohnern des Hauses, denen der Angeklagte Y. aber unbekannt war. Der Mitbewohner G habe ihr berichtet, dass er den Vormieter nie gesehen habe; in der Wohnung seien auch andere Türken ein- und ausgegangen, so dass er vermutet habe, dass der Vormieter die Wohnung möglicherweise untervermietet habe.

Die Zeugin H, die Bewährungshelferin des Angeklagten Y. ab Sommer 2006, bekundete, dass bei seiner vorherigen Wohnung in Köln Mietrückstände aufgelaufen waren, weil er dort "einfach verschwunden" sei, ohne dass eine Wohnungsübergabe stattgefunden habe; eine Neuvermietung sei daher (zunächst) nicht möglich gewesen.

Dass der Angeklagte Y. seine frühere Wohnung in Köln noch im August 2006 nicht übergeben hatte, diese vielmehr erst zu diesem Zeitpunkt von ihm renoviert wurde, wird auch durch zwei Gespräche aus der TKÜ Y. bestätigt, die er ausweislich der Funkzellenortungen des Mobiltelefons von Köln aus führte:

- am 14. August 2006 meldet sich bei dem Angeklagten Y. der Anrufer von dem genannten Mobilfunkanschluss des Serdar A (ID: 482.791). Der Angeklagte Y. teilt ihm mit, er sei in Köln, es stünden noch Anstreicharbeiten etc. aus. Es werde aber noch diese Woche geräumt. Der Anrufer weist den Angeklagten Y. darauf hin, dass ihm "die Frau (...) am Mittwoch für vier Uhr einen Termin gegeben" habe, dass er den Termin aber absagen könne. Daraufhin bittet ihn der Angeklagte Y., dort anzurufen und den Termin um einen Tag zu verschieben.

Der Senat ist - in der Gesamtschau mit dem folgenden Gespräch - davon überzeugt, dass es um die Verschiebung eines Termins bei der Bewährungshelferin ging, zumal das Zweitgespräch nach Angaben der Zeugin H tatsächlich am Donnerstag, dem 17. August 2006, stattfand. In diesem wurde u.a. die bevorstehende Wohnungsübergabe in Köln thematisiert, die am darauf folgenden Montag, dem 21. August 2006, stattfinden sollte;

- am 16. August 2006 erhält der Angeklagte Y. einen Anruf von einem männlichen Anrufer (ID: 484.012; Anschlussinhaber des Mobiltelefonatsanschlusses: E D, Pforzheim). Auf dessen Frage, ob er zurück sei, erklärt er, er sei zusammen mit "zwei drei Leuten" am Anstreichen, werde aber noch heute fertig und sich dann auf den Weg machen. Er habe am folgenden Tag "um eins" - nach dem Kontext ist 13 Uhr gemeint - einen Termin bei der Bewährungshilfe.

Zu seiner Wohnung in M bekundete der Angeklagte Y., es habe sich "um so eine Art Bordell" gehandelt, er habe sich dort deshalb "in letzter Zeit (...) überhaupt nicht mehr aufgehalten". Zur Frage, wo er sich in dieser Zeit stattdessen aufgehalten hat, äußerte er sich nicht. Die Feststellungen zur Anmietung der Wohnung in M basieren auf den Angaben des Vermieters, des Zeugen K, sowie auf dem schriftlichen Mietvertrag.

Entgegen seiner Einlassung teilte der Angeklagte Y. bereits bei seinem Einzug nach den zuverlässigen Angaben des Zeugen K diesem mit, er lebe von Sozialhilfe, arbeite nicht, reise viel und werde die Wohnung nur ab und zu nutzen. Nach den Angaben des Zeugen bestand die Habe des Angeklagten Y. aus nur einer Tasche. Der Zeuge K S den Angeklagten Y. im Jahre 2006 nur bei der Besprechung des Mietverhältnisses, als dieser zusammen mit dem ihm bekannten "Dobi" - Klarname unbekannt - und einer weiteren ihm nicht mehr erinnerlichen Person in seiner Gaststätte erschien; den schriftlichen Vertrag habe "Dobi" vereinbarungsgemäß später vorbeigebracht. Mangels eigener Beobachtung konnte der Zeuge K nicht sagen, ob sich der Angeklagte Y. in der Folgezeit sporadisch in seinem Zimmer aufgehalten hat. Seine Post, die meiste von Behörden, sei am Tresen der sich im EG befindenden Gaststätte des Zeugen von der Bedienung gesammelt und von dem Angeklagten Y. oder von "Dobi" Gelegentlich abgeholt worden, zuletzt am 27. November 2006, am Tag vor der Durchsuchung. Ungefähr einen Monat vor der Durchsuchung habe er, der Zeuge K, am Zimmer des Angeklagten Y. das Schloss gewechselt, nachdem sich dieser längere Zeit nicht mehr gemeldet hatte und "die Menschen" sagten, er komme nicht mehr.

Seiner Bewährungshelferin gab der Angeklagte Y. im Erstgespräch am 26. Juli 2006 wahrheitswidrig vor, er habe im Kreis Böblingen Verwandte und sei deshalb in den Süden gezogen. Einen angeblichen Verwandten, der sich als H Y vorstellte, brachte er als Dolmetscher bereits zum Erstgespräch mit; dieser fungierte auch bei späteren Telefonaten als Dolmetscher. Ob es sich hierbei tatsächlich um H Y handelte, mit dem er zusammen am 09. Oktober 2003 in Tuttlingen in eine Polizeikontrolle geraten war (hierzu später mehr), oder um einen anderen Aktivisten, der unter fremdem Namen auftrat, ist offen. Anschlussinhaber der Mobiltelefonnummer 0175/9110637, die der Zeugin H angegeben wurde, war - ausweislich der Verbindungsdaten aus der TKÜ-Y. - ein gewisser Serdar A, Mühlacker.

Der Angeklagte Y. gab gegenüber der Bewährungshelferin an, die Wohnung in M sei für ihn nur eine Übergangslösung; da die Zustände dort unzumutbar seien, er finde dort keine Ruhe, es herrschten "bordellähnliche Zustände" (letzteres bestätigte ein anderer Proband der Bewährungshelferin, der im selben Haus wohnte, nach Angaben der Zeugin nicht). Er gab ihr gegenüber an, sich mit Hilfe seiner Verwandten eine andere Wohnung suchen zu wollen.

Dass er sich in der Wohnung in M kaum aufgehalten hat, verschwieg er gegenüber seiner Bewährungshelferin. Diese ging vielmehr davon aus, dass er dort tatsächlich wohnte, zumal ihn ihre Schreiben erreichten. Auch von einem (angeblich) geplanten Umzug nach Westfalen war ihr - entgegen dem Vorbringen des Angeklagten Y. (hierzu gleich mehr) - nichts bekannt.

Tatsächlich übernachtete er bei Aktivisten etwa in München und Langenau bzw. in Vereinsräumlichkeiten, zuletzt vor allem in Stuttgart. Dies ist u.a. durch die erhobenen Standortdaten des von dem Angeklagten Y. benutzten Kraftfahrzeugs belegt, wie noch im Einzelnen auszuführen ist; dieses war häufig über Nacht im Bereich der Vereinsräumlichkeiten abgestellt. Diese diente n auch als Treffpunkte für DHKP-C-Kader und -Aktivisten. Zu dieser Thematik an geeigneter Stelle mehr.

Die Bewährungshelferin plante, den Angeklagten Y. zunächst in einen Integrationskurs, der einen Deutschkurs beinhaltet, zu vermitteln, weil sie sein Ziel, als Rechtsanwalt / Rechtsberater zu arbeiten, angesichts seines Hintergrundes für unrealistisch hielt, was sie gegenüber dem Angeklagten Y. auch ansprach. Die Umsetzung dieses Vorhabens scheiterte an der Festnahme des Angeklagten Y..

Für ein "Leben aus dem Koffer" als Leiter der Region Süd sprechen auch die Umstände der Festnahme des Angeklagten Y.; zu dieser Zeit hielt er sich in Köln auf. Dort konnten mehrere, ihm gehörende Reisetaschen sichergestellt werden, in denen er seine gesamte Habe mit sich führte. Zu diesen Umständen im Einzelnen:

Der Angeklagte Y. räumte in seiner schriftlichen Erklärung vom 07. Dezember 2009 im Rahmen eines "Haftentlassungsantrages" ein, dass die Taschen - ebenso wie die in der Wohnung des M D sichergestellte Tasche (ausgenommen des sich darin befindlichen Notizbuches mit Durchdruckspuren) - ihm gehören; zu seinem Aufenthalt in Köln bei der Festnahme und den Taschen schrieb er Folgendes:

"Ich habe mich nach Köln begeben, um dort an einer Hochzeit des A I und der Reyhan D teilzunehmen. Ich bin mit beiden gut bekannt. Die Familie D und meine Familie kennen sich. Obwohl der Vater der Frau D Beamter war, musste er aufgrund politischer Repressalien das Land verlassen. Aus diesem Grund hat er hier um Asyl ersucht. Unsere Familien waren bereits in Tunceli befreundet. Ich mache auch kein Geheimnis daraus, dass ich mit Herrn I eine politische Freundschaft pflege. Auch zur Zeit pflegen wir Briefkontakt. (...) Ja, ich war auch auf der Verlobungsfeier des Herrn E G und ich bin stolz darauf. (...) Wenn es schon soweit ist, dass wir diese normalen sozialen Kontakte verheimlichen müssen... was soll ich dazu noch sagen. (...)

Der Rucksack, der in der Wohnung des M D aufgefunden wurde und die Bekleidungstaschen, die im Föderationsverein gefunden wurde, sind meine. Es war sowieso so, dass diese Taschen bereits längere Zeit in meinem Fahrzeug gelegen sind. Ich wollte nach der Hochzeit, zur späten Stunde nicht nach Stuttgart zurück, da ich sehr müde war. Doch war es so, dass manche Gäste in der gleichen Nacht nach Stuttgart zurückkehren mussten, da sie berufstätig waren. Daraufhin habe ich meine Taschen aus dem Auto genommen und ihnen das Fahrzeug überlassen. Ich wollte, da ich bereits in Köln war, noch zu meinen Verwandten nach Bielefeld, um mich dort über das dortige Sozialamt zu informieren. Bei meiner Festnahme hatte ich den Föderationsverein gerade verlassen und wollte Räumlichkeiten für einen Betrieb besichtigen. Bei dieser Gelegenheit wollte ich auch die neu angemieteten Geschäftsräume des Herrn D anschauen. (...)

In den Taschen befanden sich einige legitime Dokumente und Bekleidungsstücke. Den Informationen auf der Flashcard habe ich sowie nicht widersprochen. Das einzige Problem ist der Vorwurf, dass Schatten der Schriften in einer im Rucksack aufgefundenen Agenda in einem Notizbuch vorliegen (...)".

Der Zeuge D bestätigte, dass der Angeklagte Y. vor seiner Festnahme bei ihm genächtigt und eine Tasche mit persönlichen Gegenständen in seiner Wohnung abgestellt hatte. Im Zeitpunkt der Festnahme habe sich der Angeklagte Y. in Köln aufgehalten, weil er eine Hochzeitsfeier der Familie Dr besucht habe, mit der sie, der Angeklagte Y. und auch der Zeuge D, seit langem befreundet seien; von diesen, den Eltern der Braut Reyhan D, seien sie - der Angeklagte Y. und er - zur Hochzeit eingeladen worden. Der Bräutigam sei A I gewesen. Bis zu dieser Hochzeit habe es eine Phase gegeben, in der sie sich nicht sehr häufig gesehen hätten, weil der Angeklagte Y. nicht sehr häufig in Köln gewesen sei.

Über den Verlauf und das Ergebnis der Durchsuchung der Wohnung des M D in Köln, um die Mittagszeit des 28. November 2006 berichteten die Zeugen KOK S und KHKin B, geb. Wr. Anlass der Durchsuchung war der Umstand, dass der Angeklagte Y. am Abend des 27. November 2006 nach Verlassen dieser Wohnung in deren Nähe in Begleitung des M D und einer weiteren Person festgenommen worden war und dort persönliche Gegenstände vermutet wurden. Die schwarze Kunstledertasche nebst Inhalt wurde in Augenschein genommen; in dieser befanden sich u.a. Herrentoilettenartikel und eine Herrenunterhose. Nach Angaben der beiden Zeugen S und B wurde die Tasche neben dem Esstisch im Wohnbereich der 1-Raum-Wohnung sichergestellt. In diesem (Wohnraum-) Bereich befand sich auch eine Matratze mit Bettzeug; der Schlafraumbereich mit bezogenem Schlafsofa war durch eine Regalwand abgetrennt.

Zur Durchsuchung der Räume des Vereins e.V. in Köln-Ehrenfeld, , am 28. November 2006 ab 11:45 Uhr hörte der Senat den Zeugen KHK Sp; dieser erläuterte anhand der am Durchsuchungstag gefertigten Lichtbilder die Räumlichkeiten des Vereins und den Auffindeort der beiden Reisetaschen. Der Zeuge bekundete glaubhaft, dass die beiden Taschen im Flur des 1. OG unmittelbar in der Nähe der Eingangstür aufeinander standen. In einer der beiden Taschen hätten sich (auch) private Papiere des Angeklagten Y. befunden, woraufhin beide sichergestellt worden seien. Weitere Gegenstände in den Vereinsräumlichkeiten konnten dem Angeklagten Y. nicht zugeordnet werden. Als Verantwortliche wurde N E angetroffen. Zur Auswertung der sich in den Taschen befindlichen Beweismittel hörte der Senat den Zeugen KHK B. In den Reisetaschen fanden sich neben diversem Schriftverkehr auch zahlreiche Kleidungsstücke, Toilettenartikel und ein elektrischer Rasierapparat. Weitere Ausführungen zu Asservaten aus den Reisetaschen folgen bei Beweisrelevanz an geeigneter Stelle.

Der Angeklagte Y. äußerte sich nicht, wie er sich seinen weiteren Lebensweg nach Haftentlassung vorstellt. Eine baldige Rückkehr in die Türkei strebt er jedenfalls nicht (mehr) an.

Nach seinen Angaben beauftragte seine Familie vor Jahren in der Türkei einen Rechtsanwalt, um ggf. das Asylbegehren zurückzunehmen und seine Rückkehr in die Türkei vorzubereiten. Er habe die Auskunft erhalten, dass frühere Vorwürfe zwar eingestellt worden seien, dass aber wegen der Rechtshilfeunterlagen aus Belgien ein neues Verfahren in der Türkei gegen ihn eingeleitet worden sei; hierauf habe er unter Vorlage des (ersten) Urteils Ende 2005 / Anfang 2006 eine Stellungnahme abgegeben.

Seiner Rückkehr standen in der Folge "Hindernisse" entgegen. Diese hätten sich insbesondere im sog. Ergenekon-Verfahren gezeigt:

"Ja, die Existenz eines ‚tiefen Staates’ war uns bekannt. Aber dass er so wie Krebs den gesamten Staat befällt, hätte ich persönlich nicht für möglich gehalten. Das heißt, dass ich aus ganzem Herzen das Märchen ‚in der Türkei ist Demokratie eingetreten’ glauben wollte. Die Sehnsucht nach der Heimat verleitet einen zu ziemlicher Naivität, es ist nicht zu beeinflussen."

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. weder vorhatte, kurzfristig nach Nordrhein-Westfalen umzuziehen, noch eine Immobilie für eine Geschäftsgründung zu kaufen.

Er ließ sich dahingehend ein, dass seine Familie nach Scheitern seines Vorhabens, in die Türkei zurückzukehren, vorgehabt habe, für ihn "in Deutschland Investitionen vor(zu)nehmen". Am Tag seiner Festnahme sei er mit zwei Freunden in Köln unterwegs gewesen, um sich nach einem käuflichen Geschäftsobjekt umzusehen. Er habe sich die neu angemieteten Geschäftsräume des M D anschauen wollen. Hierbei habe es sich nicht um ein gewöhnliches Geschäft gehandelt, sondern um eine umfassende Anlage, die zum Verkauf ausgeschrieben war; er glaube, es hätten sich darin ein paar Geschäfte befunden, könne sich allerdings nicht genau daran erinnern. Um Immobilien kaufen zu können, brauche man Teilhaber, die berufstätig seien. Andernfalls gewährten die Banken keine Kredite. Seine Familie könne höchstens 50.000 EUR zur Verfügung stellen. Mit dieser Summe könne kein Geschäft gekauft werden.

Der Zeuge M D bekundete hierzu, er sei mit dem Angeklagten Y. im Zeitpunkt der Festnahme unterwegs gewesen, um selbst Arbeit zu suchen oder ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Von einer Immobilie, die der Angeklagte Y. gesucht haben will, berichtete der Zeuge zunächst nicht. Erst auf ausdrückliche Frage des Angeklagten Y., ob er sich erinnere, dass er, der Angeklagte Y., nach einer Immobilie schauen wollte, erklärte er: "Ich, ich erinnere mich." Auf spätere Nachfragen konnte er hierzu keinerlei ergänzende Angaben machen, so dass der Senat die diesbezügliche Aussage nicht für glaubhaft erachtet.

Die weitere Beweisaufnahme ergab keine Hinweise auf bevorstehende "Investitionen". Da sein Vorhaben, als Rechtsberater für türkisches Recht tätig zu werden, aufgrund des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht positiv beschieden wurde, ist ohnehin nicht ersichtlich, in welches berufliche Vorhaben investiert werden sollte.

Gegen einen (angeblich) zeitnah geplanten Umzug nach Westfalen sprechen weitere Umstände. So vereinbarte der Angeklagte Y. in einem Telefongespräch vom 17. November 2006 (ID: 582.340, TKÜ Y.) mit einer weiblichen Person aus dem Ortsnetzbereich Augsburg einen Termin nach seiner Rückkehr (zum weiteren Gesprächsinhalt an geeigneter Stelle mehr); von einem bevorstehenden Umzug ist hier nicht die Rede.

Auch der Umstand, dass er am 24. November 2006 bei dem Bürgermeisteramt M. zur Weiterleitung an das zuständige Landratsamt Böblingen - die Verlängerung seines internationalen Reiseausweises beantragte, der am 26. Juni 2006 abgelaufen war, ist - entgegen seiner Einlassung - hierfür kein tragfähiges Indiz, zumal er in dem Antrag ausschließlich seine Meldeanschrift in M angab. Eine Entscheidung erging in der Folge nicht.

Auch die bloße Behauptung, er habe vor seiner Festnahme Telefongespräche über Umzugspläne geführt, ändert hieran nichts. Bezeichnend ist hier, dass er angab, die Gespräche in den letzten fünf Tagen vor seiner Festnahme von seinem Mobiltelefon (TKÜ Y.) aus, davor auch "von Zuhause" oder "vom Verein aus" geführt zu haben; auf Frage, was er unter "Zuhause" verstehe, erklärte er, dass er diese Gespräche entweder von anderen abgehörten Festnetzanschlüssen, von Anschlüssen Bekannter, die nicht abgehört würden, oder vom Verein aus geführt habe. Konkrete Planungen hinsichtlich eines bevorstehenden Umzugs schilderte er aber auch in diesem Kontext nicht.

Der Angeklagte Y. räumte im Übrigen - außerhalb einer vorbereiteten Erklärung - selbst ein, dass sich die Umzugspläne noch nicht verfestigt hätten; er habe sich zwar an Verwandte wenden wollen, was aber aufgrund seiner Festnahme nicht mehr möglich gewesen sei.

Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass es sich bei den geäußerten Plänen eines bevorstehenden Umzugs nach Nordrhein-Westfalen bzw. eines möglichen Immobilienerwerbs zur Geschäftsgründung um Schutzbehauptungen handelt. Diese sollten dazu dienen, seine These zu untermauern, dass er hinsichtlich seiner Lebensführung sowohl bezüglich des Aufenthaltsortes als auch der Art und Weise der Betätigung, eigenständig und frei entscheiden konnte, weshalb er kein Mitglied der DHKP-C sein könne.

Die Feststellungen zu weiteren Ermittlungs- und Strafverfahren, die eingestellt wurden, basieren auf der Verfügung der Staatsanwaltschaft Frankfurt a. M. vom 23. August 2001 (Az.: 6130 Js 226547/01), dem Beschluss des Landgerichts Frankfurt a. M. vom 22. November 2002 (Az.: 5/23 KLs 61/50 Js 22615.5/99 - zu diesem Verfahren war das Verfahren 5/23 KLs 6120 Js 236379/00 verbunden worden) sowie der Verfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 05. September 2005 (Az.: 500 Js 30056/04). Die Beweiswürdigung zu den diesen Verfahren zugrunde liegenden Taten erfolgt später.

II. Zur DHKP-C

1. Historische Entwicklung bis zur Gründung

Die Erkenntnisse zur historischen Entwicklung bis zur Gründung der DHKP-C beruhen auf den hierzu getroffenen Feststellungen in den Verbotsverfügungen des Bundesministeriums des Innern vom 27. Januar 1983 und vom 27. August 1998 sowie auf organisationsinternen Dokumente n bzw. von der DHKP-C verbreiteten Erklärungen. So heißt es in der Satzung der Revolutionären Volksbefreiungspartei unter anderem wie folgt:

"Bei unserer Partei handelt es sich um eine Neugründung der Volksbefreiungspartei der Türkei (THKP) unter dem Namen DHKP, durch die sich als Fortsetzung der THKP, welche 1972 in Kizildere physisch vernichtet wurde, organisierende und kämpfende Organisation der DEVRIMCI SOL, die die Stufe der Parteiwerdung im Kriege abgeschlossen hat und die in einer den Bedingungen des sich entwickelnden Krieges entsprechenden Form auf der ideologischen, politischen und organisatorischen Ebene stattfand. (...)"

Auch in den regelmäßig zum Jahrestag der Parteigründung im Internet veröffentlichten Mitteilungen bezeichnet sich die DHKP-C als Nachfolgerin der THKP-C bzw. der Devrimci Sol. In der Erklärung "DHKP 34: 30. März - 17. April Dieses Datum steht für die Verbreitung der Hoffnung" vom 29. März 2005 wird Folgendes ausgeführt:

"(...) Wir sind die stolzen Vertreter einer 35jährigen Geschichte. (...)

THKP-C, die den Weg der Befreiung geebnet hat

DEVRIMCI SOL, die sich auf den Weg gemacht hat, um die notwendige Partei zu gründen

DHKP-C, die diesen Traum in die Realität umgesetzt hat

Kurz gefasst lautet unsere Geschichte `von THKP-C zu Devrimci Sol, von Devrimci Sol zur DHKP-C´. (...)"

Die zur Dev Sol, der Vorläuferin der DHKP-C, getroffenen Feststellungen beruhen außerdem auf den Angaben des Zeugen Gün. Dieser war - wie er in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundete - ab etwa 1991 bis 1994 als Jurist bzw. Anwalt für die Dev Sol unter dem Decknamen B tätig und zuletzt als Verantwortlicher des Rechtsbüros des Volkes für diese Organisation in Istanbul eingesetzt. In diesem Rahmen hatte er unter anderen auch mit dem Angeklagten Y. zusammengearbeitet. Der Zeuge G hat insbesondere bestätigt, dass die Zielsetzung der Dev Sol auf die Etablierung einer sozialistischen Revolution in der Türkei ausgerichtet war. Unter der Führung von Dursun Karatas habe diese hierarchisch aufgebaute (Kader-) Organisation bis 1994 sowohl über illegale (Kampf-) Einheiten und Milizen wie auch sogenannte legale, auf "demokratischer" Ebene agierende Strukturen wie etwa Vereine und das bezeichnete Rechtsbüro verfügt. Beide Bereiche seien vom Zentralkomitee der Dev Sol, das auch für die Zuteilung von Decknamen für Funktionäre verantwortlich war, gelenkt worden. Einzelheiten zum strukturellen Aufbau und zur Vorgehensweise der Dev Sol in der Türkei wie auch im Ausland (z. B. Europa) hat der Zeuge G so geschildert, wie vom Senat festgestellt.

Ergänzt und bestätigt wurden diese Bekundungen durch die Aussage des Zeugen E., der sich nach eigenen Angaben auch schon in der Dev Sol am revolutionären Kampf beteiligt hat. Von der Richtigkeit dieser Aussage hat sich der Senat anhand eines - in einem Bericht der Europaverantwortlichen A vom 18. Oktober 2000 (Datei ID-Nr. 734 466) enthaltenen - Lebenslaufs E, aus dem sich insbesondere dessen Werdegang und Aktivitäten in der Dev Sol ergeben, überzeugt.

2. Ziele

Die Feststellungen zur Zielsetzung der DHKP-C hat der Senat auf der Grundlage des Parteiprogramms der Organisation, den auf dem Parteigründungskongress verabschiedeten Grundsatzbeschlüssen sowie weiteren, von der Organisation veröffentlichten Erklärungen festgestellt. Zum "Endziel" wird gleich zu Beginn des Parteiprogramms der DHKP dazu Folgendes ausgeführt:

"Unsere Partei ist eine Partei, die sich die Kommunistisch-leninistische Weltanschauung zu eigen gemacht hat und die für diese kämpft. Ihr Endziel ist es, eine klassenlose Ordnung und eine Welt ohne Ausbeutung zustande zu bringen. Aber ihr heutiges Ziel ist nicht dies, sondern die Revolutionäre Volksherrschaft, die die Herrschaft sämtlicher Kräfte des Volkes ist, die gegen den Imperialismus und die Oligarchie sind."

Diese Zielsetzung und die darin implizierte weltweite Stoßrichtung wird in der Satzung der DHKP folgendermaßen präzisiert:

"(...) 5. DAS ALLGEMEINE PROGRAMM UNSERER PARTEI: Die Revolutionäre Volksbefreiungspartei ist die politische Organisation des Proletariats, das sich aus der türkischen, kurdischen und allen anderen Nationen zusammensetzt. Sie hat sich auf den Weg gemacht, um die Welt auch einmal von der Türkei und von Kurdistan aus zu erschüttern. Sie kämpft für die Errichtung einer Ordnung in unserem Land, in der jede Art von Druck, Ausbeutung und Zwang verschwunden sind, und in der die Menschen in freier Weise denken, kollektiv produzieren und teilen. Durch das Erringen des Sieges in diesem Kampf in unserem Land betrachtet sie diesen Sieg als einen Teil der Weltrevolution, und sie setzt diesen Kampf fort, um in der ganzen Welt dieselbe Ordnung zu errichten. Dieses Programm ist das endgültige Programm der DHKP. (...)"

Als "Weg zur Befreiung" propagiert die Organisation in ihrem Parteiprogramm den "bewaffneten Kampf des Volkes" unter ihrer Führung. Durch einen "Guerillakrieg in der Stadt und auf dem Land" soll die staatliche und gesellschaftliche Ordnung beseitigt und stattdessen die "Revolutionäre Volksherrschaft" errichtet werden. Wie sich aus den Festlegungen im - auf dem Parteigründungskongress gefassten - Beschluss Nr. 5 "Über die Neuorganisierung des bewaffneten Krieges" ergibt, werden dabei die "Guerilla-Taktiken und -ziele" nicht auf "die einzelnen einfachen klassischen Aktionen beschränkt bleiben (...)", sondern "(...) in der Weise durchgeführt werden, dass sie die breiten Volksmassen zum Diskutieren bringen, dass sie eine hohe Propagandawirkung haben, und dass sie bei dem Feind eine Schockwirkung hervorrufen. (...)" "Feind" in diesem Sinne und damit Angriffsziel für die Guerilla ist - ausweislich des Parteiprogramms und der (Parteigründungs-) Beschlüsse Nr. 5 und Nr. 6 - jedes "... Hindernis für den revolutionären Kampf". Neben den staatlichen Organen und Einrichtungen in der Türkei werden hierzu auch der "US-Imperialismus", "kollaborierende Monopol-Kapitalisten", "sämtliche ausbeutenden Klassen und Schichten, Zinswucherer, Händler" sowie "Spitzel, Verräter, Agenten und Provokateure" gerechnet.

Zum "bewaffneten Kampf des Volkes" gab und gibt es aus Sicht der DHKP-C keinerlei Alternative. So heißt es etwa in einem Selbstbezichtigungsschreiben betreffend den Sabanci-Anschlag (Mitteilung: 26 des Pressebüros der revolutionären Volksbefreiungsfront vom 09. Januar 1996) unter anderem wie folgt:

"Von den Gipfeln unserer Berge bis zu den kleinsten Ecken unserer schwarzgebauten Häuser wurde Blut geschmiert. (...) Städte, Stadtviertel und Dörfer wurden je in eine offene Strafanstalt umgewandelt... Folteranlagen wurden überall eingerichtet... Vor (den) Augen der ganzen Welt und frei von jeder Regel und jedem Gesetz und unter Missachtung eigener Gesetze haben sie Todesstrafen ohne Gericht gegen Hunderte von unseren Menschen vollstreckt... (...) Sie haben unsere Menschen lebendig verbrannt... Sie haben Tausende von unseren Dörfern bombardiert, evakuiert und das Volk verbannt... (...) Auf diesem Bild gibt es aber ein einziges Licht, und das ist der Befreiungskampf des Volkes, der sich erhebt. (...) Diejenigen, die dieses schwarze Bild herbeiriefen, sind eine Handvoll Minderheit, deren Zahl nicht mehr beträgt, als die Finger an beiden Händen. Sie sind die kollaborateurischen Monopole, die in Zusammenarbeit mit dem Imperialismus das Land und das Volk ausbeuten. Sie sind die SABANCIs, die Regierungen bilden, Regierungen umstürzen, Herrschaft der Juntas ausrufen und das Volk massakrieren, bis ins Mark ausbeuten und durch das Volk ihre Reichtümer um weitere Reichtümer vermehren, wobei sie von der Demokratie reden. (...) Wir halten die Organisation der Monopole TÜSIAD, deren Führung bei Sabancis und Kocs ist, und ähnliche weitere Organisationen der Kapitalisten verantwortlich für die Abschaffung der Unabhängigkeit unseres Landes, für die Ausbeutung und Tyrannei, und noch dafür, dass unser Land mit dem Faschismus regiert wird. (...) Wir möchten niemanden mit dem Tod bestrafen. Wir ziehen es nicht vor, mit Waffen Politik zu betreiben und so Lösungen für die Fragen unseres Volkes zu suchen. Aber leider gibt es in unserem Land keinen anderen Weg mehr, das System zu ändern oder eigene Rechte zu suchen. Der Faschismus hat über alles die Oberhand bekommen und in Zusammenarbeit mit den Imperialisten sämtliche Freiheiten des Volkes, sogar sein Recht aufs Leben abgeschafft. (...) Heutzutage ist der Staat unter der Führung der kollaborierenden Monopole zu einem Staat der Armee, zum Polizeistaat geworden. (...) Eigene Rechte zu bewahren, an das Land und Volk zu denken, und sogar im Leben zu bleiben, ist nur durch einen Widerstand mit Waffen gegen die Waffen möglich. (...)"

Dass die Organisation an dieser Zielsetzung und Denkweise festhält, zeigen die in der Erklärung "DHKP 34" vom 29. März 2005 enthaltenen Programmsätze, in denen unter anderem Folgendes festgeschrieben wird:

"Unsere Partei ist der Auffassung, dass die Befreiung nur durch einen bewaffneten Volkskampf zu erreichen ist. In der Erklärung der THKP aus dem Jahre 1971 mit der Überschrift `der Weg zur Regierung´ heißt es: `Unsere Partei ist der Auffassung, dass die Befreiung nur durch einen bewaffneten Volkskampf zu erreichen ist.´

Dasselbe sagen wir auch heute noch. Seit 35 Jahren wurde immer wieder unter Beweis gestellt, dass es keinen anderen Ausweg gibt. (...)"

Ihre Fortschreibung und Bestätigung finden Aussagen auch in den Verlautbarungen, welche die Organisation im Zusammenhang mit einem Rückblick auf ihre, nach interner Sprachregelung im Jahre 1970 beginnende und damit nunmehr 40-jährige Parteigeschichte verbreitet hat. So heißt es etwa in der, ausweislich des von KHK M gefertigten BKA-Vermerks vom 12. April 2010 auf den - der DHKP-C zuzurechnenden - Internetseiten www.hAinsesi.tv und www.dhkc.net in türkischer Sprache verbreiteten, Erklärung (Nr. 43) vom 30. März 2010 der DHKP zum Jahrestag der Parteigründung unter anderem wie folgt:

"(...) Der Kampf wird fortgesetzt. (...) Das heutige Ziel unserer Partei ist, die Revolutionäre Volksherrschaft zu gründen, die die Herrschaft aller Volkskräfte gegen Imperialismus und Oligarchie ist. (...) Um die Herrschaft von der Bourgeoisie zu erlangen und den Imperialismus aus unserem Land zu verdammen, gibt es keinen Weg ohne Gewalt und Tod. (...) Ohne zu kämpfen, ohne Märtyrer zu verlieren, kann man keine Revolution und keinen Sozialismus vertreten, keinen Machtkampf führen. Wir sind Revolutionäre. Unser Ziel ist die Revolution. (...) Als unser Führer Mahir Cayan, der den Weg für die Revolution in der Türkei erleuchtet und die Revolutionsstrategie der THKP-C geformt hat, infolge seines intensiven ideologischen Kampfes mit seinen Genossen in Kizildere ein Manifest geschrieben hat und als Märtyrer gefallen ist, haben die jungen Front-Anhänger in kürzester Zeit die Kampffahne übernommen und unter der Führung von Dursun Karatas die THKP-C Linie fortgesetzt. Unser Marsch, der sich von THKP-C zu Devrimci Sol, von Devrimci Sol zur DHKP-C, von Mahir zu Dayi (Onkel) fortgesetzt hat, ist der ununterbrochene Marsch der Türkei-Revolution auf dem Weg von Kizildere. (...) Der Sieg ist unser! Revolutionäre Volksbefreiungspartei"

Aus dem sichergestellten organisationsinternen Schriftverkehr geht hervor, dass sich die DHKP-C bei der Verfolgung ihrer Zielsetzung(en) maßgeblich an leninistischen / stalinistischen (Denk- bzw. Handlungs-) Mustern bzw. damit einhergehender Doktrin orientiert. So heißt es z. B. in einem Bericht der Europaführung vom 16. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 201) im Zusammenhang mit Schilderungen zum Verlauf einer organisationsinternen Schulungsmaßnahme unter anderem wie folgt:

"(...) Auch Lenin und Stalin mussten ihr Leben lang einen ideologischen Kampf führen. (...) Zu diesem Thema hat die Bewegung ihren ideologischen Kampf geliefert. Auch Lenin hat das gleiche getan. Obwohl es in Europa viele Menschen gibt, hat nur Stalin das ZK angenommen. Der Grund dafür ist, dass trotz der Niederlage der Revolution 1905 Stalin es geschafft hat, den Generalstreik zu organisieren. Und das ist auch das, was man von uns heute verlangt. Nur Führungskräfte, die in dieser Form ein Führungsverständnis besitzen, können die Revolution durchführen. (...) Es können jedoch nur diejenigen wie Stalin zurückbleiben. (...) Alle Mitglieder des ZK´s und Politbüros zu Zeiten von Stalin und Lenin wurden liquidiert. StAn jedoch hat innerhalb von drei Jahren anstelle von ihnen 500 neue Kader herangezogen. Der Sozialismus muss grundsätzlich so aufgebaut werden. Die Partei werde den Kampf jederzeit mit dem durch(zu)führen, was ideologisch als alt bestimmt wird. (...)"

Die Ausrichtung der Organisation an der diktatorischen Methodik bzw. Ideologie Lenins und Stalins belegt auch der Umstand, dass Druckwerke dieser Personen für Schulungszwecke eingesetzt werden. So konnten etwa - wie die beim LfV Bad.-Württ. beschäftigte Zeugin RRin Ü glaubhaft bekundet hat - bei einer entsprechenden, als Familien- und Jugendcamp getarnten Veranstaltung der DHKP-C in E am Neckar im Jahre 2004 bei verschiedenen Teilnehmern, darunter auch dem Angeklagten Y., Schriften Stalins bzw. Lenins aufgefunden werden, die teilweise bearbeitet und mit Markierungen versehen waren.

Gestützt werden die Feststellungen des Senats zur Zielsetzung der Organisation durch die Bekundungen des Zeugen E.. Dieser hat - wie er selbst bekundet hat - innerhalb der DHKP-C von Anfang 1995 bis Juni 1995 sowie in der Zeit von September 1997 bis Oktober 1999 als Deutschland- und Europaverantwortlicher agiert. In dieser Funktion war der Zeuge E. - wie er weiter angegeben hat - unmittelbar dem Generalsekretär der DHKP-C, Dursun Karatas unterstellt. In dem vor dem OLG Düsseldorf gegen Fa E geführten Strafverfahren hat der Zeuge E. - ausweislich der Angaben des Zeugen StA H - seinerzeit bestätigt, dass ihm Dursun Karatas 1995 im Rahmen eines Telefonats unmittelbar die Europaführung übertragen habe. Das Ziel der DHKP-C und somit auch sein Handeln sei zur damaligen Zeit auf die Abschaffung des "ungerechten, ungleichen und ausbeuterischen Systems in der Türkei" und die Errichtung einer "gerechteren, unabhängigeren, demokratischeren und sozialeren" Gesellschaftsordnung ausgerichtet gewesen. Dies sollte mit sämtlichen Methoden des Kampfes sowie allen legalen, illegalen und demokratischen Mitteln durchgesetzt werden. Aufgrund einer weitreichenden Sehbehinderung war E. hierbei - wie der Zeuge KHK B bestätigt hat - auf die Unterstützung einer ständig verfügbaren Hilfsperson angewiesen.

3. Organisatorischer Aufbau

Die Feststellungen des Senats zum - hierarchisch-zentralistischen - Aufbau der DHKP-C, zu deren Organen bzw. Untergliederungen und internen Organisationsstrukturen beruhen im Wesentlichen auf den hierzu in den Satzungen der DHKP bzw. DHKC enthaltenen Festlegungen sowie damit übereinstimmenden Angaben des Zeugen E., der - wie sich aus den Bekundungen des Zeugen StA H ergibt - im Rahmen seiner bezeichneten Vernehmung vor dem OLG Düsseldorf auch hierzu ausgesagt und hierbei die DHKP-C als Kommunistisch-leninistische (Kader-) Organisation mit verschiedenen Leitungsgremien beschrieben hat.

Die Trennung zwischen Partei (DHKP) und Front (DHKC)

Sämtliche organisatorische Einheiten werden hiernach von der Parteiführung geleitet. Die Organe der Partei (DHKP) bilden mithin auch die höchsten Organe der Front (DHKC), die über "... bewaffnete Einheiten und Milizen ..." verfügt und als militärischer Arm der DHKP-C mit der praktischen Durchführung des Volkskrieges beauftragt ist. In der Satzung der DHKC heißt es hierzu wie folgt:

"4. (...) Die Revolutionäre Volksbefreiungsfront ist die kämpfende Organisation unter der Führung der Revolutionären Volksbefreiungspartei sämtlicher Volksklassen und -schichten, die im Widerspruch zum Imperialismus und zur Oligarchie stehen, und von jedermann, der anti-imperialistisch, patriotisch, ehrenhaft und stolz ist. (...)"

Die organisationsinterne Vorrangstellung und Führungsfunktion der Partei gegenüber der Front (Cephe) hat auch der Zeuge Gün bezogen auf die Dev Sol, der Vorläuferin der DHKP-C, bestätigt.

Die Differenzierung zwischen der DHKP und der DHKC und die damit einhergehende Aufgabenteilung belegt auch die Parole: "Wer lehrt? Die Partei. Wer schlägt? Die Front. Für wen? Für das Volk. Es lebe die DHKC.", welche die Organisation - wie sich aus einem Bericht vom 12. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 755 653) über den Ablauf einer Demonstration am 1. Mai in Zürich (Schweiz) ergibt - bei Aufmärschen und Protestaktionen skandieren lässt.

Ausweislich der in den Beschlüssen Nr. 5 und Nr. 6 des Parteigründungskongresses getroffenen Bestimmungen wird zwischen "ländlichen" Guerilla-Einheiten, die Regionalkomitees angegliedert sind sowie sogenannten "Bewaffneten Propagandaeinheiten", welche direkt der Zentrale unterstehen und "... den feindlichen Kräften wirksame Schläge versetzen, Propaganda betreiben und Schritte für die Offensive der Partei und der Front unternehmen ..." müssen, differenziert. Zu Kommandanten dieser "Bewaffneten Propagandaeinheiten" können ausschließlich Parteimitglieder berufen werden. Ausdrücklich wird klargestellt, dass die Parteimitglieder in sämtlichen bewaffneten Einheiten das "letzte Wort und das Entscheidungsrecht bei der Festlegung der politischen Taktik und der politischen Vorgehensweise und bei der Festlegung der Aktionsziele ..." haben.

Dass innerhalb der Organisation DHKP-C entsprechende (Kampf-) Einheiten unter der genannten Bezeichnung zur Durchführung von Anschlägen in der Türkei aufgestellt worden sind, hat der Zeuge E. in seiner bezeichneten Vernehmung vor dem OLG Düsseldorf - ausweislich der Angaben des Zeugen StA H - bestätigt. Dies steht im Einklang mit den Bekundungen des Zeugen G, der glaubhaft darüber berichtet hat, dass die bewaffneten revolutionären Einheiten (SDB) der Dev Sol nach Gründung der DHKP-C unter der Bezeichnung "Bewaffnete Propagandaeinheiten" (SPB) in diese Organisation integriert worden sind. Diese Einheiten seien dafür verantwortlich, die von der Parteiführung angeordneten bzw. "genehmigten" Anschläge und "Aktionen" in der Türkei durchzuführen.

Neben diesen Kampfgruppen werden in der Front-Satzung weitere, nicht näher bezeichnete "legale und illegale Massen-Organisationen" als Teilelemente der DHKC benannt. Bestandteil der sogenannten "demokratischen Organisation der Front" ist - wie sich aus "Beschluss: 8" ergibt - auch die "Europa-Organisation" an der Rückfront. Wörtlich heißt es in diesem Zusammenhang:

"(...) Die Europa-Organisation wird auf alle Fälle von einer Genehmigung des Imperialismus unabhängig gemacht werden, und für bestimmte Ziele wird eine Untergrund-Organisation geschaffen werden. Dies wird in der Weise geschehen, dass die Tatsache nicht in Abrede gestellt wird, dass die Aktivität in Europa hauptsächlich eine demokratische Aktivität sein muss. (...) Die Europa-Organisation wird der demokratischen Organisation der Front angehören. Es müssen legale Einrichtungen geschaffen werden, die als Sprecher der Front auftreten können. (...)"

Zur Mitgliedschaft in der Organisation

Die zur Mitgliedschaft in der Organisation getroffenen Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den hierzu in den Satzungsbestimmungen der DHKP und DHKC enthaltenen Vorgaben.

Vor einer Eingliederung in die Organisation haben Aspiranten, die sich um eine Betätigung für die DHKP-C bemühen, umfassende Auskünfte über ihre persönlichen Verhältnisse und Anschauungen sowie ihren Werdegang zu geben. Zu Erhebung der gewünschten detaillierten Informationen verlangt die DHKP-C - wie sich aus den Asservaten 33.92.231 und 33.92.232, in denen ein standardisierter Fragenkatalog enthalten ist, ergibt - von dem jeweiligen Bewerber detaillierte Angaben insbesondere zum Werdegang und Familienstand, zu den Einkommensverhältnissen, zur Herkunft nebst Fragen zu Eltern und Geschwistern sowie deren politischen Einstellungen / Aktivitäten. Erfragt werden ferner besondere Befähigungen und Kenntnisse (wie z. B. Benutzung von Waffen oder Herstellung von Sprengstoffen), Auslandsaufenthalte und gesundheitliche Einschränkungen. Weiter sind Fragen zu etwaigen früheren Kontaktaufnahmen mit der Organisation, dortige Aktivitäten / Funktionen und gegebenenfalls damit im Zusammenhang stehende Strafverfolgungsmaßnahmen zu beantworten. Insbesondere ist darzulegen, ob die uneingeschränkte Bereitschaft besteht, alle Aufgaben innerhalb der Organisation zu erfüllen und sich am bewaffneten Kampf zu beteiligen. Schließlich ist anzugeben, wer verständigt werden soll, falls der / die Betreffende in "Gefangenschaft genommen" oder "Märtyrer" werden sollte.

Personen, die außerhalb der Türkei leben, haben überdies detaillierte Angaben zu ihrem aktuellen Aufenthaltsort, ausländerrechtlichen Status, Fremdsprachenkenntnisse und ihrer Bereitschaft, "irgendeine Aufgabe in dem Heimatland" zu erfüllen, zu machen. Ferner haben sie über bestehende Einreiseverbote sowie darüber Auskunft zu geben, ob und gegebenenfalls wo, wie und durch wen im Ausland bereits Kontakt zur Organisation aufgenommen und dort bereits Aktivitäten entwickelt und / oder Funktionen übernommen wurden.

Der Zeuge E. hat - für die Zeit zwischen 1995 und 1999 - in der Hauptverhandlung in vorliegender Sache bekundet, dass derartige Lebensläufe den Organisationsverantwortlichen einen Eindruck über die jeweilige Person sowie eine Entscheidungsgrundlage dafür verschaffen sollen, in welchen (Arbeits-) Bereichen der / die Betreffende organisationsintern eingesetzt werden kann. Auch der Zeuge G hat diese Handhabung bestätigt und (ebenfalls) angegeben, dass die DHKP-C vor einer Entscheidung, ob jemand in die Partei oder in die Frontorganisation aufgenommen werden kann, von hieran interessierten Personen die Vorlage eines detaillierten Lebenslaufs verlangt, um sich so frühzeitig ein umfassendes Bild über die jeweiligen Bewerber machen zu können.

Disziplin und Sanktionen

Aus den Satzungsbestimmungen ergibt sich weiter, dass die Mitglieder der Partei und der Front zu bedingungslosem Gehorsam verpflichtet sind. Sie haben "unter der Anweisung der Partei unter jeder Bedingung ihre Aufgabe zu erfüllen ..." und müssen sich "... ohne Diskussionen an die Prinzipien, die Disziplin, die Regeln und Anweisungen der Front ..." halten und empfangene Befehle ausführen. Dass Organisationsmitglieder dazu verpflichtet sind, sämtliche, von der Parteiführung vorgegebene Aufgaben zu erfüllen, wurde auch vom Zeugen G bestätigt. Dieser hat - bezogen auf die Situation in der Türkei und die Zeit seiner dortigen Betätigung als Führungsfunktionär der Dev Sol - angegeben, dass Personen, die eine Teilnahme am bewaffneten Kampf oder sonstige Betätigungen abgelehnt hätten, nach den organisationsinternen Vorgaben nicht als Mitglieder aufgenommen bzw. für den Fall, dass entsprechende (Selbst-) Beschränkungen und Vorbehalte erst im Nachhinein erklärt wurden, von der Organisationsmitgliedschaft ausgeschlossen worden seien. Er hat ferner bekundet, dass im fraglichen Zeitpunkt - jedenfalls in der Türkei - ausschließlich solche Funktionäre als Gebietsverantwortliche eingesetzt wurden, welche die organisationsintern geltenden Kriterien für eine Mitgliedschaft erfüllt hatten. Er habe angenommen und vom Hörensagen auch gewusst, dass dies ("natürlich") an der Rückfront in Europa ebenfalls so gehandhabt worden sei. Weiter hat der Zeuge G - bezogen auf die DHKP-C - angegeben, dass diese Vorgehensweise eine allgemeine, innerhalb der gesamten Organisation Gültige Regel gewesen sei. Hierdurch sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass ausnahmsweise auch eine Person, welche nicht mitgliedschaftlich in der DHKP-C verankert ist, dort jedoch in anderer, vergleichbarer Weise besonders "hervorsticht", für einen vorübergehenden Zeitraum kommissarisch mit den Aufgaben eines Gebietsverantwortlichen betraut werden kann.

Für den Fall von Disziplinlosigkeiten oder anderer, in den genannten Satzungen enumerativ aufgeführter und als "schwere Verbrechen" bezeichneter Verhaltensweisen wie z. B. "... Verrat zu üben oder sich dem Verrat zuzuwenden (...)", Befehlsverweigerung bzw. Nichterfüllung von Anweisungen der Partei oder Front oder "...vor dem Krieg zu fliehen, Cliquenwirtschaft, Miesmacherei..." sind jeweils Sanktionen vorgesehen, die vom Entzug bzw. der Aberkennung der Partei- / Frontmitgliedschaft bis hin zur Todesstrafe reichen. So haben etwa auch Organisationsmitglieder, die sich einem Einsatzbefehl der Parteiführung zur Teilnahme am bewaffneten Kampf in der Türkei verweigern, neben dem bezeichneten Ausschluss aus der DHKP-C auch mit entsprechender Bestrafung zu rechnen. Das Bestehen einer entsprechenden, organisationsinternen Disziplinarordnung wurde - ausweislich der Angaben des Zeugen StA H - auch vom Zeugen E. im Rahmen seiner Vernehmung vor dem OLG Düsseldorf bestätigt.

Dass auch innerhalb der Rückfront gegenüber Organisationsangehörigen, die sich nicht an Vorgaben halten, Sanktionsmaßnahmen vorgesehen sind und vollstreckt werden, belegen verschiedene Mitteilungen der Europaverantwortlichen A. Diese schreibt in einer Nachricht vom 17. August 2000 (Datei ID-Nr. 739 374) unter anderem Folgendes: "(...) 24- Wie werden wir sicherstellen / herstellen, dass O, nachdem wir ihn verhört und verprügelt haben, in die Heimat geht (?) (...) Freitagnacht werden wir O verhören. (...)" Über den weiteren Verlauf der angekündigten Fortsetzung dieses Verhörs wird in organisationsinternen Berichten informiert, die in den Dokumente n Datei ID-Nr. 734 493, 734 494 und 734 498 enthalten sind.

Über die Vorstellungen der Europaführung zur Sanktionierung von Personen, die sich aus organisationsinterner Sicht des Verrats schuldig gemacht haben, informiert G in einer Mitteilung vom 21. November 2002 (Datei ID-Nr. 763 070) mit folgenden Worten:

"(...) 17. Antwort der Genossen: (...) B- Ayfer G.: Es gab keinen Anlass zu reden, was sie erzählt hat, ist gelogen und frei erfunden. Sie ist eine Verräterin. Und so wird es ein Leben lang bleiben. Sie soll jetzt leben wie ein Tier. Wenn sie sagt, ich bereue es, dann geht sie hin und macht eine Opferaktion. Oder sie beweist sich durch das Todesfasten. Wenn sie das nicht tut, ist alles, was sie erzählt hat, gelogen. (...)"

Darüber hinaus werden auch allgemeine Verfehlungen mit der Verhängung einer Organisationsstrafe geahndet. Dies belegen Angaben in einem von A übermittelten Lebenslauf der Organisationsangehörigen Zuhal A, die zwischen 1997 und 1999 beim Komitee für freiheitliche Völker in Köln gearbeitet und sich auch als Kurierin für die DHKP-C betätigt hat (Datei ID-Nr. 740 375). Diese schreibt unter anderem:

"(...) 1998 war ich schuld an einem Autounfall. Als Strafe wurde mir meine Aufgabe im Komitee für eine Woche genommen. Ich hatte schriftlich Selbstkritik abgeben müssen. Ich habe meine Lehren aus der Strafe gezogen. Ich habe gelernt, dass ich nicht das Recht habe, dem Eigentum der Bewegung Schaden zuzufügen. (...)"

Die Feststellung, dass Mitglieder der DHKP-C auch für den Fall ihrer Festnahme und / oder Inhaftierung in der Türkei genaue, organisationsinterne Verhaltensanweisungen zu befolgen haben, beruht auf den hierzu gemachten glaubhaften Bekundungen des Zeugen EKHK B. Dieser hat angegeben, dass Organisationsangehörige nach diesen Vorgaben etwa Widerstand gegen jedwede Durchsuchungsmaßnahmen zu leisten haben. Außerdem sind sie angewiesen, sich gegen die Verbringung in Hafträume (Zellen) zu wehren. Diese dürfen sie nur dann "freiwillig" verlassen, wenn Gespräche mit Verteidigern (Anwälten) anstehen. Der Zeuge EKHK B hat ferner bestätigt, dass Mitglieder der DHKP-C, welche am Todesfasten teilgenommen, dieses jedoch eigenmächtig abgebrochen haben, organisationsintern als Verbrecher bezeichnet und deshalb angewiesen werden, eine Selbstverbrennung vorzunehmen.

Hierzu passen Schilderungen der an der Tötung des früheren türkischen Justizministers, Mehmet Topac, beteiligten DHKP-C-Kämpferin Rabbena H. Diese hat - wie sich aus dem Asservat Nr. 3.31.148 der belgischen Rechtshilfe ergibt - in ihrem Lebenslauf zu ihrem Verhalten unmittelbar nach Festnahme durch türkische Sicherheitskräfte Folgendes angegeben:

"(...) Am 13. November 1994 bin ich festgenommen und nach geschlossene Justizvollzugsanstalt Ankara gebracht worden. Ich habe Widerstand geleistet, keine Informationen weitergegeben und Hungerstreik gemacht. (...)"

Die (generelle) Haltung der Organisation zu Aktivisten, welche ohne Zustimmung der Parteiführung ihren Einsatzort eigenmächtig verlassen haben, ergibt sich auch aus den Darlegungen der Europaverantwortlichen in ihrem Bericht vom 27. Januar 2003 (Datei ID-Nr. 750 520), wo über eine als Özan A benannte Person unter anderem Folgendes bemerkt wird:

"(...) Dieser Mann ist ein Verräter, der gekommen ist, um zu holen. Darüber hinaus hat er das Todesfasten dazu benutzt, um entlassen zu werden. Er ist von der Guerilla abgehauen. (...) Unsere Sichtweise zu Verrätern und Asylanten ist festgelegt. (...) Darüber hinaus ist es ein Vergehen, mit Asylanten und Verrätern Kontakte zu pflegen und zu versuchen, sie in die Bewegung hereinzubringen. (...)

Die Feststellungen zum Umgang der Organisation mit Personen, die in der Türkei am bewaffneten Kampf teilgenommen haben und ohne Zustimmung der DHKP-C-Führung, eigenverantwortlich nach Europa ausgereist sind, beruhen auf den hierzu gemachten Darlegungen der Europaverantwortlichen im Bericht vom 28. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 242). In einem darin enthaltenen Schreiben informiert G über die "Prozedur", die "bei Asylanten angewandt wird" und die hierbei zu beachtenden Regeln im Anschluss an Punkt 23 ihrer Notiz wie folgt:

"(...) Von nun an werden in erster Linie nicht die Gebiets- / Landesverantwortlichen mit den Asylanten, die mit uns Beziehung aufnehmen wollen, sprechen. Von den Personen, die kommen, werden detaillierte Lebensläufe verlangt werden. Ohne über die Person Informationen erhalten und mit ihr abgerechnet zu haben, wird sie in keine unserer Beziehungen aufgenommen werden. (...) Die Flüchtlinge aus dem Land werden an einen entsprechenden Ort gebracht, durchsucht. Telefonnummern und Schriftstücke, die sie bei sich haben, werden kopiert. Sie werden auf den Stuhl gesetzt und hinterfragt, indem gesagt wird `Du bist aus dem Land geflohen und hast Verrat begangen. Erzähle nun´. Aus dem Land zu fliehen und den Revolutionismus aufzugeben, ist eine Straftat. Nach Vorlage der Lebensläufe der Personen werden diejenigen, die kämpfen wollen, je nach Situation für eine Woche oder 15 Tage der Schulung unterzogen. (...) In diesem Rahmen ist ein Schulungsprogram aufzustellen und bei denjenigen anzuwenden, die es akzeptieren. Diejenigen, die es nicht akzeptieren, sind zu verdammen. (...) Bei denjenigen, die kommen, wird diese Schulung angewandt werden. Es wird keiner in die Vereine rein gelassen, der die Schulung nicht gemacht hat. Im Anschluss an die Schulung wird erneut eine Bewertung stattfinden. (...) Wenn die Bewertung positiv ausfällt, wird die Person unseren Leuten im Verein oder in der Umgebung präsentiert. (...) Eine andere Annäherungsweise wird nicht akzeptiert, (...)"

Personelle Zusammensetzung der Führungsgremien

Dass der auf dem Parteigründungskongress zum Generalsekretär gewählte Dursun Karatas diese Führungsposition in der Folge ununterbrochen bis zu seinem Tod am 11. August 2008 ausgeübt hat, ergibt sich aus der im Internet auf der Seite www.dhkc.org als "Bulletin Nr.: 39" verbreiteten Verlautbarung der DHKP vom 11. August 2008. Darin heißt es unter anderem wie folgt:

"(...) Wir haben unseren Kommandanten unseren revolutionären Führer unseren `Dayi´ verloren. (...) Unser Schmerz ist unbeschreiblich, unser Verlust groß, unser revolutionärer Führer, unser Genosse Dursun Karatas, der Generalsekretär unserer Partei ist am 11. August gegen 5.00 Uhr morgens gefallen. Ein Herz, das 38 Jahre lang für die Revolution geschlagen hat, sich der Befreiung der Weltvölker, der Unabhängigkeit unseres Landes, der Freiheit unseres Volkes widmete, hat aufgehört zu schlagen. (...)"

Unter Bezugnahme auf den Gründungskongress der DHKP-C im Jahre 1994 heißt es sodann:

"(...) Die Devrimci Sol fasste auf diesem Kongress den Beschluss, dass der revolutionäre Kampf als DHKP fortgesetzt werden sollte und unser Genosse Dursun Karatas wurde zum Generalsekretär der DHKP gewählt. (...) Unser Genosse widmete sich dieser Aufgabe 14 Jahre lang, und er setzte sie bis zum letzten Moment fort. (...)"

Der Tod von Dursun Karatas in den Niederlanden wird auch in dem (Ermittlungs-) Vermerk des Bundeskriminalamts vom 22. August 2008 bestätigt. Danach wurde durch die niederländischen Behörden auf telefonische Anfrage mitgeteilt, dass Karatas am 11. August 2008 zwischen 05:00 und 06:00 Uhr im Haus der einer als Ayten A bezeichneten Person in Etten-Leur (NL) verstorben sei. Anhand eines Vergleich von Fingerabdrücken sei festgestellt worden, dass es sich bei dem Verstorbenen tatsächlich zweifelsfrei um Dursun Karatas gehandelt habe. Der Zeuge KHK M hat ergänzend hierzu angegeben, dass auf Nachfrage des BKA von den niederländischen Behörden bestätigt wurde, dass bei Karatas eine natürliche Todesursache festgestellt worden sei.

Die zur personellen Zusammensetzung des Zentralkomitees der DHKP getroffenen Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Bekundungen des Zeugen EKHK Ht. Dieser hat angegeben, dass im Zuge der Sichtung und Auswertung der in Belgien sichergestellten Textdokumente das Protokoll einer gemeinsamen Sitzung der Mitglieder des Zentral- bzw. Generalkomitees der Partei unter Führung des Generalsekretärs aus dem Jahre 1994 aufgefunden wurde, in dem als Mitglieder des Zentralkomitees Dursun Karatas, Faruk E und Arslan T Ö benannt werden.

Faruk E konnte, wie sich aus den Bekundungen des Zeugen POM K ergibt, zusammen mit dem früheren Mitangeklagten D. am 08. April 2007 in einer im Gebäude Frankfurter Straße in Hagen gelegenen Wohnung festgenommen werden. E war im Besitz gefälschter portugiesischer Ausweispapiere (Reisepass und Führerschein). Ausweislich der Angaben des Zeugen EKHK H befindet er sich seither in Untersuchungshaft.

Die weiteren Erkenntnisse des Senats betreffend Arslan T Ö beruhen auf der Erklärung der "Revolutionären Volksbefreiungspartei" im "Bulletin Nr. 40" der DHKP vom 17. August 2008, die auf der Internetseite www.hAinsesi.tv verbreitet und gesichert wurde. Darin wird unter anderem Folgendes ausgeführt:

"(...) Arslan T Ö hat seit dem 9. September 2007 keinerlei Beziehung zu unserer Partei! Arslan T Ö, dessen Festnahme am 14. August im griechischen Teil von Zypern von Presse- und Publikationsorganen bekannt gegeben wurde, hat seit dem 9. September 2007, seit ca. 11 Monaten, keinerlei Beziehungen zu unserer Partei. Daher hat unsere Partei keine Kenntnis über seine Aufenthaltsorte und sein Leben. Anfang 2007 begann mit ihm eine Zeit, um ihn auf verschiedene Aufgaben vorzubereiten. (...)"

Ausweislich der im Vermerk des Bundeskriminalamts vom 06. Oktober 2008 fixierten Erkenntnisse wurde im Rahmen des polizeilichen Informationsaustausches seitens der zypriotischen Behörden am 20. August 2008 unter anderem mitgeteilt, dass Ö am 09. August 2008 bei dem Versuch der Einreise nach Zypern festgenommen worden sei. Unter Heranziehung vorliegender (internationaler) Ausschreibungsunterlagen habe Ö, der gefälschte bulgarische und türkische Ausweispapiere mit sich geführt habe, mittels eines Fingerabdruckvergleichs seinerzeit zweifelsfrei wiedererkannt werden können. Sein gegenwärtiger Aufenthalt ist nicht bekannt.

Die zum sogenannten Todesfasten und den Hintergründen bzw. Folgen der Einführung von F-Typ-Gefängnissen in der Türkei getroffenen Feststellungen beruhen auf den übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen EKHK K, EKHK H und RD V, den - hiermit übereinstimmenden - Ausführungen in den Lageberichten Türkei des Auswärtigen Amts.

4. Bewaffneter Kampf in der Türkei

Die Feststellungen zum bewaffneten Kampf der DHKP-C in der Türkei beruhen im Wesentlichen auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe, Erkenntnissen aus Dokumente n, die von der DHKP-C im Internet verbreitet oder in anderen, der Organisation zuzuordnenden Publikationen veröffentlicht worden sind sowie den Angaben der Zeugen EKHK H, KHK T, KHK M, RD V und EKHK B.

Dass die DHKP-C den bewaffneten Kampf in der Türkei entsprechend ihrer Programmatik betreibt, terroristische Anschläge plant und durchführt, belegen zahlreiche Textdokumente der niederländischen Rechtshilfe. Hierzu gehören beispielsweise, in den Dateien ID-Nr. 748 657, 749 615, 750 001, 752 092, 752 269, 753 127, 754 801, 755 197, 761 907 und 762 258 enthaltene Berichte, in denen Kämpfer, die mit der Ausspähung von Anschlagszielen beauftragt wurden, über entsprechende, konspirative Auskundschaftungen von geeigneten oder bereits ausgewählten Objekten informieren oder damit im Zusammenhang stehende Anweisungen der übergeordneten Führungsebene mit Instruktionen zur geplanten Vorgehensweise nebst konkreten Vorgaben zur Durchführung von Anschlägen entgegennehmen. Aus den Mitteilungen ergibt sich weiter, dass nach Durchführung eines Anschlages von Kämpfern an die Organisationsführung übermittelte Angaben genau analysiert und bewertet werden und die an einem Anschlag Beteiligten ihr jeweiliges Verhalten und Agieren gegenüber der Parteiführung detailliert erläutern und zu kritischen (Nach-) Fragen Stellung nehmen müssen.

Dass zwischen den Einheiten der DHKP-C in der Türkei und Europa ein personeller Austausch stattfindet und einerseits Funktionäre von der Rückfront für die Teilnahme am bewaffneten Kampf in die Heimat geschickt sowie im Gegenzug (ehemalige) Kämpfer aus der Türkei nach (West-) Europa verschubt werden, um hier als (Führungs-) Kader Verantwortung zu übernehmen, wird ebenfalls durch Textdokumente belegt, die von der DHKP-C im Internet verbreitet bzw. in den Niederlanden sichergestellt worden sind.

So wird in einem Textdokument (Datei ID-Nr. 740 922) der Lebenslauf des früheren Verantwortlichen für die Region Nord, "I A Ö", vom 14. Mai 2000 wiedergegeben. Daraus wird ersichtlich, dass Ö Ende 1988 / Anfang 1989 in Istanbul Kontakt zur Organisation aufgenommen und sich "... an den ersten SDB´s, die gebildet wurden, als Kämpfer beteiligt ..." hat. Zu den "Aktionen" an denen er beteiligt war, gehörten - wie sich aus dem genannten Dokument (Datei ID-Nr. 740 922) ergibt - die in "der Zeit 89-90" erfolgte Bombardierung des Polizeikollegs Etiler, die Bombardierung der Eczacibasi Holding, die Bombardierung des Kreisgebäudes Kücükcekmece der ANAP in Sefaköy sowie - im Jahre 1991 - der Molotow-Anschlag auf das türkische Konsulat in Athen / Griechenland. Nach zweijähriger, bis Mitte des Jahres 1994 andauernder Inhaftierung wurde Ö sodann von N E. nach Deutschland berufen, wo er bis Ende 1995 unter dem Decknamen Ufuk verschiedene Aktivitäten entfaltete. Wörtlich heißt es hierzu:

"(...) Als ich rauskam, berief N A mich nach Deutschland und steckte mich dort in eine sehr vielseitige Arbeit. Einerseits war ich damit beschäftigt, das Gebiet Nord in Deutschland (Berlin, Hannover, Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Kiel, Lübeck u. a.) zu organisieren, das heißt, ich war für dieses Gebiet verantwortlich, andererseits habe ich in der Parteischule, die in der Zeit (im Jahre 95) neu gegründet wurde, als Ausbilder gearbeitet, außerdem war ich im Schulungs- und Propaganda-Komitee und gab in verschiedenen Gebieten Seminare (über die Osmanische Geschichte, den Neokolonialismus und die Geschichte der Türkischen Republik), darüber hinaus habe ich eine Reihe von bewaffneten Aktivitäten durchgeführt. (...)"

Aus den weiteren Darlegungen ergibt sich, dass Ö danach wieder in die Türkei (Heimat) zurückgekehrt ist und dort als Kommandeur einer Kampfeinheit an bewaffneten Aktivitäten mitgewirkt hat.

In einem Bericht vom 30. Oktober 2000 (Datei ID-Nr. 734 512) bemerkt A über einen an der Rückfront agierenden Organisationsangehörigen unter anderem Folgendes: "19- Der bei der Zeitschrift arbeitende H (Freund, der von der Guerilla gekommen ist) sagt, er wolle bei M arbeiten. (...)"

Dass die Führung der Organisation über die jeweilige Verwendung ihrer Mitglieder entscheidend, zeigt eine Mitteilung der Europaverantwortlichen vom 17. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 750 553). G schreibt dort im Zusammenhang mit einem Bericht über ein zweitägiges Gespräch mit dem früheren Mitangeklagten A (Deckname: N) unter anderem Folgendes:

"(...) – Ich habe gesagt, dass er seitdem er gekommen ist, immer wieder davon gesprochen hat, in die Heimat zurückzukehren. Darüber sei die Bewegung natürlich wütend gewesen. (...) Die Bewegung erstelle für jeden Menschen eine Rechnung. Man würde hohe Kosten und Risiken in Kauf nehmen, um Menschen nach Europa zu bringen. (...)

- Ich habe darüber erzählt, dass dies Dinge sind, die in der Willkür der Bewegung liegen. Wenn sie das so überlegt hätten, dann hätten sie ihn nicht hierher gebracht. Sie hätten sich andere Dinge überlegt. Bei diesem Thema dürfte man keinen Widerstand leisten. Das Wichtige ist, dass man die Aufgabe an dem Ort durchführt, die von der Bewegung vorgegeben worden ist. Ein Kader muss so sein. Genauso wie sie uns eines Nachts gesagt haben, dass wir nach Europa gehen werden, können sie genauso eines Tages sagen, dass wir in die Heimat gehen müssen, wenn dies notwendig sein sollte. Ich habe erzählt, dass wir ständig auf so etwas vorbereitet sein müssen."

Andere, ebenfalls in den Niederlanden sichergestellte, Textdokumente belegen, dass die DHKP-C über die zur Durchführung terroristischer Anschläge notwendige Bewaffnung bzw. Ausrüstung verfügt. So heißt es beispielsweise in einer organisationsinternen Mitteilung vom 25. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 753 258) wie folgt:

"... Die Liste der gesamten Materialien, die wir vorrätig haben:

KUGELN (...)

MATERIALIEN

1 Fast DEER Automatikwaffe chinesischer Herkunft plus Schalldämpfer (...)

1 CZ 99 (9mm, 15`er) plus Magazin

1 Micro Uzi plus 6 Stück 32`er Magazine plus 2 Stück 25`er Magazin

2 Macro Uzi; eine mit Schalldämpfer (die anderen Uzi Magazine passen dazu)

2 CZ 91 Automatikwaffe plus 3 Magazine

1 Taurus PT92AF (9mm, 15`er) plus 3 Magazine

1 Intratec TEC9B Automatikwaffe (9mm) plus 1 Schalldämpfer plus 1 Magazin (32`er)

1 Zagi M91 (in den Maßen von Macro Uzi, 9mm) plus 1 Magazin (32`er) plus 1

Schalldämpfer

1 Glock Automatikwaffe (9mm) plus 3 Magazine (32`er) plus 1 Schalldämpfer

1 Smith Wessen Modell 5904 (9mm, 15`er) plus 3 Magazine

1 SHE (...)

SONSTIGES (...)"

Unter Berücksichtigung weiterer, in Berichten vom 18. März 2003 (Datei ID-Nr. 764 286) und 14. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 755 665) aufgeführter ("Material-") Listen und der in Mitteilungen Ss vom 19. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 749 603) und 02. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 749 988) enthaltenen Aufstellungen über vorrätige "Materialien" hatte die Organisation seinerzeit eine Rakete, zahlreiche (Maschinen-) Pistolen und Gewehre nebst diversem Zubehör sowie mehrere Tausend Schuss Munition in Depots - außerhalb der Türkei - gelagert.

Schließlich wird in einer auf der Internetseite www.dhkc.org veröffentlichten Erklärung ("DHKC 367: Durch Morde könnt ihr uns nicht fertig machen!") vom 11. April 2007 über eine bewaffnete Auseinandersetzung im Regierungsbezirk Hozat in Dersim "zwischen unseren Guerilleros und militärischen Kräften der Oligarchie" berichtet. Weiter wird mitgeteilt, dass hierbei vier Frontguerilleros, darunter eine Person namens Ergani A getötet wurden. Aus dem anschließend in bezeichneter DHKC-Erklärung mitgeteilten Lebenslauf dieses "Genossen" geht hervor, dass A vor seinem Kampfeinsatz "für die Befreiung des Volkes" in der Türkei, ab 1996 illegal in Deutschland lebte, die Zeitschrift Kurtulus gelesen und sich im Jahr 1999 dem organisierten Kampf angeschlossen hatte. Wörtlich wird hierzu ausgeführt:

"(...) Er hat an den demokratischen Aktivitäten in Dortmund und Duisburg teilgenommen. Bei den Arbeiten Verein, Zeitschrift, Kampagne und Abend hat er Pflichten übernommen. Von Anfang hatte er den Wunsch, ein Guerillero zu werden. (...)"

Dass die DHKP-C ihre Ziele durch den bewaffneten Kampf zu erreichen versucht, hat auch der frühere, für Deutschland und (West-) Europa verantwortliche Führungsfunktionär der Organisation, der Zeuge E, bestätigt. Er hat ferner - ohne dies auf die Zeit bis zum Jahr 1999 zu beschränken - bekundet, dass die Organisation in der Türkei auch Anschläge (Attentate) verübt (hat). Hierbei gehe es - so der Zeuge E weiter - um politische Ziele und Absichten, die gegen "Folter, Mörder, Konterguerilla-Leute und Personen, die sich an Massakern beteiligt" haben, gerichtet seien. Es handle sich um einen illegalen Kampf unter faschistischen Bedingungen mit dem erklärten Ziel, das bestehende Regierungs- und Gesellschaftssystem in der Türkei zu stürzen / beseitigen und durch ein sozialistisches Regime zu ersetzen. Der bewaffnete Kampf werde ausschließlich in der Türkei geführt und sei wegen der dortigen "Übergriffe des Faschismus, Folter und Unterdrückung sowie einer Politik der Auslöschung" erforderlich, um den "eigenen Ideen Gehör verschaffen" und sich schützen zu können. Im Rahmen seiner bezeichneten (Zeugen-) Vernehmung vor dem OLG Düsseldorf hat N E - wie der Zeuge StA H glaubhaft angegeben hat - erläutert, dass der bewaffnete Kampf letztlich dazu diene, durch "spektakuläre Aktionen" und die gezielte Verbreitung von Angst und Schrecken eine Akzeptanz der organisationsinternen Revolutionsziele in der Bevölkerung herbeizuführen.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die DHKP-C bei der Durchführung von Anschlägen von anderen terroristisch agierenden Gruppierungen in der Türkei nicht beeinflusst wurde und wird. Der Zeuge G hat dies in Bezug auf die PKK und andere linksextremkommunistische Organisationen wie z. B. die TKP / ML oder die TIKKO glaubhaft bestätigt. Demzufolge kommt es allenfalls auf der sogenannten "demokratischen Ebene" in Einzelfällen zu einer Zusammenarbeit durch wechselseitige, materielle Unterstützungsleistungen wie z. B. durch Bereitstellung von Waffen. Systematische Kooperationen bzw. eine Koordination bei der Durchführung von "Aktionen" und Anschlägen seien ausgeschlossen.

5. (Exemplarisch aufgeführte) Anschläge und Bestrafungsaktionen der DHKP-C

a. Bis zum 30. August 2002

Tötung des ehemaligen Justizministers der Türkei, Mehmet Topac

Die Feststellungen zu dem am 29. September 1994 verübten Anschlag auf den früheren Justizminister der Türkei, Mehmet Topac, ergeben sich aus der schriftlichen Tatbekennung zu diesem Attentat im "Nachrichtenbulletin der Revolutionären Volksbefreiungsfront NUMMER: 1" vom 30. September 1994. Dort heißt es unter anderem wie folgt:

"(...) In dem jetzigen Stadium unseres Kampfes haben unsere Kämpfer, die der KOMMANDANTUR der M G-BEWAFFNETEN-PROPAGANDAEINHEITEN, REVOLUTIONÄRE VOLKSBEFREIUNGSFRONT in Ankara unterstehen, den Justizminister a. D. Mehmet Topac, den einen der Vertreter des abgewrackten Justizsystems, der während der Regierungszeit der ANAP, die dem Schein nach die zivile Fortsetzung der faschistischen Militärjunta vom 12. September darstellte, dem Imperialismus und seinen Kollaborateuren, einer Handvoll Verrätern, diente , am 29. September 1994 um 14:50 Uhr im Gegenzug seiner Straftaten mit dem Tod bestraft. Nach der Aktion sind unsere Kämpfer zu ihren Stützpunkten zurückgekehrt. (...)"

Die Richtigkeit dieser Erklärung wird bestätigt durch Darlegungen Rabbena H, die sich ausweislich der Angaben in ihrem, in einem organisationsinternen Dokument vom 03. September 1998 (Asservat 3.31.148) enthaltenen, Lebenslauf "als Kämpfer und Kommandant" in einer bewaffneten Einheit der DHKP-C in der Türkei betätigt und in dieser Funktion auch an der Bestrafung von Mehmet Topac teilgenommen hat.

Nach den Bekundungen des Zeugen StA H hat auch der frühere Deutschland- und Europaverantwortliche N E im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf angegeben, dass die Ermordung Mehmet Topacs ein spektakulärer Anschlag der DHKP-C gewesen sei. Hinweise, dass die zugehörige Selbstbekennung der Organisation zu diesem Attentat unrichtig gewesen sei, habe es nicht gegeben.

Sabanci-Anschlag (vgl. nachf. 6.)

(Selbstmord-) Anschlag des U B

Die Feststellungen zu dem durch U B im September 2001 begangenen Selbstmordanschlag beruhen auf der im Internet veröffentlichten Selbstbekennung der DHKP-C vom 10. September 2001 (Erklärung: 208), in welcher das Attentat als Abrechnung für eine Aktion der türkischen Sicherheitsbehörden vom 19. Dezember 2000 in türkischen Vollzugsanstalten bezeichnet wird. Unter anderem wird Folgendes ausgeführt:

"(...) Am 10. September um 17:40 Uhr haben wir mit der Aufopferungsaktion, die gegen die Cevvik Kuvvet Einheit durchgeführt wurde, Rechenschaft verlangt, von den Handlangern, die Menschen lebendig verbrennen, die in den F-Typen KZ-Lagern tyrannisieren, in 326 Tagen 64 unserer Menschen ermordeten, versuchen Demonstrationen mit Terror zu zerschlagen, im Namen des IWF foltern, morden und massakrieren. (...) Unser Aufopferungskämpfer U B hat sich unter die Mörder gemischt und in einem Land, wo die Freiheit massakriert wird, vom legitimen Recht des Volkes Gebrauch gemacht, Rechenschaft zu verlangen. (...) Wir werden Widerstand leisten und kämpfen. (...) Genossen wie G und Uğur opfern sich dafür auf. (...) G K, einst Todesfastenkämpfer, hat sich auf der Polizeiwache von Sisli selbst gesprengt, von ihm bis Uğur B werden noch Tausende von Aufopferungskämpfern für Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit Widerstand leisten und kämpfen. (...)

P. S. Laut der letzten Meldung, die wir von der Aufopferungsaktion in Taksim Gsuyu erhalten haben, gibt es neben den volksfeindlichen Massakrieren auch Menschen vom Volk, Touristen die zu den Verletzten zählen. Die 30-jährige Praxis unserer Front ist bekannt. Unsere Kämpfer tun stets alles Mögliche, damit dem Volk nicht geschadet wird. Damit solche Vorkommnisse nicht mehr passieren, erinnern wir sie noch einmal daran, von Polizei- und Gendarmerieposten fern zu bleiben.

REVOLUTIONÄRE VOLKSBEFREIUNGSFRONT DEVRIMCI HA KURTULUS CEPHESI"

Eine damit korrespondierende Erklärung findet sich auch in einer - von der Generalsicherheitsdirektion Ankara im Wege der Rechtshilfe übermittelten - E-Mail-Nachricht des Brüsseler Informationsbüros der Revolutionären Volksbefreiungsfront vom 10. September 2001, in der unter anderem Folgendes ausgeführt wird:

"(...) Man hat sich zur Aufopferungsaktion von Taksim bekannt. Bekennung seitens der DHKC-Kämpfer, die per Telefon unser Büro angerufen haben. Indem Folgendes am Telefon gesagt wurde, hat man sich zur Aktion bekannt `die Aufopferungsaktion gegen die schnelle Eingreiftruppe in Taksim wurde seitens unseres Kämpfers U B, der aus dem F-Typ-Gefängnis in Sincan entlassen wurde, durchgeführt. Diejenigen, die am 19. Dezember bei lebendigem Leibe angezündet / verbrannt haben, diejenigen, die in den F-Typ-Gefängnissen die Grausamkeit fortführen, werden auch den Preis dafür bezahlen. Revolutionäre Volksbefreiungsfront"

In ihrer Erklärung Nr. 209 vom 12. September 2001 (Datei ID-Nr. 731 072) bekannte sich die Organisation erneut zu dem am 10. September 2001 in Taksim durchgeführten "Opferanschlag auf die Einheit des Sondereinsatzes" durch Bekanntgabe der "(...) letzten Worte unseres Kämpfers U B (...)".

Darüber hinaus stützen sich die Feststellungen des Senats zu diesem Anschlag auf eine Videoaufzeichnung, die nach den übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen KHK M und B. im Rahmen der am 01. April 2004 erfolgten Durchsuchungsmaßnahme in den Niederlanden aufgefunden und sichergestellt worden ist. Eine Kopie dieses Videofilms wurde im Wege der Rechtshilfe dem Bundeskriminalamt übergeben. In dieser Videoaufzeichnung kündigt eine männliche Person die bevorstehende Durchführung eines Selbstmordanschlags (im Original in türkischer Sprache). In diesem Mitschnitt ist zu sehen, wie der Sprecher vor laufender Kamera einen Sprengstoffgürtel an seinem Körper befestigt. Die letzten beiden Sätze der Erklärung beziehen sich ersichtlich darauf, dass ihm das Anlegen des Sprengstoffgürtels Schwierigkeiten bereitete. Die in der bezeichneten Videoaufzeichnung von U B zur Rechtfertigung seines Vorgehens abgegebenen Erläuterungen stimmen mit den in der Selbstbekennung der Organisation vom 12. September 2001 (Nr. 209) als "letzte Worte unseres Kämpfers U B" veröffentlichten Erklärung überein. Ergänzend hat der Zeuge EKHK B glaubhaft angegeben, dass infolge dieses Anschlags zwei Polizeibeamte (H. D und T. Karatas) und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt worden sind.

b. Nach dem 30. August 2002

15. April 2003: Anschläge auf ein Justizgebäude und zwei Restaurants

Die zur Urheberschaft der DHKP-C hinsichtlich dieser Anschläge getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der im Internet veröffentlichten Erklärung 299 des DHKC-Informationsbüros vom 16. April 2003. In dieser mit der Überschrift "Die McDonalds Restaurants und die Erholungsbereiche in den Richterwohnungen sind zerstört worden" versehenen Erklärung heißt es unter anderem wie folgt:

"(...) Am 15. April 2003 haben unsere KämpferInnen in den Istanbuler Stadtteilen Pendik und Sirkeci McDonalds-Restaurants, sowie Wohnbezirke von Richtern in Istanbul bombardiert und zerstört, nachdem sie die Menschen evakuierten. Wir haben diese Aktionen gemacht, um von Amerika sowie der mit Amerika kollaborierenden Regierung für die Massaker im Irak und in unserem Land Rechenschaft zu verlangen. (...)"

Die Verantwortlichkeit der DHKP-C für den Anschlag auf das Justizgebäude belegt ferner ein Textdokument aus der niederländischen Rechtshilfe. So wird in einem Schreiben vom 20. März 2003 (Datei ID-Nr. 764 217) über die Ausspähung von möglichen Anschlagszielen berichtet und unter anderem Folgendes ausgeführt:

"(...) 3- Bezüglich Ausspähung: A) Ich habe mich nach Offizierswohnungen in Balmumcu umgeschaut. Die befinden sich neben der Behörde für Öffentliche Arbeit und Siedlungswesen, wo wir zuvor einen Anschlag gemacht hatten, und direkt gegenüber der Münzprägeanstalt. ... B) Ich habe kein Ergebnis im Internet zu Wohnungen von Offizieren und Generälen gefunden. Außer dem Richterhaus gibt es keine Institution, die dem Justizministerium angeschlossen sind. Es gibt etwas, wie die Stiftung zur Stärkung von Justizbehörden, die allerdings keine Institution aufweist. (...)"

Die zur Täterschaft betreffend den Anschlag auf die bezeichnete Sozialeinrichtung für Richter getroffene Feststellung beruht auf den Bekundungen des Zeugen EKHK B. Dieser hat glaubhaft angegeben, dass - im Nachhinein - anhand von durchgeführten DNA-Untersuchungen Semiran P, eine der DHKP-C angehörende "Kämpferin", als Attentäterin ermittelt worden sei.

20. Mai 2003: Versuchter Bombenanschlag auf das türkische Justizministerium

Seine Feststellungen zur Verantwortlichkeit der DHKP-C hinsichtlich dieses Vorkommnisses stützt der Senat auf die im Internet als Erklärung: 302 des DHKC-Informationsbüros verbreitete Tatbekennung vom 20. Mai 2003. Diese enthält unter anderem folgenden Passus:

"(...) Die opferbereiten KämpferInnen sind unerschöpflich! Die Şengül´s werden ihren Weg fortsetzen! Man kann uns nicht an den Fingern abzählen. (...) Sie hat ihr Ziel nicht erreicht, weil ein technisches Problem aufgetreten ist. Aber dennoch wurden jene, die sich dessen ganz bewusst waren auf der Zielscheibe zu stehen, durch diese Explosion schüttert. Sie haben sich zu Tode erschrocken... Die sich aufopfernde Kämpferin Şengül Akkurt ist infolge einer Explosion während der Vorbereitung einer Aufopferungsaktion in Ankara Kizilay, in den Morgenstunden des 20. Mai gefallen. Die sich aufopfernde Kämpferin Şengül A hat sich auf den Weg gemacht, um Rechenschaft für die von Amerika und seinen Kollaborateuren angewandte Vernichtungspolitik, die Unterdrückung durch Isolation und unsere 106 Gefallenen zu verlangen. (...)"

In einer weiteren, ebenfalls im Internet verbreiteten, Erklärung 305 der "Revolutionären Volksbefreiungsfront - Aufopferungseinheiten" vom 03. Juni 2003 wird die vorangegangene Tatbekennung mit den Worten: "... AufopferungskämpferInnen gehen nicht aus; die Sengül werden ihren Weg fortsetzen!" nochmals bekräftigt.

Diese Selbstbezichtigungen der Organisation werden durch eine Videoaufzeichnung bestätigt, die - wie die Zeugen KHK M und KHK S übereinstimmend bekundet haben - im Rahmen von Durchsuchungen bei Anhängern der DHKP-C in Süddeutschland und in den Niederlanden aufgefunden wurde. In der ersten Filmsequenz wird eine Aufschrift mit folgendem Inhalt eingeblendet:

"Die Aufopferungskämpferin Sengül A ist am 20. Mai 2003 in Ankara Kizilay durch eine Explosion während der Vorbereitung einer Aufopferungsaktion gefallen. Sie hatte ihr Ziel noch nicht erreicht. Daran hinderte sie ein technisches Hindernis. Aber diejenigen, die sehr gut wussten, dass sie am Ziel war, wurden durch diese Explosion erschüttert."

Die sich daran anschließenden Filmaufnahmen zeigen eine weibliche Person, die ihre rechte Hand auf eine Fahne der Organisation legt, die linke - zur Faust geballte - Hand in die Höhe streckt und sich sodann folgendermaßen erklärt:

"Ich schwöre auf unsere Fahne, die die Gerechtigkeit unseres Volkes und das Blut unserer Märtyrer symbolisiert, dass ich bis zur Unabhängigkeit unseres Landes und der Befreiung unserer Völker vom Imperialismus und Faschismus, welche für Armut und Grausamkeit sowie die nationale Unwürdigkeit verantwortlich sind, kämpfen werde. Mein Eid ist meine revolutionäre Würde und Ehre. Sollte ich dies nicht realisieren, soll meine Strafe ein unwürdiger Tod sein. Alles für das Volk! Alles für die Front! Hoch lebe unser Führer / Vorsitzender Dursun Karatas! Hoch lebe die Revolutionäre Volksbefreiungspartei / -front!"

Im Anschluss an die Einblendung der Worte: "Helden sind unsterblich" propagiert die Person nach Darstellung ihres Lebenslaufs den revolutionären Kampf und erklärt ihre unumstößliche Absicht, sich nunmehr "opfern" zu wollen. Die Aufnahmen zeigen, wie die Person den Sprengstoffgürtel an ihrem Körper befestigt. Sodann wird folgender Text visualisiert: "Sengül A hat sich geopfert, um wegen der Vernichtungspolitik der USA und deren Kollaborateure, der Grausamkeit durch Isolation, sowie unseren 106 Märtyrern Rechenschaft zu verlangen".

Die Urheberschaft der DHKP-C für diesen versuchten Selbstmordanschlag bestätigen darüber hinaus zahlreiche Textdokumente aus der niederländischen Rechtshilfe. Diese enthalten neben der Schilderung umfangreicher Vorbereitungshandlungen insbesondere auch Ausführungen zur Herstellung einer Video-Dokumentation. Sie belegen, dass die Vorbereitung und Durchführung des geplanten Anschlags durch die Selbstmordattentäterin Sengül Akkurt von einer übergeordneten Organisationsebene der DHKP-C gesteuert und überwacht wurde.

Dass es sich bei der mit dem Decknamen Elmaci bezeichneten Person um die Selbstmordattentäterin Sengül A handelte, ergibt sich aus einem auf den 14. Mai 2003 datierten Textdokument (Datei ID-Nr. 755 651), in dem in einer "Notiz von Elif" auf den "Lebenslauf von Elmaci" hingewiesen wird. Nach den Angaben "... 1-Sengül A 2- 18. Mai 1977 - Malatya ..." folgen detaillierte Darlegungen zum Werdegang A, deren Familie und Fähigkeiten sowie ihrer Beziehung und Einstellung zur "... Bewegung ...". Auszugsweise wird ein Teil dieses Lebenslaufs auch in der Erklärung des DHKC-Informationsbüros Nr. 302, in der sich die DHKP-C zu dem von Sengül A geplanten Selbstmordanschlag bekannt hat, wiedergegeben.

Eine auf den 14. Mai 2003 datierte "Notiz von Elif" (Datei ID-Nr. 755 650) enthält ein Schreiben von Elmaci, in dem Sengül A unter anderem die Motivation für ihren Tatentschluss und die Beweggründe ihres Handelns folgendermaßen umschreibt:

"(...) Ich will sofort mitteilen, dass es für mich eine große Ehre ist, dass unsere Bewegung mich als einen ihrer einfachen Soldaten für diese Aufgabe als würdig betrachtet hat. Ich bin sehr glücklich darüber. (...) Wir können unser eigenes Schicksal nur mit der Revolutionären Volksregierung bestimmen. Lasst uns in den Reihen der Revolutionären Volksbefreiungsfront vereinigen und kämpfen. (...)"

Nach dem fehlgeschlagenen Attentat setzt sich "Elif" in mehreren Textdokumenten mit dem Grund für das Scheitern des Anschlags auseinander. In einer auf den 20. Mai 2003 datierten "Notiz" (Datei: Export-3/Unallocated Clusters~414) schreibt sie unter anderem Folgendes:

"(...) Punkt 2- Ich habe den Bericht über die Apfelverkäuferin in den 11.00 Uhr Nachrichten gesehen. Sie war sehr aufgeregt gewesen. Ihr war im Bus übel geworden. Sie hat sich drei Mal übergeben müssen, als wir von der europäischen zur anatolischen Seite gefahren sind. (...) In Ankara angekommen, sollte sie in ein Taxi einsteigen und bis Kizilay (Stadtteil von Ankara) fahren. Von Kizilay aus war das Ziel nicht weit entfernt. In Kizilay würde sie in ein Taxi einsteigen und bis zum Ziel fahren. Sie wusste, dass sie die Batterie anbringen und den Knopf in ihrer Hand halten musste, als sie sich dem Ziel näherte. Das hatten wir wieder und wieder besprochen. (...)"

In einer Mitteilung vom 22. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 749 664) befasst sich "Elif" mit Erwägungen zu der Frage, aus welchem Grund der Anschlag ohne Erfolg geblieben ist. Überdies beschreibt sie detailliert, wie sie die Vorrichtungen bei der Selbstmordattentäterin (Elmaci) angebracht und diese eingewiesen habe. Am 21. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 845) teilt "Elif" schließlich unter anderem mit, dass sie ein "... gebrauchtes Sony-Videogerät ..." gekauft und - wie zuvor angeordnet - "... 4 Kopien von Sengülül Kassette vorbereitet ..." habe.

Die Urheberschaft der DHKP-C für diesen versuchten Anschlag belegt schließlich auch ein Bericht vom 03. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 077). Dort heißt es unter Punkt 1.2 und 1.3 wie folgt:

"(...) 1.2- Die Gedenkfeier für Sengül fand am letzten Samstag (31. Mai) in Karlsruhe und am F in Wien auf der Grundlage der Erklärung Nummer 302 statt. Dabei wurde die Opfertradition hervorgehoben, wobei die Artikel der 18. Ausgabe von Ds zugrunde gelegt wurden. Es war nicht schlecht. In Karlsruhe nahmen 30, in Wien dagegen 42 Personen teil. Die Berichte wurden am gleichen Tag an die Wöchentliche geschickt. In Frankfurt konnte am gleichen Wochenende kein geeigneter Saal gefunden werden. Deshalb findet das nächste Woche statt. Auch in Saarbrücken ist das erst nächste Woche.

1.3- Natürlich hat der Märtyrertod von Sengül in unseren Reihen Moral und Kraft verliehen. Es wurde gesagt, dass die Größe des Anschlags eine heftigere Auswirkung gehabt hätte, wenn sie ihr Ziel erreicht hätte. Jeder der die Nachricht hörte, hat im Internet nach einer Erklärung und Nachricht gesucht und gelesen... Im Süden haben die vorrangigen Leute der Opportunisten des Gebietes zufällig unsere Leute getroffen und neugierig nach der Phase gefragt: ´Wie sind die Entwicklungen?´(...)"

Sowohl die namentliche Bezeichnung der verstorbenen Person ("Sengül"), wie auch die Einordnung ihrer Tat ("Opfertradition") bzw. ihres Todes ("Märtyrertod") und die Mitteilung, dass das Anschlagsziel nicht erreicht wurde, passen zu der von Sengül A am 20. Mai 2003 durchgeführten "Aktion". Der Bericht nimmt überdies auf die Erklärung Nummer 302 Bezug. Das DHKC-Informationsbüro hat sich - wie dargelegt - in der Erklärung 302 zu der Tat Sengül A bekannt.

Der Senat ist daher überzeugt, dass in dem bezeichneten Abschnitt der genannten Textdatei dieser versuchte Bombenanschlag thematisiert worden ist.

03. Juni 2003: (Bomben-) Anschlag auf einen Bus der Justizbehörden

Die Feststellungen zur Urheberschaft der DHKP-C für diesen Anschlag beruhen auf der über das Internet verbreiteten, als Erklärung 305 des DHKC-Informationsbüros vom 03. Juni 2003 bezeichneten Selbstbekennung. Darin wird unter anderem Folgendes ausgeführt:

"Die Isolation geht weiter... das Massaker geht weiter... Wir gebrauchen unser Recht zur Vergeltung. Wir attackierten die Vertreter der ´Gerichte´, diejenigen, die die Massaker freisprachen, die Vertreter des Staatssicherheitsgerichts (DGM). SCHAFFT DIE ISOLATION AB! Heute haben wir von unserem Vergeltungsrecht Gebrauch gemacht und einen Angriff gegen die Staatsanwälte und Richter der Staatssicherheitsgerichts durchgeführt. Auf der Küstenstrecke in Brköy wurde am 3. Juni 2003 um 08:15 Uhr auf die Shuttlebusse der Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts von unserer Aufopferungseinheit ein Angriff mit einer ferngezündeten Bombe durchgeführt. Während die Shuttlebusse, welche die Staatsanwälte und Richter des Staatssicherheitsgerichts beförderten und die Polizeieskorte zerstört wurden, sind auch einige unserer Zielobjekte verletzt worden. Die Aktion verlief erfolgreich. Unsere KämpferInnen führten ihren Auftrag aus und warten nun auf einen neuen Auftrag für das nächste Ziel. (...)"

Bestätigt wird die Richtigkeit und Authentizität dieser Selbstbezichtigung durch verschiedene Textdokumente aus der niederländischen Rechtshilfe. So werden z. B. in einer Notiz vom 23. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 750 311) Abfahrtszeiten / -orte sowie Fahrtroute eines Fahrdienstes für Richter und Staatsanwälte mit Stand vom 18./19. Oktober 2002 mitgeteilt. In einem anderen Dokument vom 30. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 751 624) wird berichtet, dass die Anschlagsvorbereitungen weiter vorangetrieben und unter anderem eine Fernzündungsprobe an dem Ort, "... wo die Sache stattfinden wird ..." durchgeführt worden sei. Abschließend zeigt sich der Verfasser der Nachricht davon überzeugt, "... dass wir auf jeden Fall den Konvoi kriegen werden. ...". In einer Notiz vom 31. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 761 913) werden Strecken- und Zeitangaben zu der Bewegung eines Fahrzeugkonvois konkretisiert. Es folgt eine Erklärung, dass die Wahrscheinlichkeit, das Ziel ("ein großes Verkehrsmittel") zu verfehlen, als sehr gering eingeschätzt wird. Am 02. Juni 2003 wird in einer weiteren Mitteilung (Datei ID-Nr. 761 884) unter anderem wie folgt berichtet:

"(...) Es gibt keinerlei Probleme. Bis 07:45 Uhr laufen die Müllleute umher, aber ich denke, dass es für uns kein Problem sein wird. Das heißt, sie durchwühlen nicht das, was wir deponiert haben, ich werde auch bis in die letzten Minuten so in der Nähe sein, dass ich in solch einem Fall eingreifen könnte. (...) 3. Um 08:13 Uhr kommt der Konvoi. Die sind jedes Mal zur selben Zeit gekommen. Heute war starker Verkehr, sie sind mit etwa 30 km/h vorwärts gekommen. Wenn es so ist, ist es natürlich noch viel besser. Wenn die Sache erledigt ist, habe ich in 3 Minuten die nähere Umgebung und in 7 - 10 Minuten den Stadtteil verlassen. Andere Probleme gibt es nicht. (...)"

Im Schreiben vom 03. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 761 926) sind detaillierte Schilderungen zur Tatausführung enthalten. Nach Darlegungen zum Aufbau des Sprengsatzes und der Zündvorrichtung wird über die Annäherung an den Tatort und die Platzierung der Bombenvorrichtung berichtet. Sodann heißt es wie folgt:

"(...) Um 08:14 Uhr konnte man den Konvoi sehen. Der Verkehr, der bis vor fünf Minuten frei und schnell geflossen war, war in den Minuten dichter geworden. Das Servicefahrzeug hatte vier Begleitwagen, einen vorne und drei hinten. Als der Konvoi unter die Brücke fuhr, habe ich genau auf Höhe des Servicefahrzeugs auf den Knopf gedrückt. Zuerst war eine etwa einen Meter hohe Flamme und noch mehr schwarzer Rauch zu sehen. Ich S , dass das Servicefahrzeug getroffen war. (...)"

In der Folge wird der Verlauf der Absetzbewegung geschildert. Schließlich wird mitgeteilt, dass sich nach Kenntnisnahme der Fernsehberichte über den Anschlag Enttäuschung breit gemacht habe. Man habe mit einem größeren Schaden gerechnet und sei davon ausgegangen, dass es "... mindestens einige Tote geben ..." werde. Als Resümee wird festgehalten: "(...) Im Ergebnis ist die Aktion genau so, wie wir sie uns gedacht haben, genau nach unserem Plan verlaufen. Nur der Effekt war nicht so groß, wie wir erwartet hatten. (...)" Eine Notiz vom 09. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 258) enthält sodann folgende Schlussfolgerung: "... Wie ihr es bereits gesagt habt, müssen wir uns darauf konzentrieren und Taktiken entwickeln, wie solche Anschläge noch effektiver sein und mehr Schaden anrichten können. (...)"

15. / 16. Juli 2003: Versuchter Bombenanschlag auf ein Vergnügungszentrum

Die Verantwortlichkeit der DHKP-C für diesen Anschlag belegen mehrere, in den Niederlanden sichergestellte Textdokumente, aus denen sich ergibt, dass das Istanbuler Vergnügungszentrum Laila im Auftrag der DHKP-C ausgespäht und dort sodann eine USBV mit Fernzündung deponiert wurde. So berichtet "Nedim" in einem Schreiben unter dem Datum 23. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 750 274) von seinem Entschluss, "... Selim auch zu Laila schicken ..." zu wollen. In einer ebenfalls mit dem Datum 23. Juni 2003 und der Überschrift "Guten Tag, Elifs Notizen" versehenen Notiz (Datei ID-Nr. 750 281) heißt es unter anderem:

"ARTIKEL -10- Das THEMA bezüglich VERGNÜGUNGSSTÄTTEN Laila und so weiter; (...) Ich möchte zunächst Tourismusunternehmen ausfindig machen und deren Orte finden. Dann können wir es klären, welches wir als Ziel auswählen werden. (...) ARTIKEL -12- Laila und Reina sind Orte, bei denen die Bevölkerung Scham empfindet, wenn sie diese sehen würde. (...) Wenn wir dennoch nicht rein sollten, werde ich nachschauen, wie ich bei den Hotels und auch bei den Vergnügungsstätten dieser Art in der näheren Umgebung Schaden anrichten kann, wie wir in der Nähe etwas platzieren können. (...)"

In einem Schreiben bestätigt "Nedim" am 25. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 750 325), Berichte ("Zeitungsartikel") zu "Laila und Reina" bekommen zu haben. Anschließend informiert er über bereits durchgeführte bzw. noch bevorstehende Ausspähungen betreffend diese Objekte und teilt sodann mit: "(...) Ich denke, dass es sehr schön und wirksam sein wird, diese Ziele zu treffen. (...)" In einem Textdokument vom Folgetag (Datei ID-Nr. 750 195) wird ebenfalls über die Ausspähung von Laila berichtet. Es werden Zugangsmöglichkeiten und Sicherheitsvorkehrungen beschrieben. Dabei sei auch geprüft worden, "... Ob wir es außerhalb / draußen abstellen können...". Schließlich wird (an-) gefragt, ob "... für diese Örtlichkeiten die Fernsteuerungen über Mobiltelefone ..." vorbereitet werden sollen. In einer Notiz vom 03. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 750 001) erklärt "Elif", dass sie Laila und Reina weiter ausspähen werde. In einem Schreiben vom 10. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 753 127) berichtet "Nedim" unter anderem Folgendes:

"(...) 2- Die Klärung der Unterhaltungsorte sollte nicht bis zum 15. Juli warten. Das muss vor dem 15. geklärt und mitgeteilt werden. (...)

b) Bezüglich Laila können wir in der Art, wie ich zuvor in den Notizen erwähnt habe, vom Park, der sich links befindet, wenn man von der Straße auf Laila schaut, an die Seite von Laila gelangen. Das heißt, wir können hier ein Paket liegen lassen. Wenn wir hierhin legen, können wir zeitgesteuert oder telefonisch auf diese zwei Arten durchführen. Wir können zuvor anrufen und evakuieren lassen. Wir können die Form, die wir gelegt haben, verstärken. Dafür können wir Gase benutzen, in den Maßen von Insektenvernichtungssprays, die dazu verwendet werden, mit Schießpulver Gase zu füllen. Flammen in Verbindung mit der Detonation können Angst und Panik erhöhen. Da die Stelle, wo wir legen werden, mit vielen Bäumen umgeben und dunkel ist, fällt sie nicht weiter auf. (...)"

Unter Punkt 5 des bezeichneten Berichts wird mit dem Hinweis: "... Laila, Reina und Offizierswohnhäuser sind klar. Alle drei sind klar. ..." versichert, dass die genannten Örtlichkeiten vollständig ausgekundschaftet worden seien. In einer nachfolgenden Mitteilung vom 13. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 752 269) wird der bevorstehende Anschlag auf das Vergnügungszentrum erneut wie folgt thematisiert:

"(...) 6- Bei dem Punkt: `Da wir Laila am Abend machen werden, sollten wir - wenn möglich - am gleichen Tag am Morgen von den Tourismus Unternehmen Öger Tour machen. Auch hier können wir es so machen, dass wir die übrig gebliebene Hälfte des Sprengstoffes und wiederum Pulver und Spraydosen hineintun und verstärken. Auch hier müssen wir eine Warnung machen. Sie müssen es auf jeden Fall räumen. Wir müssen an einer Stelle sein, bevor es explodiert. (...)"

Unter dem Datum 20. Juli 2003 wird in einer weiteren Nachricht (Datei ID-Nr. 754 383) schließlich detailliert über die Ausführung des beschriebenen Anschlags berichtet. Es wird mitgeteilt, dass man Fernsehsender über die Deponierung einer Bombe "im Laila" informiert und sodann "... mit Bekennung der DHKC aufgelegt ..." habe. Auch die Betreibergesellschaft der Vergnügungsstätte Laila sei unterrichtet und aufgefordert worden, das Gelände evakuieren zu lassen.

06. August 2003: (Bomben-) Anschlag auf einen Militärbus

Die zur Urheberschaft der DHKP-C bezüglich dieses Anschlags getroffenen Feststellungen stützen sich auf die Selbstbekennung in der (Internet-) Erklärung 309 des DHKC-Informationsbüros vom 06. August 2003. Darin wird unter anderem Folgendes ausgeführt:

"Wir werden die Einzelzellen und die Isolation nicht hinnehmen! Wir werden damit fortfahren, Rechenschaft für 107 Tote zu verlangen! Am 06. August 2003 haben unsere KämpferInnen einen Bombenangriff auf einen Bus durchgeführt, welcher die unmittelbar am Gefängnismassaker vom 19. Dezember beteiligten Kommandanten der Gendarmerie-Kommandobrigade beförderte.(...)"

Die Richtigkeit dieser Erklärung wird durch mehrere Dokumente der niederländischen Rechtshilfe belegt. So wird z. B. in einer "Notiz von Elif" vom 31. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 755 245) mitgeteilt, dass "...Die Busse, unsere Ziele, ...." seien. Anschließend beschreibt sie "...Die Stelle, wo wir unser Ziel treffen werden, ...". Als Zielobjekte werden "Ringverkäufer" benannt. Mit dieser Tarnbezeichnung werden organisationsintern Angehörige des Militärs umschrieben, wie folgende Passage in der bezeichneten Notiz belegt:

"(...) Bezüglich des Zieles A- Die Ringverkäufer befinden sich in Zivilbussen 304. B- Diese Busse sind in der Regel voll. Manchmal sind sie aber auch nur halb voll. Das heißt, jeder 2. Bus ist voll. Wenn wir bedenken, dass nur die Hälfte voll ist, dann sind mindestens 25 Ringverkäufer vorhanden. Wenn er voll ist, dann sind 45-50 Ringverkäufer in einem Bus. C- Ja, diese Ringverkäufer haben hohen Rang. Ich denke, dass es solche sind, die ihre Militärausbildung abgeschlossen haben, und danach geblieben sind. Ich habe mir noch die Uniform der im Bus befindlichen angesehen. Soweit ich weiß, sind die die am Arm Kerben haben Hochrangige. Die einfachen Soldaten haben nichts am Arm. (...)"

In der Mitteilung vom 02. August 2003 (Datei ID-Nr. 755 197) wird über Ausspähungen "... Bezüglich des Ringverkäufers ...". berichtet und verschiedene Örtlichkeiten beschrieben, an denen der geplante Anschlag durchgeführt werden kann. Unter dem Datum 04. August 2003 (Datei: Export-6/Unallocated Clusters~205) teilt "Elif" unter anderem Folgendes mit:

"...PUNKT 3- ALLE MEINE VORBEREITUNGEN SIND ABGESCHLOSSEN. ICH WERDE DEN ANSCHLAG MORGEN, DIENSTAG, DEN 5. AUGUST 2003, ETWA 07.45 UHR DURCHFÜHREN. ICH WERDE EUCH/IHNEN CA. 09.30 / 10.00 UHR DIE NOTIZ SCHICKEN. (...)"

Im Schreiben vom 10. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 096) beschreibt "Elif" schließlich den (Bomben-) Anschlag auf einen Bus, in dem Offiziere befördert wurden. Ihr sei aufgefallen, dass die Passagiere im Bus danach nicht ausgestiegen seien. Neben Darlegungen zum Aufbau des Sprengsatzes wird bestätigt, dass die Explosion per Fernsteuerung erfolgt sei.

22. April 2004: (Bomben-) Anschlag auf ein Militärfahrzeug

Die Feststellungen zur Urheberschaft der DHKP-C beruht auf der mit "DHKC 330: Das Massaker vom 19. Dezember wird Gerechtigkeit erlangen!" überschriebenen Selbstbekennung vom 22. April 2004. Darin wird zu dem Vorgang unter anderem wie folgt Stellung genommen:

"(...) Am 22. April haben wir um 7.45 Uhr in HAA ein(en) Bombenanschlag auf ein Dienstfahrzeug verübt, welches Offiziere der Militäreinheit beförderte. Bei diesem Anschlag unter der Brücke AltinY der TEM Autobahn in Bahcelievler wurde das Fahrzeug der massakrierenden Angehörigen der Armee zerstört. Unser Anschlag ist eine Fortsetzung von Anschlägen, um für das Massaker in Gefängnissen in der Zeit vom 19. - 22. Dezember Rechenschaft zu verlangen. Wir werden auch weiterhin Rechenschaft für das Massaker fordern. Wir werden die Mörder nicht in Ruhe lassen, so wie unsere Kämpfer die Mörder weiterhin verfolgen werden. (...)"

24. Juni 2004: (Bomben-) Anschlag auf einen städtischen Verkehrslinienbus

Dass auch dieser Anschlag der DHKP-C zuzurechnen ist, belegt zur Überzeugung des Senats die als "DHKC 335: Entschuldigung und Erklärung" bezeichnete, im Internet veröffentlichte Selbstbezichtigung vom 25. Juni 2004. Darin wird unter anderem Folgendes ausgeführt:

"Am 24. Juni gegen 15:00 Uhr hat unsere Genossin Semiran P eine Bombe mit sich getragen. Sie wollte das Massaker ihrer Genossen im Gefängnis rächen. Die Bombe ist im Bus explodiert, unsere Genossin Semiran P und die Passagiere Zehra P, Kemal P und Feride I sind gestorben. (...) Wir wiederholen noch einmal unsere Verantwortung für eine Bombe, die für die Volksfeinde gedacht war und durch ein Unglück explodierte. (...)"

Der Zeuge EKHK B hat bestätigt, dass die in bezeichneter Bekennung genannte Semiran P anhand durchgeführter DNA-Untersuchungen als Attentäterin zweifelsfrei wiedererkannt worden ist. Er hat weiter glaubhaft bekundet, dass bei dem, anlässlich des damaligen NATO-Gipfels in der Türkei verübten, Anschlag außer der Attentäterin drei Menschen getötet und 21 weitere Personen, teilweise schwer, verletzt worden sind.

01. Juli 2005: (Versuchter) Anschlag auf das türkische Justizministerium

Die Feststellungen zur Verantwortlichkeit der DHKP-C für diese Tat beruhen auf einer Tatbekennung, die am 03. Juli 2005 unter der Überschrift: "DHKC 350: Eyüp Baz und Seinesgleichen werden weiterhin Rechenschaft verlangen" über das Internet verbreitet wurde. Darin wird zu dem Anschlag unter anderem wie folgt Stellung genommen:

"(...) Die AKP Regierung ist für das Isolationsmassaker verantwortlich. Diejenigen, die denken, dass sie für die 119 Toten keine Rechenschaft ablegen werden, täuschen sich. Wir standen an der Tür des Justizministeriums, um Rechenschaft zu fordern. (...) Am 1. Juli wurde von unserem Kämpfer Eyüp B eine Aufopferungsaktion gegen das Justizministerium durchgeführt. Aus irgendeinem Grund, den wir noch nicht kennen, ist es nicht zur Explosion gekommen. Unser Genosse wurde von den Todesschwadronen der AKP-Regierung, die den Auftrag haben, ihre folternden, mörderischen, diebischen und pro-amerikanischen Minister zu schützen, ermordet. (...) Die Journalisten, Fernsehreporter, die Beauftragten des Justizministeriums, sie alle wussten, dass Eyüp B dort war, um für die 119 Toten Rechenschaft zu fordern. (...) Es ist unser legitimes Recht, von den Verantwortlichen der 119 Toten Rechenschaft zu verlangen. Das ist auch der Grund, weshalb wir das Justizministerium zur Zielscheibe genommen haben und weiter nehmen werden. (...)"

Über die Person des Attentäters, Eyüp B, findet sich in einem organisationsinternen Dokument (Datei ID-Nr. 753 659) ein detaillierter Lebenslauf. Daraus ergibt sich, dass B innerhalb der DHKP-C in der Türkei unter anderem als Jugendverantwortlicher für den Bereich Schwarzes Meer agiert hatte. Weiter ist über dessen Fähigkeiten und Einstellungen zur Organisation Folgendes vermerkt:

(...) 13- Ich kenne mich mit Waffen und der Herstellung von Sprengstoff nicht aus. (...) 28- Ich betrachte mich selbst als Soldaten des Kampfes. Ich bin bereit, jede Aufgabe zu übernehmen, die man mir gibt. Ich mache was, wenn ich die technische Ausstattung habe. Falls nicht, lerne und mache ich es. (...)"

26. Dezember 2005: Beschuss eines Streifenwagens der Polizei

Die zur Urheberschaft für diesen Anschlag getroffenen Feststellungen beruhen auf der mit "DHKC 351: Wegen dem Massaker vom 19.-22. Dezember (2000) wird Rechenschaft verlangt" überschriebenen, im Internet verbreiteten Selbstbezichtigung. Darin wird unter anderem Folgendes ausgeführt:

"(...) Am 26. Dezember wurde um 04:00 Uhr morgens ein Polizeiwagen, der voller Folterer war, von einer bewaffneten Propagandaeinheit durchschossen. Während die folternden Polizisten von den Kugeln verletzt wurden, sind unsere KämpferInnen von diesem Gebiet abgezogen (...)"

Der Zeuge EKHK B hat zu diesem Anschlag ergänzend bekundet, dass von den Angreifern mindestens 33 Schüsse abgegeben worden waren.

Februar 2006: Tötung des HAl A (bez. des Saraylioglu vgl. nachf. 6.)

Die Feststellungen zum Tötungsdelikt betreffend HAl A (teilweise auch als HAl Hosaf bezeichnet) beruhen auf der mit "DHKC 356: Denunzianten und Mörder werden nicht unbestraft bleiben!" bezeichneten, im Internet verbreiteten Selbstbekennung der DHKP-C vom 19. Februar 2006. Darin wird unter anderem Folgendes ausgeführt:

"(...) Wir haben HAl H, Denunziant und Mörder der Revolutionäre, bestraft. (...) HAl H ist ein Kollaborateur, der in Tokat / Niksar gemeinsam mit der Gendarmerie an sehr vielen Operationen teilgenommen hat. (...) Wir haben HAl H gefunden und ihn in Gewahrsam genommen. Wir haben ihn verhört und seine Straftaten wurden nochmals mit seiner eigenen Aussage konkretisiert. Er wurde am 14. Februar von unseren Kämpfern in den Topcular-Park gebracht und mit fünf Schüssen in seinen Kopf und sein Herz bestraft. In den Medien wurde im Zusammenhang mit der Bestrafung des Denunzianten HAl H A genannt. Sein richtiger Name ist HAl H. Nachdem er nach Istanbul gekommen war, hat er seinen Nachnamen in ´A´ geändert, um sich zu tarnen. Jedoch hat dies auch nicht dafür gereicht, dass er sich retten kann. (...) REVOLUTIONÄRE VOLKSBEFREIUNGSFRONT"

Der Zeuge EKHK B hat glaubhaft angegeben, im Zuge der durchgeführten polizeilichen Ermittlungen, den, in einem Istanbuler Park gelegenen, Fundort des Leichnams von HAl A persönlich aufgesucht zu haben. Dort sei eine Fahne der Organisation nebst zugehörigem Bekennerschreiben aufgefunden worden.

13. Februar 2006: Attentat auf den Polizeibeamten A R. C

Seine Feststellungen zur Urheberschaft der DHKP-C betreffend diesen Anschlag hat der Senat auf die Erklärung 356 der DHKC vom 19. Februar 2006 gestützt. Darin heißt es unter anderem: "... 2- Wir haben den Mörder zweier unserer Genossen, den Folterpolizisten A R C bestraft. ..." Nach Schilderung eines Polizeieinsatzes, bei dem "zwei Revolutionäre" am 26. Juni 1993 "von Polizisten in Folge eines Hinterhalts standrechtlich erschossen worden" seien, enthält die Selbstbekennung folgenden Passus:

"(...) Der Polizist namens A R C war einer dieser Schakale, die diesen Hinterhalt gestellt haben. Sie haben zwei unserer Genossen umgebracht und sind mit ihren blutigen Schuhen auf ihnen herum getrampelt. (...) Und dieser A R C war einer derer mit diesen blutigen Schuhen. (...) A R C, Folterer und Mörder, wurde am 13. Februar gegen 16:00 Uhr auf dem Weg zu seiner Wohnung in Bpasa von unseren Kämpfern bestraft. (Der Mörderpolizist hat sich im Moment von dieser Aktion verletzt retten können. Nur wird ihn die Gerechtigkeit des Volkes nicht in Ruhe lassen.) ES LEBE DIE GERECHTIGKEIT DES VOLKES! (...)"

12. Juni 2006: Anschlag auf zwei Musiklokale

Die Überzeugung des Senats, dass diese Tat der DHKP-C zuzurechnen ist, beruht auf den Bekundungen des Zeugen KHK M. Dieser hat glaubhaft angegeben, dass im Rahmen der Sichtung und Auswertung der (Organisations-) Zeitschrift Yürüyüs in der Ausgabe Nr. 57 vom 18. Juni 2006 ein Bericht über die bezeichneten Vorgänge festgestellt worden sei. In dieser Meldung sei darüber informiert worden, dass Anhänger der "Front" zwei namentlich genannte Musik- / Nachtlokale in Istanbul gestürmt und verwüstet hätten, weil diese "Unmoral und Schmutz" verbreiten würden. Die zum Ablauf und den Folgen der Tat(en) getroffenen Feststellungen stützt der Senat auf die - ebenfalls vom Zeugen KHK M mitgeteilten - Auskünfte der Generalsicherheitsdirektion Ankara, durch welche die Ausführung der entsprechenden Anschläge bestätigt wurden. Demzufolge wurden von den Tätern, nachdem sie die Lokalitäten wieder verlassen hatten, auf der Straße Parolen wie "DHKP-C ist der Kämpfer des Arbeiters" gerufen.

19. Juni 2006: Schusswaffenanschlag auf ein Transportfahrzeug der Polizei

Die Feststellung zur Verantwortlichkeit der DHKP-C hinsichtlich dieser Tat beruht auf der mit der Bezeichnung "DHKC 363: Diejenigen, die mit Isolationsgewalt und Massaker in Gefängnissen fortfahren, werden Rechenschaft ablegen!" im Internet verbreiteten Selbstbezichtigung vom 25. Juni 2006. Dort heißt es unter anderem wie folgt:

"Als Vergeltungsschlag für die seit dem 19. Dezember 2000 hartnäckig angewandte Isolationsgewalt in Gefängnissen haben unsere Kämpfer am 18. Juni einen Bus in Brand gesteckt und vernichtet, der Vollzugsbeamte beförderte, und am 19. Juni einen bewaffneten Anschlag auf ein Polizeiauto in Bahcelievler verübt. Dabei wurde ein Polizist schwer verletzt. (...)"

18. August 2006: Schusswaffenanschlag auf Polizeibeamte

Die Feststellungen zur Verantwortlichkeit der DHKP-C betreffend dieses Attentats beruhen auf der mit "DHKC 364: Wir werden Rechenschaft für unsere 122 Märtyrer verlangen!" überschriebenen Selbstbekennung vom 26. August 2006. Darin wird unter anderem Folgendes dargelegt:

"(...) Um Rechenschaft für den Tod von 122 unserer Genossen zu verlangen, die als Folge der seit 6 Jahren andauernden Isolierungspolitik zu Märtyrern geworden sind, wurde am F, den 18. August um 18.00 Uhr in Bagcilar ein bewaffneter Anschlag auf ein Polizeiauto verübt. Dabei wurden 2 Polizisten verletzt. (...)"

18. / 21. September 2006: Anschläge auf Gewerbebetriebe

Die zu den am 18. und 21. September 2006 verübten Anschlägen getroffenen Feststellungen beruhen auf den - vom Zeugen KHK M bekundeten - Auskünften der GSD Ankara. Der Senat hat keine Zweifel, dass auch diese Vorkommnisse der DHKP-C zuzurechnen sind. Wie der Zeuge KHK M glaubhaft bekundet hat, wurden in der (organisationseigenen) Zeitschrift Yürüyüs beide Vorkommnisse vermeldet. So sei in den Ausgaben Nr. 72 und 73 vom 01. / 08. Oktober 2006 publiziert worden, dass die Front (Cephe) ihre Kampagne gegen "Degeneration" (Drogenmissbrauch, Glücksspiel und Prostitution) unter anderem durch Angriffe auf zwei Musikhallen und einen Friseurladen fortgesetzt habe. In den Musiklokalen soll Prostitution erfolgt sein; der Inhaber des Friseurgeschäfts soll mit Rauschgift gehandelt haben. Hierzu passt, dass - ausweislich der vom Zeugen KHK M berichteten Auskünfte der GSD Ankara - bei den Überfällen vom 21. September 2006, von den Tätern ein Plakat mit der Aufschrift: "Wir werden die Drecknester zerstören" zurückgelassen worden war.

c. Anschläge nach dem Tatzeitraum

Juni / Juli 2007: Angriffe auf (öffentliche) Gebäude

Die zu den Angriffen auf Wahlbüros verschiedener türkischer Parteien (AKP, CHP, MHP und SP) und andere öffentliche Gebäude im Juni / Juli 2007 getroffenen Feststellungen beruhen auf den im Bericht des Auswärtigen Amts vom 06. April 2009 enthaltenen Angaben. Hiernach hat sich die DHKP-C durch eine im Internet veröffentlichte Erklärung zu insgesamt neunzehn, in der Zeit vom 18. Juni 2007 bis 19. Juli 2007 verübte, Anschlägen auf Wahlbüros verschiedener Parteien (darunter die CHP, AKP und SP), die Parteizentrale der Demokratischen Partei und Landkreisgebäude der MHP und AKP in Istanbul und anderen Orten bekannt. Als Begründung für diese mittels "Bomben- und Molotowangriff" durchgeführten Anschläge wurde - in bezeichneter Erklärung - Folgendes angegeben:

"Unsere Handlungen (Angriffe) im Zusammenhang mit Wahlen: Wir, die ´Revolutionäre Volksbefreiungsfront´ (DHKP-C), haben mit unseren Handlungen (Angriffen) gegen die Wahlbüros, die von Parteien gegründet werden um die Bevölkerung hinters Licht zu führen, auf der Grundlage der revolutionären Gewalt gegen den Wahlbetrug unsere Position dargestellt. Während des gesamten Wahlprozesses sind wir gegen faschistische und reaktionäre Parteien wie folgt vorgegangen: (...)"

Für die Verantwortlichkeit der DHKP-C spricht auch, dass organisationsintern die Durchführung entsprechender Anschläge fokussiert worden ist. So heißt es etwa in einem Bericht einer (Kampf-) Einheit (Datei ID-Nr. 752 926) hierzu wie folgt: "(...) Punkt 10) Sollen wir im Hinblick auf die Kreis- oder Provinzgebäude der AK-Partei Vorbereitungen dafür treffen, dort einzudringen und Schriften bezüglich des Widerstandes zu schreiben, Bomben zu deponieren oder sie mit Benzin völlig niederzubrennen? (...)"

29. April 2009: Attentat auf den früheren türkischen Justizminister H. S. Türk

Die Überzeugung des Senats, dass die DHKP-C auch für das am 29. April 2009 verübte Attentat auf den früheren Justizminister der Türkei, H Sami Türk, verantwortlich ist, stützt sich auf die verlesenen Vermerke des Bundeskriminalamts vom 05. / 14. Mai 2009. Hierin wird dargelegt, dass bei einer am 30. April 2009 durch KHK M auf den Internetseiten www.hAinsesi.tv und www.ozgurluk.org durchgeführten Recherche die Veröffentlichung der Erklärung Nr. 378 der DHKC, datiert auf den 29. April 2009 festgestellt worden sei. Darin werde mitgeteilt, dass "der ehemalige Justizminister H Sami TÜRK `sich im letzten Moment davor retten konnte, Rechenschaft für seine begangenen Straftaten abzugeben.´ (...)" Weiter heißt es in dem Vermerk, dass laut Erklärung ein Frontkämpfer am 29. April 2009 einen versuchten Selbstmordanschlag auf Türk in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität in Ankara verübt habe. Aufgrund einer nicht bekannten Störung sei das Attentat nicht vollendet worden. Außerdem sei angekündigt worden, dass Türk früher oder später "das Schwert der Gerechtigkeit" treffen werde. Als Begründung für das versuchte Attentat habe die Organisation Türks Verantwortung für die Einführung der F-Typ-Gefängnisse benannt.

In dem Vermerk vom 14. Mai 2009 wird mitgeteilt, dass die türkische Tageszeitung Hürriyet in ihrer Ausgabe vom 30. April 2009 über den versuchten Anschlag berichtet habe. Sodann heißt es hierzu, dass in dem Zeitungsartikel die 25-jährige Didem Akman als Attentäterin bezeichnet wird. Deren Begleiter, SE Onur, sei ebenfalls in Gewahrsam genommen worden. Beide seien - laut der Zeitungsmeldung - wegen Mitgliedschaft in der DHKP-C und anderer Straftaten vorbestraft.

Ausweislich des Vermerks des Bundeskriminalamts vom 29. Juni 2009 konnte im Rahmen der von KHK M zu diesem Vorgang durchgeführten Untersuchungen festgestellt werden, dass die Tat auch in der Yürüyüs, der - wie noch auszuführen ist - organisationseigenen Wochenzeitung, Ausgabe 12, vom 03. Mai 2009 thematisiert wurde. Neben der Erklärung Nr. 378 der DHKC sei dort ein mehrseitiger Artikel abgedruckt, in dem der Selbstmordanschlag detailliert beleuchtet und gutgeheißen wird.

Sonstige Erkenntnisse

Dass die festgestellten Anschläge in der Türkei tatsächlich so wie vom Senat festgestellt verübt worden sind, steht fest aufgrund der hierzu von der GSD auf entsprechende Anfragen des Bundeskriminalamts erteilten Auskünfte, deren Inhalte dem Senat durch den Zeugen EKHK H vermittelt worden sind. Hinsichtlich der ab dem Jahre 2002 durchgeführten Anschläge wurden diese Auskünfte der GSD überdies durch die glaubhaften Bekundungen des Zeugen EKHK B vollumfänglich bestätigt. Der Senat hat sich von der Richtigkeit dieser Angaben anhand der vom Zeugen EKHK B in der Hauptverhandlung übergebenen, an den jeweiligen Tatörtlichkeiten von türkischen Sicherheitskräften gefertigten Lichtbilder, in denen die einzelnen Vorgänge Dokumentiert wurden, überzeugt.

Hinsichtlich des Anschlags auf H Sami Türk wurde von der Generalsicherheitsdirektion Ankara - wie sich aus den bezeichneten polizeilichen Ermittlungs- und Erkenntnisberichten ergibt - zum Tathergang mitgeteilt, dass die Attentäterin acht Pakete mit insgesamt 4 Kilogramm TNT in Pulverform sowie eine Pistole Kaliber 7,65 mm nebst 14 Patronen bei sich getragen habe. Sie habe im Ergebnis erfolglos versucht, den Sprengstoff zu zünden. Die Attentäterin sei - ebenso wie ihr männlicher Begleiter - festgenommen worden.

Seine Feststellungen zu den Folgen der einzelnen Anschläge und der hieran als Attentäter beteiligten Personen hat der Senat auf die hierzu gemachten detaillierten Angaben des Zeugen EKHK B und die damit in Einklang stehenden, durch den Zeugen EKHK H berichteten Auskünfte der GeneralsicherheitsDirektion Ankara gestützt.

Die zur Personalstärke der Organisation in der Türkei im Jahre 2010 getroffene Feststellung beruht auf den hierzu gemachten glaubhaften Bekundungen des Zeugen EKHK B.

6. Zum sogenannten Ergenekon-Komplex

Zweifel an der Urheberschaft der DHKP-C für die terroristischen Anschläge, zu denen sich die Organisation bekannt hat, werden auch nicht durch die Erkenntnisse, die dem sogenannten Ergenekon-Prozess zugrunde liegen, begründet. Bei diesem (Straf-) Verfahren handelt es sich um die Verfolgung mutmaßlicher Mitglieder einer - gegen Separatismus und vermeintlichen Landesverrat agierenden - nationalistisch geprägten terroristischen Vereinigung, die sich in der Türkei innerhalb staatlicher Strukturen und in den Sicherheitskräften zu dem Zweck, die Regierung der Republik Türkei zu stürzen, gebildet haben soll. Den im dortigen Verfahren Angeklagten wird unter anderem zur Last gelegt, zahlreiche bewaffnete Anschläge sowie politisch motivierte Attentate angeordnet bzw. verübt zu haben, um dadurch eine Destabilisierung der staatlichen / gesellschaftlichen Ordnung herbeizuführen, um sodann die Notwendigkeit einer Intervention der türkischen Streitkräfte legitimieren und (letztlich) einen erstrebten Militärputsch durchführen zu können.

- Zum dortigen Verfahrensgegenstand

Die in diesem Zusammenhang zwischenzeitlich in der Türkei erhobenen drei Anklagen (nachfolgend auch als Ergenekon I, II, III bezeichnet) wurden - wie der mit entsprechenden Überprüfungen beauftragte Sprachsachverständige B in Übereinstimmung mit den noch darzustellenden Bekundungen des Zeugen O bestätigt hat - in allgemein zugänglichen Quellen (Internet) veröffentlicht. Der Senat ist von der Authentizität dieser Dokumente überzeugt.

Der Zeuge EKHK B hat hierzu angegeben, es sei (ihm) bekannt, dass Verteidiger der im Ergenekon-Verfahren angeklagten Personen die Anklageschriften, welche ihnen justiziell auf elektronischen Datenträgern zugänglich gemacht worden seien, an die Medien zur - in der Türkei nicht unüblichen - Veröffentlichung (auch im Internet) übermittelt hätten. Dieser Vorgang sei von den betreffenden (Rechts-) Anwälten in der Türkei selbst (so) bekannt gemacht worden. Er habe in diesem Zusammenhang nichts darüber erfahren, dass die zuständige Staatsanwaltschaft in der Folge eine Erklärung dahingehend abgegeben habe, dass die entsprechende(n) Veröffentlichung(en) unrichtig oder unvollständig sei(en). Weiter hat der Zeuge EKHK B erklärt, im Zuge der Vorbereitung auf seine Vernehmung als Zeuge in vorliegender Sache die staatsanwaltschaftlichen Ergenekon-Anklageschriften mit den im Internet veröffentlichten (Ergenekon-)Anklagen verglichen und dabei festgestellt zu haben, dass diese "eins zu eins" identisch seien.

Diese Angaben stehen im Einklang mit den Bekundungen des Sprachsachverständigen B. Dieser hat ausgesagt, dass es sich bei der auf der Internetadresse der türkischen Tageszeitung Milliyet eingestellten Anklageschrift Ergenekon I vom 10. Juli 2008 augenscheinlich um einen "Scan" der Original-Anklage handelt. Jede Seite dieses Dokuments sei - entsprechend der ihm aus zahlreichen anderen (Straf-) Verfahren bekannten üblichen Handhabung bei türkischen Anklageschriften - mit dem Abdruck eines Dienstsiegels sowie einer Unterschrift versehen. Bei der - ebenfalls im Internet veröffentlichten - Anklageschrift Ergenekon II vom 08. März 2009 handle es sich um eine Word-Datei. Beide Anklagen seien - mit identischen Inhalten - auch auf anderen Internetseiten eingestellt und abzurufen.

Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass die türkischen Strafverfolgungsbehörden aufgrund der in den Ergenekon-Verfahren durchgeführten Ermittlungen und der hierbei gewonnenen Erkenntnisse die Existenz der DHKP-C als Terrororganisation und / oder die Täterschaft von Mitgliedern dieser Organisation bezüglich den ihr - in vorliegender Sache - zugeschriebenen Anschlägen in Zweifel ziehen, haben sich hieraus nicht ergeben. Hierzu im Einzelnen:

Zur Beurteilung der Frage, ob in den Ergenekon-Anklagen auch die DHKP-C und deren Aktivitäten - unmittelbar oder mittelbar - thematisiert werden, hat der Senat den Sprachsachverständigen B mit der Vornahme entsprechender Erhebungen beauftragt. Dieser hat bekundet, entsprechende Untersuchungen anhand der im Internet veröffentlichten Abschriften oder sonstigen Wiedergaben dieser Dokumente durchgeführt und dabei festgestellt zu haben, dass es in den Anklageschriften Ergenekon I und Ergenekon II entsprechende Passagen gebe, wohingegen die Anklage Ergenekon III keine Ausführungen zu dem bezeichneten Themenbereich enthalte.

Dies korrespondiert mit der Aussage des Zeugen O. Als - langjährig erfahrener - allgemein vereidigter (Verhandlungs-) Dolmetscher und Übersetzer wurde dieser auf Veranlassung des Senats über das Bundeskriminalamt damit beauftragt, die - im Internet veröffentlichten - Ergenekon-Anklageschriften dahingehend zu sichten, ob es deckungsgleiche Vorgänge zur Anklage im vorliegenden Verfahren gibt. Eine entsprechende - die Ergenekon-Anklagen I bis III umfassende - Überprüfung sei - so der Zeuge O - anhand einer (Schlagwort-) Recherche mit verschiedenen, vom zuständigen BKA-Sachbearbeiter vorgegebenen Suchbegriffen, die neben der Buchstabenfolge DHKP-C auch Personennamen sowie Tatorte und Tatzeiten von Anschlägen umfasst hätten, durchgeführt worden. Zu den hierbei erzielten Treffern hätte neben Ausführungen zum sogenannten Sabanci-Attentat als "separater Block" insbesondere auch ein Abschnitt betreffend die DHKP-C gehört, in dem unter anderem die Frage einer Verbindung zwischen dieser Organisation und Ergenekon erörtert werde. Ausführungen zu Anschlägen der DHKP-C (durch die Selbstmordattentäter S A am 20. Mai 2003 und E B am 01. Juli 2005) waren demzufolge lediglich in der ersten Ergenekon Anklageschrift festzustellen.

Die DHKP-C hat in verschiedenen, jeweils auf der organisationseigenen Internetseite www.ozgurluk.org verbreiteten Erklärungen teilweise unter direkter Bezugnahme auf das / die Ergenekon-Verfahren unmissverständlich und nachdrücklich dargelegt, dass es Überschneidungen oder Kooperationen zwischen ihr und einer als Ergenekon bezeichneten Gruppierung zu keinem Zeitpunkt gegeben habe. Soweit Gegenteiliges behauptet werde, handle es sich um - gegen "Revolutionäre" gerichtete - Anschwärzungen und Verleumdungen der sogenannten Konterguerilla im Zuge des von dieser geführten "Psychokrieges". Eine derartige Verlautbarung findet sich insbesondere in der Erklärung Nr. 374 der DHKC vom 28. Juli 2008. Dort heißt es unter anderem wie folgt:

"(...) Die Revolutionäre Volksbefreiungsfront hat am 28. Juli 2008 im Zusammenhang mit der Ergenekon Anklageschrift eine Erklärung gemacht. (...) Wer ist mit den Mördern, mit den Konterguerillas sehr vertraut? Wer ist hier Volksfeind, wer steht auf der Seite des Volkes? Die Völker in der Türkei wissen es. Tatsachen kann man nicht verdunkeln. Man kann die Revolutionäre nicht mit dem Schmutz des Systems beschmieren. Die Ergenekon Anklageschrift wurde veröffentlicht. Während in der 2500seitigen Anklageschrift mit den oligarchieinternen Streitereien abgerechnet wird, sind unzählige Seiten den Anschwärzungen und Verleumdungen gegen Revolutionäre gewidmet worden. (...) Während die Staatsanwälte der AKP die blutigen und schmutzigen Vorfälle innerhalb der Oligarchie aufdecken und Szenarien machen, um ihre eigenen Gegner einzuschüchtern, wurden unsere Partei und unsere Front sowie verschiedene Genossen von uns, vor allem unser Führer, verleumdet. Wir erklären dem Volke der Türkei und der gesamten Presse ganz offen: jedes Wort in der Ergenekon Anklageschrift im Zusammenhang mit unserer Organisation, unseren Genossen ist erfunden. Keine der auf den Seiten erwähnten Behauptungen stimmt. Diese Anklageschrift ist in dem auf unsere Organisation gerichteten Maße ein psychologischer Kampfangriff. (...) Folglich ist klar, dass unsere Organisation und unsere Genossen mit den Mördern, Provokateuren, Konterguerilleros, von denen die Rede ist, nichts zu tun haben. Unsere Organisation hat unter keinen Umständen und in keiner Weise zu den Mördern Beziehung gehabt, und hat sie nicht. All das ist Psychokrieg der Konterguerilla und frei erfunden. Polizei und Staatsanwaltschaft haben Geheimzeugen (vermutlich Kronzeugen) für sich geschaffen, um wie immer die Organisationen zu verleumden, aus deren Mündern sie Szenarien schreiben und Verdächtigungen erfinden. (...) Die Behauptungen, unser Führer Dursun Karatas habe mit den Volksfeinden, wie Abdullah C oder Veli K direkt oder mit Hilfe von Vermittlern gesprochen, sind nur Unsinn und frei erfunden. (...)"

In der nachfolgenden Verlautbarung Nr. 376 vom 15. Januar 2009 heißt es - die bezeichnete Erklärung nochmals bekräftigend - sodann wie folgt:

"In der von der Revolutionären Volksbefreiungsfront am 15. Januar 2009 gemachten Erklärung mit der Überschrift `Die Konterguerilla kann nur mit der REVOLUTION zerschlagen werden´ wird dargelegt, dass die Operation Ergenekon eine Form der internen Auseinandersetzung der Oligarchie ist. (...) Wir müssen hier Folgendes anmerken: Ausgehend von den in den Munitionslagern entdeckten LAW-Waffen, von denen behauptet wird, sie würden Ibrahim S gehören, versucht man dieses Mal den Namen unserer Organisation in Verbindung mit den Leuten von Ergenekon und Konterguerilla zu bringen. (...) Es ist unlogisch und absurd, dass man sich darum bemüht, unsere Organisation an die Seite von den Konterguerilleros zu stellen. Jedoch wird der Psychokrieg gegen die Revolutionäre in unserem Land sowieso auf diese Weise betrieben. (...)"

Schließlich wird auch in der, im Internet verbreiteten Erklärung der DHKP (Nr. 43) vom 30. März 2010 anlässlich des Jahrestages der Parteigründung der Versuch, Verbindungen zwischen Ergenekon und der DHKP-C herzustellen mit folgenden Worten zurückgewiesen:

"(...) Der Psychoterror der Oligarchie dauert an. Es wird versucht, die Partei und Front auf die eine oder andere Weise mit Ergenekon Leuten, mit Conterguerilla Leuten in Verbindung zu bringen. Man muss nicht erwähnen, dass das niederträchtige Verleumdungen sind. Jede Form des Psychoterrors der Oligarchie ist so. Tatsache ist, dass sie, trotz ihrer Versuche, uns seit Jahren zu verleumden, unsere Organisation nicht verleumden und mit ihrem Dreck beschmutzen konnten. Alles das ist nichts Neues für uns. (...)"

Der Zeuge EKHK B hat angegeben, dass er keinerlei Erkenntnisse dahingehend habe, dass es Personen gebe, die sich sowohl für die DHKP-C wie auch für Ergenekon betätigen bzw. beiden Organisationen zuzuordnen seien. Er hat weiter glaubhaft dargelegt, von den Inhalten der Anklageschriften Ergenekon I und Ergenekon II dienstlich Kenntnis genommen zu haben, soweit diese Bezüge zur DHKP-C aufweisen bzw. Schilderungen zu dieser Organisation enthalten. Hierbei habe er festgestellt, dass es lediglich bei einer - im Ergenekon-Prozess angeklagten - Person (Gürbüz C) Hinweise auf übergreifende Kontakte zu hochrangigen Verantwortlichen der DHKP-C gegeben hat. Dem Genannten werde zur Last gelegt, als Strafgefangener inhaftierten Mitgliedern dieser Organisation geholfen zu haben, indem er etwa deren Kommunikation und Nachrichtenaustausch untereinander wie auch mit Adressaten außerhalb der Haftanstalt ermöglicht habe. Nach seiner Haftentlassung soll er als Bürgermeister weiterhin Kontakte mit DHKP-C-Mitgliedern unterhalten und diesen - in der Zeit zwischen 1999 und 2000 - in unterschiedlicher Weise geholfen haben.

Dass die DHKP-C durch Angehörige von Ergenekon manipulativ beeinflusst und / oder personelle Bezüge zwischen diesen beiden Organisationen bestehen bzw. bestanden haben, wird nach Überzeugung des Senats auch nicht durch den Umstand belegt, dass sich der im Ergekenon-Prozess angeklagte Veli K als Generaloberst beim Geheimdienst der Gendarmerie für eine am sogenannten Todesfasten beteiligte Person, den türkischen Rechtsanwalt Behic A, eingesetzt und durch entsprechende Einflussnahmen und Vermittlungen maßgeblich dazu beigetragen hat, dass A seine "Aktion" schließlich vorzeitig aufgegeben und überlebt hat.

Der Zeuge EKHK B hat weiter angegeben, dass in den Ergenekon-Anklage(n) Informationen dahingehend enthalten seien, dass bei "schwerwiegenden und ernstzunehmenden", in den Jahren von 1990 bis 1992 / 1993 von der Dev Sol als Vorläuferin der DHKP-C verübten Anschlägen die verantwortlichen Attentäter mit "hochrangigen" Beamten staatlicher Gendarmeriebehörden oder Offizieren der türkischen Armee in Kontakt gestanden und von dortiger Seite Hilfe erhalten haben. Dieser Personenkreis habe sich auch an der (militärischen) Ausbildung von Mitgliedern der Dev Sol in Syrien beteiligt und diesen neben Informationen (Kenntnis von Interna) auch Waffen und Sprengstoff verschafft. Einzelne Fälle, in denen sich Anhaltspunkte für ein derartiges Zusammenwirken ergaben, seien neu aufgeteilt und - auch bei bereits abgeschlossenen Gerichtsverfahren - weitere Untersuchungen eingeleitet worden. Konkrete Erkenntnisse oder Hinweise dahingehend, dass sich entsprechende Kontakte auch in der Folgezeit erhalten und / oder die DHKP-C vom türkischen Geheimdienst (MIT) oder vergleichbaren innerstaatlichen Behörden in der Türkei gezielt und systematisch unterwandert bzw. gelenkt wurde / ist, gebe es dagegen nicht. Über die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Verantwortliche der DHKP-C Kontakte zu staatlichen Organen unterhalten (haben) und im Einvernehmen bzw. mit Deckung dort beschäftigter Personen vorgegangen sind bzw. agieren, könne daher allenfalls spekuliert werden. Dies gelte in gleicher Weise für die weitergehende Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang bzw. welcher Weise Strukturen der DHKP-C und Aktivitäten von Mitgliedern dieser Organisation durch Ergenekon (-angehörige) für eigene Zielsetzungen ausgenutzt bzw. benutzt worden sind. Zweifelsfreie Belege für derartige Vorgehensweisen und Beziehungsgeflechte gebe es jedenfalls nicht.

Völlig offen ist - nach den glaubhaften Darlegungen des Zeugen EKHK B - ferner, ob die Gruppierung Ergenekon die Durchführung provokanter Aktionen wie etwa das öffentliche Verbrennen türkischer Fahnen veranlasst und dies als Aktivität der DHKP-C ausgegeben hat, um dadurch in der Bevölkerung lynchhafte Ausschreitungen gegen diese Organisation in Gang zu setzen.

Der Zeuge EKHK B hat weiter glaubhaft bekundet, dass auch keine Hinweise dafür vorhanden seien, dass die Organisation Ergenekon bzw. Offiziere der türkischen Armee nach dem Jahre 2000 mit Anschlägen bzw. Attentaten oder sonstigen Vorgängen, die der DHKP-C zugeschrieben werden, in Verbindung stehen oder an entsprechenden Geschehnissen (mit-) beteiligt gewesen sein könnten. Hiervon ausgenommen sei lediglich ein zum Nachteil von H S begangenes Tötungsdelikt. Die in dieser (Mord-) Sache durchgeführten Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Der (Die) konkrete(n) Täter sei (seien) noch nicht bekannt, weshalb es bislang zu keiner (keinen) Verurteilung(en) gekommen sei. Die Akten habe man - nachdem bei einem im Ergenekon-Prozess angeklagten mutmaßlichen Journalisten (Serhan B) handschriftliche Aufzeichnungen über Notizen einer "Befragung" S aufgefunden wurden - an die für den Komplex Ergenekon zuständige türkische Strafverfolgungsbehörde zur Durchführung weiterer, derzeit noch nicht abgeschlossener Untersuchungen abgegeben.

Hinsichtlich des im Jahre 1996 verübten Sabanci-Anschlags hat der Zeuge EKHK B präzisierend angegeben, dass aufgrund der in den Ergenekon-Verfahren gewonnenen Erkenntnisse die Ermittlungen wiederaufgenommen und zwischenzeitlich an die mit dem Ergenekon-Komplex befasste(n) Strafverfolgungsbehörde(n) abgegeben worden seien. Bei der Staatsanwaltschaft für schwere Strafsachen Istanbul werde derzeit die Fortführung von Untersuchungen zur Frage der an der Planung und Ausführung des bezeichneten Verbrechens beteiligten Personen in der Türkei vorbereitet. Grundlage hierfür sei die - im Februar 1999 erfolgte - Tötung Mustafa D, der wegen Verdachts, als Kämpfer der DHKP-C am Sabanci-Anschlag beteiligt gewesen zu sein, inhaftiert worden war, in einem türkischen Gefängnis. Ausweislich einer vor ein oder zwei Jahren ausgestrahlten türkischen Fernsehdokumentation hätten Mitglieder der Bande, welche für die Erschießung D verantwortlich ist, die Behauptung aufgestellt, den entsprechenden Mordauftrag von einem im Ergenekon-Prozess angeklagten General erhalten zu haben. Überdies wäre - in bezeichneter Reportage - behauptet worden, dass D seinerzeit entschlossen gewesen sei, in einem Interview zum Sabanci-Anschlag Stellung zu nehmen. Ferner gebe es Aussagen eines gewissen T G, wonach ein Hauptmann des türkischen Militärs namens H P als Drahtzieher des (Sabanci-) Anschlags fungiert habe. Schließlich habe man im Nachhinein in dem von Mustafa D abgelegten Geständnis Lücken bzw. Ungereimtheiten hinsichtlich der Frage entdeckt, wie viel und welche Personen an dem (Sabanci-) Anschlag beteiligt waren.

Diese Umstände sind bei der gebotenen nachfolgenden Gesamtschau nach Überzeugung des Senats weder geeignet noch ausreichend, die Verantwortlichkeit der DHKP-C für die in Rede stehenden Anschläge in Frage zu stellen. Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Tötung H S der DHKP-C zuzurechnen ist. Hierzu im Einzelnen:

Sabanci-Anschlag

Die DHKP-C hat in einem Bekennerschreiben die Verantwortung für den am 09. Januar 1996 erfolgten Angriff auf das Sabanci-Cente r, bei dem neben dem Vorstandsmitglied Ö Sabanci und dem Generaldirektor der Toyota SA, Haluk Güngör, auch eine Sekretärin von Mitgliedern einer "Bewaffneten Propagandaeinheit" getötet wurden, übernommen. In der - bereits bezeichneten - "Mitteilung: 26" des Pressebüros der Revolutionären Volksbefreiungsfront vom 09. Januar 1996 heißt es hierzu unter anderem wie folgt:

"BEWAFFNETER ANGRIFF AUF DIE ZENTRALE DER SABANCI HOLDING

DIESE HEIMAT GEHÖRT UNS

DAS VOLK IST UNSER (...)

Den Sabanci konnten weder seine Wolkenkratzer, die mit der amerikanischen Technik ausgestattet waren, noch sein bewaffnetes Wachpersonal beschützen. (...)

GERECHTIGKEIT DES VOLKES

Am 9. Januar um 10.30 Uhr wurde die Zentrale der Sabanci Holding durch unsere A-FAZIL-ÖZD-BEWAFFNETE-PROPAGANDAEINHEIT überfallen. Das Vorstandsmitglied und ein wichtiger Mann der Sabanci Holding ÖZD SABANCI und HALUK GÜNGÖR, der Generaldirektor der Toyota-Sa, ebenfalls einer der größten Einrichtungen der Holding, sowie die Sekretärin von Sakip Sabanci NILGÜN HASEFE wurden bestraft. Und unsere Kämpfer sind dann zu ihren Stützpunkten zurückgekehrt, ohne dabei Leib und Leben sowie Vermögen weiterer Menschen einen Schaden zugefügt zu haben. (...)

WIR WERDEN ES FORTSETZEN, FÜR MASSENMORDE, VERSCHOLLENE MENSCHEN, DIE GANZE TYRANNEI UND AUSBEUTUNG RECHENSCHAFT ZU VERLANGEN (...)"

Dazu passen die Darlegungen im Beschluss Nr. 5 des Zentralkomitees der DHKP-C vom 28. Mai 1994. Darin wird über "... das Maßnahmenprogramm der A Fazil Ö Bewaffnete Propaganda-Einheiten in Istanbul ..." informiert. Nach der Darstellung verschiedener, bereits realisierter Aktionen wird auch über mögliche weitere Anschläge berichtet. Wörtlich heißt es unter anderem:

"2. Zusätzlich werden folgende Aktionen durchgeführt, sofern sie nach Prüfung der Lage möglich erscheinen: Beschuss der Verwaltungszentrale von Sabanci mit Maschinengewehren bzw. ein andersartiger Angriff darauf (Codebezeichnung der Aktion: M 7)"

In der bereits bezeichneten Stellungnahme der DHKC in der Erklärung Nr. 374 wird zum (bewaffneten) "Kampf der Revolutionäre" und damit einhergehender Anschläge der Organisation im Juli 2008 Behauptungen bzw. Mutmaßungen, welche die alleinige Urheberschaft der DHKP-C für den Sabanci-Anschlag in Zweifel ziehen, als "Dreck und Abschaum" im Rahmen "oligarchieinterner Streitereien" zurückgewiesen und Folgendes ausgeführt:

"(...) Ein Monopolist, Sabanci, wurde bestraft, von denen, die diese Ordnung innehaben, wurde für Massaker, Ausbeutung und Gewalt Rechenschaft verlangt. Diese Tatsache kann mit keiner Lüge verleugnet werden. Alle Kreise der Oligarchie konnten seit Jahren diesen Anschlag nicht verkraften. (...) Wir haben von den Chefs der Konterguerilla, den Generälen oder den Polizeichefs, die unserem Volk Gewalt angetan haben, Rechenschaft verlangt. Um diese Anschläge, die die Antwort auf die Sehnsucht des Volkes nach Gerechtigkeit waren, zu verleumden, haben sie in der Anklageschrift seitenlang Lügen aufgetischt. (...) Während der oligarchieinternen Streitereien darf man nicht erlauben, dass Revolutionäre diffamiert werden und der Revolutionskampf verleumdet wird. (...) Unsere ganze Geschichte ist offenkundig. Alle unsere Aktionen sind offenkundig. Unsere gesamten Schriften und Mitteilungen sind offenkundig. Sie haben nicht ein einziges Dokument, nicht eine einzige Information, die unsere Verbindung mit diesem Dreck und Abschaum, mit dem sie unseren Namen in Verbindung bringen, belegen können. (...) Wir werden weiterhin solche Kollaborateure, Monopolisten und Volksfeinde wie Sabanci bestrafen! (...)"

Diese Erklärung (Nr. 374) der Organisation findet sich ausweislich eines - von KHK M gefertigten - BKA-Vermerks vom 17. September 2009 auch am Ende eines Buches mit dem Titel: Der Sabanci-Anschlag (Sabanci Hi), das in elektronischer Form im Zuge der Auswertung eines am 05. November 2008 in den Räumlichkeiten der Anatolischen Föderation in Köln sichergestellten Computers aufgefunden wurde. In diesem Buch wird - wie sich ebenfalls aus dem genannten polizeilichen Vermerk ergibt - festgestellt, dass die DHKP-C für das Sabanci-Attentat verantwortlich ist. In den zugehörigen Ausführungen wird außerdem ausdrücklich erklärt, dass die Organisation (DHKP-C) weder durch eine andere Vereinigung gesteuert wird noch sonst wie unterwandert ist.

Ferner hat - wie der Zeuge StA H bekundete - auch der frühere Deutschland- und Europaverantwortliche der Organisation N E im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vor dem OLG Düsseldorf im dortigen Strafverfahren gegen Faruk E zur Frage der Urheberschaft des Sabanci-Anschlags angegeben, dass es an der Authentizität der - ihm bekannten - zugehörigen Tatbekennung der DHKP-C keinerlei Zweifel gebe. Es sei organisationsintern ein zentrales Thema gewesen, dass "man" dieses Attentat begangen habe. In vorliegender Sache hat der Zeuge E darüber hinaus bestätigt, dass er von einem Dementi oder sonstigen Distanzierungen bzw. Relativierungen der DHKP-C im Hinblick auf die Verantwortlichkeit der Organisation für den Sabanci-Anschlag keine Kenntnis erlangt habe.

Die Urheberschaft für den Sabanci-Anschlag wurde von der DHKP-C - wie sich aus dem durch KHK M gefertigten Vermerk des Bundeskriminalamts vom 05. Mai 2009 ergibt - auch in der Erklärung Nr. 378 der DHKC vom 29. April 2009 im Zusammenhang mit der Tatbekennung zu dem versuchten Mordanschlag auf den früheren Justizminister der Türkei, H Sami Türk (hierzu später mehr), reklamiert.

Dass der Sabanci-Anschlag von Mitgliedern der DHKP-C verübt wurde, belegt zur Überzeugung des Senats auch ein organisationsinterner Bericht vom 04. Dezember 2001 (Datei ID-Nr. 730 254). Darin schildert der Verfasser unter Punkt 8. der Mitteilung den Inhalt eines Entwurfs eines Artikels, der unter anderem folgende Passage enthält:

"(...) Die DHKP-C führt seit 30 Jahren einen städtischen Guerillakampf. Bis heute sind bei diesem Kampf fast 600 Militante gestorben. (...) Diese Personen sind bei Demonstrationen oder bewaffneten Auseinandersetzungen mit der Polizei oder Soldaten oder Selbstmordaktionen ums Leben gekommen. (...) Anfang 1996 hat diese radikal linke Organisation eine ihrer blutigsten Aktionen durchgeführt. In den frühen Morgenstunden wurde Sabanci in Istanbul in seinem Büro in einem sehr streng bewachten Zentralgebäude hinter seinem Arbeitstisch getötet. `Sabanci war schuldig. Er hat das Militär mit dem Geben von Fahrzeugen unterstützt.` (...)"

Anschließend wird in der Nachricht erläutert, dass man den Autor dieses Artikels "gefunden und mit ihm 4-5 Stunden gesprochen" habe. Sodann benennt der Verfasser die "...Stellen, von denen wir eine Korrektur verlangt haben" und schildert in diesem Zusammenhang unter anderem den Verlauf bzw. Inhalt einer Unterredung mit dem genannten Autor wie folgt:

"h. Über die Sabanci-Aktion haben wir eine lange Zeit diskutiert. Die Geschichte ist sehr komisch, warum Sabanci schuldig ist. Ich habe ihm gesagt, dass es ein kollaborierendes Monopol ist, er Killer beauftragt hat, um Revolutionäre zu erschießen, er Folterhallen anfertigen ließ, er den Faschismus in jeder Form wie das Bereitstellen von Fahrzeugen unterstützt hat und Mitfinanzierer der MHP ist. Ihr schreibt darüber, als ob ihr uns auf den Arm nehmen wollt, aber ihr schreibt erst danach, dass 82 (83) Personen zu Märtyrern geworden sind. ... Wenn ihr unbedingt etwas schreiben wollt, dann schreibt es so auf, wie wir darauf geantwortet haben. In der Endfassung des Artikels hat er unsere Worte aufgeschrieben im Hinblick darauf, warum Sabanci schuldig ist. (...)"

Für die Urheberschaft der DHKP-C betreffend den Sabanci-Anschlag spricht schließlich auch ein organisationsinternes Dokument (Datei ID-Nr. 734 197), in dem die "Erzählung eines bei dem Sabanci Anschlag beteiligten Kämpfers" vom 23. Februar 2000 unter anderem mit folgenden Darlegungen wiedergegeben wird:

"(...) Es ist Dienstag, der 9. Januar 1996. Wir stehen wieder früh auf und sind wieder fröhlich, ziehen unsere neuen Sachen an und machen uns auf den Weg. Als wir uns auf der Straße Büyükdere Caddesi befinden, klingelt das Telefon. Es ist endlich der erwartete Moment. Unsere Mutter ist nach Hause gekommen. Wir gehen schneller. Nach einer Weile kommen wir am Eingang des Sabanci Centers an. Laut Plan wird es hier keine Probleme geben. Wir werden problemlos durch den Haupteingang gehen. Dort wird uns der innen befindliche Freund / die innen befindliche Freundin empfangen. Aber wir werden keinen Kontakt haben. Sie wird uns mit den Augen verfolgen. Es gibt allerdings am Eingang Probleme und der Plan ändert sich. Als wir direkt reingehen wollen, fragt das Sicherheitspersonal wohin wir gehen und wen wir sehen wollen. Wir sagen, dass wir vom Zentralbüro der Reinigungsfirma Ulusal T kommen und mit dem zuständigen Personal unserer Firma sprechen wollen. Der Zuständige schickt uns zum hinteren Personaleingang. Das war nicht vorgesehen. Wir lassen den Plan durch unseren Kopf gehen und bewegen uns in Richtung Hintereingang. Als wir am Eingang ankommen, müssen wir Karten haben, um reingehen zu können. Dafür müssen wir unsere Ausweise da lassen. Wir lassen unsere eigenen Ausweise da und nehmen die Karte, die die Tür öffnen wird. (...) Wir gehen durch die Tür. Wir sind also im Sabanci Center. (...) Vor uns sehen wir die Aufzüge. Wir hatten erreicht, was wir wollten. Wir gingen in den Aufzug rein und fuhren zur 15. Etage hoch. Diese Etage wird nicht benutzt. Und wir wollten uns mit der Freundin auf dieser Etage treffen. Durch das Problem am Eingang konnten wir keinen Kontakt aufnehmen. Wir gehen trotzdem zu dieser Etage. Wir gehen zur Toilette rein und lösen die Waffen und Schalldämpfer, die wir an unsere Beine befestigt hatten, und montieren sie. Die Patronen befinden sich im Lauf. Wir haben uns mit der Freundin nicht treffen können. Wir müssen nun nach oben. Wir kommen zur Aufzugstür. In dem Moment geht die Aufzugstür auf und die Freundin kommt. Wir fragen nach dem letzten Stand. Sie sagt, dass Sakip Sabanci und seine Brüder im Büro und andere wichtige Leute des Holding dort seien, und keinem verziehen werden solle. Wir hatten es abgesprochen. Wenn sich in dem Moment im Büro Reinigungsleute, Leute für den Teeservice usw. befinden würden, würden wir ihnen nichts antun, koste es, was es wolle. Wir würden sie raus bringen und den Anschlag erst dann verüben. (...) Wir steigen in den Aufzug und fahren zur 25. Etage hoch. Unsere Karten öffnen nicht die Bürotür. Hier öffnet die zuständige Freundin mit der eigenen Karte die Tür für uns. Nachdem sie uns das Zimmer gezeigt hat, wo wir reingehen werden, geht sie rasch weg. Wir bewegen uns langsam. Im Falle eines Falles, sollte zumindest einer unserer Genossen / eine unserer Genossinnen heraus gegangen sein. Daher lassen wir uns Zeit. Als wir in das Büro reinkommen, empfängt uns die Sekretärin von Sakip Sabanci. Als ich mich zu ihr bewege, geht der verantwortliche Freund schleunigst in den anderen Raum des Büros. Die Worte der Sekretärin `Wo wollen sie hin?´ werden mit meinen Worten `rühr dich nicht´ gebremst. Ich sage, sie soll aufstehen und sich auf den Boden legen. Sie tut es ohne zu zögern und macht keine Probleme. Als sie auf dem Boden liegt, höre ich aus dem Zimmer, in welches der verantwortliche Freund rein gegangen ist, Schüsse. Ich schieße im gleichen Moment zweimal in den Kopf der Sekretärin. In dem Moment kommt der verantwortliche Freund heraus. Er sagt, er habe zwei Personen bestraft. Sakip Sabanci sei nicht im Zimmer gewesen. Einer seiner Brüder sei da gewesen. Wir gehen aus der Tür und bewegen uns zum Aufzug. Der verantwortliche Freund erinnert sich daran, dass er die Fahne nicht dort liegengelassen hat. Wir lassen unsere Fahne, die das Symbol für reinen Soziasmus und für unsere Befreiung ist, neben den dreckigen Leichen liegen. Unten auf unsere Fahne steht DIE MÖRDER LEGEN RECHENSCHAFT AB. Wir gehen in den Aufzug und fahren zum Erdgeschoss. Da wir die Karten beim Eingang im Untergeschoss erhalten haben, lassen sich damit nicht diese Türen öffnen. Wir versuchen es. Der Sicherheitsbeamte schaut uns an. Es gibt eine Tür direkt vorne an der Drehsperre. Hier wird keine Karte verlangt. Es handelt sich um eine Tür für Sonderpersonen. Wir gehen hier raus. Keiner fragt etwas. Wir befinden uns außerhalb des Gebäudes. Wir gehen rasch weg und bleiben dabei ganz natürlich. Am Eingang herrscht Unruhe. (...) Wir gehen auf die Straße. (...) Die Polizisten schauen uns an. Meine Hand ist am Abzug. (...) Wir steigen in den ersten Minibus, der kommt, und fahren in Richtung Sariyer. (...) Wir kommen ohne Probleme nach Hause. (...) Wir müssen anrufen, um uns zu dem Anschlag zu bekennen. (...) Wir rufen Kurtulus an und bekennen uns zum Anschlag. Die Volksfeinde wurden bestraft und unsere Kämpfer sind zu ihren Stützpunkten zurückgekehrt. (...)"

Die in diesem Schriftstück enthaltenen Schilderungen, wie es den Attentätern gelungen ist, in das Sabanci-Gebäude zu gelangen, zur bezeichneten Tatörtlichkeit vorzudringen und diese nach Ausführung des Attentats wieder (unbehelligt) zu verlassen, passen zwanglos zu den Lichtbildern, die seinerzeit von Überwachungskameras im Sabanci-Center aufgezeichnet wurden sowie den hierzu vom Zeugen EKHK B gemachten Angaben. Dieser hat glaubhaft bekundet, dass im Zuge der durchgeführten polizeilichen Ermittlungen festgestellt worden sei, dass sich an dem Tag, an dem der Anschlag durchgeführt wurde, die drei DHKP-C-Mitglieder, Fehriye E, Ismail A und der bereits genannte Mustafa D Zutritt zum Sabanci-Center verschafft hatten. Von A und D habe man im Zuge der polizeilichen Ermittlungen zudem echte Ausweispapiere aufgefunden.

Tötung des H Saraylioglu

Ausweislich der glaubhaften Angaben des Zeugen EKHK B wurde am 01. Februar 2006 in der Türkei der Leichnam H Saraylioglus aufgefunden. Die Polizei habe festgestellt, dass Saraylioglu mittels eines Stricks / Seils erdrosselt worden war. Dass die DHKP-C für dieses Tötungsdelikt verantwortlich ist, belegt nach Überzeugung des Senats die im Internet verbreitete Erklärung Nr. 355 der DHKC vom 06. Februar 2006. Dort heißt es unter der Überschrift "Wir haben einen Volksfeind, einen Contra bestraft" nach Ausführungen zum Lebensweg des Tatopfers und der ihm zur Last gelegten Betätigung wie folgt:

"(...) H SARAYLIOGLU wurde von unseren Kämpfern in Gewahrsam genommen. Aufgrund all dieser Straftaten wurde er seitens unserer Organisation am 2. Februar 2006 bestraft und seine Leiche wurde im Organisationsindustriegebiet von Ikitelli liegengelassen. Kein Volksfeind und kein Contra wird sich vor der Gerechtigkeit des Volkes retten können. REVOLUTIONÄRE VOLKSBEFREIUNGSFRONT"

Der Senat hat nicht übersehen, dass in dieser Tatbekennung ein unzutreffender Tatzeitpunkt (2. Februar 2006) genannt worden ist. Wie bereits ausgeführt, wurde der getötete H Saraylioglu tatsächlich tags zuvor (am 01. Februar 2006) aufgefunden. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass - wie der Zeuge EKHK B weiter angegeben hat - in Selbstbezichtigungen der DHKP-C weder zuvor noch danach fehlerhafte Angaben zum Zeitpunkt begangener Anschläge festgestellt wurden, vermag dies Zweifel an der Richtigkeit der bezeichneten Erklärung im Übrigen sowie der Authentizität des Schreibens beim Senat nicht zu begründen. Hinzu kommt Folgendes:

In der "DHKC Erklärung Nummer 377" vom 16. Februar 2009 hat die Organisation ihre Verantwortlichkeit unter Bezugnahme auf die ursprüngliche Selbstbekennung in der Erklärung Nr. 355 für diese Tat uneingeschränkt bekräftigt; sie ist jeglichen Zweifeln an ihrer Urheberschaft an dem als Bestrafungsaktion bezeichneten Tötungsdelikt mit folgender Formulierung entgegen getreten:

"REVOLUTIONÄRE AKTIONEN DÜRFEN NICHT DIFFAMIERT WERDEN!

Wir haben die Leute von der Konterguerilla immer bestraft und werden die Bestrafungsaktionen auch fortsetzen! (...)

Letzte Woche sind wir erneut Zeuge für ein Beispiel der Diffamierungsbemühungen der Oligarchie in Bezug auf eine von unserer Organisation realisierten Aktion geworden. Man hat versucht, unsere Bestrafungsaktion, die wir gegen H Saraylioglu, einem Mitglied der Konterguerilla durchgeführt haben, in Verbindung zum `Ergenekon Verfahren´ zu setzen, da Notizen aufgetaucht sind, die man angeblich bei einem Intellektuellen gefunden haben will. Die verquere psychologische Kriegsführung wurde in der Presse mit Überschriften wie `Aktion der DHKP-C in Ergenekon involviert´ wiedergegeben. (...)

Wir haben die Bestrafung von H Saraylioglu mit der Veröffentlichung der Erklärung Nummer 355 des DHKC Pressebüros vom 06. Februar 2006 unter der Überschrift `WIR HABEN EINEN VOLKSFEIND, EINEN VON DER KONTERGUERILLA BESTRAFT´ bekanntgegeben. In unserer Erklärung ist alles klar und offen wiedergegeben worden. (...)

Diffamierungen, psychologische Kriegsmethoden, Verschwörungstheorien können die Aktionen, die ein Ausdruck von der Gerechtigkeit des Volkes sind, nicht diffamieren und verhindern. Gegen Lügen, Diffamierung und Anschwärzung werden wir die Bestrafungen der Volksfeinde fortsetzen.

REVOLUTIONÄRE VOLKSBEFREIUNGSFRONT"

Allem nach besteht kein Zweifel, dass es sich bei der Ermordung des H Saraylioglu um eine Bestrafungsaktion der DHKP-C handelte.

Zur Thematik Ergenekon ist abschließend Folgendes festzustellen: Der Senat ist davon überzeugt, dass die DHKP-C weiter existent und für die ihr zugeschriebenen Anschläge auch verantwortlich ist. Mögliche (Gesprächs-) Kontakte zwischen Verantwortlichen der DHKP-C und Ergenekon zuzurechnenden Person oder Mitgliedern anderer (Terror-) Organisationen, deren Zielsetzung ebenfalls auf die Beseitigung des derzeitigen Regierungs- / Gesellschaftssystems in der Türkei gerichtet ist bzw. war, ändern hieran nichts. Wesentliche Einflussnahmen durch andere Gruppierungen oder Geheimdienste, welche diese Verantwortlichkeit aufheben würden (auch wenn es durchaus zu Überschneidungen der Ziele mit anderen Organisationen gekommen sein mag), schließt der Senat aus.

III. Struktur der Rückfront der DHKP-C

1. Organisatorische Verankerung in der Gesamtorganisation

Die Feststellungen zur organisatorischen Verankerung der Rückfront und deren Funktion innerhalb der Gesamtorganisation beruhen auf verschiedenen Grundsatzentscheidungen (Beschlüsse Nr. 8, 9, 11 und 13) des Parteigründungskongresses sowie weiteren organisationsinternen TextDokumente n, die in den Niederlanden sichergestellt wurden. Hiernach bilden die - für den Guerillakrieg in der Türkei verantwortliche - Front und die - der finanziellen , materiellen und logistischen Förderung bzw. Steuerung des bewaffneten Kampfes dienende - Rückfront eine organisatorische Einheit mit verschiedenen (Teil-) Aufgaben.

Die Erkenntnisse zum organisatorischen Aufbau, der personellen Führung der Rückfront und der Gruppierung, die in den neunziger Jahren innerhalb des Funktionärskörpers der Organisation bestand, einschließlich der Auseinandersetzungen zwischen dem Karatas- bzw. Yagan-Flügel, hat sich der Senat durch die hierzu gemachten Angaben der Zeugen EKHK H und RD V sowie anhand der Urteile des Hanseatischen Oberlandesgerichts gegen Serefettin G vom 17. Februar 1999 (2 StE 1/98) und N E vom 05. Januar 2001 (2 StE 6/00) sowie des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf gegen L Y vom 29. November 2006 (III - II 2/06) verschafft. Es sind keine Umstände hervorgetreten, die aus heutiger Sicht Anlass für ein Abweichen von den in diesen rechtskräftigen, gegen namhafte Führungsfunktionäre der DHKP-C ergangenen Urteilen getroffenen Feststellungen bieten könnten. Die Feststellungen zur Anzahl der an der Rückfront der DHKP-C in Deutschland agierenden Personen beruhen auf den glaubhaften Bekundungen des Zeugen RD V. Hierzu passen die Angaben in einem Bericht der Europaverantwortlichen vom 08. Mai 2000 (Datei ID-Nr. 734 665), in welchem A bestätigt, dass bei Veranstaltungen ("Umzügen") der Organisation anlässlich des 1. Mai in Deutschland "nahezu 615 Personen ... mit marschiert" sind. Das (entsprechende) Mobilisierungspotential der DHKP-C in Europa wird in der genannten Mitteilung mit "ca. 1700 Menschen" beziffert.

a. Die Europaführung

Der Senat hat seine Feststellungen zur Struktur der Rückfront und deren Aufgaben / Funktion innerhalb der DHKP-C auch auf die hierzu gemachten Angaben des Zeugen E gestützt. Dieser hat bestätigt, im ersten Halbjahr 1995 und anschließend wieder von September 1997 bis Oktober 1999 als Verantwortlicher für Deutschland und Europa in der DHKP-C agiert und hierbei verschiedene Decknamen verwendet zu haben. Hierzu gehörte - wie sich aus dem bezeichneten Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf betreffend L Y ergibt - die Codebezeichnung C. Organisationsinterne Berichte aus der niederländischen Rechtshilfe belegen die Richtigkeit dieser Feststellung. So geht etwa aus einer Mitteilung As vom 18. / 19. Juni 2000 (Datei ID-Nr. 734 645) hervor, dass "C A" auch als "N A" bezeichnet wird. Bei "N A" handelt es sich - wie aus dem Bericht eines DHKP-C-Mitglieds vom 14. Mai 2000 (Datei ID-Nr. 740 922) sowie Mitteilungen der Europaführung in der Datei ID-Nr. 740 394 ("Akte von E") zur Situation und den Bedürfnissen inhaftierter Mitglieder / Führungsfunktionäre der DHKP-C in Europa zu ersehen ist - um die im innerorganisatorischen Schriftverkehr geläufige (Kurz-) Bezeichnung des früheren Deutschland- und Europaverantwortlichen der Organisation, N E.

Die Identität Es mit dem seinerzeit als C bezeichneten Führungsfunktionär belegt auch ein Vergleich mit der weiteren Mitteilung der Europaführung vom 08. Mai 2000 (Datei ID-Nr. 734 665). Darin wird festgestellt, dass C von der Rechtsanwältin, "Frau Sch" jede Woche besucht werde. Im nachfolgenden Schreiben vom 09. (08.) Juli 2000 (Datei ID-Nr. 740 394) heißt es hierzu: "(...) A- Unsere Gefangenen in Europa (...) Deutschland 1) N E: JVA Bremen (...) Rechtsanwältin Renate Sch (...)"

Dass N E organisationsintern auch mit der Tarnbezeichnung "Komponist" benannt wurde, ergibt sich aus dem Schriftverkehr zwischen Funktionären der Rückfront in verschiedenen, aus der niederländischen Rechtshilfe stammenden Dokumente . So heißt es etwa in einem Bericht der Europaverantwortlichen G vom 31. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 756 071), dass sie im Rahmen einer Unterredung mit dem früheren Mitangeklagten A (damaligen Deckname: B A) klargestellt habe, dass der "Komponist die Europaverantwortung" innehatte. Dass N E als Europaverantwortlicher der Rückfront agiert hat, wurde bereits ausgeführt. In einer Mitteilung vom 23. Mai 2003 (Datei Export-3/Unallocated Clusters~319) informiert G die Organisationsführung unter anderem über Kontakte "ZU DEN BEIDEN ANWÄLTEN DES KOMPONISTEN"; neben Rechtsanwalt B aus Dortmund wird auch Rechtsanwalt W aus Essen namentlich erwähnt. N E erschien sowohl bei seiner Zeugenvernehmung in vorliegender Sache wie auch in dem gegen Faruk E gerichteten Verfahren vor dem OLG Düsseldorf jeweils mit Rechtsanwalt W als Beistand. Weitere, ebenfalls eindeutig auf N E bezogene Informationen zur Person des "Komponisten" und dessen Betätigungen finden sich auch in zahlreichen anderen Dokumente n wie beispielsweise in den Dateien: Export-12/Unallocated Clusters~30, ID-Nr. 748 826, 749 592, 754 147, 755 882, 750 400, 756 071. Der Senat ist daher überzeugt, dass es sich bei der konspirativ als "Komponist" bezeichneten Person um den früheren Europaverantwortlichen E handelt.

Der Zeuge E hat - ausweislich seiner durch den Zeugen StA H berichteten Aussagen in der bezeichneten Vernehmung vor dem OLG Düsseldorf - bestätigt, dass die DHKP-C im Zeitraum von 1995 bis 1999 in verschiedenen Ländern (West-) Europas (Deutschland, Niederlande, Belgien, Frankreich, Österreich, Schweiz) eine streng hierarchisch strukturierte und geographisch in verschiedene Gebietseinheiten untergliederte Rückfront aufgebaut habe. In den einzelnen Staaten seien jeweils Nationalverantwortliche eingesetzt worden, denen die sogenannte Europaführung, als oberster Repräsentanz der Rückfront übergeordnet war. Der für Deutschland verantwortliche Führungsfunktionär habe - wegen der großen Anzahl der dort lebenden türkischstämmigen Bevölkerung - zugleich als Europaverantwortlicher fungiert. Im Bundesgebiet seien seinerzeit Westfalen sowie die Region Berlin und Stuttgart Schwerpunkte für Aktivitäten der Organisation gewesen.

Der Senat ist, insbesondere aufgrund der - noch darzustellenden - Inhalte organisationsinterner Textdokumente , die bei Durchsuchungen in den Niederlanden sichergestellt wurden oder Erklärungen, die von der DHKP-C in anderen, öffentlich zugänglichen Quellen verbreitet worden sind, überzeugt, dass diese (Grund-) Strukturen auch in der Folgezeit (nach dem Jahre 1999) im Wesentlichen beibehalten worden sind. Neben Angaben zur Organisationsstruktur der Rückfront in Deutschland, England - organisationsintern auch als "die Insel" bezeichnet - Frankreich ("das problematischste Gebiet was Organisationsdisziplin betrifft"), Belgien, Österreich, den Niederlanden (bestehend aus den Gebieten Den Haag, Amsterdam, Rotterdam, Bergen op Zoom und Arnheim) und der Schweiz sowie Informationen zur personellen Führung finden sich dort auch Darlegungen zu den allgemeinen Grundsätzen der Kadertätigkeit, zu den auf überregionaler und örtlicher Ebene bestehenden Einrichtungen und Stützpunkten und zu den verschiedenen Aufgaben- und Tätigkeitsbereichen der an der Rückfront der DHKP-C agierenden Funktionäre.

Dass die Europaführung nach der Festnahme Es im Jahre 1999 von einer zunächst unter dem Decknamen A und ab Mitte Juli 2002 unter der Tarnbezeichnung G agierenden weiblichen Person übernommen wurde, belegen die Dateien der niederländischen Rechtshilfe (Datei ID-Nr. 734 838, 740 197 und 740 199). Aus den Überschriften ("Keamemka 10. November, Hallo (A)", "Hallo, 28. Dezember (A)", "Hallo, 30. Januar") sowie den zugehörigen Datei- / Pfadnamen ("10Kas99-1A.txt", "28.12.9901A.txt" und "31.129901A.txt") dieser Textdokumente ergibt sich, dass die Schriftstücke A zuzuordnen sind und die Zeit November 1999 bis Januar 2000 betreffen. Dies bestätigt auch ein Vergleich mit dem Dokument Datei ID-Nr. 740 180. Im dortigen Bericht ist ebenfalls der Name "(A)" sowie die Datei- / Pfadbezeichnung "o8ar9901A.txt" enthalten. Unter Punkt 24 dieser Mitteilung wird der "27. November" als Samstag angeführt. Tatsächlich handelte es sich bei diesem Datum im Jahr 1999 um den bezeichneten Wochentag (davor erst wieder 1993, danach erst wieder im Jahr 2004).

Dass A von Zeit zu Zeit auch unter der Tarnbezeichnung M agierte, belegt ein organisationsinternes Schreiben (Datei ID-Nr. 733 870) in welchem A über die Suche nach einem Kurierfahrer berichtet. Nach der Mitteilung, dass sowohl "Y A, als auch ich" mit der betreffenden Person (dem "Freund") gesprochen haben, folgt die Erklärung: "(...) Der Freund, der zum Gespräch geht, wird sagen, dass Y oder M geschickt habe..."

Inhaltlich befassen sich die bezeichneten Mitteilungen mit Hinweisen auf die (erfolgte) Erörterung von Grundsatzfragen wie z. B. "... Organisierung, Funktionalität, Neuregelung der Modem-Telefonzentrale, Komitees, Räte, unsere Gespräche als Komitee, Wintercamp, Kampagne, Abendveranstaltung, Schulung, Überwachung, Massenarbeit, Kulturaktivitäten, Begleichung der Rückstände von Vatan, Neuregelung von Verkäufen, neue Verfahren in dieser Hinsicht, internationale Beziehungen, Verfahren, Gewährleistung unserer Legitimität in Europa, Veröffentlichungen, Schreibarbeiten, unsere Stimme, technische Arbeiten ..." (Datei ID-Nr. 734 838) sowie Erwägungen und Analysen zur "Situation in Deutschland" und Europa (Datei ID-Nr. 740 197 und 740 199). In einem Schreiben vom Dezember 1999 (Datei ID-Nr. 740 197) weist A darauf hin, dass es "... wohl drei Monate her..." sei, dass "... sie die Aufgabe begonnen habe. ...". In ihrer Mitteilung vom Januar 2000 (Datei ID-Nr. 740 199) erklärt sie im Anschluss an Berichte zur aktuellen Lage in Europa und verschiedenen Gebieten Deutschlands Folgendes:

"(...) Das ist das Ergebnis, zu dem ich gekommen bin, nachdem ich mir die Arbeiten in einer dreimonatigen Phase in Europa angeschaut habe. Ich denke darüber nach, was ich in meiner eigenen Front als Führungskraft gemacht habe. Obwohl ich meinen eigenen Arbeitsbereich überhaupt nicht kannte, habe ich im Hinblick auf Europa in einer sehr wichtigen Phase die Aufgabe begonnen und habe versucht, Versammlungen zur Organisierung von Kampagnen durchzuführen, Räte durchzuführen, Komitees zu gründen, eine kollektive Arbeit zu schaffen, und ein Programm hervorzubringen. (...)"

Diese Darlegungen rechtfertigen den Schluss, dass A als Verantwortliche der DHKP-C für Deutschland und Europa agiert hat. Dafür spricht auch der mit "11. Mai, Hallo (A)" überschriebene Bericht (Datei ID-Nr. 734 641), in dem "Protokolle der Komiteeversammlung" übermittelt werden aus denen sich ergibt, dass über die "GEBIETE" (Holland, Belgien, England, Frankreich, Österreich, Schweiz und Deutschland), das "ORGANISATIONSMODELL" und das "PROGRAMM" sowie die "KADERBILDUNG" diskutiert wurde.

Die Identität zwischen A und G belegt außerdem folgender Schriftverkehr: In einer Mitteilung vom 15. Juli 2002 (Datei ID-Nr. 732 562) teilt der frühere Mitangeklagte A (Deckname: S) mit, dass verstanden worden sei, dass er sich "... um das Gebiet von Tamer kümmern ..." solle, da dieser verhaftet worden sei. Er kündigt an: "(...) Unsere Arbeit hier ist beendet, ich bespreche mich mit A und gehe in Ts Gebiet rüber. Wie ich hingehe, wen ich finden werde, und was ich alles machen soll, bespreche ich mit A (...)" Am 19. Juli 2002 bestätigt sodann G in einem Bericht (Datei ID-Nr. 731 673), Informationen mit A bezüglich des Gebiets von T ausgetauscht zu haben. Wörtlich heißt es: "... Ich habe zusammen mit S. A.Informationen bezüglich des Gebiets von T gegeben, da ihr gesagt habt, dass er sich vorerst um Ts Gebiet kümmern soll, (...)"

Die Verantwortlichkeit Gs für Deutschland und Europa ergibt sich ferner aus einer Notiz vom 31. Oktober 2003, in der über ein Gespräch zwischen G und A (Deckname: B) berichtet wird (Datei ID-Nr. 756 071). Unter Punkt "c-" vermerkt G dort folgenden Dialog:

"Er hat gesagt: `Du bist Führungskraft, weil es einen Unterschied zwischen uns gibt. Natürlich müssen Führungskräfte anders sein.´ Daraufhin habe ich gesagt: `Wenn mir etwas passiert, dann bist du einer der Menschen, die es könnten. Die Menschen in Europa kennt man ja. Ich habe dich unter diesem Aspekt betrachtet. Auch du kannst das schaffen. (...)"

Der bezeichnete personelle Wechsel in der Europaführung im Jahre 1999 hatte - wie bereits erwähnt - abgesehen von räumlichen Umgliederungen keine Veränderungen der in den bezeichneten Urteilen der Oberlandesgerichte Hamburg und Düsseldorf festgestellten sowie vom Zeugen E beschriebenen Organisationsstrukturen der DHKP-C in Deutschland und Europa, dem Vorgehen dort eingesetzter Führungskader und deren Zuständigkeits- / Arbeitsbereiche zur Folge.

b. Räumliche Organisationsstruktur

Aus organisationsinternen Dokumente n ergeben sich die verschiedenen, zur Rückfront der DHKP-C in (West-) Europa gehörenden Staaten. So werden in einem Bericht As (Datei ID-Nr. 734 641) über die "Protokolle der Komiteeversammlung" unter der Rubrik "1-Gebiete" die Länder Holland (Niederlande), Belgien, England, Frankreich, Österreich, Schweiz sowie Deutschland benannt und dort durchgeführte Arbeiten analysiert.

Aus verschiedenen Dokumente n der niederländischen Rechtshilfe ergibt sich ferner, dass von der Organisation auch in skandinavischen Staaten wie z. B. Dänemark, Schweden und Finnland (Dateien ID-Nr. 734 495, 734 614, 740 360, 751 947, 753 830, 762 089 und 764 229) Aktivitäten entfaltet und Stützpunkte unterhalten werden.

Die festgestellten Umstrukturierungen auf regionaler Ebene in den Jahren 2000 und 2002 betreffend Deutschland ergeben sich - ebenso wie die festgestellten Gebietszugehörigkeiten - aus Berichten der Europaführung in den Dateien ID-Nr. 734 622, 734 641, 735 830, 740 141 und 740 203. Demzufolge wurden die ursprünglich fünf Regionen (Nord, Mitte, Westfalen, Ost und Süd) zunächst zu drei Regionen (Nord, Westfalen und Süd) zusammengefasst, bevor in einem zweiten Schritt im Oktober 2002 das Gebiet Mitte als eigenständige, vierte Region aus der Region Süd wieder ausgegliedert wurde.

Die Textdokumente der niederländischen Rechtshilfe belegen ferner, dass die Regionen und Gebiete (Bölge) nach wie vor durch Regions- und Gebietsverantwortliche oder von (mehrköpfigen) Regions- und Gebietskomitees geführt werden. Hierzu heißt es in dem Bericht der Europaverantwortlichen A unter dem Datum des 11. Mai 2000 (Datei ID-Nr. 734 614) wie folgt:

"(... ) Westfalen: Z ist verantwortlich. (...) Süddeutschland: T wird verantwortlich sein. (...) Stuttgart: Unter der Verantwortung von F arbeiten 5 Personen als Komitee. (...) ORGANISATIONSMODELL: In den Gebieten wird es Gebietskomitees geben. Diese werden die Nord, Süd und Westfalen Komitees sein. (...)"

In einer anderen Mitteilung As (Datei ID-Nr. 740 139) wird z. B. darüber berichtet, dass eine Versammlung des Deutschlandkomitees durchgeführt worden sei. Im Bericht der Europaführung vom 21. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 755 902) bemerkt G unter anderem Folgendes:

(...) Außerdem gibt es in Deutschland sowieso für jedes Gebiet Einheits-Verantwortliche, die die praktischen Arbeiten erledigen. Zeitschriften, Kampagnen, der Verein, Schulungen, Versammlungen, Beiträge etc. All diese Arbeiten machen die Einheits-Verantwortlichen. (...) In Deutschland lag die eigentliche Verantwortung bei den Einheits-Verantwortlichen, (...) Ein Einheits-Verantwortlicher muss im Mindestmaß all diese Arbeiten machen und macht sie auch. (...)"

In einem weiteren Schreiben vom 04. / 05. Juni 2000 (Datei ID-Nr. 735 830) stellt A zum Organisationsmodell fest, dass es "(...) die Komitees Norden, Süden und Westfalen (...)" geben wird.

Aus den in den Niederlanden sichergestellten Dokumente n geht ferner hervor, dass die Europaführung für die Einrichtung bzw. Aufteilung räumlicher Organisationseinheiten (mit-) verantwortlich war. So heißt es etwa in einem Berichts As (Datei ID-Nr. 751 295) unter anderem wie folgt: "(...) Ich habe Süddeutschland in drei geteilt. Frankfurt und Umgebung, Stuttgart und unterster Süden. (...)"

Organisationsinterne Schriftstücke belegen außerdem, dass die DHKP-C an der Rückfront in (West-) Europa Kontakt- bzw. Frontbüros als Schalt- und Informationszentralen betreibt. So berichtet die Europaverantwortliche (G) in einer Nachricht vom 12. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 350) etwa über eine derartige, in der französischen Hauptstadt bestehende Einrichtung wie folgt:

"(...) 3- Antwort von K im Zusammenhang mit dem FRONTBÜRO FRANKREICH: `Adresse des Büros: Agence de Presse DHKC 91, rue F St. Denis 75010 Paris, Telefon (

E-Mail:

In dem Büro werden sich regelmäßig M und ich aufhalten. Das Bürogebäude, in dem sich das Büro befindet, ist nachts und an Sonntagen geschlossen. An Samstagen ist es bis 17.00 Uhr geöffnet. Infolgedessen werden wir es angemessen an diese Situation offen halten. (...)"

Aus weiteren Berichten der Europaführung (Datei ID-Nr. 734 452, 740 360, 741 732, 748 762, 763 498 und 763 696) geht hervor, dass die Organisation beispielsweise auch in England, Österreich, Belgien und der Schweiz entsprechende Frontbüros aufgebaut und unterhalten hat.

Teilweise macht sich die DHKP-C in diesem Zusammenhang auch die Verfügbarkeiten ihrer - noch darzustellenden - Tarn- bzw. Vorfeldorganisationen wie z. B. (Kultur-) Vereine und das Tayad-Komitee zu nutze. So kommt die Europaverantwortliche in einer Mitteilung vom 08. Oktober 2002 (Datei: /Bronbestanden (ALL)/Export-12/Unallocated Clusters-44) etwa zu folgenden Erwägungen:

"(...) 4- Es gibt keine großen Veränderungen in der Schweiz. Dort muss das Büro von (der) Front (Cephe) eröffnet werden. (...) Das Tayad - Komitee funktioniert in Zürich nicht. Der Verein in Basel läuft nicht. Wir haben gedacht, dass wir aus dem Tayad-Komitee in Zürich das Büro von Front / Cephe machen, wenn das Büro in Zürich sein sollte, so gibt es niemanden, der das Büro eröffnen könnte. Da F in Basel befindet, haben sie gesagt, dass wir ein Zimmer des Vereins in Basel in das Büro der Front umwandeln sollen. Wir haben gesagt, dass dies nicht ginge. (...) Das Büro von Front muss legal sein. Wir können das Tayad-Komitee nach Basel verlegen - (...)"

c. Kader- und Berichtswesen

Die einzelnen (Gebiets-) Verantwortlichen sind (weiterhin) verpflichtet, in ihrem Zuständigkeitsbereich die allgemeinen Aktivitäten - hierzu später mehr - zu organisieren. Dazu gehört - wie sich beispielsweise aus einem organisationsinternen Bericht vom 27. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 696) ergibt - auch eine umfassende Berichtspflicht an übergeordnete Stellen. Unter Punkt 18 E des bezeichneten Dokuments heißt es hierzu wie folgt:

"Über die Aktivitäten in den Gebieten müssen Aktivitätenberichte abgegeben werden. Es muss über alles wie Vereine, Schulungsarbeiten, Aktionen, Aktivitäten, Finanzthemen usw. berichtet werden. Außerdem müssen sie von jedem verantwortlichen Freund einen Wöchentlichen Finanzbericht verlangen und weiterleiten. Über das Thema Schulungsarbeit müssen regelmäßig Informationen weitergegeben werden."

Dass zwischen den verschiedenen Hierarchieebenen der Rückfront ein vertikal verlaufendes Berichtswesen in der Form besteht, dass jeweils an den nächst höheren Funktionär berichtet werden muss, wird auch durch eine Vielzahl weiterer Schriftstücke aus der niederländischen Rechtshilfe Dokumentiert. Überdies hat der Zeuge E in seiner bezeichneten Vernehmung vor dem OLG Düsseldorf - über deren Inhalt der Zeuge StA H dem Senat berichtet hat - bezogen auf seine Tätigkeit als Deutschland- und Europaverantwortlicher in den Jahren 1995 bis 1999 hierzu ausführliche Angaben gemacht. Demzufolge hatten bereits zur damaligen Zeit untere Einheiten regelmäßig anhand schriftlicher Berichte "Rechenschaft" abzulegen und Tätigkeitsberichte zu fertigen. In umgekehrter Richtung seien von übergeordneten Ebenen Anweisungen und Befehle nach "unten" weitergereicht worden. Entsprechende Mitteilungen seien zunächst in Papierform, später auch per E-Mail auf elektronischem Wege ausgetauscht worden. Die Richtigkeit dieser Bekundungen wird durch zahlreiche Dokumente aus der belgischen Rechtshilfe und andere organisationsinterne Schreiben bestätigt.

Teilweise werden Führungsfunktionäre als sogenannte Generalverantwortliche auch mit der Überwachung und Leitung mehrerer Regionen beauftragt. Eine entsprechende Handhabung belegt z. B. ein - im Bericht der Europaführung vom 07. März 2003 (Datei ID-Nr. 750 617) enthaltenes - Schreiben Gs, in welchem der frühere Mitangeklagte A (Deckname: N) über seine Einsetzung als (Gesamt-) Verantwortlicher für die Regionen Nord und Süd sowie England informiert wird.

Die in den Niederlanden sichergestellten Textdokumente belegen weiter, dass die in Deutschland für die Europaorganisation der DHKP-C eingesetzten Führungsfunktionäre als professionelle Kader agieren und auf sämtlichen Hierarchieebenen regelmäßig Versammlungen der verantwortlichen Funktionäre abgehalten werden, um anstehende Aktivitäten zu erörtern und / oder deren Umsetzung zu koordinieren. Hierzu heißt es etwa in den von A unter dem Datum "20. November" übermittelten Beschlüssen der "Ratsversammlung der Europaverantwortlichen" (Datei ID-Nr. 740 141) wie folgt:

"5- Komitees, Räte: Das Deutschlandkomitee, Gebietskomitee Deutschland, die Komitees Holland, Belgien und Frankreich sollen ihre Versammlungen jede Woche regelmäßig durchführen. Es werden Protokolle erstellt, ein Programm angefertigt und berichtet. - Jede Woche werden die Versammlungen der Gebiets- und Länderkomitees durchgeführt. - Alle 15 Tage werden die Gebietsräte abgehalten. - Einmal im Monat machen die Verantwortlichen ihre Ratsversammlungen. Ratsversammlungen:

4. Dezember: Rat Norden

11. Dezember: Rat Westfalen

18. Dezember: Versammlung Süden und Mitte

25. Dezember: Rat Holland, Frankreich, Schweiz, Belgien

26. Dezember: Durchführung der Ratsversammlung der Verantwortlichen"

Den an der Rückfront agierenden (Führungs-) Funktionären der Organisation ist es untersagt, den ihnen zugewiesenen räumlichen Wirkungsbereich eigenmächtig zu verlassen. Für entsprechende, die Grenzen organisationsinterner Struktureinheiten überschreitende Aufenthaltswechsel ist - wie sich ebenfalls aus Dokumente n der niederländischen Rechtshilfe ergibt - die Zustimmung vorgesetzter Kader bzw. der Partei-) Führung erforderlich. So heißt es etwa in einem Schreiben der Europaverantwortlichen vom 08. Mai 2000 (Datei ID-Nr. 734 665) wie folgt:

"(...) Der Verantwortliche für Frankreich ist nach der Abendveranstaltung ohne unsere vollständige Erlaubnis einzuholen für seine bürokratischen Angelegenheiten nach Deutschland gekommen. Seine Aufenthaltsgenehmigung ist zu Ende gegangen, seine Fahrerlaubnis wird jeden Moment entzogen. Aber das eigentliche Problem ist, dass in Frankreich die Polizei (ihn) verfolgt, dass er nach Deutschland geht, sogar ohne dies dem anderen dort Verantwortlichen zu sagen. Ich habe verlangt, dass er von der Versammlung aus nach Frankreich zurückkehrt und nach der Kampagne seine bürokratischen Angelegenheiten erledigt. (...) Er hat gesagt: Alles klar, ich werde gehen, es kam heraus, dass er in Köln festgenommen wurde, dass eine Geldstrafe existiert, diese ist gezahlt worden, aber er ist nicht zurückgekehrt. In Berlin versuchen wir jetzt (ihn) mit Gewalt zu schicken. (...)"

Die Feststellung, dass die an der Rückfront der DHKP-C in (West-) Europa agierenden Kader und Führungsfunktionäre strikten, auch ihren allgemeinen Lebenswandel erfassenden, Reglementierungen unterliegen, beruht ebenfalls auf organisationsinternen Dokumente n. So heißt es etwa in einer an den früheren Mitangeklagten D. (Deckname: U) gerichteten Anweisung vom 28. September 1998 (Asservat 33.92.132) unter Punkt 4. wie folgt: "Du musst, was die Diät angeht, unbedingt durchhalten... Du musst abnehmen... Du musst 65 Kilo sein..."

Bei anstehenden Feiern werden von der Europaverantwortlichen ferner Vorgaben zum Trinkverhalten gemacht. So heißt es z. B. in einem Bericht As über die "Ergebnisse der Ratsversammlung Nord" (Datei ID-Nr. 740 180) hierzu wie folgt:

"Silvester: Ich wollte, dass es in den Gebieten gemeinsam gefeiert wird. Das Alkoholproblem kam auf die Tagesordnung. Ich habe gesagt, dass je eine Dose Bier getrunken werden könne. (...) Ich finde, wir sollten alle Beziehungen in den Vereinen gemeinsam Silvester feiern, und Alkohol trinken lassen, aber dennoch verlangen sollten, dass sie das Maß nicht überschreiten. (...)"

In einem Bericht vom 25. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 751 229), in dem die Europaführung über die "mit den verantwortlichen Freunden" geführten Gespräche informiert, verdeutlicht G die organisationsinternen Vorgaben und Positionen zur Handhabung zwischenmenschlicher Kontakte und deren Bedeutung für den Revolutionismus wie folgt:

"j- Ich habe mit E über das Mädchen gesprochen, für das er sich interessiert. (...) Ich habe gesagt, dass es schlimm enden könnte, wenn sie eine Beziehung hätten und er diese Beziehung vor uns verheimliche. Er hat gesagt, dass er keine Beziehung zu diesem Mädchen habe. (...) Das Mädchen mache keinen Revolutionismus, sondern arbeite nur im Verein. Er wisse, dass wir solche eine Beziehung nicht erlauben würden. (...) Ich habe daraufhin gesagt: (...) `Was willst Du machen? Sag´ es offen. Wenn Du keinen Revolutionismus machen willst, dann kannst Du mit dem Mädchen gehen. Wenn Du aber Revolutionismus machen willst, dann konfrontiere uns nicht immer wieder mit solchen Angelegenheiten. Wir sagen euch nicht, ihr sollt nicht heiraten. Heiratet, aber eure Interessen sollten revolutionär sein´. So habe ich das erklärt. (...)"

Dass im Zusammenhang mit der Bewertung bzw. Duldung persönlicher Bindungen organisationsintern zwischen Anhängern und Kadern differenziert wird, verdeutlicht ein Bericht der Europaführung vom 21. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 998). Dort heißt es unter Punkt 7 "Unsere Einstellung zur Ehe:" wie folgt:

"- Wir treffen zwar keine Entscheidung bezüglich der Heirat unserer Anhänger, aber wir geben Ratschläge, ob sie falsch oder richtig wäre. Wir erklären, dass diese Beziehung so und so gefährlich ist. Letztendlich liegt die Entscheidung bei ihnen selbst.

- Was die Heirat unserer Kader betrifft, greifen wir dagegen direkt ein und entscheiden. Das heißt, wir sagen `Freund / Freundin, diese Beziehung ist aus den und den Gründen nicht möglich. Du kannst nicht heiraten. Und der Kader muss sich an diese Entscheidung halten´."

Verstöße gegen organisationsinterne Disziplinarvorschriften werden sanktioniert und gegebenenfalls mit körperlicher Züchtigung bestraft. So heißt es etwa in einem Bericht As (Datei ID-Nr. 740 139) im Zusammenhang mit der Schilderungen des Vorgehens bei entsprechend zu beanstandenden Verhaltensweisen wie folgt:

"(...) 12- Faruk ist verprügelt und rausgeschmissen worden. Mit L hingegen wird gesprochen. Mit diesem Mädchen sprechen R und die Seinen. (...) Das Mädchen habe auf Besserwisser gemacht und habe eine Haltung nach dem Motto: Was ist denn schon dabei. Ich habe für den Fall, dass dieses Mädchen beim Gespräch auf die gleiche Weise an die Sache herangeht und besserwisserisch ist, dass man ihr sagt, dass das, was sie macht, Prostitution ist und in dem Moment wo sie unverschämt wird, man ihr zwei Ohrfeigen verpasst und sie davon jagt. (...)"

d. Konspiration und Nachrichtenaustausch

Aus zahlreichen organisationseigenen Dokumente n geht hervor, dass verantwortliche Kader der DHKP-C zur konspirativen Verdeckung ihrer Aktivitäten Decknamen verwenden. Diese werden häufig, teilweise monatlich geändert (vgl. bei dem früheren Mitangeklagten A nachf. V.1.c.aa).

E-Mails, Telefone etc.

Der Nachrichtenaustausch zwischen Führungsfunktionären wird grundsätzlich in verschlüsselter Form auf elektronischem Wege durch E-Mails oder Verwendung anderer digitaler Datenträger, auf denen schriftliche Mitteilungen als Text- / Bilddateien abgespeichert werden, unter Einhaltung zahlreicher, von der Organisationsführung vorgegebener Sicherheits- bzw. Verhaltensregeln abgewickelt. Die Verschlüsselung der jeweiligen Texte bzw. Informationen erfolgt - wie beispielsweise die Berichte vom 17. Oktober 2000 (Datei ID-Nr. 734 465) und vom 27. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 696) zeigen - unter Zuhilfenahme handelsüblicher Software oder der Verwendung organisationsinterner Codierungssysteme. Für telefonische Kontaktaufnahmen sind - wie sich aus Asservat 2.2.5/Disk 6/zhg icin.txt ergibt - von den "verantwortlichen Genossen und deren Helfern" sowie "Komiteeangehörigen" in einer Anweisung enthaltene "Regeln über Telefongespräche und die Verwendung von Telefonapparaten" zu befolgen. Telefone dürfen nur zu fest vereinbarten Zeiten außerhalb von Wohnungen eingeschaltet werden, um eine Ortung und Rückschlüsse auf den Aufenthaltsort des jeweiligen Funktionärs zu vermeiden bzw. zu erschweren. Hierzu schreibt G in einem Bericht vom 29. September 2003 (Datei ID-Nr. 754 604) bei Punkt 16 ihrer Mitteilung Folgendes:

"(...) Ich sage‚ 3 Mal am Tag müssen die Telefone eingeschaltet sein. In den Wohnungen / Häusern, wo ihr euch aufhaltet, sollt ihr sie nicht einschalten. Ich möchte, dass ihr in ein Gebiet wechselt und dann erst einschaltet. (...)"

Bei ausgeschalteten Telefongeräten sind überdies die SIM-Karten zu entfernen. Hierzu bemerkt G in einer Mitteilung vom 25. Mai 2003, in der über Gespräche "mit den verantwortlichen Freunden" berichtet wird (Datei ID-Nr. 751 229), Folgendes:

"(...) 7-C A (...) h- (...) Als er am nächsten Tag zum Gespräch kam, habe ich ihm erklärt, wie man sich an die Regeln hält, und dass wir von nun an noch vorsichtiger sein müssten. Das Treffen mit ihm sei eigentlich sehr riskant. Ich habe ihn gefragt, wie er gekommen ist, was er getan hat, und ob er die Telefonkarte herausgenommen hatte oder nicht. Er hat gesagt, wie er gekommen ist. Ferner hat er gesagt, dass das Telefon, welches er mit uns benutzt, zwar ausgeschaltet sei. Aber die Karte habe er nicht herausgenommen. Er habe nicht gewusst, dass das so gemacht wird. Ich habe daraufhin gesagt, dass ich auch das erklärt hätte, als ich die Regeln erklärt hatte, an die man sich halten müsse, dass es keinen Sinn habe, das Telefon auszuschalten. Das Telefon werde abgehört, auch wenn es ausgeschaltet sei. Er hat gesagt, er wisse das nicht. Ich habe ferner gesagt, dass alle Nachrichtendienste auf diese Weise alle Telefongespräche überwachen würden. (...)"

Dazu passen weitere Vorgaben, über die G in einem Bericht vom 31. März 2003 (Datei ID-Nr. 752 165) wie folgt informiert:

"(...) 1- Bezüglich der Telefonbenutzung:

A- Unsere Telefone werden nicht ständig eingeschaltet sein. Sie werden von morgens 9.30 - 14.30 eingeschaltet sein. (...) B- Das Telefon, welches Sie mit uns nutzen, braucht nicht mehr ständig eingeschaltet zu sein. Sie können das Telefon viermal am Tag 9.30 - 12 - 14 - 20 Uhr einschalten, die eingegangenen Nachrichten beantworten und Nachrichten verschicken. (...) C- Lassen Sie ihr Telefon in allen unseren Institutionen, Vereinen in Wohnungen / Häusern, in denen Sie sich aufhalten, ausgeschaltet. Wenn Sie die Institutionen betreten, holen Sie die Karte heraus, auch wenn Ihr Telefon ausgeschaltet sein sollte. (...)"

Weitere Verhaltensanweisungen betreffend die Handhabung von Telefonapparaten enthält eine "Bemerkung" der Europaverantwortlichen vom 30. März 2003 (Datei: Export-4/Unallocated Cluster~570"), die unter anderem folgende Anweisung enthält:

"C- Ihr werdet die Telefone nicht in den Vereinen einschalten. Nehmt die Karte aus eurem Telefon, wenn ihr unsere Vereine oder eine unserer Organisationen betretet. (...) Die Telefone sollen in den Vereinen nicht eingeschaltet sein. Außerdem sollen in den Häusern, in denen ihr übernachtet, die Telefone nicht eingeschaltet sein, die ihr bei Gesprächen mit uns verwendet. (...)"

Dass Funktionäre in Einzelfällen auch angewiesen werden, ein Telefon ausschließlich für Kontaktaufnahmen mit vorgesetzten Kadern und einen weiteren Fernsprecher für die notwendige Kommunikation mit nachgeordneten Organisationseinheiten mit sich zu führen, zeigt eine Mitteilung der Europaführung vom 15. März 2003 (Datei ID-Nr. 751 051 bzw. 764 042), in der G über das Ergebnis einer von ihr mit dem früheren Mitangeklagten A (Deckname: N) geführten Unterredung unter anderem Folgendes mitteilt:

"(...) Er wird zwei Telefone bei sich tragen, die er sowohl mit uns als auch mit dem Gebiet benutzen wird. Das Telefon, das er mit uns benutzen wird, wird ständig angeschaltet sein, und er selbst wird sich um seine Anrufe und Mitteilungen kümmern. Das Telefon, das er mit den Gebieten verwenden wird, wird er dreimal täglich anschalten, wird die Mitteilungen, die er an die Gebiete verschicken will, senden und die eingehenden Mitteilungen ansehen. Die Telefone, die die Gebiete mit ihm verwenden, sollen ständig angeschaltet sein. (...)"

Verschlüsselung / Umgang mit Datenspeichern

In ihrem Bericht vom 19. März 2003 (Datei ID-Nr. 748 982) übermittelt die Europaverantwortliche eine für M.A. (Deckname: N) bestimmte Nachricht, in der sie unter Punkt 13. folgende Anweisung erteilt: "Wenn ihr eure Codierungen aufbewahrt, benutzt nicht das Programm peencypt. Verschlüsselt die ZIP-Datei. (...)" Zuvor hatte A (Deckname: N) am 11. Februar 2003 ausweislich eines Berichts Gs vom 13. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 750 402) zur Handhabung von Verschlüsselungen wie folgt Stellung genommen:

"14- Hül. hat die Bedienungsanleitung zu fc, ts, crypt, pencrypt und Pocket erhalten. Er / Sie sagt, es gäbe keine Probleme. Es gibt drei neue Kodierungen, die ich heute per Internet als Zip-Datei chiffriert schicken werde. Die Kodierungen werde ich so schicken. Das Pocket-Programm werde ich ohne sync. auf diesem Wege schicken, aber ohne sync. nützt das nichts. (...)"

Zur generellen Vorgehensweise im Zusammenhang mit Kodierungen und der Benutzung von Computern / elektronischen Speichermedien erteilt die Europaverantwortliche in einer Nachricht vom 27. Januar 2003 (Datei ID-Nr. 750 520) folgende Anweisungen:

"(...) A- Ihr müsst die Ersatzkodierungen in Bildern tarnen. (...)

b- Es ist notwendig, dass die Harddisks der Laptops der Schweiz und Österreich geändert werden. Nachdem die Pockets installiert worden sind, müsst ihr sofort die Harddisks vernichten. Ihr müsst euch vergewissern, dass sie das getan haben.

C- Die benutzten Pocketkodierungen dürfen nicht offen gelassen werden. Jeder kann seine Kodierung verstecken, indem er den Zip mit einem Passwort belegt. (...)

D- Nachdem neue Harddisks in die Laptops installiert worden sind, darf niemand die Laptops zum Schreiben von Texten benutzen. Sie dürfen nur dazu benutzt werden, um Pockets zu installieren. (...)

E- Alle früher benutzten Kodierungen und TS-Kodierungen müssen verbrannt und vernichtet werden. Von der Diskette soll keine Löschung erfolgen.

F- Der Ersatz für die Kodierungen müssen in einer getarnten Form versteckt werden. (...)"

Aus dem organisationsinternen Schriftverkehr geht ferner hervor, dass auch für elektronische Dokumente und damit einhergehendem Datenaustausch Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden und beachtet werden. Beispielhaft ist hierzu neben Berichten der Europaführung vom 23. Februar 2000 (Datei ID-Nr. 737 832) und 20. April 2000 (Datei ID-Nr. 736 325) eine an die Organisationsführung gerichtete Nachricht As vom 17. Oktober 2000 (Datei ID-Nr. 734 465) anzuführen, in welcher die Europaverantwortliche unter anderem über das "Reinigen" ihres Computers mit spezieller Software, das "Verbrennen" von Disketten und über Software für Codierungen berichtet.

Bei der Übermittlung sensibler Informationen werden zur Verdeckung illegaler Aktivitäten Tarnbegriffe verwendet. Ein solches Kodierungssystem zur konspirativen Abwicklung des organisationsinternen Nachrichtenaustauschs und dessen praktische Handhabung belegt zum Beispiel eine mehrseitige Liste mit maschinenschriftlichen Eintragungen, die - ausweislich der Angaben der Zeugin KHKin S-K - am 12. Juli 2002 im Zuge der Festnahme des damaligen Verantwortlichen für die Region Süd, A C in Pforzheim aufgefunden und sichergestellt wurde. Bei dem bezeichneten Dokument handelt es sich um eine mit den fortlaufenden Nummern 1. bis 653., denen jeweils ein bestimmter, teilweise mit mehreren Worten umschriebener Begriff und / oder eine konkrete Handlungsanweisung zugeordnet ist, versehene Aufzählung. Beispielhaft anzuführen sind folgende Zuordnungen:

"2. Beeilt euch; 7. Holt die Erklärungen aus dem Internet; 9. Hungerstreik Delegation; 37. Auto Zug Flugzeug; 86. Haltet den Computer sauber; 91. Wir schicken einen Freund; 99. Ruft uns an; 119. CENGIZ; 121. Frontbüro; 161. Ist das Zeitschriftengeld vollständig; 199. Bildungsarbeit; 231. Gasbombe chemisch; 270. Ruft jeden Tag an; 337. Was ist aus dem Kassettengeld geworden; 349. Sucht Ausweis / Identität; 353. Wintercamp; 369. Ruf von der Telefonzelle an; 371. Kurier wird benötigt; 382. Versteckt / bewahrt die Materialien (auf); 391. Druckerei Druck; 384. M; 395. Er / Sie wird in die Heimat reisen; 407. Organisiert eine Kundgebung; 426. Wie viel habt ihr gesammelt; 477. Wir wollen einen Pass; 558. leg ins Depot; 621. Macht Identität / Ausweis; 652. Deponiert im Versteck".

Die entsprechenden, mit den verschiedenen Ziffern verknüpften Vorgaben lassen erkennen, dass diese auch auf Geldsammlungen (z. B. Ziffer 337. und 426.), das Kurier- / Transportwesen, Verstecke und Depots (z. B. Ziffer 37., 91., 371., 382., 395., 558. und 652.), Publikationen und Propaganda (z. B. Ziffer 161., 391. und 407.), Schulungen (z. B. Ziffer 199. und 353.) sowie die Passbeschaffung (z. B. Ziffer 349., 477. und 621.) bezogen sind. Sie korrespondieren insoweit mit den an der Rückfront von dort eingesetzten Funktionären der DHKP-C zu erledigenden Arbeiten.

Der Senat ist daher überzeugt, dass es sich bei der in Rede stehenden Liste um ein für die verschlüsselte Kontaktaufnahme Kommunikation mit Organisationsangehörigen bestimmtes Arbeitsmanual handelt.

Weitere Beispiele finden sich in den Dateien ID-Nr. 751 484 und 754 014, in denen Sprengstoffe mit "Seife", Waffen mit "Radios", Patronen / Kugeln bzw. Munition als "Knöpfe" und Magazin(e) mit "Kassette(n)" bzw. "Antenne(n)" umschrieben werden. In einem weiteren organisationsinternen Bericht vom 31. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 753 246) heißt es beispielsweise wie folgt:

"b- Kleines Radio: 7,65 Kaliber. Marke Beretta. (...) Wir haben damit ausprobiert. (...) Wir haben es zusammen ausprobiert und vier Schüsse abgegeben. Auf dem großen Radio (9`er) steht belgisches Fabrikat. (...) Wir haben damit 5-mal ausprobiert. (...) In die Kassetten passen 9 Knöpfe rein. (...)"

Nach den Bekundungen des Zeugen EKHK K ergibt sich aus dem jeweiligen Kontext bzw. der Gesamtschau der in den Niederlanden sichergestellten Asservate, dass Reisepässe in der organisationsinternen Kommunikation als Heft, Zeitung und Brille bezeichnet und international anerkannte Fremdenpässe mit den Begriffen Asylheft bzw. Asylzeitung umschrieben werden. Zur Fälschung von AusweisDokumente n benötigte Präge- und Feuchtsiegel werden als Warm- oder Heiß- bzw. Kaltstempel bezeichnet. Hierzu später mehr.

Weitere Tarnbezeichnungen konnten - wie die Zeugen KHK B und KHK T überzeugend dargelegt haben - im Zuge der Sichtung und Auswertung der in Belgien bzw. den Niederlanden sichergestellten TextDokumente zweifelsfrei entschlüsselt werden. Demzufolge wurde festgestellt, dass beispielweise Schusswaffen der Marke Kalaschnikow häufig als Kles oder Klesch, Panzerfäuste als Tulpen, LAV oder RPG, Handgranaten als Handbälle, Schrotgewehre bzw. Pumpguns als Pumpen, (Patronen-) Magazine als 14er, 16er, 30er bzw. 40er und Verstecke als Tampon bzw. Stoßdämpfer bezeichnet wurden. Aus dem jeweiligen Sachzusammenhang ergab sich demzufolge ferner, dass für (Schuss-) Waffen weitere (Tarn-) Begriffe wie etwa Material, BKC, 38er, Rohre, Agram, Cek, SIGs, SHE und RPK Verwendung fanden.

Diesen Bewertungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Hierbei hat der Senat hinsichtlich der genannten Bezeichnung LAV auch die Stellungnahme des Sprachsachverständigen B berücksichtigt, wonach es im türkischen Alphabet den Buchstaben W nicht gibt. LAV könne daher in vorliegendem Zusammenhang mit der Buchstabenfolge LAW gleichgesetzt werden. LAW wiederum ist - wie der Zeuge B bestätigt hat - in waffentechnischer Hinsicht die international gebräuchliche Abkürzung für Light Anti-Tank Weapon und damit eine Umschreibung für eine panzerbrechende Waffe bzw. Panzerfaust. Dass die Begriffe Material bzw. Materialien als allgemeine Codebezeichnung für Schusswaffen, Magazine und Munition verwendet wurden, belegt auch ein organisationinterner Bericht vom 18. März 2003 (Datei ID-Nr. 764 286) Dieser lautet wie folgt:

"2. Ich habe die Materialien wie folgt nummeriert:

Paket Nummer eins: 7.65 Walter, Schalldämpfer und Magazin enthalten.

Paket Nummer zwei: Klok, Magazin enthalten. (...)

Paket Nummer sechs: 50 Schuss Munition, 9 mm (...)"

Die organisationsinterne Verwendung der Begriffe Schaum bzw. Schäume als Codewörter für unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen (USBVs) belegt eine in den niederländischen Dokumenten enthaltene Notiz "Elifs" vom 27. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 754 419), die dort im Zusammenhang mit der Schilderung von Anschlagsvorbereitungen unter Punkt 2 ihrer Mitteilung Folgendes erklärt:

"(...) Wie Ihr / Sie gesagt habt / haben, habe ich 5 Stück Schaum gemacht. Einen haben wir am F ausprobiert. (...) Der Schaum ist explodiert. (...) Es gab ein lautes Geräusch. (...) Die Schäume, die ich bei Abla geholt habe, schienen zu funktionieren. Ich habe zwei aufgemacht. Die Behälter dieser Schäume sind verrostet. Sie sehen zwar so aus, als würden sie funktionieren, aber es könnte sein, dass sie nicht funktionieren, denn der Zünder, der die Resistenz des Schaums zündet, sozusagen die Luntenfunktion ausübt, war nicht drin. (...)"

Hierzu passen auch die Darlegungen in einem weiteren Bericht "Elifs" vom 14. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 755 652) wo zum Umgang mit Schaum bzw. Schäumen wie folgt informiert wird:

"(...) Ich habe die Schäume kontrolliert. (...) Von allen fünf sind die Kabel abgeschnitten. Die zwei defekten sowie den einen, den wir bei dem Anschlag benutzen werden, können wir, wie wir es bei der Probe gemacht haben, öffnen und erneut machen. (...) Bezüglich des Schaums, den ich explodieren ließ: Damit der Schaum die Seife anzünden kann, ist es erforderlich, dass er das Gehäuse zerstückelt. Um zu kontrollieren, ob er das Gehäuse zerstückeln kann oder nicht, habe ich den Schaum unter einer Wurzel eines großen Baums befestigt. (...) Bei der Explosion des Schaums war ein großer Knall zu hören. (...) Danach habe ich die Teile kontrolliert. Obwohl ich ihn unter der Wurzel platziert hatte, verblieb er nicht an seinem Platz. Von dem Aluminiumgehäuse habe ich nur ein kleines Teil gefunden. Außerdem war auch noch der aus Metall bestehende Teil der Glühbirne / Birne zerstückelt. (...)"

Die Notwendigkeit und Bedeutung dieser Konspiration wird von der Europaverantwortlichen in einem Schreiben vom 25. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 533) mit folgenden Worten erläutert:

"(...) Wir führen in einem imperialistischen Land unter der Aufsicht des Feindes Aktivität durch. Wenn man sagt, `es passiert nichts, es wird schon nichts passieren´, dann haben die Regeln auch keine Bedeutung mehr. Wir müssen den / die Freund / -in darauf hinweisen, dass er / sie Regeln einhält und vorsichtig ist. Die Voraussetzungen werden nicht so sein, wie früher. Der Feind wird versuchen, vieles in den Umfang der verbotenen Organisation zu zwingen, und unsere Verbindung zur Masse abzubrechen. Wir müssen unser Umfeld so betrachten, als gäbe es Leute, die mit dem Feind kooperieren und als Spitzel dienen. Der Feind wendet dieses Verfahren an. Wir müssen unsere Arbeiten durchführen, indem wir uns darüber im Klaren sind, vorsichtig und nach Regeln handeln, die Leute um uns herum gut kennen und an die Legitimität unseres Kampfes glauben. (...) Man muss wissen, mit wem man etwas besprechen will. Man sollte nicht in Gegenwart von allen etwas besprechen. (...) Damit der Feind unsere inneren Probleme kennt, reicht es aus, wenn im Verein Abhörgeräte installiert, Telefon(e) abgehört werden, und hier und da geschwatzt wird. Er muss keine besonderen Verfahren anwenden, denn unsere eigene Regellosigkeit reicht aus. (...)"

e. Tarn- / Vorfeldorganisationen

Dass die DHKP-C in Deutschland für ihre Aktivitäten auch Tarnorganisationen nutzt, geht aus den Urteilen des Oberlandesgerichts Düsseldorf gegen A D Y. vom 21. Juni 2005 (Az. III - II 1/05) und gegen L Y vom 29. November 2006 (Az. III - II 2/06) hervor. Auch nach den Erkenntnissen aus dem Behördenzeugnis des BND vom 17. September 2007 wickelt die DHKP-C Propagandatätigkeiten wie z. B. die Durchführung kultureller Veranstaltungen oder Demonstrationen sowie den Zeitschriftenverkauf in Deutschland über entsprechende Vorfeldorganisationen ab. Derartige Einrichtungen bildeten - wie sich aus den - vom Zeugen StA H bekundeten - Angaben des früheren Deutschland- und Europaverantwortlichen N E im Rahmen einer Zeugenvernehmung vor dem OLG Düsseldorf ergibt - bereits im Jahre 1995 ein wichtiges "Standbein" der Organisation an der Rückfront in (West-) Europa.

aa. (Kultur-) Vereine

Auf örtlicher Ebene nutzt die DHKP-C für ihre Aktivitäten durch Funktionäre der Rückfront gegründete oder übernommene (Kultur-) Vereine, deren Zugehörigkeit zur Organisation für Außenstehende nicht unmittelbar zu erkennen ist. Die Einrichtung und Nutzung derartiger Kulturvereine für organisationseigene Zwecke wird durch zahlreiche Dokumente aus der niederländischen Rechtshilfe vielfältig bestätigt. So heißt es etwa in einer Mitteilung der Europaverantwortlichen G vom 13. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 750 402) unter Punkt 7 der zugehörigen Nachricht vom 11. Februar 2003 wie folgt: "Der Publikationsvertrieb muss vom Verein organisiert werden. Die Zeitschrift ist als Standort dafür nicht geeignet. Im Übrigen sollte es kein Problem sein, dass das im Verein ist (...)"

Für den Fall bevorstehender bzw. erwarteter polizeilicher (Durchsuchungs-) Maßnahmen wird durch Führungsfunktionäre der Rückfront sichergestellt, dass auch in den der Organisation angegliederten (Tarn-) Vereinen möglichst keine Hinweise auf deren Zugehörigkeit zur DHKP-C oder sonstiges Belastungsmaterial aufgefunden werden kann. So heißt es etwa in einer Nachricht der Europaverantwortlichen A vom 10. (11.) April 2000 (Datei ID-Nr. 735 354) im Zusammenhang mit der Schilderung von Wohnungsdurchsuchungen und Beschlagnahmen wie folgt:

"(...) 9- Wir haben in Deutschland, Belgien, Österreich, Frankreich, Vatan, überall die Wohnungen / Häuser, Computer, Vereine säubern lassen. Wir hatten bis Sonntagabend eine Frist gegeben. Alle Gebiete haben mitgeteilt, dass sie die Säuberung vorgenommen hätten. Auch ich habe die Säuberung gemacht. (...)"

Auch im Schreiben der Europaführung vom 28. September 2003 (Datei ID-Nr. 754 604) wird bestätigt, dass im Rahmen einer von G durchgeführten Schulungsmaßnahme mit Verantwortlichen der Organisation über die Notwendigkeit, "(...) die Vereine sauber (...)" zu halten und die hierbei zu beachtenden "Sicherheitsregeln" gesprochen wurde.

Im Einklang hierzu hat der Zeuge RD V Erkenntnisse des BfV vermittelt, wonach die DHKP-C, nachdem sie 1998 in Deutschland verboten wurde, verstärkt bestrebt war, Tarn- / Vorfeldorganisationen zur Propagierung ihrer Ziele, Schulung von Anhängern und Sympathisanten, Gewinnung neuer Mitglieder und Abdeckung sonstiger illegaler Aktivitäten auf angeblich legaler Grundlage nutzen zu können. Verantwortliche der Organisation wurden angewiesen, bundesweit sogenannte Anatolische Volkskulturvereine zu gründen, die nach außen als unpolitisch erscheinen und keine unmittelbaren Bezüge zur DHKP-C erkennen lassen sollten.

Die Umsetzung dieser Vorgabe belegt ein Bericht der Europaverantwortlichen vom 21. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 755 902) in der unter anderem Folgendes festgestellt wird: "(...) In Deutschland oder England gibt es Vereine, und im Umfeld der Vereine gab es Massen. (...). Bezogen auf den früheren Mitangeklagten A (Deckname: B) fährt G sodann wie folgt fort:

"Was der A gemacht hat, war, die Arbeiten der Einheits-Verantwortlichen zu kontrollieren. (...) Ein Jahr hat er in Stuttgart Gebietsarbeit geleistet, Schulungstätigkeiten hat er nicht gemacht. In Deutschland lag die eigentliche Verantwortung bei den Einheits-Verantwortlichen, im Umfeld des Vereins waren zahlreiche Häuser, zu denen er gehen konnte. (...) "

Das Bestreben der DHKP-C, durch Gründung und / oder Nutzung von (Kultur-) Vereinen auf örtlicher Ebene Stützpunkte für die Organisation und Anlaufstellen für Funktionäre der Rückfront zu schaffen, belegt auch eine Notiz Gs vom 22. März 2003 (Datei ID-Nr. 748 889). Darin schreibt die Europaverantwortliche an A (Deckname: C) unter anderem wie folgt:

"(...) 6- S hat in einem Gebiet in der Nähe ihrer Gegend einen Verein gemietet. Können Sie diesen betreiben? Notiz des S, was sagen Sie zu diesem Thema: Es hat sich eine Gelegenheit ergeben, ungeplant haben wir in Karlsruhe einen Verein. Zuvor wäre es ein Allevitischer Verein gewesen, die hätten ihn nicht betreiben könne, von denen haben die Partisanen ihn übernommen, die haben ihn auch zwei Jahre lang nicht betreiben können. Sie haben uns benachrichtigt. Sie haben gesagt wir können ihn nicht betreiben, nehmt ihr ihn. Wir haben gesprochen und haben gesehen: es geht. Gestern haben wir 15 Personen hingebracht, aus formalen Gründen eine Jahresversammlung abgehalten, sie haben ihn an uns übertragen. (...) Darüber hinaus gehört es einer sozialen Einrichtung, die I heißt, es ist ein Gebäude, das für die Vereins- und Sozialaktivitäten von Ausländern bereit gestellt wurde. (...) Es ist also ein für einen Verein ausgesprochen geeigneter Ort. (...) Wir haben Y zum Vorsitzenden gemacht. (...)"

Hierzu passt ein - von G ebenfalls am 22. März 2003 übermittelter - Bericht vom 16. März 2003 (Datei ID-Nr. 751 433 / 750 896), in dem es bei Punkt 16. der Nachricht unter anderem wie folgt heißt:

"(...) Es hat sich eine Gelegenheit ergeben, wir haben jetzt in Karlsruhe einen Verein, der gar nicht auf dem Plan stand. (...) In dem Gebäude sind die Vereine der Araber, Iraner, Spanier etc. Das heißt, es ist ein sehr geeigneter Ort für einen Verein. Wir haben uns gesagt, lass uns den nicht verpassen und den nehmen, um ihn später mit Leben zu füllen. Wir haben Y zum Vorsitzenden ernannt. (...)"

In einer Vielzahl von organisationsinternen Dokumente n werden überdies unterschiedlichste Vereinsaktivitäten und -strukturen beschrieben. Beispielhaft gehören hierzu die Ausführungen der Europaverantwortlichen G und des früheren Mitangeklagten A (Deckname: N) in den Mitteilungen bzw. Notizen der Dateien ID-Nr. 750 781 und 750 818. In anderen Berichten (Datei ID-Nr. 730 254, 734 472, 734 619, 734 622, 735 413, 740 203, 756 186, 761 878 und 762 074) werden Vereine bzw. Kulturzentren in Berlin, Stuttgart, Ulm, Nürnberg, Dortmund, Frankfurt, Hamburg, Bremen, Wien und Ternitz / Österreich benannt. In Schreiben der Europaverantwortlichen vom 14. September 2000 (Datei ID-Nr. 734 452) und 04. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 394) wird über Vereine der Organisation in Frankreich und England informiert.

In einer Nachricht vom 15. März 2003 (Datei- ID-Nr. 764 042 / 751 051) teilt die Europaführung mit, dass in Pforzheim ein Jugendverein gegründet werde. In anderen Schreiben (Datei ID-Nr. 748 762 und 751 322) wird in diesem Zusammenhang festgestellt, dass (die Rückfront) in Pforzheim ein "Jugendpotential" habe, weshalb dort nach "einem Sportclub bzw. einer "billigen Räumlichkeit gesucht werde. Entsprechende Erwägungen wurden von der Organisation - wie sich aus einem Bericht vom 01. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 750 398) ergibt - auch für Nürnberg angestellt. Am 16. August 2003 stellt G hierzu in einer Mitteilung (Datei ID-Nr. 753 201) fest: "(...) 10. Diejenigen, die in Nürnberg Aktivitäten durchführen, haben einen Verein aufgemacht. (...) Die Eröffnung von diesem Verein wird stattfinden. (...)"

Als Vereinssitz werden vornehmlich Örtlichkeiten ausgewählt, in deren Umfeld möglichst viele türkische Migranten anzutreffen sind. So wird etwa in einer organisationsinternen Nachricht vom 15. Juli 2003 (Datei: Export-5/Unallocated Clusters-616) über den Hamburger Verein der Organisation Folgendes berichtet:

"(...) 6- Der Verein in Hamburg ist in seine neuen Räumlichkeiten eingezogen. (...) Der Verein ist in Altona, das ist das Gebiet, in dem Gebiet, in dem die Türkeistämmigen am geballtesten leben. (...)"

Die Bestrebungen der Organisation, über (Tarn-) Vereine Anhänger und Mitglieder für die DHKP-C zu rekrutieren, belegen Darlegungen in einem organisationsinternen Bericht vom 07. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 074). Dort heißt es hierzu unter anderem wie folgt.

"(...) Was müssen wir in allen Gebieten unternehmen, um gewöhnliche Menschen anzuziehen? Welche Verfahren müssen wir einsetzen? Welche Programme müssen unsere Vereine haben? Welche Themen müssen wir behandeln? Wir müssen in allen Gebieten darüber diskutieren. Jeder sollte darüber nachdenken. Innerhalb von 10 Tagen sollten wir ein Programm in Bezug auf Vereine aufstellen. (...) Wir sollten alle Kreise ansprechen können: Islamisten, Alleviten, Türken, Kurden, junge Menschen, Familien, Kinder, Frauen, Arbeiter, Geschäftsleute, Arbeitslose, Studenten, Asylanten usw. (...)"

Dass die Organisation ihre Tarnvereine auch zur Durchführung von (Schulungs-) Veranstaltungen nutzt bzw. für entsprechende Vorhaben instrumentalisiert belegt eine Nachricht Gs vom 03. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 762 099), in der die Europaverantwortliche unter der Rubrik Schulung im Zusammenhang mit der anstehenden Durchführung von Jugendcamps wie folgt informiert:

"Wir werden ein Jugendcamp im Norden und eins im Süden machen. (...) Wir haben festgelegt, dass es im Norden im Namen des Hamburger Vereins und im Süden im Namen des Karlsruher Vereins veranstaltet werden soll. (...)" Weiter heißt es sodann: "B- Vereinscamps: Im Namen der Berliner und Hamburger Vereine werden an den Wochenenden Familiencamps durchgeführt. (...)"

Hierzu passen Darlegungen der Europaführung in einem Bericht vom 12. Mai 2003 (Datei: Export-3/Unallocated Clusters~387"), wo es unter Punkt 23 unter anderem wie folgt heißt:

"Wir werden die Sommerlager auch in Deutschland machen, allerdings werden diese Lager offen und legal sein. Wir werden sie im Namen unserer Vereine in verschiedenen Gebieten machen, die Vereine werden Plakate aufhängen, Flugblätter verteilen und somit diese ankündigen. (...) Es werden Einladungen im Namen des Vereins erstellt, (...) nichts soll geheim sein. (...) Überall in Europa werden wir das so machen. (...) So muss unsere Herangehensweise in Zukunft an die Sommerlager sein. (...)"

Ferner werden von der DHKP-C die Räumlichkeiten der ihr zugehörigen Vereine auch für propagandistische Demonstrationsveranstaltungen instrumentalisiert. So heißt es z. B. in einer Nachricht der Europaverantwortlichen vom 07. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 419) wie folgt: "- Am zweiten Jahrestag des Todesfastens wird ein 3-tägiger Hungerstreik, eine Demonstration und eine Gedenkveranstaltung für die Märtyrer im Verein durchgeführt werden."

Schließlich befassen sich zahlreiche Berichte der Europaverantwortlichen oder nachgeordneter Kader mit Vereinsmieten (z. B. Datei ID-Nr. 756 001 und 761 873), Vereinsschulden und Vereinseinnahmen (Datei ID-Nr. 761 878, 763 419 und 763 787), Vereinscamps bzw. Schulungsversammlungen und Gedenkveranstaltungen im Verein (Datei ID-Nr. 730 254, 761 878 und 763 419) sowie Fragen betreffend die personelle Zusammensetzung von Vereinsvorständen (Datei ID-Nr. 755 134).

bb. Anatolische Föderation

Um eine Tarnorganisation der DHKP-C handelt es sich auch bei der Anatolischen Föderation, die - wie sich aus den Bekundungen des Zeugen KHK O, BKA ergibt - im Jahre 2004 durch Umbenennung des im Jahre 1997 in Hagen gegründeten Verband Anatolischer Volksvereine e. V. in Dortmund entstand. Der Zeuge RD V hat bekundet, dass sowohl die Vorstandsmitglieder der "Anatolischen Föderation" wie auch überwiegend die im Zusammenhang mit Aktivitäten dieses Dachverbandes und der zugehörigen Vereine bekanntgewordenen Personen als Anhänger, Aktivisten oder Funktionäre der DHKP-C einzustufen sind.

Belegt werden diese Angaben durch zahlreiche Dokumente aus der niederländischen Rechtshilfe. Hierzu gehört insbesondere ein Bericht der Europaverantwortlichen vom 23. Januar 2003 (Datei ID-Nr. 748 826), in dem sich G ausführlich mit der anstehenden (Neu-) Gründung der "Föderation" auseinandersetzt und insoweit auch "die alte Föderation" sowie deren Auflösung wie folgt thematisiert:

"6. Wir haben mit den Arbeiten für die Gründung der Föderation begonnen. A. Um diese Arbeit kümmern sich Z. und S.. (...) C. Wir lösen die alte Föderation auf, wir fragen den Anwalt, der sich um die Föderation kümmert, ständig, aber es passieren gar keine Entwicklungen. Die alte Föderation ist in einer kriminellen Situation, und seit drei Jahren haben wir überhaupt keine Entwicklung feststellen können. (...) E. Wir werden die Föderation mit drei Vereinen gründen, die die Gemeinnützigkeit haben. Die Kulturvereine K und D und der Verein zur Bekämpfung von Rassismus in B. F. Unsere Namensvorschläge für die Föderation:- Mein Vorschlag: Föderation der anatolischen Kultur-, Bildungs- und Solidaritätsvereine Kurzform: AKEF oder AKF-ADF - Die Vorschläge des verantwortlichen Genossen in Westfalen: Föderation der Kultur- und Bildungszentren KMF Föderation der Kulturzentren. Föderation der Kultur-, Bildungsvereine in Deutschland, Kurzform AF.

G. Was Z darüber in Erfahrung gebracht hat, wie wir die Föderation gründen müssen:

- Die Satzung unterscheidet sich nicht von einer Vereinssatzung. (...)

- In der Föderation können Vereine, Institutionen oder Personen Mitglied werden. (...)

- Wenn gegen einen der Vereine, die Mitglied der Föderation sind, ein Verfahren eröffnet wurde, so hat dies keinen Einfluss auf die anderen Vereine oder die Föderation. Und auch ein Verfahren, das gegen die Föderation eingeleitet wird, hat keinen Einfluss auf die Vereine. Ob das natürlich auch in unserem Falle Gültig ist, da bin ich mir nicht ganz sicher. Wenn einer kriminalisiert wird, dann kann es dazu führen, dass alle abgestempelt sind [sinngemäß].

- Bevor die Satzung der Föderation verabschiedet wird, können Vereine nicht Mitglied in der Föderation werden. Daher müssen wir warten, bis sie verabschiedet worden ist.

- Das günstigste Bundesland für die Föderation ist Westfalen. Und die günstigste Stadt ist K. Das Gericht hier ist als das Beste bekannt. Außerdem sagen wir mal, auch im Süden ist ein Verein Mitglied geworden, und dort wurde ein Verfahren eingeleitet, dann kann die Föderation von der Zentrale aus, wo sie sich befindet, klagen. Und das K Gericht ist angeblich als ein wenig demokratisch bekannt, daher seien wir in einer vorteilhaften Position. In ganz Deutschland soll das K Gericht als das Demokratischste bekannt sein. Die Richter dort seien Demokraten. Diese Auskunft hat der Dolmetscher gegeben, von dem wir Informationen bekommen haben. (...)

- Unsere Satzungen beziehen sich vornehmlich auf die kulturellen Aktivitäten. (...)

- Wenn die Namen und Mitglieder geklärt sind, bereiten wir die Satzung vor und übergeben sie dem Notar.

H. (...) Wir müssen für die Föderation einen Vorstand festlegen. (...) Z und die werden festlegen, wer aus dem K Verein den Vorsitz machen kann. Entweder werden wir nach der Gründung der Föderation beginnen, ihren Namen zu benutzen, oder wir werden, damit sie nicht kriminalisiert wird, ihren Namen nicht benutzen, bis sie legalisiert ist. (...)"

Im Rahmen ihres Berichts über eine Schulungsmaßnahme in der Region Westfalen thematisiert die Europaverantwortliche G am 16. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 201) die Gründung und Instrumentalisierung einer Föderation durch die Organisation unter anderem wie folgt:

"13- Wir haben darüber gesprochen, wie eine Föderation aussehen soll. Die Satzung der Föderation wurde genehmigt, die wir eigentlich auflösen wollten. Wir denken, dass wir diese Föderation benutzen können. die Föderation hat auf dem Papier einen Vorstand. Wir können eine Veränderung in der Leitung machen und einen tatsächlichen Vorstand wählen. (...) Wir können die Legitimität dieser Föderation benutzen. (...) Wir können die Vereine bestimmen, die wir zu Mitgliedern der Föderation machen werden. (...)"

In ihrem Bericht vom 13. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 756 150) über Verlauf und Inhalte einer Komiteeversammlung setzt sich G erneut mit dem Thema "Föderation" wie folgt auseinander:

"d- Am 29. November werden wir auf der Seite von H und den anderen auf Europaebene eine Versammlung bezüglich der Föderation durchführen. (...) Auf dieser Versammlung wird man über folgende Dinge diskutieren:

- Warum eine Föderation?

- Wie müssen ein Verein und eine Föderation aussehen?

- Was beabsichtigen wir mit einer Föderation? (...)

Auf dieser Versammlung werden wir eine Föderationsexekutive wählen. (...) Wir werden auch auf dieser Versammlung darüber diskutieren und Vorschläge einholen, wer seinen Platz im Vorstand einnehmen soll. Auf der Versammlung werden wir über die zurzeit bestehende Föderationssatzung diskutieren lassen. (...) Die Föderation wird grundsätzlich auf dem Verein in Deutschland gegründet. Nachdem wir Erfahrung mit der Föderation in Deutschland gesammelt haben, können wir jeweils in Österreich und Frankreich Föderationen bilden. (...) Auf dieser Versammlung wird man über nichts anderes als die Arbeiten der Föderation und der Vereine reden. (...)

- Ende Februar werden wir wiederum auf der Seite von H und den anderen die Gründungsversammlung der Föderation durchführen. (...) Es wird festgelegt, welche Personen sich im Vorstand befinden sollen.

Da zurzeit außerdem eine Föderation existiert, ist die Durchführung einer Veränderung des Föderationsvorstands notwendig. Dafür muss Ende Februar in Deutschland ein Generalkongress der Föderation mit der Teilnahme der Masse durchgeführt werden. (...)

Mittels der Föderationsexekutive, die wir wählen werden, werden wir eine Koordinierung zusammensetzen, die sich deutschlandweit um die Arbeiten für die Umfragen und Analysen aller Gebiete kümmern und die Vereinsaktivitäten kontrollieren wird. (...)

- Bis zu der Komiteeversammlung, die wir im November durchführen werden, wird jeder noch einmal über die Föderation und das Programm nachdenken. (...)

Wir werden die Föderation in ein Zimmer im K Verein umziehen lassen."

Tatsächlich wurde - wie sich aus den Bekundungen des Zeugen KHK O, BKA ergibt – im Rahmen einer Mitgliederversammlung am 28. Februar 2004 in K als Sitz der Anatolischen Föderation eine Anschrift bestimmt, in der sich auch Vereinsräumlichkeiten des Anadolu HA Kültür Evi e. V., K befinden. Dies steht im Einklang mit den Angaben des - seit dem Jahre 1997 als "politischer Flüchtling" in Deutschland lebenden - Zeugen D. Dieser betätigte sich nach eigenem Bekunden in der Türkei als Jurist und wurde dort wegen Eintretens bzw. Mitgliedschaft für die Devrimci Sol im Jahre 1996 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt. Dies passt zu den Bekundungen des Zeugen G, der angegeben hat, dass D in der Türkei in dem der Dev Sol zugehörigen Rechtsbüro des Volkes in Istanbul agiert hat. Der Zeuge D, der in Deutschland zusammen mit dem Angeklagten Y. als Prozessbeobachter an Gerichtsverhandlungen betreffend DHKP-C-Führungsfunktionäre teilgenommen hat - hierzu später mehr -, hat angegeben, in K häufig im dortigen "Anatolischen Kulturverein" in der Hstraße zu verkehren. Im Vereinsgebäude befinde sich die Zentrale der Anatolischen Föderation, deren Vorsitzende, N E, er ebenfalls persönlich kenne. E agierte - wie noch auszuführen ist - organisationsintern unter den Decknamen Z und Z.

Dass die DHKP-C bereits den Verband Anatolischer Volksvereine e. V. ("alte Föderation") für ihre Zwecke instrumentalisiert hat, belegt ein Bericht der Europaverantwortlichen A vom 24. / 26. August 2000 (Datei ID-Nr. 734 494) in der über eine "Kampagne bezüglich Rassismus" wie folgt berichtet wird:

6- (...) 1- Name der Kampagne: Vereinigen wir uns gegen Rassismus!

2- Forderungen: 1. Rassistische, faschistische Organisationen und Parteien sollen verboten werden, Kapitalismus und seine Verantwortlichen sollen vor Gericht gestellt werden / verurteilt werden. 2. Es sollen allen in Deutschland Lebenden die gleichen Rechte eingeräumt werden.

3- Das Ausländergesetz soll abgeschafft werden. (Wir haben darüber diskutiert ob eine Forderung bezüglich 129 a und gegen die Angriffe auf die Linke und gegen das Verbot von Ansichten formuliert werden soll. Es hat sich die Auffassung durchgesetzt diese Forderungen derzeit nicht einzubringen, weil wir weite Kreise erreichen wollen, und im Nachhinein diese Forderungen ergänzen werden, wenn wir große Kreise erreicht haben). (...)

4- In wessen Namen wird die Kampagne durchgeführt werden: Wir denken dass es angemessen ist, wenn die Kampagne im Namen der Föderation der anatolischen Volkskulturvereine durchgeführt wird. Es wird der Ort der Vereinsföderation in D aufgeführt. Dies werden wir noch genauer klar machen."

Dass die Anatolische Föderation von der DHKP-C in Deutschland als Tarnorganisation für propagandistische Zwecke und "Aktionen" genutzt wird, belegt ferner ein Bericht As vom 30. Oktober 2000 (Datei ID-Nr. 734 512). Dort heißt es unter Punkt 3. der Nachricht unter anderem wie folgt:

"(...) Ich denke, dass wir am Wochenende in allen Ländern und Gebieten in den Vereinen Hungerstreiks machen sollten. An Orten, wo es keine Vereine gibt, sollten sie diese in einer anderen Institution durchführen. Ich werde das allen Gebieten mitteilen. Ich habe außerdem verlangt, dass am F überall vor den Konsulaten Aktionen durchgeführt werden sollen. Ich denke, dass wir es in Deutschland die Propaganda dafür im Namen der Föderation machen sollten. An den anderen Orten sollten wir es als Front machen. (...)"

Die Zuordnung der Anatolischen Föderation zur DHKP-C belegen auch die hierzu gemachten Angaben des Zeugen KHK O. Dieser hat unter anderem angegeben, dass im Zuge der hierzu durchgeführten Ermittlungen festgestellt wurde, dass die Anatolische Föderation über eine E-Mail-Anschrift und eine eigene "Homepage" im Internet (www.anadolufederasyonu.de) verfügt. Als Inhaber dieser Homepage (Domaininhaber) war im Jahre 2005 - so der Zeuge KHK O weiter - N E eingetragen. E hat sich - wie noch näher ausgeführt wird - in unterschiedlicher Funktion an der Rückfront betätigt und war in zurückliegender Zeit auch als Kurier zwischen dem früheren Mitangeklagten D. und der Organisationsführung in die DHKP-C eingebunden.

Die Feststellung, dass der Anatolischen Föderation die Tarnvereine der DHKP-C in Köln, Duisburg, Dortmund, Hamburg, Berlin, Stuttgart und Nürnberg angeschlossen waren, beruht auf den glaubhaften Bekundungen des Zeugen KHK O, der hierzu angegeben hat, dass entsprechende Zuordnungen in einem "Flyer" der Anatolischen Föderation verzeichnet waren, der im Rahmen einer Polizeikontrolle am 14. Oktober 2004 in einem Kraftfahrzeug sichergestellt wurde, das von M B, einem Aktivsten der DHKP-C - hierzu später mehr - gelenkt worden war.

cc. Sonstige

Als weitere Tarn- / Vorfeldorganisationen der DHKP-C fungieren, wie sich aus den Inhalten der Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe ergibt, auch der - häufig bei Demonstrationen und Kundgebungen mit anderen linksextrekommunistischen Gruppierungen in Deutschland in Erscheinung tretende – Verein Front für Rechte und Freiheiten (HÖC) in Dortmund sowie das TAYAD-Komitee e. V., Hamburg, das als Gefangenen-Hilfsorganisation regelmäßig den als Todesfasten bezeichneten Hungerstreik der in türkischen Vollzugsanstalten inhaftierten Anhänger bzw. Mitglieder der DHKP-C thematisiert. Wie der Zeuge KHK O bekundet hat, wurde die HÖC im März 2004 gegründet. Das TAYAD-Komitee ist - den Angaben des Zeugen KHK O zufolge - aus einer im Jahre 2002 erfolgten Umbenennung des im Jahre 2000 in Hamburg gegründeten Komitee gegen Isolationshaft e. V. (kurz: IKM) hervorgegangen. Die Zuordnung der HÖC und des Tayad-Komitees zur DHKP-C wurde auch von dem Zeugen RD V bestätigt, hinsichtlich des Tayad Komitees überdies von dem Zeugen ORR K, LfV Baden-Württemberg.

Hinsichtlich des HÖC belegen dies folgende Dateien:

- am 19. Dezember 2002 hatte sich G unter Punkt 4. ihrer Mitteilung (Datei ID-Nr. 763 017) wie folgt erkundigt:

"(...) Ich hatte an Mt A, als ich zuerst geschrieben habe, unter Haklar ve Ölükler Cephesi (Rechte und Freiheiten-Front) geschrieben. Ich habe es wohl falsch ausgedrückt, als (wäre es ein) Verein. Sollen wir die Haklar ve Ölükler Cephesi nicht als Verein legalisieren lassen?(...)";

- in einer "Notiz" vom 24. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 173) teilt G hierzu Folgendes mit:

"2- Wir werden die Front für Rechte und Freiheiten als eine auf eine Person zugelassene Gesellschaft gründen. (...)

- Ich denke an HÖC als eine Institution, die uns in Deutschland im politischen Sinne demokratisch zum Ausdruck bringen, Erklärungen zu täglichen Ereignissen in Europa und im Land abgeben, an alle Institutionen Mails verschicken und Propaganda im Hinblick auf die türkische und deutsche Öffentlichkeit machen kann.

Wir können in Europa auf der demokratischen Plattform in jedem Land unter der Bezeichnung HÖC Aktivitäten führen. Wir werden in Deutschland als HÖC Plakate tragen. (...) A- Wir müssen diese Institution in einem Gebiet, wie Westfalen, Hamburg, Berlin oder Frankfurt eröffnen. (...)

H- Diese Institution muss im Zusammenhang mit den aktuellen politischen Entwicklungen in Europa und im Land die Presse und unsere eigenen Erklärungen verfolgen, Erklärungen schreiben und über Internet Propaganda machen können. (...)

I- Diese Institution muss uns in Deutschland auf der politischen Plattform demokratisch repräsentieren können. (...)"

- im Bericht der Europaführung vom 13. Oktober 2003 wird über eine Komiteeversammlung zum Thema HÖC (Datei ID-Nr. 756 150) wie folgt Stellung genommen:

"j- Im Zusammenhang mit der Gründung von HÖC konnten wir immer noch nichts machen. Wir wollen keine Firma gründen, da es zu einem Steuerproblem kommt. Wir werden einen Verein aufmachen. Wir haben darüber gesprochen, dass wir in Dortmund oder Bielefeld eine kleine Vereinsräumlichkeit mieten, die Satzung vorbereiten, Menschen für den Vorstand finden und bis zu der folgenden Komiteeversammlung einen Schritt unternehmen sollen. Der Vorsitzende und Sprecher von HÖC wird Y A sein."

Das IKM / TAYAD-Komitee wird ebenfalls in zahlreichen Berichten der Europaführung thematisiert:

- das IKM wurde von der DHKP-C zum Beispiel bei der Durchführung von Spendensammlungen eingesetzt. So heißt es etwa in einem Bericht der Europaverantwortlichen (A) vom 07. / 08. Juni 2000 (Datei ID-Nr. 734 806) hierzu wie folgt:

"(...) 16- Wir hatten vor, zur Lösung des Geldproblems eine Spendenkampagne im Namen von IKM für die Zellenkampagne zu starten. Wir hatten daran gedacht, um Kampageaktivitäten zu decken. Wir hatten die Absicht, ein(en) Teil der Einnahmen hieraus für die Gefangenen bereitzustellen. (...)";

- die Instrumentalisierung des IKM für organisationsinterne Zwecke belegt auch ein Berichts As vom 18 . /19. Juni 2000 (Datei ID-Nr. 734 645), in welchem eine Einzelhaftkampagne und ein damit einhergehender dreitägiger Hungerstreik thematisiert werden. Im Rahmen einer Auflistung über die in diesem Zusammenhang geleisteten Beiträge wird auch das IKM benannt. Im Einzelnen:

"(...) Das, was von IKM getan worden ist: - Über die Hungerstreiks wurde eine Erklärung gemacht und ins Internet getan. Stellen, an die man die Erklärung gefaxt hat: (...) - IKM hatte einen Unterschriftentext vorbereitet. Wir hatten diesen Text gemeinsam vorbereitet. Es war jedoch nicht gut geworden. (...) Aus diesem Grund haben wir es erneut vorbereitet und ein neues Logo gemacht. (...) - Das Siegel und der Stempel für IKM wurden angefertigt. (...) D- Technische Vorbereitungen: 1- Erklärungen, Flugblätter, Broschüren: Vor einer Woche haben sich Freunde von IKM und E im Zusammenhang mit der Kampagne Einzelhaft mit Plakaten und Flugblättern beschäftigt. Ich hatte ihnen Entwürfe gegeben. (...)";

- am 19. Januar 2003 schreibt die Europaverantwortliche G in einer Mitteilung (Datei ID-Nr. 751 329) im Zusammenhang mit Darlegungen zur Situation in den Gebieten Hamburg, Bremen und Berlin unter anderem Folgendes:

"Die werden den / das IKM in ein TAYAD-Komitee umwandeln, das werden die bis Ende Januar beenden.";

- weiter heißt es beispielsweise in einem Bericht vom 29. September 2003 (Datei ID-Nr. 754 604) unter anderem wie folgt:

"2. Beim Tayad Komitee haben sie eine Säuberung gemacht und mit denen in der Führung gesprochen. Ich habe verlangt, dass sie mit denen in der Führung noch einmal sprechen, einen Anwalt nehmen und mit dem Anwalt über finanzielle Belange sprechen. (...)

11. (...) Die beim Tayad Komitee werden Mailadressen in jedem Gebiet ausfindig machen. Die werden wir an die Gebiete schicken. Die Gebiete können diese nicht alleine finden. (...)"

- in einem Bericht Gs vom 27. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 753 444) wird über die Instrumentalisierung des TAYAD-Komitees für die Sammlung von (Spenden-) Geldern berichtet.

Gestützt wird diese Zuordnung des Tayad-Komitees zur DHKP-C durch Folgendes:

Im Internet ist TAYAD - wie der Zeuge KHK O weiter bekundet hat - unter www.tayad.de aufzurufen. Als Inhaber dieser Internetadresse ist C O, der auch als stellvertretender Vorsitzender der Anatolischen Föderation fungiert, mit dem Zusatz S Verlag eingetragen. Im S Verlag wiederum wurde – wie der Zeuge KHK O angegeben hat – die Zeitung Vatan verlegt. Bei diesem Druckwerk handelt es sich - wie noch darzustellen ist – um die frühere, wöchentlichen herausgegebene Parteizeitung der DHKP-C.

Schließlich wird die Einordnung des Tayad-Komitees als Tarnorganisation der DHKP-C auch durch den Umstand belegt, dass Führungsfunktionäre der Rückfront, wie z. B. auch der Angeklagte Y. (hierzu später mehr) auf Veranstaltungen der Organisation als sogenannte Tayad-Vertreter angekündigt werden und auftreten.

2. Aufgaben und Aktivitäten der Rückfront-Kader

Die Funktion bzw. Aufgaben der Rückfront innerhalb der DHKP-C und deren Bedeutung für den in der Türkei geführten "Krieg" wird in dem auf dem Gründungskongress der Organisation im Jahre 1994 gefassten "Beschluss: 8" wie folgt zum Ausdruck gebracht:

"(...) Eine Partei, die selbst einen Krieg führt, die Herrschaft zu übernehmen, und die auf jedem Gebiet des Lebens einen Kampf führt, muss die Rückfront in der Weise organisieren, dass sie den Bedürfnissen dieses Krieges entsprechen kann. Die Aussage `Der Krieg wird nicht an der Front, sondern an der Rückfront gewonnen´ bringt deren Wichtigkeit zum Ausdruck und betont sie. (...) An dem Punkt, den unser Krieg heute erreicht hat, wird damit begonnen werden, gemäß der Qualität des Krieges mit einer Partei und einer Front durch eine neue Perspektive Organisationen der Rückfront aufzubauen. (...)"

Hierbei richtet sich das Augenmerk der Vereinigung insbesondere auf den "Kontinent Europa", da dort "... drei Millionen Menschen aus der Türkei leben ..." und überdies "... gesellschaftliche Erschütterungen und unkontrollierte Länder und Regionen ..." vorzufinden seien.

Es wird ausdrücklich klargestellt, dass im Ausland "mit der Perspektive vorgegangen werden (wird), Kader heranzuziehen, die an dem heißen Kampf in der Heimat teilnehmen werden." Die Rückfront müsse zu einem Gebiet werden, "(...) in dem Kräftebündnisse und die Solidarität verstärkt werden, die den Kampf voranbringen. (...)"

Dass die Rückfront und die in der Türkei bestehende Front organisationsintern als einheitlicher Verband im bewaffneten Kampf der DHKP-C angesehen werden, belegt ein Bericht der Europaführung vom 16. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 201), in dem im Zusammenhang mit der Schilderung des Inhalts einer (Kader-) Schulung von G unter anderem über Folgendes informiert wird:

"21. (...) Ich habe erzählt, dass die Situation in der Heimat nicht anders wie diese Situation ist, man in England, in Berlin oder Hamburg keine Vorfälle erlebt hat, welche die ganze Organisation beeinflussen könnten, es keinen Unterschied zwischen dem Kampf in der Heimat und in Europa gibt, der Revolutionismus in der Heimat und in Europa begonnen hat, jeden Tag ähnlicher zu werden, (...)"

Die unmittelbare Verankerung der europäischen Rückfront in der Organisation bestätigt ferner ein Bericht der Europaführung vom 25. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 533). Dort hält G in einer Notiz zur Konzeption der Rückfront unter anderem Folgendes fest:

"13- Unser Kampf in Europa ist ein demokratischer Kampf. Wir müssen dessen Legitimität den dortigen begreiflich machen. Es gibt nichts Illegales. Das einzige Problem ist, die Illegalität der Organisationsverbindung mit der Bewegung zu wahren. (...) Wir müssen geheime und offene Seiten haben. Nicht jeder soll alles wissen. (...)"

Die durch den Senat anhand der angeführten Grundsatzbeschlüsse festgestellte Bestimmung der Rückfront, den von der DHKP-C in der Türkei geführten bewaffneten Kampf zu fördern, wurde auch durch den früheren Führungsfunktionär der DHKP-C, N E, bestätigt. Nach den Bekundungen des Zeugen StA H hat E vor dem OLG Düsseldorf im dortigen Strafverfahren gegen F E, bezogen auf die Zeit seiner Betätigung als Deutschland- und Europaverantwortlicher der Organisation in den Jahren 1995 bis 1999, als Zeuge angegeben, dass die in Westeuropa bestehende Rückfront die Aufgabe habe, den bewaffneten Kampf der DHKP-C in der Türkei nach Kräften sowohl in materieller wie auch in immaterieller Hinsicht fortlaufend zu unterstützen. Diese Darlegung stimmt mit der - in den bezeichneten Beschlussfassungen des Gründungsparteitags festgeschriebenen - Programmatik dieser Organisation vollständig überein. Anhaltspunkte dafür, dass sich - etwa nach 1999 - an diesen Leitlinien etwas geändert hat, haben sich nicht ergeben.

Die zur praktischen Umsetzung dieser programmatischen Vorgaben von (Führungs-) Funktionären und anderen, der Organisation zuzurechnenden Personen an der Rückfront durchgeführten Aufgaben umfassen, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, die Beschaffung und den Transfer von Geldern und Materialien aller Art einschließlich Waffen und Sprengstoffen, breit angelegte Propaganda- und Schulungsmaßnahmen sowie Schleusungen und (Pass-) Fälschungsaktivitäten. Hierzu im Einzelnen:

a. Geldbeschaffung / Finanzierungen

Die zur Finanzierung der DHKP-C und deren an der Rückfront zur Geldbeschaffung entfalteten Aktivitäten getroffenen Feststellungen beruhen auf organisationsinternen Schriftstücken und im Wesentlichen auf den Bekundungen der Zeugen EKHK H, KHKin S und KHK T, die mit der Sichtung und Auswertung der in den Niederlanden sichergestellten TextDokumente n befasst waren, sowie den Angaben des Zeugen RD V.

Die herausragende Bedeutung der Geldbeschaffung zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei verdeutlicht der auf dem Parteigründungskongress gefasste "Beschluss: 11", in dem als Hauptquelle die "beständigen und freiwilligen Spenden unseres Volkes" bezeichnet und unter anderem folgende Festlegungen getroffen werden:

"Die Stärke einer Organisation steht im Verhältnis zu ihren Kadern, Waffen und finanziellen Ressourcen. Unsere Partei muss zur Ausdehnung des Krieges die erforderlichen finanziellen Ressourcen schaffen. Sämtliche Gebiete und Räume, sämtliche Partei-Organisationen, Kader, Sympathisanten und Anhänger von uns müssen in dem Bewusstsein handeln, dass die Ausgaben einer Organisation, die einen Krieg führt, übernommen werden müssen. (...) Wir können sagen, dass die Lösung unserer finanziellen Probleme zu einem strategischen Problem dafür geworden ist, dass wir den Krieg ausdehnen können und eine Offensive als Partei durchführen können. (...)"

Unter Hinweis darauf, dass die Ausrüstung eines Guerillakämpfers und die Fortentwicklung der bewaffneten Kräfte mit einem hohen Kostenaufwand verbunden sind, wird sodann folgende Anordnung getroffen:

"(...) Für sämtliche Organisationen der Gebiete, Räume und Einheiten wird ein regelmäßiger Beitrag festgesetzt werden, und diese Beiträge werden an die Parteizentrale weitergeleitet werden, ohne dass sie in irgendeiner Weise ausgegeben werden. (...)"

Jede der genannten Untergliederungen hat hiernach ständige Einnahmequellen zu schaffen und monatliche Aufstellungen über die jeweiligen Einnahmen und Ausgaben an die Parteiführung zu übermitteln.

aa. Spendensammlungen

Die einzelnen Organisationseinheiten der Rückfront wirken – wie die Zeugin KHKin S bekundet hat - entsprechend diesen Vorgaben bei der Beschaffung von finanziellen Mitteln für den bewaffneten Kampf in der Türkei mit. Die Richtigkeit dieser Angabe wird durch die Aussagen des früheren Deutschland- und Europaverantwortlichen N E in der bezeichneten Zeugenvernehmung vor dem OLG Düsseldorf belegt. Ausweislich der glaubhaften Angaben des Zeugen StA H hat E dort ausgesagt, dass - bezogen auf die Zeit von 1995 bis 1999 - zur Erlangung finanzieller Mittel in Europa von der Organisation regelmäßig Jahreskampagnen vorbereitet und - zumeist in der Zeit von November bis März / April des Folgejahres - durchgeführt worden seien. Daneben habe es auch gesonderte Sammlungen für spezielle Zwecke / Vorhaben gegeben. Die hierbei vereinnahmten Gelder seien anschließend - entweder über Bankinstitute oder durch Kurier - in die Türkei transferiert worden. Auf diese Art und Weise habe die Organisation während seiner Tätigkeit als Verantwortlicher für Deutschland und Europa (1995 bis 1999) einen Spendenbetrag in Höhe von insgesamt etwa DM 500.000,-- erlangt.

Allgemeine Vorgaben

Der Senat ist überzeugt, dass sich an dieser Vorgehensweise auch in der Folgezeit - nach 1999 und auch noch in der Tatzeit - nichts Grundlegendes geändert hat. Dies belegen zahlreiche, aus der niederländischen Rechtshilfe stammende TextDokumente mit Berichten über jährlich durchgeführte, organisationsintern häufig als Kampagnen deklarierte Spendensammlungen in verschiedenen, zur Rückfront gehörenden, (west-) europäischen Staaten. So wird von der Deutschland- / Europaverantwortlichen A in einem Tätigkeitsbericht (Datei ID-Nr. 740 214) unter anderem Folgendes mitgeteilt: "(... )7- Hinsichtlich der Spendenkampagne schreibe ich allen Gebieten nach und nach. ... Hinsichtlich der Spendenkampagne; die Gebiete haben begrenzte Geldbeträge, ich habe von ihnen verlangt, dass sie diese schicken. (...)"

Nachfolgend werden von A durchgeführte bzw. geplante Kampagnen in England, Belgien, Deutschland Nord, Österreich, Süddeutschland und Westfalen erörtert, Prognosen zum Erreichen von Kampagnenlimits abgegeben und Vorschläge zur verbesserten bzw. vereinfachten Durchführung des Kampagnenprogramms gemacht.

Aus mehreren TextDokumente n (z. B. Datei ID-Nr. 740 214, 754 604, 756 150 und 763 696) ergibt sich weiter, dass zwischen sogenannten inneren, bei Angehörigen der DHKP-C einschließlich Aktivisten durchgeführten (Spenden-) Kampagnen und sogenannten äußeren Sammlungsaktionen, von denen türkische Gewerbetreibende und sonstige Personen wie z. B. Sympathisanten erfasst werden, unterschieden wird.

Die Feststellung, dass Verantwortliche der Rückfront angewiesen sind, Personen, die einem Spendenaufruf der Organisation nicht freiwillig nachkommen, mit Nachdruck zur Zahlung zu veranlassen, ergibt sich aus einem organisationsinternen, mit dem Datum "9.5.2000" versehenen Bericht (Datei ID-Nr. 734 665) der Europaverantwortlichen. A beschreibt dort im Zusammenhang mit der Schilderung des Verlaufs einer Versammlung zur Vorgehensweise bei Spendensammlungen der Organisation die Erwartungshaltung der Führung mit folgenden Worten:

"(...) Diesmal haben wir hart gesprochen. T, Z, M haben von Zeit zu Zeit das Wort ergriffen und gesprochen. Im Prinzip haben wir darüber gesprochen, wie wir und warum wir von den Menschen Kampagne nehmen. (...) Wir haben darüber diskutiert, wie wir die Kampagne verlangen / wünschen. Wir haben gesagt, dass wir - falls es erforderlich wird - auch Gewalt ausüben werden. Wir haben erzählt, dass nicht wie die Bettler um Geld gebeten wird, dass wir dieses Geld für die Revolution, (also) für sie verlangen, dass jeder in Legitimität und Selbstvertrauen hingehen müsse. (...) Wir haben gesagt, dass Nachdruck angewandt werden soll, wobei man einen Unterschied machen soll zwischen denen, die nichts geben weil ihre Situation wirklich nicht gut ist und denen, die nichts geben. Wir haben erzählt, dass wir keinen Wegelagererzoll einsammeln, dass unsere Maßnahmen revolutionär sind, dass aber niemand uns aufs Kreuz legen und betrügen wird. (...)"

Dass in Einzelfällen anstelle von Bargeld auch Sachspenden, wie beispielsweise Waffen und Munition, von der DHKP-C akzeptiert werden, belegt der Bericht As in dem Dokument Datei ID-Nr. 740 180 vom 07. Dezember 1999. Dort heißt es unter Punkt "23- Erklärungen von Y a" wie folgt:

"In Berlin habe er ca. 400 14`er Kugeln, die in einer Wohnung / einem Haus versteckt seien. Sie hätten eine Beziehung gefunden, einen ehemaligen TKP-Angehörigen. Dieser Mann war es, der bei der letzten Kampagne diese Kugeln gegeben habe. Bei dieser Kampagne hätten sie gesprochen, wie viel er geben würde. Dieser Mann habe Skorpionwaffen ungarischer Herstellung, die bei 700-800 Mark liegen. Können wir so eine Waffe gebrauchen? (...)"

Hierzu passt auch die Mitteilung As in einem an die Organisationsführung gerichteten Schreiben vom 23. Oktober 2000 (Datei ID-Nr. 734 472), in welchem die Europaverantwortliche folgende Information weiterleitet:

"(...) 8- Bei einem Anhänger von uns in Österreich soll es ein automatisches Gewehr der Marke Stayer mit langem Lauf und Reichweite von 1500 Meter geben. Er hat gesagt, es sei 3000 Mark wert. Wenn wir wollen, gibt er es uns als Kampagne. Wenn wir es nicht wollen, wird er Geld geben... (...)"

Auch der Verbleib vereinnahmter Spendengelder wird in zahlreichen Textdateien aus der niederländischen Rechtshilfe thematisiert. Diese sind – wie sich etwa aus Berichten in den Dateien ID-Nr. 748 982, 749 681, 749 688, 763 696, 763 925 und den hiermit übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen KHKin S und RD V ergibt – zusammen mit Abrechnungen über zentrale, konspirativ mit Tarnbegriffen wie z. B. Tampon oder Kino umschriebene (Geld-) Sammelstellen an vorgesetzte Kader zu übergeben und von verantwortlichen Funktionären an die (Partei- / Organisations-) Führung weiterzuleiten. So wurde im Rahmen der Jahreskampagne 2002 / 2003 von G am 07. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 419 / 751 686) unter anderem vorgeschlagen, "... zwei Depots (Tampons) ..." einzurichten, von denen eines in den Niederlanden (für Frankreich, Niederlande und Belgien) und eines in Deutschland (für die Schweiz, Österreich, England und Deutschland) anzulegen sei. In den für diese Kampagne - im TextDokument Datei ID-Nr. 763 696 - aufgestellten Regeln wird unter anderem festgelegt, dass "... die gesammelten Kassettengelder jede Woche und die weiter entfernten Gebiete alle 15 Tage bei einem Tampon ..." zu hinterlassen sind. Außerdem wird folgende Anordnung getroffen: "... Man soll das Geld nicht in den Gebieten warten lassen ...". Der Transport vereinnahmter Spenden (-Gelder) zu den Depots (sogenannten Tampons) wird - wie die Berichte in den Dateien ID-Nr. 762 099 ("... Er hat den Transfer der Kassetten geregelt. Es gibt Gewerbetreibende, die ständig dorthin zu H fahren. Die Kassetten werden sie mit denen schicken. ...") und ID-Nr. 763 696 ("... Kassettenabrechnungen: ... Regeln: ... Die Gelder müssen von Personen transportiert werden, die das erklären können, falls man einen hohen Geldbetrag bei ihnen sicherstellt. ...") belegen - häufig durch unverdächtige Kurierpersonen abgewickelt. A schreibt in einem Bericht unter dem Datum "10.2.2000" (Datei ID-Nr. 740 203) in diesem Zusammenhang Folgendes:

"5- Wir haben ein Programm gemacht, wie die Kampagnengelder gesammelt werden sollen. Es wird zwei Kuriere geben, einer wird innerhalb Deutschland aus drei Gebieten entgegen nehmen, die Gelder werden in den Gebieten gesammelt und im Namen des Gebiets durch die einzige Person dem ersten Kurier übergeben, dieser Kurier wird das Geld dem zweiten Kurier übergeben, der das Geld an dem Ort übergeben wird, wo Sie es entgegennehmt. (...)"

In einer anderen Notiz (Datei: Phase 1/03289 = ID-Nr. 730 621) informiert A über den Umgang mit vereinnahmten Spendengeldern wie folgt:

"13- In unseren Händen gibt es 12.550 - zwölftausend fünfhundertfünfzig Mark - für die Gefangenenkampagne. Wir werden (das Geld) in große Scheine tauschen, und es zwischendurch zum/r `Makas´ schicken."

Dass - zumindest im Jahre 2002 - das Zeitschriftbüro der Rückfront als Sammelstelle für vereinnahmte Spendengelder genutzt wurde, belegt ein Bericht der Europaführung vom 08. August 2002 (Datei ID-Nr. 731 363). Dieser enthält eine Nachricht Gs in der es unter Punkt 9. wie folgt heißt:

"Wie viele Spenden wurden in Stuttgart, Ulm, Regensburg, Nürnberg und an den anderen Orten gesammelt, informiert (uns) darüber. Übergebt sämtliches Spendengeld, das ihr in der Hand habt, der Zeitschrift. (...)"

Aus zahlreichen TextDokumente n ergibt sich, dass Führungsfunktionäre der Rückfront auch in den Transfer von (Spenden-) Geldern in die Türkei eingebunden sind, der durch Banküberweisungen oder Kuriertransporte abgewickelt wird. So berichtet etwa G im Rahmen eines Berichts zu Kassettenabrechnungen in der Datei ID-Nr. 749 688, dass "... für die Heimat bei der Bank insgesamt 11000 (elftausend) Euro eingezahlt ..." worden seien. Auch in dem Bericht Datei ID-Nr. 749 684 wird die Überweisung von Kampagnengeldern thematisiert. Die Durchführung von Geldtransporten "in die Heimat" auf dem Kurierweg wird durch Berichte über entsprechende Vorgänge in den Dateien ID-Nr. 749 592, 761 911 und 762 089 belegt.

Dass die jeweiligen Gebiets- und Regionsverantwortlichen Rechenschaft über Verlauf und Ergebnis der Spendenkampagnen gegenüber der Europaführung abzulegen haben, die ihrerseits entsprechende Mitteilungen an die Parteiführung weiterleitet, belegen die Berichte in den Dateien ID-Nr. 734 622, 749 688, 749 789, 751 229, 761 873, 761 902 und 762 099. Klarstellend heißt es hierzu in einer - mit der Parteiführung abgestimmten - Anweisung der Europaverantwortlichen vom 21. November 2002 (Datei ID-Nr. 763 070) folgendermaßen:

(...) 6. Ihr müsst bezüglich der Kassettenabrechnungen der Gebiete detaillierte Informationen geben. (...) Wir müssen zwei Mal pro Woche aus sämtlichen Gebieten darüber Bericht erhalten, wie viel (Quittungen) sie ausgegeben haben und wie viel sie eingesammelt haben. In den Gebieten müssen die euch zweimal wöchentlichen Bericht über die Kassettenabrechnungen erstatten. (...)"

Vorbereitung, Durchführung und Ertrag der jährlichen Spendenkampagne

Dass die praktische Abwicklung dieser Jahreskampagnen, die innerhalb der DHKP-C auch mit dem Begriff Kassettenarbeit(en) umschrieben werden, nach einheitlichen, für sämtliche Regionen und Gebiete verbindlichen, von der Organisationsführung vorgegeben Regeln erfolgt, in denen neben dem Zeitraum der Sammlungstätigkeit (sogenannte Kassettenmonate - Datei ID-Nr. 761 902 -), Anordnungen zum Verbringen der Spenden (sogenannte Kassetten oder Kassettengelder) sowie den einzusetzenden Propagandathemen / -mitteln insbesondere die Höhe des erwarteten Spendenaufkommens (die sogenannten Limits) festgelegt werden, belegt zum Beispiel ein organisationsinterner Bericht vom 27. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 696). Darin heißt es unter anderem wie folgt:

"(...) Kassettenabrechnungen: 1- Im Zusammenhang mit den Buchabrechnungen für dieses Jahr: Regeln: A- Wir werden die M. Kampagne als Kassettenabrechnung bezeichnen. B- Name der Kassettenabrechnung: Wir leisten Widerstand und wir gewinnen. C- Beginn: 01. November Ende: Am 01. März muss der größte Teil übergeben worden sein. ... D- Regeln: - Die Verantwortlichen der Gebiete und Länder müssen regelmäßig ihre eigenen Abrechnungen anfertigen. Wenn zum Tampon Geld geschickt wird, müssen sie das sowohl als Handnotiz als auch Datei mitteilen. Bei Fällen, wo es nicht mitgeteilt wird, ist der Gebietsfunktionär für das verloren gegangene Geld verantwortlich. Alle Verantwortlichen müssen Abrechnungen führen, an welchem Datum wie viel Geld geschickt worden ist. - Die Verantwortlichen der Länder und Gebiete müssen mit denen, die sich zur Kampagne hinausbegeben, regelmäßig wöchentliche Versammlungen durchführen und die Kampagnenergebnisse kontrollieren. - Jeder Gebiets- und Landesverantwortliche muss über die Kampagnenergebnisse zweimal die Woche berichten. In den Gebieten, wo es Komitees gibt, müssen die Berichte von den Komitees abgegeben werden. - Die sich in der Nähe befindlichen Gebiete müssen ihre gesammelten Kassettengelder jede Woche und die weiter entfernten Gebiete alle 15 Tage bei einem Tampon hinterlassen. Man soll das Geld nicht in den Gebieten warten lassen. - Die Kassettengelder dürfen nicht in bekannten Wohnungen und Geschäften versteckt werden. Die verantwortlichen Freunde dürfen die Gelder nicht mit sich tragen. Die Gelder müssen von Personen transportiert werden, die das erklären können, falls man einen hohen Geldbetrag bei ihnen sicherstellt. Geldbeträge höher wie 15 Tausend Euro dürfen nicht transportiert werden. - Die Kampagnenlisten dürfen nicht offen aufgeschrieben und mit sich getragen werden. (...) - Alle Länder und Gebiete müssen mit den Kampagnenkomitees monatliche Bewertungsversammlungen durchgeführt werden. Im Oktober müssen Versammlungen mit der Masse durchgeführt und die Limits festgelegt werden. - Das Kampagnengeld darf aus keinem Grund ausgegeben werden. Diejenigen, die es ausgeben, werden als solche erachtet / angesehen werden, die bewusst ein Vergehen begangen haben. - Jedes Gebiet und Land muss mitteilen, wie viele Kampagnenkomitees sie gegründet haben. Mit den Kampagnenkomitees müssen vor Beginn der Kampagne Schulungsversammlungen durchgeführt werden. (...) Jedes Land und Gebiet muss sein eigenes Kampagnenprogramm erstellen. (...) G- Als Propaganda für die Kampagne können wir über folgende Themen erzählen: - Unsere zweijährige Phase vor dem Beginn der Phase des 3. Jahres des Widerstands des Todesfastens - Angriffswut der USA, Angriffe gegen den Irak und oppositionelle Staaten, Krieg in Palästina - Verbotslisten der USA und EU (...)"

Aus den bezeichneten Asservaten ergibt sich ferner, dass die Jahreskampagnen im Herbst eines Jahres beginnen und regelmäßig bis zum Frühjahr des folgenden Jahres andauern. Teilweise erstrecken sich diese Kampagnen - wie Darlegungen der Europaverantwortlichen in Berichten vom 17. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 755 657) und 16. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 201) belegen - auch auf kürzere oder längere Zeiträume.

Die festgesetzten Limits sind - wie die organisationsinternen Berichte in den TextDokumente n der Dateien ID-Nr. 755 657 und 763 696 zeigen - betragsmäßig an den vereinnahmten Spenden des Vorjahrs orientiert. Dass bei Sammlungen jeweils das bei der vorangegangenen Kampagne erzielte Spendenaufkommen erreicht werden muss, belegt außerdem ein organisationsinterner - in der Datei: Export-3/Unallocated Clusters~319 enthaltene - Bericht vom 22. Mai 2003. Dort heißt es hierzu wie folgt: "6- Das Limit für die Kassetten dort muss das Limit des letzten Jahres, mindestens 50.000 sein. Das muss übergeben werden. (...)"

Damit im Einklang stehen die - in einem organisationsinternen Bericht vom 05. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 752 124) enthaltenen - Anweisungen, welche die Europaführung in einem Schreiben vom 26. April 2003 unter anderem wie folgt formuliert:

"(...) Alle Gebiete müssen ihre Kassettenlimits schaffen, zumindest so viel, wie im vergangenen Jahr. Man kann nicht sagen, dieses Jahr war das so. Wir haben nicht so ein Verständnis. (...) Die Freunde wollen, dass unter jeden Umständen die versprochenen Limits gesammelt, zumindest die Limits vom letzten Jahr erreicht werden. (...) Die Arbeit muss fortgesetzt werden, bis die Limits erreicht sind. Was anderes ist inakzeptabel. (...)"

Kampagnenlimits werden ferner im Bericht der Europaverantwortlichen vom 09. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 474) thematisiert. Entsprechende Vorgaben wurden von G - wie deren Bericht vom 26. April 2003 (Datei ID-Nr. 752 127) zeigt - auch dem damals als Führungsfunktionär der DHKP-C agierenden früheren Mitangeklagten A (Deckname: B) gemacht.

Nach zunächst interner Vorbereitung einer jeweiligen Kampagne werden potenziellen Spender aufgesucht und die jeweils erwarteten Spendenbeträge aufgeschrieben, bevor - in einem weiteren Schritt - die eigentliche Sammlungstätigkeit durchgeführt wird. So heißt es in einer von G mitgeteilten Notiz eines Funktionärs der Rückfront vom 14. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 289) unter Punkt 11 wie folgt:

"FRANKFURT:

Aufgeschrieben: 29 Tausend Euro, 51 Personen

übrig / vorhanden: 1400 Euro

SAARBRÜCKEN:

Aufgeschrieben: 4750 Euro, 10 Personen

übrig / vorhanden: 750 Euro

MANNHEIM:

Aufgeschrieben: 1200

ÖSTERREICH:

Aufgeschrieben: 31055 Euro, 211 Personen

übrig / vorhanden: 4135 Euro

SCHWEIZ:

Aufgeschrieben: 8700 Euro, 10 Personen

übrig / vorhanden: 1600 Euro

Wir liegen allgemein zurück. Wir müssen in Schwung kommen. Diese Woche oder nächste Woche werden wir aus drei Gebieten ca. 15.000 aushändigen."

Am 11. Januar 2003 übermittelt G eine mit "08.01.2003 (R) Hallo" überschriebene Notiz (Datei ID-Nr. 748 762), die unter Punkt 4 einen Zwischenbericht über die Kassetten enthält, in dem ebenfalls zwischen "übergeben" und "aufgeschrieben" wie folgt unterschieden wird:

"a) Gestern, das heißt am 08. Januar:

Es wurden

von Frankfurt 7750 (siebentausendsiebenhundertfünfzig)

von Saarbrücken 970 (neunhundertsiebzig)

insgesamt 8720 (achttausendsiebenhundertzwanzig)

Euro übergeben.

b) Bis jetzt haben

Frankfurt 10800 (zehntausendachthundert)

Saarbrücken 970 (neunhundertsiebzig)

Österreich 4000 (viertausend)

Schweiz 1400 (eintausendvierhundert)

übergeben.

c) Österreich hatte gestern 5480 zur Verfügung. Sie werden die Sammlung beschleunigen und beim Kommen gemeinsam bringen (die Eskorte wird es transportieren) . ... Die Schweiz hat 1650 zur Verfügung. Auch sie werden sammeln, soviel sie können, und es bringen.

d) Aufgeschrieben wurden:

Frankfurt: 33400

Mannheim: 8200

Saarbrücken: 4750

Österreich: 35240

Schweiz: 21250"

Die Einbindung der Führungsfunktionäre in der Rückfront der DHKP-C in Spendensammlungen belegen zahlreiche Berichte der Europaverantwortlichen bzw. nachgeordneter Funktionäre zu Kassettenabrechnungen und Kampagnesammlungen (vgl. Datei ID-Nr. 749 474).

In einer Notiz vom 07. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 419) wird berichtet, dass "... die Daten für die Kampagnensitzungen festgelegt ..." wurden. Unter Punkt 4. des Berichts wird sodann ausgeführt:

"Wir haben mit H und Z über die Kampagne, die Veranstaltung und den 26. Oktober gesprochen. (...) Wegen des Namens der diesjährigen Kampagne; Wir werden gewinnen. Wir werden durch ständigen Widerstand gewinnen. Wir werden gewinnen. Diese Namen schlagen wir vor. (...) Wir werden Quittungen für fünftausend Leute drucken. Wir werden den Gebieten so viele Quittungen austeilen, wie sie brauchen. Im Oktober werden in allen Gebieten Kampagnen-Versammlungen stattfinden und Listen erstellt werden. Wir haben darüber gesprochen, dass diese Versammlungen massenhaft sein müssen. (...)"

Im Bericht vom 10. November 2002 (Datei ID-Nr. 763 816) heißt es zum Thema Kassettenabrechnungen unter anderem wie folgt:

"4- Für die Kassettenabrechnungen Stut... Süden wurden zwischen 9950-11.200 aufgeschrieben und gesprochen. Das ändert sich für Nürn... zwischen 4-5 Tausend für die 8 Personen, mit denen gesprochen wurde. Für Regens... hat man mit 7 Personen über 4500 gesprochen. Für die Seite Frankreich hingegen wird es sich für drei Personen zwischen 1350-1500 ändern. (...)"

Die zur Höhe der für die Jahresspendenkampagnen 1999 / 2000, 2002 / 2003 und 2003 / 2004 vorgegebenen Limits und der tatsächlich im Rahmen dieser Sammlungen vereinnahmten Spendengelder getroffenen Feststellungen beruhen ebenfalls auf organisationsinternen Dokumente n aus der niederländischen Rechtshilfe.

So stellt A in einer Mitteilung vom 09. Februar 2000 (Datei ID-Nr. 740 203) unter anderem fest: "(...) Die Kampagnenlimits, die wir zu Beginn festgelegt haben: Deutschland; Westfalen 500 Tausend Mark, Süden: 480 Tausend Mark, Norden 325 Tausend Mark Gesamt: 1 Million 305 Tausend. (...)" In ihrem Bericht unter dem Datum "13.3.2000" (Datei ID-Nr. 734 622) äußert sich "A" zur erwarteten Spendenhöhe unter Punkt 5. ihrer Mitteilung ergänzend wie folgt:

"Das Kampagnenlimit von Deutschland ist eine Million. Aber in der derzeitigen Situation schafft man das nicht. Wir haben dementsprechend die Limits erneut festgesetzt.

Süden: 305 Tausend

Norden: 300 Tausend

Westfalen: wird versuchen, das Kampagnenlimit von 395 Tausend zu erreichen. (...)"

G notiert in ihrer Mitteilung vom 09. März 2003 (Datei ID-Nr. 751 524) unter anderem Folgendes: "(...) 2- Entsprechend den von den Gebieten genannten Zahlen war unser Kassettenlimit zwischen 650-700 Tausend Euro. Darin war das Limit von England in Höhe von 165 Tausend Euro inbegriffen. (...)"

Die festgestellten Limit-Vorgaben betreffend die Spendenkampagne 2003 / 2004 ergeben sich aus den Berichten der Europaverantwortlichen G vom 21. / 23. Oktober 2003 (Dateien ID-Nr. 755 792 und 755 882). Der Senat hat keine Zweifel daran, dass es sich bei den mit keiner Währungseinheit versehenen Zahlenangaben in den bezeichneten Berichten jeweils um Euro-Beträge handelt. Wie bereits ausgeführt, sind die festgesetzten Limits betragsmäßig an den Ergebnissen der vorangegangenen Spendenkampagne orientiert. Im Rahmen der hiernach maßgeblichen Kampagne 2002 / 2003 wurden – wie sich aus einem organisationsinternen Bericht über die Kassettenarbeit in Westfalen vom 15. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 749 592) ergibt - in Köln "22.500 Euro übergeben" und in Duisburg "9150 Euro gesammelt". Im einem Bericht vom 19. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 749 789) wird "in Bezug auf die Kassetten" für Hamburg ein Betrag von "22000 – zweiundzwanzigtausend Euro" und für Stuttgart ein gesammelter Betrag in Höhe von "34250 – vierunddreißigtausendzweihundertfünfzig eu" angegeben. Vor diesem Hintergrund ist der Senat auch davon überzeugt, dass es sich bei den im Bericht in der Datei ID-Nr. 755 882 bezüglich der Gebiete Dortmund, Frankreich, Hamburg und Berlin benannten Limits (45, 60, 45, 35-40) um die abgekürzte Bezeichnung der Zahlen 45.000, 60.000, 45.000 und 35.000 – 40.000 handelt.

Die zur Höhe der in den Gebieten Köln, Duisburg und Dortmund im Verlauf der Jahresspendenkampagne 2002 / 2003 gesammelten Gelder getroffenen Feststellungen des Senats beruhen auf einem organisationsinternen Bericht vom 15. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 524). Dort wird unter Punkt 11 der Nachricht über den letzten Stand bei der Kassettenarbeit in Westfalen wie folgt informiert:

"a- Köln: 25.200 Euro wurden übergeben. (...) b- Duisburg: 9150 eu wurden gesammelt. (...) c- Dortmund: was insgesamt aufgeschrieben wurde: 43.850, übergebenes Geld: 31.100 (...)"

Die Feststellungen zu den im Rahmen der Spendenkampagnen 2004 / 2005 und 2005 / 2006 von der DHKP-C vereinnahmten Gelder beruhen auf dem Behördenzeugnis des BND vom 17. September 2007.

Sonstige (Spenden-) Kampagnen

Dass neben der jährlich stattfindenden Spendenkampagne weitere, als Veteranen-, Gefangenen- und Bücherkampagne oder Todesfastenkampagne bezeichnete Geldsammlungen vorgesehen sind (sogenannte Zwischenkampagnen), die regelmäßig außerhalb der "Hauptkampagne" durchgeführt werden, wird ebenfalls durch zahlreiche, in den Niederlanden sichergestellte Dokumente (z. B. Datei ID-Nr. 740 214, 749 592, 754 570, 762 099 und 763 486) belegt. Auch bei derartigen Kampagnen werden Spendenziele festgesetzt. So wurden etwa bei einer Spendensammlung für Gefangene und Veteranen im Mai 2003 ausweislich eines Berichts der Europaverantwortlichen G vom 25. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 751 229) folgende Anordnung getroffen:

"- Spendenkampagne für Gefangene und Veteranen:

Köln: 5

Duisburg: 3,5

Wuppertal: 1,5

Bielefeld, Hannover: 2

Dortmund wird 4 Tausend Euro sammeln."

Auch in Mitteilungen vom 03. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 077) und 03. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 762 099) wird unter anderem über eine Inhaftiertenkampagne berichtet. Dabei werden (Geld-) Beträge genannt, die "übergeben" werden können bzw. als Limits für die Städte Hamburg, Berlin und Stuttgart festgelegt worden sind. In der bezeichneten Notiz vom 03. Juni 2003 wird das Spendenaufkommen unter Punkt 5 im Einzelnen wie folgt beziffert:

"- INHAFTIERTENKAMPAGNE

Frankfurt 4000

Mannheim 2000

Saarbrücken 1000

Österreich 6000

Schweiz 2000 Euro können wir übergeben."

In ihrem Bericht vom 16. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 201) erklärt G, dass die "... notwendigen Gelder für die Inhaftierten von den Geldern" eingezahlt würden, "... die wir gesammelt haben ..."

Die Feststellungen zu der im Juli / August 2003 im Namen des TAYAD-Komitees unter dem Leitspruch: "Isolation bedeutet Tod und soll abgeschafft werden" bzw. "Todesfasten von 2000 dauert an" durchgeführten Inhaftiertenkampagne beruhen auf organisationsinternen Berichten vom 15. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 749 592), 24. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 754 559) und dem Bericht der Europaführung vom 25. September 2003 (Datei ID-Nr. 754 570), in dem G unter anderem Folgendes vermerkt: "2- Von den Gefangenengeldern haben wir a- 21564 Euro vorrätig. b- außerdem in den Gebieten fast 10.000. (...)"

In einem - in der Notiz der Europaverantwortlichen vom 09. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 486) enthaltenen - Schreiben Gs vom 08. Oktober 2002 heißt es unter anderem: "6- Bücherkampagne der Insel vom letzten Jahr: es müssten 94 oder 95 Tausend Pfund übergeben worden sein."

bb. Beitragszahlungen

Auch die Erhebung von Beitragszahlungen zur Finanzierung der DHKP-C ergibt sich aus den TextDokumente n der niederländischen Rechtshilfe. Dabei wird - wie etwa die in den Dateien ID-Nr. 751 229, 751 277 und 761 873 enthaltenen Berichte zeigen - zwischen sogenannten Frontbeiträgen, die von Organisationsangehörigen ("Internen") und Anhängern zu zahlen sind, und den von Sympathisanten oder sonstigen Personen zu leistenden (Beitrags-) Zahlungen, die teilweise auch als Händlerbeiträge bezeichnet werden, unterschieden. Hierzu heißt es z. B. in einem Bericht vom 04. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 761 873) unter der Rubrik "Möglichkeiten für Jahreseinnahmen in Berlin und Hamburg" wie folgt: "(...) - Berlin: Die Vereinsmiete wird von Händlern, d. h. von den Beiträgen gedeckt... 19.200 Euro. (...)" Weitere Angaben zur organisationsinternen Verwendung der durch Beitragserhebungen an der Rückfront erschlossenen Finanzmittel finden sich - so wie vom Senat festgestellt - in den Dateien ID-Nr. 748 762, 750 395, 750 818, 751 277 und 754 604.

Die festgestellte Höhe der im Gebiet Berlin im Jahre 2003 von der DHKP-C vereinnahmten Händlerbeiträge wird durch einen Bericht vom 04. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 761 873) belegt. Dass organisationsintern auch über die Erhebung und Vereinnahmung monatlicher Beiträge detailliert zu berichten ist, zeigt der Vermerk eines Funktionärs der Rückfront (V) vom 04. Oktober 2002 betreffend die Schweizer Gebiete Basel und Zürich in einem Bericht der Europaführung vom 08. Oktober 2002 (Datei: Export-12/Unallocated Clusters~44).

Schließlich besteht organisationsintern auch die Erwartung, über die der DHKP-C zugehörigen (Tarn-) Vereine Beitragszahlungen realisieren zu können. So heißt es etwa in einem von der Europaverantwortlichen am 02. März 2003 übermittelten Bericht (Datei ID-Nr. 750 781) wie folgt:

"(...) 11- Pforzheim ist geeigneter für den hiesigen Verein. (...) Hier gibt es Potential. Wenn es keinen Verein gibt, wird auch dieses Potential nach und nach vergeudet werden. Es wäre gut, wenn es ihn gäbe. Hier könnten 700 - 800 Euro Beiträge gesammelt werden, wenn es einen Verein gäbe."

cc. Kommerzielle Veranstaltungen

Die DHKP-C nutzt auch kommerzielle Veranstaltungen, wie z. B. Konzerte oder Kulturabende, und dem damit einhergehenden Verkauf von Eintrittskarten sowie dem Betrieb von Imbiss- / Bücherständen mit Speisen und Getränken bzw. Propagandamaterial (z. B. Zeitschriften, Bücher, Tonträgern - CDs, Kassetten -) als Einnahmequellen.

Die Durchführung entsprechender kommerzieller Veranstaltungen an der Rückfront ergibt sich auch - wie vom Zeugen KHK T bekundet - aus zahlreichen organisationsinternen Dokumente n, wie z. B. den in den Dateien ID-Nr. 731 287, 734 466, 740 180, 749 473, 749 474, 750 781, 750 791, 751 947, 752 043, 761 902 und 762 089 enthaltenen Berichten.

Andere Schriftstücke (z. B. Datei ID-Nr. 749 473, 749 474 und 751 277) belegen, dass zwischen Veranstaltungen auf regionaler bzw. örtlicher Ebene (Regional- bzw. Gebietsabende) und überregionalen, sowohl in Deutschland wie auch anderen Ländern der Rückfront stattfindenden, Zentralabenden unterschieden wird. Diese wurden nach den Angaben des Zeugen E auch mit der Zielsetzung ins Leben gerufen, den in der Türkei gefallenen Kämpfern der Organisation in angemessener Form zu gedenken. Zu den wichtigsten Großveranstaltungen der DHKP-C zählt - wie der Zeuge RD V berichtet hat - das jährlich im Zusammenhang mit dem Jahrestag der Parteigründung im März oder April stattfindende Parteifest, das regelmäßig von ungefähr 2.500 bis 4.000 Personen besucht wird und im Jahre 2008 zum Beispiel in Paris durchgeführt wurde.

Für diese europaweiten Großveranstaltungen werden, wie der Zeuge RD V weiter angegeben hat, unabhängig vom Fassungsvermögen des jeweiligen Veranstaltungsorts vorab meist 10.000 Eintrittskarten zu Preisen zwischen EUR 15,-- und EUR 20,-- gedruckt, von denen möglichst viele im Vorverkauf angeboten und abgesetzt werden. Dabei werden von den hiermit beauftragten Funktionären der DHKP-C Tickets als sogenannte Sympathie- oder Solidaritätskarten auch an solche Personen verkauft, die an der betreffenden Veranstaltung nicht teilnehmen können / wollen. Dass die Organisation in zurückliegender Zeit derart ungenutzt bleibende Karten von Zeit zu Zeit vertrieben hat, wurde auch von dem früheren Deutschland- und Europaverantwortlichen der Organisation, dem Zeugen E, bestätigt. Dieser hat erklärt, dass den Abnehmern derartiger Tickets durch diese Vorgehensweise die Gelegenheit eingeräumt werde, auch ohne den Besuch der jeweiligen Veranstaltung ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen und ihre Verbundenheit mit der Organisation sowie deren Zielsetzung unter Beweis zu stellen.

Dies passt zu den Anweisungen der Europaverantwortlichen G in einer organisationsinternen Notiz vom 16. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 498), in welcher unter anderem Folgendes mitgeteilt wird:

"(...) 6- Wie viele Tickets wurden für den Abend des 21. Dezember verkauft? Wir veranstalten diesen Abend zur Jahresfeier vom 19. Dezember. Sie müssen die Tickets zwecks Solidarität verkaufen. Die Kosten für diesen Abend sind sehr hoch. (...)"

Im Rahmen eines Berichts über den Verlauf und das Ergebnis einer (Gebiets-) Veranstaltung ("Abend dort bei E") äußert sich der frühere Mitangeklagte A (Deckname: B) am 30. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 761 902) zu diesem Punkt wie folgt: "(...) Verkaufte Tickets: Es wurden à 15 Euro 635 Tickets verkauft. Mit dem Ziel der Solidarität wurden 48 Tickets à 10 Euro verkauft. (...)"

Aus anderen organisationsinternen Dokumente n (Datei ID-Nr. 750 791, 751 229, 754 604 und 756 121) geht hervor, dass es der Europaführung vorbehalten ist, über die Art der durchzuführenden Veranstaltungen zu bestimmen. Ihr obliegt z. B. die Entscheidung der Frage, ob eine Veranstaltung als Regional- / Gebietsabend in einer einzelnen Bölge oder als überregional organisierter Zentralabend abgewickelt werden soll. Darüber hinaus werden von der Europaführung auch die Zeitpunkte von Veranstaltungen auf örtlicher Ebene vorgegeben. So heißt es etwa in dem Bericht vom 02. März 2003 (Datei ID-Nr. 750 791) unter Punkt 4: "Wir werden zentral über die Daten der örtlichen Abendveranstaltungen entscheiden."

Über eine solche Abendveranstaltung wird beispielsweise in einem Bericht vom 15. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 749 592) wie folgt informiert: "9- Programm im Kölner Kulturzentrum: a- Sonntag, 15. Juni, Volksliederabend (Haydar Güray, ein Lehrer für Langhalslaute und Gitarre, wird kommen und Lieder singen. Er singt in der Art von Ruhi Su.) (...)" Die Durchführung eines - ebenfalls in Köln veranstalteten - Konzerts, an dem Ende 2003 etwa "1300-1500 Leute" teilgenommen haben, wird in Berichten der Europaverantwortlichen vom 18. November 2003 (Datei ID-Nr. 761 767) und 19. November 2003 (Datei ID-Nr. 761 965) thematisiert.

Zahlreiche TextDokumente , in denen die Organisation / Durchführung einer zentralen Abendveranstaltung in Rotterdam am 26. April 2003 besprochen wird (Datei ID-Nr. 749 474, 749 631, 750 339, 750 635, 750 781, 763 070, 763 471, 763 474 und 763 534) zeigen, dass die Europaführung den Verkauf und die Verteilung der Tickets für Großveranstaltungen, die grundsätzlich durch die einzelnen Gebiete abgewickelt werden, dahingehend reglementiert, dass Mindestverkaufszahlen bzw. Mindestteilnehmerzahlen vorgegeben und die Gebietsleiter angewiesen werden, die Ticketverkäufe regelmäßig zu kontrollieren.

Bei zentralen Abenden wird von der Europaführung - wie ein Bericht vom 23. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 749 688) zeigt - die Anmietung hierfür benötigter Räumlichkeiten, bei der bezeichneten Veranstaltung in Rotterdam z. B. "das Ahoy", in die Wege geleitet. Für den dort vorgesehenen "Zentralabend" wurden, wie einer Notiz Gs vom 08. März 2003 (Datei ID-Nr. 749 473) zu entnehmen ist, "zehntausend Karten gedruckt". Ausweislich einer weiteren Mitteilung Gs vom 02. März 2003 (Datei ID-Nr. 750 781) wurde organisationsintern angenommen, "den Saal für 7000 Personen füllen" zu können.

Dass insbesondere die auf überregionaler Ebene durchgeführten zentralen Großveranstaltungen neben kommerziellen Zwecken auch Propagandazwecken dienen und nach Vorgaben der Parteiführung konzipiert werden, belegt ein Bericht der Europaverantwortlichen G an die Zentrale vom 07. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 756 023), wo es hierzu wie folgt heißt: "(...) 6- Ihre / Eure Kritik bezüglich der Abendveranstaltung wurde verstanden. (...) - Es wurde verstanden, dass die zentralen Abende noch politischer sein sollen."

Durch zahlreiche TextDokumente (Datei ID-Nr. 734 472, 750 617, 750 781, 750 818, 750 856, 751 277 und 756 121) wird überdies die Einbindung der "Bölgeleiter" in die Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen der Organisation bestätigt. Neben der Anmietung geeigneter Veranstaltungsräume (Datei ID-Nr. 750 781 und 751 229), Beschaffung technischer Ausstattung (Datei ID-Nr. 729 366 und 734 472) und Werbung (Datei ID-Nr. 756 121) gehört hierzu insbesondere auch die Verpflichtung der auftretenden Künstler (Datei ID-Nr. 750 617, 750 781 und 752 331) sowie der Ticketverkauf (Datei ID-Nr. 750 818, 750 856 und 751 384).

Die für Veranstaltungen der DHKP-C engagierten Künstler sind - wie sich aus Berichten in den Dateien ID-Nr. 749 473, 750 418 und 752 043 ergibt - regelmäßig in ein Rahmenprogramm eingebunden, das neben politischen Redebeiträgen von Funktionären meist auch propagandistische Darbietungen in Form von Theaterstücken und folkloristischen Aufführungen. Die Veranstaltungen werden mit propagandistisch aufgemachten Plakaten angekündigt; außerdem werden die Veranstaltungsräume mit Transparenten und Plakatierungen, auf denen sie ihre Parolen verbreitet, versehen.

Die Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe belegen weiter, dass die DHKP-C mit der Durchführung von Veranstaltungen nur teilweise finanzielle Gewinne erwirtschaften konnte. Neben einer in der Datei ID-Nr. 749 474 enthaltenen Mitteilung gehört hierzu beispielsweise ein Bericht über eine durchgeführte Abendveranstaltung (Datei ID-Nr. 761 902), bei der die Erzielung eines Gewinns von (nur) "150 Euro" errechnet wird. Im Bericht der Europaführung vom 30. Oktober 2000 (Datei ID-Nr. 734 512) wird, über das finanzielle Ergebnis einer Veranstaltung in Hamburg Folgendes vermerkt:

"9- Nach dem Hamburger Abend sind zu uns 11870 - elftausendachthundertsiebzig - DM gekommen. 1600 - sechzehnhundert - DM hatte ich schon früher erhalten. 400 - vierhundert - DM waren für N A gemachte Ausgaben. Übriggebliebener Gewinn aus Ticketverkäufen: 13870 - dreizehntausendachthundertsiebzig - DM. (...) Einnahmen insgesamt: 14560 - vierzehntausendfünfhundertsechzig - DM. (...)"

In dem Schreiben der Europaverantwortlichen vom 03. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 762 099) wird festgestellt, dass auf dem Berliner Abend kein Gewinn gemacht werden konnte. Die Datei ID-Nr. 750 339 enthält eine Notiz, in der über eine im Gebiet Ulm durchgeführte Abendveranstaltung mit 600 Teilnehmern berichtet und festgestellt wird: "(...) Der Abend hatte einen Verlust zu verzeichnen. (...)"

Bei einzelnen Veranstaltungen ist die DHKP-C andererseits in der Lage, regelmäßige Einnahmen zu erzielen. So heißt es etwa in einem Bericht der Europaverantwortlichen vom 03. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 762 099) bezogen auf das Gebiet Berlin wie folgt: "(...) In Berlin werden zwei große Feste stattfinden. (...) Sie verdienen jedes Jahr gutes Geld aus diesen Festen."

Die zur Verwendung vereinnahmter Gelder aus der Durchführung kommerzieller Veranstaltungen getroffenen Feststellungen beruhen auf Berichten in den Dateien ID-Nr. 734 512, 740 180, 761 902. Auch in dem bereits bezeichneten TextDokument betreffend das Dänemark-Konzert (Datei ID-Nr. 762 089) wird über den dort erzielten Gewinn und dessen organisationsinterner Weiterleitung informiert. Dass vereinnahmte Gelder nach Genehmigung durch übergeordnete Entscheidungsträger auch für Vorhaben auf regionaler oder örtlicher Ebene von dortigen Einheiten verwendet werden dürfen, belegt ein Bericht der Europaverantwortlichen vom 16. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 498). Darin unterrichtet G einen ihr nachgeordneten Funktionär (Deckname: M) unter anderem wie folgt: "(...) 10- Sie können die vom Frankfurter Abend übrig gebliebenen 470 Euro für das Auto, das Sie gekauft haben, benutzen. (...)"

Teilweise ist die DHKP-C - wie Ausführungen im Bericht der Europaführung vom 30. März 2003 (Datei: Export-4/Unallocated Cluster~570) zeigen - auch bestrebt, Schulden der ihr zugehörigen (Tarn-) Vereine durch Konzerteinnahmen auszugleichen.

Zur G Y

Häufig werden – wie Berichte in den Dateien ID-Nr. 730 254, 734 465, 734 472, 734 494, 739 374 und 740 180 zeigen - von der Organisation die Musiker der türkischen G Y für derartige (Abend-) Veranstaltungen und Konzerte engagiert. Die Einbindung von G Y in Veranstaltungen der DHKP-C belegen auch die hierzu von dem Zeugen KHK S gemachten Angaben. Hiernach fand am 12. März 2006 ein, vom örtlichen (Tarn-) Verein der Organisation in Stuttgart veranstaltetes G Y-Konzert in Fellbach statt, das von circa 1500 Zuhörern besucht wurde. Hierbei war - wie der Zeuge KHK S Bezugnahme auf Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz Bayern weiter glaubhaft angegeben hat - der Veranstaltungssaal mit Transparenten der Anatolische Föderation (Anadolu Federasyonu), die, wie gezeigt, als Tarnorganisation der DHKP-C fungiert, dekoriert.

Aus organisationsinternen Schriftstücken ergibt sich weiter, dass Funktionäre der Rückfront Zugriff auf Gelder haben, die bei Abendveranstaltungen durch den Verkauf von Tonträgern der G Y vereinnahmt werden. So heißt es etwa in einem Bericht der Europaverantwortlichen vom 30. Oktober 2000 (Datei ID-Nr. 734 512) über eine in Köln durchgeführte Abendveranstaltung, an der fast 1500 Leute teilgenommen haben und "ständig das Todesfasten" thematisiert wurde unter Punkt 5 folgendermaßen: "Yorum verkauft die CDs, die sie zum Verkauf an den Ständen mitgebracht haben, selbst. Das Geld gibt sie uns."

Ein Näheverhältnis zwischen der Organisation und G Y belegt auch die Absichtserklärung des vormaligen Deutschland- und Europaverantwortlichen der DHKP-C, N E (Deckname: C) in einer organisationsinternen Mitteilung vom 06. September 1999 (Asservat 31.301.8). Darin heißt es unter anderem wie folgt:

"(...) 17. Yorum arbeitet an einer neuen Kassette. Wenn wir erfahren, wann sie veröffentlicht wird, wollen wir den Vertrieb im Ausland übernehmen. Es wäre gut, wenn wir über den Vertrag, den sie mit H S machen wollen, erfahren. (...)"

Die enge Kooperation zwischen der DHKP-C und G Y bestätigt ferner ein Bericht der Europaverantwortlichen im Zusammenhang mit Ausführungen über die Vorbereitung eines Konzerts in Bielefeld (Datei ID-Nr. 740 139). A vermerkt hierzu:

"(...) Am 26. November wird in Bielefeld ein Konzert veranstaltet. Wir haben über die Massenarbeit für die Teilnahme am Konzert gesprochen. Es sind 750 Tickets gedruckt worden. Es wird erwartet, dass 500 Personen kommen. (...) Wir haben mit U über das letzte Mal, als Yorum hier war gesprochen, soweit Y A übermittelte blieben die Yorum-Leute dieses Mal im Kölner Büro und in einer Wohnung dort. Sie gingen von morgens bis abends nicht aus dem Kulturzentrum raus, man nahm ihnen, ohne sie zu fragen, für einen Tag ihr Auto weg. (...) Wir haben von Anfang an über dieses Thema umfassend gesprochen, sie sollen in zwei, drei unterschiedlichen Wohnungen bleiben, sie sollen über die Situation in der Heimat erzählen, sie sollen in unsere Vereine gehen, sie sollen an Unterhaltungen teilnehmen. (...) Ich habe erneut von H erzählt, H ist einer von uns, er hält Yorum und das Kulturzentrum auf den Beinen, und habe erzählt, wie oft er festgenommen worden ist. (...)"

Nach den Bekundungen des Zeugen G engagierten sich Mitglieder von G Y bereits für die Dev Sol. Die Musikgruppe sei zur damaligen Zeit der sogenannten legalen / demokratischen Ebene der Organisation zugerechnet und als Bestandteil der dortigen Abteilung Kunst und Kultur angesehen worden.

Die hierdurch zum Ausdruck gebrachte Affinität zwischen der G Y und der Organisation bzw. deren programmatischer Ausrichtung belegt ein Bericht in der türkischen Tageszeitung Hürriyet vom 14. Juni 2010. Darin heißt es im Zusammenhang mit Schilderungen zu einem von G Y anlässlich ihres 25-jährigen Bestehens im Besiktas Inönü Stadion vor 55.000 Zuhörern veranstalteten Konzert unter anderem wie folgt:

"(...) Es lief unter dem Slogan: 25 Jahre ohne anzuhalten. (...) Als die Lieder `Ciao Bella´ und `Amerika hau ab´ gesungen wurden, wurden Parolen gerufen wie `Amerika hau ab!´ und `Wir sind im Recht, wir werden siegen / gewinnen (Hakliyiz Kazanacagiz)´ (...)".

Bei dieser Prophezeiung handelt es sich - wie z. B. Darlegungen in einem Bericht Gs vom 14. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 755 653) und anderen, bereits angeführten Dokumente n zeigen - um einen zur Programmatik der DHKP-C gehörenden bzw. von dieser Organisation wortgleich in propagandistischen Erklärungen immer wieder verwendeten Leitspruch.

Schließlich belegen organisationsinterne Dokumente personelle Verflechtungen zwischen G Y und der Rückfront. So vermerkt z. B. G in ihrem Vermerk vom 08. Oktober 2002 (Datei: Export-12/Unallocated Clusters~44) betreffend den für die Organisation im Gebiet "Frankfurt und Mannheim" als ZeitschriftVerteiler agierenden "Revolutionär" H unter anderem Folgendes: "Seine Ehefrau singt bei Yorum. Wir hatten seine Frau auch in Ausbildungsveranstaltungen mit eingeschlossen. Sie lernte uns neu kennen. Sie ist sogar noch konsequente r als H. (...)" Ein Bericht vom 15. Juli 2003 (Datei: Export-5/Unallocated Clusters~616) befasst sich unter anderem mit einem G aus Saarbrücken. Dieser wird als "der Freund" bezeichnet, der "gemeinsam mit Yorum aufgetreten ist". Gegen ihn seien Ermittlungen eingeleitet worden. In einem Bericht Gs vom 27. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 752 925) heißt es bei einer Notiz über "Informationen zu den Durchsuchungen" hierzu ergänzend wie folgt: "G (S.) (SINGT BEI YORUM)".

dd. Verkauf von Publikationen

Dass auch der Verkauf von Publikationen neben propagandistischen Zwecken auf die Erzielung von Einnahmen für die DHKP-C zur Finanzierung terroristischer Aktivitäten in der Türkei ausgerichtet ist, belegt ein Bericht der Europaverantwortlichen A vom 30. Oktober 2000 (Datei ID-Nr. 734 512). Dort heißt es unter anderem wie folgt: "20- Heute wurden für die Heimat 6000 (sechstausend) Mark Zeitschriftengeld eingezahlt. Nummer des Kontoauszugs: 00346983. (...)"

Entsprechende Verkaufsaktivitäten in Deutschland und anderen Ländern der Rückfront in (West-) Europa werden, wie der Zeuge EKHK H bekundete und wie sich aus einem weiteren Schreiben der Europaführung (Datei ID-Nr. 734 641) ergibt, organisationsintern als wichtige Aufgabe der dort agierenden Funktionäre und Aktivisten angesehen. Dass tatsächlich entsprechende Verkaufsaktivitäten entfaltet wurden, belegen - wie die Zeugin KHKin S ausführlich dargelegt hat - die Inhalte zahlreicher Dateien der niederländischen Rechtshilfe.

b. Nachschub und Logistik

Dass die Beschaffung militärischer und ziviler Ausrüstung sowie Transporte entsprechender Gegenstände in die Türkei zu den von der Rückfront wahrzunehmenden Aufgabenbereichen gehört, ergibt sich aus "Beschluss: 8" des Parteigründungskongresses. Darin heißt es hierzu wie folgt:

"(...) Es werden Einrichtungen geschaffen werden, die für den Transfer von materieller Unterstützung, Waffen, verschiedener Technologien, die in jedem Gebiet eingesetzt werden können, und für die Deckung des Bedarfes nach militärischer Schulung sorgen werden, was zu den unverzichtbaren Funktionen der Rückfront gehört, und diese Einrichtungen werden diesen Transfer beständig und dauerhaft machen. (...)"

aa. Beschaffung von (Ausrüstungs-) Gegenständen

Der Senat geht - den hierzu gemachten Bekundungen des Zeugen KHK M folgend - davon aus, dass die DHKP-C den überwiegenden Teil ihrer Waffen- und Sprengstoffe in der Türkei beschafft bzw. vorrätig hält. Über entsprechende Zugriffsmöglichkeiten verfügt die Organisation - wie noch darzustellende Transportfahrten durch die Kuriere H H und S A zeigen - auch in Bulgarien bzw. in Griechenland.

Dass Funktionäre der DHKP-C darüber hinaus an der Rückfront in (West-) Europa mit der Beschaffung von (militärischen und / oder zivilen) Ausrüstungsgegenständen zur Förderung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei befasst sind, wird durch zahlreiche organisationsinterne Dokumente belegt.

Vorgänge bis zum 30. August 2002

Hierzu gehören insbesondere den früheren Mitangeklagten I D. betreffenden Schriftstücke. Hauptsächlich unter dem Decknamen U agierend, war dieser - wie noch zu zeigen ist - an der Rückfront als Sonderbeauftragter für den Arbeitsbereich Nachschub und Logistik auch mit der Vorbereitung bzw. Durchführung entsprechender (Beschaffungs- und Transport-) Aufgaben eingehend befasst. In einer Mitteilung vom 04. Juli 1998 (Asservat: 33.92.78) berichtet er über die in seinem Besitz befindlichen, "für die Guerilla" bestimmte Kleidung und Ausrüstung (für eine Betätigung als "Landguerilla") sowie die für die Durchführung von ferngesteuerten Anschlägen erforderlichen Gegenstände:

"b) 4 Paar Funkgeräte

c) 1 Nachtfernglas (...)

s) Fernbedienung (...)

x) 6 Teleskopantennen und 1 Plastikantenne

y) 2 Funkgerätbatterien / -akkus (...)"

Die Bandbreite der von der Organisation in den Blick genommenen "Materialien" illustrieren Ausführungen in einem Bericht über den Kontakt zwischen D. und einem Waffenhändler in einer Nachricht vom 07. September 1998 (Asservat 33.92.116):

"(...) Der Verkäufer sagte, ich habe nichts parat, aber ich kann es im Umkreis finden. Er will versuchen, für mich TNT, SEN(M)TEX (tschechische Ware), ostdeutsche und russische Kleschs, FN belgischer Bauart, mini und mikro Uzi, MP 5, Neuner Munition und Klesch-Munition, Skorpion mit Schalldämpfer, 7,65´er tschechische Handfeuerwaffe/n, Don Wesson Trommelrevolver, Handgranaten, Minen, Raketenwerfer zu finden und Preise zu nennen. Er hat gesagt, ich kann Dir in einer Woche die Preise mitteilen. Die Preise, zu denen wir jetzt kaufen, sind 800 das Kilo TNT, Sen(m)tex 1200, zusammen mit Zündern, Klesch-Munition, 1200 Stück etwa 790 Mark, von denen können wir eigentlich (welche) kaufen, der Preis liegt bei unter einer Mark, die Klesch schwankt zwischen 1400 und 1600 Mark. (...) Ich habe gestern nach dem Preis für die Handgranaten gefragt, er sagte Stück 70 Mark, und als ich sagte, ich kriege die zu Stück 20 Mark, sagte er, okay wir versuchen etwas zu machen, er sagte sogar, vielleicht können wir das zu 30 Mark regeln. (...) Er hat gesagt, Ba(e)retta und Cek 16 zu finden würde für ihn schwierig sein, aber er wird dennoch nachforschen. So sieht die Lage eben aus. (...)"

Auch in zahlreichen weiteren Dateien wird über den Art und Umfang des Erwerbs entsprechender Schusswaffen nebst Munition, Sprengstoff etc. berichtet (Ass. 33.92.119; 33.92.123; 33.92.124, Datei ID-Nr. 728 987, 731 267).

Dass die Organisation über die Rückfront auch Satellitentelefone beschafft hat, belegen die glaubhaften Bekundungen des Zeugen E. Dieser hat den früheren Mitangeklagten D. in der Hauptverhandlung als diejenige Person wiedererkannt, die ab 1997 / 1998 mindestens sieben Satellitentelefone zum Preis von jeweils circa DM 6.000,-- bei der Firma GESAT, in welcher der Zeuge E seinerzeit als Geschäftsführer tätig war, erworben hat. D. habe sich seinerzeit als Herr U ausgegeben bzw. anreden lassen. Als Käufer der Satellitentelefone seien Namen verschiedener Personen von ihm (D.) angegeben worden. Sämtliche Geräte habe "Utas" persönlich abgeholt und (jeweils bar) bezahlt. Zuletzt habe er (E) am 10. Januar 2002 mit D. (fern-) schriftlich bzw. fernmündlich wegen eines Satellitentelefons in Kontakt gestanden. Für die Richtigkeit dieser Angaben sprechen die Darlegungen der Organisationsführung in einem Dokument vom 07. September 1999 (Asservat: 31.301.9), in welchem im Zusammenhang mit Problemen betreffend ein "Iridium Satelliten-Telefon", welches im Gebiet Wuppertal "auf den Namen der Frau Erika S" gekauft worden sei, Folgendes mitgeteilt wird: "(...) Wir haben dieses Telefon bei G gekauft. Aber der Herr E hat nicht besonders viel Ahnung. Daher wäre es nicht schlecht, wenn Frau S sich mit Iridium in Verbindung setzen und die Sache erledigen würde. Ende der Notiz". Dass Funktionäre der Rückfront über Satellitentelefone verfügten, belegt ferner ein organisationsinterner Bericht vom 31. März 2003 (Datei ID-Nr. 751 947), in welchem (u. a.) darüber informiert wird, dass A Y. N (Deckname: T A) - zu diesem Kader später mehr - ein entsprechendes Kommunikationsmittel besaß.

Dass für derartige Beschaffungen von (Schuss-) Waffen und Sprengstoff(en) auch vereinnahmte (Spenden-) Gelder verwendet wurden, belegt ein Schreiben vom 03. Juli 1998 (Asservat: 33.83.125). In diesem wird detailliert aufgelistet, welche und wie viel Langwaffen, Handgranaten, Zündvorrichtungen, Sprengstoffe und sonstige Waffen mit Geldern aus der "Kampagne" gekauft wurden, beispielsweise 15 Kalaschnikow-Gewehre zum Preis von 15.000,-- DM.

Vorgänge nach dem 30. August 2002

Dass die DHKP-C und Rückfront-Funktionäre an entsprechenden (Beschaffungs-) Aktivitäten auch nach Inkrafttreten von § 129b StGB festgehalten haben, ergibt sich ebenfalls aus organisationsinternem Schriftverkehr. Hierzu gehören insbesondere Berichte eines Funktionärs mit dem Decknamen S. Dieser bestätigt in einer Mitteilung vom 19. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 749 603), zusammen mit einer als E bezeichneten Person verschiedene "Waren" gekauft zu haben und erläutert sodann eine "Liste der Materialien", die er "bei Seite gelegt habe" wie folgt:

"- Ein Stück LAV

- Einen silberfarbenen, gegenüber dem Normalmaß erheblich längeren, antik aussehenden Trommelrevolver, Kaliber 44.

- Ein Gerät der Marke Sites - Spectra, neun Millimeter, Modell Sten / Bauweise Sten aus Italienischer Herstellung. Verfügt über kein Magazin.

- UZI (mittlerer) Typ aus argentinischer Herstellung, ein neun Millimeter Material. Kein Magazin vorhanden.

- Ein neun Millimeter Material der Marke PHTO, Typ Sten M 91. Kein Magazin vorhanden.

- Ein mit einem Schalldämpfer, einem Fernrohr versehenes langläufiges Gewehr, Kaliber 22. Es verfügt über zwei Magazine.

- Eine Pistole vom Typ Takarof aus chinesischer Herstellung, Kaliber 45. Sie verfügt über zwei Magazine.

- Eine Pistole der Marke Smith & Wesson, neun Millimeter, aus der Serie 645 - L. Sie hat kein Magazin.

- Eine neun Millimeter Pistole der Marke Star. Sie hat kein Magazin.

- Eine Pistole 7.65 Millimeter, der Marke Beretta, Modell PB aus der 70er Serie. Sie hat kein Magazin.

B. Die Materialien vom Typ Sten waren alle in einer großen Tasche. (...) In der gleichen Tasche befanden sich neun Rundmagazine, die für Kles geeignet sind. (...)

D. Alle Taschen haben wir uns später erneut angesehen. In zwei unterschiedlichen Taschen waren zahlreiche Magazine unterschiedlicher Kaliber. Insbesondere waren zahlreiche 16er, 14er und UZI-Magazine vorhanden. (...)"

In einem weiteren Schreiben vom 02. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 749 988) bestätigt S die Aushändigung von "Materialien" im Zuge einer Gebietsübergabe an eine mit dem Decknamen H erwähnte Person und erklärt nach Auflistung von Schusswaffen und entsprechendem Zubehör wie z. B. Magazine, Munition und Schalldämpfer, dass darin die zuletzt von E mitgebrachten "Dinge" (noch) nicht enthalten seien. Der Senat ist überzeugt, dass sowohl S wie auch E als Funktionäre der Rückfront agierten und mithin im bezeichneten Bericht der dortige Waffenvorrat beschrieben wird. In einem Schreiben vom 15. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 749 592 / 762 524) wird die Kooperation zwischen S und E wie folgt belegt:

"(...) 3- Bei der Transportsache von S und E, hat einer der Fahrer Angst bekommen. Da sie das bemerkt haben, haben sie es abgesagt. Sie haben einen anderen Fahrer gefunden. Aus diesem Grund gab es eine Verspätung. (...)"

Weiter enthält dieser Bericht detaillierte Darlegungen zur geplanten Durchführung eines Jugendcamps bzw. der Veranstaltung von Picknicks in Dortmund und Duisburg sowie zum (letzten) "Stand bei der Kassettenarbeit in Westfalen" mit Zahlenangaben zum aktuellen Spenden- / Beitragsaufkommens in den Gebieten Köln, Duisburg und Dortmund. Unter der Überschrift "Unser Programm im Zusammenhang mit dem (hinsichtlich des) Widerstand(s)" wird außerdem über geplante Aktionen in Köln, Berlin, Frankfurt und Den Haag sowie über eine im Namen des Tayad-Komitees konzipierte Inhaftiertenkampagne informiert. Schließlich werden Ausführungen zu einer im "Kölner Verein" durchgeführten Podiumsdiskussion sowie zum Programm im "Kölner Kulturzentrum" gemacht. In einem anderen, mit S überschriebenen organisationsinternen Bericht (Datei ID-Nr. 762 466) finden sich - korrespondierend zu den Ausführungen im genannten Schreiben vom 15. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 749 592 / 762 524) - unter anderem detaillierte Darlegungen des Verfassers zu einem "zusammen mit E" auf den Weg gebrachten Kuriertransport.

E war - wie aus einem noch darzulegenden Bericht der Europaverantwortlichen vom 13. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 756 150) zu ersehen ist - seinerzeit mit der Wahrnehmung von Führungsaufgaben in der Region Westfalen betraut. Hinsichtlich S wird dessen Einbindung in die Europaorganisation der DHKP-C durch weitere Dokumente bestätigt, aus denen sich ergibt, dass die unter diesem (Deck-) Namen agierende - im Jahr 2003 von der Europaführung unter anderem mit Aufgaben der Gefangenenbetreuung betraute und zeitweilig als Verantwortlicher Führungsfunktionär für Schweden vorgesehene (Datei ID- 751 051, 764 229) - Person zu der Europaverantwortlichen G unmittelbare Kontakte unterhielt, welche neben der Weiterleitung / Entgegennahme konkreter Anweisungen der Organisationsführung z. B. auch - teilweise im Beisein des früheren Mitangeklagten A (Deckname: N geführte - Besprechungen über Gebietsanalysen und Umfragen bzw. die Situation in England ("der Insel") umfassten (Datei ID-Nr. 750 402, 750 553, 752 331, 753 201, 753 444 und 756 023, 764 229).

bb. Verstecke / Depots

Dass die DHKP-C an der Rückfront in (West-) Europa über Depots zur versteckten Aufbewahrung / Bevorratung von Geld, (Schuss-) Waffen, Waffenzubehör, Munition und sonstigen (Ausrüstungs-) Gegenständen verfügt, wird ebenfalls durch organisationsinterne Dokumente aus der belgischen und niederländischen Rechtshilfe belegt.

Einlagerungen bis zum 30. August 2002

So nimmt der frühere Mitangeklagte D. ("U") in zahlreichen Dokumente n am organisationsinternen Nachrichtenaustausch betreffend die Einlagerung entsprechender Gegenstände wie folgt teil:

- Mit Schreiben vom 25. März 1998 (Asservat 33.92.25) teilt er mit, dass er bei dem Haus angekommen sei "... wo wir die Materialien hinterlegen sollen, ...". Er habe sich "... mit der Frau getroffen, um die Materialien (hinein-) zu tun, ...". Wörtlich wird sodann ausgeführt: "(...) Die Hälfte der Munition haben die dort unten, in ihren / seinen Vorratsraum / Keller gelegt, aber ich habe das dort nicht für günstig erachtet, denn drum herum ist es mit Holzgeflecht umgeben, aber wenn jemand gegen die Tür tritt, kommt er herein, darum haben wir, da gibt es so einen kleinen abgeteilten Raum, beschlossen, sie dorthin zu legen. Es gibt einen Schlüssel, der bei uns bleiben wird. (...)";

- am 27. März 1998 (Asservat 33.92.27) informiert er die Organisationsführung über Planungen bzw. Vorhaben des damaligen Deutschland- und Europaverantwortlichen N E und den ihm nachgeordneten Führungsfunktionären der Rückfront (Codebezeichnung: C und Co.) wie folgt: "1- C und Co. werden am Montag eine Kles und eine Uzi im Versteck hinterlassen. Wenn das Versteck nicht geeignet ist und es Deiner Meinung nach woanders geeigneter ist, sage Bescheid. Dann sollten wir es in der Weise machen (...)";

- mit Schreiben vom 28. März 1998 (Asservat 33.92.29) wird er aufgefordert, eine "... Materialliste erneut ..." zu übermitteln und gefragt: "...Sind zur Zeit 1 Stück Skorpion 7.65´er zwei Stück 20´er Magazine immer noch bei Dir befindlich? ...". D. bestätigt dies am gleichen Tag schriftlich (Asservat 33.92.30) und übermittelt eine Aufstellung über (Schuss-) Waffen (Pistolen, Revolver, "pumpgun"), Waffenzubehör ("Kles Magazine", "M-16 Magazine", "Uzi Magazine", "Klassische 14´er Magazine") und Munition ("9 mm", "7.65", "Kles", "Magnum");

- am 26. April 1998 (Asservat 33.92.45) wird unter Punkt 10 eines weiteren Berichts ergänzend mitgeteilt, dass außer der "7.65´er" folgende "Pistolen" vorhanden seien: "(...) a) 1 SHE + 170 Patronen (ohne Ersatz) b) 1 automatische Pistole argentinischer Herkunft (9 mm 40´er, ohne Ersatz). Die sind lang, könnte sein, dass sie nicht hinein passen. c) 1 Browning, 14´er, kam von der Seite / Gegend der schmutzigen abla. Diese haben genügend Ersatz vorhanden. (...)";

- in einer Nachricht vom 09. August 1998 (Asservat 33.92.90) wird er wie folgt angewiesen: "3- Hast du von dem Mann, den du als verrückt bezeichnest, unsere Materialien entnommen? Wenn du diese noch nicht abgeholt haben solltest, dann hast du diese sofort abzuholen. Zu diesem Punkt hast du uns zu antworten. (...)";

- noch am gleichen Tag (Asservat 33.92.91) antwortet D., dass er das "Material" von dem "paranoiden Typen" bereits abgeholt habe. In einer am 10. August 1998 übersandten "MATERIALLISTE" (Asservat 33.92.93) werden unter anderem zwei Kalaschnikows (2 Stück Kles), drei Panzerfäuste (3 Stück LAV) und eine "automatische Pistole chinesischer Herstellung, 45´er" aufgeführt. Am 25. August 1998 (Asservat 33.92.104) informiert die Organisationsführung darüber, dass derzeit Sprengstoff zur Verfügung stehe. Im Einzelnen heißt es wie folgt: "(...) Wir haben Dynamit zur Hand. Hast Du jemals Dynamit gesehen?.. 20-25 cm lang, 3 cm im Durchmesser.. jedes einzelne wiegt 170 Gramm. Das heißt, dass 10 Stück 1 Kilo siebenhundert Gramm ausmachen. Wir haben 16 Kilo zur Hand. (...)";

- am 08. September 1998 (Asservat 33.83.189) bestätigt D. unter Bezugnahme auf eine Mitteilung der Europaführung (Tarnbezeichnung: Bruder C), dass er in einen "abzustellenden Wagen" eine Panzerfaust (Tulpe) deponieren (platzieren) werde. Drei Tage später bestätigt D. am 11. September 1998, dass zwei Panzerfäuste (Tulpen) in einem Kurierfahrzeug versteckt wurden (Asservat 33.92.118). Weiter heißt es in der Nachricht unter anderem wie folgt: "3. An dem Tag war auch der Mercedes, den ich in die Garage gestellt hatte (der, der auf G angemeldet ist), nicht an seinem Platz, auch den hatten die von dort weggeholt. Als ich das so S , erstarrte ich förmlich, (weil ich mich fragte), wo fährt dieses Auto hin. Die Ursache dieser Angelegenheit klärte sich heute. Heute haben wir uns mit O E darum bemüht, es zu bekommen. (...) Ich habe das Auto, nachdem ich es vom Fahrer bekommen hatte, in die Garage von O E gestellt, ich habe es nicht draußen gelassen, da die Scheibe zerbrochen war. (...) Aber wenn ich das Auto abstelle, mache ich auf jeden Fall die Kennzeichen ab, damit nicht klar sein soll, wo es herkommt. In der Zwischenzeit muss einer der Polizei Anzeige erstattet haben, die Polizei kam und hat angeblich Fotos gemacht, zu der Zeit war das Auto auf G Namen angemeldet und aus diesem Grund geht die Polizei zu G nach Hause. (...)".

Dass zur Lagerung von (Ausrüstungs-) Gegenständen neben Häusern und Wohnungen von Sympathisanten der Organisation auch Erddepots als Verstecke genutzt wurden, zeigt der Bericht in dem bezeichneten Asservat 33.92.93.

Bevorratung nach dem 30. August 2002

Auch nach dem Inkrafttreten von § 129b StGB wurden an der Rückfront in (West-) Europa - wie sich ebenfalls aus zahlreichen organisationsinternen TextDokumente n ergibt - durch Funktionäre der DHKP-C beschaffte (Schuss-) Waffen und sonstige militärische Gerätschaften bis zu ihrem Abtransport in die Türkei in Verstecken und Depots (ein-) gelagert. Hierfür wurden auch Wohnungen von Sympathisanten - teilweise ohne deren Wissen - genutzt. So heißt es etwa in einem Bericht vom 03. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 749 999) wie folgt:

"(...) Beide werden normal in die Wohnung gehen, um dort zu bleiben, und es von dort, wo sie es versteckt haben, herausholen und mitbringen. Zu dem Ort oder der Person, die wir vorgeben. Diese Wohnung soll sehr sauber sein, sie hätten sie nur für diese Angelegenheit benutzt, darum kann es auch hier bleiben, sagt er. Sollen Radio(s) und Handgranate(n) an dem Ort, den sie genannt haben, bleiben? Wenn ihr uns sagt, das geht nicht, sagt 68-1, dann forschen wir nach, aber dies hier ist wirklich ein sehr sauberer Ort, hat er noch einmal hinzugefügt. Das wäre es zurzeit. (...)"

Wie sich aus den Berichten in den Dateien ID-Nr. 751 362, 751 377, 751 400 und 763 048 ergibt, wurde im November 2002 in Deutschland ein Versteck für 10 Taschen mit "Material" gesucht und gefunden, in dem bis mindestens zum Frühjahr 2003 Schusswaffen (Radios) verwahrt wurden.

In Schreiben vom 25. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 753 258) und 14. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 755 665) wird von "H" jeweils über den aktuellen Bestand von (militärischen) Ausrüstungsgegenständen, insbesondere Schusswaffen (bspw. 1 Panzerfaust, 3 "Uzis" sowie mehrere Handfeuerwaffen), Munition (bspw. 1000 Stück Kalaschnikow-Projektile) und sonstiges Waffenzubehör (z. B. Kalaschnikow-Magazine und Schalldämpfer), informiert.

In der bereits bezeichneten Mitteilung vom 02. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 749 988), bestätigt S (Schuss-) Waffen ("Materialien") an H übergeben zu haben. Am 18. August 2003 schreibt H in seinem Bericht (Datei ID-Nr. 753 214) unter anderem Folgendes:

"(...) Die Radios, die wir von ihm erhalten haben, befinden sich jetzt im Keller einer Wohnung / eines Hauses. Der Wohnungs- / Hausbesitzer und seine Frau (eigentlich sind sie nicht verheiratet) haben Streit und wollten sich trennen. Daher müssen wir sie dort holen. Jetzt schauen wir uns nach einer Stelle um, wo wir sie lassen können. Diese Radios sind schon auf der Liste, die ich euch gegeben hatte. (...)"

In einer Nachricht vom 28. September 2003 erkundigt sich die Europaverantwortliche unter Punkt 2 ihres Berichts (Datei ID-Nr. 754 604), ob die (Faustfeuer-) Waffe (das Radio) aus Hamburg, welches Eser kontrolliert habe, und eine weitere (Faustfeuer-) Waffe (Radio aus Bremen) zu H geschickt werden sollen.

Der Senat ist überzeugt, dass es sich bei der in den bezeichneten Dokumente n als H benannten Person jeweils um den früheren - auch für die in Belgien von der Organisation wahrgenommenen Gebietsarbeiten zuständigen - Hollandverantwortlichen der Organisation, L Y, handelt. Dieser hat - ausweislich der Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. November 2006, in welchem Y wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde - unter dem bezeichneten Codenamen (H) eine entsprechende Führungsfunktion innerhalb der DHKP-C ausgeübt. Für den Zeitraum von Herbst 1998 bis Anfang 2006 ergibt sich hiernach Folgendes:

"(...) Wie bereits erwähnt (...) hielt sich der Angeklagte auf Weisung der Parteiführung von Anfang 1999 bis zum Spätsommer 1999 im Nahen Osten auf, befasste sich dort mit den ideologischen Zielen der Partei und kehrte sodann nach Europa zurück, um von den Niederlanden aus neue Führungsaufgaben für die Partei wahrzunehmen. Der Angeklagte rückte erneut in das sog. Europakomitee der DHKP-C ein, dessen Mitglied er bereits seit 1997 gewesen war, und übernahm die Verantwortung für die Parteiarbeit in den regionalen Bereichen Belgien und Niederlande. Er kümmerte sich in dieser Funktion verantwortlich um die Arbeit der örtlichen Parteigliederungen, um die Planung und Leitung von Schulungs- und Ausbildungsmaßnahmen sowie im Sinne der Vorgaben der Parteiführung um die Organisation und Durchführung der jährlichen Spendenkampagne. Ein wesentlicher Teil seiner Tätigkeit bestand auch hier aus der sog. Pressearbeit, d. h. der Erstellung von Presse- und sonstigen Erklärungen der Partei sowie dem Vertrieb der Parteipublikationen. (...) Nach seiner Entlassung aus der Haft nahm der Angeklagte, der während seiner Zeit in den Niederlanden unter den Decknamen "C", "S" und - nach der Haftentlassung - "H" auftrat, seine Tätigkeit für die DHKP-C - im Wesentlichen im alten Umfang - wieder auf."

Gestützt werden diese Feststellungen durch zahlreiche organisationsinterne Dokumente . Neben umfassenden Lageberichten C / Hs vom 22. Januar 2000, 03. September 2001, 03. Oktober 2001 und 04. Dezember 2001 (Datei ID-Nr. 739 984, 731 287, 731 267 und 730 254) zum aktuellen Stand der Gebietsarbeit(en) in Holland und Belgien gehören hierzu z. B. die in den Dateien ID-Nr. 749 473, 755 560, 756 071, 756 186, 763 419 enthaltenen organisationsinternen Nachrichten, in denen wird Y (H) im Zusammenhang mit der Thematisierung von Berichten betreffend in Belgien bzw. Holland durchgeführte bzw. noch vorzunehmende Aktivitäten genannt wird. Dass Y auch in die Abwicklung von (Waffen-) Transporten in die Türkei eingebunden war, belegt - neben den bereits genannten bzw. noch näher zu erörternden Dokumente n mit den Datei ID-Nrn. 750 819, 752 003, 752 456, 752 870, 753 214, 753 338, 753 357, 753 606, 754 870, 755 330, 761 832, 764 275) - ein Schreiben Gs vom 09. September 2003 (Datei ID-Nr. 755 156). Dort berichtet die Europaverantwortliche im Zusammenhang mit einer Nachricht über "(...) das Lager, das wir in Holland durchgeführt haben (...)" wie folgt:

"(...) Während des Lagers wollte H den Unterricht geben und die Veteranen wollten den Unterricht über Ö. O. geben. H hat allerdings (nur) eine Nacht mit denen, die ins Lager gekommen sind, gesprochen, hat eine Einführung gegeben, und da er sich anschließend um die Sache, Radios in die Heimat zu schicken, gekümmert hat, ist er nicht noch einmal ins Lager gegangen. (...)"

cc. Kurierwesen

Die zum Kurierwesen der Rückfront getroffenen Feststellungen beruhen ebenfalls auf den Inhalten organisationsinterner Dokumente .

- Vortatzeitraum / Belgische Asservate

Zahlreiche, in Belgien sichergestellte, Schriftstücke belegen, dass auch die Vorbereitung und Durchführung von Kuriertransporten in die Türkei zu den Aufgaben der Rückfront gehört. So heißt es etwa in einem Schreiben vom 02. Februar 1998 (Asservat: 33.92.5) über einen Transport einer Panzerfaust (Lav) in die Türkei (Heimat) wie folgt:

"1. In Ordnung, der Kurier wird zu der von Dir angegebenen Zeit bei der Bank sein, wenn Du auch (da) bist, lösen wir (es). (...) 3. Erinnerst Du dich an das erste Auto, das in die Heimat gegangen ist? Der Name des Kuriers war G. Auch von da an, immer wenn wir derartige Fahrer gesucht haben, hattet ihr mit M immer von `G und die´ gesprochen, in diesem Auto war auch eine Lav ... (...)"

In einer anderen Mitteilung vom 04. August 1998 wird über ein Treffen mit einer Person, "die in die Heimat gehen wird. ..." berichtet. Dabei habe sich herausgestellt, dass die Person nicht "... offiziell angemeldet ..." sei, weshalb die "... Zulassung des Autos ..." aufgeschoben werden müsse (Asservat 33.92.114). Zu einem über Italien und Griechenland in die Türkei durchgeführten Transport wird am 05. September 1999 (Asservat: 31.301.3) detailliert informiert.

In zahlreichen Mitteilungen werden organisationsintern Informationen über, zumeist mit Decknamen bezeichnete, Personen ausgetauscht bzw. weitergeleitet, die von der Organisation als Kurierfahrer für Transporte rekrutiert worden sind. Neben den in den Asservaten: 33.83.149, 33.83.189, 33.92.118 (Deniz C aus der Region Hannover, genannt der Kellner), 33.92.116 (der Jugendliche), 33.83.150 (A, der Fahrer-Freund aus Stuttgart), 33.92.139 (Meral), 33.92.134 (der Fotograf / neue Kellner), 33.92.171 (D) und 33.92.180 gehören hierzu auch die im Zusammenhang mit dem Waffentransport durch den Kurier H H noch auszuführenden Vorgänge und Dokumente .

Organisationsintere Schriftstücke aus der belgischen Rechtshilfe belegen ferner, dass Führungsfunktionäre der Rückfront mit dem Ankauf von Kraftfahrzeugen für Transporte / Kurierfahrten sowie deren Präparierung befasst sind. Bevorzugte Autos waren demzufolge die Fahrzeugtypen Audi 80, Baujahr 1989, sowie Mercedes der Baureihen 123 und 126. Exemplarisch sind hier folgende Dokumente anzuführen:

- In einer Mitteilung vom 24. März 1998 (Asservat 33.92.24) heißt es unter anderem, dass in einem Audi 80 (Modell Typ 89) ein Versteck eingebaut worden sei;

- am 28. März 1998 (Asservat 33.92.28) wird der frühere Mitangeklagte D. angewiesen "...schnellstens zwei Autos zu kaufen, die zum Bunkern geeignet und mit allem bis Dienstag bereit sind. ..." Kurz darauf wird ihm eine Anfrage der Organisationsführung vom 29. März 1998 über den Stand der Ankaufsbemühungen zugeleitet (Asservat 33.92.34); mit Schreiben vom 30. März 1998 (Asservat 33.92.35) bestätigt D., "eins der Autos" bereits gekauft zu haben und über ein weiteres alsbald verfügen zu können;

- die Suche nach - für Transporte in die Türkei geeigneten - Kraftfahrzeugen wird auch aus einem Schreiben vom 29. Mai 1998 (Asservat 33.92.60) ersichtlich, in dem sich D. nach "... Anhängern in Holland, die einen Mercedes mit 123 Chassis fahren ..." erkundigt;

- in einem Bericht vom 30. August 1998 (Asservat 33.83.187) weist D. erneut darauf hin, dass "... ältere Modelle von Mercedes ..." zum "... Verstecken ..." von Gegenständen am geeignetsten seien und mehr aufnehmen könnten "... als die Audis ..." Am 17. Dezember 1998 (Asservat 33.92.180);

- in einem Schreiben vom 08. April 1999 (Asservat 33.57) empfiehlt D. für Kurierfahrten insbesondere "Autos von MERCEDES bis Produktionsjahr 86 der Modellreihe 200 - 220 - 230 - 250, die innen sehr groß sind. ..." Neben diesem "Typ 123" käme auch die "noch größere Karosserie der Modellreihe 280, oder 380 ... Typ 126 ..." in Betracht. In einer nachfolgenden Mitteilung vom 27. Mai 1999 (Asservat 33.59) wird von ihm detailliert beschrieben, wie in Mercedes-Fahrzeuge der " ... Typenreihe 123 und 126 ..." Hohlräume eingebaut werden können. Dass Kraftfahrzeuge mit entsprechenden Verstecken für (Kurier-) Transporte in die Türkei an der Rückfront vorgehalten wurden belegt auch eine Mitteilung im Schreiben vom 01. Februar 1998 (Asservat 33.92.4), in welcher D. Folgendes berichtet: "(...) 2. Ich habe zur Zeit insgesamt zwei Autos an der Hand. Eines benutze ich (das benutzt I zur Zeit), das andere ist das Auto, das in die Heimat / ins Land gehen wird. Es hat kein besonderes Versteck, jetzt benutzt es I, um Geld zu transportieren. Aber wenn wir die Heizung herausnehmen, wird es dasselbe wie das Auto bei K, es sind ohnehin beide dieselben Modelle. 3. Wir können das Auto bei K nehmen, und es kann bei uns als Fahrzeug mit Versteck bleiben. (...)"

Auch die Beladung (Bestückung) von (Kurier-) Fahrzeugen wird in verschiedenen Berichten und Mitteilungen Dokumentiert. So heißt es beispielsweise in einer an D. gerichteten Anweisung vom 27. März 1998 (Asservat 33.92.27), dass dem Kurier (dem / der mit europäischem Heft) eine Kalaschnikow (Kles) mitzugeben ist, die von der Europaführung (Deckname: C und Co.) zusammen mit einer "... Uzi im Versteck ..." hinterlassen worden sei. Am 04. Juni 1998 (Asservat 33.92.66) teilt D. über seine Aktivitäten unter anderem mit, dass er "heute mit dem Wagen beschäftigt" war, "den der aus Dersim stammende zurückgebracht hat". Er habe sich "mit dem Einbau der Teile beschäftigt". Mit Schreiben vom 08. September 1998 (Asservat 33.83.189) berichtet er unter anderem über eine für den Folgetag geplante Bestückung eines Fahrzeug mit Panzerfäusten (Tulpen) wie folgt:

"1- die Notiz des Bruder C habe ich verstanden. In den von diesen abzustellenden Wagen werde ich die Tulpe nebst der Beschreibung platzieren und am Abend im Versteck belassen. (...) 11- da ich morgen in den Wagen von C & Co. die Tulpen platzieren werde, kann ich morgen den Wagen nicht anmelden. (...)"

Am 16. September 1998 (Asservat 33.92.124) erläutert I D. seine Vorbereitungen für einen bevorstehenden Transport mit folgendem Bericht:

"(...) Morgen früh werde ich die Beladung durchführen(d) zum Fahrer / zur Fahrerin fahren. (...) 5- Wenn es kein Hindernis geben sollte, kann der Fahrer gegen Nachmittag losfahren. Die von dem Fahrer / der Fahrerin zu benutzende Rufnummer lautet 0172-625 63 54. 5- Jetzt bin ich mit dem Einpacken der Pakete beschäftigt. (...)"

Am 17. September 1998 teilt er der Zentrale unter Hinweis auf seine Abfahrt zu einem Kurierfahrer mit, dass er "... insgesamt 39 Teile ..." verpackt habe (Asservat 33.92.125). Seine Nachricht vom 08. Oktober 1998 (Asservat 33.92.136) bestätigt Folgendes:

"1. Ich hatte in das Auto, das ganz zuletzt fuhr, die Pistolenhüllen / -taschen hineingetan und hatte 5 Dosen Waffenfett gekauft, das Fett war hinten im Auto. (...)"

Schließlich ergibt sich aus den in Belgien sichergestellten, im Tatkomplex H ausführlich erläuterten, Dokumente n, dass Führungsfunktionäre der Rückfront auch maßgeblich in die Vorbereitung von Kurieren eingebunden waren. Der für diese Aufgabe verantwortliche Kader hat die betreffenden Fahrer zu kontaktieren und vor Fahrtantritt in die für eine konspirative Kommunikation zwischen Kurier und der DHKP-C benötigte Codierung (das Alphabet, die Regeln bzw. Schlüsselliste) einzuweisen sowie mit (Bar-) Geld und anderen Gegenständen (wie z. B. Telefonkarten) auszustatten. Die Transportfahrzeuge werden hiernach regelmäßig auf den Namen des jeweiligen Kuriers angemeldet. Die entsprechenden Maßnahmen werden unmittelbar mit der Organisationsführung abgestimmt und nach deren Vorgaben abgewickelt. Zu den Einzelheiten dieser Vorgehensweise, die in exakt gleicher Weise auch im Tatzeitraum praktiziert wurde, wird auf die Ausführungen im Zusammenhang mit dem im September 2002 durchgeführten Waffentransport verwiesen.

- Tatzeitraum / Niederländische Asservate

Auch die in den Niederlanden sichergestellten Dateien enthalten - wie der Zeuge KHK M bekundet hat - eine Vielzahl von Dokumente n, welche die Anwerbung von Kurieren durch die Vorbereitung und Durchführung von Transportfahrten zum Gegenstand haben. Diese Schriftstücke belegen, dass in der Rückfront tätige Funktionäre dieser Vereinigung weiterhin - auch nach Inkrafttreten des § 129b StGB - mit dem Transfer von Geldern (Dateien ID-Nr. 749 592, 761 911 und 762 089), Waffen und Sprengstoff (Datei ID-Nr. 754 561) in die Türkei sowie dem verdeckten Nachrichtenaustausch (Dateien ID-Nr. 749 474, 750 266, 752 124, 751 225, 752 331, 761 911, 762 089 und 762 524) mit dort agierenden Einheiten befasst sind. Hierzu im Einzelnen:

Die generelle Einbindung der Rückfront in derartige Aktivitäten bestätigt beispielweise ein Schreiben Gs vom 04. April 2003 (Datei ID-Nr. 752 331). In einem anderen Bericht schreibt die Europaverantwortliche am 05. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 752 124) über einen (geplanten) konspirativen Nachrichtenaustausch Folgendes:

"(...) 8- Ein Kurier ist erforderlich, um Laptop und Flash Card ins Land zu schicken. Die Person die gehen wird, muss sie an einen ihr bekannten Ort da lassen. Die Freunde im Land werden von dort holen. Sie müssen noch die Referenz nennen. (...)"

In den Dateien ID-Nr. 749 592, 761 911 und 762 089 wird über eine Person berichtet, die als Kurier ausgewählt und eingesetzt wurde. Dazu heißt es in dem Bericht der Europaverantwortlichen an die Organisationsführung vom 31. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 761 911) wie folgt:

"(...) 2. Es ist verstanden worden, dass wir eine Flash-Karte in die Heimat schicken sollen. Es wurde verstanden, dass der / die Bügler / Büglerin, der / die gehen wird, sagen soll, ich bin Senems Cousin bzw. Cousine, ich wollte sie sehen, ich habe ein Geschenk. Nach den FÜNFTAUSEND EU, die wir zuletzt in die Heimat geschickt hatten, müssten in unseren Verstecken / Depot noch tausend EU sein. Wenn noch dreitausend EU da sind, schicken wir auch die dreitausend. (...)"

In einer nachfolgenden Mitteilung vom 07. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 089) heißt es hierzu:

"Der Bügler, der ins Land gehen sollte, war gefunden worden. Man hat es so organisiert, dass er am Samstag gehen kann, da die Flashkarte jedoch nicht gekommen ist, hat man ihn nicht schicken können."

Unter Punkt 7 dieser "Informationsnotizen" wird Folgendes berichtet: "Ab dem 1. Juni befinden sich in unserem Tampon 3000 eu. Wir können mit dem Bügler, der gehen wird, dieses Geld schicken." Im Bericht vom 15. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 749 592) wird zum weiteren Fortgang des Geschehens Folgendes festgestellt:

"Auf der Fahrt des Büglers in die Heimat hat der Zug Verspätung gehabt, in den er eingestiegen ist. Aus diesem Grund konnte er nicht eine Stunde vor dem Abflug am Flughafen sein. Später dann ist er am gleichen Tag mittags mit einem Flugzeug geflogen. Er hat die 3000 - dreitausend - Euro und die Flashcard gebracht. (...) Außerdem geben wir die Codierungs-Flashkarte nicht während unserer Hin- und Rückreise, sondern einen oder einige Tage vorher dem F diesseits der Grenze und schicken ihn. Es gibt da einen Ort, an dem jeder rübergeht, der ist geeignet zum Rüberbringen einer Flashkarte... Auf die Sicherheitsregeln ist zu achten, schreibe ich oft in den Dateien und frage (auch) danach. (...)" Hierzu passt ein - ebenfalls mit dem Datum "15.6.2003" versehener - Bericht (Datei ID-Nr. 762 524) in dem unter anderem Folgendes mitgeteilt wird: "1- Als der Bügler auf dem Weg ins Land war, hat der von ihm bestiegene Zug Verspätung. Aus diesem Grund hat er es nicht geschafft, 1 Stunde vor der Abflugzeit am Flughafen zu sein. Er fliegt später am gleichen Tag mit dem Mittagsflug. Er hat 3000-dreitausend eu und die Flashkarte mitgenommen. (...)"

In verschiedenen TextDokumente n werden grenzüberschreitende Transporte von Waffen und Sprengstoffen, die für die Türkei bestimmt sind, thematisiert. Neben Deutschland sind danach auch die Niederlande und Griechenland sowie Österreich Ausgangspunkte für derartige Kurierfahrten. Die Beladung der Transportfahrzeuge erfolgt teilweise bereits zu Beginn der Kurierfahrt. So heißt es in einem Bericht Ys (Deckname: H) vom 15. März 2003 (Datei ID-Nr. 764 275) hierzu:

"(...) 1. Ö... macht sich Dienstag auf den Weg. Es gab Probleme mit dem Auto. Man musste einige Teile tauschen und (es dann) durch die Kontrolle bringen. Das haben wir machen lassen. Morgen werden wir die Materialien verstauen. (...) Am Donnerstag wird er die Materialien selbst aus unserem Versteck herausholen, sie in eine Tasche tun und für den Genossen, der dann kommt, zur Übergabe bereit halten. (...)"

Am 21. Juli 2003 berichtet G zunächst ausführlich über Durchsuchungen in Köln (Datei-ID-Nr. 752 425), schließlich unter Nr. 27 über einen Kurier, der "eine 14’er" mitnehmen könne (wie bereits ausgeführt handelt es sich um eine Codebezeichnung für ein Magazin):

"Auf der Seite dort bei Servet und den anderen wird Ende dieses Monats oder Anfang des nächsten Monats eine Person ins Land in Urlaub fahren.

Er hat gesagt, er könne eine 14’er mitnehmen. Ich habe B A gefragt, wer diese Person ist und habe nach der Referenz und der Anschrift gefragt, wo sie abgeben wird. Wird es möglich sein, innerhalb dieser Zeit der Person, die fahren wird, zukommen zu lassen?"

In einer Mitteilung an die Führung vom 25. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 752 925) teilt G - neben der Weiterleitung von Berichten über Durchsuchungen im Gebiet Mitte - unter 4. eine Antwort des M.A. auf ihre Anfrage mit ("Ich hatte B A gefragt, wer der Mann sei, den S für den Transport des Radios gefunden habe."):

"Die Person die S für den Transport des Radios gefunden hat, ist eine Beziehung aus dem Kreis junger Männer. Mit seiner Vermittlung wurde er gefunden. Dieser Vermittler wollte es so schicken, als schicke er es zu seinem Verwandten. Aber, die Person, die es verbringen sollte, ist derzeit arbeitslos und wollte nicht in Urlaub fahren. Wir haben gefragt, ob er fahren würde, wenn wir seine Kosten und sein Fahrgeld übernehmen. Er hat gesagt, das ginge in Ordnung... Der Mann war sowieso nicht in der Lage zu fahren. Es kann natürlich passieren, dass er in letzter Minute sagt, er werde nicht gehen. Aber der Vermittler hat gesagt, dass er gesprochen, und dass dieser akzeptiert habe, zu transportieren, und dass er zu seinen Verwandten schicken werde. Die Person, die es verbringen wird, ist nicht jemand von unseren direkten Beziehungen und nicht aus unserem Umfeld... Es handelt sich um jemanden aus dem Kreis junger Männer, der Beziehung zu uns hat, und den er uns vermittelt hat..."

Am 27. Juli 2003 antwortet G auf eine Notiz der Führung vom gleichen Tage (Datei ID-Nr. 753 445); unter Ziff. 9 teilt sie Folgendes mit:

"Bezüglich des Punktes, der mit dem Satz beginnt: Gibt es womöglich ein Missverständnis bezüglich des Radioproblems des Servet;

- ich hatte dem B A es so erzählt, ob wir einen Wagen voll oder mit den sich dorthin Begebenden zumindest eins / eine schicken können, ob wir - falls erforderlich - dies machen lassen können, ohne dass verstanden wird, dass es mit uns zu tun hat. Die haben von ein paar Leuten erzählt. Das waren Personen, die nicht wissen sollten / würden, dass dies mit einer politischen Absicht gemacht würde. Ich hatte es so gesagt, wie Sie / Ihr es erzählt habt, aber er hatte in der letzten Datei / Akte geschrieben, dass es auf diese Art und Weise sein kann. Wenn ich ihn sehe, frage ich erneut."

In anderen Fällen werden Zuladungen bei den Transporten, die von einem westeuropäischen Land ausgehen, erst an Stützpunkten der DHKP-C in ost- bzw. südosteuropäischen Ländern vorgenommen. Diese Vorgehensweise wird neben der - noch darzustellenden - Abwicklung eines Waffentransports im September 2002 - auch durch die in den Dateien ID-Nr. 752 003, 752 456, 752 870, 753 214, 753 338, 753 357, 753 606, 754 041, 754 870, 755 330 und 761 832 enthaltenen Berichte belegt, in denen über eine Fahrt einer als neuer Bräutigam / Schwiegersohn benannten Person informiert wird, bei der im August / September 2003 unter anderem dreizehneinhalb Kilogramm Dynamitstaub und zwei Kilogramm Dynamit-Gel, versteckt in einem Pkw Golf 3, in die Türkei transportiert wurden. Aus den Berichten geht hervor, dass der - namentlich als S A bezeichnete - neue Bräutigam mit einem präparierten Fahrzeug von den Niederlanden aus zunächst nach Griechenland fuhr, wo die - in "Nylontüten, Aluminiumfolie und Karbonpapier" verpackten - Sprengstoffe (Seifen) für den Weitertransport aufgenommen wurden. Weiter belegen die bezeichneten Schriftstücke, dass parallel zu dieser Fahrt ein weiterer Transport durch einen als Basketballspieler umschriebenen Kurier in die Wege geleitet wurde.

Die Befassung der Rückfront und dort agierender Funktionäre mit dem Transport von Schusswaffen in die Türkei ergibt sich auch aus Berichten, in denen G Lebensläufe und Einschätzungen von / über zwei Personen übermittelt, die "... das Radio ins Land bringen ..." (Datei ID-Nr. 753 360) bzw. "... ins Land ein Radio mitnehmen ...." (Datei ID-Nr. 754 561) werden (können). In einer Nachricht vom 07. März 2003 (Datei ID-Nr. 751 622) wird ein Transport von Sprengstoff (Seife) beschrieben, der in etwa 8 bis 10 präparierten und gekennzeichneten Telefaxgeräten versteckt in die Türkei verbracht und "... in Istanbul an einen Mann, der C genannt wird ..." übergeben werden soll.

Auch in Berichten der Europaverantwortlichen vom 02. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 360) und 11. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 754 561) werden Transporte von (Faustfeuer-) Waffen (Radios) in die Türkei (ins Land) und damit zusammenhängende Kuriertätigkeiten angesprochen. In ihrer Mitteilung vom 02. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 360) übermittelt G einen Lebenslauf von Ö A, der "...Person, die das Radio ins Land bringen wird..." an die Führung. Beigefügt ist eine zugehörige Bewertung, in welcher die in Rede stehende Person (A) unter anderem wie folgt eingeschätzt wird:

"(...) Wir kennen Freund Ör seit 1997. (...) Er ist ein Freund, dem wir vertrauen. Als Gebiet bürgen wir für ihn. Er wird diese Aufgabe gebührend durchführen. (...) Er wird ein Auto voll fahren. Er wird für uns fahren. (...)"

In einer weiteren Mitteilung Gs vom 19. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 755 605) wird ein möglicher Transport von (bis zu) zwei (Faustfeuer-) Waffen (zwei Radios) durch einen mit der Tarnbezeichnung Telefonist benannten Kurier thematisiert, der zwar kein Auto habe, aber "fahren" würde, wenn "wir ein Auto voll geben".

Aus den in den Niederlanden sichergestellten Dokumente n geht ferner hervor, dass auch die regions- und gebietsverantwortlichen Führungsfunktionäre der Rückfront in die Organisation der Kurierfahrten zum Transport von Waffen, Sprengstoff und anderem Material eingebunden sind. Die entsprechenden Kader werden - wie sich etwa aus den Dateien ID-Nr. 752 127 und 752 331 ergibt - von der Europaführung beauftragt, Personen zu finden, die als Kuriere geeignet und bereit sind, entsprechende Transporte durchzuführen. Am 02. August 2003 berichtet der Hollandverantwortliche Y ("H") unter anderem, dass er einen Lkw-Fahrer gefunden habe, der gegen Bezahlung Transporte durchführen könne. Die betreffende Person sei daran interessiert, mit illegalen Geschäften Geld zu verdienen (Datei ID-Nr. 753 338). Wörtlich schreibt er sodann:

"(...) Er hat gesagt, dass es keine Kontrolle bei der Einreise ins Land gibt, sondern lediglich bei der Ausreise. Daher könne er es ohne weiteres transportieren. Er hat gesagt, er möchte es sich bis morgen überlegen. Morgen werde ich zu ihm gehen, und erneut mit ihm sprechen. (...)"

Demzufolge wurden im Jahre 2003 mehrere potenziellen Kurierfahrer für den Transport von Waffen, Computern bzw. elektronischen Datenträgern und anderen - nicht näher bekannten - Gegenständen benannt.

Bei den von der Organisation an der Rückfront in (West-) Europa rekrutierten Kurierfahrern handelt es sich oftmals um aus dem Sympathisantenumfeld der DHKP-C stammende Anhänger, die keine polizeibekannten Verbindungen zur Organisation aufweisen. Häufig werden, wie der Bericht der Europaführung vom 26. April 2003 (Datei ID-Nr. 752 127) belegt, Landsleute angesprochen, die ihm Rahmen eines Heimaturlaubes in der Türkei Gegenstände dorthin mitnehmen. In einem Bericht vom 27. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 750 331) wird hierzu Folgendes mitgeteilt:

"Von der Person, die wir in die Heimat zum Urlaub schicken wollten, wurden vergangenes Jahr beim durchgeführten Camp in Stuttgart die Personalien festgestellt. (...)"

Im dem Bericht des Hollandverantwortlichen (Tarnbezeichnung: H) vom 02. März 2003 (Datei ID-Nr. 750 819) äußert sich dieser wie folgt:

"Es gibt einen Kurier, der nach Griechenland gehen kann. Sein Name lautet...D. Er ist ein bisschen ein Schwätzer, aber eine vertrauenswürdige Person. Die Materialien hatten wir zuletzt in sein Haus gelegt. Ich hatte eigentlich an die Radios gedacht; er hatte eigentlich vor, nächste Woche ins Land zu gehen. Ich wollte vorschlagen, dass wir ihn in einem Auto schicken könnten, in dem wir einen Minibus oder ein Radio in einer angemessenen Weise verstecken können. Er selbst hatte auch zugestimmt. Steht der Tag fest, an dem er nach Griechenland gehen soll? Denn er geht zur Eheschließung ins Land. Er sagte, dass er in einer Woche, 10 Tagen gehen würde."

Am 26. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 751 225) teilt G unter anderem mit, dass der für Westfalen verantwortliche Kader ("E") mit jemandem gesprochen habe, der, "... wie der "Pizzabäcker, ins Land in Urlaub nur für uns fahren wird. ...". Bei der mit dem Codewort Pizzabäcker umschriebenen Person handelt es - wie noch zu zeigen ist - um den an einem Waffentransport der Organisation in die Türkei als Kurier beteiligten H H. Über weitere Sondierungsgespräche heißt es sodann wie folgt:

"(...) Es gab noch eine weitere Person, mit der E gesprochen hat. Er ist ein Anhänger von uns und kommt aus Trabzon und beschäftigt sich mit Bauarbeiten. Er hat eine Firma. Diese Personen haben diese Arbeit für sich selbst erledigt. Er habe gesagt, dass sie unbemerkt ein paar Mal weggebracht hätten. Er könne einen Mitarbeiter in seiner Firma mit dem Auto schicken. Es werde keine Probleme geben. Dieser könne in Istanbul, wo auch immer, hinterlegen. Dieser Anhänger wird allerdings diese Sache nicht im Namen der Organisation durchführen lassen, sondern so, als würden sie das selbst machen. (...) Das heißt, wir können ein Auto schicken, in der Menge, die wir wollen, ohne dass das als Organisationssache erledigt wird. Derjenige, der fahren wird, wird weder wissen, was er transportiert, noch für wen er das macht. (...) Der Anhänger, mit dem wir gesprochen haben, hat für die Person, die diese Arbeit erledigen wird, garantiert. Er bürgt für ihn. Die Person, die diese Arbeit erledigen wird, ist jemand, der bei ihrer Baufirma arbeitet. (...)"

Abschließend will die Europaverantwortliche wissen, ob die Organisationsführung mit dieser Vorgehensweise einverstanden sei. In diesem Fall werde E mitgeteilt, dass die Anschrift und die Telefonnummer des Firmeninhabers beschafft werden soll.

c. Propaganda und Publikationen

Dass auch Propaganda- und Publikationsaktivitäten an der Rückfront entfaltet werden, ergibt sich aus "Beschluss: 8" des Parteigründungskongresses. Dort ist hierzu Folgendes festgelegt:

"(...) Die Möglichkeiten, die die bürgerlichen Demokratien bieten, werden auf die bestmögliche Weise genutzt werden, die Anprangerung und die Isolation des faschistischen Regimes in der Heimat, die wirkungsvollste Propaganda für unseren Kampf werden unter einem zeitgemäßen Blickwinkel betrieben werden, und neben Publikations-Aktivitäten, die dafür geeignet sind, werden sämtliche Kommunikationsmittel wie Rundfunk, Fernsehen, Video usw. in einer Weise genutzt werden, die diesem Zweck entsprechen. (...) An unsere Publikations-Aktivität und an den ideologischen Kampf wird mit der Perspektive herangegangen werden, langfristig eine internationalistische ideologische Plattform zu errichten, die gemäß unserer M/L-Linie geformt wird. In diesem Rahmen muss auch unser Publikations-Organ, das in englischer Sprache erscheint, diese historische und ideologische Mission erfüllen. Auf dem Gebiet der Propaganda wird man sich von klassischen Ausdrucksweisen und Blickwinkeln befreien, und es werden spezialisierte und professionelle Organe geschaffen werden. Es ist Aufgabe dieser Propaganda-Organe und -Zentren, unseren Kampf in aller Ausführlichkeit der gesamten Welt bekannt zu machen, und die Aktivität, eine wirksame Unterstützung der Massen zu erreichen, zu lenken. (...)"

Hinsichtlich der geforderten Publikations-Aktivitäten werden diese Vorgaben durch "Beschluss: 9" des Parteigründungskongresses weiter präzisiert. Darin wird festgelegt, dass die "... ZEITSCHRIFT DEVRIMCI SOL ..." zukünftig das Zentrale Publikationsorgan der DHKP darstellt, periodisch erscheinen und "... die ideologische Führung für unsere sämtlichen anderen legalen und illegalen Veröffentlichungen ..." übernehmen werde. Darüber hinaus wird die Notwendigkeit einer Um- bzw. Neustrukturierung "... bei dem Wöchentlichen Publikationsorgan ..." festgestellt und angeordnet, dass "... sich die wöchentlichen erscheinende Zeitung vor allem auf Nachrichten, Propaganda, Agitationen, Kommentare und Anprangerungs-Aktivitäten konzentrieren ..." muss.

Dass die DHKP die Zeitschrift Devirimci Sol, im internen Sprachgebrauch häufig mit der Kurzbezeichnung "DS" oder "Ds" umschrieben, als offizielles Parteiorgan herausgegeben hat, wurde von dem früheren Deutschland- und Europaverantwortlichen der Organisation, dem Zeugen E, bestätigt. Auch der Zeuge D hat in der Hauptverhandlung angegeben, dass es sich bei dieser Publikation um das offizielle Parteiorgan handelt.

Diese Aussagen stehen im Einklang mit Darlegungen in einem Bericht der Europaführung vom 11. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 067). In einem dort enthaltenen Entwurf eines Schreibens an "den deutschen Verfassungsschutz" heißt es hierzu unter anderem: "(...) Publikationen, die die DHKP-C binden, sind die Zeitschrift Devrimci Sol und Bulletins und Veröffentlichungen, die die Unterschrift der DHKC und DHKP tragen. (...)" Ausweislich eines Berichts der Europaführung (Datei ID-Nr. 740 180) war für dieses (Partei-) Blatt zeitweise eine Druck-Auflage von 1500 Exemplaren vorgesehen. In einer anderen Mitteilung (Datei ID-Nr. 741 732) bestätigt A, dass die "Zeitschrift Devrimci Sol (...) heute in den Druck" kommt. Weiter heißt es in der Notiz:

"An die Stelle, wo das Impressum für Europa genannt ist, haben wir die Adresse, Telefonnummer und Faxnummer des Belgischen Frontbüros geschrieben. Wir werden 2000 (zweitausend) große und 1000 (tausend) kleine drucken lassen. (...)"

aa. Wochenzeitung

Dass die DHKP-C eine regelmäßig erscheinende, anfänglich als Mücadele (Kampf) bezeichnete und in der Folge Kurtulus (Befreiung), Vatan (Heimat), Ekmek ve Adalet (Brot und Gerechtigkeit) sowie zuletzt Yürüyüs (Marsch) benannte Wochenzeitung publiziert, ergibt sich aus Folgendem:

Mücadele

Wie sich aus der Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern vom 06. August 1998 ergibt, wurde bereits von der Dev Sol - Publikation Devrimci Sol Nr. 2, Ausgabe Januar 1994 die Zeitung Mücadele in einer Liste der Veröffentlichungen der Vereinigung aufgeführt, die auch nach Gründung der DHKP-C bis Oktober 1994 weiter erschien. In einem Lebenslauf des Ecevit S (Datei ID-735 355) berichtet dieser im Zusammenhang mit Schilderungen über die Realisierung seines Entschlusses, Revolutionär zu werden, unter anderem Folgendes:

"(...) Ich begann die Zeitschrift `Mücadele´ zu lesen. (...) Wegen der Ausdrucksweise, die mir vertraut war, später habe ich dann erfahren, dass sie von Devrimci Sol herausgegeben wurde. (...)"

Dass es sich bei der Zeitschrift Mücadele um eine Publikation der Organisation gehandelt hat, wurde überdies von dem Zeugen G, einem früheren Führungsfunktionär der Dev Sol, in der Hauptverhandlung bestätigt. Die Richtigkeit dieser Aussage belegt ein organisationsinterner Bericht (Datei ID-Nr. 752 926), in welchem im Zusammenhang mit der Ausspähung eines möglichen Anschlagsorts folgende Formulierung enthalten ist:

"(...) - Es wurde gesagt, dieser Mann sei der ehemalige Polizeipräsident von Antep. Mein Vermieter sagt, das steht fest. Aber wir versuchen, es zu verifizieren. Wir haben vor, es in den Zeitungsarchiven im Internet, im Lokalzeitungsarchiv, im Archiv unserer Zeitschrift Mücadele und im Archiv der Ö Gündem zu durchsuchen. (...)"

Kurtulus / Vatan

Abgelöst wurde die Mücadele von der ebenfalls wöchentlichen herausgegebenen Zeitschrift Kurtulus, die - wie aus der genannten Verbotsverfügung ersichtlich - in ihrer Erstausgabe vom 28. Januar 1995 auf die Vorgängerpublikation ausdrücklich Bezug nimmt. Hierzu passen Angaben im Lebenslauf der Selbstmordattentäterin Sengül Akkurt (Datei ID-Nr. 755 651), die bei der Schilderung ihres beruflichen Werdegangs unter anderem Folgendes berichtet hat:

"(...) Ich habe dann das Gymnasium nach meiner Entlassung abgeschlossen und habe dann als Vertreterin des Büros der Zeitschrift Mücadele in Malatya angefangen zu arbeiten. Als nach Verkündung der Partei die Zeitschrift als Kurtulus erschienen ist, wurde es dieses Mal in Kurtulus-Vertretung umgewandelt. Bis Ende 1995 war ich als Vertreterin von Kurtulus aktiv, bis die Fahndung gegen mich begonnen hat. (...)"

Nach den Darlegungen des Zeugen KHK O, BKA, stellte die Kurtulus ihr Erscheinen im September 1999 ein und wurde durch die seit August 1999 herausgegebenen Wochenzeitung Vatan ersetzt. Dass sowohl die Kurtulus wie die Vatan Parteizeitungen der DHKP-C waren, zeigt überdies ein Tätigkeitsbericht der Europaverantwortlichen (A) in der Datei ID-Nr. 740 214, in dem Folgendes dargelegt wird:

"(...) Das Kümmern von Z um die Hungerstreiks bezog sich auf die technischen Arbeiten. Sie hat geschaut, was gemeinhin in Westfalen bei den Hungerstreiks gemacht wird. Sie hat das, was ich über die Plakate und die Druckerei gesagt und gewünscht habe, gemacht. Sie hat mit denen bei der Vatan gesprochen und hat auch einmal mit A in der Druckerei gearbeitet. ... 6- Wir haben mit den Gebieten darüber gesprochen, die Auflagen der VATAN herunter zu setzen, die haben angerufen, sowohl ich, als auch die Vatancilar haben angerufen, im Ergebnis haben alle die Zahlen zu sehr herabgesetzt. (...)"

Im Anschluss daran folgt nach dem Hinweis: "Die Gebiete: die vorher abgenommene Auflage, die gewünschte Auflage, die Auflage die man bezahlen will." eine Aufzählung verschiedener Städte im Bundesgebiet sowie westeuropäischer Länder (Österreich, Belgien, Frankreich, Holland, England, Schweiz) denen jeweils bis zu drei Zahlen zugeordnet sind. Unter Ziffer 9 der Mitteilung wird sodann darüber berichtet, welche Themen "... über die Arbeiten im Gebiet besprochen..." worden sind. Darin heißt es unter anderem:

"(...) Danach habe ich mit U besprochen, dass die Auflage der Vatan herabgesetzt werden wird, dass er das mit den Personen, die aus den anderen Gebieten kommen, bespricht und Zahlen erhält. (...)"

Unter der Überschrift "24. August, Hallo (A)" wird in der Datei ID-Nr. 734 494 unter Ziffer 5 des Berichts Folgendes bestätigt:

"Diese Woche haben wir 2500 - zweitausendfünfhundert - Mark an Vatan-Geldern überwiesen. Wir werden versuchen die Summe noch zu komplettieren. Für Kurtulus haben wir 7000 - siebentausend - Mark an Zeitschriftengeldern eingesammelt. Wir werden unsere Schulden in der von ihnen / euch vorgegebenen Zeit bezahlen."

In einem weiteren Bericht der Europaverantwortlichen A (Datei ID-Nr. 735 693) informiert diese über eine organisationsinterne Diskussion betreffend die Vatan und bestätigt deren Funktion als Propagandainstrument der DHKP-C wie folgt: "(...) Ich habe im Bezug auf die Vatan gesagt, sie hat eine Sprache, die jeder versteht, sie spricht jeden an. Die Vatan ist nicht alles, aber ein Propagandamittel. (...)"

Unter der Überschrift "23. Februar Guten Tag, (A)" berichtet die Europaverantwortliche unter Punkt 4 einer Mitteilung (Datei ID-Nr. 737 832) über die "Abrechnung für Vatan". Die gedruckte Anzahl der Zeitschrift wird hierbei mit 4500 angegeben. Die Zahl der Zeitschriften, die "... in den Gebieten verteilt werden und bezahlt werden müssen ..." wird mit 3705, das "... Geld, das insgesamt von den verkauften Zeitschriften kommen muss ..." mit 18.525 benannt. Anschließend folgt eine Aufschlüsselung weiterer Rechnungsposten betreffend das (Zeitschriften-) Büro, die Druckereien in Deutschland und in der Türkei (Heimat) sowie die Bezifferung der dorthin bzw. an "Makas" - zu diesem Begriff später mehr - zu schickenden Geldbeträge aus dem Zeitschriftenverkauf.

Dass es sich bei der Kurtulus und deren Nachfolgepublikation Vatan um (Wochen-) Zeitungen der DHKP-C gehandelt hat, hat schließlich der ehemalige Deutschland- und Europaverantwortliche der Organisation, der Zeuge E, bestätigt. Dazu passen auch die Feststellungen im (rechtskräftigen) Urteil des Landgerichts Bamberg vom 11. Januar 2005 betreffend das DHKP-C-Mitglied H D (2 KLs 108 Js 1808/2004) - hierzu später mehr -, in welchem unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landgerichts Dortmund vom 11. Januar 2001 (KLs 71 Js 31/00) unter anderem Folgendes ausgeführt wird: "(...) Bei der Zeitschrift `Vatan´ handelt es sich um die Nachfolge-Publikation der Zeitschrift `Kurtulus´. Sie ist das aktuelle Publikationsorgan der DHKP-C (...)"

Ekmek ve Adalet

Dass es sich bei der Zeitschrift Ekmek ve Adalet um eine Parteizeitung der DHKP-C handelte, ergibt sich daraus, dass - wie die Zeugen KHK O und KHK M übereinstimmend bekundeten - auf der Internetseite www.vatan-online.com für die letzte Ausgabe der Vatan das zukünftige Erscheinen der Ekmek ve Adalet angekündigt wurde. Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen konnte nach den Angaben des Zeugen KHK O überdies festgestellt werden, dass die Redaktionsarbeiten für die Ekmek ve Adalet offensichtlich von denselben Personen vorgenommen wurden, die auch für die Vatan verantwortlich waren. Im bezeichneten Urteil des Landgerichts Bamberg kommt die Staatschutzkammer unter anderem zu folgender Feststellung:

"(...) Publikationsorgan der DHKP-C ist die nach wie vor wöchentlichen erscheinende Zeitschrift `Ekmek ve Adalet´ (Brot und Gerechtigkeit). Dabei handelt es sich um die Nachfolgepublikation des früheren Publikationsorganes der DHKP-C `Vatan´, deren Veröffentlichung im März 2002 zeitgleich mit dem Erscheinen der Nachfolgepublikation `Ekmek ve Adalet´ eingestellt wurde. (...)"

Für die Richtigkeit dieser Zuordnung sprechen auch die Ausführungen in einer organisationsinternen Mitteilung vom 08. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 754 716), in der im Zusammenhang mit Erläuterungen zur Internetpräsenz der Organisation auch die Webseite www.ekmekveadalet.com aufgelistet wird. Ergänzend heißt es hierzu unter Punkt 2. der Notiz wie folgt:

"Wegen Ekmek ve Adalet Wir werden den DOMAIN-Namen www.ekmekveadalet.net kaufen und ihn auf einen ganz anderen Server setzen und werden die Seite so einrichten, dass sie für die Heimat sichtbar wird."

Yürüyüs

Nach den übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen KHK M und KHKin S wurde in der Ausgabe 158 der Ekmek ve Adalet vom 15. Mai 2005 angekündigt, dass die Zeitschrift ihr Erscheinen einstellen werde. Im Zuge dessen sei auf der Internetseite www.ekmekveadalet.com auf die neue wöchentliche Zeitschrift Yürüyüs hingewiesen und deren erstmaliger Erscheinungstermin mit dem Datum 22. Mai 2005 angegeben worden. Entsprechend dieser Ankündigung sei die Erstausgabe der Yürüyüs sodann am genannten Tag tatsächlich auch herausgegeben worden.

Der Senat ist vor diesem Hintergrund überzeugt, dass es sich bei der Yürüyüs um die Nachfolgepublikation der Ekmek ve Adalet und somit um die Parteizeitung der DHKP-C handelt. Für diese Zuordnung sprechen auch die Inhalte der in der Yürüyüs enthaltenen Veröffentlichungen und Stellungnahmen, die - wie der Zeuge KHK M glaubhaft bekundet hat - mit der Programmatik der DHKP-C und deren ideologischer Zielrichtung weitestgehend deckungsgleich sind. Nach den Bekundungen des Zeugen RD V gehören hierzu neben Veröffentlichungen zu DHKP-C-Mitgliedern bzw. sogenannten Märtyrern und Tatbekennungen zu Anschlägen dieser Organisation in der Türkei auch Berichte zu sonstigen Aktivitäten dieser Organisation wie etwa dem Kampf der "politischen" Gefangenen gegen F-Typ-Gefängnisse in der Türkei und damit im Zusammenhang stehende Hungerstreikaktionen (Todesfasten), Agitationen gegen den "US-Imperialismus" oder Reportagen über Gerichtsverfahren gegen DHKP-C-Mitglieder. Dass es sich bei der Yürüyüs um das aktuelle, wöchentlichen erscheinende Publikationsorgan der DHKP-C handelt, belegt schließlich der Umstand, dass der regelmäßige Vertrieb dieses Druckwerks und dessen flächendeckende Verbreitung - wie z. B. die festgestellten Aktivitäten der Angeklagten G. und Y. belegen - von Funktionären der Rückfront organisiert, überwacht oder eigenhändig durchgeführt wird.

Sonstiges

Dass die Organisation - im Nachtatzeitraum - neben der Wochenzeitschrift Yürüyüs in unregelmäßigen Abständen seit April 2008 weitere Zeitschriften publiziert, ergibt sich aus einem Vermerk des BKA vom 31. März 2009. Demnach erschien z. B. die Zeitschrift Halk Gercegi (Volksrealität) in der Zeit vom 06. April 2008 bis 22. März 2009 mit insgesamt 10 Ausgaben. Die Publikation Yeni Kurtulus (Neue Befreiung), welche auch in einem Bericht der Europaführung (Datei ID-Nr. 740 180) Erwähnung findet, und das Journal Yürüyüs EmperyAzme ve Oligarsiye Karsi (Der Marsch gegen Imperialismus und Oligarchie) wurden demzufolge innerhalb des Zeitraums vom 24. August 2008 bis 08. März 2009 ebenfalls mit jeweils mehreren Ausgaben verbreitet. Parallel dazu erschien dazwischen die Zeitschrift Yürüyüs mit fortlaufender Nummerierung der Ausgaben wie gewohnt. Ausweislich der glaubhaften Bekundungen des Zeugen KHK M wurde im Rahmen der durchgeführten Ermittlungen ferner festgestellt, dass die in den einzelnen Ausgaben der Zeitschriften HA Gercegi, Yeni Kurtulus und Yürüyüs Emperyalizme ve Oligarsiye Karsi, die gleichen Themenbereiche abgehandelt werden, wie in der Yürüyüs. Die Internetseite der Yürüyüs ist demzufolge außerdem mit der Website der Zeitschrift Yürüyüs Emperyalizme ve Oligarsiye Karsi verlinkt. Ebenso wie die Yürüyüs wird in der Yürüyüs Emperyalizme ve Oligarsiye Karsi als Auslandsbüro Vakif EFSANE im niederländischen Rotterdam benannt. Die für den Druck und Vertrieb der Publikationen verantwortlichen Unternehmen seien identisch.

Allem nach hat der Senat keine Zweifel, dass es sich auch bei den Zeitschriften HA Gercegi, Yeni Kurtulus und Yürüyüs Emperyalizme ve Oligarsiye Karsi um Publikationsorgane der DHKP-C handelt.

Druck, Vertrieb und redaktionelle Arbeiten

Wie von der Zeugin KHKin S bekundet, belegen TextDokumente aus der niederländischen Rechtshilfe, dass für Tätigkeiten im Zusammenhang mit den wöchentlichen erscheinenden Publikationen der DHKP-C zeitweilig ein in Köln ansässiges Zeitschriftenbüro genutzt wurde. Hierzu passt eine Mitteilung der Europaverantwortlichen (Datei ID-Nr. 740 203), in welcher A unter anderem Folgendes erklärt:

"(...) Wir haben über den Widerstand von I, die Kampagne, Publikationen, Kontrolle und die täglichen Entwicklungen gesprochen. Der Widerstand von I wird in allen Gebieten positiv aufgenommen. Niemand weiß, dass I es von selbst eingestellt hat, in Köln haben einige Leute bei Vatan das Fax gelesen, darüber hinaus hatten wir es niemanden lesen lassen, aus diesem Grund wissen nur eine begrenzte Zahl von Menschen und niemand hat im Kopf einen anderen Gedanken. (...)"

Am 18. Juli 2003 übermittelt G unter Punkt 2 ihres Berichts (Datei ID-Nr. 752 378) eine von der Regionsführung Westfalen (E) erhaltene Notiz "bezüglich der Durchsuchungen in Köln". Die betreffenden Räumlichkeiten werden darin wie folgt benannt: "Zeitschriftenbüro, Verein Köln, Wohnung von K, Wohnung von R."

Dass der Zeitschriftenvertrieb der Rückfront bis mindestens 2003 zentral von Köln aus gesteuert wurde, belegt auch ein Bericht der Europaführung vom 03. März 2003 (Datei ID-Nr. 750 635). Als VertriebsZentrum und Abholstelle der Zeitschriften diente seinerzeit der in Köln ansässige A-Verlag. Hierzu später mehr.

Dass dieses Vertriebsmodell spätestens Mitte des Jahres 2006 durch ein dezentrales Verteilersystem modifiziert bzw. ersetzt wurde, ergibt sich aus Feststellungen im rechtskräftigen Urteil der Staatsschutzkammer des Landgerichts Stuttgart vom 04. Dezember 2009 im dortigen Verfahren gegen den DHKP-C-Aktivisten Asan T wegen Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot nach dem Vereinsgesetz (18 KLs 6 Js 39617/08). Demzufolge wurde in einem Druckereibetrieb in H bei Ludwigsburg im Zeitraum August 2006 bis Mitte März 2007 die Zeitschrift Yürüyüs (in der genannten Entscheidung teilweise versehentlich als "Yürürüs" bezeichnet) nach vorangegangener Kontaktierung und Auftragsvergabe durch den Angeklagten Y. und E G gedruckt und sodann zum Großteil direkt von der Druckerei überregional verschickt bzw. in geringerem Umfang jeweils von Aktivisten der DHKP-C abgeholt. Auf die weitergehenden Darlegungen zu dieser Vertriebsform und zur Vorgehensweise der genannten Personen bei der Beweiswürdigung zu den mitgliedschaftlichen Betätigungsakten des Angeklagten Y. wird verwiesen.

Dass (darüber hinaus) in einzelnen Gebieten (dezentrale) Vertriebsstellen, wie z. B. die Wohnung des Organisationsangehörigen A C in Darmstadt genutzt wurden, wird ebenfalls durch den - aus überwachten Telefonaten und Dokumente n der niederländischen Rechtshilfe ersichtlichen - organisationsinternen Nachrichtenaustausch belegt. Hierzu später mehr.

Auch die der DHKP-C zugehörenden Tarnvereine werden von Funktionären der Rückfront zur Verbreitung organisationseigener Publikationen genutzt, wie in einem Bericht der Europaverantwortlichen vom 24. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 754 559) bestätigt wird. Dort hält "G" unter anderem Folgendes fest: "(...) Die Zeitschriftenverteilung läuft von den Vereinen aus, (...)". Dies steht im Einklang mit den (rechtskräftigen) Feststellungen der Staatsschutzkammer des Landgerichts Stuttgart im genannten Urteil vom 10. Februar 2010 (18 KLs 6 Js 85064/07) gegen M B und C K wegen Verstoßes gegen ein vereinsrechtliches Vereinigungsverbot. Demzufolge wurde der überregionale, auch das benachbarte europäische Ausland betreffende, Vertrieb der Wochenzeitung Yürüyüs jedenfalls im Jahre 2006 vom Verein Anatolisches Kultur- und Kunsthaus e. V. in der Schlossstraße 80a in Stuttgart aus organisiert. Diese Feststellung wird gestützt durch die häufigen Aufenthalte des Angeklagten Y., des Leiters der Region Süd im fraglichen Zeitraum, in den dortigen Vereinsräumlichkeiten. Den DHKP-C-Bezug des Verurteilten M B belegt bereits das im Rahmen der Feststellungen zur Person geschilderte Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 19. Oktober 2006 (Az.: 18 KLs 5 Js 52787/05), das am gleichen Tag rechtskräftig wurde, wegen Zuwiderhandlung gegen ein Vereinigungsverbot; dem lag zugrunde, dass M B als Fahrer zusammen mit der Beifahrerin S K, seiner späteren Ehefrau, am 14. Oktober 2004 von Köln kommend in Fahrtrichtung Süden auf der A 67 im Bereich Pfungstadt (Südhessen) einer Polizeikontrolle unterzogen wurde, bei der im Fahrzeug neben einem "Flyer" der Anatolischen Föderation über 300 Exemplare der Publikation Ekmek ve Adalet (Ausgabe 127 vom 10. Oktober 2004), der damaligen Wochenzeitung der DHKP-C sichergestellt wurden. Dass sich M B für die DHKP-C betätigt hat, belegt auch ein organisationsinterner Bericht der Europaführung vom 08. November 2003 (Datei ID-Nr. 756 186). G informiert darin unter anderem über die "(...) aus Stuttgart überwiesenen Gefangenengelder" und teilt anschließend mit, dass die Überweisung durch M B am 30. Oktober 2003 über die Z B, Stuttgart vorgenommen worden ist. Der weitere Verurteilte, C K, floh - nach den zu seiner Person im bezeichneten Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10. Februar 2010 getroffenen Feststellungen - mit Hilfe von Schleppern nach Deutschland, nachdem er in der Türkei Ende 1997 wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen bewaffneten Vereinigung zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war; bei Asylantragstellung am 13. Februar 1998 bekannte er sich als Sympathisant der Dev Sol.

Aus verschiedenen Dokumente n geht hervor, dass die Europaführung in die redaktionellen Arbeiten für die (Wochen-) Zeitschriften der Organisation in der Türkei eng eingebunden wird. So fordert G in Mitteilungen vom 27. Januar 2003 (Datei ID-Nr. 750 520) und 05. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 752 124) dazu auf, Nachrichten und / oder Fotos von "Aktionen" sowie Gebietsberichte an die Zeitschrift zu schicken. In einem Bericht vom 31. März 2003 (Datei ID-Nr. 751 947) wird zu dieser Thematik unter anderem Folgendes ausgeführt:

"(...) Nachdem wir die Zeitschrift bekommen haben, sammeln wir die Notizen bezüglich der Fotos aus den Artikeln. Aus diesen sortieren wir die heraus, die wir finden können (allgemein stehen sie im Zusammenhang mit dem Archiv; außerdem sind es Personen aus der Welt und Fotos von Aktionen) und nennen diese denen in der Heimat, die sie selbst finden können. Wir beginnen dann unsere Arbeit. Diejenigen in der Heimat fangen im Schnitt nach drei bis vier Stunden damit an, uns das zu schicken, was sie selbst gefunden haben, nachdem wir ihnen die Liste gegeben haben. Aufgrund der Verbindung dauert es sehr lange, bis sie es geschickt und erhalten haben. Im Anschluss sammeln wir das, was aus der Heimat gekommen ist, und das was wir selbst gemacht haben. Wir überarbeiten das und schicken ihnen dann die Endfassung. Nachdem wir es geschickt haben, dauert es fast zwei Stunden, bis sie die Fotos erhalten haben. (...)"

Weitere Berichte der Europaführung (A) - Dateien ID-Nr. 740 139, 736 255 und 732 920 - zeigen, dass der Zeitschriftendruck sowohl in der Türkei ("Heimatdruckerei"), wie auch in der Rückfront ("hiesige Druckerei") erfolgt. Die Datei ID-Nr. 740 180 enthält eine Notiz von A in dem diese unter Punkt 17 Folgendes erklärt: "Wir werden den Unterschied bezüglich des Drucks von Vatan in Europa und im Land verbessern."

Die Einbindung von Funktionären der Rückfront in die Herstellung organisationsinterner Publikationen und Wochenzeitschriften belegen ferner Berichte der Europaführung, in denen A unter anderem Zahlungsverpflichtungen "an die Druckerei" thematisiert oder sich mit der Frage, ob der Druck der Zeitschrift veranlasst werden soll, beschäftigt (Dateien ID-Nr. 734 498 und 732 920). In dem bereits bezeichneten Bericht der Europaverantwortlichen (Datei ID-Nr. 741 732) informiert A neben den schon dargelegten Mitteilungen unter den Punkten 11 und 16 ihrer Nachricht über Folgendes:

"Die Zeitschrift Devrimci Sol kommt heute in den Druck. Wir schicken Zeitschriften in der von euch / ihnen gewünschten Menge. (...) Ich werde Druck machen, dass sie die Englische Devrimci Sol Zeitschrift in dieser Woche drucken sollen."

Aus zahlreichen TextDokumente n der niederländischen Rechtshilfe geht ferner hervor, dass es beim Verkauf der Zeitschriften immer wieder zu finanziellen Engpässen und Schwierigkeiten bei Bezahlung der Druckkosten kommt. In verschiedenen Berichten (Datei ID-Nr. 763 419, 740 139, 734 619, 738 734, 732 920, 740 360 und 763 551) werden in diesem Zusammenhang Zeitschriftenschulden bzw. Druckereischulden vermerkt und als Bestandteil intensiver organisationsinterner Debatten problematisiert.

Die Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe belegen außerdem, dass immer wieder Anstrengungen unternommen werden, die finanziellen Probleme, die sich im Zusammenhang mit dem Zeitschriftenvertrieb ergeben, zu lösen. Neben der Durchführung spezieller Schulungsveranstaltungen bzw. Versammlungen zum Thema Zeitschriften (Datei ID-Nr. 734 622 und 763 419) gehören hierzu gezielte Anweisungen der Europaführung zur Abwicklung bzw. Überwachung des Zeitschriftenvertriebs und der zugehörigen Abrechnungsvorgänge (Datei ID-Nr. 740 180, 740 203 und 734 622). In einem "Bericht über die Komiteeversammlung" vom 13. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 756 150) schreibt G unter Punkt 1 Folgendes:

"(...) j- Wir haben ziemlich über das Zeitschriftenproblem diskutiert. Die Gebiete mit den meisten Schulden sind Westfalen, Holland-Belgien, Berlin, Hamburg und England. Wir haben 10 Tausend Euro für die Zeitschriftenschulden der Gebiete gezahlt. Jedoch hat dies auch keine Wirkung gehabt. ... Wenn alle Gebiete ihre erhaltenen Zeitschriften verkaufen und die Zeitschrift und alle Gebietsverantwortlichen die Zeitschriftenarbeit an jedem Punkt kontrollieren, kann das Problem in einer bestimmten Zeit gelöst werden, denn es ist ein viel größeres Problem, sich ständig Geld zu leihen. Ich erzähle allen Gebieten, dass wenn bei ihnen Zeitschriften übrig bleiben und niemand diese verkaufen will, dann die Gebietsverantwortlichen diese verkaufen und das Geld bezahlen müssen. (...)"

Aus verschiedenen Berichten der niederländischen Rechtshilfe geht ferner hervor, dass die Zeitschrift im Abonnementvertrieb (Datei ID-Nr. 739 984 und 763 925) und Einzelverkauf an unterschiedliche Abnehmer wie z. B. Geschäftsleute bzw. Einzelhändler (Datei ID-Nr. 752 043 und 734 660), Gefangene (Datei ID-Nr. 739 984 und 734 642) und Familien (Datei ID-Nr. 734 641 und 734 660) abgesetzt wird. Neben Funktionären der Rückfront sind - wie z. B. ein Bericht As über "Beschlüsse der Ratsversammlung der Europaverantwortlichen" (Datei ID-Nr. 740 141) belegt - auch sogenannte Anhänger mit dem Verkauf der organisationseigenen Zeitschrift(en) beauftragt.

"Makas"

Aus Dokumente n der niederländischen Rechtshilfe ergeben sich auch die Zahlungsempfänger der durch den Zeitschriftenverkauf vereinnahmten Gelder. Neben Druckereibetrieben in Deutschland und der Türkei gehört hierzu auch die als Makas bezeichnete Einrichtung. So heißt es etwa in einem mit "23. Februar Guten Tag (A)" überschriebenen Bericht (Datei ID-Nr. 737 832) unter Punkt 4 der Mitteilung wie folgt:

"- Abrechnung für Vatan:

Zahlen für die Verteilung der Zeitschrift:

Gedruckte Zahl der Zeitschriften: 4500 (viertausendfünfhundert)(...)

Geld, das insgesamt von den verkauften Zeitschriften kommen muss: 18525 (achtzehntausendfünfundzwanzig).

Davon sind 1875 (eintausendachthundertfünfundsiebzig) DM Zeitschriftengeld für Holland. Dieses Geld wird direkt an Makas geschickt. (...)"

Dass es sich bei Makas (zu deutsch: Schere) wie von der Zeugin KHKin S bekundet um eine Art Schnittstelle, die - außerhalb Deutschlands gelegen - sowohl innerhalb der Europaorganisation wie auch zwischen der Rückfront und der Partei- / Organisationsführung als Bindeglied und Hinterlegungs- und Übergabeort dient, wird durch organisationsinterne Dokumente wie z. B. Datei ID-Nrn. 737 832, 763 830 bestätigt. Die Dateien belegen ferner, dass die entsprechende Einrichtung nicht nur für (zeitweilige) Einlagerungen bzw. Abholung und Weiterleitung von Gegenständen, sondern auch zur Abwicklung personeller Transfers genutzt wurde, belegt eine Mitteilung As (Datei ID-Nr. 738 465), in welcher unter anderem Folgendes erklärt wird: "(...) 6- Ich schicke eine Handkodierung für den Freund, den wir bei Makas abholen werden. (...)" Ausführliche Erörterungen zur Thematik "(...) des Abholens des Freundes bei Makas (...)" finden sich ferner in einem Bericht der Europaverantwortlichen in der Datei ID-Nr. 734 619. Darüber hinaus dient(e) Makas der Rückfront zur Durchführung von Treffen zwischen Organisationsangehörigen und damit einhergehender Besprechungen. So heißt es etwa in einem Schreiben As (Datei ID-Nr. 734 645) im Zusammenhang mit der geplanten Verbreitung von Erklärungen zu einer sogenannten Einzelhaftkampagne und damit verbundener Hungerstreiks im Internet auf der als "Unsere Internetadresse" bezeichneten (Web-) Seite www.noisolation.de hierzu wie folgt: "(...) Außerdem habe ich von Osman verlangt, dass er mit den Freunden bei Makas über die Verbindung mittels Internet reden soll. (...)"

Weitergehende Feststellungen zur genaueren Lokalisierung von Makas und / oder deren / dessen personeller Zusammensetzung konnten nicht getroffen werden.

bb. Bulletins, Internet, Rundfunk

Im "Beschluss: 9" des Parteigründungskongresses wird unter Punkt 4 die Umwandlung des Nachrichtenbulletins der Devrimci Sol in ein Bulletin der DHKP angeordnet, das "... Erklärungen der Partei beinhalten" werde. Darüber hinaus wird (unter Punkt 5.) das Erscheinen eines DHKC-Bulletins angekündigt, in dem "... sämtliche Erklärungen, Kriegsnachrichten, Richtigstellungen, Warnungen usw. ..." veröffentlicht werden sollen. Weiter wird festgelegt, dass beide Bulletins "unter der Kontrolle der Zentrale" herausgegeben bzw. erscheinen werden.

In dem - ebenfalls auf dem Parteigründungskongress verabschiedeten - "Beschluss: 13" ist ergänzend ausgeführt, dass bei der Propaganda "Wert auf die Nutzung der Kommunikationstechnologie gelegt" wird. Weiter wird angeordnet, dass "... legale und illegale, regionale und örtliche Rundfunksendungen angestrebt ..." und "... Methoden der Propaganda mit Tonband und Video ..." anzuwenden sind. Diesbezüglich sei eine "Vervollkommnung" zu erreichen. Die im "Beschluss: 9" bezeichneten Bulletins werden - wie der Zeuge EKHK H dargelegt hat - im Internet auf organisationseigenen Seiten der Öffentlichkeit in unterschiedlichen Sprachen zugänglich gemacht. Neben Bekennerschreiben zu den von der DHKP-C in der Türkei begangenen Anschlägen und sonstigen Erklärungen der DHKP bzw. DHKC finden sich darunter auch Stellungnahmen der Europaführung, der Tarnorganisation HÖC sowie anderer Vereinigungen. Die organisationsinternen Vorgaben zur Handhabung dieser InternetVeröffentlichungen ergeben sich aus einem Bericht der Europaführung vom 03. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 761 878). G schreibt bei Punkt 2 ihrer dortigen Mitteilungen unter anderem Folgendes: "(...) Ich habe erklärt, dass jeder Verantwortliche täglich ins Internet gehen und die Erklärungen ausdrucken muss und es sich zur Gewohnheit macht, diese zu verteilen. (...)"

Die Feststellung, dass die DHKP-C ihre Ideologie - entsprechend den Vorgaben im "Beschluss: 13" - auch über einen eigenen Rundfunksender (Halinsesi TV) verbreitet, beruht auf den Angaben des Zeugen RD V. Diese werden gestützt durch die Bekundungen des Zeugen ORR K (hierzu mehr im Rahmen der Beweiswürdigung zum Angeklagten Y.).

cc. Sonstige Maßnahmen

Dass die Organisation auch kommerzielle Veranstaltungen und andere Aktivitäten wie etwa die Durchführung von bzw. Teilnahme an Demonstrationen, Pressekonferenzen etc. zur propagandistischen Verbreitung ihrer Zielsetzungen nutzt, belegen ebenfalls zahlreiche, bereits angeführte Dokumente der niederländischen Rechtshilfe. Hierauf wird Bezug genommen. Teilweise werden - wie sich aus einem Schreiben As ergibt (Datei ID-Nr. 732 920) - außerdem Informationsstände auf öffentlichen Plätzen betrieben. Dort heißt es im Zusammenhang mit einem Bericht über die "Zellenkampagne in Frankreich" z. B. wie folgt:

"(...) c- Sie haben Standerlaubnis erhalten. Von Montag bis Samstag wird von 14-19 Uhr auf dem Platz der Republik in Paris eine Woche lang ein Stand eröffnet. Auf dem Stand wird es Fotos von U, B, Ü, Plakate, französische, türkische Mitteilungen geben. Es werden Unterschriften gesammelt. Für das Meeting am Samstag werden Handzettel verteilt. (..)"

Auch in einer anderen Mitteilung (Datei ID-Nr. 733 870) erklärt A unter Bezugnahme auf eine in Bielefeld geplante Demonstration, dass "ein Stand eröffnet" werde.

d. Schulungen

Dass Schulungsaktivitäten dem Aufgabenspektrum der Rückfront zuzurechnen sind, zeigt der auf dem Parteigründungskongress gefasste "Beschluss: 13". Hierbei wird zwischen Kaderschulung einerseits und der sogenannten Massenschulung andererseits sowie zwischen theoretischen und praktischen (Waffen-) Schulungen für militärische Einheiten und sonstigen Maßnahmen unterschieden.

Hinsichtlich der auf die Vermittlung bzw. Verdeutlichung der "Revolutionsstrategie", des Programms der Partei und deren Taktiken ausgerichteten Schulung von Kaderangehörigen wird gefordert, dass "(...) die revolutionäre Begeisterung, der Enthusiasmus, die Entschlossenheit, der Hass und die Wut, die man dem Feind gegenüber empfindet, und sogar die persönlichen Empfindungen, die die Kader dem Feind gegenüber haben, motiviert werden. (...)" Zur Schulung der Massen heißt es: "(...) Neben der Schulung der Kader müssen wir dazu in der Lage sein, in den Gebieten und Räumen, in denen die Bedingungen dafür geeignet sind, alle Teile des Volkes, von den Kindern bis hin zu den Alten, als Masse zu schulen. (...)" Zur (militärischen) Waffenschulung wird ausgeführt:

"(...) Wenn wir beispielsweise eine militärische Einheit aufbauen wollen, dann ist es nicht möglich, dadurch, dass man einen Verantwortlichen ernennt und zu ihm sagt `Geht hin und macht´, eine militärische Einheit aufzubauen. Dann gehört es zu den Themen der Schulung, dass darüber informiert wird, über welche Art von Waffen die Einheit verfügen wird, ob sie über Waffen verfügen wird, wie sie zusammenkommen wird, was für Aktionen sie durchführen wird, die Ziele der Aktion, die Planung einer Aktion, die psychologischen und moralischen Auswirkungen, die die Waffe auf uns selbst und auf den Feind hat, und alle anderen dieser Themen. (...)"

Der Stellenwert entsprechender Unterweisungen und damit zusammenhängender Arbeiten innerhalb der Organisation ergibt sich aus einem Bericht der Europaverantwortlichen vom 28. September 2003 (Datei ID-Nr. 754 604), in welchem G im Rahmen von Schilderungen zum Inhalt einer Unterweisung von Verantwortlichen der Rückfront unter anderem Folgendes vermerkt:

"(...) 9. Wir haben über Schulung gesprochen und darüber, wie wir wen schulen werden. Wenn sie nicht zuerst sich selbst schulen, nicht lesen und keine Schulungsarbeit machen würden, würde es keine Entwicklung geben. (...) Ich habe erklärt, dass (es) zur Zeit in Europa nicht zwischen grundlegender und sekundärer Arbeit unterschieden wird, dass die Arbeit in den Gebieten nicht den Bedürfnissen der Bewegung entspricht und nicht auf der Grundlage des Revolutionismus ist. (...) Kein Problem werde gelöst werden, wenn man als einzelne Person dastünde, keine Schulung, keine Massenarbeit, Organisierung vornehme, keine Bücher lese und den Bedürfnissen der Bewegung entsprechende Arbeiten organisiere. (...)"

Dass Schulungen durch Funktionäre der Rückfront tatsächlich in einheitlicher Form und zentral gesteuert auch durchgeführt werden, ergibt sich aus den Dateien der niederländischen Rechtshilfe, in denen - wie auch der Zeuge KHK T anschaulich und umfassend bekundet hat - derartige Aktivitäten permanent thematisiert werden. So heißt es etwa in dem Bericht der Europaführung in der Datei ID-Nr. 735 830 unter der Überschrift Programm unter anderem wie folgt:

(...) 3- Schulung: Die Schulungsgruppen sollen Unterschulungsgruppen bilden. In Dortmund, Köln, Frankfurt, Nürnberg, Ulm, Stuttgart, Berlin, Hamburg, Rotterdam, Bergen op Zoom und Belgien werden Schulungsgruppen gebildet. Wir haben darüber gesprochen, wie diese Schulung ablaufen soll. (...)"

Auch die Ernennung eines Beauftragten für Schulungsthemen belegt das Bestreben der DHKP-C zur Durchführung und Sicherstellung einheitlich strukturierter Unterweisungen. Hierzu heißt es etwa in einem organisationsinternen Bericht (Datei ID-Nr. 735 830) wie folgt: "(...) Schulungsthemen: (...) Yalcin A werden wir für die Schulungsthemen beauftragen. Wir denken darüber nach, dass er alle Gebiete bereist und Seminare gibt. (...)"

aa. Kaderschulung

Innerhalb der Kaderschulung wird - wie sich etwa aus organisationsinternen TextDokumente n in den Dateien ID-Nr. 731 363, 748 889, 750 818 und 753 201 ergibt - zwischen Schulungsmaßnahmen zur Gewinnung von Funktionären aus dem Kreis der Organisationsanhänger und deren Ausbildung einerseits und der Kaderbildung (Fort- / Weiterbildung von Funktionären der DHKP-C) andererseits differenziert.

Die Durchführung spezifischer, zentral gesteuerter (Kader-) Schulungen belegt auch ein organisationsinternes Dokument vom 08. März 2003 (Datei ID-Nr. 749 474). Dort heißt es bei Punkt 24. des Berichts unter anderem wie folgt:

"(...) B- Wir werden die Genossen, die wir zu Kadern machen wollen, einem besonderen Bildungsprogramm unterziehen. Ihr müsst mitteilen, wer diese Genossen sind, und welche Eigenschaften sie haben. Wir werden für diese Genossen, die eine derartige besondere Schulung erhalten sollen, das Schulungsprogramm zentral festlegen, und kein verantwortlicher Genosse darf nach seinem eigenen Kopf ein Bildungsprogramm durchführen. (...)"

Inhaltlich erstrecken sich entsprechende (Kader-) Schulungen - wie sich beispielsweise aus einem in der Datei ID-Nr. 735 292 enthaltenen Dokument ergibt -hauptsächlich auf politische Themen, die Ideologie der DHKP-C sowie organisatorische Fragestellungen zur praktischen Umsetzung der programmatischen Vorgaben.

In einer Mitteilung vom 22. März 2003 (Datei ID-Nr. 748 889) informiert G unter Punkt 11 (Bericht über die Fortbildung) folgendermaßen:

"(...) A- Der Bericht über die Fortbildungen in Köln: Wie haben die Fortbildungsarbeiten diese Woche fortgesetzt. Wir haben das Thema von letzter Woche `Der Weg der Revolution in der Türkei´ diese Woche fortgesetzt. (...) Nach diesen Themen haben wir aus der Zeitschrift von Seite 2 den Artikel `Mein unter Besatzung befindliches Volk´ und von Seite 3 den Artikel `Die Volksfront gegen den imperialistischen Faschismus´ gelesen. (...) C- Mein Fortbildungsprogramm das ich dem E für die leitenden Freunde vorgeschlagen habe: (...) - Fortbildungsprogramm könnten sein: Alltägliche Themen, die Organisation der Revolution und die Arbeit mit den Massen. (...) Es muss eine Fortbildung geben die sich mit der Persönlichkeit eines Leitenden / Anführenden befasst und mit der Persönlichkeit einer Person befasst, die die Revolution machen soll / wird. Daher müsst ihr die Persönlichkeiten, die Arbeitsweise, das Leben der revolutionären Führer aufgreifen. (...)"

Die Inhalte von Schulungen zur Ausbildung von Kadern aus dem Kreis der DHKP-C-Anhänger werden von der Europaführung in einer Notiz vom 27. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 750 818) unter anderem folgendermaßen umschrieben:

"(...) 18- ... Falls es eine Schulung zur Ausbildung von Kadern sein sollte, müssen wir Basiswissen über ML geben. Sie müssen unsere Geschichte und Ideologie lernen. Sie müssen über aktuelle Themen diskutieren können. (...)"

Zielrichtung und praktische Handhabung der Kaderschulung ergeben sich auch aus einem Bericht der Europaführung vom 09. September 2000 (Datei ID-Nr. 740 361). Dort heißt es hierzu unter anderem wie folgt:

"6- Gestern habe ich eine Schulung gemacht. Wir haben Sofies Welt angeschaut. Wir haben darüber gesprochen, was sie von diesem Film verstanden haben. Wir haben über Philosophie, Entwicklungen der Volksgemeinschaften, Bedeutung des Denkens und Stellen von Fragen gesprochen. (...) Der Kern der Schulung war, neue Persönlichkeiten zu schaffen und sich an die Herzen und Gehirne der Menschen zu richten. Das haben wir betont. (...) Es wurde gesagt, dass wir zuerst uns selbst schulen und mit uns selbst kämpfen müssen, bevor wir zu anderen Menschen gehen. (...)"

Im Rahmen eines Berichts der Europaverantwortlichen vom 16. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 201) wird im Zusammenhang mit Darlegungen zu einer Schulungsmaßnahme in der Region Westfalen Folgendes ausgeführt:

"14- Wir haben jeden einzelnen Menschen bewertet, den wir zu einem Kader machen können. Wir haben deren Schulungsprogramme bestimmt."

In ihrem (Schulungs-) Bericht betreffend das Gebiet Köln vom 16. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 498) erläutert G die praktische Umsetzung der (Kader-) Schulungsarbeit unter anderem wie folgt:

"(...) Das Thema, das sie am meisten verlangen und worin sie sich unzureichend fühlen, ist `Front Ideologie - Türkei Revolutionsstrategie´. Wir haben letzte Woche mit diesem Thema angefangen. (...) Wir werden das Thema unter Zuhilfenahme des Bandes `Wir haben recht, wir werden siegen´ behandeln. (...)"

Aus einem Schreiben der Europaführung vom 13. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 756 150) ergibt sich ferner, dass Kaderschulungen auch mit gebietsverantwortlichen (Führungs-) Funktionären durchgeführt werden. So informiert G im bezeichneten Bericht bei Punkt 3 ihrer Mitteilungen unter anderem Folgendes:

"(...) Ich hatte die Absicht gehabt, mit allen Gebietsverantwortlichen Schulungen durchzuführen. Das habe ich realisiert. Ich denke, dass die Schulungsarbeiten einen motivierenden Einfluss auf die Gebiete gehabt haben. Außerdem konnte ich jedem das erzählen, was ich erzählen wollte. In dieser Hinsicht haben sie das auch begriffen. Jedoch ist es wichtig, dass man die Gebiete ständig kontrolliert und Schulungen und Komiteeversammlungen ständig durchführt. (...)"

Dass ferner Einzelschulungen stattfinden, zeigt ein Bericht Gs vom 16. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 201), in der die Europaverantwortliche ausführlich über Inhalte und Verlauf von Schulungsarbeiten berichtet, die mit dem früheren Mitangeklagten A (Deckname: B) sowie dem Angeklagten Y. (Deckname: K) durchgeführt wurden. Darin berichtet G unter anderem darüber, dass sie im Rahmen eines Gesprächs mit A erzählt habe, dass "... es keinen Unterschied zwischen dem Kampf in der Heimat und in Europa ..." gibt.

In einem Schreiben vom 07. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 089) heißt es im Anschluss an die Schilderung der Besucherresonanz betreffend eine Jugendfeier in Köln wie folgt: "10- Refik; macht mit dem jungen Freund in diesem Gebiet die Schulungsarbeit. (...)"

Eingebettet in die durch Kaderschulungen erstrebte Aus- / Fortbildung sind - wie sich ebenfalls aus organisationsinternen Berichten ergibt - umfassende Anordnungen betreffend die Lektüre detailliert vorgegebener Schriften und Bücher. Die von dieser Lesepflicht erfassten Funktionäre sind gehalten, bestimmte, von der Führung benannte, Druckwerke intensiv zu studieren und über ihre hierbei gewonnenen Erkenntnisse oder Einsichten schriftliche Bewertungen vorzulegen. So heißt es etwa in einer von G an A (Deckname: N) gerichteten Notiz vom 27. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 750 818) im Zusammenhang mit Ausführungen über eine durchzuführende Schulungsarbeit unter Punkt 18 wie folgt:

"(...) Außerdem müssen alle über die von ihnen gelesenen Romane diskutieren. Sie müssen selbst eine schriftliche Bewertung darüber schreiben, was für Folgerungen sie gewonnen haben (...)"

Im einem weiteren Bericht vom 08. März 2003 (Datei ID-Nr. 749 474) heißt es präzisierend hierzu:

"24. (...) D- Die verantwortlichen Genossen müssen die Bücher, die wir empfohlen haben, lesen, darüber hinaus dürfen sie keine Bücher lesen. Außerdem müssen sie eine Beurteilung jedes Buches, das sie gelesen haben, schreiben und darlegen, was sie für sich für Schlüsse daraus gezogen haben. (...)"

Auch die Europaführung steuert und kontrolliert diese Lektüreverpflichtung. So berichtet G am 10. Dezember 2002 über eine, auch den Angeklagten G. (Deckname: C) und die seinerzeitige Regionsleiterin Mitte, H D (Deckname: H) erwähnende, Notiz (Datei ID-Nr. 763 226), in der unter Punkt 9 Folgendes ausgeführt wird:

"(...) 9- Hat H angefangen, das Buch `Wie haben wir gelernt zu führen?´ zu lesen? Sie muss dieses Buch in 3 Wochen lesen und die Zusammenfassung und das, was sie verstanden hat, schicken. Liest C Bücher? Er soll eines der Bücher lesen: Widerstandskampf; Ich verurteilte dich im Namen des Volkes zum Tod; Haydari Camp. Sie können das Stalin Buch erneut lesen. Was lesen Sie? Nachdem C und H diese Bücher gelesen haben, können sie `Zeit der Ungeduld´ lesen. H muss die Bewertung von jedem Buch machen, das sie liest. Was lesen V und F? Welche Bücher hat V gelesen? Welches Schulungsprogramm haben Sie für Frankfurt-Mannheim und andere Orte? Einmal im Monat müssen wir in allen Gebieten zu unserer politischen Tagesordnung Seminare veranstalten."

Dass die Europaführung der DHKP-C die entsprechenden Bücher vorrätig hält und zumindest im Jahr 2003 in Deutschland (Köln) über eine zentrale (Leih-) Bücherei verfügt hat, wird ebenfalls durch organisationseigene Dokumente bestätigt. So informiert G in einem Schreiben vom 28. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 242) unter Punkt 17 ihrer Mitteilung wie folgt:

"Wir errichten in der Zeitschrift eine Bibliothek. Wir werden die Bücher, die zu lesen sind, den verantwortlichen Freunden in Deutschland, wie in der Bibliothek geben. Sie müssen ihren Namen aufschreiben lassen. Sie erhalten das Buch und werden es zurückgeben, wenn sie es zu Ende gelesen haben. (...)"

Die Realisierung dieses Vorhabens ergibt sich aus einem weiteren Bericht Gs vom 27. Januar 2003, in dem diese über eine von ihr gefertigte Notiz (Datei ID-Nr. 750 520) informiert. Darin heißt es unter Punkt 9 wie folgt:

"9- Lesen Vl und Y Bücher? - Was ist in ihrem Schulungsprogramm für die Gebiete und verantwortlichen Freunde enthalten? - In Deutschland hatten wir bei der Zeitschrift eine Bibliothek aufgebaut. Für Deutschland könnt ihr von hier Bücher nehmen und lesen. Die verantwortlichen Freunde werden von dieser Bibliothek profitieren. (...) Die gleichen Bibliotheken müssen wir auch für die Gebiete zusammensetzen. (...)"

Die Realisierung dieser so konzipierten Kaderschulung innerhalb der Rückfront der DHKP-C ergibt sich aus einer Mitteilung Gs aus dem Jahre 2003 (Datei ID-Nr. 750 635), in der sie über eine von ihr gefertigte Notiz berichtet. Dort heißt es bei den Punkten 23 und 24 unter anderem wie folgt:

"23- Welche unserer verantwortlichen Freunde liest das Wöchentliche? Wie viele Seiten werden gelesen? Sie sollten nachfragen und uns darüber berichten. (...)

24- (...) B- Die Freunde, die wir zu Kadern machen werden, werden wir einem speziellen Schulungsprogramm unterziehen. Sie müssen mitteilen, wer diese Freunde sind und welche Eigenschaften sie haben. Für Freunde, die in eine solche Schulung aufgenommen werden, werden wir das Schulungsprogramm zentral festlegen. Kein verantwortlicher Freund wird auf eigene Faust Schulungsprogramme praktizieren. (...)

D- Verantwortliche Freunde müssen die Bücher, die wir ihnen vorschlagen haben, lesen. Sie werden keine anderen, als diese lesen. Darüber hinaus werden sie über jedes Buch, das sie gelesen haben, eine Bewertung vornehmen und aufschreiben, was sie daraus für sich folgern. Diese Bewertungen müssen Sie auch an uns schicken. (...)"

bb. Massenschulung

Die sogenannte Massenschulung hat entsprechend den Vorgaben im "Beschluss: 13" darüber informieren, "... wozu unsere Partei und unsere Front kämpfen, was wir den Volksmassen geben wollen, wie die Volksmassen an dem Krieg teilnehmen sollen, was die Massen von uns wollen, was ihre Probleme sind usw. ...". Neben der Rekrutierung von Aktivisten, die zu Kadern ausgebildet werden sollen, dient die Massenschulung auch der Gewinnung von Personen, die sich als Anhänger bzw. Sympathisanten die Zielsetzungen der DHKP-C zu eigen machen und deren Aktivitäten unterstützen. In einem Bericht der Europaführung über "Gespräche mit den verantwortlichen Freunden in Deutschland" (Datei ID-Nr. 734 660) wird im Zusammenhang mit der Wiedergabe organisationsinterner Erörterungen zwischen A und dem damaligen verantwortlichen Funktionär der Organisation für das Gebiet Nürnberg-Augsburg-München präzisierend Folgendes ausgeführt:

"(...) Es gibt eine Schulungsgruppe. (...) Wir müssen uns auf die Jugend und Familien stützen, und das Volk ansprechen. Wir müssen diese beiden Kreise ansprechen. (...) Die Massenschulung ist eine Schulungsarbeit, die mit unseren Anhängern durchgeführt wird. Es sind Menschen aus unserem Kreis, denen wir unsere Kultur vermitteln müssen. (...)"

Dass Schulungen mit dem Ziel, Menschen von der Ideologie der Organisation zu überzeugen und so neue Anhänger / Sympathisanten und / oder Mitglieder rekrutieren zu können, in der Rückfront bereits in der Zeit von 1995 bis 1999 durchgeführt wurden, hat der frühere Deutschland- und Europaverantwortliche, der Zeuge E in der Hauptverhandlung und auch - wie der Zeuge StA H bekundet hat - in seiner bezeichneten Vernehmung vor dem OLG Düsseldorf bestätigt. Auf der Grundlage von Unterrichtungen über aktuelle Entwicklungen in der Türkei sollten diese Zielgruppen sensibilisiert bzw. begeistert und über den Kampf der Organisation informiert werden. Bereits zur damaligen Zeit habe die Organisation versucht, über Kundgebungen und Veranstaltungen wie Picknicks, Lager und Camps, Zugang zu den in (West-) Europa lebenden Türken aber auch anderen Personengruppen zu bekommen, um diese für die DHKP-C bzw. deren Zielsetzung(en) zu gewinnen. Tatsächlich sei es - nach den weiteren Bekundungen des Zeugen E - durch solche Massenschulungen auch gelungen, Personen ausfindig zu machen, die dazu bereit waren, sich für die Belange der DHKP-C, auch durch Mitwirkung am bewaffneten Kampf dieser Organisation in der Türkei zu engagieren. Dass die DHKP-C bestrebt ist, durch entsprechende Veranstaltungen auch Kuriere für Transporte in die Türkei zu akquirieren, belegt ein - bereits bezeichneter - interner Bericht vom 27. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 750 331). Gleichzeitig sollen durch die Massenschulung - wie ein weiterer Bericht der Europaverantwortlichen A im TextDokument mit der Datei ID-Nr. 734 619 belegt - neue Finanzquellen für die Organisation erschlossen werden. Dort heißt es unter anderem wie folgt:

"Es kommen keine Beiträge von nirgendwo... kein Geld... (...) Ein Großteil der Arbeiten basiert auf Geld... Natürlich bedeutet Geld nicht alles, aber in der Praxis ist das nicht so. (...) Ich sage die Lösung ist, zum Volk zu gehen, Massen zu bilden, Menschen zu schulen. (...)"

Inhaltlich sind derartige Schulungsmaßnahmen auf die propagandistische Verbreitung der Zielsetzung und Aktivitäten der DHKP-C durch Unterrichtung über aktuelle Themen angelegt. Hierzu heißt es etwa in dem Dokument Datei ID-Nr. 750 635 vom 03. März 2003 unter Punkt 24 wie folgt:

"(...) C- Für unsere Freunde und Anhänger, die Aktivitäten durchführen, müssen wir über aktuelle Themen Schulungen machen. Unsere aktuellen Themen sollten sein: Zeitschrift, Artikel in der Ds und Fronterklärungen, Nachrichten in der täglichen Presse. Für einen Menschen, der nicht zum Kader gemacht und nicht bleiben wird, ist keine andere Schulung erforderlich. (...)"

Die praktische Umsetzung der Unterweisungen erfolgt - wie Berichte der Europaführung (Datei ID-Nr. 733 870, 740 197, 740 200 und 754 147) zeigen - zum einen in sogenannten Winter-, Sommer-, Familien-, Vereins- oder Jugendcamps bzw. Zeltlagern oder Picknicks, welche europaweit durchgeführt werden. So haben etwa - wie sich aus organisationsinternen Berichten (Datei ID-Nr. 749 789 und 762 089) ergibt - bei Picknicks, die am 15. Juni 2003 in Paris und Valence veranstaltet wurden 400 (Paris) bzw. 200 (Valence) Personen teilgenommen. Die entsprechende Vorgehensweise belegt auch ein Bericht der Europaführung vom 09. September 2003 (Datei ID-Nr. 754 147) in dem G über eine entsprechende (Schulungs-) Veranstaltung in den Niederlanden wie folgt informiert:

"2- An dem Camp, das wir in Holland durchgeführt haben, haben insgesamt 14 Personen teilgenommen. Es hat eine Woche gedauert. (...) In dem Camp wollte H die Lehrstunden erteilen. Die Veteranen wollten Lehrstunden bezüglich des Todesfastens geben. (...) Im Camp erteilen S und E die Lehrstunden. (...) H hat das Programm geändert, das wir vorher für das Camp festgelegt hatten. Da die Teilnahme gering war und er selbst auch nicht daran teilnehmen konnte, habe er beschlossen, dass man mit jedem einzeln eine Schulung durchführen soll. (...) Dieses Camp ist nicht so abgelaufen, wie wir es am Anfang festgelegt haben. In Holland werden wir erneut für die Jugendlichen ein Wintercamp machen. (...)"

Auch eine im Bericht der Europaführung vom 28. September 2003 (Datei ID-Nr. 754 604) enthaltene Campbewertung belegt den Schulungscharakter derartiger Veranstaltungen wie folgt:

"17- Fortsetzung der Campbewertung von K:

`1- Das Camp ging ohne Zwischenfälle, wie geplant war, zu Ende. (...)

2-CAMPBEWERTUNG - Das Berghotel für 30 Personen, welches als Ort für das Camp gemietet wurde, war nicht ausreichend. (...) - Das Camp war als Familiencamp gedacht.(...) - Nachmittags wurden zwischen 17 und 19 Uhr Versammlungen bezüglich der politischen, aktuellen Entwicklungen, wie geplant gemacht. (...) - Ein Freund, der sich zuvor am Camp der Anhänger von Atilim beteiligt hatte, hat gesagt, dass er unser Camp in Hinblick auf Freundschaft, Schulung, Aufrichtigkeit besser fand´. (...)"

Die Zielsetzung derartiger Camps zeigt ein Bericht der Europaverantwortlichen vom 03. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 762 099), in welchem es unter anderem heißt:

"(...) Zum Beispiel müssen wir in diesem Sommer die Jugendcamps organisieren, die wir im Norden und Süden machen wollen. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir in die Köpfe der Menschen gelangen und wie wir sie organisieren können. (...)"

Weiter bestätigt G in bezeichneter Nachricht (Datei ID-Nr. 762 099), dass in Berlin "für unsere eigenen Anhänger ein Picknick" und in Stuttgart ein "klassisches Gebietspicknick" veranstaltet wird.

Über ein am 22. Juni 2003 im "Kölner Kulturzentrum" geplantes Picknick wird in einem organisationsinternen Bericht vom 15. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 749 592) folgendermaßen informiert:

"b- Sonntag, 22. Juni, Picknick. Man hat angefangen, Flugblätter und Plakate zu verteilen und Tickets zu verkaufen. Im Programm gibt es Grup Boran, Grup Seslenis, Haydar Guray, Volkstänze, Gedichtsgruppe und verschiedene Spiele und Wettbewerbe. Soundsystem wird aufgebaut. Es wird Trommeln und Oboen geben. Sie werden ein Picknickkomitee bilden. Das Picknick wird anlässlich des 1000. Tages des Widerstands durchgeführt. Es werden Aufrufe für das Hungerstreikzelt und Brüsseler Demonstration gemacht. Die Inhaftiertenkampagne wird verkündet. (...)"

Die in den Niederlanden sichergestellten TextDokumente belegen ferner, dass Massenschulungen auch durch Veranstaltungen in den von der DHKP-C beherrschten Vereinen oder bei sogenannten Familienbesuchen von Anhängern erfolgen. So regt G in einer Mitteilung vom 01. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 750 432) an, dass man in Frankfurt "... für unsere Anhänger und unsere aktiven Genossen Seminare mit dem Zweck der Fortbildung geben. ..." könne. In ihrem Bericht vom 29. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 761 830) nimmt G zu der Bildungsarbeit in den Gebieten unter anderem wie folgt Stellung: "(...) Ich habe gesagt, ihr könnt in den Wohnungen mit denjenigen, die die Aktivitäten betreiben, selbst wenn es nur drei-fünf Leute sind, (sowie) mit den Familien in kleinen Gruppen Schulungen durchführen. (...)"

In einer Mitteilung vom 07. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 080) wird folgende Anordnung getroffen: "(...) In allen Gebieten sollen die Gebietsverantwortlichen persönlich monatliche Versammlungen mit der Masse machen."

Als (Massen-) Schulungsveranstaltungen der DHKP-C hat der Senat auch die in den Jahren 2002 und 2004 in Neuhausen-Schellbronn und Eberbach am Neckar durchgeführten Zusammenkünfte von Funktionären der Rückfront und sonstigen, teilweise ebenfalls der DHKP-C als Aktivisten bzw. Sympathisanten zuzurechnenden, Personen gewertet. Im Einzelnen:

Neuhausen-Schellbronn

Die Feststellungen zu dem in der Zeit vom 19. bis 30. August 2002 in Neuhausen-Schellbronn (Enzkreis) durchgeführten sogenannten Familientreffen und dessen Einstufung als Schulungsveranstaltung der DHKP-C stützt der Senat auf das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Karlsruhe gegen N.E. und B D vom 24. Januar 2005 (5 Kls 57 Js 41581/02) wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz. Darin wurde unter anderem Folgendes festgestellt:

"(...) B. Die Tat

Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt, spätestens im Juli 2002, beschlossen nicht ermittelte Funktionäre der DHKP-C, im August 2002 in Süddeutschland eine mehrtägige ´Schulungsveranstaltung´ durchzuführen. Ziel dieser Veranstaltung sollte sein, den daran teilnehmenden Personen die Ziele und Agitationsthemen der DHKP-C nahe zu bringen, namentlich die Beseitigung des Regierungssystems in der Türkei und Errichtung eines Kommunistisch-leninistischen Systems, den revolutionären Kampf insbesondere gegen den US-Imperialismus, den Faschismus und Kapitalismus sowie das `Todesfasten´ in türkischen Haftanstalten, damit diese Personen in der Folge die Ziele der DHKP-C verbreiten können. Unter den Teilnehmern der Veranstaltung sollten auch neue Anhänger und Mitglieder der DHKP-C gewonnen werden, die dann ihrerseits die Ziele der DHKP-C verbreiten und dadurch die Organisation selbst und deren Zusammenhalt stärken sollten. Zur Durchführung dieses Vorhabens mietete die rechtskräftig verurteilte A C bei dem für die katholische Pfandfinderschaft St. Georg in Pforzheim ehrenamtlich tätigen K G am 30.07.2002 in dessen Wohnung in Pforzheim, Bstraße, die Pfadfinderhütte in Neuhausen-Schellbronn für die Zeit vom 19.08.2002 bis zum 30.08.2002 an. Die vom ebenfalls rechtskräftig verurteilten E D begleitete A C gab bei der Anmietung wahrheitswidrig an, die Hütte für ein Familientreffen ihrer Familie zu benötigen. In der Folgezeit wurde die Schulungsveranstaltung wie geplant durchgeführt. (...) An der Schulungsveranstaltung nahmen insgesamt zwischen 20 und 30 Personen teil, die aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus Belgien und den Niederlanden angereist waren. (...) Jeden Tag wurden die anwesenden Personen vormittags etwa ein bis zwei Stunden unterrichtet. (...) U. a. wurden folgende Themen behandelt:

- Am 20.08.2002 die Gesellschaftsformen, namentlich die klassenlose Gesellschaft und die sogenannte `Sklavengesellschaft´,

- am 21.08.2002 die Geschichte des Imperialismus, Faschismus, Marxismus, Leninismus, Sozialismus und verschiedene sozialistische Revolutionen,

- am 24.08.2002 die Revolution in Kuba,

- am 25.08.2002 die Welt und die Türkei, Globalisierung, zukünftige Regierungsform, Todesfasten,

- am 28.08.2002 das Todesfasten in türkischen Haftanstalten mit Beispielen, die Bedeutung der Revolution und unter der Überschrift `unsere Geschichte´ die Entwicklung der revolutionären Linken von 1978 bis 2000, von der `Devrimci Sol´, deren Aufspaltung 1992, die THKP-C, die Gründung der DHKP-C am 30.03.1994 und deren beherrschendes Agitationsthema, das große Todesfasten seit dem Jahr 2000,

- am 29.08.2002 der revolutionäre Prozess als Hoffnung der unterdrückten Völker mit dem Hinweis, dass große Ziele und Wünsche große Opfer verlangen und für die Freiheit `unseres Volkes´ gekämpft werde. (...)"

Die Richtigkeit dieser Feststellungen wurde bestätigt durch die Angaben der Zeugin KOKin B, die beim BKA mit der Erhebung der vorliegenden polizeilichen Erkenntnisse zu der bezeichneten Schulungsveranstaltung befasst war. Diese hat in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung über Verlauf und Ergebnis der durchgeführten Personenüberprüfungen berichtet. Hierbei habe sich herausgestellt, dass 20 von insgesamt 30 Teilnehmern an der Veranstaltung einen sogenannten DHKP-C-Bezug aufwiesen und polizeilich wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz, unerlaubten Plakatierungen und als Anmelder von Veranstaltungen erfasst waren. Im Zuge dessen seien auch M.A. und H.S. (frühere Mitangeklagte) am Veranstaltungsort von der Polizei festgestellt worden. Diese Aussage stimmt überein mit den Feststellungen im genannten Urteil des Landgerichts Karlsruhe und wurde - hinsichtlich S - von der Zeugin KOKin K, die beim BKA mit Erhebungen zu dieser Person und deren Betätigung für die DHKP-C befasst war, bestätigt.

Exemplarisch ist hierzu noch Folgendes anzumerken:

Wie sich aus den Feststellungen aus dem bezeichneten Urteil des Landgerichts Karlsruhe weiter ergibt, gehörte auch M A zu den Veranstaltungsteilnehmern. Ausweislich des Vermerks des BKA vom 22. August 2008 hat eine Person gleichen Namens (M A) auf der Internetseite www.hAinsesi.tv, welche - wie ausgeführt - von der DHKP-C betrieben wird, eine mit den Worten `Unseren Völkern herzliches Beileid´ am 11. August 2008 eine Erklärung veröffentlicht. Darin wird mitgeteilt, dass der als Revolutionsführer der Völker der Türkei bezeichnete Dursun Karatas einem Krebsleiden erlegen sei. Der Senat hat keine Zweifel, dass es sich bei dem im bezeichneten Vermerk vom 22. August 2008 als M A bezeichneten Kader um den im Urteil des Landgerichts Karlsruhe unter diesem Namen festgestellten Veranstaltungsteilnehmer handelt. Neben der Namensgleichheit spricht für eine PersonenIdentität auch der Umstand, dass in beiden Fällen ein Aufenthalt A in den Niederlanden ersichtlich wird. So findet sich bei dessen namentlicher Nennung als Teilnehmer an der Veranstaltung in Neuhausen-Schellbronn der Zusatz "aus Den Haag / Niederlande". Im Vermerk des BKA, aus dem sich - wie bereits ausgeführt - ergibt, dass Dursun Karatas in einem Haus in Etten-Leur / Niederlande verstorben ist, wird ferner mitgeteilt, dass A - bezogen auf Karatas - erklärt habe, `Zeuge in jeder Sekunde seiner letzten sechs Tage´ gewesen zu sein. Darüber hinaus wird angegeben, dass M A auf einer Gedenkfeier für den Verstorbenen eine Rede gehalten, `über die Krankheit des Führers´ gesprochen und die Bedeutung der Führung für die Front erläutert habe. Auf zwei Lichtbildern sei er (A) überdies an einem Rednerpult bzw. am - im Leichenschauhaus von Rotterdam (Niederlande) aufgebahrten - Sarg von Karatas zu sehen. Ergänzend hat der Zeuge KHK M bekundet, dass A bereits im Jahre 1999 im Zusammenhang mit der Durchsuchung des Archivs der DHKP-C in Knokke-Heist (Belgien) festgenommen worden sei. Im Übrigen ist M A - wie der Zeuge D bestätigt hat - der Ehemann von N E, die wie bereits gezeigt, ebenfalls der DHKP-C zuzurechnen ist und als Vorsitzende der Anatolischen Föderation, einem Tarnverein dieser Organisation, agiert (hat). Nach Überzeugung des Senats spricht daher auch die Anwesenheit As bei dem in Rede stehenden Treffen dafür, dass es sich tatsächlich um eine Veranstaltung der DHKP-C gehandelt hat.

Dies bestätigen auch die weiteren Bekundungen der Zeugin KOKin B. Hiernach konnten am Veranstaltungsort im Rahmen einer Durchsuchung der (Pfadfinder-) Hütte (Theodor-Zeller) bzw. der in der näheren Umgebung abgestellten (Kraft-) Fahrzeuge verschiedene, auf die DHKP-C und deren Agitationsthemen hinweisende Flugblätter, Schriftstücke bzw. Druckschriften, mehrere Ausgaben der Organisationszeitschrift Ekmek ve Adalet sowie eine Sammlung mit den Gründungsbeschlüssen der DHKP-C aus dem Jahre 1994 aufgefunden werden. Allem nach hat der Senat keine Zweifel, dass die Zusammenkunft als (Massen-) Schulungsveranstaltung der DHKP-C konzipiert war und als solche auch durchgeführt wurde.

Eberbach am Neckar

Die zum sogenannten Familien- und Jugendcamp der Anatolischen Föderation in Eberbach am Neckar getroffenen Feststellungen beruhen auf den Bekundungen des Zeugen KOK E. Dieser war beim BKA mit der Erhebung und Auswertung der zu dieser Veranstaltung vorliegenden Erkenntnisse der Polizei und des Verfassungsschutzes befasst. Demzufolge konnten im Rahmen einer am 05. August 2004 erfolgten Durchsuchung des Veranstaltungsgeländes neben Büchern zum Themenbereich Leninismus, Marxismus, Kapitalismus, Faschismus auch handschriftliche Aufzeichnungen über die "Bedeutung des bewaffneten Kampfes für eine Revolution" oder die "Bedeutung der revolutionären Theorie" aufgefunden werden. Darüber hinaus seien neben mehreren Ausgaben der Zeitschrift Ekmek ve Adalet und Schrift- / Videomaterial zum Thema Todesfasten mehrere Exemplare der Zeitschrift Devrimci Sol sowie des Buches "Kararlar - Kongre Belgeleri 2" mit einer Dokumentation der DHKP-C -Gründungsbeschlüsse sowie ein Schreibheft mit dem Titel "Ausbildung" sichergestellt worden. Nach den Darlegungen des Zeugen KOK E hat die polizeiliche Überprüfung der am 05. August 2004 angetroffenen, insgesamt 49 Veranstaltungsteilnehmer ferner ergeben, dass bei über 20 dieser Personen in polizeilichen Registern bereits ein DHKP-C-Bezug vermerkt war. Zu diesen zählte - wie der Zeuge KOK E weiter bestätigt hat - auch die Vorsitzende der Anatolischen Föderation, N E, die zu dieser Zeit überdies Regionsverantwortliche der DHKP-C für Westfalen war.

Die Bewertung des in Eberbach am Neckar durchgeführten Camps als Schulungsveranstaltung der DHKP-C wird auch durch die Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Urteil gegen H D vom 12. Juni 2007 (5 KLs 500 Js 30066/04) gestützt. Demzufolge befand sich D unter den Teilnehmern dieser Veranstaltung und wurde in bezeichneter Entscheidung wegen Unterstützens des organisatorischen Zusammenhalts eines verbotenen Vereins rechtskräftig zu der Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je EUR 10,-- verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden im Rahmen der Durchsuchung des Kraftfahrzeugs, mit dem D zur genannten Veranstaltung angereist war, insgesamt 243 Exemplare der Zeitschrift Ekmek ve Adalet (Ausgaben Nr. 114 bis 117 vom 04. / 11. / 18. Juli sowie 01. August 2004), 194 Exemplare der Zeitschrift HA icin Ekmek ve Adalet (Ausgabe Nr. 7 vom 25. Juli 2004) sowie ein Exemplar der Zeitschrift Devrimci Sol (Ausgabe Nr. 19 vom Juli 2004) aufgefunden und beschlagnahmt.

Dass sich H D unter den Decknamen E, H und Ö als Führungsfunktionärin der Rückfront für die DHKP-C betätigt hat, wird bei den Erläuterungen zur Einbindung der Angeklagten, deren Funktion und Aufgaben im Einzelnen ausgeführt werden. Hierauf wird verwiesen.

Dass es sich bei dem Familien- und Jugendcamp in Eberbach am Neckar um eine politische Veranstaltung der DHKP-C mit Schulungscharakter handelte, wurde ferner von der Zeugin Ü bestätigt. Diese ist seit dem Jahre 2002 beim LfV Baden-Württemberg beschäftigt und dort als Referentin mit türkischen Sprachkenntnissen im Bereich Ausländerextremismus tätig. Im Zuge dieser Tätigkeit hat sich die Zeugin Ü nach ihren Bekundungen in der Hauptverhandlung bereits im Vorfeld des bezeichneten Zeltlagers mit der Übersetzung und Auswertung des zugehörigen, durch den Landesverfassungsschutz aus einer öffentlich zugängliche Quelle sichergestellten, in türkischer Sprache verfassten Flugblatts befasst. Sowohl der darin angekündigte Programmablauf wie auch verschiedene namentlich benannte Personen und Organisationen hätten nach den beim Verfassungsschutz vorliegenden Erkenntnissen eindeutig Bezüge zur DHKP-C aufgewiesen, weshalb man beim LfV Baden-Württemberg nach Vornahme einer Gesamteinschätzung von einer politischen Veranstaltung dieser Organisation ausgegangen sei. Die entsprechende Bewertung sei zeitnah an die Polizeidirektion Heidelberg übermittelt worden.

Diese Angaben passen zum Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen "Flyers" mit näheren Informationen betreffend die in Rede stehende Veranstaltung, aus dem sich ergibt, dass die Anatolische Föderation, Köln und mithin ein der DHKP-C zuzuordnender Tarnverein als "Organisator" des "Camps" aufgetreten ist.

Die Zeugin Ü gab weiter an, dass sich diese Einschätzung im Zuge der von ihr vorgenommenen Sichtung und Auswertung von Asservaten, die von der Polizei im Rahmen einer Durchsuchung des Camps bzw. dort angetroffener Personen nebst zugehörigen (Kraft-) Fahrzeugen sichergestellt wurden, als zutreffend erwiesen habe. Neben einer Abhandlung über das sogenannte Todesfasten, einem zentralen Agitations- und Kampagnenthema der DHKP-C, zahlreichen Exemplaren der Zeitschrift Ekmek ve Adalet, dem damaligen "Sprachrohr" der Organisation, seien insbesondere auch mehrere Ausgaben der Zeitschrift Devrimci Sol, dem offiziellen Publikationsorgan der DHKP-C, ein Buch mit den auf dem Gründungskongress dieser Organisation gefassten Beschlüssen und den Parteistatuten sowie eine mit schriftlichen Abhandlungen zu den Themen Kapitalismus, Revolution in der Türkei und der sogenannten Politisierten Kriegsstrategie (PASS) Bestandteil dieser Beweisstücke gewesen. Dass die DHKP-C zur Erreichung ihrer Ziele nach Maßgabe dieser (Kampf-) Strategie vorgeht, belegt der auf dem Parteigründungskongress gefasste Beschluss Nr. 5 "Über die Neuorganisierung des bewaffneten Krieges". Dort heißt es unter anderem wie folgt: "Die grundlegende Kampfesform unserer Partei ist der bewaffnete Kampf, der die Politisierte Militärische Kriegsstrategie beinhaltet. (...)"

Dies passt zu den Bekundungen des Zeugen EKHK B, der im Zuge seiner Darlegungen zum bewaffneten Kampf der Organisation in der Türkei die Anwendung dieser sogenannten PASS-Strategie bestätigt hat. Hiernach soll die erstrebte Machtübernahme im Anschluss an einen revolutionären Volkskrieg erfolgen. Durch bewaffneten Kampf sind dafür zunächst in städtischen wie ländlichen Gebieten die Voraussetzungen zu schaffen. Neben dem stetigen Ausbau der organisationsinternen Kernstrukturen richte sich diese Strategie daher auf eine möglichst umfassende Mobilisierung der (Volks-) Massen sowie die beständige Anstachelung von Aufständen.

Der Schulungscharakter der Veranstaltung habe sich - so die Zeugin Ü weiter - ferner aus einem Schreibheft ergeben, das bei einem Camp-Teilnehmer sichergestellt worden und mit Ausbildung überschrieben gewesen sei. Dieses Heft habe handschriftliche, auf den Zeitraum zwischen Oktober 2003 und August 2004 bezogene, stichwortartige Aufzeichnungen zu diversen, dem "linkspolitischen" Bereich zuzurechnenden Themenkreisen enthalten.

Aus organisationsinternen Dokumente n geht außerdem hervor, dass die Durchführung von Veranstaltungen für die Zielgruppe(n) Jugend und Familien zu der (Schulungs-) Konzeption der DHKP-C gehört (bspw. aus der Datei ID-Nr. 733 870).

Allem nach ist der Senat überzeugt, dass das Familien- und Jugendcamp als Schulungsveranstaltung der DHKP-C konzipiert war und mit dieser Zielsetzung auch durchgeführt wurde.

cc. Militärische (Waffen-) Schulung

Wie im "Beschluss: 13" ausdrücklich klargestellt wird, dienen sämtliche Schulungs-Aktivitäten dem bewaffneten Kampf der DHKP-C und müssen auf dessen "Bedürfnisse" eingehen. Diese Zielsetzung wird im "Beschluss: 8" des Parteigründungskongresses folgendermaßen bekräftigt:

"(...) Bei der Massenbetätigung im Ausland wird mit der Perspektive vorgegangen werden, Kader heranzuziehen, die an dem heißen Kampf in der Heimat teilnehmen werden. (...)"

Mitgliedern von Kampfeinheiten der Organisation werden daher - wie zahlreiche Asservate aus den Niederlanden belegen - in speziellen Ausbildungscamps Kenntnisse für den Guerillakampf vermittelt. Neben Anleitungen zum Bau von Bomben und zur Herstellung von Fernzündungsvorrichtungen bzw. Zündmitteln, gehören hierzu auch das Waffen- und Schießtraining. Über entsprechende Schulungen mehrerer Personen (A, A, I und K) wird etwa in einem Bericht vom 26. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 761 847) folgendermaßen berichtet:

"(...) PUNKT 5 - DIE ARBEIT, DIE MIT DEN FREUNDEN DURCHGEFÜHRT WURDE A-) A: 1- Wir haben an einem Fernsteuerungsschaltkreis gearbeitet, haben ihm den Schaltkreis eines Autoalarms gegeben, er hat es selbst vorbereitet. ... 2- Er hat einen selbst gemachten, normalen Zünder vorbereitet und wir haben sie durch Anbringen einer Lunte zur Explosion gebracht. 3- Er hat Schießübungen gemacht, er hat mit der Luftpistole, die wir haben, zuhause Schießübungen gemacht. 4- Man ging zum Schießen. (...)"

Nach dem Hinweis "DIES IST DIE ERZÄHLUNG VON A" wird im bezeichneten Bericht sodann Folgendes ausgeführt:

"Wir haben mit 7,65, 9 mm und einem Revolver 375 Magnum geschossen. Er hat 50 Stück 9 mm, 30 Stück 7,65 und 15 Stück mit dem Revolver geschossen. Im Vergleich zu den anderen waren seine Schüsse sehr gut. (...)"

Bezüglich der als I bezeichneten Person wird unter anderem angemerkt:

"(...) 2- Er hat einen normalen, handgemachten Zünder vorbereitet. Das Haus, wo er sich aufhält, ist am Samstag und Sonntag leer, unsere Versuche müssen wir an diesen Tagen machen. Morgen werden wir es versuchen. 3- Er hat einen elektrischen, handgemachten Zünder vorbereitet. (...)"

Über K wird mitgeteilt, dass dieser "... einen Fernsteuerungsschaltkreis vorbereitet ..." habe, der anschließend ausprobiert worden sei.

Bereits zuvor wurde in einem Bericht vom 07. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 755 661) über entsprechende Betätigungen von "A" und "K" informiert, unter anderem über das Üben an diversen "Bombenvorrichtungen" (mit verschiedenen Uhren, Mobilfunktelefon, Funkgerät und "Auto-Alarm").

In einer weiteren Notiz vom 26. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 761 939), in der über "... die Antwort von A zum Thema des STARKEN ZÜNDERS und von A zum Thema der Waffenschulung ..." berichtet wird, heißt es unter anderem wie folgt:

"(...) Unterpunkt 4- Was bedeutet starker ZÜNDER? Die Wendung starker Zünder verwenden wir für Zünder mit großen Nummern. ... Ein Zünder der Nummer 10 ist verglichen mit der Nummer 1 größer. Wenn er größer ist, ist mehr Sprengstoff enthalten. Und wir interpretieren das als stärker. Woher wissen wir, dass er größer ist? In den Schulungsordnern, die wir hatten, stand, dass elektrische Zünder nummeriert sind und dass mit zunehmender Zahl das Volumen größer wird. Später haben wir das bei dem gesehen, den wir hier gekauft haben und bei den Zündern, die aus BURSA gekommen sind. (...)"

Im dem sich anschließenden Unterpunkt wird sodann detailliert über Schießübungen berichtet, die "A" mit "der Pistole und der Kles" durchgeführt habe.

In einer Notiz vom 07. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 761 889) berichtet ein unbekannter Verfasser erneut über die militärische Ausbildung und Schulung von I, A und K und teilt mit, dass die Genannten im Umgang mit Waffen, der Anfertigung von "Volkssprengstoffen" und "Fallenbomben" sowie Fernsteuerungseinrichtungen unterwiesen wurden. Zum Ort, an dem derartige Schulungsmaßnahmen durchgeführt wurden, wird keine Aussage getroffen.

Dass die DHKP-C z. B. auf der griechischen (Mittelmeer-) Insel Kreta über Schulungseinrichtungen verfügt, die zur Durchführung militärischer (Kampf-) Ausbildungsmaßnahmen genutzt werden, belegen organisationsinterne Berichte in den Dateien ID-Nrn. 754 041, 755 303, 755 661, 755 734, 761 847, 761 889. Dazu später mehr im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung zum Angeklagten Y..

Über Versuche, welche "in Bezug auf Fernsteuerungsstromkreise" durchgeführt wurden sowie damit zusammenhängende praktische Erprobungen (Arbeiten) wird auch in einem Bericht vom 07. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 755 734) informiert. Darin heißt es unter anderem wie folgt:

"(...) Wir haben einen neuen Garagentürstromkreis besorgt und ausprobiert. (...) Wir haben bezüglich dieses Stromkreises eine Schulungsnotiz vorbereitet, die wir den Freunden zeigen und erklären werden. 3- In einer Notiz von euch / Ihnen gab es zwei verschiedene Erklärungen zum Stromkreis für Spielzeugautos. (...) Wir hatten (ein) Problem, als wir den Sicherheitsstromkreis gemacht haben, der dafür sorgt, dass der Stromkreis mit der an das Rad angebrachten mechanischen Vorrichtung hergestellt wird, um zu verhindern, dass die Bombe in unserer Hand explodiert, wenn eine direkte Verbindung zu den Kabeln hergestellt wird, die zum Motor des Spielzeugautos führen, und eine ungewollte Frequenz erhalten. (...) Wir werden diese Versuche den Freunden erklären, damit sie eine allgemeine Logik vermitteln."

Unter der Datumsangabe "19-0502003" berichtet I in dem Dokument mit der Datei ID-Nr. 761 922 über die im Zuge seiner Ausbildung erlangten Kenntnisse und Fertigkeiten mit folgenden Worten:

"(...) Ich kann jede Art von Pistolen benutzen. Ich kann sie auseinander nehmen, zusammenbauen, warten. (...) Ich kann eine normale (gewöhnliche) Lunte in eine Lunte umwandeln, die mit Elektrizität ist. (...) Ich weiß, wie man eine handgemachte Lunte vorbereitet. (...) Ich habe gelernt zeitgesteuerte (digitale und normale) Bomben zu machen. (...) Ich habe gelernt, mit einem Telefon eine Bombe zu machen. (...) Ich habe gelernt, mit einer Fernsteuerung eine Bombe zu machen. (...) Ich kann außer dem Telefon mit 4 (vier) Fernsteuerungen Bomben machen. (...)"

In einem weiteren Bericht vom 21. Mai 2003 (Datei-ID-Nr. 761 918) informiert A über erworbene Fertigkeiten im Umgang mit Waffen, Sprengstoffen und auf dem Gebiet des Bombenbaus. Er schreibt unter anderem Folgendes:

"(...) 1) Ich habe mit der Pistole und der Klesch zu zwei verschiedenen Zeiten Schieß-(übungen) gemacht. (...) 2) Normale Lunten haben wir nicht gemacht, wir haben handgemachte elektrische Lunten gemacht. Das habe ich gelernt. Wir haben eine ausprobiert, die ich nur mit Pulver aus Streichholzköpfen hergestellt habe, ohne die Verwendung von Zucker, sie ist explodiert. (...) 3) Ich habe gelernt, Bomben mit Uhren, Telefon und mit Fernzündung herzustellen. Wir haben Bomben mit derartigen Mechanismen nicht explodieren lassen, aber wir haben es mit einem Mechanismus mit einer sogenannten Kontrollleuchte, also einer Taschenlampenbirne versucht, und das war erfolgreich. (...)"

In zurückliegender Zeit wurden militärische Schulungen von der Organisation auch in Syrien durchgeführt. Dies belegen die Ausführungen des DHKP-C Kämpfers S G, der in seinem Lebenslauf vom 06. Februar 2001 (Datei ID-Nr. 731 021) hierzu unter anderem Folgendes schreibt:

"(...) Ende 1997 bis Ende 1998 war ich in Syrien gewesen. (...) In Syrien wurde ich als ländlicher Guerillakämpfer geschult. (...)" Auf die Frage, ob er Kenntnisse über militärische Themen, das Benutzen von Waffen und die Herstellung von Sprengstoff habe, antwortete G im genannten Dokument folgendermaßen: "13-) (...) Ich habe Kenntnisse. Sowohl in Syrien als auch hier haben mir die Freunde das beigebracht. Benutzen und Pflege von Pistolen, Benutzen und Pflege von Automatikwaffen Kalaschnikov, Uzi und Skorpion. Benutzen von Law und Raketenwerfer. Vorbereiten von Sprengstoffvorrichtungen, Herstellung von Volkssprengstoffen. (...)"

dd. Sonstige Schulungen

Für bestimmte Aufgabenbereiche wie z. B. Spendensammlungen ist die Durchführung spezieller Schulungsmaßnahmen vorgesehen, wie ein Bericht über die "Beschlüsse der Ratsversammlung der Europaverantwortlichen (Datei ID-Nr. 740 141) zeigt. Darin heißt bei den Punkten 2 und 4 unter anderem wie folgt:

"2- KAMPAGNE: Bis zum Ende dieses Monats sollen folgende Dinge gemacht werden: - Die Schulungen sollen an den Orten abgeschlossen werden, wo sie noch nicht durchgeführt worden sind. (...) - Innerhalb von einer Woche sollen die unten genannten Gelder gesammelt werden: (...)

4- SCHULUNG: - Die Kampagnenschulungsarbeit soll an den Orten durchgeführt werden, an denen es noch nicht stattgefunden hat. (...)"

Darüber hinaus werden auch Schulungen zur Herstellung von Falschpapieren durchgeführt. Dies belegt der Bericht eines Firat vom 28. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 750 124), der neben der Aufzählung der hierzu notwendigen Materialien und Werkzeuge eine detaillierte Handlungsanweisung bezüglich der einzelnen Arbeitsschritte und folgende Feststellung enthält:

"(...) 7- Es wurde verstanden, dass die Ausweisschulung direkt an den Ausweisen, und nicht zuerst am Scanner erfolgen soll. Auf eure / Ihre Nachricht hin haben wir mit B, S, Ml und Z geübt. Alle vier haben gelernt, Ausweise zu machen. Sie werden euch / Ihnen einen Bericht schreiben, wie man das macht. Jede von ihnen hat an zwei Ausweisen den Versuch gemacht, die Folie auf dem Ausweis zu öffnen. Bei einem Teil der bearbeiteten Ausweise war das Siegel ziemlich abgerieben, bei einem Teil alt und in unbrauchbarem Zustand. Wir haben deren Personendaten genommen, sie sind ungebraucht. Wir haben uns gedacht, dass man auf Ausweisen, die unbeschrieben und nagelneu sind, diese Daten verwenden und so neue Ausweise machen kann. Wir werden sie per manuellem Code von Zeynep kodieren und zukommen lassen. (...)"

Die Durchführung von Schulungen an Computern bzw. Unterrichtungen über Verschlüsselungstechniken belegt der - bereits bezeichnete - Bericht vom 07. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 755 661). Dort heißt es im Hinblick auf "K" (auch) wie folgt:

"(...) Zusätzlich dazu haben wir Arbeiten am Computer gemacht.

Am Laptop:

1. Kodierung- Dekodierung, Tarnung, Zippen von Dateien, säubern / reinigen,

Wiederum am IPAQ

1. Übertragung / Installation eines Programms vom Laptop auf IPAQ

2. Dateierstellung, Zippen

3. wir haben auch Arbeiten wie Kodierung, Dekodierung gemacht (...)"

In einem Bericht vom 01. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 761 851) wird ebenfalls über die Vermittlung von Computerkenntnissen und Kodierungen wie folgt berichtet:

"(...) UNTERPUNKT 4- Sowohl A, als auch I wurde beigebracht, vom IPAQ PC und aus dem Internet Ordner zu holen / nehmen, zu verschicken, zu tarnen, eine Site zu öffnen, auf die Site ein Programm zu stellen und runterzunehmen. Es wurde gemeinsam mehrmals geübt. (...) Wir haben alle Teile von IPAQ und auch das Schreiben, das diesbezüglich vorbereitet wurde, übergeben. Wir haben beobachtet, ob sie es mit ihren Computerkenntnissen, die sie bis zu diesem Tage gesammelt hatten, installieren können oder nicht. Beide haben es geschafft. Damit haben sie gelernt, zu kodieren, Kodierungen aufzulösen, zu zippen, zu tarnen. (...)"

e. Schleusungen und Fälschungsaktivitäten

Die Feststellung, dass die DHKP-C ihre Rückfront auch als sicheren Rückzugsraum für Organisationsmitglieder, die in der Türkei strafrechtlich verfolgt werden oder aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft oder vorübergehend nicht mehr aktiv am dort geführten bewaffneten Kampf mitwirken können, nutzt, beruht auf den Bekundungen der Zeugen EKHK H und EKHK K. Neben dem früheren Mitangeklagten A wurde etwa auch der Angeklagte Y. mit Hilfe der Organisation aus der Türkei nach (West-) Europa gebracht und als (Führungs-) Kader der dortigen Rückfront mit neuen Aufgaben betraut.

Auch die wegen Beteiligung am Sabanci-Anschlag strafrechtlich verfolgte F E wurde von der Organisation aus der Türkei nach Europa geschleust. Dies belegt ein in den Dokumente n der belgischen Rechtshilfe enthaltener Lebenslauf Es (Asservat Nr. 3.33.83.57) in dem es hierzu unter anderem wie folgt heißt:

"14. Im Moment bin ich im Ausland. Da in der Heimat nach mir gefahndet wurde, bin ich am 13. März 1996 von der Organisation ins Ausland gebracht worden. Zuerst war ich 15 Tage in Rumänien, danach bin ich über den Landweg nach Deutschland gekommen. Ich bin einen Tag in Deutschland geblieben und danach nach Belgien gebracht worden, wo ich 1 - 1,5 Monate blieb. Danach war ich in Holland und 1 -2 Monate in Luxemburg. (...)"

Dass die in Europa tätigen Führungskader der DHKP-C in die Schleusung von Organisationsmitgliedern (im internen Sprachgebrauch der DHKP-C ausweislich eines Berichts der Europaverantwortlichen vom 23. Oktober 2003 - Datei ID-Nr. 755 792 - auch mit der Umschreibung: Sache des Herüberbringens bezeichnet) und hierzu auch in die Beschaffung und Herstellung gefälschter Personaldokumente eingebunden sind, belegt - wie vom Zeugen EKHK K bekundet - eine Vielzahl von Berichten, die in organisationsinternen TextDokumente n aus der belgischen und niederländischen Rechtshilfe enthalten sind. Auch der frühere Deutschland- und Europaverantwortliche der DHKP-C, der Zeuge E hat bestätigt, dass es - während seiner Amtszeit in den Jahren zwischen 1995 und 1999 - regelmäßig entsprechende Personentransfers aus der Türkei in die zur Rückfront in (West-) Europa gehörenden Staaten gekommen ist. Hierzu passen Darlegungen in einem organisationsinternen Bericht vom 30. August 1998 (Asservat 33.83.149), in welchem E im Hinblick auf die Vorbereitung einer geplanten Schleusung unter anderem Folgendes erklärt:

"1. Das Heft von Kadir machen wir am Montag, wenn wir es schaffen, schicken wir es am selben Tag, wenn nicht am Dienstag. Sie müssen uns nur eine Adresse geben. 2. Wenn ihr die Größe, die Haut- und Augenfarbe des 1960 geborenen Freundes angeben könnt, besorgen wir ihm ein Asylheft. (...)"

Im Einzelnen:

aa. Passbeschaffung und -fälschung

Die Vorgehensweise der Organisation bei der Herstellung bzw. Beschaffung manipulierter Ausweispapiere wird z. B. in einem Bericht des früheren Mitangeklagten D. vom 04. Juni 1998 (Asservat 33.92.66) wie folgt thematisiert:

"(...) 5- Wir versuchen jetzt, den Pass von Osman Efendi zu bekleben. Letztes Jahr hatten wir es waschen lassen. Dieses Mal meinten wir, wir machen es so. Auch wenn wir es waschen lassen sollten, wird es durch das Waschen nicht beeinträchtigt, da die Stelle der Beschädigung unter dem Kunststoff ist. Deswegen haben wir die Blätter beklebt. Es ist immer noch nicht trocken. Wenn wir es bis zum Morgen trocken bekommen sollten, werden wird morgen den Antrag für einen neuen stellen. (...)"

Aus anderen Asservaten, wie z. B. Datei ID-Nr. 734 472, ergibt sich, dass Mitglieder der Organisation mit Falschpapieren zur scheinbaren Legitimierung eines illegalen Aufenthalts oder für illegale Grenzübertritte ausgestattet werden.

In der Datei ID-Nr. 752 925 übersendet G am 25. Juli 2003 eine "Notiz von C A in Bezug auf die Durchsuchungen im Gebiet Mitte...". Sie gibt zu verschiedenen, in der Mitteilung bezeichneten, Personen erläuternde Beschreibungen ab und erklärt, wessen Pass / Ausweis (Heft) sie in der Vergangenheit bereits selbst benutzt hat.

Aus organisationsinternen Dokumente n geht weiter hervor, dass die Aufträge zur Beschaffung gefälschter Papiere im Zusammenhang mit Schleusungsvorhaben in der Regel durch die Zentrale an die Europaführung erteilt werden, die anschließend über die konkrete Umsetzung berichtet. So heißt es in der Datei ID-Nr. 734 622 in einer Notiz von A unter anderem wie folgt:

"(...) 1. Der Genosse, den wir (nach) I... rüber schleusen wollen, ist am Samstag nicht rüber geschleust worden. Einer von denen, der den Weg kennt, wo man (ihn) rüber schleusen kann, kommt nicht. Er wird am Montag geschleust werden. (...)"

Unter Punkt 10. dieses Berichts stellt "A" sodann zunächst die Frage: "Geht für die Brille der Abla ein Asylantenheft?" und schreibt anschließend wie folgt: "Für die anderen Brillen, die ihr haben wollt, habe ich erneut mit sämtlichen Gebieten gesprochen. Für eine Frauenbrille wird der gebietsverantwortliche Genosse im Norden selbst hingehen und fragen. Ich kenne ein-zwei Frauen. Ich habe verlangt, dass er zu denen geht und (mit ihnen) spricht."

Über die Aktivitäten zur Beschaffung eines Personaldokuments berichtet A auch in der Datei ID-Nr. 735 413. Dort heißt es unter Punkt 5 wie folgt:

"Für das Heft hinsichtlich einer 23-25 jährigen Frau haben sich sowohl Z, als auch T umgesehen, die Menschen mit denen sie gesprochen haben, haben es nicht gegeben, weil sie vor haben in Urlaub / in die Ferien zu fahren. In Hamburg habe ich mich umgesehen, in unserer Umgebung / unserem Umfeld gibt es keine Frau in diesem Alter, die ein türkisches Ausweispapier hätte. Es gibt Jugendliche in Österreich. Ich hab die in Österreich gefragt und die haben Nein / gibt es nicht gesagt, ich lasse heute erneut nachfragen. Wir werden erneut nachsehen."

Wie vom Zeugen EKHK K bekundet, belegen verschiedene Dokumente aus der niederländischen Rechtshilfe, dass Führungsfunktionäre der Rückfront damit befasst sind, geeignete Landsleute oder Anhänger / Sympathisanten zu finden, die bereit sind, der Vereinigung ihre Personalpapiere entweder dauerhaft oder zeitweilig zu überlassen und die entsprechenden Papiere als verloren oder gestohlen zu melden. Entsprechende Aktivitäten werden zum Beispiel in dem in den Dateien ID-Nr. 749 632, 749 638, 750 331, 750 781 und 750 818 dokumentierten Nachrichtenaustausch zwischen dem früheren Mitangeklagten A und der Europaverantwortlichen G thematisiert. Hierzu passt auch die Nachricht vom 28. November 2002 (Datei ID-Nr. 763 070), in welcher G über eine vorbereitete schriftliche Mitteilung und eine Unterredung mit der damaligen Leiterin der Region Mitte, H D (Deckname: H), wie folgt berichtet:

"(...) 11. Wir hatten mit H über die Angelegenheit mit den Heften gesprochen. In Hanau gibt es eine Frau mit Kindern, versucht wenigstens das Heft dieser Frau für eine Zeit zu bekommen. Erstens. Da er / sie für sein / ihr Heft eine Verlustanzeige erstattet hat, wird das andere Heft dringend benötigt. Versucht das von der Frau wenigstens vorübergehend zu bekommen. (...)"

Weitere Mitteilungen über die Beschaffung von Ausweispapieren bzw. den zur Fälschung entsprechender Personaldokumente benötigten Materialien sind in Berichten der Europaverantwortlichen G in den Dateien ID-Nr. 753 205, 761 830, 763 279, 763 467 und 763 998 enthalten.

Die mit der Beschaffung solcher Personaldokumente beauftragten Führungskader erhalten - wie der Zeuge EKHK K weiter dargelegt hat - entsprechend der Person, die das Dokument erhalten soll, genaue Vorgaben hinsichtlich Nationalität, Geschlecht und Alter des gesuchten Passinhabers. So heißt es etwa in einer Notiz der Europaverantwortlichen G an A (Deckname: N) vom 27. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 750 818) hierzu wie folgt:

"5- Ich habe irrtümlicherweise 46erHeft geschrieben. Eigentlich sollte es ein 50er sein. Es kann jedoch ein paar Jahre jünger oder älter sein. (...)"

Je nach beabsichtigtem Verwendungszweck wird - wie der Zeuge EKHK K glaubhaft bekundete - darüber hinaus auch die Art des benötigten Personaldokumente s - internationaler Reiseausweis für Asylberechtigte, Reisepass bzw. türkischer Personalausweis - genau vorgegeben. Die Verfälschung der auf diesem Wege erlangten Papiere wird Führungskadern der Rückfront übertragen, von denen zumindest einzelne über die hierzu notwendigen Fertigkeiten verfügen. Hierzu gehörte beispielsweise auch der Funktionär A Er. Dieser erklärt in seinen "Antworten auf die Fragen zum Lebenslauf" in der Datei ID-Nr. 731 226 zu seinen Kenntnissen und Fähigkeiten unter anderem Folgendes:

"(...) Gemeinsam damit hat Mehmet A für diese Freunde die notwendigen Hefte klargemacht, die ich abgeholt und mit dem H zusammen angefertigt habe. Der H hat mir die Sachen beigebracht, die ihm über diese Sache bekannt waren. Manchmal hat er die von mir angefertigten Hefte kontrolliert. Wenn er damit einverstanden war, haben wir sie benutzt. Wenn die Hefte fertig waren, waren auch die Freunde bereit gewesen, die in die Heimat zum Kämpfen gehen wollten. (...)"

Die eigenhändige Fälschung von Ausweispapieren wurde von der Europaverantwortlichen zuvor bereits in einem Bericht vom 19. Januar 2003 (Datei ID-Nr. 750 805) in folgendem Zusammenhang thematisiert:

"4- Ich habe nicht verstanden, warum der H den Personalausweis nicht machen konnte. (...) Ich hatte es in der Heimat einmal für mich selbst gemacht. Ich kann es noch einmal probieren. Ich habe jedoch gezweifelt, ob ich es machen kann. (...)"

Dazu passen auch die Äußerungen der Europaverantwortlichen vom 23. Januar 2003 (Datei ID-Nr. 748 826), in der sie unter der Überschrift: "B- Seine / ihre Antwort bezüglich der Herstellung eines Ausweises" Folgendes berichtet:

"Ich habe Pässe gemacht und (sag,) kann (er) auch diesen machen. Ich habe mir den Ausweis angesehen, das PVC geht nur schwer ab. Als außerdem der H gesagt hat, ich kann es nicht machen, habe ich offen gesagt mir nicht vertraut."

Am 26. Januar 2003 (Datei ID-Nr. 750 774) schreibt G wie folgt:

"(...) Für mich habe ich in der Heimat den Personalausweis (Nüfus) selbst angefertigt. Nachdem ich das einige Male ausprobiert habe, konnte ich es machen. Ich habe Angst davor, es kaputt zu machen, weil wir ihn schwer gefunden hatten. Asylausweise fertige ich selbst an. (...)"

Dass auch Personen außerhalb der DHKP-C mit Ausweismanipulationen beauftragt werden, wird ebenfalls durch organisationsinterne Dokumente belegt. So teilt z. B. die Europaverantwortliche in ihrem Bericht vom 21. Januar 2003 (Datei ID-Nr. 751 322) unter anderem Folgendes mit:

"1- Servet hat jemanden gefunden, der Ausweise macht. Dort können wir es machen lassen. (...)" Wenige Tage später informiert G in ihrem bereits bezeichneten Schreiben vom 26. Januar 2003 (Datei ID-Nr. 750 774) über einen namentlich nicht benannten Inhaber einer Autowerkstatt, bei dem man gegen Bezahlung "... Ausweise machen lassen kann ...".

Die Einbindung der Regions- und Gebietsverantwortlichen in entsprechende (Fälschungs-) Aktivitäten belegen die in den Dateien ID-Nr. 734 619, 748 630, 749 631, 749 632, 749 638, 750 331, 750 781, 763 474 und 763 743 enthaltenen Berichte.

In technisch-praktischer Hinsicht erfolgt die (Ausweis-) Manipulation im Regelfall durch Lichtbildauswechslung. Die generelle Vorgehensweise belegt detailliert eine in der Datei ID-Nr. 750 124 enthaltene Anleitung, wie bei der Herstellung (Verfälschung) eines Ausweispapiers zu verfahren ist. Unter dem Datum "28. Juni 2003" übermittelt dort eine Person unter der Bezeichnung FIRAT unter anderem einen "Bericht bezüglich technischer Themen". Darin wird unter Punkt A) die "Herstellung eines Ausweises" beschrieben. Nach allgemeinen Vorbemerkungen zur Auswahl und Gestaltung des Arbeitsplatzes zählt FIRAT die benötigten Materialien auf:

"(...) Stahlkitt und Bindemittel (oder Karosseriekitt) .Ausweis .Zwei Lichtbilder (eines davon als Ersatz) .Lineal .Schere und Teppichmesser .Klebeband .elektrischer Heizer mit Widerstand .Transparentpapier .gespitzter Bleistift .PVC und Bügeleisen .eine gebogene Zange oder etwas Ähnliches, um den Ausweis halten zu können .eine Stecknadel mit farbigem Kugelkopf oder ein Utensil, das diese Funktion hat .Pritt und Uhu Kleber (...)"

Anschließend wird detailliert dargelegt, welche Arbeitsschritte erforderlich sind, um in einem Auspapier ein Lichtbild auszuwechseln.

Zur Nachahmung von Eintragungen der passausstellenden Behörden beteiligten sich Führungsfunktionäre der Rückfront an der Beschaffung von Präge- und Feuchtsiegeln, die - wie gezeigt - organisationsintern konspirativ als sogenannte Warm- oder Heiß- bzw. Kaltstempel bezeichnet werden. So berichtet G in ihrem Schreiben vom 16. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 753 205) detailliert und ausführlich über den Umgang mit entsprechenden Gegenständen und schreibt dabei unter anderem:

"(...) - Am 9. August wurden zum Bus 2 Kalt- und 2 Warmstempel für Ausweise und 2 Kalt- und 2 Warmstempel für Zeitungen, insgesamt 8 Stück gebracht. Ayse hat sie gebracht. (...) B- Die zuletzt geschickten sind die Kalt- und Warmstempel im Zusammenhang mit Heften. (...)"

Dass die DHKP-C und ihre an der Rückfront agierenden Funktionäre dazu in der Lage sind, entsprechende Siegel (Stempel) zu beschaffen, belegt die Datei ID-Nr. 761 911. Dort schreibt G am 31. Mai 2003 unter Punkt 3 ihres Berichts Folgendes:

"Bezüglich des Punktes der mit dem Satz beginnt: Deine Notiz - Servet hat ein mit Stuttgart unterschriebenes Kaltsiegel einbezahlt: - Ich habe das Kaltsiegel das Servet hat anfertigen lassen an den Zug geschickt. Ein heißes Siegel hatten wir nicht herstellen lassen, wir können es jedoch herstellen lassen. - Es gibt die Möglichkeit es für Geld machen zu lassen. - Wir haben ein Kaltsiegel für 200 - zweihundert eu machen lassen. - Wer diese Beziehung ist, weiß ich nicht. Es war eine Beziehung, die wir mit Hilfe von A E gefunden hatten, dies sind Leute, die er aus dem Gefängnis und aus den bekannten Kreisen kennt und die diese Sache für Geld machen. Es gibt Niemanden außer Servet, der kennt, der wiederum hatte es von A. E erfahren."

Aus einer - von der Europaverantwortlichen am 30. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 761 902) übermittelten - Notiz des früheren Mitangeklagten A (Deckname: B) geht hervor, dass organisationsintern ein Kaltstempel angefertigt und hinterlegt wurde. Im Bericht vom 18. Mai 2003 (Datei: Export-3/Unallocated Clusters~387) heißt es hierzu wie folgt:

"11- E lässt einen Kaltstempel machen, er holt ihn am Donnerstag ab. 200 Euro. 100 Euro hat er gezahlt. Er hat es vom Kassettengeld bezahlt. Außerdem werden Feuchtstempel gemacht. (...)"

In ihrer Nachricht vom 15. Juli 2003 (Datei: Export-5/Unallocated Clusters~616) berichtet G über eine von A erhaltene "Anmerkung" wie folgt: "- Die Stempel sind fertig... (...) Insgesamt 8 Stempel, 4 heiße, 4 kalte- 1350 Euro..."

Organisationsinterne Dokumente belegen ferner, dass die zu fälschenden bzw. gefälschten Personaldokumente in der Regel konspirativ an die jeweiligen Adressaten / Empfänger weitergeleitet werden, wobei teilweise Depots zur Zwischenlagerung und Kurierpersonen für die Übergabe genutzt bzw. eingesetzt werden. So heißt es in einem Bericht von A in dem Dokument mit der Datei ID-Nr. 734 619 unter anderem wie folgt: "... 15- die 41`er Männerbrille wird T morgen am Puffer lassen... Ich sage euch Bescheid, wenn abgegeben wurde. (...)" In der Datei ID-Nr. 740 214 wird von A unter anderem Folgendes berichtet:

"19- Der Pass von Sadik wurde aus dem Tampon / aus der Stoßstange herausgenommen. Außerdem haben wir auch den Pass, den ihr / sie zurückgelassen habt / haben, genommen. (...)"

Am 18. Dezember 2002 schreibt G unter Punkt 7. ihrer Mitteilung (Datei ID-Nr. 763 014) Folgendes: "Das Heft, das zur Bearbeitung geschickt wurde, hat Fir... heute mitgenommen.". Eine weitere Notiz Gs vom 21. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 998) enthält unter Punkt 3. und 4. folgenden Text:

"3-Bei der Abendveranstaltung wollte Ihnen Z ein Foto und Yavuz ein Heft geben... Nur Sie sollten das wissen und anfertigen lassen. Sie sollten das verschlossen zur Hochzeit von Z bringen und H übergeben.

4- Beim angefertigten Männerheft gab es auch einen Personalausweis, der nicht zurückgekommen sein soll. Ist er verloren gegangen. Sie sollten das noch einmal kontrollieren."

In dem Dokument mit der Datei ID-Nr. 763 533 erteilte G am 25. Dezember 2002 unter anderem folgende Anweisung:

"(...) Geben Sie das Frauenheft an H und sagen Sie ihm, er soll es nicht verlieren. Er soll darauf aufpassen. Ich werde ihn auch darauf hinweisen. Wenn das 2. Photo nicht notwendig ist, dann schicken Sie auch das Photo. Verpacken Sie das Photo und Heft so, dass man sie nicht erkennt. (...)"

In dem Dokument mit der Datei ID-Nr. 761 830 berichtete G am 29. Mai 2003 unter anderem wie folgt:

"5. Die abgeschaffte / gekündigte Zeitung werde ich auch zum Zug schicken. Ein Genosse wird die Zeitungen, das Prägesiegel, das wir haben machen lassen und das Bild zur Eisenbahn mitnehmen. (...)"

bb. Schleusungen

Die Verwendung gefälschter Ausweispapiere für Schleusungen von Organisationsmitgliedern wird ebenfalls durch - aus der niederländischen Rechtshilfe stammende - Berichte der Europaverantwortlichen bzw. nachgeordneter Funktionäre bestätigt. So wird beispielweise in den Dateien ID-Nr. 734 641, 734 660, 749 637, 750 553, 750 791, 751 686 und 763 419 über die erfolgreiche Schleusung einer Person mit dem Decknamen K von Deutschland nach Italien informiert. K war im Jahre 2000 - wie sich aus dem Schreiben As vom 24. Mai 2000 (Datei ID-Nr. 734 660) ergibt - im Gebiet von Duisburg als ZeitschriftVerkäufer für die DHKP-C aktiv. Es wird mitgeteilt, dass K, der den "... organisierten Kampf ein bisschen gelernt" habe, "bis zum Schluss Revolutionismus betreiben" und ein Kämpfer werden wolle. In ihrem Bericht vom 11. Mai 2000 (Datei ID-Nr. 734 641) übermittelt A Protokolle der Komiteeversammlung und teilt darin unter der Rubrik "4- KADERBILDUNG" mit, dass K 18 Jahre alt, Asylant aus Corum und "zu allem bereit sei". Ergänzend heißt es in einer weiteren Mitteilung (Datei ID-Nr. 735 830) über K wie folgt:

"(...) Er ist jemand, der mit 15 Jahren aus wirtschaftlichen Gründen gekommen ist. Er hat die Grundschule besucht und ist sektiererisch. Seine Stimmung wird schnell getrübt. Politisch ist er ganz weit zurück."

Am 07. Oktober 2002 berichtet G (Datei ID-Nr. 763 419 / 751 686) unter anderem über ein Treffen / Gespräch mit Z und führt in diesem Zusammenhang aus:

"Sie werden (für) K einen Ausweis und eine Zeitung finden. (...) K soll sich ziemlich gefreut haben, er wird mit niemandem darüber sprechen, dass er gehen wird. (...)"

Ende November 2002 (Datei ID-Nr. 763 279) bestätigt die Europaverantwortliche, dass man "das Heft für K machen" lasse und erfragt Instruktionen für die weitere Vorgehensweise nach Fertigstellung des Ausweises. In ihrer Notiz vom 17. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 750 553) berichtet G, dass die im Bericht vom 07. Oktober 2002 bezeichneten Unterlagen nunmehr vorliegen.

Am 25. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 749 637) unterrichtet die Europaverantwortliche die Organisationsführung über den weiteren Fortgang der Schleusung Ks unter Punkt 7 ihrer Mitteilung wie folgt:

"Wir können K AM SONNTAG ZUM STIEFEL rüberbringen. Ich habe sowohl Eser, als auch Kadir geschrieben. Ich denke, wir können es bis Sonntag schaffen." In einer weiteren Nachricht vom 27. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 749 681) teilt die Europaführung ergänzend mit, dass "(...) K morgen dorthin zu den K und am Sonntag zu der von ihnen / euch genannten Anschrift mit einer Eskorte (...)" gebracht werde. Entsprechend dieser Ankündigung wurde die Schleusung Ks sodann am 02. März 2003, einem Sonntag, mit Erfolg abgeschlossen. Dies bestätigt die Europaverantwortliche "G" in ihrem Bericht vom 02. März 2003 (Datei ID-Nr. 750 791) mit folgenden Worten: "15- K haben wir heute zum Stiefel rübergebracht. Kein Problem. (...)"

Aus einer Nachricht vom 07. März 2003 (Datei ID-Nr. 751 622), in welcher unter anderem über Fernsteuerungen per Telefon, Codierungslisten und Sprengstoffe bzw. eine USBV (Seifen / Schaum) berichtet wird, ergibt sich ferner, dass die als K bezeichnete Person von Italien aus zeitnah an einen anderen Stützpunkt der DHKP-C verbracht wurde, um von dort agierenden Einheiten der Organisation für die Durchführung weiterer Aufgaben vorbereitet zu werden.

Über eine für illegale Grenzübertritte geeignete (Reise-) Route bei Personentransfers aus der Türkei nach Europa berichtet die Europaverantwortliche unter Bezugnahme auf eine Mitteilung des früheren Mitangeklagten A (Deckname: B) in einem Schreiben vom 10. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 755 134) wie folgt:

"(...) ´Der arabische Freund hat für uns ein Männerheft mit folgenden Besonderheiten gefunden: Jahrgang 1970, irakischer Staatsangehöriger, mit Aufenthaltserlaubnis von 5 Jahren für Holland. Mit diesem Heft ist vor einem Monat eine Person aus der Türkei über den Süden Zyperns problemlos nach Holland gekommen. Auf dieser Linie soll es sowieso keine Kontrollen geben. Sie haben sich das Heft nicht angeschaut. Nützt uns dieses Heft? (...)"

Die Schleusung von Personen und damit zusammenhängende Probleme werden überdies in einer Notiz der Europaverantwortlichen vom 23. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 755 792) ausführlich thematisiert. G teilt mit, dass sie "C A bezüglich der Sache des Herüberbringens geschrieben" habe. Dessen Antwort wird unter anderem wie folgt wiedergegeben:

"A) Bis jetzt ist es bei der Sache mit dem Herüberbringen nur einmal zu einem Problem gekommen. Bis jetzt haben wir das dutzende Male gemacht. Wir haben das immer organisiert und penibel gemacht, damit es von keinem Zufall abhängt. (...) Wenn man die Menschen nicht über die Grenze zur Schweiz, sondern Schengen gebracht hat, verlieren sie den Weg und müssen nachts in Hotels unterkommen. Du weißt, dass man solche Übertritte in Europa erlebt. (...) b- Wenn Du sagst, dass Menschen unterwegs verloren gehen. Beim Abholen von Ö und Y hat man ein Problem erlebt. Ich habe keine direkte Verbindung zu den Kurieren, die sie gebracht haben. Ich teile den Treffpunkt E mit und er sagt das dem Kurier. Der Kurier, der sie gebracht hat, ist eine Person aus dem Gebiet von R. Er hat es R gesagt. R hat den Treffpunkt durcheinander gebracht und dem Kurier den Namen des vorherigen Ortes genannt. Aus diesem Grund haben wir beim ersten Termin an unterschiedlichen Orten gewartet und konnten sie nicht abholen. Am nächsten Tag haben wir erfahren, wo sie sich aufhalten. Sie haben eine Nacht in einer Pension verbracht. Später dann habe ich E gefragt, warum das so geschehen ist. Wir haben niemanden verloren."

Die Mitwirkung von Schleuserorganisationen bzw. gewerbsmäßig agierenden Schleuserbanden bei unerlaubten Personentransfers der DHKP-C belegt ein Bericht der Europaverantwortlichen vom 10. November 2002 (Datei ID-Nr. 751 593). Dort heißt es im Zusammenhang mit der Wiedergabe des Lebenslaufs eines C T unter anderem wie folgt:

"(...) Ich ging mit gefälschtem Pass und Ausweis ins Ausland. Mit dem gefälschten Pass erhielt ich ein ungarisches Visum, welches die Schleußerorganisation organisiert hatte. Bis Ungarn, Rumänien kam ich mit dem Bus. Von Rumänien aus fuhr ich mit dem Zug. Ich reiste im Juni 2002 aus der Türkei. Von Ungarn ging ich nach Österreich zu Fuß über die Grenze. An der österreichischen Grenze wurde ich von Soldaten gefasst. Ich war zwei Monate im Gefängnis von Innsbruck."

In dem anschließend angeführten Lebenslauf eines H U heißt es unter Punkt "Ausland: (...) 2." wie folgt:

"Ich bin am 07.01.2002 ausgereist und mit einem LKW hierhergekommen. Ich habe 7.000 Mark ausgegeben. Ich bin mittels einer Schleußerbande gekommen."

Über die Realisierung einer durch Geldzahlung an eine Schleuserbande erfolgten illegalen Ausreise aus der Türkei wird auch in dem Lebenslauf des T E, der sich unter anderem in einer (SDB-) Kampfeinheit für die DHKP-C bzw. die Dev Sol betätigt hatte, berichtet (Datei ID-Nr. 749 789).

IV. Weitere Entwicklung der DHKP-C

Dass sich an den bezeichneten Strukturen, Zielsetzungen und Aktivitäten der DHKP-C bis zuletzt nichts Wesentliches geändert hat, belegt die zum Jahrestag der Parteigründung verbreitete Erklärung Nr. 38 der DHKP vom 25. März 2008. Diese wurde - wie der Zeuge KHK M bekundete - auf der Seite www.dhkc.org im Internet sowohl in türkischer wie auch deutscher Sprache veröffentlicht. Dort heißt es unter anderem wie folgt:

"(...) Es war im Mai 1971, als UNSERE FÜHRENDEN GENOSSEN dieses Flugblatt veröffentlichten. Seither hat sich im Bezug auf den Hauptfeind, auf das Ziel des revolutionären Kampfes in der Türkei und die grundlegende revolutionäre Strategie nichts Wesentliches geändert. Ebenso wenig hat sich an unserer Behauptung und Entschlossenheit als Misten-Leninisten, den Imperialismus zu vertreiben und die oligarchische Regierung zu stürzen, geändert. (...) Die 38 Jahre, die sich von der THKP-C bis zur DHKP-C erstrecken, bedeuten Stabilität und Entschlossenheit. (...) Die revolutionäre Linie, die sich von der THKP-C bis zur DHKP-C erstreckt, ist eine Machtlinie. Wir werden früher oder später die Macht erlangen; in diesem Land wird früher oder später die REVOLUTIONÄRE MACHT DES VOLKES errichtet werden.(...)"

Dies steht im Einklang mit den Bekundungen des Zeugen EKHK B, der angegeben hat, dass es bei den Aktivitäten der Organisation in der Türkei keinen Abbruch gebe. Die DHKP-C halte vielmehr an ihrer Zielsetzung und damit auch am bewaffneten Kampf aktuell unbeirrt fest. So komme es immer wieder zu polizeilichen Festnahmen von Organisationsmitgliedern, die sich - durch Sachbeweise belegt - mit der Vorbereitung von Anschlägen / Attentaten mit (Schuss-) Waffen und Sprengstoffen befasst oder entsprechende "Aktionen" durchgeführt hätten. In diesem Zusammenhang sei auch die Fortdauer organisationsinterner Ausbildungsmaßnahmen an hierfür geeigneten Standorten wie etwa Griechenland festgestellt worden. Die DHKP-C verfüge weiter über das für die jederzeitige Durchführung gewalttätiger / bewaffneter "Aktionen" erforderliche Personal sowie die hierbei benötigte Ausrüstung. Von einer bereits erfolgten oder bevorstehenden Auflösung der Organisation könne daher nicht gesprochen werden.

Die feste Entschlossenheit der Organisation, ihren bewaffneten Kampf in der Türkei zur Beseitigung des dortigen Regierungs- und Gesellschaftssystems fortzuführen, belegt auch folgende - ebenfalls in der bezeichneten Verlautbarung Nr. 38 enthaltene - Formulierung:

"(...) Als Volksbefreiungsfront erklären wir: 1- Der einzige Weg, um die Herrschaft des amerikanischen Imperialismus und die Regierung seiner ansässigen Knechte, der ausbeuterischen Klassen zu stürzen und die Unabhängigkeit zu gewinnen ist der bewaffnete Befreiungskrieg. 2- Die Volksbefreiungsfront der Türkei ist entschlossen zu kämpfen, bis der amerikanische Imperialismus und seine Hunde aus dem Land vertrieben sind und ... ihren Krieg unter allen Bedingungen fortzusetzen. 3- Die Feinde der Volksbefreiungsfront der Türkei sind die amerikanischen Imperialisten, die FIzKapitalisten, die Großgrundbesitzer, Makler und Wucherer, die pro-amerikanischen Soldaten und zivilen Bürokraten und alle Feinde des Volkes. 4- Die grundlegende Aufgabe der Volksbefreiungsfront der Türkei ist es, die Feindesfront der amerikanischen Imperialisten und deren Verbündeter zu zerschlagen und zu stürzen. (...)"

Entsprechende Proklamationen mit weitgehend übereinstimmendem Inhalt finden sich überdies in den vorangegangenen (Jahres-) Erklärungen der DHKP vom 30. März 2004 sowie 29. März 2005, die ebenfalls im Internet auf einer (Web-) Seite, die der Organisation zuzuordnen ist (www.dhkc.org), verbreitet wurden.

Anhaltspunkte dafür, dass die auf dem (Partei-) Gründungskongress der DHKP-C verabschiedete Programmatik abgeändert worden wäre, liegen nicht vor. Wie die Zeugen RD V und EKHK K übereinstimmend bekundet haben, konnte die Durchführung eines weiteren Parteikongresses nicht festgestellt werden. Der Senat ist daher überzeugt, dass die im Jahre 1994 gefassten Grundsatzbeschlüsse der Organisation und die darin enthaltenen Vorgaben seit diesem Zeitpunkt uneingeschränkte Gültigkeit haben.

Das Fehlen struktureller Veränderungen in der (west-) europäischen Rückfront der DHKP-C wurde schließlich durch den Zeugen KHK Sch bestätigt. Dieser war - wie er glaubhaft bekundet hat - beim Bundeskriminalamt mit der Auswertung von Asservaten (Datenträger und schriftliche Unterlagen), die in einem laufenden Strukturverfahren betreffend die DHKP-C sichergestellt wurden, befasst. Hierbei habe er - bezogen auf den Zeitraum von Anfang 2008 bis November 2008 - unter anderem die Erkenntnis gewonnen, dass es nach wie vor Gebietsstrukturen gebe, in denen von der Organisation Geld- bzw. Spendensammlungen durchgeführt werden. Im Zuge der Ermittlungen seien von der Polizei entsprechende Geldsummen sowie Notizzettel mit Auflistungen von gesammelten Beträgen aufgefunden worden. Auch finde weiterhin ein Verkauf organisationsinterner Publikationen wie z. B. der wöchentlichen erscheinenden Zeitschrift Yürüyüs statt. Darüber hinaus habe man auch die Fortdauer von Schulungsaktivitäten der Organisation wie beispielsweise die Durchführung von Picknicks festgestellt. Insoweit sei die Situation "so wie in den vergangenen Jahren auch".

Die unverminderte Fortsetzung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei belegt nach Überzeugung des Senats die anhaltende Durchführung von Anschlägen und Attentaten. Wie bereits dargestellt, gehörte hierzu neben den im Jahre 2007 - mittels Bomben und Brandsätzen - verübten Angriffen auf mehrere (öffentliche) Gebäude auch der am 29. April 2009 erfolgte Angriff auf den früheren Justizminister der Türkei, H Sami Türk. Die DHKP-C hat hierdurch unter Beweis gestellt, dass sie nach wie vor über die zur Durchführung von bewaffneten Anschlägen und Attentaten notwendigen personellen und sächlichen Ressourcen verfügt und diese auch zum Einsatz bringt.

V. Einbindung der einzelnen Angeklagten

1. Angeklagter G.

Der Senat ist davon überzeugt, dass dem Angeklagten G. die Programmatik der DHKP-C bekannt war. Er billigte mithin auch deren bewaffneten Kampf in der Türkei und förderte diesen durch seine Betätigung als Führungsfunktionär an der Rückfront.

a. Verwendung von Decknamen

aa. C

Der Angeklagte G. verwendete in seiner Zeit als Bölgeleiter für das Gebiet Kassel den Decknamen C.

Insoweit folgt der Senat nach eigener Prüfung den zutreffenden Feststellungen des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. in dem gegen den Angeklagten G. ergangenen Urteil vom 21. Oktober 2004 (Az.: 5 OJs 5/00 - 2/02). Diese decken sich mit den Erkenntnissen aus der niederländischen Rechtshilfe; so berichtet die Europaverantwortliche am 30. Januar 1999 an die Führung über einen C in Kassel sowie am 23. Mai 2000 über einen C, der 26 Jahre alt sei und in Kassel eine Arbeit durchführe (Dateien ID-Nr. 740 199 und 734 660). Weiter stehen sie in Einklang mit den Ausführungen des Zeugen RD V, BfV, der bekundete, der Angeklagte G. habe nach den dortigen Erkenntnissen die Decknamen C und C geführt. Schließlich wird der Deckname C auch im Behördengutachten des BND vom 17. September 2007 genannt.

bb. M

Während seines 4-monatigen Aufenthaltes im Zeitraum von Mitte 2000 bis Anfang 2001 bei der Europaverantwortlichen führte er für kurze Zeit den Decknamen M - hierzu mehr im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung zum Aufenthalt bei dieser (vgl. nachf. b. bb.).

cc. C

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist weiter erwiesen, dass der Angeklagte G. ab ungefähr März 2001 und auch im Tatzeitraum den Decknamen C führte.

Diese Feststellung basiert zunächst auf den Angaben des Zeugen H H. Dieser hat glaubhaft bekundet, dass er den Angeklagten G. unter dem Decknamen C kennen gelernt hat. Er wiedererkannte ihn auch in der Hauptverhandlung als C. Bei vorgehaltenen Telefongesprächen im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Waffentransports Erkannte er ihn in der Hauptverhandlung als seinen damaligen Gesprächspartner eindeutig wieder. Auch die Ehefrau des H H, die Zeugin Berrin H, und dessen Schwager, der Zeuge Mete T, wiedererkannten den Angeklagten G. als diejenige Person, die sie als C anlässlich der Besuche kennen gelernt hatten. Darüber hinaus belegt der organisationsinterne Nachrichtenaustausch, dass es sich bei der Person C, die den Kontakt zum Zeugen H hielt, nachdem die Kurierfahrt gescheitert war, um den Angeklagten G. handelt. Hierzu mehr im Rahmen der Beweiswürdigung zum Waffentransport mit dem Kurier H.

In mehreren Dokumenten aus der niederländischen Rechtshilfe werden weitere Umstände geschildert, die den sicheren Rückschluss auf den Angeklagten G. zulassen, beispielsweise wird mehrfach das gegen ihn anhängig gewesene Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. thematisiert. So schreibt die Deutschland- und Europaverantwortliche am 22. Juni 2003 - deren Urheberschaft ergibt sich eindeutig aus dem Kontext, zumal sie über Anweisungen an und Berichte von Führungsfunktionären aus sämtlichen Gebieten berichtet - an die Führung unter anderem Folgendes (Datei ID-Nr. 750 271):

"2- C hatte einen Prozess. Sein Prozess wurde von dem Verfahren, in dem übrige (die anderen) Freunde angeklagt waren, getrennt. Man soll gesagt haben: Entweder Du gestehst, dass Du Verantwortlicher für Frankfurt bist, und wir geben Dir Bewährung, oder wenn Du das nicht akzeptierst, wirst Du 29 Monate einsitzen. Der Anwalt von C soll gesagt haben, dass man die Bewährung akzeptieren solle. Ich habe verlangt, dass C mit K spricht. (...)"

Die Information, dass das (richtigerweise: die) Verfahren gegen die ursprünglichen Mitangeklagten abgetrennt worden war(en), ist zutreffend; dies erfolgte durch Beschlüsse des Landgerichts Frankfurt a. M. vom 02. Mai 2002, das die beiden Verfahren, wie ausgeführt, dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. vorlegte. Wie die Anklagen, das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. gegen den Angeklagten G. und die weiteren Urkunden zur Terminierung und Verhandlung der Strafsache belegen, hatte "sein Prozess" im Zeitpunkt des Berichts noch nicht stattgefunden. Die Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. wurde durch Verfügung des Vorsitzenden vom 24. März 2003 ab 08. Juli 2003 terminiert; dies erfolgte nach Rücksprache des Senatsvorsitzenden mit dem Büro des (auch damaligen) Verteidigers des Angeklagten G., Rechtsanwalt F. Schließlich war eine Abkürzung des Verfahrens auch Gegenstand von Erörterungen in der Hauptverhandlung vom 08. Juli 2003 und ein Geständnis des Angeklagten G. nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. auch Grund für die Verhängung einer Bewährungsstrafe.

Die Zeugen KHK F, KHK A, KOK M, KOK Gr und R bekundeten, dass in dem ursprünglich gegen den Angeklagten und andere DHKP-C-Mitglieder geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Koblenz am 09. und 15. Juli 2003 eine Vielzahl von Wohn- und Vereinsräumen durchsucht wurden (eine Tasche des Angeklagten G. wurde am 09. Juli 2003 in der Wohnung des A C sichergestellt, hierzu später mehr). Am 15. Juli 2003 sollte aber auch, wie die Verfügung des Vorsitzenden des 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. vom 24. März 2003 belegt, ein Fortsetzungstermin in der Strafsache gegen den Angeklagten G. stattfinden, zu dem der Angeklagte dann aber nicht erschien. Auch dies ist Gegenstand folgender Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe:

Am 15. Juli 2003 gibt Zeynep "Notizen von G" vom Vortag weiter. Unter "M6" heißt es dort (Datei ID-Nr. 752 203):

"Notiz von S a:

A- Die Durchsuchungen haben mit uns zu tun.

B- Soll C morgen zur Verhandlung kommen?"

Am 24. Juli 2003 berichtet die Europaverantwortliche unter anderem zu der von ihr befürchteten Gefahr, C könne verhaftet werden (Datei ID-Nr. 754 559):

"Wenn sie ernsthaft eine Operation durchgeführt und C verfolgt hätten, dann hätten sie gemerkt, dass C aus dem Gebiet weggegangen ist. Entweder lassen sie C wegen des Ereignisses mit dem Pizzabäcker bewusst draußen, oder sie haben C nicht speziell observiert, weil sie gedacht haben, sie könnten C unter allen Umständen in einer der durchsuchten Wohnungen / Häuser mitnehmen. Am Tag der Operation sollte die Verhandlung von C stattfinden."

Am 02. September 2003 berichtet G (Datei ID-Nr. 754 553): "Die Wohnung / das Haus der Familie von C ist in Köln".

Auch die Nachrichten der Europaverantwortlichen vom 14. und 17. September 2003 (Dateien ID-Nr. 753 666 und 754 118) belegen die Identität des C (vgl. nachf. b.bb.).

Diese Erkenntnisse werden bestätigt durch Gespräche aus Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, die mit dem bzw. über den Angeklagten G. - ohne Nennung des Klarnamens - geführt worden sind; im Einzelnen:

Zwei Gespräche vom 13. Juni 2002 um 09:06 und 09:10 Uhr (Gesprächsnummern 494 und 495, TKÜ C) belegen, dass üblicherweise der Angeklagte G. diesen Anschluss nutzte. Im ersten Gespräch (Nr. 494) erwartet der Anrufer, der von einem Festnetzanschluss mit Kölner Ortsnetzrufnummer anruft, dass er mit C sprechen würde. Wider Erwarten meldet sich aber ohne Namensnennung eine dritte Person, was der Anrufer auch bemerkt und fragt: "Wo ist C?" Hierauf antwortet der Angerufene: "Eine Minute, ich gebe ihn dir, A." Auf die Aufforderung des Anrufers, dies "schnell" zu tun, hört man den Angerufenen "C" rufen. Danach bricht die Verbindung ab. Kurz darauf erfolgt von derselben Rufnummer ein erneuter Anruf (Nr. 495). Nun nimmt der Angeklagte G. (ohne Namensnennung) das Gespräch entgegen, woraufhin keine Rückfragen erfolgen und der Anrufer ohne weitere Erläuterung erklärt, er werde gegen 11 Uhr da sein, was der Angeklagte G. mit "Elf? Alles klar. (...) In Ordnung, wir sehen uns." bestätigt.

Überdies wird der Angeklagte G. in mehreren Gesprächen ausdrücklich mit "C" angesprochen; hierbei werden jeweils Treffen oder Abstimmungen zu anstehenden organisatorischen Aktivitäten besprochen. Beispielsweise in folgenden:

- Gespräch vom 25. März 2002

Der Anrufer, der von einem Festnetzanschluss mit Mannheimer Ortsnetzrufnummer anruft, begrüßt den Angeklagten G., der sich mit "Ja, bitte?" meldet, mit den Worten "Hallo, guten Tag C!" und erklärt, er sei seit dem Vorabend in Mannheim; C sagt, er befinde sich in Wiesloch, es könne sein, dass sie in Kürze in die Gegend kämen (Gesprächsnummer 80, TKÜ C);

- Gespräch vom 11. Mai 2002

Der Anrufer, der von einem Festnetzanschluss mit Mannheimer Ortsnetzrufnummer anruft, fragt den Angeklagten G. "C, hast du dich auf den Weg gemacht?", woraufhin dieser antwortet: "Ich habe mich dem Rathaus genähert. Ich bin in zwei Minuten dort." (Gesprächsnummer 328, TKÜ C);

- Gespräch vom 11. Juli 2002

Der Anrufer, der von einem Festnetzanschluss mit Kölner Ortsnetzrufnummer anruft, gibt das Gespräch auf die Bitte des Angeklagten G. an eine dritte Person weiter; diese spricht den Angeklagten G. zwar nicht sogleich, aber im Verlauf des Gesprächs im Zusammenhang mit der bestimmenden Aufforderung ("Aber erledige dies unbedingt, C."), für eine Demonstration am Samstagabend "mit einen Mann" eine Genehmigung einzuholen, einmal direkt mit seinem Decknamen an (Gesprächsnummer 630, TKÜ C);

- Gespräch vom 04. August 2002

Der Angeklagte Y., der von einer Kölner Ortsnetzrufnummer anruft, wird von dem Angeklagten G. beim Weiterreichen des Telefons an T ("Ich gebe Dir mal den T...") ausdrücklich als K A bezeichnet ("Das ist K A, ich überreiche" - zu den Decknamen des Angeklagten Y. später mehr); im weiteren Gespräch bittet der Angeklagte Y. seinen Gesprächspartner T, ihm wieder "den C" zu geben (Gesprächsnummer 833, TKÜ C);

- Gespräch vom 12. August 2002

Der Angeklagte G. meldet sich mit "Ja, bitte?" und wird vom Anrufer, der von einem Festnetzanschluss aus dem Vorwahlbereich Mannheim anruft, mit den Worten begrüßt: "Hallo. Guten Tag, C." (Gesprächsnummer 874, TKÜ C);

- Gespräch vom 13. September 2002

Der Anrufer meldet sich von einer Kölner Ortsnetzrufnummer; der Angeklagte G. wird im Verlauf des Gesprächs ausdrücklich mit C angesprochen. Der Angeklagte G. fragt, ob er von seinem Landsmann, "der an meiner Seite", angerufen worden sei; als der Anrufer mit "Nein!" antwortet, fragt der Angeklagte G.: "M hat nicht angerufen?" (Gesprächsnummer 1120 TKÜ C);

- Gespräch vom 25. Januar 2003

Der Anrufer, der das Gespräch von einer Mannheimer Ortsnetzrufnummer aus führt, spricht den Angeklagten G. bei der Begrüßung und ein weiteres Mal im Verlauf des Gesprächs ausdrücklich mit C an (Gesprächsnummer 622, TKÜ H);

- Gespräch vom 26. Januar 2003

Der Anrufer, der von einer Ortsnetzrufnummer aus Darmstadt anruft, spricht den Angeklagten G. bei der Begrüßung mit C an (Gesprächsnummer 631, TKÜ H);

- Gespräche vom 16. August, 03. September, 10. und 31. Oktober 2002

Auch im Rahmen folgender Gespräche aus der TKÜ E wird der Angeklagte G. ausdrücklich mit C angesprochen. Der Angeklagte G. ist stets der Anrufer; dies ergibt sich eindeutig aus den technischen Daten, nach denen es sich allesamt um kommende Gespräche handelt, in Verbindung mit den Gesprächsverläufen, exemplarisch wie folgt:

Nr. 114 vom 16. August 2002; der Anruf erfolgt von einer Karlsruher Ortsnetzrufnummer; der mit B Angesprochene, der sich mit "Hallo?" meldet, erklärt, er sei in Mannheim, während C mitteilt, er sei in Karlsruhe; C beschwert sich, dass B nicht anruft,

Nr. 161 vom 03. September 2002; der Anruf kommt von einer Ortsnetzrufnummer aus Nellingen; der Angerufene meldet sich mit "Hallo" und erklärt, er sei in Mannheim; C erklärt, er sei "weit entfernt",

Nr. 495 vom 10. Oktober 2002; der Anruf erfolgt von einer Ortsnetzrufnummer aus Sandhausen; der Angerufene, der später mit B angesprochen wird, meldet sich mit "Hallo" und erklärt, er sei in Sinsheim; C erklärt, er komme aus Wiesloch, sei auf der Autobahn und habe über Mannheim fahren wollen, um sich mit B zu treffen,

Nr. 628 vom 31. Oktober 2002; der Anruf erfolgt von einer Ortsnetzrufnummer aus Wiesloch; der Angerufene meldet sich mit "Hallo" und wird sodann mit B angesprochen; C erklärt, er sei in Wiesloch.

Wie bereits ausgeführt, werden diese Erkenntnisse zu dem Decknamen C bestätigt durch die Angaben des Zeugen RD V, BfV.

Allem nach ist der Deckname C dem Angeklagten G. sicher zuzuordnen. Die Auswertung der Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe - in Verbindung mit den weiteren Beweisergebnissen - ergab keinen Hinweis darauf, dass ein anderer Kader mit dem Klar- oder Decknamen C zum Zeitpunkt des Tätigwerdens des Angeklagten G. im Gebiet Mitte tätig war. Die zahlreichen Hinweise auf die Lebensgeschichte, Betätigungshandlungen und -orte in den Dateien lassen vielmehr den sicheren Rückschluss auf den Angeklagten G. zu.

Weitere Feststellungen zu Decknamen werden jeweils im Zusammenhang mit der Schilderung von Aktivitäten belegt.

b. Werdegang bis zum Tatzeitraum

aa. Aktivitäten in den 90er Jahren sowie Bölgeleitung Kassel ab Mai 1998

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte G. bereits als Jugendlicher Kontakte zu Aktivisten der Dev Sol, der Vorgängerorganisation der DHKP-C, hatte, ab Anfang der 90er Jahre an Aktionen in Deutschland mitwirkte und schließlich seit Mai 1998 als Bölgeleiter in Kassel in der bis Februar 1999 bestehenden inländischen terroristischen Vereinigung in die DHKP-C eingebunden war; er nahm in seinem Gebiet sämtliche Aufgaben eines Bölgeleiters wahr, wobei im Vordergrund die Beschaffung finanzieller Mittel für die Organisation und der Vertrieb der Parteizeitschrift standen, und besuchte die Versammlung hochrangiger Funktionäre der DHKP-C, die sogenannten Meclis.

Diese Überzeugung beruht zunächst auf den Feststellungen des gegen den Angeklagten G. ergangenen Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. vom 21. Oktober 2004 (Az.: 5 OJs 5/00 - 2/02), in dem seine frühen Aktivitäten in den 90er Jahren und die Übernahme der Bölgeleitertätigkeit in Kassel ab Mai 1998 im Einzelnen dargelegt sind. Diese wurden bestätigt durch die Angaben der Zeugin KHKin S-K zu den polizeilichen Erkenntnissen aus den 90er Jahren, die in Einklang mit den Urteilsfeststellungen stehen.

Das Vorgehen der Verantwortlichen der DHKP-C bei dem Angeklagten G. mit einer frühen Einbindung in die Organisation deckt sich mit den Erkenntnissen aus Dateien der niederländischen Rechtshilfe aus späterer Zeit; danach war und ist es das Ziel der Verantwortlichen der DHKP-C, potenziellen Funktionäre bereits in jungen Jahren so zu beeinflussen, dass sie sich von der Gesellschaft lösen, bevor sie in diese durch Arbeit und Familie integriert sind; beispielhaft belegt dies ein Bericht der Europaverantwortlichen G vom 29. April 2003 (Datei: Export-4/Unallocated Clusters~3), die über ein junges Mädchen, dem die Jugendkomiteeführung in Köln übertragen worden sei und in dessen Wohnung sie bei ihrem Besuch übernachtet habe, unter anderem Folgendes schreibt: "Vielleicht können wir sie beeinflussen und auf sie einwirken, sich von der Gesellschaft zu lösen."

Die Feststellungen zur Tatvorgeschichte basieren weiter auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe und den Ergebnissen von Polizeikontrollen. Im Einzelnen:

Am 30. Januar 1999 berichtet die Europaverantwortliche A an die Führung in einer Aufzählung über Zuständigkeiten in verschiedenen Städten und Gebieten über den Angeklagten G. (Deckname: C) wie folgt (Datei ID-Nr. 740 199):

"In Kassel gibt es einen C, der auch Zeitschriften verteilt."

Die Verteilung der Organisationszeitschrift, damals der "Kurtulus", und das Sammeln von Spenden auch noch Mitte 1999 - mithin nach dem von dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. abgeurteilten Zeitraum - wird durch das Ergebnis einer Polizeikontrolle vom 23. Juni 1999 bestätigt. Die diesbezüglichen Feststellungen basieren auf den glaubhaften Angaben des Zeugen KHK R, Polizeipräsidium Frankfurt a. M., dem der Vorgang trotz des Zeitablaufs wegen des "umfangreichen Asservatenmaterials" noch gut in Erinnerung war. Dieser beobachtete den Angeklagten G. im Rahmen operativer Maßnahmen, wie er zusammen mit Ö.B., A N und einer weiteren unbekannten Person um die Mittagszeit des 23. Juni 1999 die Räumlichkeiten des Vereins "Kurdisches Volkshaus" in der Gstraße in Frankfurt betrat, wobei eine der Personen einen Rucksack und eine andere eine Plastiktüte mit sich führte. Gegen 14:00 Uhr trafen sie, der Zeuge Reich sowie PK W, die drei namentlich genannten Personen zufällig wieder im Kreuzungsbereich der Lange Straße / Zeil und unterzogen sie einer Personenkontrolle. Ö.B. trug einen Rucksack mit 32 Zeitschriften Kurtulus, 4 Zeitschriften Tavir und einem Spendenquittungsblock mit der Aufschrift Kurtulus mit ausgefüllten Quittungen; der Angeklagte G. tat sich hervor und erklärte gegenüber KHK R, der Rucksack gehöre ihm. Als Beruf gab er im Rahmen der informellen Befragung "Revolutionär" an. A N führte neben einer Zeitschrift Kurtulus drei weitere Quittungsblöcke mit der Aufschrift Kurtulus mit sich, Ö.B. einen Taschenkalender mit DHKC-Schriftzug und einen Zettel mit Notizen über Publikationsverkäufe. Bei anschließenden Durchsuchungen der Wohnungen des A N und des Ö.B. wurde umfangreiches Propagandamaterial der DHKP-C sichergestellt; eine Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten G. erfolgte an diesem Tag nicht. Dieser Vorgang führte, wie bereits ausgeführt, zur Anklage der Staatsanwaltschaft Frankfurt a. M. vom 28. Dezember 1999 (Az.: 50 Js 22615.5/99).

Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass der Angeklagte G. an Schulungen des für ihn damals zuständigen Regionsverantwortlichen A C (Deckname: T) teilgenommen hat. Diese Feststellung basiert auf einem Bericht des A C, den A am 07. April 2000 an die Führung weiterleitet (Datei ID-Nr. 735 292). In diesem berichtet A C (T) unter anderem über "regelmäßig anhaltende Schulungsaktivitäten", die vor 3 Wochen begonnen hätten; es bestünden drei Schulungsgruppen in drei Gebieten Deutschlands (Süden, Norden und Westfalen); sie hätten begonnen, "mit den von Ihnen geschickten Schulungsakten" zu arbeiten. Er selbst arbeite mit der "Schulungsgruppe im Süden". Es gebe "neun Freunde", die an der Schulung teilnähmen. Jeden F kämen sie "im Untergeschoss eines Restaurants" zusammen. Sie würden der Reihe nach die Themen "Philosophie - Gesellschaften - Klassen - Staat - Imperialismus - Faschismus" bearbeiten. Im ersten Unterricht hätten sie die Themen "Im revolutionären Kampf dauerhaft existieren und ein Leben lang revolutionäres Sein" bearbeitet. Die Schulungsarbeit werde in Form von Unterricht durchgeführt. An der Schulungsgruppe beteiligten sich unter anderem A D Y. (hierzu später mehr) und der Angeklagte G. (Deckname: C); dieser wird in der Datei wie folgt umschrieben:

"C: 26 Jahre alt. Aus D, Alevite. Seit neun Jahren in unserem Umfeld, hat einen Führerschein und kann Deutsch. Mit Arbeiterpass. Arbeitet im Gebiet Süd."

Nach der Beendigung des Grundunterrichts würden sie "Untersuchungs- und Diskussionsunterricht" abhalten. Ab kommender Woche würden sie beginnen, "Unterschulungsgruppen" zu bilden; sie beabsichtigten, in der Region Süd noch mindestens 4 Schulungsgruppen zu bilden.

Die Beschreibung passt - auch in der Gesamtschau mit den weiteren Dateien zum Decknamen C - auf den Angeklagten G.; bei D, der heutigen Provinz T, dürfte es sich um den Herkunftsort seiner Familie in der Türkei handeln.

Die Beweisaufnahme ergab weiter, dass der Angeklagte G. als Führungskader regelmäßige Gespräche mit der Europaverantwortlichen zu führen hatte. Diese Feststellung basiert auf einer Datei aus der niederländischen Rechtshilfe (Datei ID-Nr. 734 660). Am 23. Mai 2000 schickt A die "Protokolle der Gespräche mit den verantwortlichen Freunden in Deutschland vom 19., 20. und 21. Mai", an denen T und Z beteiligt gewesen seien, an die Führung; die Gespräche seien von ihr geführt worden. Den ausführlichen Gesprächsinhalt - in Frage- und Antwortform - mit dem Angeklagten G. (Deckname: C) berichtet sie - auszugsweise - wie folgt, wobei deutlich wird, dass sie von dem Angeklagten G. erwartet, mit Unterstützung seines übergeordneten Kaders, die Gebietsarbeit zu organisieren:

"C ist 26 und seit 90 in der Bewegung. Er führt in Kassel eine Arbeit durch. Er ist R unterstellt. (...)

- Wie laufen die Gebietsarbeiten?

Wir machen das gleiche, verteilen Zeitschriften. Sonst haben wir keine andere politische Aktivität. (...) Ich gehe nach Kassel, spreche mit den Familien, gebe die Zeitschriften und gehe wieder. Wir führen keine politischen Gespräche. (...)

- Denkt ihr nicht daran, das zu überwinden?

R ist gekommen und hat gesagt, dass wir etwas machen werden. Aber derzeit gibt es nichts.

- Du verteilst die Zeitschriften in Kassel. Wie viele?

40-45 Stück.

- Sammelt ihr das Geld ein?

Wir sammeln ein. (...) Wir führen Freundschaftsbeziehungen.

- Wenn ihr sie umwandeln könnt, können sie organisiert werden. (...)

Ich verteile die Zeitschrift in drei Tagen.

- Wo hältst du dich auf, wenn du dorthin gehst?

Ich bleibe in einer leeren Wohnung. (...)

- Was für eine Lebensweise hast du?

Ich sehe mich nicht auf einer Ebene, Menschen organisieren zu können. Damit ich Menschen organisieren kann, muss ich zuerst mich selbst organisieren. (...)

- Das ist nicht unsere Art. Du bist seit Jahren unter uns. Woher kommt diese Art?

Das ist die Realität. Ich bin nicht in der Lage, Menschen zu organisieren.

- Was ist dein Lebensziel? Warum hast du dich von deiner Familie getrennt, und warum bist du dorthin gegangen?

Ich wollte der Revolution meinen Beitrag leisten. (...)

- Wie willst du dich in deiner Situation überwinden?

Ich weiß es auch nicht. Es fehlt nicht an Vertrauen in die Revolution und Bewegung. Es fehlt mir an Selbstvertrauen. Ich möchte mich überwinden und arbeiten. Die Bewegung muss den Weg weisen.

- Sprichst du nicht darüber mit deinem Verantwortlichen?

Es gibt kein großes Problem. (...) Ich weiß nicht, wie R mir helfen wird. (...)

- Wie willst du dich entwickeln?

Sagt es mir, ich werde es tun. In der Frage, wie ich es überwinden soll, bin ich unzulänglich. Es ist schwer, in Europa die Menschen zu organisieren. (Es wurde diskutiert über die Logik der Rückfront, und wie die Massen organisiert werden)

- Warum attackiert uns der Feind dermaßen? Er kann unsere Aktivitäten nicht verkraften. Ganz Europa versucht mit vereinten Kräften, uns zu beseitigen. Es ist eine große Kraft. Bist du dir bewusst über diese Kraft?

Das kann ich verstehen. Ich nehme unsere Kraft wahr. (...) Dass die Front seit langem nicht zugeschlagen hat, wirkt sich nicht im moralischen Sinne auf mich aus. (...)

- Warum haltet ihr euch nicht in Wohnungen / Häusern von Menschen aus dem Volk auf?

Das tue ich in der Regel. Zwischendurch sind wir auch zu Hause.

- Wäre es im Hinblick auf deine Entwicklung besser, wenn du aus dem Gebiet heraus könntest?

Ja, es wäre im Hinblick auf meine eigene Überwindung besser, wenn ich aus meinem Gebiet herauskommen könnte. (...)"

Wie im Protokoll vom 23. Mai 2000 als Aktivität geschildert, war der Angeklagte G. auch am Montag, dem 12. Juni 2000, mit dem Vertrieb der Organisationszeitung "Vatan" sowie der alevitischen Zeitschrift "K", die nach Angaben der Zeugin KOK K Gelegentlich zusammen mit der Organisationszeitschrift verkauft wurde, und dem dabei erfolgten Sammeln von Spenden für die Organisation befasst.

Diese Feststellung basiert auf dem Ergebnis einer Polizeikontrolle vom 12. Juni 2000. Der Zeuge PHM R bekundete glaubhaft, den Angeklagten G. zusammen mit Ö.B. an diesem Tag gegen 21:00 Uhr auf der Autobahn 81 in Fahrtrichtung Würzburg bei Freiberg a. N. einer Verkehrskontrolle unterzogen zu haben; der Angeklagte G. war Beifahrer und Halter des Fahrzeugs VW Golf, amtliches Kennzeichen. Im Kofferraum des Fahrzeugs befanden sich 2 Kartons mit Zeitschriften; in einer Ö.B. zuzuordnenden Tasche befanden sich weitere 24 Zeitschriften. Bei dem Angeklagten G. konnten außerdem 3 Notizblöcke mit Eintragungen sichergestellt werden. Größere Geldbeträge führten sie nicht mit sich. Zum Inhalt der Kartons, der Tasche und den Eintragungen in den Notizblöcken hörte der Senat den Zeugen KOK K. In den Notizblöcken waren Namen, Telefonnummern mit unterschiedlichen Geldbeträgen sowie Einnahmen (v. a. Spendengeldeintragungen) und Ausgaben notiert, außerdem ein Treffen mit RA F in der "Gerichtskantine" am 29. Mai. Die Eintragungen für den 9. Mai lauten beispielsweise wie folgt:

"9.5., Dienstag

10,-- von M erhalten

20,-- von A bekommen

20,-- Diesel

20,-- von H (T) bekommen"

Diese Kontrolle führte, wie bereits erwähnt, zur Anklage der Staatsanwaltschaft Frankfurt a. M. vom 24. August 2001 (Az.: 6120 Js 225888/01).

bb. Sekretär der Europa- und Deutschlandverantwortlichen

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte G. im Zeitraum von Mitte 2000 bis Anfang 2001 für 4 Monate als Sekretär bei der Europa- und Deutschlandverantwortlichen A unter dem Decknamen M tätig war. Diese Feststellung basiert auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe. In mehreren Berichten geht diese - nunmehr unter ihrem Decknamen G - auf diese Zeit ein; im Einzelnen:

- am 08. Oktober 2002 teilt G innerhalb eines Berichts an die Führung über den Angeklagten G. (C) unter anderem Folgendes mit (Datei Export-12/Unallocated Clusters~44): "Letztes Jahr war er 4 Monate lang bei mir als Sekretär tätig. Obwohl er wusste, dass wir keinen Fahrer haben und keine andere Alternative haben, hat er gesagt, dass er unbedingt zu seiner Familie wollte und ist gegangen. Wir haben gesagt, ‚dann geh, aber wenn du als Revolutionär tätig sein willst, kannst du zurückkehren.‘ Wir haben gesagt, ‚überlege gut und fälle dann deine Entscheidung‘." Im weiteren Bericht äußert sie sich kritisch über den Angeklagten G. und zwar auch in der Zeit als ihr Sekretär: "Er war 4 Monate lang als Sekretär tätig. Als er gegangen ist, konnte er immer noch kein Modem machen, codieren. Eigentlich war er gar nicht als Sekretär tätig, er hat uns 4 Monate lang die Tätigkeit eines Sekretärs ausüben lassen.";

- am 04. Februar 2003 berichtet G an die Führung (Datei ID-Nr. 750 395); sie befasst sich an mehreren Stellen des Dokuments mit dem Angeklagten G. (C). Sie schildert Streitigkeiten zwischen Gebietsverantwortlichen wegen C und erklärt, dass dieser nicht nur unter ihr, sondern auch unter dem Angeklagten Y. (K) und A C (T) gearbeitet habe, wobei es zwischen diesen beiden keine diesbezüglichen Probleme gegeben habe; wörtlich berichtet sie wie folgt:

"4- Auch C ist verantwortlich, aber er handelt nicht wie ein Verantwortlicher. Es gibt andere Freunde, die seine Arbeiten für eine Weile durchführen können. (...) Als auch K in jenem Gebiet Verantwortung getragen hatte, hatten wir C zu langen Demonstrationsaktionen geschickt. C ist ein Freund, den wir für ein bis zwei Wochen aus seinem eigenen Gebiet nehmen können. (...)

5. (...) Einen ähnlichen Streit gab es zwischen O und R wegen C. Zwischen ihnen gibt es keine hierarchische Beziehung. Als C nach Stuttgart kam, hat R ihn ein bis zwei Tage in Stuttgart behalten und nicht in sein eigenes Gebiet geschickt. R hat an der Abendveranstaltung Unterstützung aus Frankfurt verlangt. O hat niemanden geschickt. Er hat zu C gesagt: ‚Zerspalte, teile und leite, ah wie gut das ist.‘ Das hat C in Gegenwart von Z zu R gesagt. C hat zu R über O gesagt, er sei ‚Gouverneur des Ausnahmezustandes‘. R hat C am Silvester gerufen, damit er bei der Abendveranstaltung in München hilft. C hat das Auto in Frankfurt genommen und ist für zwei Tage weggefahren und ist nicht zurückgekommen. Als er zurückkam, hat O C bestraft und ihm das Auto weggenommen. (...) C darf nicht einfach zu jemand anderem über seinen eigenen Verantwortlichen sagen: ‚Er ist ein Gouverneur des Ausnahmezustandes‘. C hat unter meiner Verantwortung und unter der Verantwortung von K und T gearbeitet. Es gab weder zwischen K und T solch ein Problem, noch kamen solche Angelegenheiten auf die Tagesordnung. (...)";

- in der Mitteilung vom 11. März 2003 an D berichtet G ebenfalls über die Zeit, in der der Angeklagte G. (C) ihr Sekretär war (Datei ID-Nr. 751 384):

"11. C hat bei mir 4 Monate als Sekretär gearbeitet. Obwohl er weiß, wie sehr wir ihn brauchen, hat er sich Dinge in den Kopf gesetzt wie, ich werde nach Hause gehen und mich um meinen Bruder kümmern, meine Mutter ist allein, (ich habe) ihm erklärt, dass das, was er macht, falsch ist, dass er seinen Dienst nicht einfach quittieren und weggehen könne...";

- in der Mitteilung vom 29. April 2003 berichtet G an die Führung (Export-4/Unallocated Clusters~3) unter anderem über ein Gespräch mit A C (Deckname: T); auch in diesem Zusammenhang erwähnt sie, dass C ihr Sekretär war: "Einmal war ich nach Stuttgart gefahren, und bei mir war als Sekretär der C dabei." Aus dem weiteren Kontext der Datei, insbesondere der Bezugnahme auf den Besuch der Wohnung des Zeugen H ("Lahmacun-Verkäufer"), erschließt sich, dass der Angeklagte G. gemeint ist;

- am 14. September 2003 leitet G eine Informationsnotiz an die Führung weiter, die "K an a" geschrieben hatte (Datei ID-Nr. 753 666). Soweit sich diese Datei auf Ermittlungen im "Komplex H" bezieht, erfolgen später weitere Ausführungen. Es wird über Nachfragen der türkischen Behörden im Rahmen einer Ingewahrsamnahme des HAl A berichtet, anlässlich derer dieser u.a. gefragt wurde, ob er "M und C" kenne; er soll ausführlich nach C befragt worden sein. Zu dem in der Notiz erwähnten C / M merkt G Folgendes an:

"(...) - Die Person, die als M und C erwähnt wird, ist der Freund, den wir aus Deutschland herausgebracht haben. Dieser Freund hat 4 Monate bei mir als Sekretär gearbeitet. Damals hat er den Namen M benutzt. Diesen Namen hat er jedoch nur während der Zeit, als er bei mir war, für sehr kurze Zeit benutzt. Er wollte von meiner Seite nach Hause gehen, indem er haltlose Begründungen anführte. Damals habe ich versucht, ihn zu überzeugen, aber er ist trotzdem nach Hause gegangen. Er ist monatelang nicht gekommen. Ich habe gesagt, dass er entweder Revolutionismus machen soll oder wir würden den Status eines Anhängers nicht akzeptieren, der sich zu Hause aufhält und ab und zu im Verein ein- und ausgeht. Nach Monaten ist er zurückgekommen. Wir haben eine Bilanz gezogen und ihn zur Schulung aufgenommen. Er hat wieder mit Revolutionismus angefangen. Nach dieser Phase hat er angefangen, im Gebiet Mitte Aktivitäten durchzuführen, und den Namen C zu benutzen. (...)";

- in einer Mitteilung vom 17. September 2003 greift G unter Nr. 2 zunächst eine Mitteilung der Führung vom Vortag auf und berichtet zur Thematik "WAS DEN PUNKT, DER MIT "HAl A wurde verstanden" ANFÄNGT, ANGEHT" hinsichtlich des Angeklagten G. u.a. Folgendes (Datei ID-Nr. 754 118):

"(...) - C - M war 4 Monate bei mir, diesen Namen hat er anfangen zu benutzen, als er zu mir kam. Auch mit M zusammen haben wir uns in vielen Wohnungen aufgehalten, auch im Gebiet Mitte haben wir uns in Wohnungen aufgehalten, auch die Freunde, die damals aktiv waren, wissen, dass er den Namen den Namen M benutzt hat.

C benutzt den Namen C seit 2.5 Jahren. Soweit ich mich erinnere, dürfte der türkische Pizzabäcker den Namen M nicht kennen. Ich habe nicht verstanden, wie die Polizei in der Türkei auf diesen Namen gekommen ist. (...)"

- dass die Aufnahme von Jugendlichen als Sekretäre bei der Europa- und Deutschlandführung üblich war, belegt ein späteres Zitat von G, ebenfalls enthalten in der Mitteilung vom 29. April 2003 (Datei: Export-4/Unallocated Clusters~3): "Ich möchte von den Jugendlichen aus den Gebieten, die besondere Eigenschaften besitzen, als Sekretäre zu mir holen und mich mit ihnen beschäftigen. Das wissen auch die anderen Freunde."

cc. Bölgeleitung Mannheim ab Frühjahr 2001

Nach dem Aufenthalt als Sekretär bei der Europaverantwortlichen war der Angeklagte G. wenige Monate nicht aktiv; anschließend wurde er - nach erneuter Schulung - wieder als Führungsfunktionär der Bölge Mannheim eingesetzt. Über dieses Gebiet hinaus betätigte er sich im Vertrieb der Organisationszeitschrift.

- übergeordnete Kader des Angeklagten G.

In dieser Funktion war dem Angeklagten G. bis Anfang Juni 2002 der Angeklagte Y., damals Leiter des noch nicht eigenständigen, sondern in die Region Süd eingegliederten Gebiets Mitte, unmittelbar übergeordnet; diesem war wiederum der Leiter der Region Süd, A C, übergeordnet. Im Einzelnen:

Mehrere in der Zeit vom 07. März 2002 bis 02. Mai 2002 geführte Telefonate aus der TKÜ C (Nr. 7, 45, 122, 127, 141, 150, 158, 172, 217, 221, 292), in denen sich der Anrufer Y. bei dem Angeklagten G. über den jeweils aktuellen Stand der Gebietsarbeiten erkundigt und im Einzelfall Vorgaben bezüglich zu erledigender Aufgaben macht, belegen das Über- / Unterordnungsverhältnis.

Leiter der Region Süd, zu der das Gebiet Mitte bis zur Schaffung einer eigenständigen Region Mitte im Oktober 2002 zählte, war nach der Überzeugung des Senats A C bis zu seiner Festnahme am 12. Juli 2002. Insoweit folgte der Senat - nach eigener Prüfung - den diesbezüglichen Feststellungen zum Nachtatgeschehen des gegen A C ergangenen Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Februar 2003, rechtskräftig seit 18. Februar 2003 (Az.: VI 20/02). Danach wurde A C am 12. Juli 2002 aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 20. Juni 2002 in Pforzheim festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hielt er sich in der Wohnung des E D auf; bei der Festnahme wurden u.a. zwei Handys, je eines für den ausgehenden und den eingehenden Telefonverkehr, zwei Spendenquittungsblöcke, eine Spenden- und eine Codierungsliste, drei Disketten und zwei CD-ROMs sowie 47 Ausgaben der Verbandszeitschrift sichergestellt. Zum Nachtatverhalten des A C für die Zeit ab Sommer 2001 ist Folgendes festgestellt:

"Spätestens im Sommer 2001 übernahm der Angeklagte die Verantwortung für die Region Süd. So wurde er am 04. August 2001 in Stuttgart beim unerlaubten Plakatieren angetroffen, als er Plakate zum Thema ‚Todesfasten in türkischen Gefängnissen’, die im Impressum die verbotene DHKP-C-Zeitschrift ‚Vatan’ aufführten, an Geschäften und Verteilerkästen anbrachte. Am 07. September 2001 wurde der Angeklagte im Rahmen einer Verkehrskontrolle im Stadtgebiet von Stuttgart festgestellt. In dem von ihm geführten Fahrzeug befanden sich neun aktuelle Ausgaben der ‚Vatan’. Am 08. November 2001 wurde der Angeklagte anlässlich einer Personen- und Fahrzeugkontrolle auf der Autobahn 81 von Heilbronn in Fahrtrichtung Stuttgart festgestellt. In dem von ihm geführten Fahrzeug befand sich Propagandamaterial der DHKP-C, darunter 14 Ausgaben der ‚Vatan’."

Nach den weiteren Urteilsfeststellungen verwendete A C die verschiedensten Decknamen, zuletzt den Decknamen T. Organisationsintern wurde er - wie bereits ausgeführt - auch T genannt.

Überdies werden Kontakte zwischen dem Angeklagten G., dem Angeklagten Y. und A C (T) durch ein Telefonat belegt; am 04. Juni 2002 meldet sich Y. bei G., erkundigt sich nach "T" und erfährt auf Frage, dass sich an dessen telefonischer Erreichbarkeit nichts geändert habe (Nr. 461 TKÜ C); bereits im Telefonat vom 02. Mai 2002 hatte der Angeklagte Y. gegenüber dem Angeklagten G. erklärt, er sei jetzt in Köln, er sei "mit T gekommen" (Nr. 292 TKÜ C).

Die enge Verbundenheit und Vertrautheit des A C mit den Angeklagten G. und Y., deren auch während der Untersuchungshaft fortbestehender brieflicher Kontakt sowie die Bekanntschaft zu den früheren Mitangeklagten A und S belegen überdies im Rahmen der Zensur beschlagnahmte Briefe bzw. Ablichtungen derselben. A C befindet sich - nach Angaben des Zeugen EKHK B - derzeit in der Hochsicherheitsvollzugsanstalt in Tekirdag, Typ F, wegen des Vorwurfs der Betätigung für die DHKP-C in Haft. Im Einzelnen:

- So schreibt A C am 21. April und 05. Juni 2008 an den Angeklagten Y.; im ersten Brief teilt er dem Angeklagten Y. mit, er wisse, dass dessen Verhandlung in Stuttgart begonnen habe und unterrichtet ihn, er habe auch mit G. brieflichen Kontakt aufgenommen, jedoch noch keine Antwort erhalten; außerdem bittet er ihn, die früheren Mitangeklagten A, S sowie den Angeklagten G. zu grüßen;

- ein weiterer Brief des A C an den Angeklagten G. datiert vom 25. August 2008. Auch dieser Brief belegt, dass A C mit den Angeklagten G. und Y. sowie dem früheren Mitangeklagten A bekannt ist und mit diesen auch noch im Zeitpunkt der Untersuchungshaft in Kontakt stand. A C berichtet fast schwärmerisch von dem verstorbenen Dursun Karatas, ohne diesen namentlich anzusprechen, und bedauert, dass dieser den "Tag des Sieges" - gemeint ist der von der DHKP-C entfachte revolutionäre Umsturz - nicht mehr erlebt. Überdies berichtet A C ausführlich über seine aktuellen Haftbedingungen. Aus dem Brief geht hervor, dass A C weiter an seinen Überzeugungen festhält: "Wir werden weiterhin auf dem von ihm / ihr aufgezeigten Weg weiterlaufen, mit derselben Art und Weise und mit Entschiedenheit.";

- auch der Angeklagte Y. wandte sich am 06. Januar 2010 brieflich an A C. Er bedankt sich zunächst für den Brief vom 14. November 2009. Bezüglich des verstorbenen Eyüp B ("Eyüp B war unser Mandant") schreibt er: "Ich kondoliere uns." Nach allgemeinen Ausführungen über die Linkspartei und auch über die "radikalen Linken" in Deutschland sowie zum SoziAsmus im Allgemeinen, berichtet er ausführlich über die Situation und den Gesundheitszustand der früheren Mitangeklagten M.A. und I D. sowie über den Angeklagten G.. Zum eigenen Verfahren ("außer mir kennt sich keiner im Verfahren aus") berichtet er, dass er mit der Vorbereitung für die Verteidigung begonnen habe; aufgrund der Dauer deren Weiterleitung an die Verteidiger und die anschließende Übersetzung könne er diese - gemeint ist seine Verteidigungserklärung - erst im März "vorlesen". Abschließend beklagt er sich über sein Verfahren ("Das örtliche Gericht weiß nicht, was eine Anhängerschaft und was eine Mitgliedschaft ist.") und äußert seine Erwartungen an den Bundesgerichtshof. Die offene Mitteilung vertraulicher Umstände (beispielsweise Einzelheiten zu den Krankheitsbildern der früheren Mitangeklagten) belegt, dass zwischen dem Briefverfasser und dem Adressaten eine enge Verbundenheit besteht.

- Übertragung der Verantwortlichkeit für das Gebiet Mannheim auf den

Angeklagten G. und von diesem entfaltete Aktivitäten

Die Feststellungen zur mindestens zweimonatigen Pause nach der Betätigung als Sekretär der Deutschland- / Europaverantwortlichen, zum Gespräch mit G mit anschließender Schulung und erneutem Einsatz als Funktionär im Gebiet Mitte unter dem neuen Decknamen C basieren auf der bereits zitierten Datei ID-Nr. 753 666 (vgl. vorst. bb.). Zur zeitlichen Einordnung wird in der Mitteilung Gs vom 17. September 2003 ausgeführt, dass der Angeklagte G. den Decknamen C seit 2 ½ Jahren, mithin etwa ab Frühjahr 2001, verwendete (Datei ID-Nr. 754 118).

Auch in der bereits zitierten Datei vom 08. Oktober 2002 (Datei Export-12/ Unallocated Clusters~44) berichtet G über die Zeit nach Beendigung der Tätigkeit als ihr Sekretär, der anschließenden Pause sowie die Wiederaufnahme der Funktionärstätigkeit:

"Er ist längere Zeit nicht gekommen und wir haben ihn auch nicht angerufen. Später ist er gekommen und wohnte einen Monat lang in der Wohnung der Leute von der Zeitschrift. Wir haben diskutiert, wir haben Ausbildungsveranstaltungen durchgeführt und später erneut gesprochen. Wir haben ihm erneut die Verantwortung für das Gebiet Mannheim übertragen. Er hat bei K gearbeitet. Es hat sich jedoch nichts geändert. Er hat kein Selbstvertrauen und keine Initiative. (...)"

Hiermit in Einklang stehen die diesbezüglichen Angaben des Zeugen H. Im Juni 2001 wurde der Angeklagte G. diesem als Verantwortlicher des Gebiets Mannheim vorgestellt. Dieser bekundete sowohl in der Hauptverhandlung als auch - so der Zeuge KHK F - in seiner polizeilichen Vernehmung, der Angeklagte G. sei ihm im Juni 2001 in Frankfurt a. M. von dem Organisationsangehörigen M (Deckname des Ö.B.) unter dem Decknamen C als der für das Gebiet Mannheim Verantwortliche vorgestellt worden; dieser habe eine "Brückenfunktion" zur Organisation gehabt. Der Angeklagte G. habe sämtliche Informationen gehabt, über die "Kampagne" (d.h. die jährliche Spendensammlung), die Zeitschriften, Veranstaltungen etc. Die Zuständigkeit des Angeklagten G. habe sich nicht auf das Stadtgebiet von Mannheim beschränkt, sondern auch auf weitere Städte erstreckt. Er habe ihn in der Folgezeit auch in Frankfurt a. M. und Darmstadt getroffen. Der Zeuge H berichtete auch über Beziehungen zwischen dem Angeklagten G. und weiteren Aktivisten, namentlich mit S A, A C und B A. Zur Glaubwürdigkeit des Zeugen H und den im Zusammenhang mit dem Waffentransport mit diesem entfalteten Aktivitäten des Angeklagten G. und dessen Kontakten zu Funktionären und weiteren Aktivisten später mehr im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung zum Waffentransport.

Die Feststellungen zur Betätigung als Führungsfunktionär in der Bölge Mannheim mit Aktivitäten hinsichtlich des Vertriebs der Organisationszeitschrift in weiteren Städten basieren hinsichtlich des (Vortat-) Zeitraums von Mai 2001 bis Anfang August 2002 weiter auf schriftlichen Aufzeichnungen, die sich in einer dem Angeklagten G. gehörenden, am 09. Juli 2003 in der Wohnung des A C sichergestellten Sporttasche befanden; diese belegen, dass der Angeklagte G. u.a. Spendengelder für die Organisation gesammelt hat und für die Verbreitung von DHKP-C-Publikationen und anderer Propagandamittel zuständig war und über Telefonnummern anderer Aktivisten verfügte, wobei er diese unter Decknamen notiert hatte.

Zum Anlass und Ablauf sowie zu den Ergebnissen der Durchsuchung der Wohnung des A C hörte der Senat den Zeugen KOK M, PP Südhessen, einen der Durchsuchungsbeamten. Danach wurde die in Darmstadt, Bismarckstraße 146, in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofes in einem Mehrfamilienhaus gelegene Wohnung am frühen Morgen des 09. Juli 2003 durchsucht. Anhand der Wohnungsskizze erläuterte der Zeuge deren Grundriss sowie die Auffindeorte. Im Schlafzimmer konnte die auf dem Boden vor dem Fensterbrett stehende Sporttasche, die zwischen zwei, an gegenüber liegenden Wänden stehenden Betten abgestellt war, sichergestellt werden (urspr. Ass.Nr. 03.06.18, später durch das BKA "feinasserviert" in Ass. Nr. 1.1 - 1.21); in dieser befanden sich ein DIN-A-6-Collegeblock, diverse Papiere sowie eine Kopie des türkischen Passes des Angeklagten G.. Auf dem beschriebenen Fensterbrett lag ein Ordner, der nach Angaben des A C ihm gehörte; weitere Angaben machte A C nicht, mithin auch nicht zur Sporttasche. Im Wohnzimmer stand des weiteren ein Rucksack, der Ö.B. zugeordnet werden konnte.

Nach dem Eindruck des Zeugen wohnten der Angeklagte G. und Ö.B. dort nicht, zumal keine weiteren persönlichen Gegenstände der beiden sichergestellt werden konnten, und hielten sich dort allenfalls besuchsweise auf.

Zum Inhalt der Sporttasche und zur Auswertung der sich darin befindlichen Unterlagen hörte der Senat die Zeugin KOKin K, BKA. Nach deren glaubhaften Bekundungen enthielt die Tasche nicht nur eine Passkopie des Angeklagten G., sondern auch folgende weitere Schriftstücke, die nach der Überzeugung des Senats den sicheren Schluss zulassen, dass es sich um seine Tasche handelte:

- ein an den Angeklagten D. G., , in K adressiertes Schreiben der Debitor-Inkasso GmbH vom 23. Dezember 2002, mit dem ein rückständiger Mitgliedsbeitrag des AvD, Automobilclub von Deutschland / Frankfurt, geltend gemacht wird; bei diesem war er nach Angaben der Zeugin seit Juni 2000 Mitglied, zahlte die Folgebeiträge im Juni 2001 und 2002 jedoch nicht;

- zwei "Tickets für Mitfahrer" der Mitfahr-Zentrale Köln, in denen D. G. unter seiner Kölner Anschrift als Mitfahrer von Fahrten am 15. Mai - diese wurde vor Antritt storniert - und 30. Juli 2002 namentlich aufgeführt ist sowie eine an ihn adressierte Zahlungserinnerung der Citynetz Mitfahr-Zentrale Frankfurt vom 14. November 2002 bezüglich einer - ebenfalls vor Antritt stornierten - Fahrt nach Köln am 11. November 2002 (die spätere anwaltliche Beitreibung der Kosten für die zuletzt genannte Buchung blieb im Vollstreckungsverfahren erfolglos, da der Angeklagte G. bereits am 12. November 2002 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte);

- eine an den Angeklagten G. adressierte Fahrpreisnacherhebung der Deutschen Bahn vom 27. Dezember 2002 bezüglich einer Fahrt ohne Gültigen Fahrausweis am 05. November 2002.

In dem Ringbuch-Collegeblock (Ass.Nr. 1.1.), der ein einheitliches Schriftbild aufweist und Decknamen von Personen enthält, mit denen der Angeklagte G. aufgrund weiterer Erkenntnisse - insbesondere aus TKÜ-Maßnahmen und Dateien der niederländischen Rechtshilfe (hierzu später mehr) - in Verbindung stand, finden sich Notizen, die Aktivitäten im Zeitraum vom 15. Oktober 2001 bis 21. Mai 2002 belegen; zudem versichert der Angeklagte G. in einem Telefongespräch vom 05. Juni 2002 einem vorgesetzten Kader, dass er "Notizen" mache (vgl. Nr. 467, TKÜ C, hierzu später mehr).

Die datumsmäßige Zuordnung des Beginns der Aufzeichnungen ergibt sich daraus, dass auf Bl. 3 des Collegeblocks als Datum "15.10. (Montag)" notiert ist. Im Jahre 2001 fiel der 15. Oktober auf einen Montag, was weder in den Jahren davor noch im Jahr danach der Fall war (letztmals davor am 15. Oktober 1990). Neben weiteren tatsächlichen Verknüpfungspunkten zum Jahre 2001 lässt sich dieser Schluss auch daraus ziehen, dass auf Bl. 49 erstmals und im Folgenden noch mehrfach die Jahreszahl ausdrücklich genannt wird ("01.01.02"). Da die Aufzeichnungen fast täglich gefertigt wurden, ist für den Senat hiernach erwiesen, dass sich die Monate davor auf das Jahr 2001 beziehen.

In dem Ringbuch-Collegeblock notierte der Angeklagte G. verschiedenste Tätigkeiten für die Organisation, vor allem von welchen Personen er Geld für die Organisationszeitschrift und Spendengelder bekam, rechnete die Summen der Einzeleinnahmen aus und notierte sich die Daten, an denen er den gesammelten Betrag abgegeben und damit die Schulden des Gebiets beglichen hat. Außerdem finden sich Notizen über die Vorbereitung von Veranstaltungen.

Hervorzuheben sind die zahlreichen Eintragungen über Spendensammlungen; diese enthalten Spenderlisten (mit Vor- und Decknamen bzw. Umschreibungen, wie z. B. der Imbissbesitzer / Schlüsselfertiger / Pizzaverkäufer mit gezahlten Beträgen) und auch Beschreibungen des weiteren Vorgehens im Falle der Weigerung.

Beispielsweise findet sich am 18. Oktober 2001 folgende Eintragung: "- sind zu den Weinhändlern / -trinkern gegangen, haben mit C. gesprochen (sagt 30) -> wir haben nicht akzeptiert. Sagt, lass uns zusammen mit E. geben. Haben gesagt, wir wollen insges. (200)."; am 29. Oktober 2001 ist u.a. Folgendes eingetragen: "- sind zu der / dem aus KÜRECIK gegangen. Er sagt, stellt mich dieses Jahr frei. Haben streng geredet und sind gegangen. 1 Woche Frist".

Die gesammelten Beträge werden anschließend weitergereicht; dies ergibt sich exemplarisch aus zwei Einträgen vom 09. und 13. November 2001:

"!! Beim Treffen überreichter Betrag: 3200!! (...) - habe bei der Druckerei vorbeigeschaut und Plakate abgeholt - Versammlung -> übergebener Betrag 3250."

Dies ist auch durch ein Loseblatt (zw. Bl. 22 und 23 des Notizbuchs, Ass.Nr. 1.1.1) belegt; dieses enthält drei Spalten mit Auflistungen ("Gesamt gesammelt - was übergeben/abgeliefert wurde - Übergabe/Lieferung").

Zahlreiche Eintragungen in dem Ringbuch-Collegeblock beziehen sich auf den Vertrieb der Organisationszeitschrift, der sich regional über das Gebiet Mannheim hinaus auf die Städte Frankfurt, Aschaffenburg, Erbach, Darmstadt und Kassel erstreckte; exemplarisch sind hier folgende zu nennen:

- am 31. Oktober 2001: "Sind die Wöchentlichen abholen gegangen, sind abends nach Hause zurückgekehrt",

- am 18. Dezember 2001: "Sind mit G die Wöchentlichen abholen gegangen." und am 20. Dezember 2001: "Habe die Wöchentlichen verteilt.",

- Einzelheiten zur Verteilung der Zeitschrift, bspw. Bl. 65:

"I. Reihenfolge, die Wöchentlichen zu holen

1. Aschaff. 2. Erbach

3. Frankf. 4. Mannheim

II. - Frankf 55 Stück + 2

- Darm. 22 Stück + 2

- Erb. 8 Stück + 1

- Kas. 8 Stück

- H 4 Stück

- KUDÜS 25 Stück + 1

- AS. 20 Stück + 2

- Abonnenten: CE (...)

ÖZCAN

T T.

- aus / von Frankfurt jeden Monat 408,- Euro Zeitschriftengeld

-> das Zeitschriftengeld von Kassel und H muss / sollte einmal im Monat genommen werden (...)"

- in der Sporttasche befindet sich weiter eine Aufzeichnung, die am 18. Mai 2001 gefertigt wurde (Ass. 1.2); aus dieser geht hervor, dass im Bezirk Mannheim nicht nur die Organisationszeitschrift, sondern weitere Propagandamittel vertrieben wurden. Ausweislich dieser Urkunde erhielt das Gebiet Mannheim gemäß der "Aktualisierung: 18.05.2001" 12 Kassetten zum Preis von 120,-- DM, 6 Bücher zum Preis von 95,-- DM sowie 40 Kalender zum Preis von 800,-- DM, wobei (nur) diesbezüglich noch 400,-- DM offen waren;

- neben weiteren Aufstellungen über Zeitschriften, Videokassetten und weitere Publikationen der DHKP-C, die die Gebiete Saarbrücken, Frankfurt und Mannheim abgenommen und bezahlt haben (Ass.Nr. 1.8), einer Auflistung von 33 Buchtiteln nebst Preisen (Ass.Nr. 1.9), einer Aufstellung über den Vertrieb der Zeitschrift "Ekmek ve Adalet" (Ass.Nr. 1.10) finden sich zwei Zahlungsprotokolle vom 06. August 2002; auf dem ersten (Ass.Nr. 1.12) bestätigt M mit seiner Unterschrift für das Gebiet Saarbrücken für 35 Zeitschriften 105 (Euro) übergeben zu haben, auf dem zweiten (Ass. Nr. 1.13) bestätigt C (Deckname des Angeklagten G.) mit seiner Unterschrift für das Gebiet Mannheim für 75 Zeitschriften 605 (Euro) übergeben zu haben; der Empfänger des Geldes, ein Funktionär namens "H.", quittiert dies mit seiner Unterschrift; nach Angaben der Zeugin KHKin S-K handelt es sich bei H. um einen der Decknamen des gesondert verfolgten E G (andere H / H); nach Angaben des Zeugen KHK F Erkannte H H diesen bei einer Lichtbildvorlage am 26. März 2003 wieder, nannte seine Decknamen (H oder H) und erklärte, dieser sei in Köln im Büro der Zeitung "Ekmek ve Adalet" tätig gewesen; er sei früher in Ulm gewesen, seine Familie wohne heute noch dort. Dies belegt, dass der Angeklagte G. gegenüber E G rechenschaftspflichtig war.

Weitere Eintragungen beziehen sich auf Schulungen, Versammlungen und Veranstaltungen; exemplarisch sind folgende zu nennen:

- Bl. 59 (2. März 2002): "bei SOSYETE werden die Schulungsnotizen gelesen / von Sosyete sollen die Schulungsnotizen geholt werden";

- Bl. 65: "Komiteeversammlungen einmal im Monat (in der ersten Woche) Sonntag";

- Bl. 77: "Karten-Abendveranstaltung (...)" mit einer Auflistung von Personen und Zahlen.

- ein Beispiel für übertragene Aufgaben im Rahmen einer Schulung enthält ein handschriftlicher Notizzettel (Ass. 1.5.) ohne Datums- / Namensangaben; dem Geschulten wird aufgegeben, aus den Berichten das Kapitel "Arbeitsweise in Fronten" bis zum Ende zu lesen, den Beschluss Nr. 2 "sofort" zu lesen sowie zwei Artikel in den Ausgaben Nr. 15 und 19 der DS (Abkürzung für die Zeitschrift Devrimci Sol) aus dem Jahre 1999 zu lesen und "aus allen Artikeln aufschreiben, was ich verstanden habe". Außerdem werden Ausführungen zur Frage, wie man einen Menschen bildet / erzieht, verlangt. Er wird weiter angewiesen, die abgegebene "sehr oberflächliche" Bewertung zum Thema "Todesfasten" anhand sämtlicher "Vatans, die nach Beginn des Todesfastens erschienen sind", noch einmal durchzugehen. Abschließend wird angefragt, wie viele Stunden er am Tag lese; er soll mitteilen, was er "jede Stunde" gemacht hat.

Schließlich befinden sich in der Sporttasche noch weitere Notizzettel, auf denen handschriftlich Telefonnummern u.a. von DHKP-C-Aktivisten vermerkt sind (Ass.Nr. 1.15 und 1.18). Über die Anschlussinhaber und / oder tatsächlichen Nutzer berichtete die Zeugin KOKin K. Anschlussinhaber der mit Deck- bzw. Vornamen bezeichneten Personen waren beispielsweise A Y. N, B A, Bahadir Y, T E und D A B; tatsächliche Nutzer weiterer Rufnummern waren beispielsweise A C, H I und S A.

Über diese Unterlagen hinaus belegen folgende weitere Beweismittel, dass es für den Angeklagten G. typisch war, über Aktivitäten schriftliche Aufzeichnungen zu fertigen und diese aufzubewahren:

- zunächst ist ein weiteres Notizbuch mit der Aufschrift "Memo" anzuführen, das bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Heidelberg am 28. November 2006 sichergestellt wurde (zu dieser Durchsuchung später mehr im Rahmen der Würdigung der Aktivitäten nach seiner Rückkehr aus Belgien). In diesem befinden sich neben nicht deutbaren Aneinanderreihungen von Buchstaben und Zahlen, die sich von Kodierungen in Dateien der niederländischen Rechtshilfe (bspw. in den Dateien ID-Nrn. 753 540 und 763 048) unterscheiden, auch Listen mit Namen und dahinter notierten Zahlen, teilweise mit einem Häkchen versehen; diese Listen ähneln denen aus dem vorgenannten College-Block. In welchem Zeitrahmen dieses Notizbuch geführt wurde, lässt sich diesem indes nicht entnehmen, so dass der Senat keine weiteren Schlüsse hinsichtlich einer weiteren Betätigung als Führungsfunktionär nach seiner Rückkehr aus Belgien zog;

- einer von G verfassten Datei vom 03. März 2003 (ID-Nr. 749 474 - hierzu später mehr) lässt sich ebenfalls entnehmen, dass der Angeklagte G. ein "Ausgabenheft" führt; zur Begründung, weshalb der Angeklagte G. ihre Adresse nicht kennen darf, schreibt G an den Regionsverantwortlichen Mitte: "Weil C sich die Adresse nicht merken kann, schreibt er sie in das Ausgabenheft, trägt das Heft bei sich und wenn er die Zeitungen abholen geht, wird sein Auto angehalten und bei der Durchsuchung kommt unsere Adresse heraus, davon kriegen wir vielleicht nicht einmal etwas mit, und dann gerät unsere ganze Korrespondenz unter Kontrolle." Die Befürchtung der Beschlagnahme der Aufzeichnungen ist nur mit einschlägigen (negativen) Erfahrungen mit schriftlichen Unterlagen des Angeklagten G. erklärbar.

Dass der Angeklagte G. bereits vor dem Tatzeitraum im Gebiet Mitte tätig war und er in Mannheim und darüber hinaus in weiteren Städten Aktivitäten entfaltete, wird überdies durch überwachte Telefongespräche und eine Videoobservation vom 25. März 2002 bestätigt. Im Einzelnen:

- Aktivitäten in Worms belegen Gespräche vom 16. und 17. März 2002 (Gesprächsnummern 35 und 45, TKÜ C);

- am 23. März 2003 ruft der Angeklagte Y. von einem Festnetzanschluss in Mannheim bei S A an und teilt mit, dass er in Mannheim sei, nach Worms fahren werde, um sich mit "unserem Bürger", dem D A, zu treffen und von dort aus nach Frankfurt zu fahren (Nr. 98, TKÜ B);

- den Aufenthalt in Wiesloch belegt das bereits zitierte Telefonat vom 25. März 2002, 11:09 Uhr, in dem der Angeklagte G. ausdrücklich mit "C" angesprochen wird (Gesprächsnummer 80, TKÜ C);

- am gleichen Tag begab er sich nach Ludwigshafen. Den Aufenthalt in (Mannheim-) Ludwigshafen belegt ein Gespräch vom 25. März 2002, 12:55 Uhr (Gesprächsnummer 500, TKÜ A); der Angeklagte G. ruft von einer Ortsnetzrufnummer aus Mannheim (die auch das Gebiet Ludwigshafen erfasst) bei der Familie A, Richard-Wagner-Straße, in B an; das Gespräch wird von einem Kind entgegengenommen, das bei der Weitergabe des Hörers an seine Mutter "C" sagt. S A ist nicht zu Hause. Der Angeklagte G. erklärt, er sei in Ludwigshafen und mache sich auf den Weg zu ihr; dies würde ca. eine halbe Stunde dauern. Den Grund seines Kommens schildert er wie folgt: "Also, wenn Du zuhause bist, da gibt es Dinge, die ich holen wollte. Ich würde kommen. Da sind Sachen von mir, möchte ich holen."

Wie angekündigt, erscheint der Angeklagte G. um 13:30 Uhr in Biblis an der Wohnung A und zwar zusammen mit dem Angeklagten Y.. Diese Feststellung basiert auf einer an diesem Tag durchgeführten Videoobservation der Wohnung des S A, über die der Zeuge KOK F zuverlässig berichtete und die von dem Senat anhand der Videoprints nachvollzogen werden konnte. Auf den Videoprints sind zunächst um 13:30 Uhr zwei männliche Personen von hinten zu sehen, die die Wohnung betreten. Um 13:50 Uhr verlassen der Angeklagte Y. und - direkt hinter ihm gehend - der Angeklagte G. die Wohnung, wobei beide Gegenstände offen in ihren Händen tragen; bei dem Angeklagten Y. handelt es sich neben Papier, das er an den Körper hält, um zwei große aufgeteilte Plakate o.ä.. Beide Angeklagten sind auf dem Videoprint bei Verlassen der Wohnung eindeutig erkennbar. Dies bekundete nicht nur der Zeuge KOK F; auch der Senat ist davon nach Inaugenscheinnahme der Bilder durch eigenen Abgleich überzeugt; hinsichtlich des Angeklagten G. wird dies überdies durch die Ankündigung im Telefonat bestätigt. Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass es sich bereits bei den beiden Personen, die um 13:30 Uhr die Wohnung betreten haben, um die Angeklagten G. und Y. gehandelt hat; zum einen stimmt der Zeitpunkt des Eintreffens mit der Ankündigung des Angeklagten G. im Telefonat überein, zum anderen sind Kopfform, Frisur und Bekleidung (soweit von hinten sichtbar) identisch;

- in einem Telefonat vom 08. April 2002 wird der Angeklagte G. ausdrücklich als "der Mannheim-Verantwortliche" bezeichnet (Gesprächsnummer 144, TKÜ C). Er erhält um 19:28 Uhr einen Anruf von einer Festnetznummer aus dem Bereich Worms. Der Angeklagte G. meldet sich mit "Ja bitte?" Nach der anschließenden Begrüßung fragt er - ersichtlich auf ein Ereignis vor dem Telefonat Bezug nehmend - was "das denn für eine Sache" sei, ihm gehe es gut. Daraufhin berichtet der Anrufer lachend, man habe im Fernsehen seine Festnahme gemeldet: "Wir haben gesehen, dass Du verhaftet worden bist ... im Fernsehen." und "Bei Gott... unser ... einer von unseren Mannheimern sei gefangen genommen worden...". Der Angeklagte G. erklärt sodann, so etwas gebe es nicht, und fragt, was sie im Fernsehen sagen würden. Der Anrufer erklärt: "Der Mannheim-Verantwortliche." und lacht. Im weiteren Verlauf des Gesprächs fragt der Angeklagte G. noch mehrfach nach, ob tatsächlich Mannheim genannt worden sei, was der Anrufer bejaht. Dieser teilt auf weitere Nachfragen mit, dass die Nachricht von dem Sender TRT.Int. gesendet und "unser Name" genannt worden sei. Nach Angaben des Sprachsachverständigen B geht aus der Sprechweise hervor, dass der Anrufer den Angerufenen anfänglich lachend auf den Arm nehmen wollte; im weiteren Verlauf aber ernsthaft nachfragt und entsprechende Antworten erhält. Diese Ausführungen macht sich der Senat zu Eigen, zumal diese durch Anhörung und Verlesung des Gesprächs nachvollzogen werden konnten. Die fröhliche Stimmung beim Anrufer zu Beginn des Gesprächs beruht ersichtlich darauf, dass sich der Angeklagte G. persönlich meldete und nicht verhaftet worden ist;

- einen Aufenthalt in Heidelberg belegt ein Gespräch vom 05. Juni 2002 (Gesprächsnummer 467, TKÜ C);

- am 26. Juni 2002 sowie am 04. August 2002 hielt er sich in Darmstadt auf (Gesprächsnummern 545 und 833, TKÜ C).

Der Angeklagte G. beteiligte sich nach der Überzeugung des Senats nicht nur an Spendensammlungen und am Vertrieb der Organisationszeitschrift, sondern wirkte auch an der Weiterleitung gesammelter Gelder an die Einheiten in der Türkei mit, indem er Aktivisten benannte, die bereit waren, über ihr Konto Gelder in die Türkei zu transferieren; um dies unverdächtig erscheinen zu lassen, erfolgten die Überweisungen nicht direkt an die Organisation, sondern über Bekannte / Verwandte des Überweisenden in der Türkei. Auf die Anfrage eines unbekannten Funktionärs aus Köln sicherte er verbindlich die Benennung einer Person zu, über deren Konto Gelder in die Türkei überwiesen werden können; diese Feststellung basiert auf zwei Telefongesprächen aus der TKÜ C vom 11. Juli 2002, die er von Kölner Festnetzrufnummern erhielt; im Einzelnen:

- um 13:46 Uhr kündigt ein Funktionär an, er werde ihm "morgen Geld schicken" und fragt ihn: "Kannst Du jemanden auftreiben, mit dem Du es schicken kannst? Um das woanders hin zu schicken?" Der Angeklagte G. bejaht dies und bestätigt auf Nachfrage, dies gehe zu "100 Prozent" klar (Gesprächsnummer 630);

- um 21:09 Uhr erhält er einen Anruf von einem Funktionär, der ihn fragt: "Hast Du Dings organisiert, hast Du einen Mann organisiert? Den Mann, der auf die Bank Geld einzahlen soll?" Der Angeklagte G. antwortet: "Den Mann habe ich zwar noch nicht organisiert, aber den werden wir schon organisieren." Im weiteren Verlauf des Gesprächs sichert der Angeklagte G. zu, eine Person, die in der Nacht nach Frankfurt kommen wird, vom Bahnhof abzuholen. Sodann wird er erneut aufgefordert, "den Mann" zu organisieren; dieser "soll nicht Asylant oder so was sein. Also es muss jemand sein, der von seiner Bank einen Transfer machen kann." Die Nachfrage des Angeklagten G., "Er wird es an seine eigene Beziehung / eigenen Kontakt überweisen, nicht wahr?" bejaht der Anrufer (Gesprächsnummer 638).

- Kenntnis der Verwendung gesammelter Gelder (auch) für den

bewaffneten Kampf

Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass dem Angeklagten G. bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass zumindest ein Teil der gesammelten Gelder der Finanzierung des bewaffneten Kampfes in der Türkei diente . Als Funktionär wurde er - wie ausgeführt - geschult und kannte daher auch die Programmatik der DHKP-C. Außerdem wurde am 28. November 2006 in der elterlichen Wohnung in Köln, seinem Nebenwohnsitz, ein Schreiben der Organisation vom Sommer / Frühherbst 2001 an ihre Funktionäre im Gebiet Mitte aufgefunden, das diese Kenntnis bestätigt; außerdem enthält es eine Zusammenfassung der Aufgaben, die ein Gebietsleiter wahrzunehmen hat, nebst einem, an die Anhänger zu verteilenden Anschreiben; im Einzelnen:

Die Art und Weise der Durchsuchung, deren Verlauf, die Auffindeorte und die sichergestellten Beweismittel schilderte der Zeuge KHK Sch detailliert. Er bekundete, dass er aufgrund dort aufgefundener Lichtbilder des Angeklagten G. (hierzu gleich mehr) jedenfalls einen Teil des Bücherschranks (Schrankfach links) im ansonsten vom Bruder des Angeklagten, Ilker G., genutzten Wohn-/Schlafzimmer sicher dem Angeklagten G. zuordnen konnte; außer dem Schlafzimmer der Eltern, Wohnzimmer sowie Küche und Bad enthält die Wohnung nur diesen weiteren Wohn-/Schlafraum. In diesem Bereich des Bücherschranks befand sich neben den Lichtbildern unter anderem das genannte Schreiben der Organisation.

Dass dieses Schreiben dem Angeklagten G. sicher zuzuordnen ist, ergibt sich neben der Auffindesituation aus seiner damaligen Funktion; er, nicht sein Bruder Ilker, war - wie ausgeführt - zu dieser Zeit nach der Überzeugung des Senats Funktionär innerhalb des Gebiets Mitte; nur für diesen Personenkreis war das Schreiben nach seinem Inhalt bestimmt, das Begleitschreiben für die Anhänger.

Dass der Angeklagte G. bis zur Ausreise nach Belgien und erneut nach der Verurteilung bis Februar 2005 bei seinen Eltern amtlich gemeldet war, wurde bereits ausgeführt; dass er dort jedenfalls bis ins Jahr 2003 auch Gelegentlich übernachtete, ergibt sich aus den Angaben der Zeugin KHKin S-K sowie aus Dokumente n aus den Niederlanden, beispielsweise aus den Dateien mit den ID-Nrn. 753 360 und 754 352 (vgl. nachf. g. aa.).

Die Beweismittel wurden von der Zeugin S-K ausgewertet; das Ergebnis schilderte die Zeugin glaubhaft; ergänzend wurden die Lichtbilder in Augenschein genommen und das Schreiben der Organisation verlesen.

Es handelt sich um 4 identische Passbilder, auf denen sicher der Angeklagte G. zu erkennen ist, mit unterschiedlichen (Teil-)Stempelaufdrücken; auf diesen ist jeweils lesbar: "MAGYAR KOZTARSA..."; nach den Bekundungen der Zeugin KHKin S-K bedeutet die Aufschrift "Republik Ungarn" ("MAGYAR KÖZTARSASAG"). Ermittlungen über den deutschen Verbindungsbeamten bei den ungarischen Behörden ergaben nach Angaben der Zeugin keine Hinweise über Einreisen des Angeklagten G. nach Ungarn, sein Name war dort nicht bekannt. Zur Stempelfarbe konnte keine Aussage getroffen werden. Ein ungarisches Dokument mit dieser Papierfarbe ist nicht bekannt. Der Senat schließt aufgrund der Art der Bilder jedoch aus, dass es sich um Fotos handelt, die Ilker G. von seinem Bruder D - etwa für ein Familienalbum - erhalten hat.

Bei dem Schreiben befanden sich 3 Seiten älterer Ausgaben des "Angehörigen Info", im gleichen Fach ein Flyer, mit dem ein Konzert der G Y in Frankfurt am 16. Dezember angekündigt wurde, wobei die Jahreszahl nicht ermittelt wurde, sowie ein regimekritisches Heft.

Der Senat ist davon überzeugt, dass das Schreiben vom Sommer / Frühherbst 2001 stammt. In dem Begleitschreiben "Wir sind die Hoffnung" wird ausgeführt, dass "der Widerstand des Todesfastens den 300. Tag überschritten" hat; wie ausgeführt begann das Todesfasten im Oktober 2000, so dass das Schreiben frühestens im Verlauf des August 2001 entstanden sein dürfte; außerdem wird die Kampagne ab 01. Oktober angekündigt, weshalb der Senat davon überzeugt ist, dass das Schreiben innerhalb dieses Zeitfensters verfasst wurde; auch der Umstand, dass von DM-Beträgen die Rede ist, bestätigt, dass es vor dem Jahre 2002 verfasst worden ist.

Der Inhalt des Schreibens, das mit "Gebietskomitee" unterzeichnet ist und einen Abriss über die erwarteten Aktivitäten eines Gebietsverantwortlichen enthält, kann wie folgt zusammengefasst werden:

Zunächst wird auf die Bedeutung und den Ablauf der jährlichen "Frontkampagne" hingewiesen, die am 01. Oktober beginnt. Ein überzeugter Anhänger ist verpflichtet, sein ganzes monatliches Einkommen mitzuteilen. Die Höhe der Spende beträgt ein Monatseinkommen. Hierzu wird ausgeführt: "Wir sind eine Kampforganisation. (...) Mindestens ein Guerillero muss ausgestattet werden können." Daneben gibt es "Zwischenkampagnen", die auf freiwilliger Basis durchgeführt werden. Anschließend wird die Höhe der Beiträge festgelegt (gestaffelt nach Einkommen und Familienstand); diese sind auch in der "Kampagnephase" zu zahlen. Nicht gezahlte Beiträge werden als Schulden registriert. Sodann wird auf die Bedeutung der Publikationen (Zeitschriften, Bücher und andere Veröffentlichungen) und Veranstaltungen zur Verbreitung der Ideologie ("Die Menschen müssen die Wahrheit von uns erfahren") hingewiesen, wobei insbesondere die Organisationszeitschrift als unverzichtbar für die Gewinnung und die Organisierung der Menschen herausgestellt wird. Auf die Wichtigkeit der Teilnahme an den Aktionen ("Protestieren gegen die Grausamkeit") wird hingewiesen, wobei "die Massen in diese Arbeit mit ein(zu)binden" sind. Sodann werden die Anhänger aufgefordert, "zu Beerdigungen im Umfeld zu gehen, nach Kranken sich zu erkundigen und zu Hochzeiten zu gehen". Zuletzt wird die Bedeutung der "Anschlagzettel", das sind "Fotos von unseren Märtyrern oder machen auf ein ernstes Problem aufmerksam", für Propagandazwecke herausgestellt: "Die Erklärungen werden mit großen Anstrengungen und Sorgfalt veröffentlicht, damit die Öffentlichkeit aufgeklärt wird und damit wir Propaganda machen und Menschen gewinnen können."

Dem Schreiben ist ein weiteres Schreiben beigefügt mit der Überschrift "Wir sind die Hoffnung! Der Widerstand wird den Sieg erreichen. Es ist der Tag von noch mehr Opferbereitschaft", von dem die Organisation erwartet, dass es an die Anhänger weitergereicht wird. Die Anhänger werden - nach Ausführungen über das "Todesfasten" und über "Märtyrer" - aufgefordert, sich in Europa für die revolutionäre Bewegung in der Türkei einzusetzen. Das Schreiben endet mit folgendem Aufruf zur Jahreskampagne:

"Ja, unsere traditionelle Aufgabe, das Datum unserer jährlichen Frontkampagne rückt näher. Ab dem 01. Oktober beginnt unsere traditionelle Kampagne. Unsere Kampagne wird drei Monate andauern. Es ist bekannt, dass unsere allgemeine Kampagne zu den wichtigsten Aufgaben unserer Bewegung im hinteren Bereich der Front gehört. Wir sind eine Bewegung, die sich auf das kleine, aber saubere Einkommen unseres Volkes stützt, und wir haben auch kein weiteres Einkommen, außer den Beiträgen unseres Volkes. Von dieser Seite her begnügen wir uns damit, diese Aktivität, die bekannte Aufgabe der hinteren Front, die das Bedürfnis eines ganzen Jahres deckt, in Erinnerung zu rufen.

Wir hoffen, dass alle unsere Menschen, ohne ihre traditionelle Aufgabe, das heißt ein Monatseinkommen von 12 Monaten des Jahres für die Revolution, für die Front zu reservieren, ohne ihre eigenen Probleme in den Vordergrund zu rücken, vollständig und ohne Verzögerung ihre Zahlungen und als ein stabiles Familienmitglied ihr Leben voller Hoffnung, Liebe und Menschlichkeit und fern von ihrem Egoismus als Vaterlandliebende fortführen. Mit Gruß und unserer Liebe..."

Ab Mitte 2002 wurde der Angeklagte G. Verantwortlicher für die Gebiete Frankfurt a. M. und Mannheim; hierzu mehr in der Beweiswürdigung zur Betätigung im Tatzeitraum.

dd. Mitwirkung an und Organisation von Demonstrationen

Der Angeklagte G. wurde im Jahre 2001 durch die Organisationsführung auch regelmäßig zur Mitwirkung an Demonstrationen im In- und Ausland, die Propagandazwecken der Organisation dienen sollten, eingesetzt. Diese Feststellung basiert auf Berichten der Europaverantwortlichen aus der niederländischen Rechtshilfe:

-Beispielsweise wurde der Angeklagte G. im Bericht vom 17. Juli 2001 (Datei ID-Nr. 732 471) der Führung als Teilnehmer einer Demonstration anlässlich des G8-Gipfels in Genua gemeldet. A teilt mit, dass sie "die Anzahl derer, die von Deutschland nach Genua sollen, erhöht" hätten, nennt die Zahlen und soweit möglich die Namen der Teilnehmer aus den verschiedenen Gebieten aus Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz; insgesamt rechnet sie mit 70 Personen. In jedem Fahrzeug würden Plakate und Fahnen versteckt. Hinsichtlich des Gebiets Frankfurt teilt sie Folgendes mit: "Frankfurt 4: D, B, H,";

- im Bericht vom 04. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 750 395) berichtet G, wie bereits ausgeführt, dass sie "C zu langen Demonstrationsaktionen geschickt" hätten, "als auch K in jenem Gebiet Verantwortung hatte" (zur Verantwortlichkeit des Angeklagten Y., Deckname K, im Gebiet Mitte an anderer Stelle mehr).

Die Organisation von Demonstrationen gehörte ausweislich der Erkenntnisse aus überwachten Telefongesprächen auch zu seinen Aufgaben als Bölgeleiter. Beispielsweise wird er in dem bereits zitierten Telefonat vom 11. Juli 2002, das er von einem Kölner Festnetzanschluss erhält, von einem übergeordneten Kader, an den der Hörer von dem Anrufer weitergereicht wird, mit Nachdruck aufgefordert, "zusammen mit einem Mann (...) für Samstag (...) eine Genehmigung für eine Demonstration" zu besorgen (Gesprächsnummer 630, TKÜ C).

ee. Erkenntnisse des BfV

Die Entwicklung des Angeklagten G. in der DHKP-C ab Anfang der 90er Jahre bis August 2002 wird in wesentlichen Teilen bestätigt durch die Erkenntnisse des BfV, vermittelt durch den Zeugen RD V:

Dieser bekundete, dass der Angeklagte G. dem BfV seit 1992 als Aktivist und Funktionär der Dev Sol und ab 1994 deren Nachfolgeorganisation DHKP-C bekannt ist. Er beteiligte sich als Aktivist an mehreren Besetzungsaktionen der Dev Sol bzw. der DHKP-C, betätigte sich als Spendensammler sowie als Verkäufer von DHKP-C-Publikationen und wurde mehrfach als Plakatierer für DHKP-C-Veranstaltungen festgestellt. Ab Mitte 1998 nahm er darüber hinaus Funktionärsaufgaben vorwiegend innerhalb der DHKP-C-Region Mitte wahr. Von Mai 1998 bis mindestens Februar 1999 betätigte er sich als Leiter der DHKP-C in Kassel. Ab dem Jahr 2000 war G. zunächst zur Unterstützung des Leiters der DHKP-C-Mitte eingesetzt und anschließend Anfang 2001 als Begleiter und Fahrer der DHKP-C-Europaleiterin; bei dieser handelt es sich um eine der höchsten Funktionäre, ein "Reisekader"; diese pflegen sich sehr konspirativ zu verhalten, auch hinsichtlich des Aufenthaltsortes. Erkenntnisse, wann diese Tätigkeit konkret endete, liegen dem BfV nicht vor. Ab Mitte 2001 war der Angeklagte G. Leiter der DHKP-C in Darmstadt und Mannheim. In dieser Funktion nahm er im September 2001 an einem Funktionärstreffen der DHKP-C-Region Mitte teil. Eines der Themen war die Vorgabe der Europaleitung für die Jahresspendenkampagne 2001. Darüber hinaus nahm er im Juli 2001 an Demonstrationen anlässlich des G-8-Gipfels in Genua teil. Im November 2001 war er Teilnehmer einer versuchten Besetzung des "Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte" in Straßburg durch Angehörige der DHKP-C. Ebenfalls im November 2001 war er Teilnehmer einer Besetzung des SPD-Gebäudes in Frankfurt a. M. durch Anhänger der DHKP-C. Im Dezember 2001 wurde er in Frankfurt a. M. mit diversen Zeitungen und Plakaten der DHKP-C angetroffen. Im August 2002 war er Versammlungsleiter einer Spontandemonstration vor dem türkischen Generalkonsulat in Frankfurt a. M..

c. Zuständigkeiten im Tatzeitraum

Der Angeklagte G. übte nach der Überzeugung des Senats im Tatzeitraum vom 30. August 2002 bis zu seinem Weggang nach Belgien im September 2003 durchgängig die Führungsfunktion eines Bölgeleiters innerhalb des Gebiets Mitte bzw. ab Oktober 2002 innerhalb der selbständigen Region Mitte aus.

aa. Übergeordnete Kader des Angeklagten G.

- M.A. von Mitte Juli 2002 bis Anfang Oktober 2002

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Organisationsführung dem früheren Mitangeklagten M.A. - in der Nachfolge des A C - Mitte Juli 2002 die Leitung der Region Süd übertrug, so dass dieser fortan übergeordneter Kader des Angeklagten G. war.

Dass M.A. nach der Verhaftung des A C am 12. Juli 2002 von der Europaverantwortlichen G vorübergehend mit der Aufsicht über das Gebiet Mitte beauftragt wurde und der Angeklagte G. dann im Oktober 2002 mit der Schaffung einer eigenständigen Region Mitte dem nunmehrigen Regionsverantwortlichen (Deckname: S A) untergeordnet wurde, haben die Zeugen KHKin S-K und KHK F, belegt durch Dokumente aus den Niederlanden, bekundet.

Der Wechsel der Zuständigkeit - von A C auf M.A. - lässt sich anhand mehrerer Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe nachvollziehen; im Einzelnen:

- Am 15. Juli 2002, mithin drei Tage nach der Festnahme des A C, berichtet M.A. (Deckname: S - hierzu später mehr) an die Führung Folgendes (Datei ID-Nr. 732 562): "Es ist verstanden, dass ich mich um das Gebiet von T kümmern soll, okay. Dass er verhaftet wurde, war nicht gut. Es ist verstanden, dass zusammen mit dieser Aufgabe der Kontakt zu der Gegend von Ley... fortgeführt werden soll, okay. Unsere Arbeit hier ist beendet, ich bespreche mich mit A und gehe in Ts Gebiet rüber.";

- am 19. Juli 2002 schreibt G an die Führung u.a. (Datei ID-Nr. 731 673): "2- Ich habe zusammen mit S. A. Informationen bezüglich des Gebiets von T gegeben, da ihr gesagt habt, dass er sich vorerst um Ts Gebiet kümmern soll, und S A habe ich Informationen zu Österreich gegeben, weil ihr gesagt habt, er solle schnell nach Österreich gehen. Darüber hinaus habe ich nichts gesagt, solange nicht von euch eine Mitteilung ergangen ist, welche Gebiete sie kontrollieren sollen.";

- am 08. August 2002 übermittelt G eine Datei an die Führung, die sie "für S A" geschrieben habe und die sie auch ihm selbst schicke (Datei ID-Nr. 731 363). Anschließend wird eine Mitteilung an "S" wiedergegeben. Auch in dieser gibt es Hinweise auf Einsatzorte: "9. Wie viele Spenden wurden in Stuttgart, Ulm, Regensburg, Nürnberg und an den anderen Orten gesammelt...";

- am 17. Februar 2003 berichtet G der Führung, dass sie mit N A (Deckname des M.A.), zwei Tage gesprochen habe (Datei ID-Nr. 750 553); auch dieser Bericht bestätigt die Übernahme der Regionsleitung in der Nachfolge des A C: "Bis er jedoch nach Stuttgart gefahren ist, hat er keine Antworten dieser Art gegeben. (...) Er hat gesagt, dass es in Stuttgart Probleme geben würde. Es gäbe ein Autoproblem und Probleme mit den Menschen. Die Menschen seien problematisch. (...) Sie haben zuerst gesagt, dass er in Hamburg sein sollte. Jedoch hat sich durch die Festnahme von T eine andere Konstellation ergeben. Er wäre dann nach Stuttgart gekommen."

Bestätigt wird der Führungswechsel durch die Aussage des Zeugen RD V, BfV; nach den dortigen Erkenntnissen war M.A. in der Zeit von Juli 2002 bis März 2003 Leiter der DHKP-C-Region Süd. Auch nach der amtlichen Erklärung des Bayerischen LfV vom 01. Oktober 2007 war M.A. in den Jahren 2002 und 2003 innerhalb der DHKP-C-Anhängerschaft als Leiter des Gebietes Süddeutschland bekannt.

Die Feststellung, dass die Zuständigkeit des M.A. für das Gebiet Mitte mit der Schaffung einer eigenständigen Region Mitte endete, beruht ebenfalls auf einer Datei aus der niederländischen Rechtshilfe (Datei ID-Nr. 763 471); am 09. Oktober 2002 leitet G eine Mitteilung weiter, die sie am Vortag an M.A. (damaligen Deckname: T A) geschrieben hat. In dieser teilt sie diesem mit, dass seine Zuständigkeit für das Gebiet Frankfurt, Mannheim und Umgebung endet, für die verbleibende Region Süd, die - wie auch in anderen Dateien - mit "Stuttgart" bezeichnet wird, indes bestehen bleibt: "6- S A wird sich um Frankfurt- Mannheim und Umgebung kümmern. Es ist nicht mehr nötig, dass sie mit C sprechen. Sie können sich allein um Stuttgart kümmern."

Allem nach ist der Senat davon überzeugt, dass M.A. im Juli 2002 in der Nachfolge von A C die Leitung der Bölge Süd übernahm und damit der unmittelbar dem Angeklagten G. übergeordnete Kader war; dies war aber nur bis Oktober 2002 der Fall, weil mit der Schaffung der eigenständigen Region Mitte die Zuständigkeit des M.A. für das Gebiet Mitte endete.

Der Senat ist weiter überzeugt, dass M.A. - wie alle anderen Kader der Organisation auch - wechselnde Decknamen nutzte. Ab September 2000 verwendete M.A. die Decknamen T bzw. S A. Diese Feststellung basiert darauf, dass der Zeuge H M.A. Mitte 2002 als T und S kennen gelernt hat (hierzu später mehr). Auch Dokumente aus der niederländischen Rechtshilfe mit dem Decknamen T weisen eindeutige, unverwechselbare Parallelen zur Lebensgeschichte des M.A. auf, insbesondere hinsichtlich der Inhaftierung in der Türkei sowie der gesundheitlichen Beeinträchtigungen (z.B. Dateien mit den ID-Nr. 734 493 und 734 466). Bestätigt wird dies durch die Erkenntnisse aus dem Behördenzeugnis des BND vom 17. September 2007; danach verwendete M.A. die Decknamen S und T. Auch nach den Angaben des Zeugen RD V, BfV, wurde M.A. erstmals im September 2000 als Funktionär der DHKP-C bekannt, er habe nach den dortigen Erkenntnissen die Decknamen S und T verwendet.

Von Oktober 2002 bis Mai 2003 wechselte M.A. seinen Decknamen monatlich, um eine Enttarnung zu verhindern. Auch diese Feststellung, die erforderlich ist, um die Verflechtungen des M.A. als übergeordneter Kader mit den beiden Angeklagten G. und Y. in den niederländischen Dateien nachvollziehen zu können, basiert auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe. Im Einzelnen verwendete er folgende weitere Decknamen, häufig mit dem Zusatz A - laut Ausführungen des Sprachsachverständigen B eine türkische Ehrbezeichnung (wörtlich übersetzt: älterer Bruder):

- Im Oktober 2002: T

Ab Oktober 2002 wurde M.A. T genannt. Am 07. Oktober 2002 schreibt G an die Führung u.a., "T A ist in Stuttgart und kann daher Stuttgart und England überwachen" (Datei ID-Nr. 751 686); dieser Zuständigkeitsbereich stimmt mit dem des M.A. überein. Die neue Aufgabe lässt sich auch der bereits zitierten Datei ID-Nr. 763 471 entnehmen;

- im November 2002: F

Am 01. November 2002 gibt F die Anweisung der Führung wieder und teilt - dieser Anweisung folgend - seinen neuen Decknamen mit, den er im November 2002 verwendet (Datei ID-Nr. 763 787): "Sie hatten gesagt, man soll einmal im Monat den Namen ändern. In diesem Monat soll es F sein. Natürlich hat T seine Dankesschuld nicht beglichen. ..." Der Text endet mit der - auf M.A. hindeutenden - Bemerkung, dass er körperliche Beschwerden habe. Am 10. November 2002 leitet G eine Nachricht von F vom gleichen Tag weiter (Datei ID-Nr. 763 816). Er berichtet über verschiedene Veranstaltungen und deren Vorbereitung, gesammelte Ticketgelder (u.a. in Stuttgart), Kassettenabrechnungen ("Stut... Süden..."), Gelder für die Wöchentliche, überwiesene Geldbeträge an Inhaftierte in der Türkei. Schließlich teilt er die Verlängerung seiner Aufenthaltsbefugnis mit: "13- Mein Aufenthalt wurde um zwei weitere Jahre verlängert. (...)";

- im Dezember 2002: H

Am 15. Dezember 2002 teilt G der Führung Folgendes mit (Datei ID-Nr. 763 926): "Der Name von F A ist H geworden." Sodann leitet sie eine Nachricht des H vom gleichen Tag weiter; in dieser teilt er unter Nr. 1 Folgendes mit: "Fat... soll Zeynep heißen. Mein Name ist H." Unter Nr. 19 teilt er zu einem "Camp" Folgendes mit:

"Stut... Sie haben gegen E und A aufgrund des Camps ein Verfahren eingeleitet, gegen beide. A hatte den Ort gemietet. Gegen E haben sie Verfahren eingeleitet mit der Begründung, er habe dem Besitzer der Räumlichkeit Geld gegeben, und er sei der Campverantwortliche. (...) Was A gesagt hat, wurde nicht aufgeschrieben. Laut Schreiben des Gerichts war H Campverantwortliche und diejenige, die Unterricht erteilt hat. (...)" Diese Datei bezieht sich ersichtlich auf die Schulungsveranstaltung vom 19. bis 30. August 2002 in Neuhausen-Schellbronn. A C mietete diese Pfadfinderhütte in Anwesenheit des E D an. Bei der Durchsuchungsaktion am 30. August 2002 wurde u.a. M.A. angetroffen.

Am 29. Dezember 2002 leitet G eine Datei von H A vom gleichen Tag weiter (Datei ID-Nr. 763 743); in dieser teilt er u.a. Folgendes mit:

"11- Da ich am 2. Januar in Bremen zum Arzt gehen werde, habe ich für den 1. Januar einen Fahrschein nach Bremen gekauft mit Rückfahrt am 4. Januar."

Nach Angaben des M.A. bei der Exploration durch Prof. Dr. L suchte er, so der Zeuge Prof. Dr. L, verschiedene Ärzte in Bremen auf. Er befand sich u.a. in nervenärztlicher Behandlung bei K P, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, in Bremen;

- im Januar 2003: R

Am 19. Januar 2003 (Datei ID-Nr. 750 805) teilt G der Führung mit, sie habe nicht verstanden, warum H den Personalausweis nicht habe machen können. Sie habe R A zigfach gefragt, aber keine Antwort erhalten. Diese Frage knüpft an frühere Anfragen an, beispielsweise vom 16. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 925); in dieser leitet G eine Nachricht weiter, die sie an F A geschrieben habe; in der Anrede der Nachricht richtet sie sich dann aber an H. In dieser fragt sie unter Punkt 12 an, wann das Heft fertig ist, das der H anfertigen sollte. Am 21. Januar 2003 leitet G eine Nachricht von R weiter (Datei ID-Nr. 751 322). M.A. nimmt Bezug auf Arbeiten im Süden und schildert Probleme mit A (Deckname des früheren Mitangeklagten H.S.), den ihm unterstellten Bölgeleiter Ulm. Am gleichen Tag leitet G eine weitere Nachricht von R weiter (Datei ID-Nr. 748 630). Vorab beanstandet sie, er würde sich beleidigend verhalten. Im Zusammenhang mit der Beanstandung seiner Schulungstätigkeit teilt sie mit, dass er vor 7 Monaten "ins Gebiet gegangen" sei. Th er zum "Revolutionär-Pascha" erklärt, weil er keine Schulung gemacht habe. Stuttgart sei "sein Gebiet", da dürfe sich niemand einmischen. Auch diese Bezüge (Übernahme der Verantwortung in der Region Süd im Juli 2002 als Nachfolger des T) belegen, dass R ein Deckname von M.A. war. Am 28. Januar 2003 leitet G zwei Mitteilungen von "R" vom 27. Januar 2003 weiter (Datei ID-Nr. 750 452). Danach trug er diesen Decknamen Anfang 2003 und berichtet nachfolgend auch über den in dieser Datei angekündigten Arztbesuch in Bremen. In der ersten Mitteilung nimmt er Bezug auf seine 17-jährige Inhaftierung; diese Dauer der Inhaftierung deckt sich mit der Lebensgeschichte des M.A.. In der zweiten Notiz berichtet er über verschiedene Aktivitäten sowie über eine Kontrolluntersuchung am 30. Januar bei einem Arzt in Bremen. Tatsächlich befand sich M.A., wie ausgeführt, bei Ärzten in Bremen in Behandlung;

- im Februar / Anfang März 2003: N

Am 13. Februar 2003 leitet G eine Mitteilung des N A weiter und stellt dieser den Hinweis auf den Wechsel des Decknamens voraus (Datei ID-Nr. 750 402): "(...) R A wird diesen Namen benutzen. N 11.2.2003". Am 02. März 2003 übermittelt G eine weitere Mitteilung von N A (Datei ID-Nr. 750 781). In dieser Datei finden sich unter Nr. 18 Bezüge zu M.A., zum einen zu Arztbesuchen in Bremen und Hamburg, zum anderen zu einem von ihm gestellten Umverteilungsantrag. M.A. stellte, so die Zeugin KHKin S-K, einen Antrag auf Zuzug in den Bereich der Ausländerbehörde Hamburg. Auf diesen Umverteilungsantrag geht G auch in der Mitteilung vom 07. März 2003 ein (Datei ID-Nr. 750 617);

- Mitte März 2003: N

G berichtet am 15. März 2003 über ihre Gespräche mit K, N A und S (Datei ID-Nr. 751 051). Die neuen Verantwortlichkeiten, die sie N A zuweist, belegen - in der Gesamtschau mit den nachfolgenden Dateien - dass es sich um den neuen Decknamen des M.A. handelt;

- Ende März / Anfang April 2003: C

Unter dem Datum vom 22. März 2003 teilt G der Führung unter Nr. 13 mit, dass N A bei seinem Schriftverkehr künftig den Namen C benutzen wird (Datei ID-Nr. 748 889). Im weiteren Verlauf fordert sie schnelle Antworten auf Fragen / Anweisungen zum gescheiterten Waffentransport des H H ("Pizzabäcker"), insbesondere von oder über C. M.A. war einer der wenigen, die - wie noch auszuführen ist - in den gescheiterten Waffentransport mit H H verstrickt waren und diesbezüglich Kontakt mit dem Angeklagten G. (C) hatte;

- ab 10. April bis Anfang Mai 2003: B

Am 10. April 2003 teilt G mit, sie habe den Namen von C A in B geändert (Datei ID-Nr. 752 061). In der Mitteilung vom 07. Mai 2003 (ID-Nr. 756 023) befasst sich G wiederum mit dem "Pizzabäcker" (H H) und der Beteiligung u.a. des B A, der mit diesem in Nachfolge des T gesprochen habe;

- ab Mai 2003 schließlich B

G antwortet am 13. Mai 2003 auf eine Notiz der Führung vom 11. Mai 2003; unter Ziffer 8. weist sie u.a. auf die Namensänderung des B hin (Datei ID-Nr. 755 780): "8- Das bezüglich S Y wurde verstanden. Ich habe es an B (B) A weitergeleitet."

- S A ab Oktober 2002

Der Senat ist davon überzeugt, dass im Oktober 2002 - mit der Ausgliederung der Region Mitte aus der Region Süd und der Schaffung einer eigenständigen vierten Region innerhalb Deutschlands - der Regionsleiter Mitte der neue übergeordnete Kader des Angeklagten G. wurde. Diese Aufgabe wurde einem Funktionär mit dem Decknamen S A übertragen.

Zur Region Mitte gehörten die Städte Frankfurt a. M., Mannheim und Saarbrücken, wie sich beispielsweise aus einer von G unter dem Datum vom 21. Juli 2003 verfassten Datei ergibt (Datei ID-Nr. 752 425): "(...) die Gebiete Frankfurt, Mannheim, Saarbrücken, die wir als Gebiet Mitte bezeichnen."

Der Übergang der Zuständigkeit auf S A nach der Schaffung der eigenständigen Region Mitte lässt sich an mehreren Dateien der niederländischen Rechtshilfe nachvollziehen.

Beispielsweise leitet G am 09. Oktober 2002 eine Mitteilung an die Führung weiter, die sie am Vortag an M.A. (Deckname: T A) geschrieben hat (Datei ID-Nr. 763 471); in dieser teilte sie M.A. mit, dass seine Zuständigkeit für das Gebiet Frankfurt, Mannheim und Umgebung endet, für die verbleibende Region Süd, die - wie auch in anderen Dateien - mit "Stuttgart" bezeichnet wird, indes bestehen bleibt. Außerdem teilte sie ihm unter Nr. 6 mit, dass künftig "S A" für die eigenständige Region Mitte zuständig sein werde, wörtlich wie folgt: "6- S A wird sich um Frankfurt- Mannheim und Umgebung kümmern. Es ist nicht mehr nötig, dass sie mit C sprechen. Sie können sich allein um Stuttgart kümmern."

Der Leiter der Region Mitte verwendete in der Folgezeit wechselnde Decknamen (M, M, R, O, D, C), hierzu an anderen Stellen mehr.

Diesen Führungskadern war der Angeklagte G. hierarchisch untergeordnet und daher rechenschafts- und berichtspflichtig. Dieses Über- / Unterordnungsverhältnis spiegeln beispielsweise die Gespräche zwischen dem Angeklagten G. und dem früheren Mitangeklagten A im Zusammenhang mit dem Waffentransport mit dem Kurier H H wider (hierzu mehr im Rahmen der Beweiswürdigung zum Waffentransport).

bb. Bölgeleitung in den Gebieten Frankfurt a. M. und Mannheim

ab Mitte Juli bis Oktober 2002

Zur Überzeugung des Senats erstreckte sich die Zuständigkeit des Angeklagten G. innerhalb des Gebiets Mitte - nach dem Weggang des Angeklagten Y. nach Köln - ab Mitte Juli 2002 (und auch noch in den ersten Monaten des Tatzeitraums) auf die Gebiete Mannheim und Frankfurt a. M..

Diese Feststellung basiert auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe. Am 08. Oktober 2002 teilt G der Führung diese Zuständigkeit des Angeklagten G. explizit mit (Datei: Export-12/Unallocated Clusters~44):

"3- Frankfurt und Mannheim

In diesem Gebiet ist C als Verantwortlicher tätig.

- Wir haben in diesem Gebiet kein Komitee. Nur C ist als Verantwortlicher tätig. Nach K sollten T, M und C wie ein Komitee zusammenarbeiten. Sie haben jedoch nicht zusammengearbeitet."

Weiter berichtet G in dieser Datei über die Schwierigkeiten mit dem Angeklagten G., der indes - nach den weiteren Ausführungen - in dem Gebiet nach den Vorgaben der Führung alternativlos war; außerdem schildert sie entgegen der Klage, der Angeklagte G. verkaufe nur Zeitschriften, mehrere von diesem entfaltete Aktivitäten, im Einzelnen wie folgt:

"Sein politisches Wissen ist sehr gering, aber wenn irgendwas vorfällt, ist er nicht in der Lage, eine politische Haltung einzunehmen. (...) C hat das Geld der Kampagne ausgegeben. Er wird das Geld für die Zeitschrift ausgeben. Er ist faul, Schlaflosigkeit kann er nicht ertragen. (...) Er ist seit 10 Jahren unter uns. Von Zeit zu Zeit erlebt er Krisen, ging und kam. Er kann in einem Gebiet die Verantwortung nicht allein tragen. Er kann Verantwortlicher zweiten Grades sein oder man hat ihn ständig zu kontrollieren. Er kann vor einer Menge keine Rede halten. Er liest keine Bücher, Ausbildung schon gar nicht. C ist verschlossen, (...). Die Dosis einer Diskussion mit C muss man sehr gut einstellen. Es wird zu einem Problem, wenn der Dialog abreißt. Er hat kein Programm, man muss ihm alles einzeln sagen, damit er etwas macht.

- In dem Gebiet gibt es außer Zeitschriftenverkauf keine Aktivitäten.

- Es findet kein Ausbildungsunterricht statt. (...)

- Es sind Schulden - für Zeitschriften - offen. Das Austeilen der Zeitschriften dürfte kein Problem darstellen. Es gibt nämlich in jedem Gebiet ZeitschriftVerteiler . Aufgrund der fehlenden Disziplin und Initiativen von C werden die Gelder für die Zeitschrift nicht eingesammelt.

- Es werden keine Beiträge eingesammelt. (...) Warum sollte C Beträge einsammeln, wenn er stattdessen Kampagnegelder, Zeitschriftengelder ausgeben kann. (...)

Es gibt mit C sehr viel zu diskutieren. Jedoch ist C der einzige Mensch, der unsere Führung in diesem Gebiet akzeptiert. Außer ihm gibt es weder Personen, die Verantwortung übernehmen könnten noch gibt es Personen, die eine Alternative zu C darstellen könnten. (...)

- M und T müssten in Frankfurt, und C in Mannheim aktiv sein. (...)

S verteilt in Mannheim Zeitschriften. C hatte ihn gefunden. (...)

- In dem Gebiet haben wir Beziehung auf Anhängerbasis. Die einzige Tätigkeit ist das Austeilen von Zeitschriften. (...)

C sollte nicht allein hingehen, um Zeitschriften abzuholen. Zeitschriften abzuholen ist für C ein Vorwand, um nach Köln zu fahren. Alle dort haben einen Führerschein. Sie können der Reihe nach fahren, um die Zeitschriften abzuholen. T, M, C, T, H, H, E: alle haben einen Führerschein. Sie können im Wechsel mit Stuttgart die Zeitschriften abholen. (...)

- Mit C müssen wir über Frauen-Männer-Beziehungen, unsere Sichtweise über Heirat und über das, was er zuletzt gemacht hat, diskutieren. (...)

war in C verliebt, hat mit ihm gemailt. C hat dies später zugegeben, aber C entwickelt derartige Zweierbeziehungen. Wir haben darüber diskutiert, haben ihm gesagt, dass er dies nicht tun darf, aber man muss ihn immer wieder warnen. (...).

- Die Zentrale Kam. wird beginnen. Im Oktober müssen wir die Listen herausbringen. Wir müssen eine Kampagneversammlung mit einer breiten Beteiligung machen. Wir müssen die Limits festlegen.

C ist, was die Kampagne angeht, sehr zerstreut. Man muss die Rechnung sehr gut machen. C wird die Rechnung für drei Gebiete nicht ordentlich machen können. Wenn die Zeitschriftenverteiler wöchentlichen kommen, um Zeitschriften abzuholen, kann die Kontrolle der Kampagne durchgeführt werden. Wir werden 25er-Quittungen drucken lassen. Wenn ihr mitteilt, wie viele Quittungen für die Schweiz, für Österreich, Frankfurt und Mannheim gebraucht werden, werden wir dementsprechend Quittungen drucken lassen. (...) Was werden die Limits für die drei Gebiete sein? (...)

- Die Abendveranstaltung, die wir in Stuttgart durchführen werden, ist sehr wichtig. (...) Wir müssen in Frankfurt, Mannheim und Saarbrücken sehr gut Tickets verkaufen. (...)

Es muss auch festgelegt werden, wer aus dieser Region am Karavan - nach Angaben des Sprachsachverständigen B i.S.v. Demonstrationskarawane - teilnehmen wird. Es können alle kommen, die einen Pass besitzen. Wir sollten mit C sprechen. Für die, die kommen werden, sollte man schon jetzt die Genehmigung einholen. Wir müssen die Namen bestimmen. (...)

- In fraf-manh. haben wir lediglich Anhänger. Es wird Zeitschrift verteilt. Ein Jahr lang haben wir uns bemüht, dass sie dort einen Verein gründen. (...)"

In der Datei vom 31. Oktober 2002 berichtet der Regionsleiter M über die Situation im Gebiet Frankfurt; zur dortigen Leitung teilt er Folgendes mit (Export-12/Unallocated Clusters~30):

"C ist der Einzige, der zu dieser Funktionalität - formal gesehen - passt. Es ist eigentlich im Endzustand. Wir bemühen uns, M, T und ihn, also die drei, als Komitee zusammenarbeiten zu lassen. Sie haben nicht Nein gesagt. Sie sagen, ‚wir waren doch angeblich ein ‚Komitee‘.‘ Auf die Frage: ‚Warum wart ihr nicht aktiv?‘ geben sie die Antwort: ‚Wir brauchen einen Vierten vor unserem Kopf.‘ Die Probleme kennen sie. (...)".

Weiter berichtet M in dieser Datei über eine "Versammlung" im Gebiet Frankfurt, in der darüber gesprochen wurde, "dass die Wöchentlichen Schulden beglichen werden sowie über die Abendveranstaltung und den Verkauf von Kassetten".

Ein Treffen des Angeklagten G. mit dem Regionsverantwortlichen M.A. und weiteren Funktionären und Aktivisten ist durch das Ergebnis einer Observation nebst Videoüberwachung belegt, über die der Zeuge KOK F glaubhaft berichtet hat. Am 03. September 2002 fand in der Wohnung des A C, Bismarckstraße 146, in 64293 Darmstadt ein solches Treffen statt. Der Angeklagte G. traf nach den Bekundungen des Zeugen KOK F gegen 16:00 Uhr ein; zu dieser Zeit hielt sich auch M.A. dort auf. Außerdem nahmen unter anderem die Aktivisten A C, Ö.B., A Y. N, H A und H G. teil. M.A. hielt sich nach den Bekundungen des Zeugen KOK F, die durch Videoprints nachvollzogen werden konnten, bereits ab 09:25 Uhr in der Wohnung auf, verließ diese zusammen mit A C im Laufe des Tages zwei Mal und zwar von 11:55 bis 12:09 Uhr sowie von 19:57 bis 20:17 Uhr. Auf den Videoprints sind die Personen zwar jeweils mit einer Ziffer gekennzeichnet, die nach Angaben des Zeugen KOK F möglicherweise von ihm stammen; die Identifizierungen erfolgten hiervon jedoch unabhängig. Die Videoprints belegen weiter, dass Gegenstände in die Wohnung verbracht wurden; die Person, die M.A. bereits morgens zur Wohnung des A C gefahren hatte, trug bei seiner Rückkehr um 20:19 Uhr einen Karton auf der Schulter in die Wohnung.

Das Treffen an diesem Tag wird auch durch überwachte Telefongespräche bestätigt. Der Angeklagte G. führte mehrere Gespräche mit dem ihm übergeordnetem Leiter der Region Süd, M.A. (Gesprächsnummern 1003 bis 1005, TKÜ C); diese werden im Zusammenhang mit dem Waffentransport H gewürdigt.

An diesem Tag führte der Angeklagte G. wegen eines Treffens von Aktivisten weitere Telefongespräche. Der - ausdrücklich mit C angesprochene - Angeklagte G. (Festnetznummer Nellingen) fordert B A, der sich in Mannheim aufhält, in einem Telefonat vom 03. September 2002, 08:44 Uhr, auf, "auf die andere Seite zu gehen". Aus dem weiteren Verlauf des Gesprächs geht hervor, dass es um ein Treffen an diesem Tag um 11:00 Uhr geht. B A erwidert, dass er zahlreiche Zeitungen verteilen müsse; die Zeitschriften der letzten Woche lägen noch hier, morgen kämen die von dieser Woche. Der Angeklagte G. fordert ihn nachdrücklich auf, zu dem Treffen zu gehen; "die Stuttgarter" seien schon "rübergegangen". B A sagt zu, er wolle mal schauen. Der Angeklagte G. erklärt, er sei zwar weit entfernt, wolle aber doch versuchen, es zu schaffen (Gesprächsnummer 161, TKÜ E; Anschlussinhaber: B A). Wenige Minuten später, um 8:51 Uhr, erklärt er gegenüber dem Anrufer (Ortsnetzrufnummer Mannheim), dieser "müsse um elf dort sein". Er fragt den Anrufer: "Du hast es jedem gesagt, nicht wahr?" Der Anrufer bestätigt, er habe es denjenigen, denen er es zu sagen hatte, gesagt, aber er habe "H und so nicht auftreiben können". Auf die Bitte des Anrufers nach der Telefonnummer von "A", teilt der Angeklagte G. diesem die Mobiltelefonnummer 0170/4167043 (= TKÜ D) mit (Gesprächsnummer 1006, TKÜ C).

Als Gebietsverantwortlicher erhielt der Angeklagte G. über die überwachten Anschlüsse 0160/4543952 (TKÜ C) und 0179/8912860 (TKÜ H) - seine Empfangshandys - immer wieder Anweisungen von ihm übergeordneten Führungskadern der DHKP-C. Insbesondere in den Gesprächen des Angeklagten G. mit dem früheren Mitangeklagten M.A. im Rahmen des Waffentransports mit dem Kurier H kommt das Unterordnungsverhältnis deutlich zum Ausdruck (hierzu mehr im Rahmen der Beweiswürdigung zum Waffentransport). Exemplarisch sind hier folgende weiteren Gespräche zu nennen, die zwar vor der Tatzeit geführt wurden, bei fortbestehender Funktion aber charakteristisch für die hierarchische Ordnung der Organisation sind:

- der Angeklagte G. (nachf. A) erhält am 05. Juni 2002 einen Anruf von einem übergeordneten Kader (nachf. B) aus dem Festnetzbereich Stuttgart; nach Angaben des Sprachsachverständigen B wird der Angeklagte G., der sich in einer Abwehr- und Rechtfertigungsposition befindet, in diesem Telefonat regelrecht "zusammengefaltet"; diesen Eindruck gewann auch der Senat bei der Inaugenscheinnahme des Gesprächs aufgrund der lauten und energischen Sprechweise des Anrufers. Der Angeklagte G. wird nachdrücklich auf seine Pflichten hingewiesen, wöchentliche Berichte über die Einnahmen und Ausgaben bezüglich der Organisationszeitschrift - der Wöchentlichen - zu schreiben und Einnahmen abzuliefern, regelmäßig Dateien / Akten auszutauschen, mit nachgeordneten Kadern regelmäßig Nachrichten auszutauschen und sich mit diesen zu treffen. Im Einzelnen lief das Gespräch wie folgt ab (Gesprächsnummer 467, TKÜ C):

"A: Ja bitte?

B: Hallo. Guten Tag.

A: Guten Tag.

B: Wo bist Du?

A: Ich bin in Heidelberg.

B: Hmm. Was machst Du, Du rufst überhaupt nicht an?

A: Bei Gott, wir haben doch gestern miteinander gesprochen.

B: Was habt ihr mit diesen Geldern der Wöchentlichen gemacht?

A: Ja... ich... Mann, die haben wir unvollständig geschickt ... ähh ... und mit M habe ich auch noch nicht sprechen können, dass Du es weißt...

B: Ja, also seht / sprecht ihr Euch überhaupt...

A: ... den wollte ich heute Abend anrufen.

B: ... tauscht Ihr überhaupt Nachrichten untereinander aus?

A: Was? Also... wir sprechen miteinander / treffen uns, mein Lieber ... von Zeit zu Zeit sprechen wir miteinander / treffen wir uns...

B: Hmm?

A: ... zuletzt hatten wir uns gestern unterhalten / getroffen.

B: Nicht mit M! Mit den anderen.

A: Wir sprechen / sehen uns, ja. Von Zeit zu Zeit sehen / sprechen wir miteinander.

B: Ja, und wie seht / sprecht Ihr Euch?

A: Also, da gab es doch eine mit Dir / zwischen uns besprochene, entwickelte Angelegenheit .. einmal im Monat und so... (?) ...

B: Aha?

A: ... also das... das haben wir nicht machen können / hinbekommen...

B: Freund, das meine ich nicht, Mann!

A: Aha.

B: Tauscht Du Dateien / Akten aus?

A: Ach so... Nein, da kommen wir nicht in Kontakt / Austausch.

B: Aha! Gibst Du Deine Berichte bezüglich der Wöchentlichen ab? Wie besprochen Einnahmen, Ausgaben?

A: Also das... das... da kommen wir eben nicht in Kontakt.

B: Ja und wie willst Du das machen? Gut, und warum stehst Du nicht in Kontakt?

A: Also ich... ich schicke Notizen und es kommt keine Antwort.

B: Also bei Gott... Und warum, ... warum machst Du keinen Dateien/Akten-Austausch?

A: Ähh...

B: Warum schreibst Du Deine Wöchentlichen Berichte nicht?

A: Aber wie soll ich... also... ähh... ich kann doch gar nicht Dings machen...

B: Ja und warum fragst Du nicht, C: Wie sollen wir es denn machen? Sollen wir zu Dir kommen? Du fragst aber / doch überhaupt nicht!

A: Hmm.

B: Drei... es sind zwei Wochen, zwei Wochen sind jetzt vergangen... Einnahmen, Ausgaben müssen jede Woche abgeliefert werden, haben wir gesagt! Wir haben gesagt, dass alle die, die es nicht abgeben, von der Funktion / Aufgabe entfernt werden!

A: Ich mache die... also nein, ich mache die Dings. Also ich habe sehr wohl meine Notizen...

B: Aber Du musst die übersenden...

A: ... in meiner Hand, aber ich kann sie nun mal nicht übersenden. Also...

B: Wo bist Du? Wo wirst Du sein?

A: Also ich bin...

B: Ich werde dort in die Gegend kommen.

A: ... jetzt in Heidelberg. Alles klar, dann sehen wir uns / sprechen uns... aber wie wollen wir uns sehen / sprechen, ... eine Minute...

B: Wo bist Du ganz genau?

A: ... Ich muss noch nach Ka... Ich bin jetzt zwar in Heidelberg, aber ich muss rüber nach Karlsruhe.

B: HmmHmm. In Karlsru...";

- am 26. Juni 2002 erkundigt sich ein vorgesetzter Kader aus dem Festnetzbereich Böblingen, nach der Bekundung des Sprachsachverständigen B in einem "gelinde gesagt imperativen Tonfall", bei dem Angeklagten G., ob dieser seine Aufgaben erledigt habe und weist ihn schließlich an, zu kommen (Gesprächsnummer 545, TKÜ C);

- auch der Angeklagte Y. erteilte dem Angeklagten G. noch Aufträge, nachdem seine Funktion als Leiter des Gebiets Mitte geendet hatte. In einem Telefongespräch vom 04. August 2002 erklärt der Angeklagte G. auf die Frage des Angeklagten Y., ob er "an seinem eigenen Ort" sei, er befinde sich in Darmstadt und werde sich auf den Weg nach Mannheim machen; sie hätten "einen Haufen Arbeit, in Zusammenhang mit diesen ... diesen Schulden..." Im Gespräch beauftragt der Angeklagte Y. den Angeklagten G., ein Auto für eine lange Fahrt zu beschaffen; eine Freundin müsse nach Italien, weil es dort eine Versammlung gegeben habe (Gesprächsnummer 833, TKÜ C; zur Zuordnung der Sprecher aufgrund ausdrücklicher Nennung der Decknamen K und C vgl. bereits vorst. 1.a.cc.).

Andererseits hielt er auch Kontakt zu den ihm untergeordneten Aktivisten in seinem Gebiet, wie folgende Telefongespräche belegen:

- Beispielsweise mit einer Person, die er mit "Ö" ansprach; diese rief ihn am 05. September 2002 von einem Festnetzanschluss im Ortsnetzbereich Hockenheim an. Diesem berichtet er über ein durchgeführtes Camp, an dem er zwar nicht teilgenommen habe, das aber gut gelaufen sei, sowie über eine geplante Aktion "am zehnten des Monats", mithin am Dienstag, dem 10. September 2002, an dem sie "mit den Autos" nach Brüssel fahren werden, um dort 100.000 Unterschriften zu übergeben (Nr. 1049, TKÜ C);

- in diesem Zusammenhang wurde er am 09. September 2002 um 22:16 und um 22:58 Uhr angerufen; der Angeklagte G. erklärt, sie würden zwischen halb vier und vier Uhr mit 10 Personen fahren (Nr. 1098, 1099 TKÜ C);

- auch in zeitnah danach geführten Telefonaten wird die Fahrt erörtert, aus denen sich ergibt, dass ein Teilnehmer in Mannheim abgeholt werden soll (Nr. 1100, 1101 TKÜ C).

cc. Bölgeleitung in Mannheim von November 2002 bis Ende 2002 / Anfang

Januar 2003

Der Senat ist davon überzeugt, dass sich die Zuständigkeit des Angeklagten G. ab November 2002 bis Ende 2002 / Anfang 2003 vorübergehend auf das Gebiet Mannheim beschränkte; in dieser Zeit war H D (Decknamen: E, H und Ö) für das Gebiet Frankfurt a. M. und Umgebung zuständig, überwachte die Aktivisten Ö.B. (Deckname: M), A Y. N (Deckname: T), A H und T E und koordinierte die dortigen Aufgaben. Diese Feststellung basiert im Wesentlichen auf Dateien der niederländischen Rechtshilfe; im Einzelnen:

Am 10. November 2002 leitet G eine Mitteilung des M, der dem Angeklagten G. übergeordnete Regionsleiter Mitte, vom 07. November 2002 weiter; aus dieser geht nicht nur hervor, dass bezüglich der beiden Gebiete Mannheim und Frankfurt a. M. gesondert berichtet wird, sondern auch, dass der Angeklagte G. für Mannheim und H D für Frankfurt a. M. zuständig sind (Datei ID-Nr. 751 593); die relevanten Passagen lauten wie folgt (die Hervorhebungen sind im Original nicht enthalten):

"4. Ich werde versuchen, öfter und schneller zu schreiben. Da es im Gebiet Mitte kein Laptop gibt, kann ich unter diesen Umständen nicht von Köln weggehen. Ich bin seit 4 Tagen hier. Bei dem Laptop, den es in dem Gebiet gab, muss die Harddisk erneuert werden. Das CD-Laufwerk ist defekt gewesen. Statt es reparieren zu lassen, werde ich für ca. 500 Lira ein Gebrauchtes kaufen und hinbringen. Ich werde auch Pocket mitnehmen, um dort für diese Arbeiten eine Ordnung zu schaffen. Das Gebiet ist problematisch. Ich brauche etwas Zeit. Sonst gibt es in der Kommunikation ein Chaos. C habe ich ein Telefon mit Karte gegeben. Zwischen uns haben wir eine Nachrichteneinbindung. (...)

7- FRANKFURT: die Versammlung zum Kassettenkauf haben wir nicht in einer Versammlung abgehalten. Wir haben mehrere Versammlungen bezüglich Abend, Zeitschrift und andere Themen, die das Gebiet betreffen, gemacht. Die Beträge der Teilnehmer an den Versammlungen wurden festgelegt. Es ergab sich eine Zahl von ca. 10.000 Euro. Als letzter Termin wurde Dezember angegeben, ausgenommen Ausnahmen nach innen. Mit den übrigen wird einzeln gesprochen werden. Wir werden uns bemühen, 40.000 herauszuholen. Das ist zu schaffen, wenn wir diejenigen dazu bewegen, sich dafür auf den Weg machen. Sonst kriegen wir das nicht zusammen. Es herrscht die Stimmung, dass von draußen welche kommen und das machen sollen. Die Bezeichnung ist nicht Komitee. 4 Personen in Aschaffenburg sind mit den dortigen Kassettenarbeiten verpflichtet. Diejenigen, die in Frankfurt und Umgebung beauftragt sind, sind M, T, A. H wird Luterbach und T wird Erbach sammeln. Überwachung und Orientierung übernimmt H. Es bedarf keiner besonderen Maßnahme. Ich bin auch oft dort. Die Motivation hängt davon ab, ob man die Arbeiten im Gebiet etwas geordneter gestaltet und den Organisationswillen fördert. In ein paar Wochen werden wir die Schulungen in Gang bringen. Wir müssen dabei eine Form überlegen, die den Menschen im Gebiet zugeschnitten ist. Wir setzen uns mit H darüber auseinander, wie wir das machen sollen... Für den Abend wurden 3 Busse gemietet. Man hat sich für den Verkauf von 600 Tickets bereit erklärt, vorausgesetzt, es werden keine zurückgegeben. Es wurden 1.000 Tickets angenommen. Es scheint, dass ca. 1.000 verkauft wurden. Aber, die Menge kann im Moment noch nicht abgeschätzt werden. Die letzten befinden sich in den Händen von Verteilern. Verkauf und das Einsammeln von Geld wird in der letzten Woche schneller vorangehen... Es gibt 6 Personen und 6 Personenfahrzeuge, die nach Florenz kommen werden (mit Mannheim zusammen). Zurzeit sind H und C damit beschäftigt, noch ein Auto zu besorgen. (...)

8. MANNHEIM: Wir haben uns mit der Wöchentlichen und den Ticketverteilern (5 Personen, 1 Person war nicht dabei) versammelt. Wir haben nach den Gründen für die Schulden der Wöchentlichen gefragt und begonnen, von allen die Summe, für die sie verantwortlich sind, zu sammeln. C hat die höchsten Schulden, ca. 300 Euro. Entweder hat er nicht verkauft, oder er hat das, was ihm ausgehändigt wurde, ausgegeben. Wir werden ihn bei der Reinigungsarbeit / Reinigungsfirma des M arbeiten lassen und sein Geld nehmen...(...) C hat im Gebiet kein Ansehen mehr. Was natürlich ist, da er selbst die Regeln am häufigsten verletzt. (...)"

Am 13. November 2002 übermittelt G eine Notiz an die Führung, die sie an F A (r Deckname des M.A.) geschickt hat (Datei ID-Nr. 763 830); unter Nr. 18 führt sie zur Zusammenarbeit zwischen dem Angeklagten G. und H D Folgendes aus:

"18- Die E bei Makas (auf Deutsch: Schere) wird auf der Seite von C Arbeiten durchführen. Derzeit gibt es sie und S A. C wird ihr jedoch in der Zeit der Kassettenrechnungen helfen und sollte zumindest 2-3 Monate noch im Gebiet bleiben. Und S wird seinen Führerschein in diesem Zeitraum gemacht haben. Dementsprechend werden wir nach der Situation von F schauen. Wir werden im Süden eine neue Regelung vornehmen. (...)"

Am 24. Dezember 2002 teilt G in einer Antwort auf eine Anfrage der Führung mit, welcher Kader nach England geschickt werden könnte (Datei ID-Nr. 763 173); sie äußert ihre Einschätzung zu verschiedenen in Betracht kommenden Personen, unter anderem zu "E", die - so G - in Duisburg war, "ein kleines Gebiet, wo sie nicht viel machen musste"; G äußert ihre Bedenken, weil sie politisch und als Führungskraft für so viele Menschen unzureichend sei, anderseits könnte "H A (..) E mit Hilfe von Dateien die Richtung weisen"; zugunsten von E werden Eigenschaften wie Gehorsam ("E würde sich unserer Disziplin fügen."), Fleiß und das bestehende Vertrauensverhältnis genannt.

Aus späteren Dateien geht hervor, dass H D Ende 2002 / Anfang 2003 das Gebiet Mitte verließ, sich in England aufhielt und erst im Juni 2003 wieder dorthin zurückkehrte.

Zuordnung der Decknamen E, H und Ö zu H D

und deren Einbindung in die DHKP-C

Aufgrund weiterer Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe in Verbindung mit Erkenntnissen aus gegen H D geführten Ermittlungs- und Strafverfahren ist der Senat davon überzeugt, dass es sich bei der in den Dateien genannten E (nachfolgend auch H und Ö genannt) um H D handelt:

Zunächst wird von ihr - in leicht abgewandelter Schreibweise - in den Dateien unter ihrem Vornamen "H" berichtet. Am 23. Mai 2000 berichtet die Europaverantwortliche A über ihre Gespräche mit den verantwortlichen Freunden in Deutschland, unter anderem über "H", die Deutschland als Rückzugsraum ansieht und vorhat, als Guerilla in die Türkei zurückzukehren, wozu sie von der Europaverantwortlichen ausdrücklich ermuntert wird (Datei ID-Nr. 734 660):

"H ist 28 Jahre alt, eine von den Freunden, die in Duisburg arbeiten. Sie war in der geschlossenen Haftanstalt von Ankara-Merkez wegen Unterstützung und Gewährung von Unterschlupf. Sie kam hierher und begann erneut den Kampf (...)"

Sie wird unter anderem wie folgt zitiert:

"Als ich aus dem Land ging, hatte ich gesagt, ich möchte ins Land gehen. Das hat in einem Jahr nicht geklappt, aber ich möchte gehen. Ich bin seit 2,5 Jahren hier. Wenn der Mensch sich erneuert, entwickelt, kann er Revolutionismus betreiben. Das ist die schönste Lebensweise der Welt. (...) Ich hatte mein Wort gegeben, als ich aus dem Gefängnis entlassen wurde. Ich bin auf Druck meiner Eltern gekommen. Aber ich möchte glauben und gehen. Ich habe in mir das Verlangen, in Dersim Guerilla zu sein. Seit meiner Kindheit war das so."

A antwortete hierauf wie folgt:

"- Um Guerilla zu werden, reicht allein die körperliche Kraft nicht aus. Du musst lesen und dich bilden, deine körperliche Kraft unter Beweis stellen. Dass du so denkst, ist natürlich ein positives Beispiel. Du musst auf das, was du tust, vertrauen und dieses Vertrauen uns geben. Die Tatsache, dass du von hier ins Land gehst, ist zugleich moralische Asche Quelle. Denn im Land in die Negativität zu verfallen, hier wieder auf die Beine zu kommen und sich zum Kampf zu begeben, zeugt von moralischer Kraft. Du musst daran denken und dich ernsthaft entwickeln. (...)

- Jeder fühlt sich zu seiner Familie hingezogen. Wenn wir daran denken, was im Land passiert, dann stehen die Erfordernisse des Kampfes, der Gedanke an das Volk im Vordergrund. Wir lieben unsere Familien, aber diese Liebe vereint mit der Liebe zum Volk. (...)"

Die Bereitschaft zu jedwedem Einsatz in der Türkei, mithin auch zum bewaffneten Kampf, wird gleichlautend im Bericht vom 04. Juni 2000 geschildert (Datei ID-Nr. 735 830):

"H: Ist aus der Heimat gekommen und hat Asyl beantragt. Sie ist 29 Jahre alt. Sie hat in Ankara im Gefängnis Merkez gesessen. Sie ist jemand, die wegen Unterstützung verurteilt worden ist. Sie ist bereit für alles auch in der Heimat. Sie stammt aus Dersim."

Die Europaverantwortliche A schreibt am 23. Oktober 2000 der Führung, dass sie überlegt, "H" zu sich zu holen und zu "erziehen"; wörtlich schreibt sie Folgendes (Datei ID-Nr. 734 472):

"24- Es gibt 3 Frauen, die ich zu mir holen und erziehen kann. Die eine ist El, die andere H, die Duisburg-Verantwortliche, und F, die Köln-Verantwortliche. (...) H ist zu allem bereit. Sie will zum Guerilla. Ich kenne sie aus Ankara. (...) Sie hat zwar apolitische Seiten, aber wir vertrauen ihr, was den Kampf betrifft. Wir können sie schulen. (...)"

Dass es sich bei "H" um H D handelt, wird auch durch den Umstand belegt, dass gegen H D am 09. Juli 2003 ein Durchsuchungsbeschluss erging, der in einem Bericht der Europaverantwortlichen zitiert wird; in diesem Bericht trägt H D bereits den Decknamen E; im Einzelnen:

Das Amtsgericht Koblenz erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft Koblenz am 09. Juli 2003 einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss in dem Ermittlungsverfahren gegen H D, geb. am 10. Juli 1971 in Tunceli/Türkei, wohnhaft Hamborner Altmarkt 32, 47166 Duisburg, wegen einer Zuwiderhandlung gegen ein Vereinsverbot (Az.: 30 Gs I 2478/03); in den Gründen wird u.a. ausgeführt:

"Gegen die Beschuldigte besteht der Verdacht, zumindest seit November 2002 als professioneller Kader der DHKP-C in der Bundesrepublik Deutschland tätig zu sein und in dieser Eigenschaft anderen Funktionären, so unter anderem dem D G. Anweisungen über die Durchführung von Aktivitäten für die DHKP-C erteilt zu haben (...)".

Wie die Zeugen KOK M, KOK G und KOK R bekundet haben, fanden am 09. und 15. Juli 2003 zahlreiche Durchsuchungen im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Koblenz statt.

Die Durchsuchungen vom 15. Juli 2003 meldet "Hamit" noch am selben Tag; G teilt die ihr vorliegenden Informationen zu der Durchsuchungsaktion in einer Notiz wie folgt mit (Datei ID-Nr. 752 203):

"M6) Notiz von S A:

A- Die Durchsuchungen haben mit uns zu tun.

B- Soll C morgen zur Verhandlung kommen? (...)

M8) Notiz von S A:

A- Wohnungs-/Hausdurchsuchung hat nichts mit uns zu tun. (...)

DIESE NOTIZ IST HEUTE MORGEN GEKOMMEN.

M9) Notiz von Hamit:

WIR WURDEN DURCHSUCHT. DER NAME VON OKAN KOMMT VOR UND AUCH DAS KULTURZENTRUM. OKAN WURDE MITGENOMMEN. SIE HABEN ALLES MITGENOMMEN, POCKET AUCH, ABER ES IST SAUBER. HANDKODIERUNG UND DATEIKODIERUNG SIND SAUBER. DAS TELEFON IST NICHT SAUBER."

Am 18. Juli 2003 übermittelt G eine "von E gekommene Notiz bezüglich der Durchsuchungen in Köln" an die Führung (Datei ID-Nr. 752 378); ergänzend erläutert sie: "Die Abschnitte mit Großbuchstaben in den Klammern sind von mir hinzugefügte Notizen." Unter Ziff. 13 wird u.a. Folgendes ausgeführt:

"Die Situation bezüglich Gebiet Mitte wurde verstanden. Soweit ich verstanden habe, versuchen sie, den Vorfall nicht aufzubauschen und Beweise zu sammeln. (..)

Vorfall im Zusammenhang mit E: (...) Die E hat von der Polizei ein Schreiben bekommen. Darin steht, dass sie seit Herbst 2002 bis jetzt als Gebietsverantwortliche für Frankfurt tätig ist, sie als Verantwortliche von C Aktivitäten durchgeführt hat und die Koordinierung der Organisation gewährleistet.

(DIESE INFORMATIONEN ÜBER E SIND RICHTIG. DIE BEHAUPTUNG IST INTERESSANT, SIE SEI DIE VERANTWORTLICHE VON C. E IST NUR EINE KURZE ZEIT IM GEBIET MITTE GEWESEN. SIE IST DREI MONATE BEIM ELEKTRIKER GEBLIEBEN. NACH IHRER RÜCKKEHR HAT SIE SICH EINEN MONAT LANG NICHT IN IHR GEBIET BEGEBEN. SIE IST SEIT EINEM MONAT IM GEBIET.)

Wir werden das morgen dem Anwalt von ihr geben, wenn wir einen Termin bekommen sollten. E ist in der Wohnung der älteren Schwester von K gemeldet."

Unter anderem die Nachrichten Gs vom 21. November 2002 ("E (in Zukunft schreibe ich H) ...") und 11. Oktober 2003 ("E (Ö) ...") - belegen den Wechsel des Decknamens von E auf H bzw. Ö (Dateien ID-Nrn. 763 048 und 754 561).

Auch aus der Datei ID-Nr. 751 229 geht hervor, dass H D in Duisburg, in Frankfurt und in England tätig war und sodann ihr erneuter Einsatz im Gebiet Frankfurt geplant war; am 25. Mai 2003 berichtet G der Führung über Gespräche, die sie "mit den verantwortlichen Freunden geführt habe". In die Schilderung des mit H D (Ö) geführten Gesprächs sind die verschiedenen Einsatzorte der H D eingebettet und zwar Duisburg, England und - bezüglich eines früheren und eines beabsichtigten zukünftigen Einsatzes - Frankfurt. H D war auch Thema des mit C A geführten Gesprächs; in diesem wird der bevorstehende Einsatz von H D in Frankfurt thematisiert: "Ich habe gesagt, dass Ö erneut in die Nähe von Frankfurt kommen könnte. (...) - Wenn Ö dorthin geht, werden wir C holen. (...)"

Am 24. Juli 2003 antwortet G auf eine Notiz der Führung vom Vortag (Datei ID-Nr. 754 559); auch diese Datei belegt, dass H D (Ö), bevor sie in England eingesetzt wurde, im Zeitraum Oktober bis Dezember 2002 im Gebiet Mitte tätig war und Anfang Juni 2003 wieder dorthin zurückkehrte; wörtlich schreibt G Folgendes:

"5- (...) Die Telefonhefte von H und K und die Kassettenliste und Telefonnummern von C habe ich selber vernichtet. Ich hatte das erklärt, bevor Ö in Gebiet ging. (...) Nach der Operation im Gebiet Mitte habe ich allen Gebieten Notizen bezüglich der Vereinssäuberung geschickt. (...)

7- Bezüglich des Punktes, der anfängt mit, ‚Woher könnte die Behauptung bezüglich Ö stammen? Gibt es jemanden, der Informationen gibt?‘

- Ich habe C A gefragt, woher die Behauptung bezüglich Ö stammen könnte. Er hat noch nicht geantwortet. Die Freunde, die im Gebiet Mitte Aktivitäten durchführen, haben wohl gemerkt, dass Ö verantwortlich ist. Wir müssen allerdings klären, wie C A im Gebiet Ö bekannt gemacht, und was er gesagt hat.

a- Das Wichtigste ist, dass Ö im Oktober ihre Aufgabe im Gebiet Mitte übernommen hat. Sie war im Dezember beim Elektriker, soweit ich mich erinnere, wo sie 3 Monate geblieben ist. Sie kam zurück und war 1 Monat nicht in ihrem Gebiet. Anfang Juni ging sie in das Gebiet Mitte. (...)

d- Die Onkels sagen, dass sie C seit dem letzten März verfolgen. (...) Sie stellen es so dar, als werde E gesucht und rühren C nicht an. Wenn sie ernsthaft eine Operation durchgeführt und C verfolgt hätten, dann hätten sie gemerkt, dass C aus dem Gebiet weggegangen ist. (...) Am Tag der Operation sollte die Verhandlung von C stattfinden. (...)"

H D stand - jedenfalls nach ihrer Rückkehr aus England - in der organisationsinternen Hierarchie über dem Angeklagten G.. Diese Feststellung basiert auf einer Mitteilung von G vom 21. Juli 2003 (Datei: Export-5/Unallocated Clusters~565); im Zusammenhang mit Ausführungen zu einem möglichen "Kollaborateur" führt G Folgendes aus: "Alle Freunde und Familien, die in der Region Aktivitäten durchführen, haben verstanden, dass Ö eine über C stehende Verantwortliche ist. (...)"

Die Überzeugung, dass (die ledige) H D bereits seit Ende der 90er Jahre für die DHKP-C aktiv war, basiert auch auf früheren Strafurteilen.

Nach den Feststellungen des gegen sie ergangenen rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Bamberg vom 11. Januar 2005 (Az.: 2 KLs 108 Js 1808/04) wurde sie im Jahre 1971 in Tunceli (frühere Bezeichnung: Dersim) geboren und wuchs dort auch auf. Im Dezember 1997 reiste sie nach Deutschland ein, stellte hier einen Asylantrag und lebte in Duisburg. Der Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Betätigung in einem verbotenen Verein lag zugrunde, dass H D als langjährige Aktivistin der DHKP-C - zusammen mit Mesut D - Propagandamaterial bereithielt, um dieses in Deutschland zu verbreiten und zwar am 06. Januar 2004 in Aschaffenburg im Kofferraum des von ihr geführten PKW 120 Exemplare der Zeitschrift "Ekmek ve Adalet" sowie 670 Flugblätter mit der Überschrift "Gibt es eine Pressefreiheit in Deutschland?", in denen Stellung bezogen wurde zu Ermittlungsverfahren wegen des Vertriebs der Zeitschrift "Ekmek ve Adalet" in Deutschland.

Zuletzt wurde H D durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 12. Juni 2007 einschlägig verurteilt (hierzu später mehr im Zusammenhang mit der Würdigung des in der Zeit vom 01. bis 08. August 2004 in Eberbach durchgeführten Schulungscamps der DHKP-C).

Auch in dieser Zeit war der Angeklagte G. Gelegentlich in Darmstadt tätig, wie Telefonate der TKÜ G belegen (Nr. 639, 814, 873, 1326), die er am 13. November 2002, 29. November 2002, 04. Dezember 2002 und 19. Januar 2003 führte; in diesen wurde konspirativ über Organisationsangelegenheiten gesprochen (z.B. "Ist die Sache mit dem Bus erledigt?") und mit dem Angerufenen Treffen vereinbart.

dd. Bölgeleitung in Frankfurt a. M. und Mannheim ab Anfang 2003

bis zum Weggang nach Belgien im September 2003

Der Senat ist davon überzeugt, dass sich der Zuständigkeitsbereich des Angeklagten G. nach dem Weggang der H D (spätestens) Anfang 2003 neben Mannheim wieder auf Frankfurt a. M. und Umgebung erstreckte.

Vorstehend cc. wurde bereits ausgeführt, dass H D im Dezember 2002 nach England ging. Die Feststellung, dass sich der Zuständigkeitsbereich des Angeklagten G. dadurch auch wieder auf Frankfurt a. M. erstreckte, basiert zunächst auf Dateien der niederländischen Rechtshilfe:

Am 02. März 2003 antwortet G auf eine Notiz der Führung vom Vortag (Datei ID-Nr. 750 791); sie führt ausdrücklich aus, dass der Angeklagte G. (Deckname: C) in Frankfurt und Mannheim verantwortlich ist; wörtlich lauten die relevanten Passagen wie folgt (die Hervorhebung ist im Original nicht vorhanden):

"9. OA muss sich auf die Schweiz konzentrieren. Frankfurt und Mannheim können in bestimmtem Maße selbständig funktionieren. (...) Wenn er unabhängig von C agiert, C arbeiten lässt, die anderen Freunde, die Aktivitäten durchführen, in Bewegung setzt, wird es in Deutschland nicht so viele Probleme geben. (....)

13- (...) In jedem Gebiet gibt es verantwortliche Freunde, die wirksam die Praxis organisieren. Und über diesen gibt es dann noch verantwortliche Freunde, die Aktivitäten durchführen. (...) In Frankfurt und Mannheim ist C verantwortlich (...)"

Am 30. März 2003 teilt G dem M.A. (Deckname: C) mit, dass der Angeklagte Y. (Deckname: K), der vorübergehend den Angeklagten G. im Gebiet Frankfurt vertrat, weil die Führung befürchtete, der Angeklagte G. werde wegen des (gescheiterten) Waffentransports durch H verfolgt (hierzu später mehr), in "sein Gebiet" zurückkehren könne, wenn es "bezüglich C nichts gibt"; in diesem Fall soll "C seine Arbeiten weiterführen" (Datei: Export-4/Unallocated Clusters~570).

In seinem Gebiet waren unter anderem die Aktivisten S A aus Biblis, A C aus Darmstadt, B A aus Sinsheim, V A aus Wiesbaden, Ö.B. aus Ludwigshafen, H A aus Hösbach, H I aus Darmstadt und A Yetikin N aus Oberursel tätig. Über diese sowie über H D berichtet G am 25. Juli 2003 an die Führung. Sie leitet eine Notiz von "C A" betreffend die vorläufige Festnahme der H D (Ö) sowie "die "Durchsuchungen im Gebiet Mitte" weiter und fügte eigene Anmerkungen, die sie durch die Verwendung von Großbuchstaben kenntlich machte, hinzu (Datei ID-Nr. 752 925); im Einzelnen:

"1- (...) A- INGEWAHRSAMNAHME VON Ö:

Am Abend der Durchsuchung hatte Ö in der Wohnung / im Haus (Darmstadt) von Bircan übernachtet. Sie kommen zu Bircan, machen eine Durchsuchung und nehmen Bircan mit. Eine halbe Stunde später nehmen sie auch Ö mit. Sie lassen sie um halb fünf frei. Sie haben auch die Tasche von Ö mitgenommen. Das kommt im Protokoll nicht vor. In der Tasche waren drei Telefonkarten... Die eine hat sie mit der Insel benutzt. Die andere ist die Karte des Telefons für Nachrichten, die C mit Ihnen / Euch benutzt und die dritte ist die, die ich mit C benutze. Wir haben später (Mittwoch bei der Presseversammlung) erfahren, dass gegen Ö eine Untersuchung läuft. (...) Der Name von Ö kommt auch im Durchsuchungsbefehl von B vor. Eine der Anschuldigungen ist die Aufnahme der DHKP-C-Aktivistin mit Decknamen H in ihrer Wohnung / in ihrem Haus. (...)

C- INFORMATIONEN ZU DURCHSUCHUNGEN

- S A (VERHAFTET) (...)

- Ö.B. (M) (...)

- H I: (Darmstadt) (...)

- A C (ARBEITER; SEIN HEFT WURDE BENUTZT; VON SEINER WOHNUNG / SEINEM HAUS AUS WURDE DER ZEITSCHRIFTENVERTRIEB IM GEBIET MITTE DURCHGEFÜHRT; K UND C HIELTEN SICH IN DIESER WOHNUNG / DIESEM HAUS AUF) (...)

- H (Ashanf...) (ALTER FREUND; ARBEITER; HEFT VON IHM UND SEINEM BRUDER / SEINER SCHWESTER WURDEN BENUTZT; IN DER VERGANGENHEIT WURDEN ZAHLREICHE VERFAHREN GEGEN IHN EINGELEITET; SPÄTER IST ER RÜCKSTÄNDIG GEWORDEN; ZURZEIT IST ER ZEITSCHRIFTVERTEILER ). (...)

- Y. N (Frankfurt) (T, EHEMALIGER VERANTWORTLICHER VON FRANKFURT; VERHEIRATET; ZURZEIT ZEITSCHRIFTVERKÄUFER) (...)"

In ihrem Schreiben an die Parteiführung vom 24. April 2003 (Datei: Export-4/ Unallocated Clusters~122) berichtet G über Schwierigkeiten mit verschiedenen Funktionären in den Gebieten, über den Angeklagten G. (C) wie folgt:

"Es ist ungewiss, inwieweit C in Frankfurt noch als Revolutionär tätig sein wird. Er ist ein Mensch, der allein gar nichts zustande bringen kann. Er ist eine Person, die zunächst bei mir war, dann gegangen ist, dann zwei Monate später die Abrechnungen abgelegt hat und erneut begonnen hat. (...)

- F, S, S, E, R, C, F, K: mehr oder weniger gleichen sie sich alle. Auch bezüglich der anderen führenden Freunde ist die Situation gleich. Was die Moral angeht, was ihren Heiratswunsch oder ihre Aktivitäten angeht, gleichen sie sich alle. Manche tun das sehr behutsam, andere wiederum sehr grob. (...)

- Der ältere Bruder S sagt mir, es ginge (...) in Frankfurt mit C nicht; das weiß ich auch; aus diesem Grund habe ich gesagt, dass wir in diesen Gebieten Hilfe benötigen. Das Problem ist nicht, zu dieser Überzeugung zu gelangen, sondern, wie wir den Menschen, den wir haben, ändern. Und wenn dieser sich nicht ändert, mit wem können wir ihn ersetzen, seine Stelle besetzen? Die älteren Brüder sagen, ‚die sind schlecht‘, und schmeißen sie in eine Ecke und ersetzen sie auch nicht mit Neuen. Ich sage anderslautend, ‚auch wenn sie schlecht sind, lass sie trotzdem arbeiten‘, auch wenn wir sie kritisieren, lass sie uns motivieren, versuchen sie auszubilden und zu Revolutionären zu machen, sie sollen trotzdem die Beziehung zu dem Widerstand nicht abbrechen. (...)"

Auf die gleiche Weise äußert sich G in der Datei vom 19. April 2003 (Datei: Export-4/Unallocated Clusters ~3); sie weist aber hinsichtlich des Punktes, dass es "in den Gebieten neue Personen geben" könne, darauf hin, dass es ein bis zwei Jahre dauert, bis Personen, die aus der Türkei kommen, Europa verstehen und kennen gelernt haben, weshalb es besser sei, "anstelle von neuen Leuten, die vorhandenen Personen so weit zu bringen, dass sie imstand sind, Leistung zu erbringen".

Dies steht in Einklang mit weiteren Dateien, in denen zwar einerseits Kritik an Funktionären geübt wird, anderseits aber deren Alternativlosigkeit herausgestellt wird. Überdies werden häufig in zeitlicher Nähe Aktivitäten der betreffenden Kader mitgeteilt, ohne die diese betreffenden Schwierigkeiten zu erwähnen.

ee. Kenntnis der Programmatik der DHKP-C

Der Senat ist davon überzeugt, dass dem Angeklagten G. die Programmatik der DHKP-C zur Tatzeit (und bereits zuvor) bekannt war. In Schulungen, durch die Lektüre des jeweils aufgegebenen Pflichtprogramms und Gesprächen mit der Europaverantwortlichen und anderen übergeordneten Funktionären, wurde ihm die Programmatik der DHKP-C vermittelt.

Zudem lässt sich auch Urkunden entnehmen, dass der Angeklagte G. wusste, dass die gesammelten Gelder auch für den bewaffneten Kampf in der Türkei verwendet werden. Exemplarisch ist hier das bereits gewürdigte, an seinem Nebenwohnsitz bei seinen Eltern in Köln am 28. November 2006 sichergestellte Schreiben zu nennen, in dem ausdrücklich ausgeführt wird, dass die DHKP-C eine "Kampforganisation" ist; zur Höhe der Spende bei der Jahreskampagne wird ausgeführt: "Mindestens ein Guerillero muss ausgestattet werden können". Auch die Anschläge in der Türkei und deren propagandistische Ausnutzung werden, wie ausgeführt, thematisiert.

ff. Erkenntnisse der Verfassungsschutzämter

Die durch Personal- und Sachbeweis getroffenen Feststellungen zur Funktionärseigenschaft des Angeklagten G. im Tatzeitraum innerhalb des Gebiets Mitte werden durch Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden bestätigt. Im Einzelnen:

Zum Angeklagten G. bekundete RD V, BfV, bezogen auf den Tatzeitraum Folgendes:

Im April 2002 übernahm der Angeklagte G. die Leitung des Gebiets Frankfurt a. M.; bis mindestens Mai 2003 leitete er darüber hinaus weiterhin die DHKP-C in Mannheim. Im Dezember 2002 war er Teilnehmer einer Protestaktion im Berliner Reichstag. Hintergrund war die Situation der hungerstreikenden Gefangenen in türkischen Haftanstalten. Nach Informationen des BfV wurde er spätestens im Dezember 2002 als Leiter der DHKP-C Frankfurt a. M. abgelöst.

Als Gebietsfunktionär nahm er regelmäßig an DHKP-C-Funktionärs- und Aktivistentreffen teil und wies die Anhänger in seinem Verantwortungsbereich bei der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen und Demonstrationen sowie bei Spendensammlungen und dem Verkauf von Publikationen an. Vor allem war er für die Durchführung der jährlichen Spendensammlung und die Weiterleitung der Spendengelder verantwortlich, wobei er auch persönlich als Spendensammler auftrat.

Im April 2003 war der Angeklagte G. Teilnehmer der alljährlichen Veranstaltung zur Parteigründung in Rotterdam. Im Rahmen einer Gedenkveranstaltung zum "Todesfasten" im Juni 2003 in Frankfurt a. M. wurde bekannt, dass der Angeklagte G. zukünftig mit anderen Parteiaufgaben, möglicherweise im Ausland, betraut werden solle.

Die Übernahme dieser Führungsfunktion wird auch durch die Erkenntnisse des Bayerischen LfV bestätigt; danach wurde der Angeklagte G. im Jahre 2002 als Gebietsleiter der DHKP-C im Bereich Mannheim bekannt.

Hierzu passen auch die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes Rheinland-Pfalz, die ebenfalls die Funktionärseigenschaft des Angeklagten G. innerhalb des Gebiets Mitte im Jahre 2002 bestätigen. In der Erklärung wird Folgendes ausgeführt:

"G. trat im Juni 2002 als DHKP-C-Gebietsleiter des Bereiches Ludwigshafen / Mannheim mit dem DN ‚C‘ in Erscheinung.

Am 04. Juli 2002 war G. an einer politischen Aktion mehrerer DHKP-C-Mitglieder in Straßburg beteiligt, die in das Gebäude des EU-Parlamentes eindringen wollten, was jedoch durch polizeiliche Maßnahmen verhindert werden konnte. Im Rahmen der Aktion gelang es einer aus zwei Personen bestehenden Delegation ein Flugblatt in türkischer Sprache an einen EU-Abgeordneten zu übergeben.

Am 13.07.2002 trat G. als Verkäufer der DHKP-C-Zeitung "EKMEK VE ADALET" in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in Erscheinung.

Am 28.07.2002 beteiligte sich G. an einer von der DHKP-C veranstalteten Grillparty in Köln-Chorweiler. In einer dort gehaltenen Begrüßungsansprache wurde an die Opfer des ‚Todesfastens‘ in der Türkei erinnert. Der Redner forderte dazu auf, an dem revolutionären Kampf teilzunehmen und keine finanziellen Opfer zu scheuen, um die Kämpfer in der Heimat zu unterstützen."

d. Konspirative Kommunikation und Berichtspflichten

Die konspirativen Kommunikationsmethoden zwischen Führungskräften der DHKP-C im Allgemeinen wurden bereits ausführlich dargestellt. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass auch der Angeklagte G. - neben der durchgängigen Verwendung von Decknamen in der organisationsinternen Kommunikation - zur Übermittlung von Nachrichten verschiedene Mobiltelefone verwendet sowie Nachrichten auf anderem Wege codiert versandt und empfangen hat:

Der Angeklagte G. verfügte - der konspirativen Vorgehensweise der Vereinigung entsprechend - über mindestens zwei Mobiltelefone. Ausweislich einer Datei von M vom 31. Oktober 2002 "eines, um mit dem Gebiet, das andere, um mit Menekse zu sprechen" (Datei: Export-12/Unallocated Clusters~30). Bei "Menekse" handelt es sich - wie bereits ausgeführt - um einen weiteren Decknamen der Europaverantwortlichen.

Im November 2002 erhielt er von seinem übergeordneten Kader M ein "Telefon mit Karte" zur konspirativen Kontaktaufnahme (vgl. die bereits zitierte Datei ID-Nr. 751 593).

Auch Telefongespräche belegen, dass für seine fernmündliche Kommunikation mit anderen Führungskadern ein weiteres Mobiltelefon vorgesehen war, im Einzelnen:

- Am 23. November 2002 (um 10:26 und 10:28 Uhr) erhält der Angeklagte G. unmittelbar nacheinander zwei Anrufe von einer Funktionärin, die ihm Aufgaben zuweist und bei dieser Gelegenheit sich nach dem zweiten Telefon erkundigt. Im ersten Gespräch bittet sie den Angeklagten G. "... Und noch eins, kannst du nach dem Telefon sehen, nach dem anderen?", woraufhin er antwortet: "Also das andere, selbst wenn ich nachschaue, ich habe das Ding nicht." Daraufhin entgegnet die Anruferin: "Oh weh, versuche das hinzubekommen, denn er fragt." Der Angeklagte G. äußert sodann: "(...) ich denke mal, dass ich das bei dem Betreuer des Bräutigams vergessen habe. Dort gehe ich hin, um es zu holen." Bei dem zweiten Anruf erklärt die Anruferin: "Dein Telefon ist ausgeschaltet, das andere, Du weißt das, oder?" Auf seine Antwort "Nein, ist es ausgeschaltet?", erklärt die Anruferin "Es meldet sich ausgeschaltet." (Gesprächsnummern 162 und 163 TKÜ H);

- am Folgetag, dem 24. November 2002, erhält der Angeklagte G. erneut einen Anruf von einer Funktionärin, die sich zunächst mit diesem auf ein Treffen verabredet und sich sodann nach dem Stand der Wöchentlichen und der Eintrittskarten erkundigt, und bei dieser Gelegenheit äußert: "(...) wenn Du das andere Telefon einschaltest, dann können wir Dich darüber erreichen." Der Angeklagte G. erwidert: "Also, das Telefon von mir, das ist eingeschaltet. (...)" (Gesprächsnummer 166, TKÜ H).

Am 03. März 2003 leitet G eine Notiz an die Führung weiter, die sie an OA / D geschrieben hat (Datei ID-Nr. 750 635); in dieser gibt sie Anweisungen zur Art der organisationsinternen, kodierten Kommunikation per Internet und zwar auch mit dem Angeklagten G., unter anderem wie folgt:

"6- (...) - Sie können ihr eigenes Pocket bei C lassen. Damit sie in den anderen Gebieten, wo Sie hingehen werden, C überwachen können, muss es untereinander eine separate Mailadresse geben. Sie können die Pocket Kodierungen vorbereiten, um sie mit C zu benutzen. Wenn Sie sich in ein anderes Gebiet begeben, wird ihre Verbindung zu C nicht abgebrochen. C wird an Sie zwei Mal die Woche einen Bericht schreiben. (...)

E- Von nun an werden NUR Sie selbst ihre eigenen Notizen schicken. Abgesehen von Ausnahmefällen wird niemand außer C ihre Mailadresse kennen. (..)

- Wegen all dieser Gründe müssen Sie sich an alle Sicherheitsregeln halten. Sie dürfen Ihre Notizen von niemandem schicken lassen, außer von C, und das nur, wenn es wirklich notwendig sein sollte. ALLEIN Sie werden sie schicken.

- Wir führen nur mit Ihnen Schriftwechsel. Mit C haben wir keine direkte Beziehung. Auch C braucht unsere Adresse nicht zu wissen. C kann sich die Adresse nicht im Kopf behalten und wird sie in sein Heft aufschreiben, das er dann bei sich trägt. Wenn er die Zeitschriften abholen will, wird sein Auto angehalten, und er wird durchsucht werden. Dabei wird unsere Adresse gefunden werden. Davon werden wir vielleicht keine Kenntnis haben, und dann wird unser gesamter Schriftverkehr überwacht. (...)"

Aus der bereits zitierten Datei vom 08. August 2002 (Datei ID-Nr. 731 363) lässt sich ebenfalls entnehmen, dass der Angeklagte G. "korrespondieren" musste und Kontakt zu seinem Regionalverantwortlichen zu halten hatte; G schreibt unter Nr. 5:

"C soll von euch dort korrespondieren, die Festplatte des Computers muss angeblich ausgetauscht werden. Er soll zu euch kommen, in der Zeit könnt ihr auch (mit ihm) sprechen. M kommt auch mit, dann sprecht ihr auch mit dem. Ihr sprecht über die Beiträge und die Abrechnungen für die Veteranen. (...)"

In derselben Datei wird unter Nr. 6 über "S" berichtet, der im Gebiet des Angeklagten G. zur "Führungskraft" ausgebildet werden sollte:

" S müssen wir schulen, kümmert euch besonders (um ihn). Lasst uns ihn an den Ort von C geben. Er soll sich bei der Fahrschule anmelden und den Führerschein machen. In der Zeit legt mit S ein Datum fest und macht mit ihm eine systematische Schulung der Führungsqualitäten, die Gewöhnung der Massen an Revolutionärsein, wie man organisiert, schult, Kaderbildung etc., alle Themen, die man als Führungskraft braucht. Wir müssen S zur Führungskraft ausbilden, (...)"

Ein Bericht des Angeklagten G. findet sich in dem Dokument mit der Dateibezeichnung Export-3/Unallocated Clusters~617 vom 02. Mai 2003; die "Notiz des C" unter Punkt 2. wird innerhalb der Beweiswürdigung zum Waffentransport H gewürdigt.

Schließlich belegt eine organisationsinterne Nachricht vom 15. Juli 2003 (Datei: Export-5/Unallocated Clusters~616) in der u.a. die Durchsuchungsaktion "im mittleren Gebiet" thematisiert wird, dass der Angeklagte G. Nachrichten kodiert versandte; die diesbezügliche Passage lautet wie folgt:

"Sie hatten auch Ö mitgenommen, die, als sie in Darmstadt zu der Wohnung einer Frau gegangen waren, dort eine Nacht verbracht hatte, und auf der Polizeiwache freigelassen.

Ö haben sie nichts Außergewöhnliches gefragt. Sie waren auch zu der Adresse in Duisburg gegangen, bei der auch sie geblieben war.

Ein Telefon, das C eine Weile lang für den Kontakt mit ihnen benutzt hatte, blieb bei Ö, seine Karte war in ihm.

Es blieb, ohne benutzt zu werden. Auch dieses Telefon haben sie genommen.

Die Kodierungsliste hatte C vor meinen Augen vernichtet..."

e. Durchführung und Kontrolle von Maßnahmen der Geldbeschaffung

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte G. sich in den seiner Aufsicht unterstehenden Gebieten an Maßnahmen beteiligt hat, deren Zweck es war, der terroristischen Vereinigung Gelder zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der Kenntnis der Programmatik der DHKP-C wusste er, dass diese jedenfalls auch der Finanzierung des bewaffneten Kampfes diente n. Er beteiligte sich in Erfüllung seiner Aufgaben als Bölgeleiter an Spenden- und Beitragssammlungen, an der Organisation und Durchführung kommerzieller Veranstaltungen und am Verkauf der Parteizeitung, anderer Publikationen, Bücher und Musikkassetten. Im Einzelnen:

aa. Mitwirkung an Spendenkampagnen

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte G. an der Jahresspendenkampagne 2002 / 2003 in der Region Mitte mitwirkte und zwar von Anfang November 2002 bis Anfang Juni 2003 im Gebiet Mannheim mit ihm unterstellten Aktivisten sowie zusätzlich von Januar bis Anfang März 2003 im Gebiet Frankfurt zusammen mit dem Regionsverantwortlichen Mitte. Im Ergebnis wurden im Gebiet Mannheim 11.650,-- EUR gesammelt. Im Gebiet Frankfurt erbrachte die Kampagne insgesamt 32.250,-- EUR, wobei unter seiner Beteiligung im Zeitraum Januar bis März 2003 mindestens 7.400,-- EUR gesammelt wurden.

Diese Feststellungen basieren auf Dateien der niederländischen Rechtshilfe sowie auf überwachten Telefongesprächen; der Verlauf der Jahreskampagne 2002/2003 ist chronologisch bis zum genannten Endbetrag wie folgt belegt:

Die Weiterleitung gesammelter Spenden durch den Angeklagten G. an Verantwortliche der Organisation lässt sich bereits Anfang November 2002 aus überwachten Telefongesprächen entnehmen. So leitete er am 07. und am 10. November 2002 mindestens 250,-- EUR bzw. 360,-- EUR weiter; zu den beiden Gesprächen im Einzelnen:

- Am 07. November 2002, 13:09 Uhr, erklärt der Angeklagte G. auf Frage eines Funktionärs, der von einer Stuttgarter Festnetznummer anruft, er bringe "das" heute Abend, er sei im Moment "bei der Wöchentlichen "; der Anrufer weist ihn darauf hin, dass 11 Uhr, 11:30 Uhr (gemeint ist 23:00 / 23:30 Uhr), zu spät sei, da sie "heute hin und das geben" müssten. Auf Nachfrage des Anrufers, wie viel es gebe, antwortet der Angeklagte G.: "Also, im Augenblick gibt es noch 250, 300." Er werde versuchen, noch einen anderen Freund zu erreichen und "seins" auch mitzubringen (Gesprächsnummer 51, TKÜ H);

- am 10. November 2002 erklärt der Angeklagte G. auf Frage des Anrufers, der von einer Böblinger Festnetznummer anruft, "Wie viel hast Du?", er habe "360", woraufhin der Anrufer erklärt: "Ist OK, wäre gut, wenn Du es bringst. Komm bei mir vorbei." (Gesprächsnummer 64, TKÜ H).

Über den "Kassettenkauf" im Gebiet Frankfurt berichtet M, Regionsleiter Mitte, am 31. Oktober 2002 (Datei: Export-12/Unallocated Clusters ~30):

"Für Frankfurt und Umgebung müssen wir vierzigtausend Euro herausgeben. Am Sonntag kamen von den Anwesenden und von zweien, bei denen wir es in ihrer Abwesenheit geklärt haben, ungefähr Zehntausend zusammen. Unter der Voraussetzung, abgesehen von Ausnahmen, dass die Arbeit im Dezember beendet wird, und ein Datum angebend, lassen wird das schreiben. (Die Rechnungen dürfen nicht vernachlässigt werden.)"

Dieselben Beträge nennt M in der bereits zitierten Mitteilung vom 07. November 2002 (Datei ID-Nr. 751 593); zwischenzeitlich war, wie ausgeführt, H D (H) vorübergehend im Gebiet Frankfurt tätig.

Am 15. Dezember 2002 leitet G einen Bericht an die Führung weiter, den sie am Vortag von dem Regionsleiter Mitte ("Der Name von M A ist M geworden.") erhalten hat (Datei ID-Nr. 763 289); in diesem berichtet er über den Stand der jährlichen Spendenkampagne; im Einzelnen:

"11: Kassettenverkäufe

FRANKFURT:

Aufgeschrieben: 29 Tausend Euro, 51 Personen

verfügbar: 1400 Euro

(...)

MANNHEIM:

Aufgeschrieben: 1200

(...) Wir liegen allgemein zurück. Wir müssen in Schwung kommen. Diese Woche oder nächste Woche werden wir aus drei Gebieten ca. 15.000 aushändigen. (...)"

Am 16. Dezember 2002 teilt G M (Datei ID-Nr. 763 498) mit, dass Mannheim bei den "Kassettenrechnungen" sehr weit zurückliegt; außerdem weist sie auf Mängel in der Rechnungslegung im Vorjahr und deshalb aus ihrer Sicht erforderliche (Kontroll-) Maßnahmen bezüglich des Angeklagten G. (C) hin:

"Wir müssen Ende Dezember das, was gesammelt wurde, übergeben. (...) Im letzten Jahr kamen die Rechnungen von Frankfurt-Mannheim und Saarbrücken durcheinander. Die haben unter sich keine Rechnung festgehalten. Man darf C diesbezüglich auf keinen Fall vertrauen. H soll die Rechnungen festhalten. (...).

Mehrere Telefonate vom 01. Januar 2003 belegen, dass der Angeklagte G. auch Anfang 2003 selbst Spenden sammelte:

- Um 14:57 Uhr erklärte der Angeklagte G. (C) gegenüber der Anruferin (Ortsnetzrufnummer Duisburg) in einem Telefongespräch: "Ich werde jetzt herumgehen und Dings machen, Geld einsammeln". Der Angeklagte G. kündigt sein Kommen am späten Abend an. Die Frage der Anruferin, ob sie in Köln bleiben solle, bejaht er (Gesprächsnummer 467, TKÜ H);

- um 19:37 Uhr erhielt er von der Anruferin, die sich nach eigenen Angaben "bei den Wöchentlichen " befindet, einen erneuten Anruf (Ortsnetzrufnummer Köln; Gesprächsnummer 469, TKÜ H); auf die Frage: "C, wann denkst Du hier hin zu kommen?", antwortet der Angeklagte G.: "Also, ich sag doch, ich sammle Geld. (...) Wenn ich auf dortige Seite komme, dann kann ich es trotzdem erledigen, aber wir sollten hier sammeln, soviel wir sammeln können (...).";

- um 19:45 Uhr rief der Angeklagte G. bei dem Anschluss TKÜ G an; er erklärt dem Angerufenen, der sich in Biblis in einem Café aufhielt, dass er in Mannheim sei. Anschließend dreht sich die Unterredung um eine Person, die ihnen "150 geben" wollte und erklärt weiter: "(...) wir sollten ihn heute mal treffen. Wir haben einen dringenden Bedarf." (Nr. 1146, TKÜ G).

In zwei Telefongesprächen am 25. und 26. Januar 2003, in denen der Angeklagte G. ausdrücklich mit C angesprochen wird, wird ebenfalls das Spendensammeln thematisiert; im Einzelnen:

- Am 25. Januar 2003 fordert der Anrufer (Festnetznummer Mannheim) den Angeklagten G. auf, von "unserem Bürger" H das Geld zu nehmen und zwar "45 oder 50 Lira" (= synonym für Euro). "Eigentlich sind es 48, aber er macht Faxen. Also, soviel Du halt nehmen kannst. Aber nicht weniger als 45." (Gesprächsnummer 622, TKÜ H);

- am Folgetag, dem 26. Januar 2003, teilt der Angeklagte G. dem Anrufer (Festnetznummer Darmstadt) mit, "Ich bin dort, wo du heute bist.", woraufhin der Anrufer erwidert, er sei "von dort weg" nach Darmstadt. Hieraus folgt, dass sich der Angeklagte G. nunmehr wieder in Mannheim aufhält. Der Angeklagte G. erklärt, er habe H getroffen und "45 genommen", was der Anrufer mit "Hast Du gut gemacht." kommentiert; der Anrufer berichtet über eine Spende eines Geschäftsmannes in Höhe von 50,-- Euro, die er an den Angeklagten G. "zurückgeben" wird; angesichts des niedrigen Betrages reagiert der Angeklagte G. verärgert und äußert: "Meinst Du das im Ernst? (...) Hättest Du es bloß nicht genommen." (Gesprächsnummer 631, TKÜ H).

Die Feststellung, dass unter Mitwirkung des Angeklagten G. im Zeitraum Januar bis März 2003 im Bereich Frankfurt a. M. insgesamt 7.400 EUR gesammelt wurden, basiert auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe. Die Nachrichten vom 10. Februar 2003, 26. Februar 2003 sowie 08. März 2003 (Dateien ID-Nrn. 750 418, 750 792, 749 474) belegen im Gebiet Frankfurt a. M. gesammelte und an die Führung übergebene Gelder ("Kassetten") in Höhe von 2.900,-- EUR, 2.500,-- EUR sowie 2.000,-- EUR, insgesamt mithin 7.400,-- EUR. Zum weiteren Inhalt dieser drei Nachrichten:

- In der Nachricht von Orhan, dem Regionsleiter Mitte, vom 10. Februar 2003, die von G am 13. Februar 2003 an die Führung weitergeleitet wird, wird außerdem der Stand der Kassetten in Mannheim mit 3.200,-- EUR mitgeteilt; bei der Aufstellung der Ausgaben für den Zeitraum Dezember bis Januar taucht mehrfach der Angeklagte G. (C) im Zusammenhang mit H D (H) - neben zahlreichen anderen Ausgaben für Fahrtkosten (Benzin bzw. "Zug"), für die "Wöchentliche etc. - wie folgt auf:

"2. Dezember ceng, H... 45

9. Dezember Hatice, C 55

1. Januar Karte für C 50";

- in der Nachricht von O vom 26. Februar 2003, die am 27. Februar 2003 von G an die Führung weitergeleitet wird, teilt dieser unter "1. Kassetten" mit, dass am 22. Februar siebentausend Euro übergeben worden seien (Österreich: 3.000,--, Schweiz: 1.100,--, Frankfurt: 2.500,-- und Mannheim 400,--). Zum aktuellen Zwischenstand teilt er mit, dass insgesamt aus Frankfurt 27.900,-- EUR und aus Mannheim 7.950,-- EUR übergeben worden seien. Außerdem geht er auf die aktuelle Situation in Frankfurt bzw. Mannheim ein:

"C) Für Frankfurt ist ein Betrag zwischen 7-10 Tausend übrig. Wird zwischen 35-38 Tausend zu Ende gehen. Die Gebiete im Umfeld von Frankfurt sind fertig. Der übrig gebliebene Teil ist der, den M mit T in Frankfurt-Zentrum sammelt. Sie arbeiten nicht. Sie haben nur ungefähr die Hälfte von dem gesammelt, den sie aufgeschrieben haben. T hat seine Verlobte hergebracht und kümmert sich um seine Hochzeit. (...) Egal welches Ergebnis beim Kassettenkauf in Frankfurt bis zur vor uns liegenden Woche auch sein sollte, werden wir es abschließen. Wenn wir das verlängern, dann wird die Zahl nicht 35, sondern vielleicht 40 Tausend werden, aber das lohnt sich nicht, das kostet uns einen Monat, die Kassettenarbeit wird von ihrer Ernsthaftigkeit verlieren. (...)

E) Auch Mannheim ist so. Da ich die meiste Zeit den C mitnehme und das Auto für einige Tage in der Woche in andere Gegenden fährt, konnten wir uns nicht sehr intensiv mit der Kassettenarbeit dort beschäftigen. Es ist sich ein wenig selbst überlassen worden. Wir werden es im März zu Ende bringen. (...)";

- am 03. März 2003 schreibt G eine aus 25 Einzelpunkten bestehende Notiz an OA, dem sie den neuen Decknamen D verleiht ("1-Benutzen wir von nun an diesen Namen."); diese Notiz leitet sie am gleichen Tag an die Führung weiter (Datei ID-Nr. 750 635). OA / D antwortet am 08. März 2003 auf die in der Notiz gestellten Fragen bzw. Ausführungen, u.a. den Stand der Kassettenabrechnungen und die Aufforderung, der Angeklagte G. (C) möge sich fortan auf das Gebiet Mannheim konzentrieren, indem er seine Antworten in die Ausgangsdatei einfügt (Datei ID-Nr. 749 474); die diesbezüglichen Sequenzen lauten wie folgt:

Notiz von G:

"5- Bezüglich der Kassettenrechnungen:

A- Es sieht gut aus mit der Kassettenarbeit von Frankfurt. Es wäre gut, wenn Sie 35-38 einsammeln könnten. Es ist nicht richtig zu sagen, wir werden beenden, was auch immer das Ergebnis bis nächste Woche sein mag. Wir müssen bis Ende April einsammeln, was wir einsammeln können. Die Kassettenarbeit läuft noch an. Die Frist ist nicht abgelaufen. Es sollte eingesammelt werden, soweit das möglich ist. Für die Beendigung der Kassettenarbeit ist es noch zu früh.

B- Die Kassettenarbeit von Mannheim liegt weit zurück. Letztes Jahr wurden 41-tausend Mark eingesammelt. Dieses Jahr dagegen wurden erst 8 Tausend Euro gesammelt.

Sie sollten sich unabhängig von C bewegen können. Die Gebiete, auf die Sie sich konzentrieren, und die Gebiete, auf die sich C konzentriert, sollten getrennt sein. C soll allein losgehen und sich auf Mannheim intensivieren.

T und M sollten in Frankfurt einsammeln. Sie können sie überwachen (...)"

Eingefügte Antwort von OA:

"5-... Frankfurt waren bisher immer mindestens 40 Tausend gewesen. Die Sorgen von M und die Systemberechnungen von T haben unsere Arbeit behindert. Im Frankfurter Zentrum wollten angeblich diese beiden sammeln, und das Limit von 15 Tausend, das auf sie fiel, war eigentlich ein niedriges Limit. Die umliegenden Gebiete haben das, was ihnen zukommt, in gewissem Maße gemacht, sie aber haben es nicht gemacht. (...) Aber diejenigen, von denen 7-8 Tausend Euro nicht eingesammelt werden konnten, sind die, die auf ihrer Liste sind. (...) Eine Kassettenfrist, die länger als 3-4 Monate dauert, führt in den Köpfen auch dazu, dass der Ernst der Kassetten verloren geht. Weder das kann beendet werden, noch eine andere Arbeit kann stattfinden. Zum Beispiel steht doch jetzt die Arbeit für die Veranstaltung an. Wir müssen beides einander her machen. Wenn sich die Kassettenarbeit bis in den April hineinzieht, dann ist es doch ganz klar, dass sie auch im April nicht endet... C kümmert sich sowieso um Mannheim. Einige Tage in der Woche ist er zwangsläufig bei mir in der Gegend, und wir ziehen gemeinsam umher. (...) Auf Mannheim habe auch ich mich noch nicht so richtig konzentrieren können. Letztes Jahr haben die bis Juli 40 Tausend gesammelt. (...) Wir haben den Genossen, der das Geld abholt, gestern um fünf Minuten verpasst. Wir werden morgen dorthin gehen, wo er ist, und es abgeben. Der Betrag, der morgen (6. März) abgegeben wird:

ÖSTERREICH - 3700

FRANKFURT - 2000

MANNHEIM - 700

Gesamt: ...... .. 6400 Eu. (...)".

Am 16. und 19. März 2003 berichtet D erneut an G, die die Mitteilungen am 22. März 2003 an die Führung weiterleitet (Datei ID-Nr. 751 433). Im ersten Bericht führt D u.a. aus, dass - außer in Mannheim - die Kassettenbeträge nicht unter dem Vorjahr liegen. Außerdem berichtet er über ein Konzert, das in Frankfurt stattfand, und erklärt, dass sie mit dem Gewinn nicht die Kassettenschulden von Mannheim aus dem letzten Jahr bezahlen wollten. Mit den Anstrengungen "der Frankfurter" sollten sie nicht die Untätigkeit "von C und denen" unterstützen. In der zweiten Nachricht teilt er mit, dass an diesem Tag 7.200,-- EUR Kassettengeld übergeben werden, unter anderem 650,-- EUR aus dem Gebiet Frankfurt sowie 1.200,-- EUR aus Mannheim.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die jährliche Spendenkampagne 2002 / 2003 in der Summe in Frankfurt mindestens 32.250,-- EUR sowie in Mannheim mindestens 11.650,-- EUR erbrachte. Auch dieses (vorläufige) Endergebnis basiert auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe:

- Am 25. Mai 2003 berichtet G an die Führung über Gespräche, die sie "mit den verantwortlichen Freunden" geführt habe (Datei ID-Nr. 751 229); zum Stand der "Kassetten" berichtet sie unter Nr. 7 im Zusammenhang mit dem mit C A geführten Gespräch, dass in Frankfurt 31.250,-- EUR und in Mannheim 10.650,-- EUR gesammelt wurden; sie habe gesagt, dass sie bis zum 15. Juni sammeln sollten. Abgesehen von Frankfurt hätten die anderen Orte "die Hälfte der Kassetten vom Vorjahr gesammelt. (...) In Mannheim hätten sie auch nicht viel machen können.";

- von weiteren je 1.000,-- EUR "Kassetten" bezüglich Frankfurt und Mannheim - mit dem Zusatz: "Wir können noch mehr übergeben." - berichtet C sodann am 03. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 077, Pkt. 2.4).

Der Senat ist weiter überzeugt, dass sich der Angeklagte G. - entsprechend seiner Aufgabe als Bölgeleiter - auch an sonstigen Spendensammlungen der DHKP-C beteiligte:

- Im Oktober 2002 fand im Gebiet Mitte eine "Veteranenkampagne" statt; M berichtet in der Datei vom 31. Oktober 2002 (Export-12/Unallocated Clusters ~30) hierzu Folgendes:

"Die Rechnungen der Veteranenkampagne des mittleren Gebiets sind nicht beglichen worden, die Quittungen sind nicht in Empfang genommen worden. Dass offene Beträge auftauchen, ist wahrscheinlich. S aus Mannheim hat eh eine der Quittungen verloren. C ist jemand, der ohne mit der Wimper zu zucken Wochengeld ausgibt. In den nächsten Tagen werde ich die Veteranen-Rechnungen überprüfen. (...) An diesem Wochenende werden wir in Mannheim eine Versammlung abhalten. (...)"

- außerdem beteiligte er sich an einer Mitte 2003 durchgeführten "Gefangenenkampagne". Diese Feststellung basiert auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe:

Am 03. Juni 2003 berichtet C an die Führung, dass Mannheim aus der "Inhaftiertenkampagne" 2.000,-- EUR übergeben könne (Datei ID-Nr. 762 077). Am 06. Juni 2003 erhält er die Antwort, dass die genannten Zahlen für die "Inhaftiertenkampagne" zu niedrig seien (Datei ID-Nr. 762 080): "Das Ziel sollte sein (..) für Man. 6000 (...)." Dass mit "Man." das Gebiet Mannheim gemeint ist, ergibt sich daraus, dass es sich um die Antwort auf die Datei ID-Nr. 762 077 handelt und dort die Städte- und Ländernamen in der gleichen Reihenfolge vollständig ausgeschrieben sind. Dass derartige "Zwischenkampagnen" üblich waren, belegt ein Bericht Gs an die Parteiführung vom 24. April 2003 (Datei: Export-4/ Unallocated Clusters~122):

"11- Die Kassettenarbeit läuft in allen Regionen im Vergleich zu den letzten Jahren schleppend. Ich habe allen Regionen mitgeteilt, dass es so lange fortgesetzt wird, bis die Limits erreicht sind. Im Mai werden wir mit dem Einsammeln der übrigen weitermachen. Im Sommer können wir wieder eine Zwischenkampagne machen. Es könnte so eine Kampagne sein, wie wir sie in den vergangenen Jahren für die Gefangenen und Veteranen gemacht haben. Zuerst werden wir uns bemühen, bei den jährlichen Kassettenarbeiten unser Limit zu erreichen. Ich danke, dass wir im Sommer jedoch wieder eine Zwischenkampagne machen können."

bb. Organisation von Konzerten und anderen Veranstaltungen

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte G. sich als Gebietsverantwortlicher, wie es seine Aufgabe in dieser Funktion war, im Tatzeitraum auch an der Geldbeschaffung für die DHKP-C durch die Organisation von Konzerten und Veranstaltungen beteiligt hat und dabei unter anderem für den Verkauf von Eintrittskarten, den Verkauf von Speisen und Getränken, die Herstellung und Verteilung von Plakaten sowie die Mobilisierung und den Transport von Teilnehmern zu den Veranstaltungen gesorgt hat. Im Einzelnen:

- Veranstaltung von Konzerten / Abendveranstaltungen

Im November 2002 organisierte der Angeklagte G. den Verkauf von Eintrittskarten in seinem Gebiet für eine zeitlich und örtlich nicht näher konkretisierbare Abendveranstaltung. Diese Feststellung basiert auf überwachten Telefongesprächen und einer Datei aus der niederländischen Rechtshilfe:

- Am 05. November 2002 kündigt der Anrufer dem Angeklagten G. an, er treffe um 23:55 Uhr am Frankfurter Hauptbahnhof ein und verlangt von ihm Folgendes: "Bring das ganze Dings-Geld, was Du hast, mit." Auf die Frage des Angeklagten G., ob dies "von der Wöchentlichen " gemeint sei, erklärt der Anrufer: "Nein, nein, Eintrittskarten." Der Angeklagte G. sagt sein Kommen zu und erklärt "... aber da ist nicht allzu viel, das Dir nutzen könnte" (Gesprächsnummer 45, TKÜ H);

- im Gespräch vom 15. November 2002 benötigt der Anrufer weitere Eintrittskarten, weil er seine fast alle "weg habe"; der Angeklagte G. teilt ihm mit, dass er in der Gegend von Mannheim ist und keine bei sich hat; V, der Nachbar des Anrufers, hat auch keine Eintrittskarten. Der Angeklagte G. kündigt sein Kommen mit einem "Freund" für den folgenden Morgen an. Der Anrufer fragt den Angeklagten G.: "Ihr werdet mir dort eine Aufgabe geben, klar?", woraufhin der Angeklagte G. antwortet: "Du bist Dings (...) Wir werden Dich dort, vielleicht lassen wir Dich nicht einmal rein in den Saal" (Gesprächsnummer 96, TKÜ H).

- am 14. Dezember 2002 schreibt M in der bereits zitierten Datei ID-Nr. 763 289 über eine zurückliegende Abendveranstaltung:

"7- Nach dem Abend haben Österreich und Frankfurt keine Ticketgelder gezahlt. Österreich hat 26 Tickets und das Geld von jemandem zur Verfügung. Frankfurt hat 470 Euro zur Verfügung. Schweiz hat nach dem Abend 784 Euro gezahlt."

Außerdem fand in Darmstadt, mithin in seinem Zuständigkeitsbereich, am 23. Februar 2003 ein Konzert statt, bei dem zur Erzielung von Einnahmen Speisen und Getränke sowie Publikationen angeboten wurden; insgesamt wurden Einnahmen von 15.090,-- EUR erzielt, es verblieb ein Gewinn von 7.820,-- EUR. Diese Feststellung basiert auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe; im Einzelnen:

Im Vorfeld mahnt G bei dem Regionsverantwortlichen O an, dass das Konzert am 23. Februar auf keinen Fall den Verkauf der Tickets für den "zentralen Abend" beeinflussen dürfe (Datei ID-Nr. 750 520); diese Notiz leitet sie am 27. Januar 2003 an die Führung weiter mit dem Zusatz: "Notiz, die ich an R A geschrieben habe, sein Name wird O sein." Dies thematisiert G bereits in einer Mitteilung an OA vom 01. Februar 2003, in der sie beanstandet, dass zwischen einer Veranstaltung in Frankfurt und dem zentralen Abend nur ein Monat liege und fordert die Zusicherung, dass die zentrale Veranstaltung nicht - wie im Vorjahr - beeinträchtigt wird (Datei ID-Nr. 750 432); es ist aber fraglich, ob mit der dort angesprochenen Veranstaltung in Frankfurt die gleiche Veranstaltung gemeint ist, wogegen spricht, dass ein anderer Ort (Frankfurt statt Darmstadt) und ein anderer Termin (zeitlicher Abstand zum zentralen Abend am 26. April 2003 beträgt 2 Monate) genannt werden.

Am 26. Februar 2003 berichtet OA über die Veranstaltung in Darmstadt an G (Datei ID-Nr. 750 792), dass das Konzert von 800 Personen besucht und ein Gewinn von 6.500,-- EUR gemacht wurde, wobei die endgültigen Abrechnungen noch nicht vorlägen und nachgereicht würden. Er teilt weiter mit, dass die Verärgerung über das verspätete Eintreffen der beiden Künstler im Verlauf des Abends gewichen und ein von einer 35-köpfigen Theatergruppe aufgeführtes Theaterstück zum Thema "Todesfasten" begeistert aufgenommen worden sei und starke Emotionen geweckt habe. Es habe Stände für Essen, Getränke, Kassetten, Perlen und Ketten, Bücher usw. gegeben.

In der bereits mehrfach zitierten Datei vom 03./08. März 2003 (Datei ID-Nr. 749 474), folgt dann die detaillierte Abrechnung des Konzerts. Danach wurden Gesamteinnahmen i.H.v. 15.090,-- EUR erzielt, die sich zusammensetzen aus Kartenverkäufen Werbung, Einnahmen aus dem Verkauf von Büchern, Speisen und Getränken, Kassetten u.a.. Abzüglich der Ausgaben (Gagen für Künstler, Musikanlage, Druckerei, Kleingeldrückgabe, Döner, Speisen und Getränke) verbleibt ein Gewinn von 7.820,-- EUR. Hiervon wurden Schulden bezahlt, die sie "von Frankfurt aufgenommen" hätten (KFZ, -versicherung, -steuer; "Kassettenmann" sowie "Handschulden", so dass noch 6.540,-- EUR "in der Hand" seien; dieses Geldes möchten sie, so OA an G, "für ein späteres Vereinslokal" behalten.

- Verkauf von Tickets für die zentrale Abendveranstaltung (Parteigründungsfest)

Wie bereits dargelegt, belegen zahlreiche Textdokumente , in denen die Organisation des jährlichen Parteigründungsfestes in Rotterdam-Ahoy am 26. April 2003 thematisiert wird, dass die Europaführung den Verkauf und die Verteilung der Tickets für Großveranstaltungen, der grundsätzlich durch die einzelnen Gebiete abgewickelt wird, dahingehend reglementiert, dass Mindestverkaufszahlen bzw. Mindestteilnehmerzahlen vorgegeben und die Gebietsleiter angewiesen werden, die Ticketverkäufe regelmäßig zu kontrollieren. In dem bereits zitierten Bericht vom 03. / 08. März 2003 (Dateien ID-Nr. 750 635 / 749 474) macht G hierzu u.a. für die Gebiete Frankfurt a. M. und Mannheim folgende Vorgaben:

"(...) 3- Wir veranstalten am 26. April einen Zentralabend in Rotterdam.

A- Die Zahl der Menschen, die Sie Gebieten entsprechend herbringen müssen, und die Zahl der Tickets, die verkauft werden müssen, sind wie folgt: Dementsprechend müssen Sie eine Arbeit bezüglich des Abends durchführen: (...)

Frankfurt : 120 Personen - 300 Tickets

Mannheim : 80 Personen - 150 Tickets (...)

B- Sobald die Tickets fertig sind, müssen Sie sie holen. Wir müssen in allen Gebieten Versammlungen durchführen, um die Bedeutung des Abends zu erklären und die Verteilung von Tickets organisieren. Wer wird wie viele Tickets verkaufen? Wer wird in welche Gebiete gehen? Wie viele Menschen werden sie mitbringen? Wer wird die Busse mieten? wie werden die Busse bezahlt werden? Wie können abgesehen von Bussen, kleine Fahrzeuge arrangiert werden? Dies alles muss bis ins kleinste Detail programmiert werden.

Wenn der Verkauf der Tickets beendet ist, müssen wir überwachen, wer Woche für Woche wie viel Tickets verkauft hat.

C- Der Zentralabend muss gut besetzt sein. Wir müssen in allen Gebieten dementsprechend eine Massenarbeit durchführen. (...)

E- Wir müssen das Ziel an Tickets und Masse erreichen. (...)"

OA antwortet bezüglich dieses Punkts in seinen Anmerkungen (Datei ID-Nr. 749 474) mit "3. Verstanden".

Am 11. März 2003 trifft G hinsichtlich der zu verkaufenden Tickets folgende Anordnung (Datei ID-Nr. 751 384):

"Habt ihr die Verteilung der Veranstaltungskarten vorgenommen, diese Karten müssen alle verkauft werden, wir haben den Gebieten keine überschüssigen Karten gegeben, sondern nur so viele, wie jedes Gebiet verteilen kann. Wir müssen hinsichtlich der Massenteilnahme eine gute Arbeit leisten. Außerdem sind die Ausgaben für die Veranstaltung ziemlich hoch."

- Verkaufsstände bei Festen und Hochzeiten

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte G. mit Aktivisten seines Gebiets Verkaufsstände bei Festen und auch bei Hochzeiten von DHKP-C-Anhängern betrieb, an denen Zeitschriften der Organisation, Bücher, Kassetten etc. verkauft wurden, um Gelder zur Bestreitung der laufenden Ausgaben zu erzielen.

Diese Feststellung basiert auf zahlreichen überwachten Telefongesprächen sowie auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe; exemplarisch sind (chronologisch) folgende zu nennen:

- In Vorbereitung eines 2-tägigen Festes bei Karlsruhe, das von Samstag, 07. September 2002, bis Sonntag, 08. September 2002, stattfand, führte der Angeklagte G. mehrere Telefongespräche (Nr. 1050, 1055 TKÜ C). Am 06. September 2002 um 09:18 Uhr ruft der - im Verlauf des Gesprächs ausdrücklich mit C angesprochene - Angeklagte G. bei einem Aktivisten (Festnetzbereich Ettlingen / Waldbronn) an, teilt diesem mit, dass sie unterwegs seien, und vereinbart mit diesem, dass sie in Mannheim zunächst 200 Fladenbrote, aus denen 800 Sandwiches gefertigt werden können, sowie 3 Spieße Döner-(Hack-)Fleisch à 50 kg nebst "Döner-Maschine" besorgen und mitbringen; den Rest könnten sie dann vor Ort besorgen (Gesprächsnummer 905, TKÜ D). Drei Stunden später erhält der Angeklagte G. einen Anruf eines Aktivisten aus dem Ortsnetzrufnummerbereich Wiesloch (Gesprächsnummer 1057, TKÜ C); er fragt den Anrufer, ob er nach Karlsruhe komme, sie hätten Arbeit für ihn. Um 15:00 Uhr müsse in Mannheim bei der "Pasa-Backstube" von ihnen bestelltes, für Döner vorgesehenes Brot abgeholt und an diesen Festplatz gebracht werden. Der Angeklagte G. erklärt, sie schafften es nicht, weil sie noch "eine Menge Sachen abholen / kaufen" und mit aufbauen müssten. Nachdem sich der Anrufer bereit erklärt hat, teilt ihm der Angeklagte G. mit, er müsse die Brote zu Senol nach Waldbronn bringen. Um 16:00 Uhr müsse er spätestens dort sein, da es dort beginne. In einem weiteren Gespräch um 16:51 Uhr entschuldigt sich der Angeklagte G. bei dem Anrufer, der von derselben Ortsnetzrufnummer wie zuvor anrief, dass er umsonst bei der Bäckerei gewesen sei; das Fest finde nicht am 06., sondern am 07. September 2002 statt, was sie erst erfahren hätten, als sie hingekommen seien, woraufhin sie in der Bäckerei angerufen hätten; für den Folgetag hätten sie bereits 1500 Brote bestellt. Der Anrufer erklärt, bei der Bäckerei H ("wo Dilek arbeitet" und Turgay C schon gekauft hat) koste das Stück nur 11 Cent (statt 20 Cent), wodurch sich der Gewinn um 50 % steigere; der Angeklagte G. bittet den Anrufer, sich bei Turgay zu erkundigen, wie die Qualität sei, und kündigt an, ggf. die Bestellung von 700 Broten zu stornieren und bei H zu bestellen (Nr. 1063, TKÜ C).

Um 18:01 Uhr fragt der Angeklagte G. den Anrufer, der aus dem Ortsnetzbereich Frankfurt anruft, ob er Morgen nach Karlsruhe kommen könne, da es "hier ein Fest" geben würde mit zahlreichen Teilnehmern; sie hätten "hier einen Stand aufgemacht, einen Dönerstand, einen Getränkestand und so...", der "H" komme auch (Nr. 1064 TKÜ C). Am 07. September 2002 um 10:06 Uhr ruft der Angeklagte G. bei S A an (Gesprächsnummer 2063, TKÜ A); er erklärt, er sei in Mannheim. Heute machten sie in Karlsruhe "Dings"; das fange heute an und dauere bis morgen. Sie seien nach Mannheim gekommen, "um Brot zu holen, wir haben 1.500 Brote bestellt". Der Angeklagte G. erklärt, sie bräuchten noch ein Fahrzeug, wozu sich S A, den der Angeklagte G. im Verlauf des Gesprächs ausdrücklich mit seinem Vornamen anspricht, bereit erklärt, und gibt den Hörer dann an M weiter; es wird sodann vereinbart, dass S A sogleich zur Backstube Pascha kommt, wo sich M und der Angeklagte G. befinden. Um 11:00 Uhr erhält der Angeklagte G. einen Anruf aus dem Ortsnetzbereich Wiesloch; er teilt dem Anrufer mit, dass er von Mannheim in Richtung Karlsruhe unterwegs sei. Er habe "das Auto (...) gerammelt voll"; es würde "einen Haufen Leute" geben, die arbeiten könnten, so dass der Anrufer nur als Besucher zu kommen brauche (Nr. 1070 TKÜ C);

- in einem Telefonat am Montag, dem 16. September 2002, erklärt der Angeklagte G. auf Frage des Anrufers, dass die Hochzeit nicht so gelaufen sei, wie sie es sich erhofft hätten; sie hätten Tee verkauft und lediglich ihre Fahrtkosten herausbekommen (Gesprächsnummer 1147, TKÜ C);

- am Samstag, dem 05. Oktober 2002, führt der Angeklagte G. mehrere Telefonate mit H bezüglich eines Verkaufsstandes auf der Hochzeit des Ö.B. an dem Kassetten, Bücher, die Wöchentlichen sowie Kaffee und Tee verkauft werden sollen; er fordert H auf, auch Eintrittskarten und 2-3 Plakate der Abendveranstaltung mitzubringen (Gesprächsnummern Nr. 426 bis 428, 434 TKÜ F). Im letzten Gespräch erklärt der Angeklagte G., er befinde sich in der Wohnung des Ö; er habe den Auftrag, die Braut mit dem Auto abzuholen. Bezüglich der Hochzeit berichtet M.A. (T) an G in einer Mitteilung vom 07. Oktober 2002 unter Nr. 11 über Einnahmen, die anlässlich dieser Hochzeit - der Deckname des Ö.B. ist M - am 05. Oktober 2002 erzielt wurden und über deren Verwendung (Datei ID-Nr. 763 486):

"Auf der Hochzeit von M kamen als Bücher-, Kassetten- und Teegeld 263 Euro zusammen. Die Kassettenschulden von der vorherigen Hochzeit von 150 Euro hatten wir nicht bezahlt. Wenn wir das hinzufügen und einige Beiträge usw. dann sind es 522 Euro. Wir werden die Steuer und Versicherung für den Passat für 3 Monate bezahlen. Die 160 Euro Campschulden haben wir uns von A geliehen und bezahlt."

- in einem Gespräch vom Mittwoch, dem 27. November 2002 (Gesprächsnummer 183, TKÜ H), erklärt der Anrufer (Ortsnetzrufnummer Mannheim) gegenüber dem Angeklagten G., er habe "eine der Aufgaben erledigt", woraufhin der Angeklagte G. fragt, "Diese Dings, diese Hochzeitssache?", was der Anrufer bejaht;

- auch zwei Gespräche vom 29. November 2002 (Gesprächsnummer 808, TKÜ G, sowie Gesprächsnummer 193, TKÜ H) belegen Verkaufsstände auf Hochzeiten; im ersten Gespräch wird eine Hochzeit am Folgetag in Biebesheim thematisiert; auf die Frage des Angeklagten G., was dort "ausgestellt" werden könne, antwortet der Gesprächspartner: "Tee, Kaffee, Kassetten. (...) Also, wir sollten auch einige von den Wöchentlichen mitnehmen."; am Ende des zweiten Gesprächs versichert sich die Anruferin bei dem Angeklagten G.: "Hör mal, ihr verpasst morgen nicht die Hochzeit, nicht wahr?" Der Angeklagte G. antwortete: "Nein, nein, wir gehen da hin." Daraufhin erklärt die Anruferin: "Außerdem ist es der 14. des Monats. Am 26. und 28., nächste Woche haben wir Hochzeiten arrangiert (...)";

- im Gespräch vom 23. Dezember 2002 antwortet der Angeklagte G. auf die Frage der Anruferin, was sie am Wochenende "am Stand gemacht" hätten: "An diesem Wochenende am Stand, also nichts, 60 Dings, 60 sind gekommen. (...) 60 und es gibt wohl noch einen Teil, ich weiß nicht, wie viel das ist." Dies kommentiert die Anruferin wie folgt: "Also, dadurch, dass sie nicht zu der Veranstaltung kommen, werden sie dann das, was fehlt, selbst ausgleichen." Hierauf erwidert der Angeklagte G.: "Bei Gott, das weiß ich nicht. Das bereden wir dann. (...) Das ist alles, was von den Getränken kommt. Was von den anderen kommt, das wird wohl nicht allzu viel sein. Vielleicht 20, 30, ich weiß es nicht." Nach allem ist von einem Gewinn von mindestens 60,-- EUR auszugehen (Gesprächsnummer 413, TKÜ H).

cc. Vertrieb der Organisationszeitschrift

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte G. auch im Tatzeitraum für den Vertrieb der Organisationszeitschrift zuständig war.

Zahlreiche Telefonate und Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe belegen seine Einbindung, beginnend mit der Abholung der Zeitschriften in Köln bei dem Akcadag Verlag, der Zwischenlagerung im Keller der Wohnung des A C in Darmstadt, der Verteilung der Zeitschriften im Gebiet Mitte, dem Einsammeln des Zeitschriftengeldes und schließlich der Übergabe des Geldes an den hierfür zuständigen Funktionär E G. Im Einzelnen:

- Verlag

Der Verlag der Zeitschrift, der Akcadag-Verlag, befand sich in Köln. Dies bestätigt auch ein Gespräch vom 05. Juni 2002, in dem sich der Angeklagte G. gegenüber dem Anrufer (aus dem Festnetz Köln) bereit erklärt, mit den Funktionären des Gebiets Saarbrücken wegen rückständiger Zahlungen für die Zeitschrift zu telefonieren; der Anrufer weist den Angeklagten G. an, ihnen mitzuteilen, sie sollen sofort 1000,-- EUR einzahlen und ergänzt: "Die sollen es nicht auf die alte Kontonummer überweisen, gib‘ denen die neue Kontonummer, die neue Kontonummer H Akcadag und so." Der Angeklagte G. sagt dies zu (Gesprächsnummer 463, TKÜ C).

- Verkaufspreis

Der Verkaufspreis der Zeitschrift "Ekmek ve adalet" betrug mindestens 3,-- EUR. Dies belegt ein - kurz vor dem Tatzeitraum geführtes - Telefongespräch vom 08. Juli 2002, in dem der Sprecher A darüber berichtet, dass er "die Wöchentliche" verteilt (Gesprächsnummer 352, TKÜ D); die Höhe des Kaufpreises lässt sich folgender Sequenz entnehmen:

"B: Wie viel Geld hat H gegeben?

A: H hat 147.

B: 147?

A: He.

B: Warum?

A: 49 Zeitschriften.

B: Wie viele?

A: 49 Zeitschriften, 49 Zeitschriften machen 147."

Dieser Verkaufspreis entspricht demjenigen des bereits erwähnten Zahlungsprotokolls vom 06. August 2002 für das Gebiet Saarbrücken, wonach für 35 Zeitschriften 105,-- EUR übergeben wurden (Ass. 1.12 aus der bei der Durchsuchung der Wohnung des A C am 09. Juli 2003 sichergestellten Sporttasche des Angeklagten G.).

- Einsammeln des Zeitschriftengeldes und Abholung neuer Zeitschriften

Zahlreiche überwachte Gespräche belegen, dass der Angeklagte G. im Tatzeitraum stark mit dem Vertrieb der Organisationszeitschrift beschäftigt war. Exemplarisch sind folgende Gespräche zu nennen:

- Am 13. September 2002 erhält der (ausdrücklich mit C angesprochene) Angeklagte G. einen Anruf aus Köln (Festnetz). Der Angeklagte G. erklärt, sie hätten 250,-- EUR für die Zeitschrift zusammenbekommen, weitere 50,-- EUR werden kommen; der Anrufer verlangt umgehend mit Nachdruck 300,-- EUR, den Erlös aus dem erfolgten Zeitschriftenverkauf (Gesprächsnummer 1120, TKÜ C);

- am 19. September 2002 ruft B aus 63825 Schöllkrippen bei A C, Darmstadt, an; dieser teilt ihm mit, dass "die Wöchentlichen " an diesem Tag von C gebracht worden seien (Gesprächsnummer 1063, TKÜ D);

- am Abend des 10. Oktober 2002 meldet sich der Angeklagte G. bei B A, um unter anderem den aktuellen Stand des Zeitschriftenverkaufs abzufragen und eine neue Lieferung anzukündigen. Der (ausdrücklich mit C angesprochene) Angeklagte G. befand sich nach seinen Angaben auf dem Weg von Wiesloch nach Mannheim; für den Folgetag wird ein Treffen in Mannheim vereinbart. Die die Organisationszeitschrift betreffende Sequenz lautet wie folgt (Gesprächsnummer 495, TKÜ E):

"C: Wie viel Geld von der Wöchentlichen hast Du?

B: Als was die Schulden bei mir betrifft, die es gibt, so sind die fast, wir

hatten das ja berechnet.

C: He.

B: Die sind dann zu Ende, sie sind dann weg. Das alles ist hier.

C: Hast Du das Geld der letzten Nummer erledigt, die Du zuletzt

bekommen hast?

B: Also, alle, alle Nummern, die bekommen habe, sind dann abge-

schlossen, weißt du. (...)

C: Ich werde heute zu der Wöchentlichen gehen, jetzt.";

- am 24. Oktober 2002 um 20:16 Uhr teilt der (mit C angesprochene) Angeklagte G., der Anrufer, dem Angerufenen B, mit, dass er noch heute die Wöchentliche mit dem Auto abholen wird. Er fragt B, wie viel Geld er jetzt habe; dieser antwortet, "so an die 100 Lira oder so". Die von dem Angeklagten G. erbetene Übergabe des Geldes vor der Abholung der Wöchentlichen scheiterte, da B Mannheim gerade mit der Eisenbahn verlassen hatte (Gesprächsnummer 542, TKÜ G);

- eine halbe Minute nach Beendigung des vorgenannten Gesprächs ruft der Angeklagte G. bei D A A (Ortsnetzrufnummer Worms) an und teilt diesem mit, er werde jetzt losfahren, um die Wöchentlichen zu holen, deshalb brauche er Geld; daraufhin wird ein kurzfristiges Treffen zur Geldübergabe vereinbart; außerdem bittet Durmus A den Angeklagten G., er solle veranlassen, dass T die Wöchentlichen nicht mehr in den Briefkasten geworfen, sondern gegen sofortige Bezahlung übergeben werden; der Angeklagte G. sagt dies zu (Gesprächsnummer 543, TKÜ G);

- am 31. Oktober 2002 ruft der Angeklagte G., der sich nach eigenen Angaben in Wiesloch aufhält, bei einem untergeordneten Kader ("A"), der in Biblis in einem Café sitzt, an; der Angeklagte G. erklärt diesem, er müsse morgen fahren, um die Wöchentlichen zu holen, er habe aber nichts in der Hand; A wird versuchen, "von diesem Ehrlosen" einen Vorschuss zu bekommen, außerdem werde er nach Worms fahren und versuchen, sich etwas zu leihen; der Angeklagte G. erklärt, er werde "auch von B verlangen" und "hier ein bisschen einsammeln" (Gesprächsnummer 574, TKÜ G);

- am 20. November 2002 bejaht der Angeklagte G. die Frage der Anruferin (Festnetz Darmstadt), ob - im Zusammenhang mit dem "Publikations-Dings" - "alles vollständig" sei; auf Nachfrage, wie viel es sei, antwortet der Angeklagte G.: "230" (Gesprächsnummer 138, TKÜ H);

- am 21. Januar 2003 ruft der Angeklagte G. bei "S" an und fordert diesen auf: "Bis heute Abend, Freund, musst Du Dein Zeitschriftengeld vervollständigen. (...) Denn der Bürger fährt um vier, fünf, also dementsprechend." Auf die Bemerkung des Angerufenen "Mal schauen", antwortet er unmissverständlich: "Also, nicht mal schauen oder so. Versuch‘ das dort bis vier Uhr zu erledigen, Freund." (Gesprächsnummer 1355, TKÜ G).

Die exakte Anzahl der wöchentlichen vertriebenen Zeitschriften blieb offen. Allein aus den weitergeleiteten Geldern kann nicht auf die Anzahl der Zeitschriften rückgeschlossen werden, zumal häufig Schulden aufliefen. Ausgehend von dem - durch G. mit "C" unterzeichneten - Zahlungsprotokoll vom 06. August 2002 betrug die Anzahl der verkauften Zeitschriften im Bereich Mannheim 75 Zeitschriften (vgl. die Ausführungen zum Vortatzeitraum). In einer Datei As vom 11. Mai 2000 (Datei ID-Nr. 734 641) ist ausgeführt, dass in Mannheim 80 und in Frankfurt 200 Zeitschriften verteilt werden.

Der Angeklagte G. war auch noch im Jahre 2003 mit der Verteilung der Zeitschrift im Gebiet Mitte betraut. Anfang März 2003 ordnete die Europaverantwortliche an, dass er fortan die Organisationszeitschriften nicht mehr persönlich abholen soll, damit er sich intensiv der Kassettenarbeit widmen kann. Diese Feststellung basiert auf Dateien der niederländischen Rechtshilfe:

- In ihrem Bericht vom 02. März 2003 beantwortet G 17 Fragen der Führung vom 01. März 2003 (Datei ID-Nr. 750 791); in Beantwortung der Frage 7 kritisiert sie den Zeitaufwand durch die Verteilung der Zeitschriften und regt im Gebiet Frankfurt eine Delegation von Fahrdiensten auf Aktivisten an:

"7- Soweit ich weiß, ist OA ständig mit C unterwegs. Mit den Worten, das Auto fahre für ein paar Tage woanders hin, war gemeint, dass C mit dem Auto die Zeitschriften der Untergebiete verteilt.

Ich glaube nicht, dass OA allein unterwegs ist. Er ist mit C unterwegs. Unter diesen Umständen machen zwei Personen die gleiche Arbeit, was wiederum Zeitverlust bedeutet.

Alle Anhänger, die in Frankfurt aktiv sind, haben Auto und Führerschein. Diese Leute werden vielleicht nicht ständig Fahrer sein wollen, aber einen Tag oder bestimmte Stunden in der Woche können sie Arbeit leisten. (...)";

- am Folgetag schreibt G eine aus 25 Einzelpunkten bestehende Notiz an OA (Datei ID-Nr. 750 635). Wie bereits ausgeführt, antwortet OA / D am 08. März 2003 (Datei ID-Nr. 749 474). G trifft hinsichtlich der Verteilung der Organisationszeitschrift folgende Anordnung:

"(...) Die Zeitschrift soll nicht nur C abholen gehen. Alle unsere Anhänger haben einen Führerschein und Autos. Außerdem soll C nicht gehen, um die Zeitschrift abzuholen. Lass uns alle Anhänger, die einen Führerschein haben, der Reihe nach schicken, um die Zeitschrift abzuholen. Die Zeitschrift abzuholen darf nicht die Aufgabe eines Verantwortlichen sein. Diese Arbeit müssen wir unsere Anhänger machen lassen. Es kann sein, dass nicht jeder unserer Anhänger jede Woche die Zeitschrift abholen kann, aber einmal oder zweimal im Monat kann jeder gehen, um die Zeitschrift abzuholen. (...)

- In einer Zeit, da die Kassettenarbeit zu einem Problem geworden ist, soll C nicht gehen, um die Zeitschrift abzuholen. Wenn C die Zeitschrift abholen geht, bedeutet es, dass er jede Woche einen Tag (nutzlos) in Köln verbringt, nach Hause geht, herumreist etc. Darum soll C nicht gehen, um die Zeitschrift abzuholen. Organisiert das dementsprechend, macht einen Plan dafür, wer alles die Zeitschrift abholen fahren soll. Außerdem sollen diejenigen, die dorthin gehen, nicht mit den Autos des Gebiets fahren, sondern mit ihren eigenen PKWs. So verliert ihr nicht pro Woche einen Tag (...)"

Die Antwort des OA / D zu diesem Punkt lautet wie folgt:

"Wir dürfen es nicht so sehr überbewerten, wenn C wegen der Zeitschrift kommt und in Köln einmal innerhalb mehrerer Wochen bei seiner Familie vorbeischaut, seine Wäsche abgibt und manchmal Taschengeld bekommt. Wenn wir ihn lassen würden, würde er sich vielleicht dort aufhalten, das erlauben wir nicht. Es liegt aber nichts Schlimmes vor, als dass wir sagen müssten, du darfst nicht nach Köln gehen. Wenn er in der Nacht zur Zeitschrift gekommen ist, und wir ihm erlaubt haben, seine Familie zu besuchen, dann holen wir ihn morgens um acht, spätestens um neun (Uhr) von zu Hause weg."

- in der Nachricht vom 16. März 2003 geht D - in Beantwortung weiterer Anfragen Gs - auf diese Thematik erneut ein (Datei ID-Nr. 751 433):

"11. Was gegen C gesagt wurde, ist verstanden. Es gehen sowieso seit mindestens einem Monat unterschiedliche Leute zur Zeitschrift. Die Fahrt wird wöchentlichen unter M und den Seinen, H, H und C aufgeteilt."

- im Zusammenhang mit einer möglichen Herausnahme des Angeklagten G. aus Deutschland (hierzu später mehr) berichtet der Funktionär "D" in einem - in dem Dokument Export-3/Unallocated Clusters~617 enthaltenen - Bericht vom 02. Mai 2003 über die Bedeutung des Angeklagten G. für den Zeitschriftenverkauf (auch noch zu diesem Zeitpunkt) im Gebiet Mannheim:

"Wenn C geht, werden die Arbeiten der Zeitschrift in Mannheim sehr darunter leiden. Habt ihr eine Idee, wie wir das Gebiet in dem Zustand weiter aufrechterhalten können?"

- Zwischenlagerung der Zeitschriften in der Wohnung / im Keller des A C

Soweit die Zeitschriften nach Abholung nicht sofort verteilt wurden, wurden diese in der Wohnung bzw. im Kellerraum des A C in Darmstadt, Bismarckstraße 146, zwischengelagert. Diese Feststellung basiert auf überwachten Telefongesprächen, Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe sowie dem Ergebnis der Durchsuchung bei A C vom 09. Juli 2003; im Einzelnen:

Die - wenige Tage vor dem Tatzeitraum geführten - Gespräche vom 12. und 23. August 2002 belegen, dass A C über einen Keller zur Lagerung der zu verteilenden Zeitschriften verfügte; im Einzelnen:

- Im Gespräch vom 12. August 2002 unterhalten sich zwei Aktivisten, dass C (früherer Deckname des Angeklagten G.) gesagt habe, das Zeitungsgeld müsse morgen bezahlt / abgeliefert werden. Der Angerufene (Sprecher A) erklärt, sein Geld sei bei A, dieser sei nicht zu Hause; der Anrufer (Sprecher B, Öffentliche Telekommunikationsstelle Darmstadt) teilt mit, er werde "die Wöchentlichen nehmen und gehen". Als A erklärt, er habe den Schlüssel für den Keller nicht, erklärt B, dass er den A anrufe (Gesprächsnummer 284, TKÜ F),

- im Gespräch vom 23. August 2002 erklärt A C der Anruferin, er sei im Keller und ordne die Zeitschriften (Gesprächsnummer 782, TKÜ D).

In der Datei ID-Nr. 752 925 übersendet G am 25. Juli 2003 eine "Notiz von C A in Bezug auf die Durchsuchungen im Gebiet Mitte...". Sie gibt zu verschiedenen, in der Mitteilung von C A bezeichneten, Personen erläuternde Beschreibungen ab; aus den Hinzufügungen Gs zu A C lässt sich entnehmen, dass die Organisationszeitschriften für das Gebiet Mitte in der Wohnung / dem Haus des A C gelagert waren; von dort aus organisierte der Angeklagte G. die Verteilung an die einzelnen Gebiete und die dortigen Verteiler. Die diesbezügliche Passage in der Datei lautet wie folgt:

"A C (ARBEITER; SEIN HEFT WURDE BENUTZT; VON SEINER WOHNUNG / SEINEM HAUS AUS WURDE DER ZEITSCHRIFTENVERTRIEB IM GEBIET MITTE DURCHGEFÜHRT; K UND C HIELTEN SICH IN DIESER WOHNUNG / DIESEM HAUS AUF)"

Einen Hinweis auf die Zwischenlagerung der Zeitschriften in Darmstadt bei A C erbrachte auch die Durchsuchung vom 09. Juli 2003. Nach den Angaben des Zeugen KOK M wurde in dem zur Wohnung des A C gehörenden, durch einen Lattenverschlag abgegrenzten Kellerraum anlässlich der - hinsichtlich der Wohnräume bereits geschilderten - Durchsuchung vom 09. Juli 2003 ein Leinenbeutel mit ca. 30 Zeitschriften Vatan, ein Pappkarton voller roter Fahnen mit deutsch-türkischer Beschriftung zum Thema "Todesfasten", ca. 50 Demonstrationsplakate sowie 2 Megaphone aufgefunden, außerdem 100 Bücher zum Thema "50 Fragen zur Religion".

Am 08. August 2002 - mithin wenige Wochen vor dem Tatzeitraum - verfügte A C sogar über ein Archiv der Wöchentlichen ; in einem Telefonat an diesem Tag bestätigt er dies auf Frage des Anrufers. Der Anrufer möchte Kopien eines Artikels über eine Demonstration in Ankara im Zusammenhang mit dem Todesfasten vom 12. Dezember 2000 fertigen; A C erklärt, die Zeitschrift liege bereit, wenn er am Folgetag vorbeikomme (Gesprächsnummer 654, TKÜ D).

dd. Erhebung von Beiträgen

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte G. in seiner Funktion als Bölgeleiter - wie bereits an mehreren Stellen ausgeführt - auch mit der Erhebung und Sammlung von Beiträgen befasst war. Die Verpflichtung, ab August 2002 Beiträge zu erheben, ergibt sich auch aus einer Mitteilung der Europaverantwortlichen G an M.A., den für den Angeklagten G. zuständigen Regionsverantwortlichen vom 08. August 2002 (Datei ID-Nr. 731 363), die sich auch auf die Tatzeit erstreckt ("von August an"). Hierin fordert G von M.A. unter Nr. 8 zunächst die Erstellung entsprechender Listen und schließlich auch die Sammlung von Beiträgen durch den Angeklagten G.: "Man muss eine Liste erstellen, von wem Beiträge eingezogen werden, macht das. Sprecht auch mit C. Von August an müssen wir Beiträge einnehmen auch von denen, die es gibt."

f. Weitere Aktivitäten für die DHKP-C

aa. Aufbewahrung von Waffen in Deutschland

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass es zu den Aufgaben des Angeklagten G. als Bölgeleiter gehörte, bei Bedarf auf Weisung der Führung mit Sympathisanten in seinem Gebiet in Kontakt zu treten, um von Funktionären beschaffte Waffen in deren Wohnungen bzw. Geschäftsräumen bis zur Verbringung in die Türkei zwischenzulagern.

Dass auch noch nach Inkrafttreten des § 129b StGB für die Türkei bestimmte Waffen in der Rückfront in Wohnungen von Sympathisanten zwischengelagert wurden, wurde bereits an anderer Stelle ausführlich dargelegt (vgl. vorst. III.2.b.bb). Mehreren organisationsinternen Berichten aus der niederländischen Rechtshilfe lässt sich entnehmen, dass auch der Angeklagte G. - unter dem Decknamen C handelnd - in zumindest einem Fall mit einer solchen Zwischenlagerung von Waffen tatsächlich befasst war. Im Einzelnen:

Am 12. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 350) leitet G u. a. einen Bericht der Funktionärin mit dem Decknamen Z an die Führung weiter. Danach wird der Anhänger, in dessen Wohnung das "Material" - wie der Zeuge KHK B erläutert hat, ein Tarnbegriff für Waffen - gelagert ist, ausziehen und deshalb eine andere, langfristige Lagermöglichkeit suchen. Sofern die erbetene "M-... Liste" (= Materialliste) kurzfristig erstellt werden müsse, werde es notwendig sein, dies mit "C" zu machen. Im Einzelnen teilt sie Folgendes mit:

"1- Ich hatte Z bezüglich der Erstellung der M...-Liste gefragt. Antwort von Z:

‚Ich habe zurzeit keine Möglichkeit, um eine Materialliste zu erstellen. Es gibt zurzeit tatsächlich keine Möglichkeit, sie von dort rauszuholen, wo wir sie hingetan haben. Außerdem kann ich das auch nicht alleine erstellen. Wir haben es mit drei Personen sehr schwierig zwischen der Decke untergebracht. Außerdem will der Mann sich örtlich verändern. Da er aus der Wohnung ausziehen wird, wird er für das eine Räumlichkeit dort klarmachen und es dorthin tun. Es ist eine Räumlichkeit, wo sie langfristig bleiben können. Es wird kein Problem geben und es ist eine angemessene Stelle. Am Januar könnte es angemessen sein, eine Liste zu erstellen. Falls es notwendig sein sollte, dass ich das dringend machen muss, so wird es notwendig sein, dass ich das mit C zusammen mache. Außerdem ist der Mann dazu gezwungen, seine Familie usw. aus der Wohnung herauszubringen. In den Weihnachtsferien werde seine Familie nicht in der Wohnung sein. In dieser Zeit jedoch wird es die Arbeiten für meine Hochzeitsfeier usw. geben. Im Ergebnis werde ich so handeln, wie sie / ihr mir das sagen / sagt.

Vor mir haben E und die anderen geredet, dass ein Mensch von der Bewegung kommen wird und niemand anderes darüber Bescheid wissen. Sie haben gesagt, dass außerdem fünf Taschen kommen werden. Aus diesem Grund war ich gezwungen zu sagen, dass ich die Person bin, die von der Bewegung geschickt worden ist, als ich dorthin gegangen bin, um mit ihnen zu sprechen. Und dieser Mann will keinen anderen Ansprechpartner außer uns haben. Er hat nur diese Bedingung gestellt. Zu ihrer Kenntnisnahme. Da es natürlich mehr wie fünf Taschen gewesen sind, ist es ein wenig dem Mann zugestoßen. Es ist fertig. Wir haben es gemacht. Es gibt viel von dem Material, was wir untergebracht haben.‘ (...)"

Die folgenden weiteren Berichte belegen, dass der Angeklagte G. nicht nur von dem Waffendepot wusste, sondern neben H D (Deckname: E / H) auch als Kontaktmann diente :

Am 21. November 2002 berichtet G der Führung, dass "für das Material" - angekündigt sind "10 Taschen" - eine Adresse gefunden worden sei (Datei ID-Nr. 763 048). Der Senat ist davon überzeugt, dass der Ort des Depots im Raum Frankfurt a. M. war, zumal H D zu dieser Zeit die Aufsicht über dieses Gebiet hatte (vgl. die bereits zitierte Datei ID-Nr. 751 593) und diese die Adresse kodiert mitteilt. Bei der Kontaktaufnahme mit dem Sympathisanten könne "der Freund, der das Material hinbringt", den "wirklichen Namen von E" oder den "Namen von C" nennen. Wörtlich berichtet sie wie folgt:

"4- Für das Material ist eine Adresse gefunden worden.

Es wurde erneut mit der Person gesprochen, die sagt, dass sie aus der Wohnung auszieht, er habe das für 6 Monate akzeptiert. Derzeit zieht er nicht aus der Wohnung raus. Er macht das so, weil er ein bisschen Angst hat. Ein ehemaliger Anhänger. E (in Zukunft schreibe ich H) hat mit dieser Person gesprochen. Diese Person hat auch eine Firma, sie ist in seine Firma gegangen und hat sich das angeschaut. Das Untergeschoss der Firma ist wie ein Labyrinth, hat sehr große zahlreiche Räume, sagte sie. Aber der Mann hat gesagt, er werde das im Keller seines Hauses verstecken, dass er auch ein anderes Lager mieten werde. H habe gesagt, dass ein Lager nicht gehe, dass seine Firma besser wäre. (...) Es wurde gesagt, es seien 10 Taschen. Ich glaube, dass er deswegen zurückgeschreckt ist. Als man das erste Mal mit (ihm) gesprochen hatte, hatte er das akzeptiert, beim zweiten Mal hat er ein bisschen gezögert.

Der Freund, der das Material hinbringt, kann sich sowohl die Firma, als auch die seine Wohnung ansehen. Er selbst habe die Adresse seiner Firma und die Telefonnummer gegeben. Zuallererst muss man zu der Adresse gehen. Der Freund, der dorthin geht, muss beim Gespräch den wirklichen Namen von E benutzen, T A hatte bereits zuvor gesprochen. Er kann auch den Namen von C nennen. Die Adresse hat H versteckt gebracht. Beim Schriftverkehr, am Telefon ist sie nicht genannt worden."

Sodann folgt in der Nachricht eine kodierte Mitteilung mit einer Aneinanderreihung von Zahlen und Buchstaben, auszugsweise wie folgt:

"330-1-2:

2850-1(S2HH) 1605-1:

1786-1 2650-1 (SHH):

(...)"

Vier Monate später wandte sich der Sympathisant, in dessen Haus die Waffen verwahrt wurden, an den Angeklagten G.. Nunmehr ist von "Radios" die Rede, wie ausgeführt eine Tarnbezeichnung für Schusswaffen. Wegen der Verfolgungsgefahr entschied D A, dass nicht der Angeklagte G., sondern Eser den Hauseigentümer besuchen soll. Wörtlich teilt G der Führung am 21. März 2003 u.a. Folgendes mit (Datei ID-Nr. 751 377):

"5- Das Haus, in dem sich die Radios befinden, haben eine Nachricht geschickt, um mit C zu sprechen. D A hat E gesagt, dass C von der Polizei verfolgt wird und er deswegen nicht hingehen kann, dass es notwendig ist, dass E hingeht und nachsieht. Das habe ich im heutigen Ordner von E erfahren. E solle heute zum Haus gehen und nachsehen."

Einen Tag später teilt G der Führung ausdrücklich mit, dass der Angeklagte G. die Adresse, an der die Waffen versteckt sind, kennt; am 22. März 2003 berichtet G an die Führung wörtlich wie folgt (Datei ID-Nr. 751 400; weitere Fundstelle dieser Datei: Export-13/Unallocated Clusters~122):

"2- C weiß, wo die Radios sind.

E hat die Wege kontrolliert, und der Hauseigentümer soll gesagt haben, es müsse bis Mai abgeholt werden, da er umziehen werde. In der anderen Datei habe ich die Mitteilung von Er im Zusammenhang mit dem Thema übermittelt; es ist davon die Rede, dass aufgrund des Krieges eine allgemeine Kontrolle herrsche. Was sollen wir in dem Falle machen."

Am gleichen Tag, dem 22. März 2003, berichtet G erneut an die Führung über das Ergebnis des Besuches des Hauseigentümers (Datei ID-Nr. 748 889):

"6- E ist auf die Seite gegangen, wo die Radios sind, ich übermittle seine Notiz: ‚Ich bin dorthin gegangen, wo die Radios sind. Der Mann soll / habe vor erneut woanders hinzuziehen. Er sagt, es ist erforderlich, dass wir ihn spätestens bis Mai dort wegholen. Also es hat keine Eile, aber im Endeffekt müssen wir es erledigen. (...)

- Die Weg(e) sind im Moment nicht gut. Es ist ständig eine Polizeikontrolle existent. Ich weiß nicht, wie es an der Grenze aussieht. Aber auf den Autobahnen und in der Stadt haben die Routinekontrollen zugenommen."

Am Folgetag, dem 23. März 2003, berichtet G wie folgt (Datei ID-Nr. 751 362):

"2- D A hat in seiner Notiz nichts bezüglich C geschrieben. Er sagt E, dass er den C dorthin gerufen hat, wo die Radios sich befinden. Da C verfolgt wird, wäre es bedenklich, wenn er dorthin geht. Aus diesem Grund müsse E dorthin gehen. Ich habe an N A die Notiz bezüglich C weitergeleitet. Ich habe verlangt, dass sie C zu sich rufen und Informationen darüber einholen, ob er verfolgt wird oder nicht. Ich werde fragen, wo sich die Ehefrau vom Pizzabäcker befindet."

Allem nach wurde der Angeklagte G. zumindest in einem Fall aktiv, in dem für den bewaffneten Kampf in der Türkei bestimmte Waffen bei einem Sympathisanten, der in seinem Gebiet wohnte, zwischengelagert wurden.

bb. Suche, Auswahl und Vorbereitung von Kurieren

Die Würdigung der Aktivitäten des Angeklagten G. im Zusammenhang mit der Betreuung des Kuriers H H folgt später.

cc. Beschaffung von Ausweisdokumenten

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Angeklagte G. - entsprechend der generellen Aufgaben eines Bölgeleiters - auch mit der Beschaffung von AusweisDokumente n befasst war. Eine Nachricht der Europaverantwortlichen an M vom 08. November 2002 belegt dies (Datei ID-Nr. 763 252):

"Und bezüglich des Heftes haben wir C gefragt, ob es Bedenken gäbe, wenn wir das Heft benutzen. Er sagte Nein, und wir haben es den Freunden geschickt. Dieses Heft hatten wir sowieso von den Freunden zurückgenommen. Wie sollen wir es erneut zurückfordern? Warum gibt C keine ernsten Antworten? Wir haben ihn am Anfang gefragt. Es sind noch einmal zwei Wochen vergangen. Jetzt möchte er es zurückhaben. Wenn diese Ausweise nicht nutzbar waren, warum schickt er sie uns dann? Eine Woche später werden Hefte verlangt. Es sind ja sowieso nicht einmal zwei Wochen vergangen, seit man die Hefte bekommen hat. Außerdem kommt noch hinzu, dass wir eines der Hefte von den Freunden erst kürzlich zurückverlangt hatten. Wie sollen wir es jetzt erneut zurückverlangen? - C soll für diese beiden Hefte andere auftreiben. Dann werden wir diese zurückgeben. C ist dafür verantwortlich. Er handelt oberflächlich, dann soll er selbst uns innerhalb einer Woche einen anderen Frauen- und Männerausweis schicken."

g. Belgien-Aufenthalt in der Zeit von September 2003 bis 19. August 2004

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Führung der DHKP-C entschied, den Angeklagten G. wegen der Gefahr der Inhaftierung im Zusammenhang mit dem Waffentransport H ins Ausland zu verbringen, dass dieser Plan Anfang September 2003 umgesetzt wurde und sich der Angeklagte G. in der Folge bis Mitte August 2004 in Belgien aufhielt. Die diesbezüglichen Feststellungen basieren im Wesentlichen auf Dateien der niederländischen Rechtshilfe.

aa. Planung seiner "Herausnahme" aus Deutschland

Bereits Ende März 2003 traf die Führung vorbeugende Maßnahmen, um den Angeklagten G. nach außen nicht in Erscheinung treten zu lassen; beispielsweise wurde der Angeklagte Y. anstelle des G. vorübergehend mit der Verteilung der Organisationszeitschrift, der "Kassettenarbeit" und dem Ticketverkauf beauftragt (Datei: Export-4/ Unallocated Cluster~570; Datei ID-Nr. 752 165; hierzu mehr im Rahmen der Beweiswürdigung zum Angeklagten Y.).

Am 10. April 2003 leitet die Europaverantwortliche G an die Führung Notizen weiter, die sie an D geschrieben hat (Datei: Export-4/Unallocated Clusters~334); sie kündigt Gesprächsbedarf hinsichtlich des Angeklagten G. an, sobald D von einem 1-monatigen Aufenthalt in einem anderen Gebiet zurück sei; wörtlich schreibt sie Folgendes:

"(...) Was außerdem mit dem mittleren Gebiet sowie mit der Situation von C sein wird, darüber müssten wir, wenn ihr zurück seid, uns mal treffen, und mal darüber reden. Wir müssen uns entscheiden, was für eine Regelung wir (zu) treffen (gedenken)."

Am 05. Mai 2003 übermittelt G der Führung ihre Notizen an D; in diesem Zusammenhang werden Überlegungen mitgeteilt, den Angeklagten G. wegen möglicher Angaben des H H ("Pizzabäcker") ins Ausland zu verbringen, wo er ebenfalls für die Organisation tätig werden soll (Datei ID-Nr. 752 124):

"(...) 5.5.2003

Hallo D, (...)

"5- Soweit Sie mitgeteilt haben, scheint der Pizzabäcker ein Geständiger geworden zu sein. Unter diesen Umständen hat er eine Aussage zu C und anderen Freunden gemacht. Ist C unter diesen Umständen bereit, Deutschland zu verlassen? Ist er bereit, in einem anderen Land zu leben und Arbeiten durchzuführen? Nicht, dass es später Probleme gibt. In der Schweiz besteht Bedarf. Warum kann er nicht dort bleiben? Er wird sowieso dort, wo er hingeht, Arbeiten durchführen. Zudem kann er V unterstützen.

Oder wird werden ihn in ein anderes Land schicken. (...)"

Am 14. Mai 2003 leitet G die Antwort von "D A" an die Führung, der mögliche Länder vorschlägt, in die der Angeklagte G. verbracht werden könnte und wie er sich hierzu stellt (Datei ID-Nr. 755 653):

"5. Auch N. wurde während der Fahndung in Deutschland in der Schweiz festgenommen. Indem wir C dort hin genommen haben, werden wir ihn nicht sehr viel aus dem Blickfeld genommen haben. Graz ist zwar aus dem Blickfeld, aber letztendlich können sie ihn auch dort finden, wenn sie sich darauf konzentrieren. Ich weiß nicht, ob Griechenland, Italien aus unserer Sicht möglich ist. Ich habe C gefragt. Was außerhalb Deutschland betrifft, so sagt er, ‚das ist kein Problem, ich werde hingehen’. Er hat nicht gezögert. Ob es klappt oder nicht, aber zu diesem Anlass sollten wir informieren: In Spanien gibt es Dönerverkäufer aus der Türkei, deren Zahl zunehmend steigt. Unter diesen gibt es auch Bekannte und solche, die uns nahe stehen. Ihr Geschäft läuft gut. Sie verdienen gut. Und es ist gerade Saison. Wenn man zwei Personen schicken würde, welches Kassettenergebnis würde man dort erreichen? Es wäre nicht schlecht, es auszuprobieren. Die aus Frankreich sind näher dran. Die könnten jemand schicken."

Am 25. Mai 2003 berichtet G über Gespräche, die sie "mit den verantwortlichen Freunden geführt habe"; es wurde erwogen, den Angeklagten G. nach Spanien zu schicken (Datei ID-Nr. 751 229):

"7- C A (...)

g- Ich habe gesagt, dass Ö erneut in die Nähe von Frankfurt kommen könnte. (...) Wenn Ö nach Frankfurt käme, könnte es sein, dass er selbst in die Schweiz geht. (...)

- Wenn Ö dorthin geht, werden wir C holen. Er hat vorgeschlagen, C nach Spanien zu schicken. Er hat gesagt, dass es dort Dönerläden gäbe und er sich mit einem Freund dort umschauen könne, ob etwas rauskommen könnte oder nicht. (...)"

Der Erwägung, den Angeklagten G. nach Spanien zu schicken, erteilte die Organisationsführung eine klare Absage; dies lässt sich einer Mitteilung Gs an die Führung vom 29. Mai 2003 entnehmen (Datei ID-Nr. 761 909):

"ICH HABE EURE MITTEILUNG VOM 28.5.2003, BESTEHEND AUS 7 PUNKTEN, DER ERSTE SATZ BEGINNEND MIT ‚C nach Spanien zu schicken, ist Quatsch, wir haben jeden Ort in Europa abgeklappert, zu neuem Leben erweckt, sind zu vier Millionen Menschen gegangen, alles taugt nichts, anscheinend ist nur noch Spanien übrig’ UND DER LETZTE SATZ ENDEND MIT ‚Ja, die abgeschaffte tc-Zeitung wird benötigt’ ERHALTEN.

1. WAS DEN PUNKT, DER MIT DEM SATZ ‚C nach Spanien zu schicken, ist Quatsch, wir haben jeden Ort in Europa abgeklappert’ ANGEHT:

Verstanden. (...)"

Am 26. Juli 2003 berichtet G erneut an die Führung über die aktuelle Situation; sie teilt mit, dass sie den früheren Mitangeklagten M.A. (Deckname: B A) in dieser Woche "aus Deutschland herausbringen" und dass sie C "später holen" werden (Datei ID-Nr. 754 525); außerdem beschreibt sie die aus ihrer Sicht drohende Gefahr einer "noch ernsthafteren Operation" der Strafverfolgungsbehörden wie folgt:

"4- (...) M hat K erzählt, dass die Onkels gesagt hätten, der Pizzabäcker habe alles gesagt, als sie ihm angeboten haben, zusammenzuarbeiten. (...)

5- Es wird versucht, als sichtbaren Grund für die Operation zu zeigen, dass S gewaltsam Geld einsammelt, dass die Person, die diese Sache macht, gleichzeitig Zeitschriftenvertreiber ist, und ausgehend hiervon die Durchsuchung der Zeitschrift. (...) Wenn die Verfahrensakten vorliegen, können wir mehr Informationen haben. Aber C nehmen sie ganz bewusst nicht. In den Durchsuchungsbeschlüssen kommt die Angelegenheit mit dem Pizzabäcker nicht vor. Bevor er ging, wurde die Wohnung / das Haus, wo sich der Pizzabäcker aufgehalten hat, nicht durchsucht. Sie haben nicht versucht, C mitzunehmen. Der Pizzabäcker wird alles, was er weiß, erzählt haben und in Bezug auf das, was er nicht weiß, wird er sein Kommentar abgegeben haben. Dass seine Familie verschwunden ist, zeigt, dass er beschützt wird, weil seine Familie nicht wieder aufgetaucht ist.

Ich denke, dass Deutschland hinter einer noch ernsthafteren Operation und hinter noch größeren Berechnungen her ist. Sie verfolgen zwar C seit langer Zeit, aber sie haben ihn immer noch nicht mitgenommen. Auch B A haben sie nicht mitgenommen. Sie leiten in Bezug auf Ö ein Verfahren ein, aber nehmen C nicht in Gewahrsam. (...)"

Nur einen Tag später, am 27. Juli 2003, meldete G der Organisationsführung (Datei ID-Nr. 753 444):

"Ich habe verlangt, dass C zu einer sauberen Wohnung geht und sich im Umfeld nicht blicken lässt. Innerhalb einer Woche werden wir auch ihn aus Deutschland herausbringen."

Am 02. August 2003 berichtet G an die Führung, dass sich der Angeklagte G. zunächst 10 Tage bei seiner Mutter aufhalte (Datei ID-Nr. 753 360):

"3- Bei dem Anwalt von S, der im Gebiet Mitte festgenommen wurde, handelt es sich um den Anwalt von C. Der Anwalt geht in Urlaub und will deshalb mit C sprechen. Er hat gesagt, dass der Name des Pizzabäckers in der Akte von S als ZEUGE vorkommt. In der Akte von S taucht er als geständiger Zeuge auf.

4- Während der Hausdurchsuchungen wurde auch in Bezug auf C ein Durchsuchungsbefehl erteilt. Das Papier C betreffend haben sie bei der Durchsuchung der Wohnung / des Hauses von K dagelassen. Sie haben die Wohnung / das Haus, wo C angemeldet ist, nicht durchsucht. C war in dem Haus seiner in Köln gemeldeten Familie. Das hat B A erzählt.

Ich wollte, dass C sich nicht draußen aufhält und in eine saubere Wohnung / ein sauberes Haus einzieht. Zuletzt stand in der Notiz von C A, dass C sich seit zehn Tagen in der Wohnung / im Haus seiner Mutter aufhält, bevor er in diese Wohnung / dieses Haus zieht. Ich werde fragen, warum sie das so gemacht haben. Die Onkels nehmen C mit Nachdruck nicht mit."

Die Umsetzung des Planes, den Angeklagten G. nach Belgien zu verbringen, verzögerte sich. Nach dem Aufenthalt bei seinen Eltern wurde er zunächst in der Wohnung eines Dritten untergebracht; er sollte dann erst Anfang September nach Belgien geschleust werden. Dies belegt die Nachricht Gs vom 2. September 2003, in der sie den Grund der Verzögerungen - das eigenmächtige Verhalten Cs - wie folgt schildert (Datei ID-Nr. 754 352):

"Wir werden C herausbringen. Aber, es ist riskant, C herauszubringen. Sie haben ihn nicht geholt, obwohl er sich nach der Operation 10 Tage bei seiner Familie zu Hause aufgehalten hat. Ich denke, er wird zurzeit überwacht. C A hat erlaubt, dass sich C zuhause aufhält, ohne es für nötig zu halten, nachzufragen. Die Wohnung / das Haus der Familie von C ist in Köln. Trotzdem haben sie C nicht mitgenommen. Wir sagen, ‚C soll nicht im Gebiet bleiben, er soll sich nicht sehen lassen, wir werden ihn aus Deutschland herausbringen’. Aber, C A schickt C nach Hause.

Die Adresse der Wohnung / des Hauses, wo er sich zurzeit aufhält, wurde mitgeteilt. Es wurde gesagt, er solle von dort geholt werden. Nachdem sich C in diese Wohnung / dieses Haus begeben hatte, hat C A wieder mit C gesprochen. Während der Zeit, wo sich C zuhause aufgehalten hat, ist er rausgegangen und hat Ö angerufen. Man hat sich an keine Regel gehalten, die ich erklärt hatte. Dann wurde gesagt ‚sie können / ihr könnt C von dieser Wohnung / diesem Haus holen’. Ich habe daraufhin gesagt, dass wir ihn auf diese Weise nicht holen könnten. Ich weiß nicht, ob C A oder C die Wohnung / das Haus kannte, wo sich C zuletzt aufgehalten hatte. C ist aus Dersim. Außer den Gebietsbeziehungen hat er einen großen Verwandtschaftskreis. Er hätte auch viele Beziehungen aus seinem eigenen Umfeld finden können. Es ist natürlich einfacher, von bereits bestehenden Beziehungen in Köln Gebrauch zu machen.

Das Hauptproblem liegt darin, dass die Sicherheitsregeln, die ich erklärt habe, nicht eingehalten wurden. Ohne jemanden zu fragen, wurden die Beziehungen eines anderen Gebietes eingesetzt. Jetzt werden wir C mit Hilfe von E und den anderen herausbringen. Ich habe E und E darauf hingewiesen, bei solch einem Vorfall, der außerhalb ihrer Kenntnis liegt, einzugreifen. Ich werde auch C A ermahnen. (...)"

bb. Umsetzung des Planes

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Plan Anfang September 2003 tatsächlich umgesetzt wurde. Dies basiert auf mehreren Dateien der niederländischen Rechtshilfe:

- Am 09. September 2003 meldet G der Führung die erfolgreiche Umsetzung des Vorhabens (Datei ID-Nr. 755 156): "Wir haben C nach Belgien begleitet / herübergebracht. Es gab keine Probleme.";

- auch die bereits zitierte Datei ID-Nr. 753 666 belegt, dass sich der Angeklagte G. am 14. September 2003, dem Datum der Nachricht, bereits im Ausland befand ("Die Person, die als M und C erwähnt wird, ist der Freund, den wir aus Deutschland herausgebracht haben.").

cc. Aufenthalt in Belgien

Zwar kündigte G für den Fall des Verbringens des Angeklagten G. nach Belgien in einer Nachricht vom 31. Juli 2003 (Export-6/Unallocated Clusters~192) Folgendes an: "Wir werden C nach Belgien holen, wir haben uns gedacht, dass er in Charleroi mit Ö zusammen arbeiten kann." Die Beweisaufnahme ergab jedoch keinen Hinweis darauf, dass der Angeklagte G. in Belgien eine (Führungs-) Funktion in der DHKP-C übernommen hat.

Der einzige Hinweis auf eine Betätigung ist - kurz nach der Einreise nach Belgien - die Teilnahme an einer Versammlung der DHKP-C von F, 12. September 2003, bis zum frühen Nachmittag des Folgetages sowie den anschließenden Besuch eines Kurses - mit nicht bekanntem Inhalt - in Lüttich. Dies basiert auf der Mitteilung Gs vom 17. September 2003; G sendet sogenannte "Bildungsberichte" an die Führung, in der auch der Angeklagte G. erwähnt wird; "Hs Bericht", den sie der Führung auszugsweise mitteilt, lautet wie folgt (Datei ID-Nr. 754 118):

"b- Hs Bericht:

Wir haben in Belgien von Freitagabend 9 (Uhr) bis Samstagabend um 9 (Uhr) eine Sitzung abgehalten. Ich, N, T, U, D, C (ist Samstag nach 14:30 Uhr zu seinem Kursus in Lüttich gegangen), Selim und als ‚Beobachterin‘ G.. Ich bin nicht in der Lage, alles hierzu aufzuschreiben, ich fasse zusammen.

Wir haben mit bestimmten Begriffen angefangen: Klasse? Gesellschaft? Volk? Staat? Faschismus? Imperialismus? Revolution? Revolutionärssein? Klassen-Hass (...)"

Die Verfolgung wurde bei dem Angeklagten G. nach §§ 154, 154a StPO auf den Zeitraum bis zum Weggang nach Belgien beschränkt.

h. Aktivitäten nach der Rückkehr aus Belgien bis zur Festnahme

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte G. nach seiner Rückkehr aus Belgien und Entlassung aus der Hauptverhandlungshaft am 21. Oktober 2004 zwar nicht mehr Funktionär oder gar Führungsfunktionär der DHKP-C war; wie bereits ausgeführt, widmete er sich überwiegend anderen Aufgaben und zwar dem Besuch des Abendgymnasiums und ab Mitte Juli 2005 überdies der Teilzeitbeschäftigung bei der G P GmbH; er hatte aber weiterhin Kontakte mit DHKP-C-Aktivisten und war durchgängig bis zur Festnahme am 28. November 2006 bereit, auf Anforderung Aufgaben für die DHKP-C zu übernehmen. Diese Feststellung basiert auf Folgendem:

- Kontakte über Mobiltelefon

Der Angeklagte G. war für DHKP-C-Funktionäre und -Aktivisten über ein Mobiltelefon erreichbar, über das er seit dem 16. Juni 2005 bis zu seiner Verhaftung am 28. November 2006 verfügte.

Diese Feststellung beruht auf dem Ergebnis der Durchsuchung seiner 1-Raum-Wohnung in Heidelberg, am 28. November 2006 ab 06:00 Uhr, deren Verlauf, Ergebnis und Auswertung die Zeugen KHKin S-K und KHK M bekundet haben.

Unter anderem konnte in der Jackentasche des Angeklagten G. ein Mobiltelefon der Marke Nokia sichergestellt werden, das seit dem 16. Juni 2005 angemeldet war; Anschlussinhaber war "S M", in Heidelberg. Im Telefonbuch des Gerätespeichers waren nach Angaben der Zeugin KHKin S-K unter anderem die aktuellen Telefonnummern der DHKP-C-Aktivisten V A, H A, S A, Ö.B. und H I vermerkt, mit denen der Angeklagte G., wie ausgeführt, bereits vor dem BelgienAufenthalt in Kontakt gestanden hatte (zu H D gleich mehr); mit V A und S A hatte er nach Angaben der Zeugin KHKin S-K nach der Anrufliste letztmals am 21. November 2006 fernmündlich Kontakt.

Aktuelle Telefonnummern von DHKP-C-Aktivisten waren nach Angaben der Zeugin KHKin S-K überdies auf Notizzetteln handschriftlich notiert, die sich in einer am 28. November 2006 in der Wohnung des Angeklagten G. in Heidelberg sichergestellten Plastikhülle befanden, unter anderem des A Y. N ("H"), des V A (bis Oktober 2005) sowie - mit den gleichen Rufnummern wie im Mobiltelefon - des H A und des H I.

In der Plastikhülle befand sich des Weiteren eine Compact-Flash-Card, die keine verfahrensrelevanten Daten enthielt. In seiner Geldbörse bewahrte er eine auf seinen Namen registrierte Vodafone-SIM-Karte auf; deren Auswertung erbrachte nach Angaben der Zeugin KHKin S-K weder relevante Einträge noch Verbindungsdaten. Aus diesen beiden Gegenständen zog der Senat keine Schlüsse auf eine Betätigung für die Organisation.

Ein Kontakt zu dem DHKP-C-Aktivisten V A, der auch mehrfach mit Nennung des Klarnamens in Berichten der Europaverantwortlichen Erwähnung findet (vgl. aus der niederländischen Rechtshilfe die Dateien mit den ID-Nrn. 732 920, 733 870, 734 642) und an der Schulungsveranstaltung im August 2004 in Eberbach teilnahm, wird auch durch den am 28. November 2006 in der Wohnung des Angeklagten G. sichergestellten Mahnbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 20. März 2006 wegen ausstehenden Mietzinses aus einem früheren Mietverhältnis der Eheleute A in Wiesloch belegt; aus welchem Grund der Angeklagte G. den Mahnbescheid in seinem Besitz hatte, blieb trotz Vernehmung des Antragstellers G Sch, dem früheren Vermieter der Eheleute A, offen. Der Senat ist jedenfalls davon überzeugt, dass sich V A wegen des Mahnbescheides an den Angeklagten G. wandte, zumindest um sich von diesem den Bescheid übersetzen zu lassen, zumal V A zwar gut deutsch sprach, aber bei Erörterung wichtiger Fragen zum Mietverhältnis - so der Zeuge Sch - einen Dolmetscher benötigte; weitergehende Schlüsse, dass dieser Kontakt etwa erfolgte, um Unterstützung von der Organisation zu erhalten bzw. vermittelt zu bekommen, zog der Senat indes nicht.

- Kontakte und Aktivitäten mit der DHKP-C-Funktionärin H D

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte G. nach seiner Rückkehr nach Deutschland Gelegentliche Kontakte mit DHKP-C-Bezug mit der Funktionärin H D hatte. Diese Feststellung basiert auf folgenden Erkenntnissen:

Der Angeklagte G. hatte - neben den bereits genannten weiteren - auch die Telefonnummer der H D, wie die Zeugin KHKin S-K glaubhaft bekundete, im Telefonspeicher des am 28. November 2006 in seiner Jackentasche sichergestellten Nokia-Mobiltelefons unter der Abkürzung "B" notiert; dieselbe Rufnummer konnte im Mobilfunktelefon des Angeklagten Y. unter dem Eintrag "H" festgestellt werden. Außerdem sprechen zwei auf der SIM-Karte gespeicherte SMS-Nachrichten dafür, dass der Angeklagte G. mit H D in Kontakt stand; danach erhielt der Angeklagte G. folgende Kurznachrichten:

- in der SMS-Nachricht 1 vom 27. November 2006 schreibt der Verfasser an den Angeklagten G. u.a.: "Guten Morgen D, wie geht es dir? (...) Ich erwarte Dich / Euch. Ihr seid willkommen. Kommt! Bestell H Grüße von mir. (...)";

- in der SMS-Nachricht 7 (ohne Datum) schreibt der Verfasser an den Angeklagten G. u.a.: "Grüß dich D. (...) D, geht es H gut? Wann immer ihr Zeit haben solltet. Ich erwarte euch. Ihr seid willkommen. Kommt! (...)"

Der Angeklagte G. wurde überdies mehrfach mit H D bzw. mit dem auf diese zugelassenen Fahrzeug angetroffen:

- Polizeikontrollen am 11. Januar 2005

Wie der Zeuge POK K glaubhaft bekundete, wurde der Angeklagte G. am 11. Januar 2005 gegen 0:20 Uhr zusammen mit H D auf dem Parkplatz der Tank- und Rastanlage Limburg, BAB 3 in Fahrtrichtung Frankfurt, angetroffen; deren Fahrzeug Mercedes Benz (Typ 201), DU-EI 761, fiel den Beamten auf, weil es im Halteverbot geparkt war. Nachdem H D, die Halterin, auf der Beifahrerseite und nachfolgend der Angeklagte G. auf der Fahrerseite eingestiegen waren, erfolgte die Kontrolle. Das Fahrzeug, das aufgrund fehlender Haftpflichtversicherung zur Entstempelung ausgeschrieben war, wurde entstempelt; die Weiterfahrt wurde untersagt.

Eine weitere Kontrolle fand ausweislich des von der Zeugin KHKin S-K gefertigten Auswertevermerks zur polizeilichen Beobachtung vom 13. Juni 2005 am gleichen Tag (am 11. Januar 2005) gegen 22:15 Uhr statt; am Autobahnkreuz Offenbach, BAB 3, Fahrtrichtung Würzburg wurde der Angeklagte G. in dem Fahrzeug, an dem inzwischen rote Dauerkennzeichen AB-06807, ausgegeben für C A, Aschaffenburg, angebracht waren, erneut festgestellt.

- Polizeikontrolle am 04. Februar 2005

Außerdem wurden der Angeklagte G. und H D, wie in dem Auswertevermerk weiter ausgeführt ist, am 04. Februar 2005 im Fahrzeug der H D, das mittlerweile auf das amtliche Kennzeichen GG-JY 349 umgemeldet war, nach erfolgtem Grenzübertritt aus den Niederlanden auf der BAB 3 im Raum Goch überprüft; im Kofferraum des PKW befand sich eine Kiste mit diversen Büchern in kurdischer oder türkischer Sprache unbekannten Inhalts.

Nach den Ausführungen der KHKin S-K im genannten Auswertevermerks vom 13. Juni 2005 wurden über die beiden Kontrollen am 11. Januar 2005 und 04. Februar 2005 keine weiteren Anhaltemeldungen erstellt, so dass trotz polizeilicher Ausschreibung zur Beobachtung aufgrund des Beschlusses des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2004 (Az.: 6 BGs 141/04) bis zum 13. Juni 2005 kein umfassendes Bewegungsbild erstellt werden konnte.

- Teilnahme an einer Demonstration am 09. Januar 2006

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte G. an der Demonstration der DHKP-C-Tarnorganisation TAYAD am 09. Januar 2006 vor dem türkischen Generalkonsulat Frankfurt a. M. teilgenommen hat. Diese Feststellung basiert auf den glaubhaften Bekundungen der Zeugen C de los S, Angestellter im Sicherheitsdienst des PP Frankfurt a. M., und PHK R.

Den Ablauf der Demonstration schilderte der Zeuge C de los S H, der als Wachpolizist vor dem türkischen Generalkonsulat eingesetzt war. Die Personalien der Demonstranten stellte er fest, indem er anhand von ausgehändigten Dokumente n (Personalausweis, Nüfus, Führerschein o. ä.) deren Identität im polizeilichen Datensystem sogleich überprüft und die Lichtbilder mit den Personen abgeglichen hat, so dass eine Verwechslung auszuschließen ist.

Der Zeuge PHK R, damals Dienstgruppenleiter, schilderte die Situation bei seinem Eintreffen übereinstimmend.

Im späteren Verlauf dieses Tages blieb der Angeklagte G., wie der Zeuge Dr. M bekundete, entschuldigt dem Unterricht am Abendgymnasium Heidelberg fern. Auch bei der Firma G wurde er an diesem Tag nach Angaben der Zeugin G nicht eingesetzt.

- Mitwirkung am Vertrieb der Organisationszeitschrift

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte G. auf Anfrage auch am Vertrieb der Zeitschrift "Yürüyüs" mitgewirkt bzw. diese verteilt hat.

Diese Feststellung beruht zunächst auf dem Ergebnis einer Verkehrskontrolle am Sonntag, dem 16. Juli 2006. Die Zeugin POMin E hat glaubhaft bekundet, den Angeklagten G. an diesem Tag anlässlich einer ereignisunabhängigen Verkehrskontrolle auf der BAB 5 zwischen Karlsruhe und Heidelberg auf Höhe Sankt Leon-Rot am Steuer eines auf H D zugelassenen Fahrzeugs der Marke Daimler Benz, amtliches Kennzeichen GG-IY 349, angetroffen zu haben. Er war alleiniger Fahrzeuginsasse. Im Inneren des Fahrzeuges wurde ein Plakat in deutscher Sprache zum Thema "Todesfastenwiderstand" der DHKP-C-Tarnorganisation TAYAD festgestellt. Im Kofferraum befanden sich mehrere Kartons der Zeitschrift "Yürüyüs". Angesichts der Menge der Zeitschriften ist der Senat davon überzeugt, dass diese zum Vertrieb bestimmt waren.

Die Einlassung des Angeklagten G. während des Kontrollgesprächs, er habe mit dem PKW, den ihm "eine Bekannte" geliehen habe, einen Freund nach Karlsruhe gefahren und befinde sich auf dem Rückweg nach Heidelberg, die Zeitschriften gehörten ihm nicht und er wisse auch nicht, für wen oder was sie bestimmt seien, hält der Senat für unglaubhaft, zumal sich das Plakat im Fahrzeuginneren befand und er gegenüber der - des Türkischen nicht mächtigen - Zeugin POMin E nach dem Auffinden der Zeitschriften im Kofferraum bewusst wahrheitswidrig erklärte, es handle sich um "ganz normale Wochenzeitschriften", die keinerlei politischen Inhalt hätten und sich mit Themen aus der Türkei kritisch auseinandersetzten.

Für eine jedenfalls Gelegentliche Verteilung der Organisationszeitschrift auch noch im Jahre 2006 spricht überdies das Ergebnis der Durchsuchung seiner Wohnung in Heidelberg am 28. November 2006. Einzelheiten zu den sichergestellten Zeitschriften bekundete der Zeuge KHK M; danach handelt es sich um insgesamt 125 Exemplare der Zeitschrift "Yürüyus" und zwar Ausgaben von Mai 2005 bis November 2006. Bei den Ausgaben bis Juli 2006 handelt es sich überwiegend um Einzelexemplare, wobei einzelne Ausgaben fehlen; ab 20. August 2006 wurden ausweislich der von dem Zeugen KHK M gefertigten Übersicht vom 04. Dezember 2006 jeweils zwischen 2 und 8 Exemplare je Ausgabe (insgesamt 62 Exemplare) sichergestellt, im Einzelnen:

- 3 Ausgaben Nr. 66 vom 20. August 2006,

- 4 Ausgaben Nr. 67 vom 27. August 2006,

- 7 Ausgaben Nr. 68 vom 03. September 2006,

- 7 Ausgaben Nr. 69 vom 10. September 2006,

- 6 Ausgaben Nr. 70 vom 17. September 2006,

- 6 Ausgaben Nr. 71 vom 24. September 2006,

- 4 Ausgaben Nr. 72 vom 01. Oktober 2006,

- 6 Ausgaben Nr. 73 vom 08. Oktober 2006,

- 2 Ausgaben Nr. 74 vom 15. Oktober 2006,

- 2 Ausgaben Nr. 75 vom 22. Oktober 2006,

- 8 Ausgaben Nr. 76 vom 29. Oktober 2006,

- 7 Ausgaben Nr. 77 vom 05. November 2006.

Ferner wurden nach Angaben der beiden Zeugen und ausweislich des Durchsuchungsberichts vom 28. November 2006 diverse Flugblätter, eine Zeitschrift und mehrere Broschüren des TAYAD-Komitees sowie mehrere Broschüren der Anatolischen Föderation sichergestellt. Außerdem bewahrte er 5 original verpackte CDs der "G Y" bei sich auf; zu deren ideologischer Nähe zur DHKP-C wurden bereits Ausführungen gemacht.

Auch ein im Rahmen der Zensur beschlagnahmter Brief belegt (in der Untersuchungshaft fortbestehende) Kontakte des Angeklagten G. zu DHKP-C-Aktivisten in Köln:

In einem Brief vom 10. September 2008 des M T an den Angeklagten G., von dem er am 28. August 2008 einen Brief erhalten hatte, beklagt M T den "Märtyrertod" des gemeinsamen "Onkels"; gemeint ist zur Überzeugung des Senats Dursun Karatas, der am 11. August 2008 verstorbene Generalsekretär der DHKP-C ("Ja, D, wir haben unseren Onkel physisch verloren. Ich kondoliere uns allen. Aber seine Gedanken und seine Voraussichten werden immer mit uns sein."). Außerdem richtet Grüße "alle(r) Freunde aus Köln" aus. Die Verlegung nach Stammheim sei "von der Sache her gut", weil nun "mit den anderen Freunden" zusammen sei. Er verabschiedet sich mit der Bemerkung, dass sie sich bei der Verhandlung in der nächsten Woche sehen würden. In einer Anmerkung zum Brief schreibt ein "Ü" an den "lieben D" Folgendes: "Wir sind da, wo Du uns zurückgelassen hast und haben uns nicht verändert. Das was fehlt, ist Eure physische Abwesenheit. Du und die anderen Freunde wissen mit Sicherheit, dass wir schmerzvolle und beschwerliche Tage verbringen. (...) Ich will, dass Ihr wisst, dass wir Dich und die anderen Freunde sehr vermissen. (...)"

Die Verteidigung des Angeklagten G. stellte mehrere Hilfsbeweisanträge für den Fall, dass der Senat feststellt, G. habe sich innerhalb der DHKP-C auch nach September 2003 weiterhin als Funktionär oder gar Führungsfunktionär betätigt und habe in Ausfüllung dieser Funktion bestimmte Handlungen vorgenommen. Da der Senat die Funktionärseigenschaft mit dem Weggang nach Belgien nicht festgestellt hat, war auf die Hilfsbeweisanträge nicht einzugehen.

2. Angeklagter Y.

Ausgehend von der Einlassung des Angeklagten Y. steht zur Überzeugung des Senats fest, dass ihm auch die terroristischen Ziele der DHKP-C, insbesondere das Führen eines bewaffneten Kampfes in der Türkei, bekannt waren, er diese billigte und durch seine Betätigung als Führungsfunktionär der Rückfront förderte. Insbesondere waren ihm auch die DHKC als kämpfende Frontorganisation und deren bewaffnete Propagandaeinheiten und Milizverbände bekannt.

a. Verwendung von Decknamen

Nach der Überzeugung des Senats führte der Angeklagte Y. als Führungsfunktionär der DHKP-C - wie von der Führung aus Gründen der Konspiration vorgegeben - verschiedene Decknamen, im Einzelnen folgende:

aa. R

Ausweislich der Feststellungen des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2005 führte er in seiner Zeit als Bölgeleiter in Berlin und später in Dortmund den Decknamen R. Diese Feststellungen hat der Senat - nach eigener Prüfung - übernommen, zumal sie in Einklang mit dem weiteren Ergebnis der Beweisaufnahme stehen.

Auch in Dateien der niederländischen Rechtshilfe wird dieser Deckname verwendet. Exemplarisch ist hier der Bericht der Europaverantwortlichen A vom 01. März 2000 an die Organisationsführung zu nennen, in dem die früheren Einsatzorte des Angeklagten Y. genannt werden (Datei ID-Nr. 740 219):

"Wir erklären R das Gebiet, und wie er zu arbeiten hat. Aber es gibt Fehler dabei, die Arbeitsweise zu begreifen. Die grundlegenden Aktivitäten hier sind Abendveranstaltungen und Zeitschriften. Er sagt, wenn diese gemacht werden, gäbe es keine Probleme. Ich erkläre, dass man sich nicht so nähern, sondern Schulungsarbeit durchführen solle und einen Punkt erreichen müsse, von dem aus eine politische Aktivität geführt werden könne. Er sagt, er habe in Dortmund dies und in Berlin das gemacht. Ich höre ihm zu und achte auf seine Beziehungen zu Menschen und seine Gespräche mit ihnen. R sagt, dass er Gebietsarbeiten nicht kenne, und dass das gut für ihn sein werde. Er versucht ständig, von sich und von der Vergangenheit zu sprechen und will meinen Kommentar dazu hören. Er sagt, in der Vergangenheit gab es dieses oder jenes Ereignis. Die Gebietsarbeit fasst er als Abendveranstaltung, Öffnung des Vereins und Verteilung von Zeitschriften auf. Er sagt, er habe das getan, und könne es wieder tun."

Auch in weiteren Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe, die im Kontext mit den Aktivitäten noch zitiert werden, wird der Deckname R verwendet.

Der Angeklagte Y. wurde auch noch nach Änderung des Decknamens in K bzw. K immer wieder als R bezeichnet bzw. angesprochen (vgl. nachf. bb. und cc.).

bb. K

Bereits im März 2000 wechselte der Deckname von R zu K. Dieser Wechsel ist Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe zu entnehmen.

Die Europaverantwortliche A schreibt am 07. Juni 2000 an die Führung (Datei ID-Nr. 734 806) u.a. Folgendes: "K ist der Name von R, den er benutzt, nachdem er mit der Gebietsarbeit in Frankfurt angefangen hat." Dies war, wie noch ausgeführt wird, im März 2000 der Fall.

In ihrer Nachricht vom 09. Juli 2000 mit einer "Anmerkung des E" heißt es ausdrücklich, bei K handle es sich um "Rechtsanwalt A" (Datei ID-Nr. 740 394). Zahlreiche weitere Dateien, in denen der Angeklagte Y. in den Folgejahren als K bezeichnet wird, werden im Zusammenhang mit den Betätigungsakten geschildert.

Außerdem wurde der Angeklagte Y. in der Hauptverhandlung von mehreren Zeugen als K wieder erkannt:

Dem Zeugen K aus Ulm war der Deckname K bekannt; auch in einem mit diesem am 26. Juli 2006 geführten Telefonat meldete sich der Angeklagte Y. selbst mit diesem Decknamen.

Der Zeuge K wurde in der Hauptverhandlung an zwei Terminen vernommen; zum Inhalt seiner polizeilichen Vernehmung vom 28. November 2006 und zur Durchsuchung vom gleichen Tag hörte der Senat überdies den Zeugen KOK H. Der Zeuge K lernte den Angeklagten Y., den er auch in der Sitzung wiederkannte, nach seinen Angaben bei einer Abendveranstaltung kennen. In der polizeilichen Vernehmung, bei der er den Angeklagten Y. ebenfalls bei einer (Einzel-) Lichtbildvorlage wiedererkannte, war ihm - anders als in der Hauptverhandlung - noch eine sichere zeitliche und örtliche Einordnung möglich; damals gab er an, dass diese 2 Jahre vor der Vernehmung - mithin Ende 2004 - in Stuttgart-Fellbach stattgefunden habe. Der Zeuge gab an, von Dritten erfahren zu haben, dass er Mustafa Bektas heiße; der Angeklagte Y. habe sich selbst aber nicht so genannt. Auch den Namen K kannte der Zeuge, wobei er sich nicht mehr sicher war, ob ihm dieser (Deck-) Name von Dritten mitgeteilt wurde oder, wozu er im ersten Vernehmungstermin in der Hauptverhandlung tendierte, im zweiten aber in Abrede stellte, ob ihm der Angeklagte Y. den Namen K selbst genannt habe. Auch in seiner polizeilichen Vernehmung hatte er angegeben, dass ihm "mitgeteilt" wurde, dass der Angeklagte Y. eigentlich K heißt. Seinen Klarnamen - A D Y. - kannte der Zeuge nicht; diesen erfuhr er erst bei seiner polizeilichen Vernehmung. Woher der Zeuge den Namen K kannte, ob von Dritten oder dem Angeklagten selbst, kann dahinstehen, jedenfalls war ihm dieser Deckname bekannt.

Der Zeuge K schilderte außerdem glaubhaft, dass er von dem Angeklagten Y. eine SMS erhalten hat. Nach Inaugenscheinnahme des nachfolgenden Telefonats bestätigte der Zeuge - nach einigem Zögern - auch, dass er nach Erhalt der SMS die Nummer angerufen habe, weil er an einen bestimmten Musikkanal gedacht und dies erfragt habe; es habe sich K gemeldet. Die SMS empfing er auf seinem Mobiltelefon mit der Nr. 0176/22075057, von dem aus er auch den Angeklagten Y. angerufen hat. Seine Tochter G E war nach Angaben des Zeugen K nur deshalb Anschlussinhaberin, weil sie bei Vertragsschluss werktätig war und deshalb einfacher einen Vertrag abschließen konnte.

Die Angaben des Zeugen hinsichtlich der Rufnummern konnten durch die eingeführte SMS und das Telefonat bestätigt werden:

Die relevante SMS, verfasst in türkischer Sprache, wurde von dem Anschluss der TKÜ Y. am 26. Juli 2006 um 20:25 Uhr an die Rufnummer 0176/22075057 (Anschlussinhaberin: G H K, Tochter des Zeugen A K) gesandt und zwar mit folgendem übersetzten Text (ID: 472.798):

"Hallo. Heute findet unter www.hepimiztecitteyiz.com Adresse eine Live-Vorstellung (andere Übersetzungsmöglichkeit: Theatervorstellung) von den Künstlern statt. Bis 24 Uhr wird sie dauern. Schaut euch sie an. Schickt diese Mitteilung auch an andere."

Am gleichen Tag rief A K um 21:37 Uhr von dem genannten Anschluss (Tel. 0176/22075057) bei dem Angeklagten Y. an (ID: 472.877, TKÜ Y.); das Gespräch hatte folgenden Wortlaut (A = Angerufener = K = Angeklagter Y.; B = Anrufer = A K):

"A: Ja, bitte?

B. Hallo / Guten Tag.

A: Hallo / Guten Tag.

B: Mit wem spreche ich? Sie haben mir nämlich eine Nachricht geschickt.

A: Ha, ich bin K, K. Hallo / Guten Tag.

B: Ha, ich habe sowieso verstanden, dass du es bist.

A: (lacht)

B: Ich habe nicht herausgefunden, auf welchem Kanal es ist, Mensch.

A: Kein Kanal, Mensch. Dings, Internet.

B: Bitte?

A: Das ist Internet, das ist eine Internetadresse.

B: Hee... (lt. Sprachsachverständiger i.S.v. "Ach so!")

A: Aber ich glaube, es gibt eine Störung.

B: Auf welchem Kanal?

A: O, Öh, das ist Internet, Internet.

B: Bitte?

A: Nicht Fernsehen, das ist Internet.

B: Im Internet? Ich habe aber doch gar kein Internet.

A: H... (lt. Sprachsachverständiger ist der Rest unverständlich)

B: Was machst du, geht’s dir gut, A?

A: Bei Gott, ich danke dir, was machst du?

B: Bei Gott, gut geht’s, danke.

A: Er / Sie heute, die Künstler, wegen diesem Todesfasten...

B: Hee, das hab‘ ich schon verstanden, hab’s verstanden.

A: Sie haben sich in einer Zelle eingeschlossen, sie machen von dort eine Live-Übertragung.

B: Hm, hm.

A: Und ich habe es jedem mitgeteilt, aber leider konnten das Dings auch nicht öffnen... also... Es gibt, glaube ich, eine Störung...

B: Aha..., es gibt kein Internet, das ist das Schlechte daran, wir hätten zwar irgendwo hingehen und Dings machen können, aber...

A: Wie auch immer / Egal, das lässt sich jetzt Momentan nicht anzeigen. Ich habe es morgen oder so in der Hand. Sie sollen es sich in einem Verein oder so anschauen.

B: Ok / In Ordnung, A. (...)"

Die Zeugin B (früher: D), wohnhaft in München, bezeichnete den Angeklagten Y. ebenfalls als K A, den sie 2005 bei einer Abendveranstaltung in München unter diesem Namen kennengelernt hat. Obwohl sie zu dem Angeklagten Y. ein solches Vertrauen entwickelt hatte, dass sie mit diesem ihre privaten Probleme besprach und er als Vermittler zwischen ihr und ihrem Freund M A fungierte, sie sich im Zeitraum bis zur Vernehmung am 28. November 2006 ca. 10 Mal in München trafen, zuletzt zwei Wochen vor der Vernehmung, er sogar einmal bei ihr übernachtete, wusste die Zeugin nach ihrem Vorbringen weder etwas über seine Betätigung, seine Aufenthaltsorte und kannte auch seinen Klarnamen nicht; ihr war über die gesamte Zeit ausschließlich der Name K bekannt. Wörtlich erklärte die Zeugin: "Von seinen privaten Sachen erzählte er mir nichts." Die Zeugin B besuchte zwar Konzerte und kaufte mehrfach an dort aufgestellten Verkaufsständen die Zeitschrift Yürüyüs (nach Angaben der Zeugin die am 28. November 2006 bei der Durchsuchung sichergestellten 7 Exemplare), Hinweise auf einen weiteren DHKP-C-Bezug der Zeugin ergab die Beweisaufnahme indes nicht.

Auch der in Augsburg wohnhafte Zeuge E A kannte den Angeklagten Y., den er in der Hauptverhandlung wiedererkannte, nur unter dem Decknamen K A, obwohl der Zeuge ihn in Augsburg mehrfach traf, ihn bei sich - ohne Vorankündigung - übernachten ließ und von ihm auch bei der Lösung privater Probleme unterstützt wurde. Erst im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung erfuhr der Zeuge den Klarnamen. Der Zeuge A, der einräumte, die Yürüyüs zu lesen, sich bezüglich weiterer Fragen zur DHKP-C aber auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berief, gehörte nach Angaben des Zeugen KHK S U von B A.

Der Zeuge H hat den Angeklagten Y. ebenfalls als K wiedererkannt (hierzu mehr im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung zum Waffentransport); ein weiterer gleichnamiger Kader war dem Zeugen H nicht bekannt.

Schließlich trug der Angeklagte Y. die Decknamen R und K auch nach den Erkenntnissen des Zeugen RD V, BfV.

Die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Telefongespräche belegen ebenfalls die Nutzung dieses Decknamens durch den Angeklagten Y.. Er wurde nicht nur in einigen Fällen direkt mit K oder K A angesprochen, sondern stellte in einem dieser Gespräche auch die direkte Verbindung des Decknamens mit seiner Person her; im Einzelnen:

Am 15. Juli 2006, 19:08 Uhr, erhielt der Angeklagte Y. einen Anruf von der Mobiltelefonnummer 0163/4537826, Anschlussinhaber: T, K, Hstraße, Langenau (ID 464.880, TKÜ-Y.), der - wie noch ausgeführt wird - zwar üblicherweise von M A benutzt wurde, in diesem Gespräch aber von einem Aktivisten, den der Angeklagte Y. im Verlauf des Gesprächs mit "O" anspricht. Aufgrund der Besonderheit der Situation nennt der mit "K A" angesprochene Angeklagte Y. in dem Gespräch entgegen der sonstigen Üblichkeit, die Nennung des wahren Namens zu vermeiden, seinen Klarnamen, weil es die Situation (Abholen seines am Tage der Loveparade in Berlin abgeschleppten Fahrzeugs) erfordert. Der Angerufene (Angeklagter Y.) wird im Folgenden mit A bezeichnet, der Anrufer O mit B:

"A: Ja bitte?

B: Ja, K A B.

A: Ja bitte?

B: K A B!

B: Ja...

A: ... sprich Du.

B: Das Auto haben die Polizisten... Dings gemacht... mitgenommen.

A: Warum?

B: wir haben am falschen Ort geparkt...

A: Und?

B: ... da hat stand auch nichts geschrieben, weißt Du?

A: Ähh.

B: ... also, dass die Polizei mitnimmt.

A: Aha.

B: Ich bin gerade hin und habe nachgesehen...

A: Ja.

B: ... die Polizisten haben das Auto abgeschleppt.

A: Ja dann geht hin und holt es ab.

B: Jetzt verlangt die Polizei von uns... sie wollen das Kennzeichen des Autos.

A: Sie wollen das Kennzeichen des Autos?

B: Ja, wenn Du das Kennzeichen des Autos schickst.. dann... ähh... können wir das Auto abholen. Also...

A: Mal fünf... eine Minute... warte mal ein wenig. Ich werde sie Dir sagen, ich weiß sie auch nicht... Warte! Ähh!... K S M...

B: K S M...

A: Eine Minute... Mann O, warte eine Minute... Mann... K...

Entschuldigung... K B B...

B: K B B...

A: 71 91... nochmal...

B: 71 91...

A: Ich schaue nochmal nach. Warte eine Minute, warte. Hier sind ein Haufen Sachen... warte mal... Gott ach Gott... ... Man es gibt hier 2,3 Nummern!

B: Nee ne!

A: Bei Gott (lacht)

B: Und nun?

A: K B B... Richtig, es müsste zwar K B B sein, 71 90...

B: K B B ... 71 91?

A: So müsste es eigentlich sein. Ja. Erneut... Ich schaue nochmals nach. Nun warte... warte... warte... warte... warte... Mein Got... Ja, ja! Richtig! K B B 71 91.

B: Alles klar.

A: Es ist auf meinen Namen angemeldet. Alles klar?

B: Ja. K B B 71...

A: 71...

B: 91.

A: Ja.

B: Alles klar.

A: Es ist auf meinen Namen angemeldet, dass Du es weißt.

B: Auf Deinen Namen: A Y..

A: A D Y..

B: A D Y..

A: Ja.

B: Alles klar. In Ordnung.

A: Die werden Euch jetzt einen Haufen Geld abnehmen. Wohin... hattet Ihr denn geparkt?

B: Mann, das Geld der Dings... Der von dem Stand da. Die Freunde an dem Stand.

A: Nun gut, die geben es zwar. Es ist ein Haufen Geld. Schade drum, eine Sünde, Mann!

B: Bei Gott, was weiß ich A B? Alles klar?

A: Alles klar. (Fehler in Aufzeichnung)

B: Ja. Die Geschäfte sind gut.

A: Sind sie gut? Alles klar.

B: Ja.

A: Gut, gut.

B: Das Beste, das schönste Geschäft ist unseres.

A: Gut, dann mal zu. Also... Also dann. Wir sehen / sprechen uns.

B: Also, wir sehen uns, A B.

A: Wir sehen uns.

B: Ciao."

Die Decknamen K und R sind überdies weiteren Telefonaten zu entnehmen; Ausführungen hierzu folgen im Zusammenhang mit einzelnen Aktivitäten.

Dem steht nicht entgegen, dass auch andere Parteikader den Namen K trugen, sei es als Klar- oder Decknamen. So benutzte etwa S G, geb. 08. April 1976, seit 1997 - nach seiner Schilderung in einem Lebenslauf vom 06. Februar 2001, der in einen von der DHKP-C-Führung entwickelten standardisierten Frageboten für "Bewerber" eingebettet ist - ebenfalls den Decknamen K (Datei ID-Nr. 731 021). Eine Verwechslung mit dem Angeklagten Y. schließt der Senat aus. Entgegen der Behauptung des Angeklagten Y. in seinem Antrag auf Beiordnung eines weiteren Rechtsanwalts der Rechtsanwaltskammer Istanbul vom 17. November 2008 war S G nicht "im Zeitraum 2000 bis 2001 im sogenannten Gebiet Mitte" aktiv. Nach den Daten im Lebenslauf hat er vielmehr von "Anfang 1996 bis Ende 1997 (...) in Mainz Arbeiten durchgeführt". Die Zeit danach beschreibt G wie folgt: "Ende 1997 bis Ende 1998 war ich in Syrien gewesen. Seit 1998 bis heute halte ich mich in Griechenland auf." Die von der Europaverantwortlichen verfassten Berichte über K betreffen ihrem Inhalt nach eindeutig nicht diese in Griechenland aufenthältliche Person, sondern einen in Deutschland tätigen Funktionär. Dem Angeklagten Y. wurde der Deckname K erst im März 2000 zugewiesen. Schließlich weisen die Berichte eindeutige Übereinstimmungen mit dem persönlichen Werdegang des Angeklagten Y. und seinen Aufenthaltsorten auf. Hierzu später mehr.

cc. K

Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. auf Anordnung der Europaverantwortlichen am 23. März 2003 den Decknamen K erhielt. Gemäß ausdrücklicher Weisung sollte dieser Name ausschließlich im organisationsinternen Schriftverkehr benutzt werden; in seiner Funktion sollte er weiter den Decknamen K oder seinen Klarnamen benutzen. Diese Feststellungen basieren auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe:

Am 23. März 2003 erteilt die Europaverantwortliche G dem - für die Region Süd generalverantwortlichen - M.A. (Deckname: C) folgende Anweisung (Datei ID-Nr. 750 856): "Wir sollten den Namen von K ändern. Wir nennen ihn K." Zugleich übermittelte sie über M.A. dem Angeklagten Y. in seiner Funktion als Rechtsberater Arbeitsaufträge, die - in der Gesamtschau mit weiteren Dateien - den sicheren Rückschluss zulassen, dass es sich um den Angeklagten Y. handelt.

Zu H H ("Lahmacun-Verkäufer") und seinen Kontakten zum Angeklagten Y. schreibt sie am 27. März 2003 an die Führung - "IN ANTWORT AUF EUER SCHREIBEN VOM 26.03.2002" (Datei: Export-4/Unallocated Clusters~603): "Bei dem K, den der Lahmacun-Verkäufer kennt, handelt es sich um K. Wegen des Schriftwechsels hatte ich den Namen von K geändert."

Die Anordnung zur Verwendung des neuen Decknamens K konkretisiert G am 30. März 2003 gegenüber M.A. wie folgt (Datei: Export-4/Unallocated Clusters~570): "Ihr dürft den Namen K bei Schriftwechsel NUR in Großbuchstaben benutzen. (...) K soll in dem Gebiet seinen richtigen Namen benutzen oder er soll weiter den Namen K benutzen." Wie bereits ausgeführt (s. vorst. bb.), verwendete der Angeklagte Y. bei seiner Gebietsarbeit weiter den Decknamen K.

In einer "Notiz" von M.A. (Deckname: B) an G vom 17. Mai 2003 (enthalten in der Datei Export-3/Unallocated Clusters~387) wird zwar ständig der Deckname "K" - auch im Zusammenhang mit dem Waffentransport H (hierzu später mehr) - verwendet, in zwei Fällen aber versehentlich der Deckname "K" (die Hervorhebung ist im Original nicht enthalten):

"20- Antwort der Freunde bezüglich K:

?a- Erläutert, was für ein Papier der A E schreiben und unterschreiben soll. (...)

?b- K hat uns eine solche Nachricht nicht weitergeleitet (...)

?c- In Ordnung, es ist nicht nötig, dass der K mit der R redet (...).

ANTWORT: habe ich an den K weitergeleitet. (...)

28- K mag es nicht, große Aufgaben zu übernehmen. (...)

ANTWORT: (...) Es wäre auch möglich gewesen, den K zu beeinflussen und zu überzeugen. (...)"

Mehrere Berichte über K weisen zudem eindeutige Übereinstimmungen mit früheren Verfahren, Aufenthaltsorten und Familienverhältnissen des Angeklagten Y. auf, so dass der sichere Schluss gezogen werden kann, dass es sich bei diesem K um den Angeklagten Y. handelt. Beispielhaft belegen dies folgende Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe:

Am 22. Juni 2003 berichtet die Europaverantwortliche an die Führung über das gegen den Angeklagten Y. damals anhängig gewesene Verfahren (Datei ID-Nr. 750 271):

"1- In seinem Verfahren habe man K eine ‚Bewährung‘, eine sogenannte Entlassung unter Auflagen gegeben. Er habe dies nicht akzeptiert. Sein Verfahren wurde auf den 9. Monat verschoben.

Beverung (Anmerkung: Schreibweise aus dem ansonsten in türkischer Sprache verfassten Dokument) bedeutet: Vor der Gerichtsverhandlung wird eine Vereinbarung getroffen. Falls ein Geständnis abgelegt wird, so verbüßt man die Haftstrafe nicht; unter der Voraussetzung, dass man ungefähr 3 Jahre lang keinerlei Straftaten begeht. Falls man eine Straftat begeht, wenn es sich sogar dabei auch um ein Verkehrsdelikt handelt, dann muss man die zuvor verhängte Haftstrafe auch verbüßen.

Ich habe von dem älteren Bruder B verlangt, den K zu fragen, weshalb er die Bewährung nicht akzeptiert hat."

Weitere Bezüge, die den sicheren Schluss zulassen, dass der Angeklagte Y. zumindest im organisationsinternen Schriftverkehr den Decknamen K trug, enthält die bereits erwähnte organisationsinterne Nachricht vom 15. Juli 2003 (Datei: Export-5/Unallocated Clusters~616). Unter Ziff. 3 berichtet die Europaverantwortliche an die Führung, dass sie "Informationen über den K-Prozess angefordert" hatte (vgl. die zuvor zitierte Datei ID-Nr. 750 271: von M.A. / B). Der "ältere Bruder" habe die Anmerkung von K geschickt. Da in den Ziff. 2 und 4 von dem älteren Bruder B (M.A.) die Rede ist, liegt es nahe, dass auch die Anmerkung Ziff. 3 von diesem geschickt wurde; zudem richtete sich die Anfrage (Datei ID-Nr. 750 271) ebenfalls an diesen. Der Bericht Ks enthält eindeutige Übereinstimmungen mit dem Angeklagten Y. bezüglich des damals gegen ihn anhängig gewesenen Verfahrens, seiner Betätigung als Prozessbeobachter sowie seine Einbindung in die DHKP-C. Die abschließende Anmerkung des "älteren Bruders" (A), dass die Mutter von K und zwei ältere Schwester gekommen seien, trifft auf ihn zu. Der Bericht lautet im Wortlaut wie folgt:

"3- Ich hatte Informationen über den K-Prozess angefordert. Der ältere Bruder hat die Anmerkung geschickt, die von K gekommen ist.

- Es gibt keine besondere Lage in meinem Prozess, daher habe ich keine Informationen abgegeben. Seitens des Gerichts ist kein Angebot gekommen. Mein deutscher Rechtsanwalt wollte nur zu dem Treffen gehen, indem er mir viele Zugeständnisse abrang. Das habe ich nicht zugelassen.

Was die Haltung des Gerichts sein wird, wissen wir noch nicht. Mein Rechtsanwalt stützt sich auf Vermutungen. Wenn du deine Taten nicht zugibst, muss mindestens eine Strafe von zweieinhalb Jahren verhängt werden. Er sagt, dass sie das müssen, aber kann die Begründung nicht erläutern.

In der Anklageschrift gibt es einige unhaltbare Aspekte, sie kann nicht gänzlich angenommen werden. Mein schriftliches Angebot gestaltete sich so...

Dass ich in dem Verhandlungsbeobachtungskomitee bin, gebe ich zu. Dass ich ein Leiter der Organisation auf hoher Ebene bin, gebe ich nicht zu.

Dagegen: dass der Prozess kurz gehalten wird, habe ich keinen Einwand. Aber die Aussagen des Geständigen werde ich nicht im Gesamten annehmen. Ich möchte meinen Beruf ausüben. Ich möchte nicht einer Strafe begegnen, die meinen Beruf hindert usw... Die Anweisung, die ich meinen Rechtsanwälten mündlich gegeben habe, lautet so...

‚Seid einer Vereinbarung zugeneigt. Wir werden nicht jede Behauptung annehmen. Wenn eine Bewährungsstrafe in Erwägung gezogen werden würde, können wir darüber reden. Lassen wir nicht alle Eingeständnisse von vornherein selbst machen. Einigen Anschuldigungen können wir ausweichen, indem wir nicht auf diese antworten.. Trefft euch erst einmal mit ihnen, was wollen sie...‘

Eben in diesem Rahmen haben sie sich besprochen. Ich habe mit meinem Rechtsanwalt nur am Telefon gesprochen. Er sagte, dass die Verhandlung auf September verschoben worden ist, weil eine fundamentalistische Organisation verurteilt werde. Ich habe gesagt, dass er kommen und sprechen soll, wenn es Einzelheiten geben sollte.

Es gäbe keine, sagte er... Die Sache besteht darin. Wahrscheinlich haben die Rechtsanwälte den Puls nicht fühlen können. Aus diesem Grund können sie nichts sagen. Der Eindruck der Rechtsanwälte ist der, dass der Gerichtsvorsitzende Geständnis und Reue erwartet habe.

Worauf sie das stützen, indem sie es so sagen, weiß ich nicht ganz.

Der Vorsitzende ist ein Formalist. Er wirkt gemäßigt, kann aber nicht politisch handeln. Wenn er sich Einwänden gegenüber sieht, erlebt er einen Schock. Er wird aggressiv. Während der Verhandlung in dem Prozess von T hat er mir eine verbale Spitze gegeben. Folgendermaßen...

Unser unerfahrener Rechtsanwalt hatte, ohne auf mich zu hören, eine etwas tölpelhafte Verteidigung vorgebracht. Der Vorsitzende und der unerfahrene Rechtsanwalt gerieten sich in die Wolle. Der Vorsitzende hatte eine Andeutung wie... Wir wissen, bei wem sie Eindruck schinden möchten. In dem Saal gibt es auch welche ohne Roben... usw. gemacht.

Der Vorsitzende schien mich also ein wenig auf dem Kieker zu haben. Ehrlich gesagt, sind unsere Berichte, die wir geschrieben haben, aber auch nicht ignorierbar. In diesem Punkt lässt sich nichts machen... Ich fasse noch einmal zusammen.

Es verhält sich nicht so, dass ein Angebot gekommen sei und wir es abgelehnt hätten.

Ich denke, dass es, während es keine Veranlassung gibt, nicht nötig ist, Zugeständnisse zu machen. Und wenn sie über eine Gefängnisstrafe nachdenken sollten, ist das widersprüchlich zu den Maßnahmen, die sie bisher durchgeführt haben. Schließlich liegt kein krimineller Vorgang vor. Trotzdessen sagt mein deutscher Rechtsanwalt, dass sie eine Gefängnisstrafe verhängen werden, wenn wir nicht alle Anschuldigungen zugeben.

Es ist auch nicht klar, was wir zugeben werden...

Wenn sie uns trotz allem in einer Weise erleben möchten, die uns Kopfschmerzen bereiten wird, verhalten wir uns dementsprechend. Entweder können wir uns an einem viel zurück stehenderen Punkt treffen oder wir führen unsere Verteidigung durch, denke ich.

Wenn sie sich vereinbaren möchten / sollten, werden sie eine Formel finden. Bis zum heutigen Tag ist immer eine gefunden worden. Wenn sie etwas anderes beabsichtigen sollten, können wir das nicht wissen... Richten sie den Freunden meine Grüße und meine Hochachtung aus. Ich werde es nicht vernachlässigen, wichtige Entwicklungen in Themen wie diesen zu übermitteln... Fertig.

Die Mutter von K und zwei ältere Schwestern seien gekommen."

Tatsächlich war das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, das mit dem Urteil vom 21. Juni 2005 endete, damals bereits anhängig; Anfang Februar 2003 wurde Anklage erhoben, das Verfahren wurde Anfang Mai 2003 eröffnet. Ein Besprechungstermin mit Verteidigung und Generalstaatsanwaltschaft war für Juni 2003 vorgesehen, wurde jedoch wegen Eingangs eines Großverfahrens bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf aufgehoben.

Die Anwesenheit der Mutter, Hani Y., und der beiden älteren Schwestern, Güngör und Suna Y., bestätigten die Zeugen KOK G und KOK R (letzterer erinnerte sich nur noch an 3 Frauen), die am 15. Juli 2003 die Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten Y. in Köln, K Straße, durchführten; der Angeklagte Y. war hingegen nicht anwesend.

In der bereits zitierten Datei vom 26. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 754 525) berichtet G über das Ergebnis ihrer Erkundigungen über den Grund der Wohnungsdurchsuchung bei "K", auszugsweise wie folgt:

"4- Ich hatte von B A verlangt, dass er von K Informationen über die Gründe der Durchsuchung der Wohnung / des Hauses von K verlangt. A hat die Notiz von K geschickt. Informationen, die ich daraus entnommen habe: (...)

- Die Staatsanwaltschaft hat in Bezug auf K einen Durchsuchungsbefehl erlassen. Den Grund für den Durchsuchungsbefehl teile ich aus der Notiz von K mit:

‚Auch der Durchsuchungsbefehl in meiner Person ist interessant. Es heißt, ich würde im Gebiet Frankfurt Aktivitäten durchführen und einer Person namens C Befehle erteilen, Geld einsammeln usw. Ausgehend von diesen Gründen soll meine Wohnung / mein Haus, soweit vorhanden Auto, Geschäft und Unterlagen beschlagnahmt werden. Es ist also ein Beschluss, der ohne weiteres gefasst wurde. Abgesehen von den juristischen Fehlern, müssen für einen so ohne weiteres gefassten Beschluss handfeste Informationen vorliegen.‘"

Inhaltlich deckt sich dieser Bericht hinsichtlich des Vorwurfs, er erteile D G. (Deckname: C) Befehle, mit dem Inhalt des Beschlusses des Amtsgerichts Koblenz vom 09. Juli 2003 (Az.: 30 Gs I 2478/03; Staatsanwaltschaft Koblenz: 2010 Js 38984/03, nach Abtrennung: 2010 Js 62544/04); in diesem wurde in dem Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten Y. wegen Zuwiderhandlung gegen ein Vereinsverbot

"die Durchsuchung der Wohnung, anderer Räume (z.B. Keller-, Lager-, Geschäftsräume), etwa vorhandener Fahrzeuge sowie der Person des Beschuldigten und der ihm gehörenden Sachen sowie die Beschlagnahme von nachstehenden Beweismitteln angeordnet:

- schriftliche Unterlagen über Anweisungen an untergeordnete Funktionäre, insbesondere an den D G. sowie über die Verteilung von Propagandamaterial der DHKP-C und das Einsammeln von Spenden für diese Organisation. (...)"

Der Tatvorwurf wird in den Gründen wie folgt konkretisiert:

"Gegen den Beschuldigten besteht der Verdacht, zumindest seit März 2002 dem Funktionär der DHKP-C D G. Anweisungen im Zusammenhang mit der Verteilung von Propagandamaterial der DHKP-C sowie dem Einsammeln und Abliefern von Spenden für diese Organisation erteilt zu haben."

Mit Schreiben vom 08. August 2003 legte der Angeklagte Y. (im Ergebnis erfolglos) Beschwerde ein unter anderem mit der - bereits in der Datei vorgezeichneten - Begründung, der Durchsuchungsbeschluss sei bereits wegen seiner Unbestimmtheit rechtswidrig; es existierten keine anderen Räume, außer seiner 1-Zimmer-Wohnung; außerdem müssten bei Fahrzeugen deren genaue Kennzeichen angegeben werden. Zudem beanstandete er, dass persönliche Gegenstände und Taschen seiner zwei Schwestern und seiner Mutter durchsucht worden seien, obwohl sich diese nur zu Besuch bei ihm aufhielten. Außerdem seien Unterlagen sichergestellt worden, die ihm als Rechtsanwalt anvertraut worden seien. Es handle sich um eine politische Verfolgung. Die Gründe, die zum Verbot der DHKP-C geführt hätten, seien durch die Gewaltverzichtserklärung weggefallen, die terroristische Vereinigung habe sich aufgelöst. Er schließt mit Ausführungen zu § 129b StGB:

"Ich bin der Ansicht, dass es überhaupt nicht zu all diesen Verfolgungen gekommen wäre, wenn die politischen Verhältnisse keine so starke Umwandlung und Schädigung durch den Wirbelsturm des 11. Septembers erlitten hätten. In diesem Falle wäre vielleicht sogar das Verbot der DHKP-C aufgehoben worden. Aber aufgrund des starken Wirbelsturms in der Politik wurde der § 129b StGB geschaffen und aus diesem Grunde werden die Politiker Resultate dieses Gesetzes sehen wollen und dementsprechend Druck auf die rechtsprechende Gewalt ausüben, um erfolgreiche Ergebnisse für diesen Straftatbestand zu sehen. Genau in diesem Punkt gewinnt die Haltung der handelnden Richter und Staatsanwälte eine wesentliche Bedeutung für den Rechtsstaat. Wird die Rechtsprechung ihre Unabhängigkeit nach der Gewaltenteilung von der Politik weiterhin aufrechterhalten und verteidigen und damit aufrecht stehen können oder wird sie sich auf ein Mittel und ausführendes Organ der Politik reduzieren lassen. Die Entscheidung darüber liegt bei ihnen."

In der Datei vom 16. August 2003 berichtet G u.a. über eine 3-tägige Schulung mit K (Datei ID-Nr. 753 201); auch dieser Bericht enthält ebenfalls Bezüge, die auf den Angeklagten Y. hindeuten. Auch in dieser Datei wird "seine Gerichtsverhandlung" thematisiert, die im September beginne: "Das Gericht hat bis jetzt kein Angebot gemacht. Am ersten Tag haben wir darüber gesprochen, was für eine Haltung er von nun an bei den Gerichtsterminen einnehmen soll. Ich habe erzählt, dass wir eine Bewährung nicht akzeptieren werden und wie die Durchführung der Verteidigung notwendigerweise sein muss. Ich habe gefragt, ob es bei diesem Thema ein Problem geben würde. Er hat dies verneint. (..)"; weiter wird das Geständnis erörtert, das der Pizzabäcker bezüglich K abgelegt haben soll, die frühere Tätigkeit in Frankfurt und die jetzige in Stuttgart werden thematisiert. Zuvor fand eine 3-tägige Schulung mit B A (M.A.) statt; die Schulung endete mit einem gemeinsamen Abschlussessen, an dem G, M.A. - sein übergeordneter Kader - und der Angeklagte Y. teilnahmen.

Allerdings wurde auch im organisationsinternen Nachrichtenaustausch noch Monate später Gelegentlich der Deckname K verwendet, beispielsweise in einer Datei vom 07. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 080): "K (wir schreiben nunmehr K)".

dd. E

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. von ihm besonders nahe stehenden Aktivisten, wie beispielsweise die Familie A aus Neusäß, auch E genannt wurde.

Der Angeklagte Y. erklärte in der Vernehmung anlässlich der Haftbefehlseröffnung am 28. November 2006 ausweislich des Protokolls - die Zeugin RAG A erinnerte sich insoweit nicht mehr - zum Vorwurf, dass er den Decknamen E führe, dass dies übersetzt "einfach Onkel heißt"; er werde deshalb zum Beispiel von den Kindern der Familie A so genannt. Diese Übersetzung ist nach Angaben des Sprachsachverständigen B zutreffend; das Wort E (für Onkel / Oheim) sei eine veraltete Bezeichnung, die vor allem in Anatolien benutzt werde.

Es trifft zwar zu, dass der Angeklagte Y. von den Kindern der Familie A "E" genannt wurde und dass es sich insoweit - anders als bei den Decknamen R, K und K - nicht um einen von der Führung vorgegebenen, in der organisationsinternen Kommunikation verwendeten Decknamen handelt. Gleichwohl greift die Einlassung des Angeklagten Y. zu kurz. Denn dieser Name wurde auch von Erwachsenen, insbesondere der Familie A, in Telefongesprächen anstelle seines Klarnamens verwendet (zu den DHKP-C-Aktivisten B und Ayse A aus Neusäß-Ottmarshausen vgl. nachfolgend c.bb.).

b. Werdegang in der Rückfront bis zum Tatzeitraum

aa. Erprobungsphase nach der Einreise im Herbst 1997

Die Feststellungen zur Erprobungsphase nach seiner Einreise basieren auf dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2005 (Az.: III-II 1/05, 3 OJs 43/01), in dem diese Vortatphase - auch für den jetzigen Senat - nachvollziehbar mit Würdigung der maßgeblichen Asservate aus der Durchsuchungsaktion vom 26. September 1999 in Knokke-Heist/Belgien dargelegt ist.

bb. Bölgeleitung in Berlin und Dortmund

Die Feststellungen zur Bölgeleitung in Berlin und Dortmund im Jahre 1998 beruhen ebenfalls auf dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2005; auf diese Betätigungsakte von Februar bis August 1998 bezieht sich die dort abgeurteilte prozessuale Tat. Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf hatte sich der Angeklagte Y. zur Frage, welche Bindung er zur Organisation hatte und in welcher Position er tätig war, nicht eingelassen.

Die im Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf getroffenen Feststellungen stehen in Einklang mit den Erkenntnissen aus der niederländischen Rechtshilfe. Exemplarisch ist hier ein Bericht der Europaverantwortlichen vom 27. Februar 2000 zu nennen, in dem diese den Inhalt eines Gesprächs mit dem Angeklagten Y. (zu Beginn der Mitteilung mit "R", im weiteren Text mit "R" bezeichnet) schildert und zusammengefasst seine früheren Betätigungen wiedergibt (Datei ID-Nr. 740 195):

"9- Ich habe mit R... gesprochen. (...) Er berichtete über seine Erlebnisse in Berlin, Dortmund, im Büro für Rechtswesen und über die Kritik, die ihm entgegengebracht worden war. (...)" In dem bereits zitierten Bericht der Europaverantwortlichen As vom 01. März 2000 (Datei ID-Nr. 740 219) sind einem Zitat des Angeklagten Y. (R) ebenfalls frühere Einsatzorte zu entnehmen: "Er sagt, er habe in Dortmund dies und in Berlin das gemacht."

Die Betätigung in Berlin bis April 1998 und der anschließende Wechsel nach Dortmund wird bestätigt durch die Erklärung des Bayerischen LfV vom 01. Oktober 2007.

In Dortmund stellte er, wie ausgeführt, am 14. Mai 1998 auch einen Asylantrag.

cc. Aufbau eines Rechtsbüros in Deutschland

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. ab August 1998 zunächst in Dortmund, später in Köln ein "Rechtsbüro" aufbaute, das für die Rechtsangelegenheiten der Organisation und ihrer Mitglieder zuständig sein sollte.

Die diesbezüglichen Feststellungen zum Nachtatgeschehen im Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2005 hat der Senat geprüft; sie stehen in Einklang mit Dokumenten aus der niederländischen Rechtshilfe, die dieserlei Aktivitäten belegen. Im Einzelnen:

Die Europaverantwortliche A berichtet am 11. Januar 2000 der Organisationsführung (Datei ID-Nr. 740 200): "R und die M Ds und das Rechtsbüro werden zusammenarbeiten."

Zu seinen Aufgaben als Rechtsberater der Organisation zählte auch der Besuch von Gefangenen in Justizvollzugsanstalten und die Beobachtung von Gerichtsverhandlungen. Dementsprechend besuchte er inhaftierte DHKP-C-Funktionäre wie Serefettin G, I Y und A E. Die diesbezüglichen Feststellungen basieren auf dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2005, wonach der Angeklagte Y. nach der Festnahme des DHKP-C-Aktivisten M D am 17. November 1998 kurzfristig dessen Aufgabe übernahm, die u.a. in Hamburg geführten Prozesse gegen die Parteifunktionäre Serefettin G, E D C und A E sowie gegen Angehörige des Yagan-Flügels zu beobachten und ihm hierzu - mangels ausreichender Deutschkenntnisse - die Aktivistin S als Dolmetscherin zur Seite gestellt wurde. Der Angeklagte Y. räumte in vorliegendem Verfahren über den bloßen Besuch von Verhandlungen hinaus eine aktive Rolle ein. Er äußerte - im Rahmen einer ausführlichen Erklärung am 115. Verhandlungstag zur Frage, welche Voraussetzungen an eine Mitgliedschaft innerhalb der Organisation DHKP-C zu stellen sind -, dass "in den Gerichtsverfahren gemäß § 129a aus dem Jahre 1999 die Thematik der tatsächlichen Mitgliedschaft in der DHKP-C nicht zum Verfahrensgegenstand gemacht worden" seien; zur Begründung, weshalb er "in Kenntnis der Situation" der damaligen Verfahren sei, erklärte er: "Es ist bekannt, dass ich im Zuge der Verfahrensverkürzung dieser Gerichtsverfahren als Vermittler tätig geworden bin."

Auch der Zeuge M D bestätigte im vorliegenden Verfahren, dass er zusammen mit dem Angeklagten Y. Gerichtsverhandlungen besucht hat, in denen der Angeklagte Y. als "Vermittler" aufgetreten sei, wobei er als Beispiele die Verfahren gegen N E und gegen Serefettin G u.a. nannte. Bei M D handelt es sich um einen seit 1996 in Deutschland lebenden Juristen, der den Angeklagten Y. seit Studientagen kennt, in der Türkei ebenfalls als Rechtsanwalt tätig war und häufig gemeinsam mit dem Angeklagten Y. als Verteidiger auftrat. Die Frage, ob der Angeklagte Y. in Deutschland für eine bestimmte Örtlichkeit zeitweise die Verantwortung innerhalb der DHKP-C übernommen habe, beantwortete der Zeuge D ausweichend mit der Bemerkung, dieser habe in Köln nicht die Zeit gehabt, insbesondere wegen des Sprachkurses, und fügte hinzu:

"Als Jurist / Freund bin ich keiner, der sich hinstellt und fragt, bist du Mitglied? Ich weiß von Aktivitäten. Ich empfand es nicht als normal, dass er tageweise andere Verfahren besucht hat. Ich weiß, dass er sagte, dass er aus einer Vermittlertätigkeit heraus in diese Beschuldigung geraten ist."

Im weiteren Verlauf der Vernehmung bestritt der Zeuge zwar, diese Aussage gemacht zu haben und behauptete, er habe nur gemeint, der Angeklagte Y. habe sich tagelang auf sein eigenes Verfahren vorbereitet. Er bestätigte aber schließlich doch, dass der Angeklagte Y. und er gemeinsam Verhandlungen besucht haben, beispielsweise vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in den Verfahren gegen N E, Serefettin G, E D C u.a.. Der Angeklagte Y. sei als "Vermittler" aufgetreten. Vorrangig habe er mit dem Angeklagten Y. über die Menschenrechtssituation, insbesondere über Folter in der Türkei diskutiert. Er habe ihn auch bei Hungerstreikaktionen getroffen, wobei er nicht wisse, ob der Angeklagte Y. Organisator gewesen sei.

Diesbezügliche Aktivitäten werden auch durch Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe bestätigt:

Am 07. Dezember 1999 berichtet A u.a. über die aktuelle Situation der anhängigen Verfahren gegen DHKP-C-Kader und zwar in der Schweiz, in der N E nach den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KHK B am 15. Oktober 1999 festgenommen worden war und sich bis zu seiner Auslieferung an die deutschen Behörden im März 2000 in Auslieferungshaft befand (Datei ID-Nr. 740 180):

"29- Für A:

In der Schweiz gibt es eine Organisation unter der Bezeichnung Revolutionäre Gründungsorganisation. R und die anderen haben mit den Vertretern dieser Bewegung gesprochen. Diese Organisation soll in der Schweiz ein Radioprogramm machen. Sie bereiten eine Internetseite vor, in der sie die Demonstration behandeln werden, die sie durchführen. Wir hatten E in die Schweiz geschickt. Er sollte diese Woche ein Telefon kaufen. Über ihn können wir die Entwicklungen verfolgen.

Verfahrenslage:

I Y hat am 30. November einen Hungerstreik für die Aufhebung der Einzelhaft begonnen. Auch A E und Er D haben angefangen. Sie fragen, ob das Serafettin A auch machen könne. Aber aufgrund seines Gesundheitszustands könnte er freigestellt werden. Unsere hiesigen Gefangenen haben solch einen Hungerstreik begonnen. Sie wollen Er D und Serafettin A zum Verfahren in Frankreich bringen.

Am 13. Januar beginnen die Verfahren von A und I A.

Bei der Gerichtsverhandlung von I hat der Richter so etwas gesagt, wie die Putschisten sind am Ende, ihr habt euer Wort gehalten. (...)"

Der Angeklagte Y. berichtete 3 Wochen später zum Hungerstreik Inhaftierter DHKP-C-Kader. Dies lässt sich einem Bericht As vom 28. Dezember 1999 an die Führung entnehmen (Datei ID-Nr. 740 197):

"18- Ich werde euch / ihnen auch die Dateien von R und A im Zusammenhang mit den Hungerstreiks unserer Inhaftierten schicken. Sie haben die Zellen von I und Yusuf A weit weg voneinander gelegt, mit der Begründung, sie würden Nachrichten austauschen. Sie würden erwähnen, dass man mit Gewalt Essen verabreichen würde. Es gibt auch andere Freunde, die im Hungerstreik sind. Den Inhaftierten schickt man Neujahrsgeschenke. (...)"

Am 11. Januar 2000 teilt A der Führung Details zu dem Gefangenen I mit (Datei ID-Nr. 740 200); unter Nr. 14 berichtet sie: "Der Nachname von I lautet Y." Schließlich legt sie ausführlich dar, wie das "Todesfasten" Is in eine Kampagne "umgewandelt" werden könne. Auch der Angeklagte Y. ist hierin eingebunden ("R wird mit einem Anwalt aus dem Büro gemeinsam umhergehen."). Am 17. Januar 2000 berichtet A erneut über die "Todesfastenkampagne" (Datei ID-Nr. 740 214) und teilt mit, dass alle Arbeiten komplett unter ihrer Aufsicht stehen und dass sie u.a. mit R selbst "einige Male" gesprochen und bei der "Frau vom Rechtsbüro" in Köln übernachtet hat. Unter Nr. 11 übt sie Kritik an dem Angeklagten Y. (R) wegen seines mit ihr nicht abgesprochenen Vorgehens und der Vernachlässigung seiner Pflichten. Schließlich geht aus dem Bericht hervor, dass die Organisation zur Verfahrensbeobachtung ein Telefon zur Verfügung stellte, über das berichtet wurde. Im Einzelnen:

"11- Bei dem Gespräch mit M D und den Seinigen war R beim Hungerstreik in Hamburg. Als wir bei euch / ihnen waren, waren die sowieso in Hamburg und hatten, ohne dass ich es bestätigt hatte, einen Hungerstreik angefangen. Sowohl A als auch R waren beim Hungerstreik. Ich habe sie gerufen und habe beide untersuchen / anschauen lassen. Ich habe mit ihnen darüber gesprochen, dass sie außer mit uns und ohne uns zu fragen Aktionen machen, dass wir sie zum Akten schreiben zwingen müssen, denn wenn wir sie nicht zwingen, sie nicht anrufen würden, sie uns dann über keinerlei Entwicklungen Informationen geben würden. Ich habe gefragt, wer draußen die Kampagne organisieren soll. Ich habe R erklärt, dass, obwohl er weiß, wie es läuft und obwohl er den Widerstand in den Gefängnissen kennt, es keine politische, sondern eine gefühlsmäßige Handlung war, an dem Hungerstreik teilzunehmen. R verhält sich nicht wie der Verantwortliche des Rechtsbüros, er hat auch keine Ahnung was da passiert. Dort steht alles vielmehr unter der Überprüfung und der Initiative von M. Und R hat nicht den Standpunkt und die Bemühung, sie dort zu führen. (...) Später ist R gekommen. Auch mit ihm habe ich gesprochen. Ich habe ihm erzählt, was man machen kann. (...) Ich wollte, dass sie die Juristen in unserem Umfeld versammeln und wie eine Kommission arbeiten lassen, eine Aufgabenteilung machen, Akten vorbereiten und vom Rechtsbüro Mails schicken. R hat die Verteidigung von I zusammengefasst. Er ist einen Tag in Köln geblieben, danach ist er zusammen mit A zu dem Abgeordneten, von dem früher schon die Rede war, nach Berlin zum Gespräch gegangen. (...) Eigentlich rennt A zu viel herum, (...) Außerdem hat sie das Komiteetelefon zur Verfahrensbeobachtung der Front. Sie führt auch die Gespräche. Ich denke, dass sie mehr als R zu tun hat. (...) R ist mit ihr unterwegs, er lässt sie seine Chauffeurin und Dolmetscherin sein. (...) R war letzte Woche überhaupt nicht funktional. Seine Sicht der Dinge ist nicht so, dass er denkt, solch ein Programm herauszubringen, Menschen zusammenzubringen, die alle bürokratischen Gespräche in unserem gesamten Umfeld machen können, dass alle hingehen und mit jemandem sprechen, Akten vorzubereiten und ein Archiv zu machen. (...)"

Der Angeklagte Y. hielt zudem Kontakt zu den Anwälten des N E (Datei ID-Nr. 734 838); A berichtet der Führung am 10. November 1999, dass sie "mit A und R über As Zustand gesprochen" habe. Über dessen Anwälte berichtet sie wie folgt:

"Sein Anwalt ist Mitglied der demokratischen Vereinigung. Aber er hat dieses Staatsdenken. Ich bat A, noch einen anderen Anwalt zu recherchieren. Diese Woche wird aus Deutschland eine Anwältin gehen. (...) A und die anderen hatten für die demokratische Öffentlichkeit in der Schweiz eine Mitteilung vorbereitet. (...) Ferner gab es letztes Wochenende eine Versammlung, an der R und die anderen teilgenommen haben. Dort wurde eine Mitteilung zur Situation von A verteilt."

In einem Bericht vom 07. Juni 2000 berichtet A darüber, welche Aktivitäten der Angeklagte Y. (R) im Zusammenhang mit dem Besuch von Gefangenen entfaltet hat (Datei ID-Nr. 734 806):

"I A: Ich hatte von R verlangt, dass sie einen Besuch für I und A aufschreiben lassen. Aber R hat mit dem Anwalt gesprochen und der hat gesagt, das sollten wir erst mal sein lassen und von unseren Freunden sollte keiner hingehen. Vor 2 Wochen habe ich mit R darüber noch einmal gesprochen und gesagt, dass wir so etwas nicht akzeptieren werden, dass das unsinnig ist, und habe verlangt, dass sofort ein Freund als Besucher notiert wird. (...)"

In ihrem Bericht vom 10. August 2000 berichtet A der Führung ebenfalls über vergangene und aktuelle Aktivitäten des Angeklagten Y. in dieser Funktion und zwar eine frühere Teilnahme an einem Kongress über Gefängnisse und einen bevorstehenden Besuch eines inhaftierten DHKP-C-Kaders (Datei ID-Nr. 736 271):

"3- Ich habe mit den gebietsverantwortlichen Freunden über den Gedanken der Durchführung eines Kongresses über die Gefängnisse gesprochen.

Außerdem habe ich mit M D gesprochen. Vor zwei Jahren hat Libertat einen solchen Kongress gemacht. R und M hatten daran teilgenommen. Es haben ungefähr 30 Organisationen teilgenommen. (...)

8- R hat S.G. einen Brief geschrieben und einen Besuch verlangt. (...)"

Auch in dieser Phase trat der Angeklagte Y. für den bewaffneten Kampf in der Türkei ein. Am 10. November 1999 berichtet A in der bereits zitierten Datei ID-Nr. 734 838 über ein Gespräch mit dem Angeklagten Y., in dem dieser Zweifel äußerte, ob die Lage der DHKP-C in der Türkei gut sei ("Die, die kommen, sagten nicht, es sei gut, die Räte seien rückläufig, wie ist die Illegalität, wenn das gut ist, gibt es kein Problem."). A verwies auf eine "Vielzahl von Aktionen" in der letzten Zeit und erklärte, dass solche Zweifel falsch seien.

dd. Bölgeleitung im Gebiet Mitte ab März 2000 bis Anfang Juni 2002

Der Senat ist davon überzeugt, dass dem Angeklagten Y. spätestens im März 2000 die Leitung des Gebiets Mitte übertragen wurde; als Verantwortlicher im Gebiet Mitte war er zugleich Mitglied im Führungskomitee für die Region Süd, zu dem das damals noch nicht selbständige Gebiet Mitte zählte. Die Umsetzung der Anordnungen der Führung oblag ihm im Raum Frankfurt a. M. selbst, daneben hatte er die Arbeiten in den Städten Kassel, Mannheim und Saarbrücken zu überwachen. Diese Funktion behielt er bis etwa Anfang Juni 2002. In dieser Zeit nahm er sämtliche Aufgaben eines Bölgeleiters wahr, insbesondere die Maßnahmen zur Geldbeschaffung, u.a. die Verteilung der Organisationszeitschrift, und war auch für die Schulung der ihm untergeordneten Funktionäre und Aktivisten verantwortlich. Dabei war ihm auch der Angeklagte G. unterstellt, der in dieser Zeit - wie ausgeführt - zunächst für Kassel, später für Mannheim verantwortlich war.

Diese Feststellung basiert zunächst auf Dateien der niederländischen Rechtshilfe:

Am 27. Februar 2000 berichtet die Europaverantwortliche über ein Gespräch mit dem Angeklagten Y. (Datei ID-Nr. 740 195). Thematisiert wird zunächst die (aus der Sicht des Angeklagten Y. weitgehend unberechtigte) Kritik an seiner Person, wobei A mit ihm - unter Hinweis auf das Gespräch mit der Bewegung - darüber nicht diskutieren wollte. Stattdessen verweist sie darauf, dass die "folgende Zeit ab jetzt" maßgeblich sei. Sodann kündigt A an, dass sie dem Angeklagten Y. Gebietsverantwortung übertragen werden; außerdem beschreibt sie die Gebiete und die erteilte Einführung in die organisationsinternen Kommunikationsmethoden:

"9- Ich habe mit R... gesprochen. (...) Ich sagte ihm, dass wir ihm eine Verantwortung auf Gebietsebene übertragen werden. (...) Er berichtete über seine Erlebnisse in Berlin, Dortmund, im Büro für Rechtswesen und über die Kritik, die ihm entgegengebracht worden war. (...) Ich sagte, dass die Bewegung der Meinung sei, dass du in der Lage wärst, ein Gebietsverantwortlicher zu sein. (...) Ich habe ihm erklärt, dass er sich der Funktionalität der Organisation anpassen und dieser Kultur entsprechend verhalten müsse. Ich habe ihm erklärt, wie die Funktionalität abläuft. Ich habe ihm die Benutzung von Telefonen erklärt, habe verlangt, dass sie, was den Ankauf von Computern und Telefonen angeht, mit den Raten, etwas unternehmen sollten. Bis dies geschähe könnten sie den Computer im Süden nutzen. Bei dem(n) Gebiet(en), welches ich als Aufgabe gegeben habe, handelt es sich um Frankfurt, Mannheim, Karlsruhe, Kassel, Saarbrücken, also Mitteldeutschland. Das Hauptaugenmerk sollte er auf Frankfurt richten. In den anderen Orten gibt es sehr wenige Beziehungen. Des weiteren wird F dieses Gebiet erläutern. Wir werden gemeinsam in das Gebiet reisen und die dortigen Freunde treffen. Außerdem werde ich R die Gebietsaktivitäten erklären."

Gegenüber der Europaverantwortlichen, die von ihm mehr Respekt ihr gegenüber eingefordert hatte, formulierte der Angeklagte Y. seine hierarchische Eingebundenheit in dieser Datei wie folgt: "Ich habe unter zahlreichen Menschen gearbeitet, die in der Krise waren, weil sie zur Guerilla gehen wollten und nicht konnten."

Eine Beschreibung der Einsatzorte und Aufgaben enthält auch eine weitere Datei (ID-Nr. 740 219); A teilt der Führung darin am 01. März 2000 Folgendes mit:

"15- Wir haben mit den Freunden in Frankfurt gesprochen. (...) Die Freunde haben R das Gebiet erklärt. (...) Das Problem liegt darin, dass diese Gegenden allein geblieben sind. Sie sind fern einer Kontrolle. (...) Es könnte sich positiv auswirken, dass R gekommen ist.

16- Wir erklären R das Gebiet, und wie er zu arbeiten hat. (...) Er wird eigentlich in Frankfurt die Arbeit durchführen und Freunde in Kassel, Mannheim und Saarbrücken überwachen."

Dass die Pläne umgesetzt wurden, bestätigt die Datei ID-Nr. 735 292 vom 07. April 2000; A leitet einen Bericht des T (Deckname des A C, Leiter der Region Süd) über eine Schulungsgruppe weiter, an der auch der Angeklagte Y. teilnehme. In diesem wird neben einer kurzen Beschreibung seiner Person sein Aufgabenkreis wie folgt umschrieben:

"R: 37 Jahre. Aus Dersim. Alevite. Seit 10 Jahren in unserem Umfeld. Gebietsverantwortlicher für Frankfurt - Saarbrücken - Mannheim. Ist im Komitee Deutschland-Süd."

Auch die Protokolle der Komiteeversammlung, von A verfasst und am 11. Mai 2000 an die Organisationsführung weitergeleitet, belegen, dass der Angeklagte Y. in Frankfurt a. M. selbst Arbeiten durchführte, überdies für Mannheim und Saarbrücken verantwortlich war, an Schulungen teilnahm und in einem Komitee mitarbeitete (Datei ID-Nr. 734 641); wörtlich berichtet A u.a. wie folgt:

"1- GEBIETE (...)

Frankfurt: R führt Arbeiten durch. Sie nehmen 200 Zeitschriften. Hier gibt es noch zwei Mitarbeiter, die hier direkt miteinander arbeiten. Einer ist Asylant. Es gibt keinen Verein. Einer aus der Umgebung von Kassel geht und verteilt drei Tage lang Zeitschriften. (...) Stuttgart. Unter der Verantwortung von F arbeiten 5 Personen als Komitee. (...)

Es gibt eine Schulungsversammlung, an der sich alle Verantwortlichen im Süden beteiligen. Diese findet jedoch seit 3 Wochen nicht statt. Es nehmen 10 Personen daran teil.

F, E und R arbeiten als Komitee. An Tagen, an denen Schulungsversammlungen stattfinden, wird mit diesen als Komitee gearbeitet. Im Süden haben wir keine Institution (...)

4- KADERBILDUNG:

Deutschland: (...)

R ist verantwortlich für Frankfurt, Mannheim, Saarbrücken. Seine auffälligste Eigenschaft ist, dass er Reformist ist. Er sagt zu allem, das geht nicht. Er nimmt die Arbeit in Europa auf die leichte Schulter. (...)"

Am 23. Mai 2000 schickt A die "Protokolle der Gespräche mit den verantwortlichen Freunden in Deutschland vom 19., 20. und 21. Mai", an denen "T" und Z" beteiligt gewesen seien. Die Gespräche seien von ihr geführt worden. Über den Angeklagten Y. berichtet A zunächst, wie ausgeführt, im Protokoll über das Gespräch mit dem Angeklagten G. (Deckname: C), der in Kassel Arbeiten durchführe und R unterstellt sei; C berichtet über Besuche des Angeklagten Y. (R) und seine angekündigte Unterstützung. Schließlich übermittelt A auch das Protokoll des Gesprächs mit dem Angeklagten Y. (R); dieser machte Vorschläge zur effizienteren Organisation und Arbeitsweise in der Rückfront, deren Bedeutung ("Europa zu organisieren, bedeutet (die) Türkei zu organisieren.") und schilderte seine Aktivitäten (Datei ID-Nr. 734 660). Das Wortprotokoll belegt eindrücklich, dass sich der Angeklagte Y. der Bedeutung der "Rückfront" bereits zu diesem frühen Zeitpunkt durchaus bewusst war und Vorschläge machte, um diese zu stärken:

"R ist Verantwortlicher für Frankfurt, Mannheim und Saarbrücken. Der Inhalt des Gesprächs wurde erläutert. Wir haben ihm zugehört, ohne ihn zu unterbrechen.

Bezüglich seiner / ihrer Arbeit in Europa habe ich ziemlich viel zu kritisieren. Als die Diskussion geführt wurde, D sei am Ende, habe ich meine Kritik nicht weiterleiten können. Wir hatten persönliche Diskussionen mit Selim A. Ich habe versucht, die Lage zu beschreiben, soweit ich konnte. Das, was ich kritisiere, ist nicht die Art und Weise der Gebiete, sondern generell die zentrale Politik der Bewegung im Hinblick auf Europa. Es gibt keine Gebietsarbeit. Denn alle Gebiete dienen der Zentralpolitik. Wir können keine gebietsspezifische Politik führen. Ich hatte mein eigenes Unglück. Ich konnte nicht lange in den Gebieten bleiben. Daher kann ich meinen Erfolg oder Misserfolg nicht ganz bewerten. Ich habe Wert auf die Zeitung Sesimiz (unsere Stimme) gelegt. Denn es war eine spezielle Arbeit im Hinblick auf den Bereich. Der Grund für das Nichterscheinen sind technische Schwierigkeiten.

Ich war bei den Räten gegen das von Tür zu Tür gehen, weil wir kein ernsthaftes Material zur Verfügung hatten. Das Volk ist nicht offen für eine persönliche Frontarbeit. Wir müssen Aktivitäten organisieren, die ein noch geringeres Niveau haben. Als wir mit Vatan oder Kurtulus gingen, blieben diese letztendlich außerhalb der Diskussionen des RA. Man muss mit ernsthafteren Materialien von Tür zu Tür gehen. Mit Vatan ist das nicht möglich. Vatan und Kurtulus gelten den gleichen Kreisen und weisen daher keinen Unterschied auf. Aufgrund des Wortes Faschismus in Sesimiz kamen von allen Reaktionen. Ich lege Wert auf Sesimiz. Es handelt sich um ein Veröffentlichungsorgan, das sogar ein Kulturzentrum zurückgibt. Solch eine Arbeit ist zwingend erforderlich. Vatan hat die Kapazität zu einer Tageszeitung. Das könnte sie mit einem zweijährigen Projekt. In der Türkei weiß ich nicht, aber in Europa wird Vatan falsch organisiert. Wir bieten keine Nachrichten u.ä. Quellen. Wenn Vatan im Hinblick auf Europa nicht vervollkommnet wird, werden die hiesigen nur als Lagerhalter entwickelt und werden sich nicht weiter entwickeln können.

Wir können Vatan von hier aus als Tageszeitung herausgeben. Den Vertrieb übernehmen nicht wir. Dafür sind Tausende von Menschen erforderlich. Ich hatte meine Einwände, was den Verkauf von Vatan betrifft. Ihre Sprache finde ich immer noch zu streng. Es müsste Kinder- und Rätselseiten usw. enthalten. Ich finde, dass die Sprache in der letzten Phase noch strenger geworden ist. Ich denke, Vatan könnte in der demokratischen Art vor den 80ern erscheinen. Ich hatte nicht diese Art erwartet. Derzeit wird sie wieder in eine Zeitschrift umgewandelt. Ich hatte mit Selim A Diskussionen. Er hat gesagt, die Bewegung habe zuletzt so entschieden. Daraufhin habe ich geschwiegen. Ich bin aber nicht überzeugt.

Unsere Ausweglosigkeit resultiert aus den Kosten für Vatan. Es ist mehr gedruckt worden, als geleistet werden konnte. Jede Woche gibt es die gleichen Versuche. Die Motivation ist gesunken. Ich habe gesagt, dass das die Kampagne beeinflussen wird. Meiner Meinung nach hat Vatan die Kampagne beeinflusst, und nichts anderes. Die PKK und ähnliche haben unsere Masse nicht beeinflusst. Es war Vatan. Wir konnten uns mit Vatan keinem politischen Kreis öffnen. Darüber hatte ich zuvor diskutiert. Es kam mit dem Freund / der Freundin sogar zu einer Auseinandersetzung Das Ergebnis ist, dass sich Vatan zurzeit etablieren kann. Vatan ist nur eine Sache des Vertriebs einer Publikation. Sie ist nicht alles. Meiner Meinung nach unterscheidet sich unsere Arbeit in Europa nicht viel von der der Opportunisten. Das ist unsere Realität. Hier gibt es eine Reihe von Organisationen mit erfolgreichen Experimenten. Es würde reichen, wenn wir von diesen profitieren könnten. Wenn man es der Initiative überlässt, das Volk zu erreichen, gibt es Einengungen und Depressionen.

Die Kulturaktivitäten der Gebiete müssen von einer zentralen Struktur überwacht werden. Das kann eine Person oder eine Institution sein. Alle Gebiete müssen aufgesucht werden, und es muss festgestellt werden, welche Aktivitäten organisiert werden können. Aber derjenige, der das macht, darf sich nur damit beschäftigen.

Untergrundbeziehungen müssen von einem anderen Organ überwacht und von der Gebietsinitiative losgelöst werden. Denn die Gebiete zerstören diese Beziehungen. Dieses Organ muss in einer zentralen Struktur von Vertrauenspersonen gebildet werden. Wenn es nicht auf diese Weise geführt wird, wird es unzureichend sein. Anfangs habe ich Europa nicht ernst genommen. Aber jetzt denke ich anders. Europa kann eine Organisation schaffen oder beseitigen. Europa zu organisieren, bedeutet Türkei zu organisieren. Es sind drei Millionen Türken vorhanden, die organisiert werden können. In dieser Beziehung hat die PKK das ernsthaft in die Tat umgesetzt. Es muss etwas geben, was auch wir als Beispiel nehmen können. Menschenmangel könnte beseitigt werden, indem manche Gebiete aufgegeben werden. Es hängt davon ab, auf was wir uns intensivieren.

Wir müssen zwei- oder fünfjährige Entwicklungspläne haben. Zum Beispiel müsste in zwei Jahren ein Sprung verwirklicht werden. Daher ist auch eine Tageszeitung erforderlich. Das sind meine Kritiken im zentralen Sinne. Ich denke nicht, dass manche Arbeit wegen der Trägheit und Faulheit der Menschen im Gebiet nicht funktioniert. Meines Erachtens funktioniert die Arbeit deswegen nicht, weil die zentrale Politik falsch ist.

Schulden sind aus unserer Sicht zermürbend. Wir sind bekannt als Bewegung, die nicht zu ihren Schulden steht. Wir können vielleicht nicht alle Wunden versorgen, aber indem wir neuen Schulden treu bleiben, müssen wir diese Zermürbtheit aus dem Weg räumen. Offizielle Probleme schaffen hier große Probleme. Es fehlt an offiziellen Quellen. Das Gebiet, in welchem ich mich derzeit befinde, ist ein unergiebiges Gebiet. Daher haben wir sehr viele Probleme. Ich denke, die Arbeit, die die Menschen verrichten, kann nicht mit der Geldbeschaffung verglichen werden.

Wenn wir uns bei der Kampagne nach innen konzentrieren, dann schaffen die Personen innen Probleme. Dieses Jahr gibt es in der inneren Kampagne ein Problem. Ein Grund dafür ist die Kampagne vom letzten Jahr. Denn im letzten Jahr waren wir nicht beim Volk und haben uns nach innen konzentriert. Dieses Jahr hätten wir eine andere Politik verfolgen müssen. Dass die Kampagne nicht geschafft wurde, ist nicht wegen fehlender Überwachung. Ganz im Gegenteil war dieses Jahr mehr Überwachung.

Die Kassette der Kampagne muss es unbedingt geben. Sie muss vielmehr auf unser eigenes Kader gerichtet sein, als auf das Volk. Wir müssen eine Struktur aus ansässigen Leuten haben. In dieser Hinsicht müssen wir Institutionen schaffen. Die Tatsache, dass wir im zentralen Sinne keine Propagandainstitutionen haben, ist ein ernsthafter Mangel. Den Gebieten fehlt es an gegenseitigem Erfahrungsaustausch. Das gab es zuvor teilweise bei den Räten. In dieser Phase muss ein Mensch, der in ein neues Gebiet geht, alles selbst lernen. Es werden ganz ernsthaft keine Erfahrungen ausgetauscht. Ohne Zentralisierung habe ich, wie bereits oben erwähnt, Angst vor einer Vereinsbildung. Ich war ein impulsiver Mensch, aber jetzt habe ich meine Bedenken. Denn ohne das, was ich oben gesagt habe, wird es nur eine personengebundene Arbeit. Dabei müssten wir an die Bewegung gebunden sein. Wir müssten es verstetigen. Wenn die Person, die in das Gebiet kommt, politisch unzureichend ist, ergeben sich im Gebiet Probleme. Somit verfolgt jeder, der kommt, eine andere Politik.

Ich halte eure Schreiben, die ihr uns schickt, für sehr streng. Ich kann sie unseren Menschen nicht vorlesen. Beispielsweise stand geschrieben, dass derjenige, der das Geld der Zeitschrift ausgebe ein VA Bund sei. Das finde ich ziemlich hart. Denn das Geld der Zeitschrift wird gezwungenermaßen ausgegeben, und es wird versucht, es wieder zu beschaffen. Beispielsweise ruft ihr mich in der Nacht. Ich habe kein anderes Geld in der Tasche, als das Geld der Zeitschrift. Entweder komme ich nicht, oder ich benutze das Geld. Ich versuche, es wieder zu beschaffen. Ich mag diese Art verkraften, aber nicht jeder kann das.

Wir haben keine Politik, was Schuldenbegleichung betrifft. Es reicht nicht zu sagen, die Gebiete sollen zahlen. Das sollte zentral überwacht werden. Wir haben die vorhandene Masse verbraucht. Entweder müssen wir unsere Wunden versorgen, oder wir müssen die Masse vergessen und uns einer neuen Masse öffnen. Wir sind in den Gebieten mit der Zeitschriftenarbeit überfordert, und das aufgrund der Einengung. Ich habe nichts zum Inhalt von Vatan zu sagen. Ich denke, dass es sogar elastischer sein könnte. Ich glaube, dass wir uns nicht öffnen können, indem wir Vatan von Tür zu Tür verkaufen. Meine Kritiken sind meines Erachtens die radikalsten Kritiken. Ich habe lange überlegt, ob ich das machen soll oder nicht. Aber es gibt sie in meinem Kopf, und ich finde, dass sie gesagt werden müssen. Wir lassen dem Volk keine Chance, Politik zu betreiben. Wir zwingen ihnen die Politiken auf. Wenn sie sich aber über unsere Mängel, Fehler auslassen, dann bringen wir sie zum Schweigen. Unsere eigene Masse vertraut uns nicht. In Europa haben wir mindestens eine Masse von drei bis vier Tausend. Aber auf Grund von Misstrauen kommen wir nicht. Wir sagen, wir müssen dem Volk vertrauen, aber wir vertrauen ihm nicht.

Wir haben eine Art und Weise, die die Initiative des Gebiets für nichtig hält. Solange das so ist, können wir nichts machen.

- Was verstehst du unter Volksorganisierung? Was hast du getan in Bezug auf die Bildung von Institutionen, Zeitschriftenverkauf, das Volk aufzusuchen usw.?

Natürlich müssen wir das tun... (Es gab Diskussionen bezüglich der oben genannten Themen).

- Du musst eine Sonderschulungsgruppe haben.

Jetzt werden wir mit diesen Aktivitäten anfangen. Es gibt eine, die wir durchführen. Die Bewegung schränkt uns nicht ein. Natürlich öffnet die Bewegung uns den Weg. Ich denke, wenn ich irgendwo bin, dann gibt es auch die Bewegung. Es gibt nicht die Logik, die Bewegung solle das tun. Die Tatsache, dass ich für das Gebiet zuständig bin, hat sich auf unsere Freunde ausgewirkt. Der Grund, weshalb die Freunde im Gebiet überfordert sind, ist, dass sie jung und erfahrungslos sind. Darüber hinaus gab es im Gebiet keinerlei Entwicklung. Wir versuchen, sie in Bewegung zu bringen, ohne sie zu zwingen. Wenn sie demoralisiert sind, orientiere ich sie auf andere Arbeiten. Manchmal schicke ich sie nicht zum Zeitschriftenverkauf, oder lasse sie nicht von Tür zu Tür gehen. Ich habe kurz- und langfristige Projekte. Ich habe die Freunde, die demoralisiert sind, zu mir genommen, so dass wir vielmehr gemeinsam sind. In den Gebieten gehe ich zu Familien, und bleibe dort.

- Du musst eine Schulungsgruppe haben, dich auf einen Sportclub intensivieren und eröffnen. Du musst das Leben der Menschen dort disziplinieren. Es muss eine Gruppe gebildet werden, damit Vatan gelesen wird und eine Schulungsgruppe gebildet werden. Du musst überwachen.

- Was ist mit der Kampagne?

Aus Frankfurt werden 5000 DM kommen. Aus Saarbrücken werden es 6000 sein. (...)"

Ein weiterer Bericht vom 25. Mai 2000 (Datei ID-Nr. 735 693) bestätigt, dass der Angeklagte Y. als herausgehobener Führungsfunktionär mit der Europaverantwortlichen über den künftigen Kurs in der Rückfront diskutierte. A berichtet nochmals ausführlich über das Gespräch mit dem Angeklagten Y. und kündigt an, mit diesem am Folgetag über die von ihm angesprochene "Gebietsinitiative" zu sprechen. Er habe gesagt, "dass es hinter der Front bedeutend sei, und dass eine Bewegung hier gestärkt werden muss". Er habe vor allem kritisiert, dass "man es hinter der Front immer für das Auftreiben von Ausweisen, Geld und Telefonkarten betrachtet habe und sich jetzt alles auf den Verkauf der Vatan konzentriert" habe, die "vorhandenen Kontakte welkten dahin". Er habe vorgeschlagen, bestimmte Aufgaben, beispielsweise das Beschaffen von Ausweisen, gesondert zu organisieren. Selbstkritisch räumte er ein, dass es an den Führungskräften liege, "wenn in einem Gebiet die Arbeiten nicht laufen". A wirft dem Angeklagten R als Ursache der Probleme vor, dass er sich weigere "zu den Massen zu gehen" und dass "die Bevölkerung nicht organisiert werde". Als Lösung schlägt sie vor, dass sie "in den Gebieten Aktivitäten für die ansässige Bevölkerung entfalten müssen, Institutionen einrichten müssen, Leute schulen und Kader heranbilden müssen". Die vorhandenen Kader müssten ihre Vorgehensweise ändern, andernfalls werde kein Problem gelöst.

Auch ein Bericht As an die Führung vom 01. Juni 2000 (Datei ID-Nr. 738 465) belegt die Einordnung in die Hierarchie der Organisation; der Angeklagte Y. äußerte in einem Gespräch gegenüber A: "Bei meinen Arbeiten in der letzten Phase arbeite ich nur in der Form von Befehlen und Anweisungen."

In einem Bericht an die Führung vom 18. Juni 2000 schildert A eine Protestaktion anlässlich des Besuchs des damaligen türkischen Staatsministers Sükrü Sina Gürel in Frankfurt (Datei ID-Nr. 734 645); diese sei misslungen, weil sich der Angeklagte Y. (R) nicht an ihre Anordnungen gehalten habe. Die relevante Passage lautet auszugsweise wie folgt:

"Es sollte ein Protest in Frankfurt gegen den Minister Sükrü Sina Gürel durchgeführt werden. Am F kommt der Minister nach Frankfurt. Ich hatte vorab R erklärt, welche Art von Aktion sie durchführen sollen. Ich hatte das auch T geschrieben. Ich hatte verlangt, dass sie als Süddeutschland geschlossen eine Protestkundgebung durchführen sollen. (...) Sie haben erfahren, dass der Minister in einer Pizzeria Essen gehen wollte. Sie wollen zu dem Restaurant, in dem der Minister mit dem Hessischen Ministerpräsidenten Essen geht, gehen und dort protestieren. (...) Bevor die Kundgebung noch begonnen hat, wurden sie in Gewahrsam genommen. Es wurden acht Personen in Gewahrsam genommen. Gegen Morgen wurden sie freigelassen. (...) Ich habe von R verlangt, dass er eine Datei schickt. (...) Außerdem habe ich nach der Logik gefragt, vor der Pizzeria eine Kundgebung durchzuführen. Das hätte auch T gewusst. Er hat es erzählt, als ich mit ihm gesprochen habe. Und ich habe ihm gesagt, dass das so nicht geht und der Protest an einem Ort durchgeführt werden soll, wo die Presse sich befindet. (...) Erneut ist es zu einer Arbeit gekommen, die R nach eigenem Gutdünken durchgeführt hat. (...) Es gibt Gespräche, die auf offizieller Ebene durchgeführt werden. Eigentlich wurden alle Gespräche, die der Minister in (...) Deutschland geführt hat, in der Presse wiedergegeben. Sie haben jedoch die Örtlichkeit ausgewählt, die am meisten abgelegen ist (...). In der heutigen Hürriyet ist ein Artikel erschienen, der die folgende Überschrift gehabt hat, "Angst vor einem Angriff auf den Minister". Die Absicht unserer Aktion hat ihr Ziel verfehlt. (...)"

Am 24. August 2000 berichtet A der Organisationsführung über den Angeklagten Y. (R) als einen der Verantwortlichen in Deutschland, der - zusammen mit weiteren Führungskadern und der Europaverantwortlichen - in einer "Unterplattform" an einem neuen Programm mitarbeite (Datei ID-Nr. 734 494); über die Zusammensetzung dieser Plattform sowie deren Aufgaben und Ziele berichtet A wie folgt:

"2. Wir haben im Zusammenhang mit der Strafe, die wir bekommen haben, mit den Verantwortlichen in Deutschland eine Versammlung gemacht (...).

g- Am Ende der Versammlung haben wir eine Unterplattform gegründet, zu der Yalcin A, R, F, M, Y A und wir gehörten. Bezüglich / Als Deutschland möchten wir diese Plattform ständig in Funktion halten. Wir glauben, dass es erforderlich ist, diese Plattform als eine Lösungsmöglichkeit auszuprobieren, um unsere praktischen Aktivitäten, das Programm, eine intensivere Kontrolle, das Hervorbringen von Motivation und Gedanken zu betreiben. (...) Solch eine Plattform wird die Aufgabe haben, ein konkretes Programm zu entwickeln. Wir denken daran, alle 15 Tage uns zu versammeln."

Anfang Oktober 2000 war der Angeklagte Y. mit der Sammlung von Spenden befasst. Dies belegt ein Bericht As an die Führung vom 04. Oktober 2000. Sie teilt mit, dass "R und die anderen (...) sich für heute Abend mit dem Mann verabredet" hätten und "die Kassette abgeben" werden (Datei ID-Nr. 734 519).

Über eine Versammlung anstelle einer Schulungsarbeit in Frankfurt berichtet A an die Führung am 18. Juli 2001; außerdem teilt sie mit, welches Buch der Angeklagte Y. (K) gelesen hat (Datei ID-Nr. 730 621):

"9. Schulungsarbeiten (...)

Frankfurt: Sie haben keine Schulungsarbeit durchgeführt, da wir an diesem Wochenende Versammlung hatten.

K hat ‚Yarin bizimdir Yoldaslar‘ (‚Die Zukunft gehört uns, Genossen‘) gelesen. (...)"

Auch dem Bericht Gs vom 08. Oktober 2002 (Export-12/Unallocated Clusters~44) lässt sich ebenfalls entnehmen, dass der Angeklagte Y. (K) im Gebiet Mitte tätig war. Zu den Gebieten Frankfurt und Mannheim teilt G mit, wie die Verantwortlichkeiten "nach K" aufgeteilt werden sollten. Rückblickend wird über die Zeit, in der der Angeklagte Y. Verantwortung trug, wie folgt berichtet:

"Als K dort war, begab ich mich in Wohnungen an der Universität, beim Picknick Versammlungen und Ausbildungsunterricht abgehalten. Diese Ausbildung war an die Masse gerichtet und hat in dieser Phase die Menschen motiviert und dafür gesorgt, dass sie unseren Prozess begriffen haben, und es schuf ein derartiges allgemeines Stimmungsbild. Von den vorhandenen Anhängern ist jedoch keiner in der Lage, als Kader zu fungieren. Es gibt auch keine Jüngeren. Wir haben die Anhänger, die zu Ks Zeiten vorhanden waren, zusammengerufen. In diesem Gebiet ist erneut eine Organisierung vorgenommen worden. Nach K ist diese mit C erneut auseinander gegangen."

In einer Datei vom 31. Oktober 2002 berichtet der Regionsleiter M über die Situation im Gebiet Frankfurt (Export-12/Unallocated Clusters~30); im Zusammenhang mit "Wöchentlichen Schulden" wird ebenfalls die frühere Tätigkeit des Angeklagten Y. im Gebiet erwähnt: "Nachdem K gegangen war (...)".

Weitere Aktivitäten des Angeklagten Y. im Gebiet Mitte, die eine Bölgeleiterfunktion belegen:

Am Samstag, dem 04. November 2000, gegen 8:20 Uhr war der Angeklagte Y. zusammen mit dem Aktivisten Ö.B. in Frankfurt mit der Verteilung der Zeitschrift Vatan und von Prospekten und Eintrittskarten für ein Konzert der G Y in Mannheim am 05. November 2000 befasst; hierzu benutzten sie einen VW Golf, amtl. Kz.: K-CP 9920, der - wie bereits ausgeführt - auf den Angeklagten G. zugelassen war. Diese Feststellung basiert auf einer Polizeikontrolle im Bahnhofsgebiet von Frankfurt a. M. vom gleichen Tag. Der Senat hörte hierzu die beiden Kontrollbeamten POK Groh und KOK K sowie die Zeugin KOKin W, geb. K, die damals dem Polizeipräsidium Frankfurt a. M. angehörten.

Der Zeuge POK G erinnerte sich an die Kontrolle nicht mehr; sein Ermittlungsbericht vom 04. November 2000 wurde (auszugsweise) verlesen. Überdies wurde hierzu der zweite Kontrollbeamte, der Zeuge POK K, vernommen. Dieser konnte sich noch gut an die Polizeikontrolle erinnern, weil es die einzige war, die sich auf eine Staatsschutzsache bezog. Ihm kam das Fahrzeug damals verdächtig vor, weil der Fahrer das Fahrzeug startete, als er das Polizeifahrzeug S ; der Zeuge hatte zunächst den Verdacht, dass sie mit Drogen handeln würden. Hierauf wurde die Kontrolle durchgeführt. Als Fahrer fungierte der Angeklagte Y., auf dem Beifahrersitz saß Ö.B.. Nach den weiteren Angaben des Zeugen KOK K wurden auf dem Rücksitz einzelne, im Kofferraum mehrere Kartons mit Zeitschriften sowie 1 Karton mit Büchern und Prospektmaterial etc. sichergestellt.

Im Einzelnen handelte es sich - ausweislich des von der Zeugin KOKin W gefertigten Effektenverzeichnisses vom 05. November 2000 - um folgende Gegenstände:

"32 Konzertkarten G Y für ein Konzert am 05.11.00 in Mannheim

01 Rolle mit Plakaten (ca. 150 Stück) für o.a. Konzert

01 Doppel-CD der G Y

01 Doppel-Kassette der G Y

04 Kartons der Zeitschrift VATAN mit insgesamt 190 Exemplaren

1 Karton, Inhalt: 7 Bücher Zafer Yolunda."

Die Zeugin KOKin W erläuterte, dass zunächst ein Effektenverzeichnis erstellt worden sei, weil am Wochenende keine weiteren Abklärungen möglich gewesen seien; in den folgenden Tagen sollte dann geklärt werden, ob es sich möglicherweise um Propagandamittel und daher um Beweismittel handelt. Zu der einleitenden Bemerkung im Verzeichnis ("Bei dem Beschuldigten B, Ö wurden u.a. folgende Gegenstände aufgefunden:") erklärte die Zeugin, dass sie selbst keine Beobachtungen gemacht habe. Sie habe auf dem Präsidium schlicht die Gegenstände von dem Zeugen KOK K entgegengenommen und das aufgeschrieben, was ihr dieser gesagt habe.

Hierzu äußerte der Zeuge KOK K nachvollziehbar, dass gegen Ö.B. ein Haftbefehl wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz i.a.S. bestand und er diesem nur deshalb die Gegenstände (vorläufig) zugeordnet habe. Er ging davon aus, dass diese Zuordnung vom Fachkommissariat nachträglich korrigiert wird, sofern sich Anhaltspunkte für eine Mittäterschaft des Angeklagten Y. ergeben.

Das diesbezüglich gegen den Angeklagten Y. eingeleitete Verfahren wurde - wie bereits ausgeführt - durch Beschluss des Landgerichts Frankfurt a. M. vom 22. November 2002 gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.

Am Dienstag, dem 13. Februar 2001, war der Angeklagte Y. um die Mittagszeit in Frankfurt a. M. Versammlungsleiter einer nicht angemeldeten, 30 Minuten andauernden Demonstration von ca. 20 Personen auf einem befestigten Mittelstreifen gegenüber dem türkischen Generalkonsulat in der Zeppelinallee 17 gegen die türkische Regierung.

Dies basiert auf den glaubhaften Angaben des Zeugen POK P, Polizeipräsidium Frankfurt a. M., der bei der Kontrolle vor Ort anwesend war. Auf Nachfrage gab sich der Angeklagte Y. als Leiter und Verantwortlicher der Versammlung zu erkennen. Nach den weiteren Angaben des Zeugen führten die Demonstranten Plakate in türkischer Sprache mit sich, riefen Parolen in türkischer Sprache und zeigten ein Transparent mit deutscher und türkischer Aufschrift; der deutsche Teil lautete wie folgt: "Lasst uns nach dem Verbleib der Verschwundenen fragen". Außerdem wurde eine Ansprache über ein Megaphon gehalten. Eine Anmeldung lag nicht vor. Aufgrund der Anzahl der Personen, des Umstands, dass jeder Teilnehmer ein Plakat dabei hatte und diese zu 90 Prozent nicht aus Frankfurt kamen, schloss der Zeuge eine Spontandemonstration aus.

Auch insofern wurde - wie bereits ausgeführt - von der Verfolgung durch Beschluss des Landgerichts Frankfurt vom 22. November 2002 gemäß § 154 Abs. 2 StPO abgesehen.

Der Angeklagte Y. räumte zudem selbst ein, an einer weiteren Demonstration am Montag, dem 16. Juli 2001, vor dem türkischen Generalkonsulat in Frankfurt a. M., Zeppelinallee, teilgenommen zu haben. Zu dieser Zeit, in der in türkischen Gefängnissen "nahezu wöchentlichen Menschen starben", habe er an einer ganzen Reihe von Aktionen teilgenommen. Seine "Stoßrichtung" sei an diesem Tag eine spontane Demonstration gewesen; die Plakate seien "spontan" von Ständen geholt worden, die zu dieser Zeit aufgestellt gewesen seien. Dies habe er vor Ort mitgeteilt; dies sei für ihn die Anmeldung gewesen.

Der Zeuge Ltd. PD H bekundete als der vor Ort zuständige Einsatzleiter glaubhaft, dass sich der Angeklagte Y. als Versammlungsleiter gemeldet habe. An der Demonstration, die aus Anlass des Todes eines Häftlings in einem türkischen Gefängnis im Zuge eines Hungerstreiks erfolgt sei, hätten 24 Personen teilgenommen. Aus seiner Sicht sei es aufgrund der mitgeführten Plakate keine Spontan- sondern eine Eildemonstration gewesen, die bei der (telefonisch erreichbaren) Versammlungsbehörde hätte angezeigt werden müssen. Nach ca. 30 Minuten löste sich die Versammlung auf (gegen 12:00 Uhr).

Abgesehen von einem bedruckten Plakat des IKM (Komitee gegen Isolationshaft) mit dem in deutscher Sprache abgefassten Text "Isolation = Folter und MORD", handelte es sich um Plakate / Transparente mit türkischem Text (u.a.: "Der Mörder-Staat wird Rechenschaft ablegen. (...) Die Helden werden sterben, das Volk wird nicht besiegt werden. Wir sind das Volk. Wir verlangen Gerechtigkeit.").

Nach alledem mag dahinstehen, ob es sich um eine Spontandemonstration gehandelt hat oder nicht; jedenfalls entfaltete der Angeklagte Y. an diesem Tag Aktivitäten im Gebiet Mitte unter dem Namen der Tarnorganisation IKM im Zusammenhang mit dem "Todesfasten".

Die Feststellungen zur Teilnahme an der Trauerfeier für den verstorbenen DHKP-C-Aktivisten Iskender Eroglu am Dienstag, dem 17. Juli 2001, in Dortmund, auf der der Angeklagte Y. die Trauerrede hielt, basieren auch auf den Feststellungen des OLG Düsseldorf vom 21. Juni 2005, ebenso seine Teilnahme an der "Besetzungsaktion" eines Frankfurter SPD-Büros am Dienstag, dem 13. November 2001. Das Oberlandesgericht Düsseldorf stützte seine Feststellungen nicht nur auf die Angaben des Zeugen KHK B, sondern auch darauf, dass der Angeklagte seine Verantwortlichkeit für diese Vorgänge (16.7., 17.7. und 13.11.2001) in seiner schriftlichen Erklärung im Rahmen des Zwischenverfahrens eingeräumt hatte.

Auch die Angaben des Zeugen H belegen die Aktivitäten des Angeklagten Y. im Gebiet Mitte. Nach dessen Angaben hat er den Angeklagten Y. "von Zeit zu Zeit" in Mannheim, Darmstadt und Frankfurt gesehen. Während der jährlichen Spendenkampagne habe dieser von ihm Anfang Dezember 2001 in Mannheim eine Spende i.H.v. 1.000,-- DM verlangt und ihn Anfang 2002 in Darmstadt nach seiner Bereitschaft gefragt, als Kurier Geld in die Türkei zu bringen (hierzu später mehr); beide Treffen wurden von dem Angeklagten G. arrangiert, der nach dem Eindruck des Zeugen H dem Angeklagten Y. hierarchisch untergeordnet war. Später, so der Zeuge H weiter, habe er gehört, dass der Angeklagte Y. nach Köln gegangen sei. In gleicher Weise hat sich der Zeuge H bereits im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung vom 26. März 2003 geäußert; im Rahmen einer Lichtbildvorlage Erkannte er den Angeklagten Y. wieder und erklärte, K, der Anwalt, sei früher für den Bereich Frankfurt / Darmstadt / Mannheim zuständig gewesen, jetzt sei er in Köln.

- fortbestehende Aufgabe: Rechtsberater der Organisation

Er war auch weiterhin als Rechtsberater und Gefangenenbetreuer eingesetzt; in dieser Funktion war er direkt der Führung unterstellt und hatte dieser über die geführten Gespräche zu berichten. Auch diese Feststellung basiert auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe:

Der Angeklagte Y. wurde gar von der Europaverantwortlichen als Rechtsberater herangezogen. Am 31. Mai 2000 nahm er an einem Gespräch teil, das die Europaverantwortliche A mit ihrem Rechtsanwalt führte. Über den Verlauf dieses Gesprächs berichtet sie der Führung am 01. Juni 2000 (Datei ID-Nr. 738 465); in dem Gespräch ging es um ein in Oldenburg anhängiges Verfahren, bei dem das Gericht das Original einer Anklageschrift verlangte. Der Angeklagte Y. (R) wird ausführlich zitiert, wie man eine solche - nach dem Kontext ausländische - Anklageschrift beschaffen kann.

Auch einer von A am 09. Juli 2000 an die Führung weitergeleitete "AKTE VON E" vom 08. Juli 2000 (Datei ID-Nr. 740 394) ist die Einbindung des Angeklagten Y. (abwechselnd bezeichnet als K und R) in Rechtsangelegenheiten zu entnehmen; in der Datei wird u. a. die rechtliche Situation der Gefangenen in Deutschland nebst genauer Bezeichnung der Haftanstalten und Verteidiger dargestellt. Zum Stand der Verfahren von I A und A A wird auf "UNSERE NOTIZ, WOHER STAMMEN DIESE INFORMATIONEN: (?)" Folgendes mitgeteilt:

"Was mir K bei unserer ersten Begegnung erzählt hatte, war in dieser Form. Außerdem habe er selbst einen Bericht über dieses Thema geschickt. Nach den Informationen, die K mir vor ein paar Tagen nach seinem letzten Treffen herangetragen hat, kann I freigelassen werden, wenn er in England eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. (...)

Auch im folgenden Text wird der Angeklagte Y. mehrfach erwähnt, beispielsweise wurde er in Verhandlungen mit Verteidigern über Honorarforderungen eingebunden, denen sich die DHKP-C ausgesetzt S :

"A besucht in Frankfurt seine Familie, aber, ob I Besucher hat, konnte ich auch von R nicht erfahren. (...)

Der Rechtsanwalt von A ist B; und der Rechtsanwalt von I ist F; beide sind aus Frankfurt. Beide sind PKK Rechtsanwälte. Sie scheinen solide Rechtsanwälte zu sein. Das heißt, dass sie bei vielen Ereignissen sich mit uns unterreden (besprechen) und uns benachrichtigen. Sie sind nicht sich einigend, aber sie gehören zu denjenigen, die sagen ‚wenn unsere Mandanten sich einigen möchten, machen wir auch das‘. Weil ich die Verhandlung nie beobachtet habe, weiß ich nicht, wie sie vor Gericht sind. Beide hatten, bevor der Prozess begonnen hatte, 3.000,-- DM gefordert. Von diesen ist der Rechtsanwalt des I geldgieriger; jedes Mal, wenn wir zu ihm gingen, fragte er, wo das Geld geblieben ist.

UNSERE NOTIZ...

WERDEN DIESE 3.000 DM GEZAHLT WERDEN... WENN SIE GEZAHLT WERDEN SOLLEN, WIE... (?)

Wir wollen deren Geld nicht zahlen. K will mit ihnen sprechen. Er wird sagen, dass sie so denken sollen, dass sie uns dies wie eine Spende haben zukommen lassen."

Am 17. August 2000 schreibt A an die Führung (Datei ID-Nr. 739 374); sie beendet ihre Mitteilung unter Nr. 29 mit einem "Bericht über das Gespräch von R mit A E"; aus dem Bericht geht eindeutig hervor, dass der Angeklagte Y. als Bote für Mitteilungen an die Führung verwendet wurde. A E teilte ihm beispielsweise mit, dass es - so habe es S.G. ihnen gesagt - eine Anweisung der Bewegung gebe, nur die Kassetten anzuhören, die sie selbst beträfen. Nach dem weiteren Kontext des Gesprächs sind Aufzeichnungen überwachter Telefongespräche gemeint. A E begründete, weshalb "alle Kassetten von der Bewegung gehört werden müssen" und bat ihn, "dieses Thema an die Bewegung weiterzuleiten". A E war ein seit November 1996 als mit wichtigen Sonderaufgaben betrautes und damit herausgehobenes Mitglied der DHKP-C mit Tätigkeitsschwerpunkt in Hamburg; durch Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 17. Februar 1999 (2 StE 1/98) wurde er wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u.a. zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt; zugleich wurde Serefettin G wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung u.a. zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren und E C wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u.a. zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt.

In einem Bericht vom 24. August 2000 (Datei ID-Nr. 734 494) teilt A der Organisationsführung einen bevorstehenden Gefangenenbesuch des Angeklagten Y. (R) mit, der mit ihr abgestimmt ist:

"Ich kann den Brief von S.G. nicht über VA schicken. Das kann bei den Besuchen nicht getauscht werden. Allerdings nähert sich Rs Besuch. Er wird am 4. September zu Besuch gehen. Auch S. weiß, dass R zu Besuch gehen wird. (...)"

Aus demselben Bericht geht hervor, dass der Angeklagte Y. als "Verantwortlicher in Deutschland" an Versammlungen teilnahm und am Programm mitarbeitete; die diesbezügliche Passage lautet wie folgt:

"2. Wir haben im Zusammenhang mit der Strafe, die wir bekommen haben, mit den Verantwortlichen in Deutschland eine Versammlung gemacht, an der auch der Genosse aus der Schweiz beteiligt war. (...)

b. Wir haben eine Würdigung über die Strafe, eine Woche lange keine Zeitschrift zu drucken und zu verkaufen, vorgenommen. (...)

f. In den Versammlungspausen habe ich mit Z und T Zwischenbewertungen vorgenommen (...)

g. Am Ende der Versammlung haben wir eine Unterplattform gegründet, zu der Yalcin A, R, F, Musafer, Yabus A und wir gehörten.

Bezüglich / Als Deutschland möchten wir diese Plattform ständig in Funktion halten. (...) Solche eine Plattform wird die Aufgabe haben, ein konkretes Programm zu entwickeln. Wir denken daran, alle 15 Tage uns zu versammeln."

Am 28. August 2000 berichtet A der Führung über einen weiteren, mangels Erteilung einer Besuchserlaubnis nicht zustande gekommenen Besuch des Angeklagten Y. in einer Justizvollzugsanstalt (Datei ID-Nr. 734 498):

"20. Sie haben angeblich R keine Besuchserlaubnis für I gegeben. M hat angeblich begonnen, Probleme zu machen. Auch in Sachen Publikationen gibt es Probleme, die geben (sie) nicht..."

ee. Erkenntnisse des LfV Baden-Württemberg

Die Führungsfunktion des Angeklagten Y. in diesem Vortatzeitraum wird durch die Erkenntnisse des LfV Baden-Württemberg bestätigt. Nach den Bekundungen des Zeugen ORR K, LfV Baden-Württemberg, nahm der Angeklagte Y. in diesem Zeitraum (der Bölgeleitung im Gebiet Mitte und der Mitgliedschaft im Führungskomitee für die Region Süd) an verschiedenen Veranstaltungen - und zwar auch außerhalb seines Gebiets teil. Im Einzelnen:

- Demonstration am 13. Mai 2000 auf dem Schlossplatz in Stuttgart

An der Demonstration nahmen verschiedene linksextremkommunistische türkische Organisationen teil, unter anderem die DHKP-C teil. Unter den 300 Teilnehmern befand sich eine Funktionärin mit Decknamen F (späterer Deckname: I - s. nachf. Veranstaltung), die von der Quelle, insoweit übereinstimmend mit der Einschätzung des LfV aufgrund weiterer Aktivitäten für die DHKP-C im regionalen Bereich, als DHKP-C-Verantwortliche Stuttgart eingeschätzt wurde. Diese holte sich Anweisungen zum Ablauf bei dem Angeklagten Y., der dadurch erstmals in das Blickfeld des LfV Baden-Württemberg geriet.

- Parteigründungsfest am 21. April 2001 in `s-Hertogenbosch/Niederlande

Der Angeklagte Y. war auch Teilnehmer an der Veranstaltung in den Brabanthallen anlässlich des 7. Parteitages der DHKP-C. Unter den 4.500 Gästen waren ca. 700 bis 800 DHKP-C-Angehörige. Es spielte die G Y, der Einmarsch erfolgte mit DHKP-C-Parteifahnen. Die Funktionärin I - die vorgenannte frühere Stuttgart-Verantwortliche (früherer Deckname: F) - begrüßte die Teilnehmer, forderte zu einer Gedenkminute auf und kündigte sodann den "Cephe"-Verantwortlichen an (zur Bedeutung der "Cephe", übersetzt Front, wird auf die Ausführungen im Rahmen der Struktur zur DHKC verwiesen). Die Quelle schloss hieraus, dass es sich um den Europaverantwortlichen handelt. Zunächst ging der Angeklagte Y. auf das Todesfasten ein; als "Highlight" seiner Rede kündigte er an, dass ab sofort das halkinsesi tv, eine Art Fernsehprogramm der DHKP-C, über das Internet abrufbar sei; diesbezüglich wurde eine entsprechendes Flugblatt mit Internetadressen verteilt. Nach einem kulturellen Teil hielt der Angeklagte Y. noch eine kürzere Rede, in der er die DHKP-C mit Parolen lobte und ihr Engagement für die sozialen Belange herausstellte.

- Kundgebung am 26. Mai 2001 in Frankfurt-Bornheim

Der Angeklagte Y. nahm an einer Kundgebung der Vereinigung der "Alevitengemeinden in Europa" zur Thematik "Aleviten fordern Anerkennung / Schluss mit Isolationshaft" teil. An dieser beteiligten sich auch linksextremkommunistische Organisationen, u.a. Anhänger der DHKP-C, die ca. 1 Stunde lang Parolen gegen den türkischen Staat und die Haftbedingungen in der Türkei skandierten.

- Veranstaltung am 16. Dezember 2001 in Darmstadt

In Räumlichkeiten der TU Darmstadt fand eine DHKP-C-Musikveranstaltung mit der G Y statt, an der ca. 700 Personen teilnahmen. Zu Beginn marschierten Kinder mit Fahnen und Bilder verstorbener DHKP-C-Angehöriger ein. Es folgte eine Theateraufführung mit Szenen aus dem Todesfasten. Danach wurde ein Vertreter des Tayad-Komitees angekündigt, woraufhin der Angeklagte Y. eine Rede hielt. Er machte Ausführungen zum Todesfasten, den Verhältnissen im türkischen Strafvollzug (F-Typ-Gefängnisse), zur Oligarchie und zu den sozialen Verhältnissen in der Türkei.

- Demonstration am 20. April 2002 in Regensburg

Zum Jahrestag der Selbstverbrennung des DHKP-C-Aktivisten Kazim G erschienen nur 70 Personen, was bei dem Angeklagten Y., der die Veranstaltung mit organisiert hatte, eine merklich schlechte Laune verursachte.

Nach alledem wird durch die Angaben des Zeugen ORR K der dargelegte Zeugen- und Sachbeweis bestätigt. Der Schluss, dass der Angeklagte Y. im April 2001 sogar der Europaverantwortliche war, kann allein aufgrund der Art der Ankündigung bei dem Parteigründungsfest nicht gezogen werden; von der Organisationsführung als Sprecher am zentralen Abend bestimmt zu werden, belegt allerdings die hochrangige Stellung des Angeklagten Y. innerhalb der DHKP-C.

c. Zuständigkeiten im Tatzeitraum

aa. "Rechtsberater" - Funktionär mit Sonderaufgaben

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. von der Organisationsführung ab Mitte 2002 und auch im Tatzeitraum bis Februar 2003 als Rechtsberater eingesetzt wurde, zu dessen Aufgabe auch die Gefangenenbetreuung gehörte (diese Funktion des Rechtsberaters behielt der Angeklagte Y. auch nach seinem Wechsel in die Region Süd als deren Leiter im März 2003, hierzu später mehr). Zu dieser Zeit hielt er sich häufig in Köln auf, wo er, wie ausgeführt, eine Wohnung hatte und polizeilich gemeldet war.

Diesen Funktionswechsel schilderte, wie ausgeführt, der Zeuge H. Der Zeuge KHK B bekundete, dass der Angeklagte Y., von Juli bis Dezember 2002 an Deutschkursen der Volkshochschule Köln teilnahm. Auch der Zeuge D bestätigte, dass er zusammen mit dem Angeklagten Y. in Köln einen Sprachkurs besucht hat. Gleiches meldet G am 25. Februar 2003 der Organisationsführung (Datei ID-Nr. 749 637: "K besucht einen Deutschkurs. Wir müssen wissen, wie lange dieser Kurs noch dauert."); am 27. Februar 2003 erhielt G von der Führung eine "Notiz", dass er aktuell keinen Kurs mehr besucht und auch kein weiterer bevorsteht; dies ergibt sich aus der Antwort von G vom gleichen Tage (Datei ID-Nr. 749 681):

"Es wurde verstanden, dass K nicht mehr zum Kurs gehen braucht."

Aktivitäten als Rechtsberater lassen sich auch zwei am 03. Dezember 2002 geführten Telefongesprächen entnehmen. Am Spätnachmittag meldet sich der Angeklagte Y. von einem Kölner Festnetzanschluss bei dem überwachten Anschluss TKÜ F ("H") und erklärt, er werde "in die dortige Gegend kommen, unsere Verfahren beginnen ja, d.h. sie haben schon begonnen". Außerdem fragt er ihn nach den Telefonnummern von T und Ö, woraufhin der Angerufene erklärt, diese seien bei ihm. Diese seien gestern zu den Verhandlungen gegangen. Auf die Frage des Angeklagten Y. nach einem Dolmetscher, antwortet der Angerufene, dass ein solcher ohnehin "für das Gespräch mit den Anwälten" geladen sei (Nr. 707 TKÜ F). Gegen 23:00 Uhr meldet sich Y. bei dem überwachten Anschluss TKÜ D (A C) und erklärt, dass Morgen das Verfahren sei, aus diesem Grund sei er "hier rübergekommen", er werde "zu H gehen". Sie würden sich bei Gericht sehen (Nr. 1734).

Ebenso wird dies durch Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe belegt. Beispielsweise teilt G der Führung am 22. Januar 2003 folgende Aktivitäten des Angeklagten Y. (K) bezüglich der Verfahren gegen A C (T) und gegen E mit (Datei ID-Nr. 748 635):

"5. K hat zu Z wegen Ts Gericht(-sverhandlung) gesagt, es wäre gut, wenn nicht so viele Leute kämen, damit beim Gericht nicht der Eindruck entsteht, es handle sich um eine wichtige Person.

Wenn wir an seiner Gerichtsverhandlung am 30. Januar zahlreich teilnehmen müssen, tun wir das. Allerdings haben die bei einer ersten Gerichtsverhandlung angeblich die Ausweiskopien von allen, die dorthin gegangen sind, genommen, da haben die ein wenig Angst bekommen. Durch das Camp sind sämtliche neuen Leute, die wir zurzeit haben, dechiffriert worden.

K hält eigentlich ständig den Kontakt zu Z, es wäre besser, wenn er die Dinge, die mit Z besprochen werden müssen, ihr mitteilt. Gegen E wird ein Verfahren eröffnet, ich habe verlangt, dass er auch K über seine Akte informieren soll."

Am 23. Januar 2003 berichtet G, wie bereits zitiert (vgl. Datei ID-Nr. 748 826), dass in Ts (Deckname des A C) Gerichtsverhandlung am gleichen Tag eine Einigung dahingehend stattgefunden habe, dass er 2 ½ Jahre Haft bekommen soll, dass er am 30. Januar seine Verteidigungsrede / Plädoyer halten und am 10. Februar das Urteil ergehen werde. Dies bedeute, dass er "ein weiteres Jahr sitzen" werde. Er sei zurzeit im Düsseldorfer Gefängnis und werde bis zum Abschluss des Verfahrens dort bleiben, danach in das Dortmunder Gefängnis wechseln, wo sie die Besuche regeln würden. Außerdem übermittelt G "Das Besuchsprogramm des Komponisten"; am 05. Februar, mithin noch vor der Urteilsverkündung, waren R und K vorgesehen. Tatsächlich wurde A C, wie ausgeführt, am 10. Februar 2003 zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Ende Februar 2003 wurde der unmittelbare Kontakt zwischen dem Angeklagten Y. und der Führung in Rechtsangelegenheiten beendet; fortan war er auch bei dieser Tätigkeit der Europaverantwortlichen unterstellt. Diese Feststellung basiert auf einer Mitteilung von G an die Führung vom 25. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 749 637). Dies ging damit einher, dass im Februar 2003 eine erneute Verwendung des Angeklagten Y. als Bölgeleiter geplant wurde. In der Mitteilung teilt G der Führung ihre Überlegungen mit, welches Gebiet sie dem Angeklagten Y. übertragen könnte und macht dies auch abhängig von der Erforderlichkeit eines weiteres Deutschkursbesuches. Eine der Einsatzmöglichkeiten ist die Übernahme der Leitungsfunktion in der Region Süd für den Fall, dass M.A. (Deckname: N A) in Hamburg und Berlin eingesetzt wird. Die relevanten Passagen der Mitteilung lauten wie folgt:

"1- Es wurde verstanden, dass K zu Ihnen / Euch keine Beziehung mehr haben wird.

- Ich kann die Arbeit bezüglich der Gefangenen überwachen. K besucht einen Deutschkurs. Wir müssen wissen, wie lange dieser Kurs noch dauert. Wenn er gezwungen ist, den Kurs weiter zu machen, müssen wir ihm dementsprechend ein Gebiet geben. Wenn er den Kurs aber nicht besuchen muss, oder der Kurs nicht mehr lange dauert, können wir ihm dementsprechend eine Aufgabe übertragen.

- K kann in seinem alten Gebiet, d.h. Frankfurt und Umgebung wieder Arbeiten durchführen. Als er in Frankfurt Arbeiten durchführte, hatte er keine Schwierigkeiten. Er hatte die Routinearbeiten geregelt. (...)

Oder K kann sich an den Arbeiten in Hamburg und Berlin beteiligen und mit den anderen Freunden Gebietsarbeiten durchführen. Oder, wir können N A nach Hamburg holen. A kann Hamburg und Berlin überwachen. K kann in Stuttgart und Umgebung Aktivitäten durchführen. Da zurzeit die Kassettenarbeit läuft, können wir N A nicht sofort aus dem Gebiet zurückholen. Da K Frankfurt und Umgebung kennt, kann er mit OA einige Wochen zusammen vorgehen und das Gebiet übernehmen. Letztendlich ist er gezwungen für mich zu arbeiten, in welcher Funktion er auch immer ist. (...)

- Es wäre besser, wenn ich mit K auf unserem eigenen Kanal korrespondiere, und das mit dem Sprachkurs kläre und mich dementsprechend entscheide. In den Gebieten, in denen wir K eine Aufgabe übertragen werden, arbeiten alle Gebiete mir untergeordnet. Ich welches Gebiet wir K auch immer geben, er wird an mich gebunden arbeiten. (...)

- Ich gedenke nicht, K eine Aufgabe in Westfalen oder Köln zu übertragen. (...) Wenn er den Sprachkurs beenden muss, kann er entweder in Westfalen oder in Berlin und Hamburg Unterstützung leisten. Aber, es wäre besser, wenn er im Norden arbeiten würde.

- Es kostet K wenig Zeit, sich um die Gefangenen zu kümmern. E meinte auch, dass K sehr viel freie Zeit habe. K könnte, abgesehen davon, dass er sich um Gefangene kümmert, ohne weiteres auch in den oben erwähnten Gebieten Gebietsarbeit leisten.

- Ich habe mich immer noch nicht entschieden. Es ist besser, wenn ich mit K korrespondiere, mich über den Kurs und den Inhalt seiner Arbeit bezüglich der Gefangenen erkundige und wir ihn dementsprechend beschäftigen. (...)"

Als G, wie ausgeführt, die Mitteilung erhielt, dass kein weiterer Besuch des Sprachkurses ansteht, teilt sie der Führung am 27. März 2003 zum Stand ihrer Planungen bezüglich des Angeklagten Y. Folgendes mit (Datei ID-Nr. 749 681):

"Ich habe mich nicht entscheiden können, welches Gebiet wir dem K geben sollen. Falls er im Gebiet von OA oder N A arbeiten soll, so werden diese Gebiete sowohl für die As als auch für K zu viel sein. Zurzeit benötigt man Hilfe in Berlin und Hamburg. Ich überlege mir das auch aus der Sicht von OA und N A. Ich werde noch ein wenig nachdenken und eine Antwort geben, was sowohl für uns als auch für jeden am besten geeignet ist."

Auch einem Bericht Gs vom 24. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 754 559) lässt sich entnehmen, dass der Angeklagte Y. bis Februar 2003 in seiner Funktion in Köln verblieb; G berichtet über ein Telefonat des Angeklagten Y. mit der Polizei (im DHKP-C-Jargon: "Onkels") "als K das Gebiet Köln verlassen hatte". Aus dem weiteren Umstand, dass der Anruf erfolgte, als "K (...) gerade mal einen Monat in Stuttgart" war, kann geschlossen werden, dass sich die Übernahme der Leitung der Region Süd im März 2003 (s. nachf. bb.) nahtlos an die vorhergehende Tätigkeit in Köln anschloss.

Neben seiner Funktion als Rechtsberater beteiligte er sich aber nach wie vor an Spendensammlungen für die DHKP-C; exemplarisch belegt dies eine Datei von G an die Führung vom 25. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 749 670); hierzu mehr im Rahmen der Beweiswürdigung zur Mitwirkung an Spendenkampagnen.

bb. Leitung der Region Süd ab März 2003 bis zur Festnahme

sowie "Rechtsberater" der Organisation

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. ab März 2003 in der Nachfolge des M.A. als Verantwortlicher der Region Süd eingesetzt wurde und diese Funktion durchgängig bis zu seiner Festnahme im November 2006 behielt; zugleich fungierte er weiterhin als Rechtsberater der Organisation.

Der Funktionswechsel lässt sich anhand der Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe nachvollziehen. Bereits Anfang März 2003 hatte sich G bezüglich Einsatzort und Funktion des Angeklagten Y. sowie des M.A. entschieden und erläuterte am 02. März 2003 ihre Pläne mit ausführlicher Begründung der Führung (Datei ID-Nr. 750 791); hierbei nimmt sie Bezug auf eine nicht bekannte Notiz der Führung vom 01. März 2003. Sie erörtert ausführlich die Gründe, die für eine Zuständigkeitsänderung sprechen; sie schlägt vor, K nach Stuttgart und "N A", der sich im ausgedehnten Gebiet Stuttgart ohne Fahrerlaubnis nicht so gut wie K bewegen könne, nach Hamburg und Berlin ("Region Nord") zu schicken. Zuvor könne N A noch ein paar Wochen mit K unterwegs sein, um "Beziehungen kennen zu lernen" und "die Kassettenarbeiten gemeinsam durchzuführen". Wegen der Größe der Region Süd stellt die Führung dem Angeklagten Y. ein Fahrzeug zur Verfügung, das bereits gekauft wurde. Im Einzelnen führt sie diesbezüglich Folgendes aus:

"13- Bezüglich der Wiederbeschäftigung von K:

- In Berlin ist E, in Hamburg ist S verantwortlich. Diese Gebiete müssen wir aufsuchen, überwachen und unterstützen.

- In jedem Gebiet gibt es verantwortliche Freunde, die wirksam die Praxis organisieren. Und über diesen gibt es dann noch verantwortliche Freunde, die Aktivitäten durchführen.

Y A, Refik und E sind verantwortlich in Westfalen. Eser arbeitet als ihr Verantwortlicher. In Frankfurt und Mannheim ist C verantwortlich. OA führt über ihm Arbeiten durch. In Stuttgart gibt es F und außerdem N A. Es ist ein Verantwortlicher erforderlich, die E und St auf die gleiche Weise überwacht und mit ihnen zusammen arbeitet.

Wir sollten K nach Stuttgart geben. K kennt das Gebiet einigermaßen. Zur Zeit von T war er hin und wieder in Stuttgart. Er kennt Süddeutschland. N A kann in der Umgebung von Hamburg und Berlin Arbeiten durchführen.

- Stuttgart ist ein sehr ausgedehntes Gebiet. A hat keinen Führerschein und ist daher auf andere angewiesen. Er hat daher Schwierigkeiten. K hat dagegen Führerschein und kann sich im Gebiet ohne weiteres bewegen.

Berlin und Hamburg sind dagegen geordneter. Man braucht kein Fahrzeug. Wir haben Anhänger, die sich um den Verein versammelt haben.

K kann in Stuttgart und Umgebung durchführen. Es wäre für N A besser, in Berlin und Hamburg zu arbeiten.

- K könnte für ein paar Wochen mit N A unterwegs sein, Beziehungen kennen lernen, und sie könnten die Kassettenarbeit gemeinsam durchführen.

Ich versuche zu entscheiden, wen wir im Hinblick auf N A, OA und K in welchem Gebiet arbeiten lassen, damit sie produktiver und effektiver sind. Alle drei haben ihren eigenen Charakter, ihre Vor- und Nachteile. Ich versuche zudem über den spezifischen Zustand, das Entwicklungspotential und die Bedeutung von jedem Gebiet nachzudenken.

- Unter diesen Umständen scheint es sinnvoller zu sein, dass K in Stuttgart und N A in Norddeutschland arbeiten. (...)

17- Bezüglich des Autos, welches ihr für K habt kaufen lassen: wenn K in Stuttgart arbeiten soll, haben wir für Stuttgart sowieso ein neues Auto angeschafft. Für jenes Gebiet ist ein zweites Auto nicht erforderlich.

Die Zeitschrift braucht ein Auto. Die Zeitschriftenleute können das Auto von K für Druckereiarbeiten benutzen."

Am 07. März 2003 übermittelt G eine weitere Mitteilung an die Organisationsführung, die sie "an N A geschrieben habe" (Datei ID-Nr. 750 617). In dieser teilt sie M.A. seine neue Zuständigkeit und die Erforderlichkeit einer "Einarbeitung" des Angeklagten Y., seines - ihm nun hierarchisch untergeordneten - Nachfolgers als Leiter der Region Süd, mit und bittet zum Gespräch zu Einzelfragen der Umsetzung; zugleich teilt sie ihm mit, dass der Angeklagte Y. seine Funktion als Gefangenenbetreuer behalten wird. Im einzelnen:

"6- K wird im Gebiet Stuttgart verantwortlich sein und an euch gebunden arbeiten. Sie werden generalverantwortlich sein für die Gebiete Hamburg, Berlin und Stuttgart. Der Schriftwechsel in Bezug auf England wird fortgesetzt. Wir müssen noch einmal über die Details sprechen. Zusammen mit K können Sie sich ein paar Wochen im gesamten Gebiet bewegen, und K kann die Beziehungen übernehmen. K beschäftigt sich zudem mit den Gefangenen, was er auch weiterhin machen wird. Sie können in dieser Woche zum Gespräch kommen. Dann können wir rasch die Regelungen treffen. (...)"

Die Antwort von M.A. (Deckname: N) "als Antwort auf die Akte vom 07.03.2003" folgte am 11. März 2003 (Datei ID-Nr. 763 957): "Dass K der Verantwortliche von Stuttgart geworden ist, wurde verstanden." Hierzu ist anzumerken, dass Stuttgart häufig synonym für die Region Süd verwendet wurde.

Am 15. März 2003 teilt G der Organisationsführung das Ergebnis des Gesprächs mit dem Angeklagten Y. und M.A. mit; mit M.A. kam sie überein, dass dieser die eher überwachende Funktion des Generalverantwortlichen der Regionen Nord und Süd übernimmt, zuvor den Angeklagten Y. als neuen Regionsleiter in den Gebieten vorstellt und sodann in den Norden geht (Datei ID-Nr. 751 051); die relevante Passage lautet wie folgt:

"3. (...)

A: Gespräch mit K und N A: (...)

- K wird nächste Woche nach Stuttgart gehen, dort wird er mit dem A ein wenig umherziehen und die Kontakte übernehmen.

B- Ich habe mit N A über Berlin und Hamburg geredet. (...) Der A wird im Grunde genommen die allgemeine Überwachung der Arbeiten von Berlin, Hamburg und Stuttgart übernehmen, wird sich um die Schulung der Verantwortlichen kümmern, in den Gebieten Seminare und Versammlungen abhalten, sich um die neuen Leute kümmern, saubere und neue Kontakte kennen lernen, sich besonders um die Kontakte kümmern, über die man die Bedürfnisse der Bewegung abdecken kann und sich darauf konzentrieren. (...)

5. Die Mitteilung, die ich an N A geschrieben habe:

15.3.2002

Hallo

N (...)

3. Wenn K ins Gebiet gekommen ist und ihr mit ihm schnell sämtliche Gebiete aufgesucht habt, wäre es gut, wenn ihr in den Norden gingt. Ihr könnt in beiden Gebieten je eine Versammlung für die Veranstaltung und die Kassetten abhalten. (...) Wenn ihr ins Gebiet gegangen seid, übernehmt ihr die Korrespondenz."

Die Vorstellung des Angeklagten Y. (K) als neuen Regionsverantwortlichen Süd übernahm M.A.; hierzu beraumte dieser am Mittwoch, dem 19. März 2003, eine Versammlung "mit den hiesigen Freunden" an, an der auch der Angeklagte Y. teilnehmen sollte. Diese Feststellung basiert auf der Datei ID-Nr. 750 339. Am 17. März 2003 teilt M.A. (Deckname: N A) G, die die Datei am Folgetag an die Führung weiterleitete, unter anderem Folgendes mit:

"1- Bezüglich Stut... (...)

I- K muss morgen kommen. Am Mittwoch werden wir mit den hiesigen Freunden zusammen eine Versammlung machen. K, Erk., Fir., A, Dob., A.San. und ich werden teilnehmen.

J- Es wird mindestens zwei Wochen dauern, bis wir mit K zusammen überall im Gebiet gewesen sind und ich ihn mit bestimmten Personen bekannt gemacht habe. Entweder werden wir das so machen, oder ich werde ihn mit den Leuten bekannt machen, die Hauptaktivitäten durchführen. In der kommenden Woche könnte ich in die anderen Gegenden gehen."

Am 19. März 2003 berichtet G der Führung über eine Mitteilung, die sie an M.A. (N A) geschrieben hat; in dieser erklärt sie sich mit der von M.A. vorgeschlagenen 2-wöchigen gemeinsamen Vorstellungsrunde in der Region Süd einverstanden (Datei ID-Nr. 748 982):

"4. Bleibt ihr vornehmlich in Berlin. Ihr müsst neben der Kontrolle und der Schulungen in Berlin de facto die Aktivitäten leiten. (...)

8. Zieht mit K umher, stellt ihm innerhalb von zwei Wochen eure sämtlichen Kontakte vor und geht danach in den Norden. K soll es richtig beherrschen. (...)"

Am 23. März 2003 schreibt G an M.A. unter dem neuen Decknamen C Folgendes (Datei ID-Nr. 750 856):

"12- Es reicht aus, wenn sie den K mit den Freunden bekannt machen, die Publikationen verteilen und aktiv Aktivitäten durchführen. Den Rest kann er mittels der anderen Freunde selbst lernen."

Am 25. März 2003 hat G eine ihr vom früheren Mitangeklagten A (C) am 24. März 2003 übermittelte Textdatei an die Parteiführung weitergeleitet (Export-4/ Unallocated Clusters~613); aus dieser geht hervor, dass die Vorstellung des Angeklagten in der Region Süd bereits fortgeschritten ist und bis zum Monatsende abgeschlossen sein soll:

"Wir reisen mit K umher. Wir haben eine Versammlung mit Fir., Erk. Dob. und A gemacht. Da A. Şan in der Schule war, konnte er nicht teilnehmen, wir haben uns alleine mit unterhalten, nach Nürn., Regens., München sind wir gemeinsam gefahren. Er hat die Freunde dort und einige Familien kennen gelernt. Ich muss ihm noch fünf Personen, die die Publikationen verteilen, vorstellen. Es ist notwendig, dass wir mit ihm Chiffrierung und das Zipen am Pocket üben. Am 31. März wird meine Arbeit beendet sein, kann ich nach Ham."

Bereits wenige Wochen nach der Übernahme der Leitung der Region Süd wurde innerhalb der Führung diskutiert, dem Angeklagten Y. die Verantwortung für die Schweiz zu übertragen; letztendlich blieb er aber Verantwortlicher der Region Süd und half kurzzeitig im Gebiet Frankfurt a. M., den Angeklagten G. unterstützend, aus. Diese Feststellung basiert auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe; im Einzelnen:

- Am 30. März 2003 wendet sich G zum einen an die Führung, zum anderen an M.A. (C). In der Nachricht an die Führung wird diskutiert, wer als Schweiz-Verantwortlicher in Betracht kommt. Ein potenziellen r Kandidat der Führung ist der Angeklagte Y.; die Europaverantwortliche G setzt sich vehement für ihre Lösung ein, wonach der Angeklagte Y. Leiter der Region Süd bleiben soll, bietet aber Alternativlösungen an und setzt sich - wie noch auszuführen sein wird - durch (Datei: Export-4 / Unallocated Clusters~563):

"Es ist sehr schwierig, einen anderen Freund in die Schweiz zu schicken. Für jedes Gebiet gibt es einen Verantwortlichen, jedes Gebiet muss seine eigene Kampagne zu Ende führen. Sämtliche Gebiete in Deutschland haben erst die Hälfte ihrer Kampagnen beendet. Jedes Gebiet muss Eintrittskarten für (die) Abendveranstaltung verkaufen.

Mein Vorschlag: Der ältere Bruder D kann dort einen Monat bleiben und selbst helfen. K kann sich um Frankfurt, Mannheim kümmern. Oder wir können K für eine vorübergehende Zeit in die Schweiz schicken. Jedoch wird sein Gerichtsverfahren anfangen. Wir hatten einen Plan über Stuttgart, Berlin und Hamburg gemacht. K sollte in Stuttgart bleiben, Bruder C sollte nach Norden. Dieser Plan würde dann gänzlich vernichtet werden.

- Als Lösung könnte Bruder D für einen Monat in der Schweiz bleiben und zumindest dabei behilflich sein, dass die Kassetten zu einem Ergebnis gebracht werden oder K könnte für ein paar Wochen helfen.

- Wenn er in (der) Schweiz aushilft, würden die anderen Gebiete vernachlässigt werden. Jeder verantwortliche Freund, der in Deutschland aktiv ist, hat einen schwierigen Fall und jedes Gebiet hat Probleme.

- Für die Schweiz können wir an eine langfristige Lösung denken. Wenn das Verfahren von K abgeschlossen ist, könnten wir ihn in die Schweiz schicken. In dieser Zeit könnten die Gazi-Freunde vielleicht die Verantwortung für jeweils ein Gebiet übernehmen oder in der Lage sein, aktiv Hilfe zu leisten.";

- die Betätigung des Angeklagten Y. für kurze Zeit im Gebiet Frankfurt a. M. im Zeitraum Ende März / Anfang April 2003 lässt sich ebenfalls Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe entnehmen, beginnend mit einem Nachrichtenaustausch zwischen M.A. (Deckname: C) und der Europaverantwortlichen G, den diese am 30. März 2003 an die Führung weiterleitet (Datei: Export-4/Unallocated Clusters~570); in der darin enthaltenen Notiz vom 28. März 2003 teilte M.A. u.a. Folgendes mit: "K ist in die mittlere Gegend gegangen, er wird Sonntag kommen, wir werden mit ihm das Kodierungs- und Kommunikationsthema erledigen. So lange, bis älterer Bruder Y gekommen ist, ist es notwendig, dass K ein- oder zweimal die Woche auch hier hinkommt. Ansonsten klappt es mit den Diskussionsabenden und mit dem 1. Programm nicht.";

- am 30. März 2003 schrieb G an M.A. hierzu, K könne, "je nach Situation von C, in dem mittleren Gebiet bleiben. (...) Wenn es bezüglich C nichts gibt, sollte C seine Arbeiten weiterführen und K sollte in sein Gebiet zurückkehren. (...) Damit später mit Bruder S kein Problem entsteht, soll sich K in die Arbeiten in dem Gebiet nicht einmischen. Er soll nur die Austeilung der Zeitschriften koordinieren, sich um die Verteilung der Tickets kümmern und sich außerdem (ansonsten) in KEINE Sache einmischen. Wenn C in der Lage ist, seine eigenen Sachen zu erledigen, sollte K zurückkehren.";

- am 31. März 2003 leitet G "Notizen" an die Führung weiter, die sie an D und C A geschrieben hat (Datei ID-Nr. 752 165). Hierin teilt sie D, dem Leiter der Region Mitte, mit, dass der Angeklagte Y. (Deckname: K) für ein paar Tage die Aufgabe des Angeklagten G. (Deckname: C) übernehme; der Grund hierfür war, dass der Angeklagte G. Erkundigungen im Umfeld des H H einholen sollte; die relevanten Passagen lauten wie folgt:

"2- Soweit C mitgeteilt hat, gibt es zurzeit keine ernsthafte Verfolgung. Bis das Verfahren des Pizzabäckers abgeschlossen ist, gibt es dennoch ein Risiko im Hinblick auf C. Wir müssen in Erfahrung bringen, was der Pizzabäcker gesagt hat, was in seine Akte aufgenommen wurde.

- C muss die Frau des Pizzabäckers finden und einen Anwalt nehmen. Daher haben wir ihn ein paar Tage aus dem Gebiet genommen. Bis Sie kommen wird K die Zeitschriften- und Kassettenarbeit erledigen. Abgesehen davon wird er nicht einschreiten.

- Wenn C klargestellt hat, dass keine Verfolgung und ähnliches vorliegt, werden wir K in sein Gebiet zurücknehmen.

- Eure Verbindung zu C kann weiterhin bestehen und ihr könnt dort bei S A Dateiaustausch vornehmen.";

- am 04. April 2003 leitet G eine Anfrage an M.A. an die Führung weiter, der vorübergehende eine Einbindung des Angeklagten Y. im Gebiet Mitte belegt (Datei ID-Nr. 752 331):

"Ist K im Gebiet von C? Warum ist das Telefon von C ausgeschaltet? S A könne ihn nicht erreichen. Er soll den Kontakt zu seinem A nicht abreißen lassen. C muss seine Situation so schnell wie möglich klären. Mit K muss er eine Verbindung haben. C darf den Kontakt zum S A nicht abreißen lassen. Was er sagt, soll er an K weiterleiten. Der A und er sollen gegenseitig schreiben. Er kann dort bei euch / ihnen schreiben."

Einem Bericht des M.A., der in der gleichen Datei (ID-Nr. 752 331) an die Führung weitergeleitet wird, ist zu entnehmen, dass sich der Angeklagte Y. bereits Anfang April 2003 wieder in der Region Süd aufhielt; M.A. teilt mit, dass "K (...) derzeit im Süden" ist. Über den Fortgang der Aktivitäten wird er aber weiter informiert, wie folgende Mitteilung des M.A. belegt: "Die Seite von Ceng. und den anderen würde die Ticketverteilung eigentlich diese Wohnung (gemeint: Woche) beginnen. Sie haben noch nicht sehr viel verteilt. Ich habe es K mitgeteilt.";

- bis zur (kurz bevorstehenden) Rückkehr Ds blieb der Angeklagte Y. (auch) für das Gebiet Mitte verantwortlich; dies belegt eine Mitteilung Gs vom 10. April 2003 an D: "Bis Ihr kommt, wird sich K um das mittlere Gebiet kümmern." Thematisiert wird auch eine Veranstaltung in Saarbrücken, bezüglich derer es Versäumnisse beim Ticketverkauf geben würde. "Die Lücke von C" soll mit der Hilfe von K geschlossen werden.

Ende April 2003 teilte der Angeklagte Y. der Europaverantwortlichen G seine Sorge wegen des gegen ihn anhängigen (Straf-) Verfahrens mit; dies belegt ein Schreiben Gs an die Führung vom 24. April 2003 (Datei: Export-4/ Unallocated Clusters~122), in dem sie Folgendes berichtet:

"Wir haben F nach Stuttgart geschickt. Jetzt heiratet er. Es ist ungewiss, wie das enden wird. Wir haben K nach Stuttgart geschickt. Jetzt fängt er an, uns seine Sorge in Bezug auf sein Verfahren mitzuteilen."

Aus diesem Grund erwog G in derselben Nachricht (erneut), den Angeklagten Y., nunmehr als K bezeichnet, nach Abschluss des Verfahrens "in die Schweiz (zu) schicken"; zu dessen Überlegungen im Hinblick auf das anstehende Verfahren teilt sie Folgendes mit:

"(...) K hat angefangen zu überlegen, dem deutschen Staat zu beweisen, wie er auf sicherem Boden steht und er sagt, dass er, je weniger er in den Vordergrund tritt, er auch weniger Strafe bekommen werde."

Der Angeklagte Y. behielt seine Funktion in der Region Süd trotz seiner geäußerten Bedenken wegen des gegen ihn anhängigen Verfahrens. Dies belegt beispielsweise eine Datei aus der niederländischen Rechtshilfe (ID-Nr. 755 902); am 21. Oktober 2003 zählt G im Zusammenhang mit Kritik an M.A. die Verantwortlichen in dessen Zuständigkeitsbereich auf und zwar "der Verantwortliche von Berlin, der E, die Verantwortliche von Hamburg, Servet, der Verantwortliche von Stuttgart, K".

Allem nach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Angeklagte Y. im März 2003 in der Hierarchie der Rückfront aufstieg und fortan die Leitung der Region Süd übernahm.

Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. diese Funktion als Leiter der Region Süd bis zu seiner Festnahme im November 2006 durchgehend ausübte.

Dass der Angeklagte Y. selbst gegenüber nachgeordneten Kadern und Aktivisten Anweisungen zur Gebietsarbeit, wie den Spendensammlungen, dem Zeitschriftverkauf und der Organisation von Veranstaltungen, erteilte, belegen nicht nur die Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe und die Gespräche der TKÜ Y., sondern auch folgende, in Augenschein genommene Gespräche der TKÜ by-Tec, die überdies zahlreiche Aktivitäten auch im Jahre 2004 Dokumentieren.

Der frühere Mitangeklagte H.S. war spätestens ab Mitte 2002 Bölgeleiter in Ulm und betätigte sich ab März 2003 auch in den Städten Augsburg und München. Er stand hierarchisch unter dem Leiter der Region Süd, mithin zunächst unter M.A. (der dem am 12. Juli 2002 festgenommenen A C nachgefolgt war) und schließlich ab März 2003 unter dem Angeklagten Y..

H.S. hatte bereits Kontakte zu A C; nach Angaben der Zeugin KOKin K hatte er sich mit diesem am 12. Juli 2002 in der Wohnung des E D in Pforzheim getroffen. Als Leiter der Bölge Ulm trat H.S. im August / September 2002 bei der Vorbereitung des Waffentransports mit dem Kurier H in Erscheinung (hierzu später mehr). Zahlreiche Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe belegen Aktivitäten des H.S. in Ulm sowie ab März 2003 in den Städten Augsburg und München (vgl. z.B. die Dateien mit den ID-Nrn. 748 668, 750 339, 750 597); so nahm H.S. (Deckname: A) am 19. März 2003 an der von M.A. (Deckname: N A) anberaumten Versammlung teil, anlässlich derer der Angeklagte Y. (Deckname: K) "den hiesigen Freunden" vorgestellt wurde (vgl. Datei ID-Nr. 750 339). H.S. trug nach den Bekundungen der Zeugin KOKin W zunächst den Decknamen K; als K hat ihn auch der Zeuge H wiedererkannt. Unter diesem Decknamen sowie unter K-Hassan wer H.S. nach Angaben des Zeugen RD V auch dem BfV bekannt. Jedenfalls im organisationsinternen Schriftverkehr wurde ab Oktober 2002 zeitweise auch der Deckname A verwendet (vgl. beispielsweise Dateien ID-Nrn. 763 471; 750 597: "A ist K."). Er wurde auch als Pir (Ehrerbietung für alevitische Geistliche) oder mit anderen Begriffen aus dem religiösen / alevitischen Bereich, wie z. B. H, Dede, Mu S ip und Iman, angesprochen (vgl. TKÜ by-Tec, Gesprächsnummern 77, 81, 95, 172, 181, 186, 201, 221, 243, 246, 255, 261, 263, 264, 265, 274-276, 284, 286, 345, 363, 405, 409, 519, 647, 670, 672, 733).

Mitte Mai 2004 übernahm H.S. die Funktion des Bölgeleiters in Berlin. Grund seiner "Versetzung" war, dass - wie die Zeugin KHKin S bekundete - der vorherige Bölgeleiter, M D (Deckname: E), am 15. Mai 2004 festgenommen worden war.

H.S. wurde am 17. Mai 2004 von dem Anrufer - der Anruf erfolgte aus einer Telefonzelle in Ludwigsburg - angewiesen, noch am gleichen Tag nach Berlin zu fahren; es habe sich dort eine Arbeit ergeben. Ohne zu zögern und ohne sich eine Bedenkzeit zu erbeten, ordnete er sich dem Willen der Organisationsführung unter und reiste unverzüglich nach Berlin. Bereits am 18. Mai 2004 traf er dort ein und begann sofort mit der Erledigung der anstehenden Bölgearbeiten; die Anordnung dieses Ortswechsels lässt sich dem - wegen Fehlern bei der Sprecherzuordnung im Rahmen der schriftlichen Neuübersetzung, die von dem Sprachsachverständigen B in der Hauptverhandlung korrigiert wurden - Gespräch vom 17. Mai 2004, 16:14 Uhr (Nr. 263, TKÜ by-Tec) entnehmen, in diesem wird H.S., der erklärt, er sei "bei ... diesem SE" (ausweislich der Funkzellenortung hielt er sich im Bereich Neusäß auf), mitgeteilt, es habe sich eine Arbeit ergeben: "Es ist erforderlich, dass Du Dich heute nach Berlin begibst." H.S. erklärte: "Also, wenn sich Geld auftreiben lässt, gehe ich, Mann." Aus den folgenden Gesprächen der TKÜ by-Tec ergibt sich, dass H.S. bereits am Folgetag in Berlin eintraf und dort mit den Arbeiten begann, vgl. Gespräch Nr. 265 vom 18. Mai 2004, 12:20 Uhr, in dem H.S. erklärt, "alles gut... bin angekommen...." Ausweislich der Funkzellenortung hielt er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Berlin auf.

Entsprechend der konspirativen Vorgehensweise der DHKP-C-Führungskräfte ruft der Angeklagte Y. das Mobiltelefon des H.S. bei folgenden in Augenschein genommenen Gesprächen aus der TKÜ by-Tec mit den Gesprächsnummern 77, 81, 134, 172, 181, 186, 221, 243, 246, 255, 261, 265, 274, 284, 358 ganz überwiegend von öffentlichen Telefonzellen aus an. Zu den Gesprächen im Einzelnen:

- Gespräch vom 22. April 2004 (Gesprächsnummer 77, TKÜ by-Tec)

Am 22. April 2004 ruft der Angeklagte Y. von einer Telefonzelle in Stuttgart bei H.S., der sich in München aufhält, an, spricht ihn mit "mein Iman" an und fragt ihn, in welcher Gegend er sei. H.S. erklärt, er sei "da bei dem Manager". Auf die Frage des Angeklagten Y., was dieser "mit unserem Geld" mache, antwortet er, "es ist noch nicht Dings geworden, wir müssen noch ein wenig warten". Im folgenden Gesprächsverlauf wird eine Vielzahl von DHKP-C-Aktivitäten im Gebiet angesprochen, namentlich das Sammeln und Weiterleiten von Spendengeldern (Kassetten), die Organisationszeitschrift und eine bevorstehende Abendveranstaltung. Der Gesprächsinhalt und der Gesprächsverlauf belegen ebenfalls, dass ein übergeordneter Kader (Regionsleiter Y.) mit einem untergeordneten Kader (Bölgeleiter S) die verschiedenen Betätigungen im Gebiet konspirativ ("Kassetten") erörtert. Zum weiteren Verlauf im Einzelnen:

Auf die Frage des Angeklagten Y., ob es überhaupt "Kassettengeld" gibt, antwortet H.S. wie folgt: "Ja Mann, genau darauf warte ich ja. Der wollte heute sein Dings verkaufen... (...) seinen Ort (i.S.v. Grundstück / Geschäft) da (...) morgen werde ich noch mal vorbeischauen und werde sofort, wenn er es verkauft, nehmen." Der Angeklagte Y. berichtet sodann darüber, dass die Spendengelder bei ihm abgeholt wurden: "Also sieh mal, sie sind gekommen und wieder gegangen, haben die Kassetten und so mitgenommen..." Und weiter: "Wie auch immer, die Kassetten haben sie mitgenommen, die Zeitschriften und so haben sie auch mitgenommen..." Schließlich fragt der Angeklagte Y. noch nach einer bevorstehenden Abendveranstaltung, die nach Angaben des H.S. am Samstag (24. April 2004) stattfindet, und erklärt: "ihr werdet das (schon) demgemäß regeln / erledigen".

- Gespräch vom 25. April 2004 (Gesprächsnummer 81, TKÜ by-Tec)

Am Tag nach der Abendveranstaltung (vgl. vorhergehendes Gespräch) ruft der Angeklagte Y., der angibt, er sei in Stuttgart, erneut bei H.S. an, der sich nunmehr in Ulm aufhält. Zunächst fragt der Angeklagte Y. den H.S., ob sie "hier in die Gegend" kämen, was dieser bejaht und erklärt, E sei gekommen. Er teilt weiter mit, dass sie die Versammlung abgesagt hätten. Der Angeklagte Y. berichtet über eine defekte Wasserpumpe an seinem Fahrzeug und erklärt "ich sollte die anrufen, dass die kommen und (mich) abholen". H.S. antwortet: "Sollen sie kommen und abholen. Die hier sind komplett / abgeschlossen... die Wöchentlichen ... (...) ich habe die alle / alles übersandt."

Auf die Frage, wie die Abendveranstaltung gelaufen sei, beklagt H.S., es sei "ein Fiasko" gewesen, zweihundert Personen seien gekommen. Er erklärt wörtlich: "Sie sind untergegangen (...) und wir haben uns gar nicht eingemischt, sie haben es selber gemacht. (...) Lass uns am Abend sprechen / sehen..." Die Frage, ob "Kassetten und so, irgendwas abgesetzt worden" sei, beantwortet H.S. mit "ein bisschen".

- Gespräch vom 29. April 2004 (Gesprächsnummer 134 , TKÜ by-Tec)

Der Angeklagte Y., der von einem Festnetzanschluss aus Stuttgart anruft (AI: Ayhan D), erörtert mit H.S., der sich in Köln aufhält, seine aktuelle ausländerrechtliche Situation; H.S. berichtet, das Ordnungsamt wolle seine Asylsache erneut untersuchen und weist auf einen bevorstehenden Termin am F (30.4.) hin. Der Angeklagte Y. erklärt, er verstehe nicht, "welches Problem (...) es denn für Samstag und Sonntag" gebe, der Termin könne bis Montag warten; er solle "hier rüber" kommen und am Sonntag zurückfahren.

- Gespräch vom 06. Mai 2004 (Gesprächsnummer 181, TKÜ by-Tec)

Der Angeklagte Y., der von einer Telefonzelle in Stuttgart bei H.S. (Funkzelle Sindelfingen Nord, A 81) anruft und diesen erneut mit "mein Iman" anspricht, fragt bei diesem nach, ob er (zurück-) gekommen sei, worauf dieser antwortet: "Ich bin gekommen und begebe mich jetzt zum Dings, zu dem Jugendlichen / Halbstarken da, der O setzt mich ab, ich habe auch die Wöchentlichen genommen / mitgenommen..." Der Angeklagte Y. teilt H.S. des weiteren mit, es sei "erforderlich, da etwas im Zusammenhang mit dem letzten Gefallenen zu machen"; diesen Montag könnte da bei S und den Seinen / am Ort von S ein Protestdings stattfinden".

- Gespräch vom 07. Mai 2004 (Gesprächsnummer 186, TKÜ by-Tec)

Der Angeklagte Y. (B) ruft aus einer Telefonzelle in Ludwigsburg bei H.S. (A) an (A meldet sich mit "Hallo?" und wird von B mit "mein Iman" angesprochen). Dieser hält sich im Bereich der Funkzelle Neu-Ulm, Ottostraße, auf. Im Gespräch werden von dem Angeklagten Y. verschiedene Aktivitäten thematisiert, zum Beispiel eine bevorstehende Protestaktion; insbesondere ordnet er aber an, H.S. solle auf einen H im Zusammen mit der Spendensammlung Druck ausüben, damit dieser seine Aufgaben bei der Spendensammlung (Kassettenarbeiten) erledigt und anschließend 100,-- bis 200,-- EUR übergeben kann. Die relevanten Passagen des Gesprächs lauten wie folgt:

"(...) B: (...) Sieh mal, diese Protestaktion, wird am Dienstag...

A: Ja...

B: Bei den Frankfurtern sein.

A: HmmHmm...

B: ... aber zur gleichen Zeit werden S und die wohl auch machen... so wie es aussieht.

A: Ja.

B: ... falls sie es machen, geht ihr dahin, dann... da... kommt Ihr auf die Seite / in die Gegend... ja?

A: Ja.

B: ... in der Form Dings machen...

A: Ist der Junge nicht zurückgekehrt? Alles klar.

B: Ja, ruf Du doch den Jungen an.

A: Also...

B: Der sagte: Ich habe nichts zu tun, dann gehe ich hin und bleibe auch dort... mein Iman...

A: Kann das denn sein, mein Lieber... also nee...

B: ... hat gesagt: Mein Iman geht auch nach Dings... nach München. Muss ich denn hier zurückbleiben?

A: Nein, ich habe mir dem gesprochen... äh... wir haben gemeinsamen gesprochen, er wird heute nach (Wort unverständlich) zurückkehren, also so geht es ja nicht...

B: Wenn Du ihn doch angerufen hättest.

A: Mann, ich habe (mit ihm) gesprochen... äh... wir haben gemeinsam gesprochen, er wird heute nach (Wort unverständlich) zurückkehren, also so geht es ja nicht...

B: Wenn Du ihn doch angerufen hättest.

A: Mann, ich habe (mit ihm) gesprochen A. Ich habe gesagt: Ihr werdet ihn schicken... also dann haben wir auch dort gesprochen. Heute sollte der zurückkehren (Wort unverständlich).

B: Hmm.

A: Warum sitzt er denn da (herum)?

B: Was weiß...? Bist Du nach Dings rüber gegangen... nach München?

A: Ich ... ja. Ich bin in der Gegend.

B: Ja... der hat halt Angst, dass er draußen bleiben könnte (lt. Angaben des Sprachsachverständigen B i.S.v. "dass er ausgeschlossen sein könnte"). Ein merkwürdiger / befremdlicher Junge, Mann. Er hat Angst, dass er übrig bleibt (lt. Sprachsachverständiger B auch folgende Übersetzung möglich: "... dass er vereinsamt" bzw. "dass er nicht unterkommt").

A: Mann.... bleibt er nicht, bleibt er nicht.

B: Siehst(e)...

A: Wie auch immer... nun... (...)

B: ... dann soll den wenigstens der SE anrufen (ein Wort unverständlich)

A: Hmm...

B: Alles klar?

A: Alles klar. (...)

B: Hallo! Üb doch mach mal auf diesen H und die Seinen Druck aus, damit der diese Kassettensachen / Kassettenarbeiten erledigt, Mann.

A: Mann, den habe ich gestern gesehen, der wird nun Bescheid geben ... dem SE und den Seinen.

B: Ruf Du an! Ruf Du an! Der wird, Mann, dem B noch nicht mal alles gesagt haben, der Esel.

A: Nein, nein, ich bin gestern bei ihm gewesen.

B: Der / Er selbst wird es denen nicht gesagt haben, ja!

A: Hmm...

B: Das ist das Problem. Sieh mal, ihr könntet Euer Auto schön fein zulassen, Mann.

A: Hmm.

B: 200... 100... 200 Lira werden da kommen.... also. Üb Du Druck auf diesen H aus, ich habe seine Telefonnummer nicht.

A: Ich habe (mit ihm) gesprochen, ich habe auch keine Telefonnummer, aber der wird eben Bescheid geben.

B: Aha.

A: Ich war gestern mit dem zusammen.

B: Alles klar, also wir sehen uns.

A: Alles klar."

- Gespräch vom 10. Mai 2004 (Gesprächsnummer 221, TKÜ by-Tec)

Drei Tage später folgt ein weiteres Gespräch. In diesem weist der Angeklagte Y. H.S. an, das Geld für die Organisationszeitschrift entgegenzunehmen. Im Telefongespräch erklärt H.S., der sich in Ulm aufhält, dem Anrufer (Angeklagter Y., der H.S. erneut als "mein Iman" anspricht), er sei jetzt "bei dem Jugendlichen / Halbstarken da". Daraufhin erklärt der Angeklagte Y. (B), dass er Bescheid wisse und weist H.S. (A) wie folgt an:

"B: (...) Nimm Du deren Dings - Geld, Mann...

A: Nun ich werde...

B: ... das Geld für die Wöchentliche.

A: ... ein wenig... die sehen / treffen, so in einer Stunde. Ich hatte gestern angerufen, da hatten sie es noch nicht zusammen.

A: Ja, die hatten 90 Lira...

A: Ja... sie müssen die letzte ... die letzte Ausgabe komplett machen und noch diese Ausgabe.

B: Von einer Ausgabe hätten sie 90 Lira und ich habe es so / somit gefragt...

A: Ja....

B: Was sie auch immer in den Händen haben, nimm Du das an Dich...

A. Ja....

B: Und bezüglich dem Rest, hol’ doch mal eine Information ein: Was sie gemacht haben und so... Bei dem Jungen kommt nichts bei raus (lt. Sprachsachverständiger B i.S.v. "Das führt zu nichts..."). Wie auch immer, was dabei nun auch rauskommt. Was sollen wir machen?

A: Hmm.

B: Was hast du gemacht?

A: Es ist gut, Mann...

B: Wann kommst Du in diese Gegend / Richtung?

A: Derzeit... vielleicht komme ich heute Abend, Mann (...)"

- Gespräch vom 12. Mai 2004 um 17:49 Uhr (Gesprächsnummer 243, TKÜ by-Tec)

Wiederum zwei Tage später erkundigt sich der Angeklagte Y. (B), der von einer Festnetznummer in Stuttgart anruft (AI: A K), bei H.S. (A), der sich in Ulm aufhält, nach dem Stand der Gebietsarbeiten; exemplarisch zeigt der Wortlaut des Telefongesprächs die Themen (Organisationszeitschrift, Spenden, Eintrittskarten) auf, die der Regionsleiter Süd (Angeklagter Y.) mit dem Bölgeleiter Ulm (H.S.) zu erörtern hat:

"A: Hallo? (...)

B. Iman, wo bist du?

A: Ich hab‘ angerufen, es war aus, mein Landsmann.

B. Der Akku von meinem Telefon war leer, Mann.

A: Aha... ich bin rüber gegangen. ich bin bei dem Jugendlichen / Halbstarken dort. (...)

B: ... hast Du deine Zeitschriften abgeholt?

A: Hab‘ ich abgeholt, hab‘ ich abgeholt...

B: Aha... Befand sich bei Dir Kassettengeld oder so etwas? Hast Du was zurückgelassen / hinterlegt?

A: Nein... äh... ich habe das, was vorhanden war, dagelassen.

B: Ticket oder so? (Wort unverständlich)

A: Hab‘ ich dagelassen, die habe ich dagelassen.

B: Alles klar. Gut. Die Abrechnungen / Rechnungen und so hast Du alle dagelassen, ja?

A: Ja. Wo ist dieser Junge, der O?

B: O ist in Dings, Mann. Du kannst den dort / von dort erreichen. Er sagt: Der hat meine Papiere noch nicht erledigt. Ich, so sagt er, habe den zwar gesehen / getroffen...

A: Was?

B: Habe / hat meine Papiere noch nicht erledigt / geregelt. Wenn ich sie regle / erledige werde ich zurückkehren, sagt er.

A: Ich habe seine Telefonnummer nicht, Mann.

B: Den... Nimm den nicht so Dings, nehmt den nicht so ernst.

A: HmmHmm.

B. Kümmert Euch um Eure Arbeit.

A: Hmm.

B. Mischt Euch nicht ein und nehmt (ihn) nicht ernst. Wenn er kommt, dann kommt er. Was sollen wir machen...

A: (Stöhnt)

B: Alles, klar, mein Iman. (...)

A: Bist Du dahin zurückgekehrt?

B: Ja... ich bin in Dings... ähh...

A: Hmm...

B: ... ich bin beim Markt / bei den Geschäften...

A: Hmm.

B: Also... ähh... es könnte sein, dass ich Dich womöglich anrufe...

A: Hmm.

B: ... wenn Du Dich heute und morgen bevorzugt da in der Gegend aufhältst, wäre es gut...

A: Alles klar. (...)"

- Gespräch vom 13. Mai 2004 um 12:51 Uhr (Gesprächsnummer 246, TKÜ by-Tec)

Einen Tag später erkundigt sich der Angeklagte Y., der aus einer öffentlichen Telefonzelle in Stuttgart anrief, erneut bei H.S., der sich in der Innenstadt von Ulm aufhielt, ist nun aber deutlich angespannter: Im Verlauf des Gesprächs rügt der Angeklagte Y. (B) den H.S. (A), weil die Zeitschriften nicht abgeholt wurden, wie folgt:

"B: (...) Habt Ihr die Zeitschriften von dieser Woche genommen / abgeholt, letzte Woche, diese Woche oder wenn nicht dann nicht (auch mögliche Übersetzung: oder etwa nicht)?

A: Ich habe sie nicht genommen / abgeholt, Mann.

B: Diese Woche habt Ihr Sie auch nicht genommen / abgeholt?

A: Nein.

B: Ja und wer wird sie bringen? Sollen wir sie da mit einem Helikopter absetzen?

A: Also, der Mann muss kommen und sie abholen, Mann.

B: Mann, wieso soll der Mann für zehn Zeitschriften hierhin kommen, Freund?

Die Männer ... wenn es denn so ist ... wenn Ihr SE und denen eingeschärft hättet / beauftragt hättet, oder wenn er es selber hin gebracht hätte..

A: Also die ... normalerweise ...

B: ... oder sagt es uns.

A: ... müssten die genommen / abgeholt haben... eigentlich...

B: Ja habe ich ja verstanden, (aber) soll ich die Zeitschrift für dort jetzt mit dem Helikopter schicken? Wie auch immer, also dann, wir sehen uns / sprechen uns?

A: Ja..."

- Gespräch vom 14. Mai 2004 (Gesprächsnummer 255, TKÜ by-Tec)

Der Angeklagte Y. (Anrufer), der den Angerufenen Hassan S (B) erneut mit "mein Iman" anspricht, erkundigt sich bei diesem nach dem Stand verschiedener Aktivitäten, u.a. bezüglich der Schulden aus einer Abendveranstaltung wie folgt:

"B: Was hat der andere Mann mit seinen Schulden gemacht? Diese... seine Schulden, die von der Abendveranstaltung noch übrig waren?

A: Der hat auch nichts / bei dem ist auch nichts zu holen. Der eröffnet gerade einen Ort (lt. Angaben des Sprachsachverständigen B i.S.v. Geschäft / Geschäftslokal) und wird es so / dann geben.

B: Hat er eröffnet?

A: Nein, er höhlt es innen aus (i.S.v. "er baut innen um").

B: Lass es uns in Raten nehmen, mein Iman...

A: Ja, ja...

B: ... der gibt es nicht, der kann es nicht geben, der Mann.

A: Ich habe gestern (mit ihm) gesprochen...

B: Alles klar.

A: ... da war gar nichts.

B: War nichts, ja?

A: Der hatte fünf Lira Geld bei sich.

B: "Ja gut, hast Du den Dings gesehen. Hat der die Bücher geholt / gekauft / genommen? Wenn Du doch nur beim Y vorbeigeschaut hättest.

A: Ach, den habe ich gesehen, den habe ich gesehen. mit dem habe ich gesprochen, der bereitet es vor. (...)

B: Nun, hast Du denn nicht gesagt: Du hast es zu der anderen Abendveranstaltung nicht gebracht. Ist in der Sache nicht irgendetwas falsch? (...)

B: Was sagt er? Was... Was gibt er als Antwort?

A: Ich habe gesagt: Mann, wir haben Dich an einem Haufen Orten gesucht und nicht gefunden...

B: Und? Was sagt er? Wäre das normal... also?

A: Also... er sagt: Ich arbeitete und vielleicht deswegen...

B: Hmm.

A: ... hab ich das Telefon oder so im Auto oder so gelassen...

B: Gut also, seine Moral und so ist gut? Es gibt also kein Problem?

A: Nein, nein. Gut... seine Moral ist gut. (...)

B: Habt Ihr das mit dem O erledigt? Hat O Dich wegen der Dings-Sache angerufen... wegen der Augsburg-Sache (lt. Sprachsachverständigem B ist das Wort Augsburg phonetisch nicht eindeutig)?

A: Nein, der hat mich nicht angerufen, Mann... der...

B: Mein Gott... Alles klar, gut... also wir sehen / sprechen uns.

A: Kommt der nicht in die Gegend?

B: Was weiß ich, ich weiß es nicht. Er wollte Dich anrufen... (...)"

- Gespräch vom 17. Mai 2004 (Nr. 261, TKÜ by-Tec)

Der Angeklagte Y. ruft bei H.S. am Vormittag an, der sich im Bereich Langenau ("bei... diesem SE") befindet, spricht ihn erneut mit "mein Iman" an und teilt ihm folgendes mit: "Ich hab‘ mir gedacht, wenn Du hier in der Gegend bist, dass wir zusammen am Abend nach Köln fahren." H.S. teilt ihm mit, dass dies nicht gehe ("Nein Mann ... ich bin zurückgekehrt."). Daraufhin erklärt der Angeklagte Y., er werde heute Abend gehen und "ein wenig meine Veränderungen und so" abholen, "daher habe ich gedacht, dass wir diese Woche uns auf dem Weg unterhalten können". Im Gespräch fordert der Angeklagte Y. den H.S. auf, sie sollten sich um ihre Arbeit kümmern und - abschließend - sie sollen sich "an den Y dran (hängen), damit wir die Bücher diese Woche dort abholen / nehmen können".

Offensichtlich war dem Angeklagten Y. zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt, dass H.S. noch am selben Tag um 16:14 Uhr (vgl. das bereits zitierte Gespräch Nr. 263) die Weisung erhielt, sich sogleich nach Berlin zu begeben.

- Gespräch vom 18. Mai 2004 (Nr. 265, TKÜ by-Tec)

Um 12:20 Uhr meldet sich der Angeklagte Y. - von einem Münzfernsprecher in Köln - bei H.S., der sich in der Funkzelle Berlin, Manteuffelstraße, aufhielt und fragt diesen "Wie geht’s, wie steht’s, mein Iman." H.S. teilt ihm mit, dass er gut angekommen sei. Die Frage, ob sie gekommen sind, bejaht H.S..

Sodann fragt der Angeklagte Y., ob es eine "Entwicklung" hinsichtlich des "Landsmanns" geben würde; mit "Landsmann" werden üblicherweise Mitglieder / Unterstützer der DHKP-C bezeichnet, so dass die Frage ersichtlich auf die wenige Tage zuvor erfolgte Festnahme des M D abzielt. H.S. verneint dies ("Nein Mann. Es ist nach wie vor so.").

- Gespräch vom 20. Mai 2004, 21:02 Uhr (Gesprächsnummer 274, TKÜ by-Tec)

Dieses Gespräch ist laut Angaben des Sprachsachverständigen B fehlerhaft aufgezeichnet, da sich die Stimmen überdecken; er schilderte überzeugend, dass die Zweikanaltontechnik es problemlos ermöglicht habe, die beiden aufgezeichneten Kanäle - anhand des Beginns und des Endes der jeweiligen Aufzeichnungen - zeitlich wieder so zu versetzen, dass der ursprüngliche Gesprächsablauf wieder hergestellt werden konnte (dasselbe Problem stellte sich auch bei den Gesprächen Nr. 286 und 318).

Der Angeklagte Y., Anrufer, der sich - wie üblich - nicht mit Namen meldet, bespricht mit H.S., der sich zum Zeitpunkt der Anrufs bereits in Berlin, seiner neuen Wirkungsstätte, aufhält und den er auch in diesem Gespräch mit "mein Iman" anspricht, die Organisation des Besuchs des Parteigründungsfestes in `s-Hertogenbosch / Niederlande. Dieses fand nach Angaben der Zeugin KHKin S22. Mai 2004 in `s-Hertogenbosch statt, wobei als Organisator das "Anadolu Kultur Merkez" ("Anatolisches Kulturzentrum") auftrat. Dies wird zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich jedoch eindeutig aus dem Kontext. Zunächst erklärt H.S., dass sie versuchen, "den Bus voll zu bekommen"; aktuell würden 42 Personen mitfahren ("Derzeit... haben wir die 42 erreicht, schauen wir mal..."). Der Angeklagte Y. erwidert: "Und wir versuchen Deinen Bus voll zu bekommen." Ersichtlich bezieht sich der Angeklagte Y. auf die frühere Zuständigkeit des H.S. - er war Bölgleiter Ulm - und die von diesem begonnene Aktivität vor seinem Wechsel als nach Berlin als dortiger Bölgeleiter. Anschließend fragt der Angeklagte Y. bei H.S. nach, wer aus Augsburg und München mitfahren wollte. Dies wird von H.S. detailliert mit den Namen der Aktivisten (B, R, Y, Serafettin, D und der Neffe von M) erläutert; außerdem fügt er hinzu, wem der Angeklagte Y. noch Tickets und / oder Bustickets übergeben muss. Außerdem teilt er ihm mit, von wem er noch "Weg- und Ticketentgelt" nehmen muss (in diesem Zusammenhang nennt er die Namen U, A, H und C). H.S. erklärt, der Bus "hier" werde voll, auch der Angeklagte Y. solle versuchen, den Bus voll zu bekommen. Auf Nachfrage des Angeklagten Y. , wie viel der Bus "dort" - gemeint ist das neue Gebiet des H.S. - koste, erklärt dieser, er würde "1.400 Lira" kosten. Sie verkauften "das Ticket zu 30 Lira". Soweit die Währung Lira genannt wird, ist nach der Überzeugung des Senats der Euro gemeint. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Kontext - die Verhandlungen über den Bus werden in Deutschland geführt -, sondern auch aus den Ausführungen des Sprachsachverständigen B, nach denen türkischsprachige Personen, die in Deutschland leben, häufig von ihrer Heimatwährung Lira sprechen, obwohl sie Euro meinen. Abschließend erklärt der Angeklagte Y.: "Wir sehen uns dann bei der Abendveranstaltung." H.S. antwortet: "Also dann." Der Senat ist davon überzeugt, dass sich die Verabredung auf die Teilnahme am Parteigründungsfest bezog.

H.S. hatte seine Absicht, am Parteigründungsfest persönlich teilzunehmen, - schon vor seinem Wechsel nach Berlin - bereits in einer von ihm am 07. Mai 2004 verfassten SMS (Nr. 189, TKÜ by-Tec) an eine unbekannte Adressatin kundgetan: "Es wäre schön, wenn ich dich und alle Freunde bei der Feier am 22. Mai in Holland sehen würde."

- Gespräch vom 21. Mai 2004 (Nr. 284, TKÜ by-Tec)

Auch an diesem Tag knüpfen der Angeklagte Y. - er ruft aus einer Telefonzelle in München an - und H.S. (Funkzelle Berlin), der auch in diesem Gespräch mit "mein Iman" angesprochen wird, an das Gespräch vom Vortag an. H.S. erklärt, "wie haben es hier vollgemacht". Auf die Frage des Angeklagten Y., ob er "irgendwelche Ticketgelder oder so" hatte, antwortet H.S.: "Zwei Stück." Der Angeklagte Y. berichtet über seine Bemühungen (C und H seien nicht hier, von Y und A habe er Gelder genommen usw.) und beklagt, dass "es trotzdem nicht voll" werde; "auf der anderen Seite wären dreißig Personen".

- Gespräch vom 31. Mai 2004 (Nr. 358, TKÜ by-Tec)

Auch in diesem Gespräch spricht der Angeklagte Y. (Festnetz München, AI: N D) den H.S. (Funkzelle: Berlin) mit "mein Iman" an.

Er gibt zunächst eine Rufnummer durch und fragt sodann H.S., ob er ihnen bis Freitag "2.500 geben" könne, sie würden das am "15. Juli geben", womit dieser einverstanden ist. Am Ende des Gesprächs fragt der Angeklagte Y. unvermittelt, ob "wenigstens etwas übrig bleiben wird", woraufhin H.S. antwortet, derzeit seien es "über zehntausend" Umsatz; "es werden wohl sechs übrig bleiben". Abschließend fragt der Angeklagte Y.: "Dann könnt Ihr Eure Schulden bezahlen und vielleicht den Verein mieten, oder?" Dies bejaht H.S..

Weitere Gespräche aus der TKÜ by-Tec, die im Urkundsbeweis eingeführt wurden, belegen, dass der Angeklagte Y. auch noch im Sommer 2004 mit H.S. in Kontakt stand und dass H.S. noch als Vermittler zwischen Aktivisten, die sich aufgrund seiner früheren Funktion an ihn wandten, und dem Angeklagten Y., der weiterhin die Region Süd bereiste, auftrat; in folgenden Gesprächen zwischen H.S. und Aktivisten wird über "K", d.h. den Angeklagten Y., gesprochen:

- Gespräche vom 10. Juni 2004 (Gesprächsnummern 405 und 409, TKÜ by-Tec)

Gegen 12:19 Uhr hält sich H.S. ausweislich der Funkzellenkennung seines Mobiltelefons in Pirna-Copitz auf (Nr. 405); der Anrufer "Schero" (phon.) spricht ihn mit "Dede" an; auf die Frage des H.S., ob A, bei dem sich der Anrufer befand, seinen Laden aufgemacht habe, fragt ihn "Schero": "Hat K A nichts gesagt?" Der Angeklagte verneint dies, woraufhin der Anrufer fragt, ob K A diese Woche nicht komme. Darauf erwidert H.S.: "Er wird kommen, er wird wohl kommen."

Um 15:25 Uhr befand sich H.S. in Dresden (Nr. 409); er erhielt einen Anruf von einem Festnetzanschluss (AI: N D) in München; der Anrufer erklärt, sie hätten ihn vermisst, und fragt: "Woher kommt denn diese Berlin-Geschichte?" H.S. antwortet auf die Frage knapp: "Also, das ist so", ohne dies näher zu erläutern. Er kündigt einen baldigen Besuch an. Der Anrufer erkundigt sich weiter, wie es K A gehe; H.S. antwortet, es gehe ihm gut, er werde wohl am nächsten Tag bei ihnen vorbeikommen. Der Anrufer erklärt, er wollte "die Telefonnummer von dem Anwalt und so haben", worauf H.S. entgegnet: "(...) er wird morgen kommen, dann kannst Du das mit (ihm) besprechen." Soweit in der ursprünglichen Inhaltszusammenfassung dieses Gesprächs nicht von K, sondern von Kazim die Rede ist, handelt es sich nach den zuverlässigen Angaben des Sprachsachverständigen B um ein Versehen; zu hören sei "eindeutig" K.

- Gespräch vom 23. Juli 2004 (Gesprächsnummer 637, TKÜ by-Tec)

Am Nachmittag dieses Tages hielt sich H.S. in Dresden auf; er unterhält sich mit dem Anrufer über die Telefonnummer eines Ibo, der nicht da sei; er bittet den Anrufer, er solle "den K" anrufen und sie sich von ihm geben lassen. Er selbst habe es auch schon versucht, aber es habe nicht geklappt. Wenn er die Nummer von Ibo bekomme, "dann geht das".

Durch die Erkenntnisse des BfV, des Bayrischen LfV und des BND wird bestätigt, dass der Angeklagte Y. durchgängig bis zu seiner Festnahme als Führungsfunktionär für die DHKP-C tätig war.

Nach Angaben des Zeugen RD V trat der Angeklagte Y. nach Erkenntnissen des BfV Im April 2003 zunächst als Leiter des Gebiets Stuttgart auf und spätestens ab Oktober 2003 bis zu seiner Festnahme im November 2006 auch als Verantwortlicher für die DHKP-C-Region Süd. In diesen Leitungsfunktionen wies der Angeklagte Y. die Anhänger der DHKP-C im Gebiet Frankfurt und in Baden-Württemberg und Bayern bei der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen und Demonstrationen sowie bei Spendensammlungen und dem Verkauf von Publikationen an. Er war für die Durchführung der jährlichen Spendensammlung zuständig. Ferner war er für die Weiterleitung der Spendengelder und die bei Musikveranstaltungen angefallenen Einnahmen verantwortlich. Auf von ihm geleiteten Zusammenkünften von Mitgliedern und Sympathisanten erläuterte er die aktuelle politische Linie und die zukünftigen Planungen der DHKP-C. Durch Schulungen, Informations- und Vortragsveranstaltungen vermittelte er politische und ideologische Hintergründe und motivierte die Anhänger zur Unterstützung der DHKP-C. In dieser Funktion führte der Angeklagte Y. die Decknamen R und K.

Nach der amtlichen Erklärung des Bayerischen LfV vom 01. Oktober 2007 wurde der Angeklagte Y. (Deckname: K) seit dem Frühjahr 2003 als neuer Leiter des Gebietes Süddeutschland bekannt. In dieser Funktion leitete er z.B. eine Seminarveranstaltung der Anatolischen Föderation gemeinsam mit deren Vorsitzender am 18. September 2004 im Verein HA Kültür Evi e.V. in Nürnberg.

Nach dem Behördenzeugnis des BND vom 17. September 2007 war der Angeklagte Y. bis zu seiner Verhaftung am 27. November 2006 Verantwortlicher der DHKP-C "für Stuttgart".

Dazu passen die Erkenntnisse des LfV Baden-Württemberg; der Zeuge ORR K berichtete zum einen über die Teilnahme des Angeklagten Y. auf der DHKP-C-Schulungsveranstaltung in Eberbach Anfang August 2004 (hierzu an anderer Stelle mehr), zum anderen über zwei Aktivitäten des Angeklagten Y. im Jahre 2005:

- Demonstration am 02. Juli 2005 in Stuttgart

Bei einer Kundgebung vor dem Türkischen Generalkonsulat, die aus Anlass des Todes von 17 MKP-Anhängern in der Türkei demonstrierten, war der Angeklagte Y. als Delegationsmitglied der DHKP-C dieser - nicht von der DHKP-C organisierten Veranstaltung - anwesend.

- Veranstaltung am 21. Oktober 2005 in Stuttgart

Bei dieser bei dem Amt für öffentliche Ordnung angemeldeten Veranstaltung vor dem Staatstheater (in der Nähe des Landtags), die aus Anlass des Gedenkens der Verstorbenen des Todesfastens, erfolgte, war der Angeklagte Y. einer der sieben Teilnehmer.

Der Angeklagte Y. räumte die Teilnahme an diesen Veranstaltungen (unter dem Stichwort "legale Betätigung") ein.

Veränderungen im Lebensbereich des Angeklagten Y. ergaben sich im Jahre 2005 nicht. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass er auch im Jahre 2005 wie schon zuvor weiter durchgängig als Leiter der Region Süd agiert hat. Hierfür spricht auch die Fortdauer seiner entsprechenden Führungsfunktion im Jahre 2006; hierzu im Einzelnen:

Die Ergebnisse verschiedener Ermittlungsmaßnahmen im Jahre 2006 ermöglichen es, ein Bild des Angeklagten Y. zu zeichnen, wonach er sowohl in seinem Gebiet, der Region Süd, als auch darüber hinaus ständig in Sachen DHKP-C unterwegs war; wie bereits ausgeführt, wurde aus diesem Grund der frühere Mitangeklagte A durch den Angeklagten Y. ersetzt, da diesem die mit der Funktion verknüpfte hohe Reisetätigkeit, verbunden mit einem Leben aus der Reisetasche aufgrund seines robusten Gesundheitszustandes keine Probleme bereitete.

Die Ermittlungsergebnisse der AG Karatas wurden von dem Zeugen KHK S ausführlich und überzeugend dargestellt. Diese decken sich mit den Erkenntnissen aus den eingeführten Telefongesprächen, Observationen und weiteren Ermittlungshandlungen. Nach Angaben des Zeugen KHK S wurde die AG Karatas schon früh auf den Angeklagten Y. aufmerksam. Im Verlauf der Ermittlungen stellte sich heraus, dass er "Gebietsverantwortlicher" war. Seit dem 18. Mai 2006 bestand eine richterliche Anordnung auf längerfristige Observation des Angeklagten Y., ab 30. Juni 2006 schließlich eine Telefonüberwachung seines Mobiltelefons (TKÜ Y.); er habe aber nicht nur dieses - überwiegend als Empfangshandy - benutzt, sondern auch aus öffentlichen Telefonzellen, Call-Centern und von Anschlüssen von Freunden und Bekannten telefoniert. Im Ergebnis stellte die KPI Augsburg fest, dass B A im regionalen Augsburger Raum und für einen Personenkreis aus München der Ansprechpartner schlechthin war; dieser wiederum erhielt von dem Angeklagten Y. Anweisungen und versuchte, diese umzusetzen. A A stellte sich als Aktivistin heraus, die selbständig Kontakt zu Y. hielt. In den Telefonaten gab er "kurz und bündig" bestimmende Anweisungen. Er hatte Kontakte zu zahlreichen Personen, unter anderem zu E D (Pforzheim), A T (Stuttgart), Serpil S (Bühl), E V (Neuhaus), M A (Langenau), M E (Sindelfingen), M B (Stuttgart), C K (Pforzheim), Nilgün B (früher: D; München), M A (Mühlacker), H Y (Nufringen), S A K (Nürnberg), SE Y (Langenau), D B (Regensburg), E G (Köln) und A K (Ulm).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nutzte der Angeklagte Y. sein Mobiltelefon (TKÜ Y.) auch als Empfangshandy für Kontaktaufnahmen mit Aktivisten. Ausweislich des Protokolls vom 28. November 2006 ließ er sich bereits bei seiner Vernehmung anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls wie folgt ein: "Mein Handy lief nicht auf meinen Namen, sondern wurde von meiner älteren Schwester Suna Y. in Deutschland angeschafft und von mir wurde die Nummer verwendet. Ich bin mir sicher, dass ich keine weiteren Handys habe." Diese Einlassung korrigierte der Angeklagte Y. dahingehend, dass seine Schwester die SIM-Karte nicht gekauft, sondern von Vesile Y, anlässlich eines gemeinsamen Einkaufs bei einem Besuch, erhalten habe; diese habe erklärt, dass sie diese nicht mehr benutze. Vesile Y sei schon eine sehr gute Bekannte der Familie gewesen, bevor sie nach Deutschland gekommen sei, in Köln hätten sie mit dieser eine Zeit lang die Wohnanschrift geteilt.

Die Nutzung dieses Telefonanschlusses (TKÜ Y.) räumte der Angeklagte in der Hauptverhandlung ein. Eine konspirative Nutzung hat er indes bestritten. Vielmehr habe er über den Anschluss überwiegend Gespräche mit seinem sozialen Umfeld, mit seinen Anwälten, dem Job-Center, Gerichtsdolmetschern, der Ulmer Polizei und seiner Bewährungshelferin geführt. Exemplarisch für solche Privatgespräche wurde auf seine Anregung aus der Liste der von der KPI Augsburg als "nicht relevant" eingestuften Gespräche der TKÜ Y., die nebst CD-ROM mit Tondateien der Verteidigung zur Verfügung gestellt wurde, ein solches Gespräch mit dem JobCenter Sindelfingen in die Hauptverhandlung eingeführt; in diesem am 21. September 2006 um 09:54 Uhr geführten Gespräch meldete sich der Angeklagte Y. zwar nicht mit Namen, bestätigte aber die Frage der Anruferin: "Spreche ich mit dem Herrn Y.?" mit "Ja."; unter Hinweis auf seine schlechten Deutschkenntnisse bat er um die Telefonnummer und sicherte einen Rückruf zu.

Die Einlassung, es seien mit diesem Mobiltelefon keine konspirativen Gespräche geführt worden, ist durch die festgestellten Verbindungsdaten und den Inhalt der Gespräche jedoch widerlegt.

Die Einlassung des Angeklagten Y., dass er das Mobiltelefon auch für Privatgespräche nutzte, trifft zwar zu; nach Angaben des Zeugen KHK B waren im (Mobil-) Telefonspeicher des bei der Festnahme des Angeklagten Y. beschlagnahmten Mobiltelefons insgesamt 202 Telefonnummern mit deutschen Vorwahlnummern gespeichert, wobei in der Zeit vom 08. September bis 23. November 2006 20 Anschlüsse angewählt wurden. Neben Rufnummern, die DHKP-C-Kontakte belegen (bspw. die Rufnummern des E D, des E G, des H A und - wie bereits bei dem Angeklagten G. ausgeführt - der "H" = H D), finden sich auch Kontakte ohne DHKP-C-Bezug (z. B. JobCenter). Die in der Hauptverhandlung über Tage hinweg in Augenschein genommenen Gespräche belegen aber, dass er das Telefon wie alle hohen Führungsfunktionäre der DHKP-C auch als sogenanntes "Empfangshandy" für seine Organisationstätigkeit nutzte. Auch der Zeuge KHK S hat bekundet, dass die Gespräche der TKÜ Y. zum überwiegenden Teil als Beleg für die Betätigung des Angeklagten Y. für die DHKP-C gewertet und aus diesem Grund als "relevant" zu den Ermittlungsakten genommen worden seien. In den Gesprächen wird, wie Zitate hieraus belegen, meist nicht offen, sondern nur abstrakt über die Erledigung von "Sachen", von "Arbeiten" etc. gesprochen, auch die namentliche Anrede war die Ausnahme. Das Bemühen der Gesprächspartner, den wahren Gesprächsanlass nicht zu nennen, ist in zahlreichen Gesprächen evident, insbesondere wenn Nachfragen nicht beantwortet werden können.

Dass der Angeklagte Y. das Mobiltelefon - weisungswidrig und deshalb in der Vergangenheit von der Europaverantwortlichen moniert (hierzu später mehr) - auch für reine Privatgespräche mit der Bewährungshelferin, dem Job-Center etc. nutzte und in diesen Gesprächen offen sprach, ändert an der Einschätzung nichts und begründet insbesondere keine Zweifel an seiner Einbindung in die Organisation.

Er nutzte sein Fahrzeug VW Golf, amtliches Kennzeichen: K-BB 7191, im Jahre 2006 insbesondere für die Ausübung seiner Funktion als Regionsleiter Süd.

Der Angeklagte Y. räumte zwar ein, dass das Fahrzeug VW Golf, amtliches Kennzeichen: K-BB 7191, auf ihn zugelassen war, behauptete aber, das Fahrzeug sei auch von vielen anderen Personen genutzt worden, von ihm zu 80 % im Zusammenhang mit Unterstützungsaktivitäten betreffend seinen Anwaltskollegen B A; er habe sich deshalb "an 16 Rechtsanwaltskammern, etwa 100 Rechtsbüros und dutzende Abgeordnete gewandt". Dessen Hungerstreik schilderte er ausweislich des Protokolls vom 28. November 2006 bereits bei seiner haftrichterlichen Vorführung; damals gab der Angeklagte Y. an, sich seit April 2006 für die Hungerstreiks in der Türkei zu interessieren, weil ein ihm bekannter Anwalt am 05. April 2006 in Hungerstreik getreten sei. Er sei deshalb auch einmal in einen "Solidaritätshungerstreik" getreten. Dass sich der Angeklagte Y. ab Frühjahr 2006 mit dem Hungerstreik des B A befasst hat und auch versucht hat, hierfür eine Öffentlichkeit zu schaffen, ist zwar durch die Beweisaufnahme bestätigt; so fanden sich, wie der Zeuge KHK B bekundete, auf der Compact-Flash-Card (aus seiner Reisetasche, sichergestellt in der Wohnung D) diverse Schreiben, die sich mit der Thematik des Todesfastens befassen, auch des türkischen Rechtsanwalts B A, und überdies eine Liste mit Adressen von Bundestagsabgeordneten, Rechtsanwälten etc..

Die Einlassung zur Art der Nutzung des Fahrzeugs ist aber durch die Beweisaufnahme widerlegt. Dem Angeklagten Y. kann zur Überzeugung des Senats nachgewiesen werden, dass er das Fahrzeug VW Golf, K-BB 7191, weit überwiegend selbst benutzt hat und dass er dies in Ausübung seiner Funktion als Leiter der Region Süd getan hat.

Die Feststellungen zu den umfangreichen Reisebewegungen des Angeklagten Y. stützen sich zunächst auf ein Bewegungsbild des Fahrzeugs, das der Zeuge KK Sch für den Zeitraum von 21. Juni bis 28. November 2006 erstellt und in der Hauptverhandlung präsentiert hat. Dieses basiert auf der Auswertung von Geodaten / Geopositionen, die ein an dem auf den Angeklagten Y. zugelassenen Fahrzeug VW Golf III Variant, amtliches Kennzeichen: K-BB 7191, angebrachtes GPS-Ortungsgerät aufgezeichnet hat und die regelmäßig per Datenfernübertragung übermittelt und ausgewertet wurden. Der Zeuge KK Sch hat sämtliche Reisebewegungen des Fahrzeugs anhand digitaler Landkarten, die auf der Basis sämtlicher ungefilterter Rohdaten erzeugt wurden, Tag für Tag en détail dargestellt; nur vereinzelt gab es (wegen fehlender Stromzufuhr) Unterbrechungen des Datenstromes, beispielsweise in der Zeit vom 28. August bis 05. September und vom 12. bis 16. November 2006.

Diese Standortkennungen des Fahrzeugs wurden vereinzelt durch Observationen und in zahlreichen Fällen mit Funkzellenortungen seines Mobiltelefons abgeglichen; ausweislich des Schreibens der KPI Augsburg, KHK E, vom 15. Dezember 2009 werden bezüglich der (Mobil-) Funkzellenortungen nur die Standorte der BTS (Base Transceiver Station / "Mobilfunkzelle") während der Verbindung angezeigt. Ein weiterer Abgleich erfolgte mit den Gesprächsinhalten. In aller Regel stimmten die Geopositionen des Fahrzeugs, die Funkzellen des Mobiltelefons und die immer wieder auch gesprächsweise angegebenen Aufenthaltsorte überein, so dass erwiesen ist, dass nicht vor allem Dritte sein Fahrzeug benutzten, sondern überwiegend er selbst. Dadurch ist eine umfangreiche Reisetätigkeit des Angeklagten Y. "quer durch das Bundesgebiet" belegt, überwiegend in der von ihm geführten Region Süd mit den Städten Stuttgart, Nürnberg, München, Augsburg, Regensburg und Langenau, darüber hinaus u.a. nach Köln und Darmstadt sowie nach Belgien. Nach Angaben des erfahrenen Beamten KK Schneider hat die für die Überwachung mit GPS-Ortungsgeräten zuständige Abteilung in anderen Verfahren eine solche Vielzahl von Fahrten weder zuvor noch danach festgestellt. Zahlreiche Aufenthaltsorte konnten Aktivisten, Tarnvereinen und sonstigen Zielorten, wie beispielsweise der Druckerei G, zugeordnet werden.

Markante Standorte des Fahrzeugs:

- Stuttgart, Schloßstraße

Zentraler Anfahrts- und Abstellort sowie Ausgangspunkt für Fahrten war ausweislich der Spurdaten die Schloßstraße in Stuttgart in der Umgebung der Hausnummer. Dort befindet sich - wie der Zeuge KHK Schmitt bekundete und wie noch näher ausgeführt wird - A.K. e.V., ein Tarnverein der DHKP-C. Der Fahrzeug war dort häufig auch über Nacht abgestellt.

- Sindelfingen-Maichingen, H-Straße

Hier handelt es sich um den Wohnort der Schwester des Zeugen K und deren Ehemann, E und M E, wo nach Angaben des Zeugen KHK S eine Kopie des Selbstbezichtigungsvideos der Sengül A bei der Durchsuchung der KPI Augsburg sichergestellt werden konnte; nach den glaubhaften Angaben des Zeugen K kannte seine Schwester den Angeklagten Y. aus einem türkischen Verein in Stuttgart und empfahl ihm diesen als Mieter für das Zimmer in Magstadt;

- H, August-Blessing-Straße Nr.

In der August-Blessing-Straße ist der Geschäftssitz der Druckerei G, die zu dieser Zeit die Zeitschrift "Yürüyüs" druckte. Das Fahrzeug steuerte diese am 06., 27., 28. Juli, 08., 18. August, 12. September, 10., 12., 18. Oktober und am 21. November 2006 an, wobei insoweit davon auszugehen ist, dass der Angeklagte Y. sich insgesamt nur 2 bis 3 Mal persönlich in die Geschäftsräume der Druckerei G begeben hat (hierzu später mehr), so dass die weiteren Fahrten zur Druckerei mit dem Fahrzeug des Angeklagten Y. in Begleitung Dritter oder von anderen Aktivisten unter Zurverfügungstellung des Fahrzeugs durch den Angeklagten Y. erfolgt sind;

- Neusäß-Ottmarshausen

Wie unter anderem vom Zeugen KHK S bekundet hat, handelt es sich bei dem Anwesen der Familie B und Ayse A um einen regelmäßigen Treffpunkt der dortigen Unterstützer und Aktivisten und Übernachtungsort des Angeklagten Y.; mit dem Fahrzeug wurde dieser Ort angefahren am 14., 29./30. Juli, 10., 24. August, 07., 21. September, 06., 29. Oktober, 10. und 22. November 2006.

Die engen Verflechtungen zwischen dem Angeklagten Y., den Eheleuten A und weiteren DHKP-C-Aktivisten konnten im Rahmen der Beweisaufnahme durch weitere Umstände belegt werden:

Ausweislich der Angaben der Zeugin RAG A und des Protokolls der Eröffnung des Haftbefehls vom 28. November 2006 räumte der Angeklagte Y. nach Eröffnung des Haftbefehls - ohne weitere Erläuterung, nach der Erinnerung der Zeugin RAG A auf (die nicht protokollierte) Frage des anwesenden Staatsanwalts - ein, das Ehepaar A zu kennen. Diese Aussage bezog sich auf die Ausführungen im Haftbefehl vom 09. November 2006, die Eheleute Ayse und B A aus Neusäß bildeten im regionalen Augsburger Raum und auch für einen Personenkreis aus München die Ansprechpersonen in Sachen DHKP-C schlechthin. Der Angeklagte Y. wurde im Haftbefehl als hierarchisch in der Struktur der DHKP-C deutlich über diesen angesiedelt.

Die Bekanntschaft des Angeklagten Y. mit B A belegt weiter ein Telefongespräch vom 24. März 2006 (ID: 414.912, TKÜ Lubecki), das der Angeklagte Y. mit dem Mobiltelefon des B A führt; der Angerufene geht zunächst davon aus, dass B A anruft und begrüßt ihn mit "Hallo Bruder B". Daraufhin lacht der Angeklagte Y. und erklärt: "Ich, ich. Guten Tag." Der Angerufene äußert sodann: "Ach, bist du es?" Dass er den Angeklagten Y. erkannt hat, belegt der Umstand, dass er ihn sodann mit "K A B" anspricht. Der Angeklagte Y. teilt mit, dass sie bei B seien. In Kürze gehe er zurück nach Stuttgart. Sodann besprach der Angeklagte Y. die Möglichkeit des Verkaufs von Flohmarkt-Artikeln, die es bei B reichlich geben würde, zur Erzielung von Einkünften für den Verein; er solle mit der Schwägerin vorbeikommen, damit sie "mal schauen, dass sie das von dort mitnehmen und reichlich verkaufen mögen". Die Schwägerin erhalte auch einen Anteil. Am Ende des Gesprächs gibt der Angeklagte Y. den Hörer noch an B A weiter.

Auch der Zeuge C B bekundete, den Angeklagten Y., den früheren Mitangeklagte H.S. und auch die Eheleute A zu kennen; auf Vorhalt des überwachten Telefonats vom 26. April 2006 (ID-Nr. 420.876, TKÜ Lubecki), erkannte er B A und bestätigte, dass er diesem einmal eine Kamera zur Verfügung gestellt habe. Über allgemeine Angaben zu dem Angeklagten Y. und H.S. hinaus (z.B. "Sie sind Revolutionäre. Man erkennt das, wie sie sprechen.") war der Zeuge jedoch nicht willens, wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Bei dem genannten Telefonat handelt es sich bei dem Anrufer zweifelsfrei um den Angeklagten Y.; dieser verabredet ein Treffen mit A B und legt Wert darauf, dass sämtliche Aktivisten aus dem Gebiet teilnehmen ("ich muss alle treffen");

Weitere Besuche des Angeklagten Y. bei den Eheleuten A konnten durch Observationsmaßnahmen nachgewiesen werden.

Der Zeuge KHK a.D. K berichtete über die Beobachtung des Anwesens A, eines gemieteten ehemaligen Bauernhofs im L-Format aus einer dafür angemieteten konspirativen Wohnung. In dem Bauernhof habe Ayse A mit den beiden Töchtern gewohnt; B A, der eine andere Lebensgefährtin gehabt habe, sei öfters anwesend gewesen. Aus der konspirativen Wohnung heraus observierte der Zeuge das Objekt unter anderem am 27. April 2006; gegen 20:17 Uhr traf der weiße Golf mit dem amtlichen Kennzeichen K-BB 7191, bei dem Anwesen A ein. Der Zeuge KHK a.D. K Erkannte den Angeklagten Y., der ihm aus mehreren Fotos des Angeklagten Y., die sich auf der Dienststelle befanden, bekannt war, trotz der einsetzenden Dämmerung aus einer Entfernung von 80 m eindeutig mit Hilfe eines fixierten Fernglases mit der Vergrößerungszahl 20 wieder. Einzelheiten zu den Vergleichsbildern konnte der Zeuge K nicht mitteilen, insbesondere konnte er nicht sagen, ob es sich um die Bilder aus einer erkennungsdienstlichen Behandlung handelte, die ihm in Vorbereitung seiner Zeugenaussage mitgegeben und die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurden. Dies ändert indes nichts an der Zuverlässigkeit der Bekundung des Zeugen. Der Zeuge K ist bezüglich der Wiederkennung von Personen bei Observationen äußerst erfahren; vor seiner Pensionierung im Sommer 2006 war er über einen Zeitraum von 18 Jahren mit Observationen betraut. Der Zeuge beschrieb im Einzelnen, woran er festgemacht hat, dass es sich um den Angeklagten Y. gehandelt hat. Neben allgemeinen Angaben (schlanke Statur, kurze graue Haare) nannte er als Besonderheit dessen hervorstehende, "eher griechisch-römische Nase", was auf den Angeklagten Y. zutrifft. Nach alledem ist der Senat überzeugt, dass es sich bei der Person, die am 27. April 2006 das Anwesen A angefahren hat, um den Angeklagten Y. gehandelt hat. Nach den weiteren Bekundungen des Zeugen ging dieser mit einem aktentaschenähnlichen Gegenstand, den er aus dem Kofferraum des Fahrzeugs holte, in das Haus. Nach wenigen Minuten verließ er dieses wieder und fuhr weg. Kurze Zeit später, gegen 21:05 Uhr, wurde das Fahrzeug erneut in der Fabrikstraße abgestellt. Einzelheiten zu diesem zweiten Besuch konnte der Zeuge nicht berichten, da er die Anfahrt nicht direkt wahrgenommen hat.

Ein weiterer Besuch am 21. Juni 2006 gegen 13:00 Uhr belegt eine weitere Observation; die Zeugen KHK a.D. K und KHM Sch bekundeten übereinstimmend, den Angeklagten Y. sicher erkannt zu haben, als er mit dem genannten VW Golf, der zuvor - neben weiteren Fahrzeugen - an der Wohnanschrift A abgestellt gewesen war, in wenigen Metern Entfernung an ihnen vorbeifuhr. Die Zeugen folgten anschließend dem Angeklagten Y. bis zur A 8 in Fahrtrichtung München; dort übernahmen anderen Beamte die Observation. Der Zeuge KHM Sch bekundete, er habe die Vergleichsfotos an diesem Tat oder am Vortag auf der Dienststelle angeschaut, um einen aktuellen Eindruck vom Gesicht und Profil des Angeklagten Y. zu haben; auch der Zeuge KHM Sch konnte sich - auch nach Vorhalt der bei der KPI Augsburg vorhandenen (Telefax-) Lichtbilder - nicht mehr erinnern, welche Bilder ihm als Vergleichsbilder zur Verfügung standen. Der Zeuge KHM Sch war sich aber sicher, dass zwischen der Person auf den Lichtbildern und der observierten Person Personenidentität bestand. Die an diesem Tag um 13:14 Uhr begonnene Aufzeichnung der Spurdaten des Fahrzeugs bestätigt die Fahrt zur A 8 mit anschließender Weiterfahrt nach München.

Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, dass es sich bei der observierten Person jeweils um den Angeklagten Y. handelte.

- Langenau, Schstraße / Hstraße

In der Hstraße wohnt der Zeuge M A; dieser hat sich für die DHKP-C auf verschiedene Art und Weise betätigt, auch auf Betreiben des Angeklagten Y..

Diese Feststellung basiert auf den Angaben des Zeugen M A, soweit ihnen gefolgt werden konnte, ergänzend auf den Angaben des Zeugen KHK B und auf überwachten Telefongesprächen.

Der Zeuge M A, der über mehrere Anläufe mit Vorführung und nachfolgender Anordnung von Ordnungsgeld/-haft und Beugehaft wegen unberechtigter Zeugnisverweigerung schließlich, wenn auch unwillig jedenfalls teilweise Angaben machte, schilderte Aktivitäten, die - entgegen der von dem Zeugen vorgespielten Unwissenheit - für die DHKP-C geleistet wurden. Soweit er offenkundig nicht bereit war, umfassende Angaben zu machen, bekundete er mehrfach, was er bei der Polizei gesagt habe, werde schon stimmen. Die teilweisen Angaben des Zeugen A sind hinsichtlich der Art der entfalteten Aktivitäten glaubhaft; den Verkauf der Zeitschrift "Yürüyüs" bestätigte er bereits im Rahmen seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 28. November 2006 gegenüber dem Zeugen KHK B; hinsichtlich des Aufenthalts in Berlin anlässlich der Love-Parade stehen sie in Einklang mit weiteren Erkenntnissen (hierzu später mehr). Zur Überzeugung des Senats steht jedoch fest, dass der Zeuge A weit mehr Aktivitäten entfaltet hat, als er eingeräumt hat; dies belegen eindeutig Gespräche aus der TKÜ Y.. Im Einzelnen:

Der Zeuge A, der in den Jahren 2005 bis 2006 Background-Sänger der G Y bei Auftritten in Deutschland war, gab an, zu dem Angeklagten Y. einen freundschaftlichen Kontakt gehabt zu haben. Er räumte ein, dass der Mobilfunkanschluss mit der Rufnummer 0163/4537826 (Anschlussinhaber: K T) sein eigener Anschluss sei; nur der Vertrag laufe über seine Freundin. Zu Telefonkontakten bestätigte er nach Vorhalt des Gesprächs Telefongesprächs vom 01. Juli 2006 (ID 454.019) durch Abspielen über Saallautsprecher, dass er sich selbst erkenne und das Gespräch geführt habe; auf die Frage nach dem Gesprächspartner erklärte er: "Weiß ich nicht."

Der Zeuge A räumte weiter ein, dass er im Jahre 2006 (oder früher) bei der Love-Parade in Berlin war und dass bei dieser Gelegenheit ein Auto abgeschleppt wurde; mit seinem Auto seien sie nicht gefahren. Es könne sein, dass es das Auto von Y. gewesen sei, er wisse es aber nicht mehr. Auch SE Y sei dabei gewesen. SE Y wohne nur zwei Straßen von ihm entfernt; es könne sein, dass dieser mit S bezeichnet werde. Außerdem ein H, der vor einem Jahr gestorben sei. Er kenne auch E D, ob dieser dabei gewesen sei, wisse er nicht. Er habe - wie auch die Mitreisenden - an einem Verkaufsstand geholfen, aber keine 24 Stunden; er habe sich auch die Party anschauen wollen. Auf die Frage, wem er geholfen habe, antwortete er, dies wisse er nicht.

Auch den Verkauf der Zeitschrift "Yürüyüs" zum Preis von 4,-- EUR räumte er ein, "wenn es einer wollte". Er habe immer 2-3 Stück vorrätig gehabt. Auf die Frage, was er mit dem Geld gemacht hat, antwortete er, "G zurückgegeben" und auf die weitere Frage, ob er das Geld auch dem Angeklagten Y. zurückgegeben habe, wenn er die Zeitung von ihm bekommen habe, "dann ja".

Dies hatte er bereits im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung, wie der Zeuge KHK B (Vernehmungs- und Durchsuchungsbeamter) bekundete, so angegeben; er hatte zwar bestritten, für die DHKP-C tätig gewesen zu sein, räumte aber den Kauf und die Lektüre der "Ekmek ve Adalet" und später der "Yürüyüs" ein, die öffentlich erhältlich seien, auch am Bahnhofskiosk in Ulm. Die bei ihm sichergestellten Zeitschriften Yürüyüs habe er von E G bekommen, der sie wöchentlichen oder vierzehntätig bei ihm vorbeibringe. Wenn E G mehrere Exemplare mitbringe, wie dies auch bei der aktuellen Ausgabe der Fall sei, verkaufe er die weiteren Exemplare zum Preis von 4,-- EUR in seinem Pizzalokal. Auch der Angeklagte Y. bringe Gelegentlich Zeitungen vorbei. Das Geld aus dem Zeitungsverkauf gebe er an denjenigen zurück, der ihm die Zeitungen gebracht habe. Außerdem bestätigte der Zeuge bei seiner polizeilichen Vernehmung, so der Zeuge KHK B, dass er auf seinem Mobiltelefon (00) die Nummern der beiden gespeichert habe: E G als "E cep" unter Tel. 00, den Angeklagten Y. als "K A" unter Tel. 00.

Er habe auch an Kulturveranstaltungen und in Kulturvereinen moderiert; ob diese einen DHKP-C-Bezug gehabt hätten, wisse er nicht; wahrscheinlich seien auch Zeitschriften verkauft worden, auch dies habe er nicht mitbekommen.

Der Senat ist davon überzeugt, dass sich der Zeuge A im Bereich Ulm / Langenau intensiver für die DHKP-C betätigte, als er dies eingeräumt hat, und dass er zu diesem Zweck organisationsbezogene Kontakte zu dem Angeklagten Y. hatte. Diese Feststellung basiert - neben der Beteiligung an der Loveparade für die DHKP-C - auf folgendem überwachtem Telefongespräch, in dem verschiedene Aktivitäten angesprochen werden:

Das am 01. Juli 2006 um 17:02 Uhr geführte Gespräch (TKÜ-Y., ID 454.019; Telefonnummer des Anrufers: 00), bei dem sich der Zeuge A - der zudem im Gespräch mit M angesprochen wird - nach eigenen Angaben wiedererkannte, hat dieser zur Überzeugung des Senats mit dem Angeklagten Y. geführt, den er mit den Worten "Hallo. Guten Tag, mein K" - nach Angaben des Sprachsachverständigen B (auch) im Türkischen ein Ausdruck persönlicher Zuneigung - begrüßt.

In dem Telefonat wird eine Abendveranstaltung vom gleichen Tag thematisiert, die gerade begonnen hatte; M A teilt dem Angeklagten Y. mit, er sei bereits dort, es seien erst "100, 150, 200" Personen im Saal, es werde wohl erst zum Abend hin voll werden. Der Angeklagte Y. beschwert sich darüber, dass S nicht gekommen sei, um "von uns aus Zeitschriften mit(zu)nehmen", wobei sich aus dem weiteren Gespräch ergibt, dass diese für einen Stand bei der Abendveranstaltung bestimmt waren. M A versucht sich auf Vorhalt des Angeklagten Y. ("Wenn Du mir gesagt hättest, dass S nicht kommen wird, dann hätte ich gesagt: M beschaff‘ dir ein Auto und komm schon am Morgen.") zu rechtfertigen und lässt sich über SE und weitere Aktivisten aus; er beklagt sich beispielsweise über fehlende Unterrichtung sowie darüber, dass SE die Zeitschriften für Ulm herumliegen lasse. Außerdem fragt M A den Angeklagten Y., ob sie "eine Botschaft schicken" sollten und schlägt vor zu schreiben, "gratulieren wir zum 30. (...) Jahr". Der Angeklagte Y. ergänzt diese um den Zusatz, dass "vom Tayad-Komitee diese Hungerstreiks weitergehen in der Türkei". Schließlich bittet er ihn, noch eine Grußbotschaft abzugeben.

- Ulm, Schstraße

Dort befindet sich nach Angaben des Zeugen K der dortige Kulturverein;

- Ulm, H Straße

Hier wurden der Angeklagte Y., E G und SE Y, wie der Zeuge PHM E, der damals einer der Kontrollbeamten war, bekundet hat, am Donnerstag, dem 26. Oktober 2006, um 13:40 Uhr beim Anbringen von Plakaten an einen Stromverteilerkasten kontrolliert. Nach Angaben des Zeugen KHK S wurde für eine Veranstaltung des Tayad-Komitees plakatiert; die Kontrolle fand im Rahmen einer (damals nicht offengelegten) Observationsmaßnahme statt, bei der festgestellt wurde, dass vor der Kontrolle mehrere Gaststätten / Döner-Stände angefahren wurden.

SE Y war, wie bereits ausgeführt, bereits zuvor bei der Loveparade in Berlin am 15. Juli 2006 für die DHKP-C aktiv.

E G war ausweislich eines Berichts von G an die Führung vom 21. Juli 2003 (Datei Export-5/Unallocated Clusters~565) "in der Vergangenheit Verantwortlicher in Ulm", mithin Funktionär der DHKP-C; es handelt sich um eines der wenigen Dokumente , in denen unter Verwendung eines Klarnamens korrespondiert wird; wörtlich führt G - in Beantwortung von 5 Fragen / Anweisungen der Führung, deren Thematik sie den Antworten jeweils kurz voranstellt - Folgendes aus:

"3- Wenn das Durchsuchungsprotokoll auf den Namen E G lautete, könnte es sein, dass dieser E G etwas mit dem Lahmacun-Verkäufer (-bäcker) zu tun hat oder diesen kennt.

BEZÜGLICH DES ARTIKELS, DER MIT DEM OBEN ERWÄHNTEN SATZ ANFÄNGT:

- E hat mit dem Lahmacun-Verkäufer (-bäcker) nichts zu tun. Zumindest nicht, soweit ich weiß. E hat im mittleren Gebiet überhaupt nicht gearbeitet. Der Lahmacun-Verkäufer (-bäcker) kommt aus Köln, das ehemalige Gebiet von E ist Ulm, er kennt Stuttgart nicht. (...) Es kann sein, dass gegen E Aussagen bestehen, die aus Ulm stammen. Es gibt keinerlei kriminelle Vorfälle, in die E verwickelt war; man kann allenfalls sagen, dass er in der Vergangenheit Verantwortlicher in Ulm war. (...)"

- Köln-Ehrenfeld, Hstraße

Wie von dem Zeugen KHK Speer bekundet, befinden sich in der Hstraße die Vereinsräumlichkeiten des A H K E e.V., Gelegentlicher Übernachtungsort des Angeklagten Y.;

Exemplarisch kann anhand folgender (Einzel-) Fahrten unter Heranziehung der Spurdaten des Fahrzeugs, der Funkzellenortungen des Mobiltelefons und der Gesprächsinhalte aufgezeigt werden, dass der Angeklagte Y. das Fahrzeug überwiegend selbst geführt hat (weitere Beispiele werden im Zusammenhang mit den jeweiligen Aktivitäten geschildert):

- Am 14. Juli 2006 erklärt der Angeklagte Y. gegenüber dem Anrufer, er sei "jetzt im Moment am Sendlinger Tor", er werde "bis zwölf, ein Uhr in hier in der Gegend sein; der Anrufer (AI: S G, München) erklärt, er habe "ein / etwas Anvertrautes, das wir Dir geben müssen". Er könne aber erst um 15:30 Uhr; der Angeklagte Y. erklärt, er müsse sich "spätestens um eins auf den Weg machen" und verweist ihn auf seinen nächsten Besuch (ID: 463.882, TKÜ Y.). Die Mobilfunkzelle des Mobiltelefons stimmt mit dem angegebenen Aufenthalt überein; sein Fahrzeug war zu dieser Zeit im Bereich München-Isarvorstadt abgestellt;

- am 18. Juli 2006 um 14:04 Uhr (ID: 466.681, TKÜ Y.) erklärt der Angeklagte Y. gegenüber dem Anrufer (AI: S A, Illingen), er befinde sich in der Gegend des "Senol" (im Rahmen des 2-tägigen Festes bei Karlsruhe Anfang September 2002 wurde Senol - wie i.R.d. Beweiswürdigung zum Angeklagten G. ausgeführt - im Zusammenhang mit Waldbronn genannt). Der Angeklagte Y. äußert weiter, er sei in "Bad Wiesbach oder so" (gemeint: Bad Wildbad) und sei in 30 bis 40 Minuten dort; der Anrufer solle warten, es gebe "zwei Arbeiten... es gibt Brief(e) und so... die nach (unverständliches Wort) müssen".

Am Ende des Telefonats befand sich der Angeklagte Y. in der Mobilfunkzelle Waldbronn, ausweislich der Geodaten des Fahrzeugs in Waldbronn-Reichenbach, gegen 15:00 Uhr wieder in Stuttgart, Schloßstraße.

Am gleichen Abend wurde das Fahrzeug nach Langenau gefahren, wo es zwischen 19:00 und 20:00 Uhr abgestellt war, sodann nach Heidenheim, wo es bis gegen 23:30 Uhr verblieb, sodann wieder nach Langenau, wo es die Nacht über abgestellt war (wer das Fahrzeug bei dieser Fahrt geführt hat, ist nicht bekannt);

- am 31. Juli 2006 um 15:52 Uhr (ID: 475.548, TKÜ Y.) teilt der Angeklagte Y. dem Anrufer (AI: IT-Service, München) mit, er sei am Sendlinger Tor. Der Anrufer bittet den Angeklagten Y., gegen 19:00 / 20:00 Uhr bei ihm vorbeizuschauen, was dieser zusagt - auf die Frage "oder bist Du da bei D / in der Gegend bei D ?" antwortet er: "Nein, nein. Ich bin am Sendlinger Tor." Dies wird durch die Mobilfunkzellenortung bestätigt; das Fahrzeug war ausweislich der Geodaten in München-Isarvorstadt abgestellt;

- am 01. August 2006 um 19:44 Uhr (ID: 476.338, TKÜ Y.) antwortet der Anrufer dem Angeklagten Y., der erklärt, er sei "nur drei Stunden von Euch entfernt", auf die Frage, ob sie ihre "Sache geregelt" hätten, "zur Hälfte"; es sei noch "Geld erforderlich". Der Anrufer berichtet, er habe "eingesammelt". Das Gespräch führte er im Bereich der Funkzelle Regensburg, Friedenstraße; das Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt ausweislich der Geodaten in Regensburg abgestellt und wurde auch über Nacht nicht bewegt;

- am 07. August 2006 um 10:36 Uhr (ID: 479.319, TKÜ Y.) vereinbart der Angeklagte Y., der angibt, er sei jetzt in Esslingen, "bei diesem alten", woraufhin der Anrufer erklärt "Ach so." und zusagt, in 10 Minuten dort zu sein. Das Mobiltelefon des Angeklagten Y. war in der Funkzelle Esslingen-Mettingen eingeloggt, das Fahrzeug, das die Nacht zuvor in Pforzheim abgestellt war, morgens kurz vor 10:00 Uhr in Stuttgart-West eintraf, befand sich ausweislich der Geodaten in der Zeit von 10:25 bis 13:48 Uhr ebenfalls in Esslingen-Mettingen, um 14:10 Uhr wieder in Stuttgart, Schloßstraße;

- am 11. August 2006 um 15:36 Uhr (ID: 481.560, TKÜ Y.) verabredet der Angeklagte Y., der angibt, er befinde sich am Sendlinger Tor, ein Treffen mit dem Anrufer. Die Ortsangabe im Telefonat deckt sich mit der Mobilfunkzellenortung. Das Fahrzeug war ausweislich der Geodaten in München-Isarvorstadt abgestellt; spätabends traf das Fahrzeug in Regensburg ein, wo es in der Nacht vom 11. auf den 12. August abgestellt war;

- am 12. August 2006 um 13:24 Uhr (ID: 481.947, TKÜ Y.) berichtet der Angeklagte Y. dem Anrufer darüber, dass er in Frankfurt sei und nun in Köln zu tun habe; ein Anwaltskollege aus der Türkei sei gekommen; der Anrufer, der angibt, in Dortmund zu sein, erklärt, morgen sei ein Picknick und bittet den Angeklagten Y. um seine Teilnahme: "Sieh mal, die wollen die Unterstützung von Dir." Der Angeklagte Y. erklärt, er werde dort hingehen. Das Mobiltelefon befand sich in den Funkzellen Seligenstädter Dreieck / Seligenstadt (A 3). Die Geodaten des Fahrzeugs belegen, dass sich dieses am Vormittag des 12. August 2006 zunächst noch in Regensburg, anschließend fast den ganzen Vormittag in Nürnberg befand und schließlich über Frankfurt nach Köln-Ehrenfeld gefahren wurde, wo es am Spätnachmittag eintraf und über Nacht abgestellt war. Am folgenden Vormittag, am Sonntag, dem 13. August 2006, war es zeitweise im Bereich der Hansemannstraße abgestellt; kurz vor 12:00 Uhr traf das Fahrzeug im Bereich Herdecke ein, wo es bis kurz vor 22:00 Uhr verblieb; es ist davon auszugehen, dass an diesem Ort das angesprochene Picknick stattfand. Nach einem erneuten Aufenthalt in Köln-Ehrenfeld, Hansemannstraße, bis gegen 1:00 Uhr war es sodann bis zum Morgen des 14. August 2006 in Pullheim abgestellt;

- am 14. August 2006 um 12:36:41 Uhr (ID 482.791, TKÜ Y.) war das Mobiltelefon des Angeklagten Y. erneut in der Mobilfunkzelle in Köln (-Ehrenfeld) eingeloggt, was der angerufene Angeklagte Y. im Übrigen auch im Gespräch selbst bestätigt. Das Fahrzeug des Angeklagten Y. befand sich im Zeitpunkt des Anrufs ausweislich der Geodaten ebenfalls in Köln-Ehrenfeld, Stammstraße / Hansemannstraße; das Fahrzeug verblieb bis zum Abend des 15. August 2006 in Köln; in der Nacht vom 15. auf den 16. August 2006 war das Fahrzeug in Duisburg abgestellt. Am 16. August 2006 tagsüber im Bereich Köln, u.a. zeitweise im Bereich K Str. (im Bereich seiner zu renovierenden Wohnung, die sich, wie ausgeführt, in der K Str. befand). Am späten Abend war das Fahrzeug bis nach 1:00 Uhr im Bereich der Hansemannstraße abgestellt. Anschließend erfolgte die Rückfahrt (mit einem mehrstündigen Aufenthalt auf einer Autobahnraststätte). Am 17. August 2006 traf das Fahrzeug kurz nach 09:00 Uhr wieder in Stuttgart ein; dies hatte der Angeklagte Y., wie ausgeführt, telefonisch angekündigt, da an diesem Tag das Zweitgespräch mit seiner Bewährungshelferin, der Zeugin H, stattfand;

- am 18. August 2006 teilt der Angeklagte Y. dem Anrufer um 17:46 Uhr mit, dass er in der Gegend von Pforzheim sei und "bei ein paar Leuten vorbeischauen" werde; am Abend werde er "beim Vetter" sein; zu diesem komme "nämlich Dings" (ID 485.099, TKÜ Y.); das Mobiltelefon war tatsächlich in einer Funkzelle von Pforzheim eingeloggt, sein Fahrzeug wurde ausweislich der Geodaten in Pforzheim fortbewegt;

- am 23. August 2006 fragt der Anrufer um 16:38 Uhr (ID: 487.866, TKÜ Y.) bei dem Angeklagten Y. an, ob sein Vater dort sei, was dieser bejaht; der Angeklagte Y. teilt dem Anrufer mit: "Wir werden zwar nach Langenau fahren, aber wir werden etwas spät fahren. Dann ein bisschen... ähh... dann komm Du vorbei, wenn unsere Arbeit erledigt / beendet ist." Das Mobiltelefon war in Funkzellen Neu-Ulm / Ulm eingeloggt; das Fahrzeug war ausweislich der Geodaten in Ulm, Söflinger Str., abgestellt; wie telefonisch angekündigt, traf das Fahrzeug gegen 21:00 Uhr in Langenau ein, wo es dann auch über Nacht abgestellt war;

- am 24. August 2006 um 14:52 Uhr teilt der Angeklagte Y., ausnahmsweise der Anrufer, dem Angerufenen (AI: Z T, München) mit: "Wir sind angekommen / gekommen. Sie mal! Ähh ... wir sind am Dings... wir sind am Bahnhof. Wo bist Du?" (ID 488.481, TKÜ Y.). Sein Mobiltelefon war in eine Funkzelle am Münchener Hauptbahnhof eingebucht. Die Geodaten des Fahrzeugs führten bei der Anfahrt nach München von Langenau über Neusäß-Ottmarshausen und Augsburg; im Zeitpunkt des Telefonats befand sich das Fahrzeug ebenfalls im Bereich des Hauptbahnhofes; den Besuch hatte der Angeklagte Y. bereits per SMS vom gleichen Tag um 10:03 Uhr - in türkischer Sprache - angekündigt (ID: 488.293, TKÜ Y.), die von dem Sprachsachverständigen G geprüfte Übersetzung lautet wie folgt: "Guten Morgen. Am Nachmittag werde ich in München sein. Gruß." Um 16:14 Uhr erhielt er vom Anschluss des Empfängers der SMS (AI: K&G V GmbH, München) einen Anruf (ID: 488.510); die Anruferin teilt dem Angeklagten Y., den sie mit "R A B" anspricht, mit, dass seine Nachricht angekommen sei, sie diese aber wegen des Babys erst jetzt gelesen habe; auf die Frage, wo D sei, antwortet die Anruferin, dieser sei bei der Arbeit. Der Angeklagte Y. bittet um Rückruf und lehnt das Angebot eines Besuchs ab: "Ich habe derzeit zu tun. Wenn ich meine Sachen / Arbeiten geregelt bekomme, dann sehen wir uns vielleicht morgen."; ausweislich der Mobilfunkzellenortung und der Geodaten hielt er sich nach wie vor in München auf;

- am 08. September 2006 um 13:12 Uhr (ID: 497.974, TKÜ Y.) teilt der Angeklagte Y. dem Anrufer (AI: K T; dieser Mobilfunkanschluss wird, wie ausgeführt, von M A genutzt) mit, er sei in München; er erörtert - neben privaten Dingen - zwei Themen; zum einen fragt er ihn, ob er E getroffen habe ("E ist dort"), was der Anrufer verneint; auch seine Telefonnummer habe er nicht, was der Angeklagte Y. nicht verstehen kann ("wir wohnen übereinander"); außerdem fordert er ihn auf, am Montag "zur Gerichtsverhandlung von F" mitzukommen, was der Anrufer ablehnt, da die Eröffnung seines Geschäfts bevorsteht. Das Telefongespräch führte der Angeklagte Y. von München-Moosach aus; dort befand sich ausweislich der Geodaten auch sein Fahrzeug. Die Gerichtsverhandlung am Montag, dem 11. September 2006, fand nach Angaben des Zeugen KHK S in Gerkannt / Belgien statt. Tatsächlich wurde das Fahrzeug bereits kurz vor 07:00 Uhr aus dem Bundesgebiet in Richtung Belgien bewegt und überquerte erst am späten Abend wieder die Grenze nach Deutschland;

- am 09. September 2006 um 20:18 Uhr (ID: 499.081, TKÜ Y.) teilt der Angeklagte Y. - der Anrufer - dem Angerufenen (AI: B D, Regensburg), der sich nach eigenen Angaben in Wuppertal / Köln aufhält, mit, dass er sich in Regensburg befinde, aber am nächsten Morgen oder schon in der Nacht "weggehen" werde; als Begründung gibt er an, dass "unser S " einen PKW-Unfall gehabt habe; die Mobilfunkzelle befindet sich in der Innenstadt von Regensburg; ausweislich der Geodaten war das Fahrzeug ebenfalls in Regensburg abgestellt und blieb dort auch über Nacht. Die Wegfahrt erfolgte dann erst am 10. September 2006 nach 12:00 Uhr, das Eintreffen in Stuttgart erst gegen 20:00 Uhr.

An B D, Regensburg, schrieb der Angeklagte Y. am 24. September 2009 einen Brief; eine Ablichtung hiervon wurde durch Beschluss vom 25. November 2009 beschlagnahmt. Neben der persönlichen Verbundenheit und der Aufforderung, zu den "Schlussworten" den Prozess zu besuchen, belegt der Brief auch, dass der Angeklagte Y. eine Inhaftierung für sein Verhalten einkalkuliert hat; die relevanten Passagen lauten wie folgt:

"(...) Wir sind Menschen, die kollektiv leben. Die Zellen stören einen natürlich, sie sind wie Schweinestall. Aber nicht schlimm. Solche Sachen haben wir selbstverständlich in Kauf genommen, denn wir widmen uns der Zukunft.

H ist aus der Haft entlassen worden, und Mustafa A (älterer Bruder) wird, wenn nichts dazwischen kommt, am 13. November entlassen. D und ich sind geblieben. Wir rechnen zwar damit, dass das Verfahren bis zum Silvester abgeschlossen wird, aber man weiß es nicht. (...)

Wenn ihr nicht arbeitet, wäre es gut, wenn ihr noch vor dem Abschluss des Verfahrens vorbei kommen könntet. Damit könnten wir uns einerseits sehen und andererseits könntet ihr euch die Schlussworte anhören. Das kann Ende November oder im Dezember sein. Es kann aber auch später werden, da noch Beweise einzuführen sind."

Der Angeklagte Y. erläuterte hierzu, dass er den Ausdruck "Schweinestall" aufgrund der offenen Toiletten in den Zellen benutzt habe; dies sei ein unmenschlicher Zustand, eine Schande der deutschen Demokratie. Mit dem Hinweis auf die Zukunft sei gemeint, dass man nicht zur Inquisition gehe, sich nicht rückwärts bewege, sondern in die Zukunft schreite.

- am 22. September 2006 um 15:33 Uhr (ID: 514.680, TKÜ Y.) erhält der Angeklagte Y. einen Anruf von dem auf B D, Regensburg, zugelassenen Mobiltelefon; der Angeklagte Y. erklärt, er sei in München. Sein Mobiltelefon ist in der Funkzelle in München, Bayerstraße, eingeloggt, das Fahrzeug ist ausweislich der Geodaten dort abgestellt; der Anrufer erklärt, sie hätten sich Sorgen gemacht, weil sie ihn telefonisch nicht erreicht hätten; er habe "zweimal angerufen. Einmal auf dem Mobiltelefon und einmal auf dem normalen Telefon". Der Angeklagte Y. teilt dem Anrufer mit, er sei in Brüssel gewesen; die Frage, ob er in die Gegend des Anrufers komme, bejaht der Angeklagte Y. und erklärt, "Ich komme heute Nacht oder morgen früh." Ausweislich der Geodaten des Fahrzeugs traf er kurz vor 23:00 Uhr in Regensburg ein, wo das Fahrzeug über Nacht abgestellt blieb;

- am 27. September 2006 um 18:23 Uhr (ID: 519.093, TKÜ Y.) bestätigt der Angeklagte Y. auf Frage der Anruferin (AI: S), dass er im Verein sei; daraufhin erklärt diese, dass sie im Verein anrufen werde. Das Mobiltelefon war in der Funkzelle Stuttgart, Schloßstraße, eingeloggt, sein Fahrzeug seit dem Nachmittag auf Höhe der Schloßstraße abgestellt.

In einem weiteren Telefonat um 21:10 Uhr (ID: 519.216, TKÜ Y.) erklärt der Angeklagte Y., dem Anrufer, der aus einem Fernsprechhäuschen in Langenau, Hindenburgstraße anruft ("Ich bin in Langenau."), "wir sind in Ulm und kommen in Kürze". Die beiden Mobilfunkzellen zu Beginn und am Ende des Gesprächs bestätigen dies. Ausweislich der Geodaten befand sich das Fahrzeug bereits ab 20:00 Uhr in Ulm und traf kurz vor 22:00 Uhr in Langenau ein, wo es über Nacht in der Hindenburgstraße abgestellt blieb (ebenso in der folgenden Nacht auf den 29. September 2006);

- am 19. Oktober 2006 um 17:19 Uhr (ID: 543.229, TKÜ Y.) spricht die Anruferin (AI: K&G GmbH, München) den Angeklagten Y. zu Beginn des Gesprächs und im Verlauf des Gesprächs weitere fünf Mal mit "R A B" an. Die Anruferin berichtet zunächst über private Probleme; sie habe einen Mahnbescheid erhalten, weil "A... oder der Bl A B" die erste Rate für ein Fahrzeug nicht bezahlt hätten; D habe dies dem Angeklagten Y. bereits erzählt; außerdem nehme E ihre Anrufe nicht entgegen. Der Angeklagte Y. erteilt ihr Ratschläge und teilt mit, "Ich bin diese Woche nicht da... wir werden uns jetzt nach Brüssel begeben, da ist eine Demonstration (...) die darauf folgende Woche werde ich jedoch in die Gegend kommen." Ausweislich der Geodaten erfolgte der Grenzübertritt am frühen Morgen des 20. Oktober 2006; am Spätnachmittag erfolgte die Wiedereinreise bei Aachen;

- am 10. November 2006 erhält der Angeklagte Y. zunächst um 16:54 Uhr einen Anruf von einem Festnetzanschluss aus dem Ortsnetzrufnummerbereich Köln (ID: 571.075, TKÜ Y.). Der Anrufer will eigentlich mit "Apo" sprechen, dieser sei aber "in der Gegend von der Abendveranstaltung geblieben". Der Anrufer bittet den Angeklagten Y. um die Telefonnummer eines K. Als der Angeklagte Y. erklärt, er habe diese nicht, bittet der Anrufer darum, dem K, wenn er dort in der Gegend sei, auszurichten, dass er ihn anrufen möge, was der Angeklagte Y. zusagt.

Um 17:43 Uhr erhält der Angeklagte Y. einen weiteren Anruf (ID: 571.159, TKÜ Y.; AI: K&G, München); der Angeklagte Y. erklärt gegenüber dem Anrufer, sie seien noch in Ulm und kämen erst spät in der Nacht, gegen 22:00 / 23:00 Uhr.

Das Mobiltelefon des Angeklagten Y. war bei diesen Gesprächen in Funkzellen im Bereich Ulm eingeloggt. Ausweislich der Geodaten war das Fahrzeug in der Nacht davor in Langenau abgestellt, wurde kurz nach 12:00 Uhr nach Ulm gefahren und verblieb dort bis gegen 20:00 Uhr, wurde dann - nach einem Kurzaufenthalt in Neusäss-Ottmarshausen - nach Augsburg gefahren, wo das Fahrzeug gegen 21:00 Uhr geortet wurde; später wurde das Fahrzeug nach München gefahren (Ankunft gegen 22:30 Uhr), wo es auch über Nacht abgestellt war;

- am 20. November 2006 um 22:27 Uhr (ID: 587.387) teilt der Angeklagte Y. dem Anrufer (AI: K T, genutzt von M A) mit, dass sie morgen in seine Gegend kommen werden: "Die Wöchentliche ist erschienen und wir kommen dementsprechend." Das Mobiltelefon war in der Funkzelle in Stuttgart im Bereich der Schloßstraße eingeloggt; auch das Fahrzeug war ausweislich der Geodaten dort abgestellt;

- am 21. November 2006 wurde das Fahrzeug zunächst nach H, August-Blessing-Str.7, gefahren, wo sich die Druckerei G befindet, traf dort gegen 14:00 Uhr ein und blieb knapp 20 Minuten. Nach einem erneuten kurzen Aufenthalt in Stuttgart, u.a. in der Schloßstraße, wurde das Fahrzeug nach Ulm gefahren, wo es kurz vor 17:00 Uhr eintraf. Hier bleibt offen, ob der Angeklagte Y. persönlich nach H gefahren ist oder ein anderer Aktivist in seinem Auftrag; jedenfalls die weitere Fahrt wurde - wie nachfolgende Telefonate belegen - von ihm durchgeführt.

Gegen 20:00 Uhr folgte eine Fahrt nach Langenau, anschließend nach Heidenheim a.d. Brenz und schließlich wieder nach Langenau, wo das Fahrzeug über Nacht abgestellt war. Am 22. November 2006 ging es am Vormittag weiter nach Ulm, um die Mittagszeit nach Langenau, gegen 15:00 Uhr wieder nach Ulm, um 17:00 Uhr nach Neusäss-Ottmarshausen und schließlich über Augsburg nach München, wo das Fahrzeug gegen 18:00 Uhr eintraf und über Nacht abgestellt war;

- am 22. November 2006 erklärt der Angeklagte Y. um 18:37 Uhr, er sei in München; sie würden dort jemanden treffen: "... im Moment suche ich einen Platz, um zu parken. Wir werden es wohl rechtzeitig schaffen. Derzeit fahre ich ein Auto." (ID 592.111, TKÜ Y.). Das Mobiltelefon ist - entsprechend der geschilderten Fortbewegung - im Gesprächsverlauf in zwei verschiedenen Mobilfunkzellen in München eingeloggt, zuletzt in einer Funkzelle in der ThStraße; sein Fahrzeug befand sich ausweislich der Geodaten auch in dieser Straße (in Bewegung);

- am 23. November 2006 um 18:16 Uhr (ID: 594.924, TKÜ Y., AI: S K, Nürnberg, Weg 14b) fragt der Anrufer den Angeklagten Y.: "Ihr / Du wolltet / wolltest doch hier in die Gegend kommen?", worauf dieser antwortet: "Wir sind in der Gegend von M, bei Dir werden wir in der Nacht vorbeischauen. (...) Wir werden spät kommen (...) vielleicht reisen wir dann noch in der Nacht ab." Die Funkzellenortung des Mobiltelefons erfolgte in Regensburg.

Um 21:07 Uhr wurde von dem Mobiltelefon des Angeklagten Y. eine SMS an die Mobiltelefonnummer des E D, Pforzheim, gesandt (ID: 595.214, TKÜ Y.) mit folgendem - im Original türkischsprachigen - Text: "Hallo; wir müssen uns um 8 Uhr in der Früh treffen und zur Passverlängerung gehen. Wo bist du? Gruß" Der Sprachsachverständige G hat diese Übersetzung geprüft. Dass diese SMS tatsächlich von dem Angeklagten Y. geschrieben worden ist, lässt sich folgendem Telefonat entnehmen: Um 21:30 Uhr ruft der Angeklagte Y. bei der Nummer an, an die er die SMS gesandt hatte, und fragt nach, ob der Angerufene seine Nachricht erhalten hat. Dieser bejaht die Frage und erklärt, er habe nicht zurückrufen können. Der Angerufene erklärt, er sei in Stuttgart, der Angeklagte Y. erwidert, er sei in der Gegend von Nürnberg. Der Angeklagte Y. äußert abschließend, "aber morgen sehen wir uns", womit sich der Angerufene einverstanden erklärt.

Das Fahrzeug befand sich in Regensburg und wurde später nach Nürnberg gefahren, wo es kurz vor 23:00 Uhr im H Weg 18/16 abgestellt wurde. Dort verblieb das Fahrzeug bis kurz vor 06:00 Uhr und wurde anschließend nach Stuttgart gefahren, wo es gegen 08:00 Uhr im Bereich der Schloßstraße eintraf. Am 24. November 2006 gegen 9:00 Uhr fuhr der Angeklagte Y. ausweislich der Spurdaten nach Magstadt und beantragte beim dortigen Bürgermeisteramt - wie ausgeführt - persönlich die Verlängerung seines Reiseausweises. Am 25. November 2006 erfolgte schließlich die Fahrt nach Köln.

Nutzung durch Dritte:

Wie ausgeführt, benutzte der Angeklagte Y. das Fahrzeug weit überwiegend selbst. Sofern er das Fahrzeug nicht benötigte, stellte er dieses auch anderen DHKP-C-Aktivisten zur Nutzung Verfügung, beispielsweise wie folgt:

- Besuch der Love-Parade am 15. Juli 2006

Ein Beleg dafür, dass der Angeklagte das Fahrzeug auch anderen Mitgliedern oder Anhängern der Vereinigung zur Durchführung etwa von Geldbeschaffungs- oder Propagandaaktivitäten zur Verfügung stellte, ist beispielsweise das Abschleppen anlässlich der Loveparade in Berlin am 15. Juli 2006, über das O dem Angeklagten Y. in dem bereits zitierten Telefonat vom gleichen Tag (ID 464.880) berichtete. Der Angeklagte Y. hielt sich ausweislich der Mobilfunkzellenortung in Stuttgart-West, auf (die Ortung erfolgte im Bereich der Bstraße, die an die Sstraße, in der sich der Verein befindet, angrenzt); das Fahrzeug war - ausweislich der Geoposition - in Berlin-Charlottenburg abgestellt.

Belegt wird der Abschleppvorgang auch durch ein an den Angeklagten Y. gerichtetes Schreiben im Verwarnungsverfahren des Polizeipräsidenten in Berlin vom 26. Juli 2006 (Az.: 58.97.013447.4); dem Angeklagten Y. wurde ein Verwarnungsgeld i.H.v. 25,-- EUR angeboten unter Hinweis darauf, dass die Kosten für die angeordnete "Umsetzung" des Fahrzeugs getrennt berechnet würden; die Ordnungswidrigkeit wurde wie folgt umschrieben:

"Ihnen wird vorgeworfen, am 15.07.2006, um 08:40 Uhr in 10587 Berlin, Mstr. ggü. 4-18, Mittelstreifen, als Führer des PKW VW weiß, K-BB 7191, folgende Ordnungswidrigkeit(en) nach § 24 StVG begangen zu haben: Sie parkten im Haltverbot (Zeichen 283) und behinderten (Love Parade) dadurch andere."

Dieses Schreiben vom 26. Juli 2006 befand sich - neben zahlreichen weiteren Dokumente n - in einem Schnellhefter in einer blauen Reisetasche, die am 28. November 2006 in den Räumlichkeiten des Vereins Anatolische Föderation e.V., in Köln-Ehrenfeld, Hstraße, wie bereits ausgeführt einem DHKP-C-Tarnverein, von Beamten des PP Köln (neben einer weiteren Tasche des Angeklagten Y.) sichergestellt wurde;

- am 19. November 2006 um 0:27 Uhr ruft der Angeklagte Y. bei einer unbekannten männlichen Person an und fragt nach dem Standort des Fahrzeugs (ID: 583.847, TKÜ Y.). Der Angerufene beschreibt, wo das Auto abgestellt sei. Der Angeklagte Y. erklärt, "Hier ist es nicht." Der Angerufene erklärt, dass er das Auto dort abgestellt habe; was C zuletzt gemacht habe, wisse er nicht. Im Verlauf des Gesprächs ist noch eine Hintergrundstimme wie folgt zu hören: "... ist bei / hat K A B". Der Angeklagte Y. teilt mit, dass er das Auto brauche, um nach Hause zu gehen; von da aus würden sie sich auf den Weg machen. Das Mobiltelefon ist in die Funkzelle in Köln-Ehrenfeld im Bereich S Str. bei der Einmündung Lstraße eingeloggt; das Fahrzeug ist ausweislich der Geodaten ebenfalls in Ehrenfeld und zwar in der V Straße abgestellt; ca. 20 Min. später wurde das Fahrzeug in Bewegung gesetzt und nach Köln-Nippes gefahren, wo es über Nacht abgestellt war; am nächsten Morgen wurde das Fahrzeug zurück nach Stuttgart gefahren und gegen 11:00 Uhr im Bereich der Schloßstraße abgestellt; dies bestätigt der Angeklagte Y. auch gegenüber dem Anrufer um 11:05 Uhr (ID: 584.276, TKÜ Y.): "... wir sind in Stuttgart." Der Angeklagte Y. hatte sich in Köln aufgehalten, weil am 18. November 2006 die "Verlobung von E ... in Köln" gefeiert wurde (vgl. Gespräch vom 17. November 2006, 19:43 Uhr, ID: 582.340 TKÜ Y., hierzu später mehr);

- Fahrt von Köln nach Stuttgart (vor der Festnahme des Angeklagten)

Der Angeklagte Y. stellte sein Fahrzeug anderen Aktivisten für die Fahrt von Köln nach Stuttgart zur Verfügung. Die diesbezügliche Einlassung des Angeklagten Y., die im Rahmen der Beweiswürdigung zur Person zitiert wurde, steht auch mit den Geodaten (Rückfahrt von Köln nach Stuttgart noch in der Nacht vom 25. auf den 26. November 2006) in Einklang. Im Zeitpunkt der Festnahme des Angeklagten Y. (in Köln) konnte das Fahrzeug nach Angaben des Zeugen KHK Sch demzufolge in Stuttgart sichergestellt werden.

Nach alledem ist die Behauptung des Angeklagten Y., die Nutzung des Fahrzeugs VW Golf sei zu 80 % im Zusammenhang mit Unterstützungsaktivitäten für A erfolgt, durch die Beweisaufnahme widerlegt. Diese betrifft ganz überwiegend seine Tätigkeit als Verantwortlicher der Region Süd.

Als Regionsverantwortlicher nahm der Angeklagte Y. in dieser Zeit auch an Zusammenkünften der Führungsfunktionäre teil, die "die Hauptaktivitäten" durchführten. Dies belegt die bereits zitierte Datei ID-Nr. 750 339; M.A. beraumte auf den 19. März 2003 eine Versammlung an, an der auch der Angeklagte Y. teilnehmen und "den hiesigen Freunden" als neuer Regionsverantwortlicher vorgestellt werden sollte.

Ausweislich des Behördengutachtens des BND vom 17. September 2007 nahm der Angeklagte Y. zudem an einer Versammlung hochrangiger Führungskader am 15. September 2004 in Rotterdam teil.

Diese Zusammentreffen diente n der Abstimmung der Arbeiten in den jeweiligen Regionen und Gebieten. Die ihm unterstellten Unterstützer und Aktivisten aus der Region Süd rief der Angeklagte Y. in Tarnvereinen oder bei Aktivisten zu Treffen zusammen. Wie bereits ausgeführt, fanden solche Treffen auch bei B und Ayse A in Augsburg-Neusäß statt.

Ausweislich der Dokumente aus der niederländischen Rechtshilfe hatte der Angeklagte Y. die Weisungen seines übergeordneten Führungsfunktionärs M.A., die dieser seinerseits von der Europaverantwortlichen erhielt, gegenüber nachrangigen Funktionären, Unterstützern, Aktivisten und Sympathisanten umzusetzen.

Die Zusammenarbeit mit ihm war für die Führungskader aufgrund seiner Persönlichkeit nicht immer leicht, wie sich dem Austausch zwischen G und M.A. in der Nachricht vom 17. Mai 2003 entnehmen lässt (enthalten in der Datei Unallocated Clusters~387); unter Pkt. 28 wird Folgendes ausgeführt:

"K mag es nicht, große Aufgaben zu übernehmen. Er ist ein Anhänger des STATUS QUO. Er ist nicht offen für Neuerungen und Entwicklungen. Aus diesem Grund sollten wir uns seinen Begründungen nicht ergeben, er sollte das von uns vorgegebene Programm umsetzen.

ANTWORT: Wir ergeben uns nicht, aber wir stehen nicht jeden Moment hinter ihm. Er hat eine Kultur, in der Falsches und Richtiges, Verdrehtes und Schönes zusammen sind. Wie wird diese Kultur sich ändern. Er hat auch ein Alter erreicht, wo es nicht geht, dass jeden Tag die Dateien voll sind mit Diskussionen mit ihm, wenn immer alles diskutiert wird, dann schlägt das um in ein Beschwerdedokument.

?- Natürlich ist das schwer, den K zu überzeugen oder dass er überzeugt ist. Aber (er) ist gehalten das zu tun, was wir ihm sagen. Außerdem hatte er andere Vorstellungen im Hinblick auf die Anweisungen in der Datei vor ein paar Tagen.

Die Grundlage der Organisiertheit ist es, den Anweisungen zu folgen, er kann sie diskutieren, kritisieren, aber wenn man sagte, dass er das tun solle, dann ist er gehalten, das zu tun. Er hat kein Recht zu sagen, er könne es nicht. Es kann nicht sein, dass man das tut, was man möchte und nicht tut, was man nicht möchte. Das dürfen wir nicht erlauben.

ANTWORT: Das habe ich auch nicht verstanden. Also, das sagte er, um auf der Veranstaltung die Moderation zu machen, aber ich hatte mit ihm diskutiert, dass er die Moderation machen solle, nicht in Form einer Anweisung. Natürlich gibt es Anweisungen, wenn man organisiert ist, wie das bei der Moderation sein soll, das Beste wäre gewesen, Ihr hättet mit ihm geredet und ihn überzeugt. Nicht alles geht mit Anweisungen (...). Es wäre auch möglich gewesen, den K zu beeinflussen und zu überzeugen. (...) Außerdem, warum sollen wir im Hinblick auf die Moderation davon sprechen, dass dies eine Anweisung sei, um so den Freund in eine Situation bringen, dass er gegen Anweisungen ist, warum also sollen wir ihn in eine Situation bringen, in der (er) etwas Falsches macht, wir sollten die Grundlage oder die Gründe hierfür beseitigen. Es wäre das Richtige gewesen, zu reden, zu diskutieren und ihn zu überzeugen."

Einen ausführlichen Bericht des Angeklagten Y. vom 19. Mai 2003 (Deckname: K), dem sich nahezu die gesamte Bandbreite seiner Aufgaben als Verantwortlicher der Region Süd entnehmen lässt, an M.A. (Deckname: B) und die Antwort hierauf in einem weiteren Bericht vom 22. Mai 2003 leitet M.A. am 22. Mai 2003 an G weiter, die ihn ihrerseits am Folgetag an die Führung weiterleitet (Export-3/Unallocated Clusters~319). Der Angeklagte Y. berichtet über mehrere Seiten in 22 Einzelpunkten detailliert über den Stand seiner Aktivitäten, auszugsweise wie folgt:

"1- Der Leichnam des Vaters des Mitarbeiters wurde in Anwesenheit von ca. 500 Personen vom alevitischen Verein weggebracht. Fast alle Dienste wurden durch uns erfüllt. Mein Iman hat von der Waschung bis zum Gebet alles erledigt. Die Beteiligung unserer Masse war gut. (...) Wir haben außerdem im Namen des Tayad-Komitees einen schönen Kranz machen lassen. (...)

(Anmerkung: Den früheren Mitangeklagten H.S. - ein alevitischer Geistlicher - bezeichnete der Angeklagte Y. auch in Gesprächen der TKÜ by-Tec mit "mein Iman".)

3- Ich bin zur Zeitschrift gegangen. Ich bin morgens früh los und habe mich auch mit meinem Anwalt in Frankfurt getroffen. Von dort sind wir in Ulm vorbeigefahren und haben es rechtzeitig zur Trauerfeier geschafft.

4- Um einen Picknick-Platz anmieten zu können, haben wir einen neuen Verein gefunden, das Volkshaus. In der Führung sind auch Leute von uns. (...) Innerhalb von Stuttgart gibt es nichts, wo man auch eine Musikerlaubnis bekommt. (...)

5- Unser Obsthändler hat N E organisiert. 3.000 Euro. Müssen einen Vertrag schließen, wir haben gesagt, dass zuerst das OK für den Saal kommen muss, danach.

6- Nach der Trauerfeier haben wir in dem alevitischen Verein mit den anderen Mitarbeitern eine Versammlung durchgeführt, ohne den Mitarbeiter. Was auf dieser Versammlung gesprochen wurde:

a)- Vor der Versammlung habe ich die Informationen weitergegeben, die sie mir im Zusammenhang mit dem A und dem Türkische-Pizza-Bäcker geschickt hatten.

b)- Wir haben die Gründungsmitglieder des Vereins gemeinsam diskutiert. (...) Am 1. Juli werden wir in Pforzheim eine Versammlung mit den Gründungsmitgliedern des Vereins machen. (...)

c)- Wir haben das Wochenprogramm erstellt. Dobi wird am Donnerstag am Auge operiert. Wir müssen seine Zeitschriften verteilen. Der Mitarbeiter liegt sowieso brach. Ich werde am Donnerstag T besuchen. Am Sonntag werde ich am Frühstück teilnehmen. A wird mit A sprechen. Am Donnerstag wird A in Nürnberg seine Anmeldung vornehmen. Am gleichen Tag hat O am gleichen Ort ein Treffen zur Anmietung einer Wohnung. Die Informationen über die November-Veranstaltung werde ich telefonisch erfragen müssen, denn ich kann nicht dorthin.

d)- Was das Kassettengeld betrifft, wird jeder sich auf seine eigenen Beziehungen konzentrieren. Der Mitarbeiter ist bei dieser Sache nicht dabei. Der D liegt im Krankenbett. A, A und die Leute um S können sich auf die Kassettenarbeit konzentrieren. Was die Beziehungen des Jugendlichen betrifft, werde ich bis auf A H bis F diese Beziehungen betreuen. Ich habe noch nicht entschlossen, wo ich am Samstag bleiben werde. Dort, wo ich mehr zu tun habe, werde ich gehen.

In dieser Woche habe ich nicht viel Zeit im Süden wegen der Kassetten umherzufahren. Ich kann nur den Samstag nutzen. Ich weiß nicht genau, wo am Samstag der Zeitschriftenwagen (...) des Südens sein wird. Wenn er in Ulm oder so ist, werde ich dorthin gehen, ohnehin plane ich, wie ich am Sonntag zum Frühstück nach Nürnberg komme. (...) Da auch ich in Köln vorbeischauen muss, werden wir unseren Diesel wohl vollständig verbraucht haben. (...)

e)- Zehnerteams, und im Juli Massendemonstration vor dem EP, was kann alles zur neuen Motivierung gemacht werden (...). Im Rahmen dieses Vorschlags wird jeder in seinem Gebiet Ausschau nach Hungerstreikzelten halten. Das mit dem Zelt kann 15 Tage sein und in Frankfurt, so hatten wir das besprochen. (...)

f)- Im Hinblick auf das Lagerthema haben wir besprochen, wie unsere neue Herangehensweise sein wird (...)

7- WIR HABEN MIT YUSUF A GESPROCHEN. Er hat gesagt, dass sie sich selbst um den Verein in Karlsruhe kümmern werden. (...)

8- Was die Rückreise des Musikers Erc. in das Land betrifft, gibt es hier ein Missverständnis. Von sich aus kehrt er nicht zurück. Wir haben ihn gefragt, ob er geht, und er hatte das bejaht. (...) In der Datei, die von Ihnen kam, hatten Sie gesagt, dass er erst einmal zurückgehen soll. (...) Er wird nur gehen, wenn wir ihn ausdrücklich zurückschicken wollen.

9- Es hat noch keine Zeit gegeben für die Versammlungen bezüglich des Nationalismus. Wir werden das Frühstück in Nürnberg auswerten. Ulm wird eine Versammlung durchführen. Pforzheim sucht nach einem Ort. (...) Innerhalb von Stuttgart planen wir nichts. (...)

10- Niemand vernichtet die Kassettenquittungen. Sie können sich alle ansehen.

11- Sie wissen, ich habe zwei Hefte bei der Wöchentlichen hinterlegt. (...)

12- Da ich am Montag in der Nacht zur Wöchentlichen gefahren und am Dienstag, morgens um sechs Uhr, zurückgekehrt bin, habe ich kein Geld oder etwas anderes bringen können. Ich habe lediglich das Geld für die Zeitschriften und DS gebracht. (...)

14- DIE KASSETTENGELDER SIND UNTEN ANGEGEBEN, SOWEIT ICH DARÜBER KENNTNIS HABE, MIT DEM MITARBEITER HABEN WIR NOCH NICHT ABGERECHNET:

Alş. 600- bei mir; es gibt 550.

Im Ergebnis werde ich alle Gelder am F, auf dem Weg T zu besuchen hinterlegen. Da ich am Donnerstag eine Abrechnung mit dem Mitarbeiter machen werde, werden die Informationen auch gesicherter sein. Über Handvermittlung teile ich Ihnen mit, welches Geld ich eingezahlt habe. Wenn es Details gibt, kann ich am Donnerstagabend eine Datei erstellen. (...)

16- AI E: diesbezüglich soll Z bei meinem Anwalt vorbeigehen, dieser wird ihr ein Vollmachtsmuster geben. Es ist erforderlich, dass sie das den A unterschreiben lässt. Ich habe mit meinem Anwalt gesprochen. Für A wird er einen seiner Kollegen beauftragen, er ist informiert. (...) Sie muss diese Vollmacht an die Freunde weiterleiten, es muss sichergestellt werden, dass sie von A unterschrieben wird.

17- DER BESUCH BEI T: es ist offensichtlich, dass wir bei dem Besuch von T lediglich über seine Asylsache sprechen. Er hat diesbezüglich gesagt, dass man die Freunde fragen soll. Haben die Freunde nunmehr eine Entscheidung getroffen. Werden wir ihn also einen Asylantrag stellen lassen. ich werde meine Maßnahmen ergreifen. Je nachdem, was für eine Notiz kommen wird, wird die Asylsache gestartet, ist das so. Wenn ich das falsch verstanden habe, korrigieren Sie bitte durch Handübermittlung.

19- KONTAKT ZU DEN BEIDEN ANWÄLTEN DES KOMPONISTEN: was das Thema betrifft, so gibt es mit seinem Anwalt B aus Dortmund keine Probleme. Er schickt die Entwicklungen ohnehin an meine Adresse. Sein Anwalt W (in Essen), der sich um die Abschiebung kümmert, beantwortet kein einziges Telefonat (...).

18- ANMELDUNGEN BEI DER ABENDVERANSTALTUNG: (...) Wir sind hinterher, machen Sie sich keine Sorgen. (...) Wir werden also morgen von A die Informationen bekommen und einen Termin mit dem Saal anfragen. (...) Je nach der Situation werden wir einen Antrag stellen, entweder im Namen von S oder im Namen von Sadik.

19- BEI DER KASSETTENARBEIT wollen wir nichts Neues schreiben. (...) Wir wollten von dem, was geschrieben war, das einsammeln, was realistisch ist. Das war so um 42. Die Beträge stehen noch je nach Person in meinem Heft. (...) Mit jeder Tour, die wir machen, nehmen die Ausfälle zu. (...)

21- DIE BONBONHERSTELLER: diesbezüglich wurde die Information Ihrer letzten Datei nicht verstanden. (...) Für welche Arbeiten sollen wir mit dem älteren Bruder des Jugendlichen sprechen. Sie haben vorher gesagt, wir sollten das mit dem Fahrzeug besprochen. (...)

22- SCHULDEN WEGEN DER ZEITSCHRIFT: Sie sagen, dass Stuttgart 800 Zeitschriftenschulden hat. (..)

In der - in derselben Datei enthaltenen - Antwort des M.A. vom 22. Mai 2003 ("Ich habe Ihre Datei vom 19.05.2003, die 22 Punkte umfasst (...) erhalten.") erhält der Angeklagte Y. eine Reaktion des M.A. auf seine Mitteilung; hierbei wird er mehrfach auf seine Pflichten als Verantwortlicher hingewiesen, u.a. wie folgt:

"5- Warum verzögert sich das mit dem Verein. (...) Wir haben ein Programm übermittelt, das muss in die Tat umgesetzt werden. (...)

6- Das Limit für die Kassetten dort muss das Limit des letzten Jahres, mindestens 50.000 sein. Das muss übergeben werden. Was dort geschrieben war, waren 57.000, das ist runtergegangen auf 52.000, es ist richtig, dass das bei der letzten Versammlung, die wir gemacht haben, runtergegangen ist auf 42.000. Akzeptierst du das, hast Du an diesem Tag nicht gesagt, dass Ihr 50.000 übergeben werdet, hast Du nicht gesagt, dass dafür erforderlich ist neu zu schreiben, wir haben auf der Versammlung an diesem Tag gefragt, wer schreiben kann und Sie haben gesagt, A 1.000, A Şahin ca. 1.000 und dass die Sal. dort sind, das würden ca. 45, ja, zum Schluss ist es bei 45 geblieben (...) Entweder haben Sie vergessen, was sie an diesem Tag auf der Versammlung gesagt haben oder Sie erinnern sich nicht mehr. Erinnern Sie sich daran. Nein, man wird versuchen 50 zu übergeben, mindestens aber 45. (...) In Ordnung, wenn Sie nicht sammeln, werde ich selbst herumgehen. Aber das ist doch nicht erforderlich. Sie sind dort die Führung und auch wenn die Leute sagen, dass es weniger wird, sind Sie es, die da voranbringen wird. Sie müssen anders sein als die Leute dort. (...)

9- Die Kassettenabrechnungen müssen Teil Ihres Kenntnisstandes sein, sonst gehen sie durcheinander. (...) Nun sind sie in diesem Gebiet verantwortlich (...). Sie müssen in der Lagen sein das zu wissen. (...)

11- Was den Bonbonhersteller betrifft, informieren Sie uns jede Woche am Donnerstag, was passiert ist, mit wem gesprochen wurde. Dem älteren Bruder des Jugendlichen wurde zuvor wegen einer Sache etwas gesagt, er hat sich gefürchtet, was ich sagen wollte war, lasst uns ihn in geeigneter Weise erneut vorbereiten. Wir sollten versuchen, seine Angst zu überwinden. Er kann vorbereitet werden. (...) Jemand, der in den Urlaub fährt oder wie der Türkische-Pizza-Bäcker, das hatte ich mitgeteilt. Mit dem älteren Bruder des Jugendlichen hatte ich über ein Bonbon gesprochen. Anfangs kann er zur Probe geschickt werden, aber man muss sich darum kümmern, ihn vorbereiten. (...)

12- Wer kann darüber hinaus unter denen, die in den Urlaub fahren, wer sonst noch kann für andere Dinge erforderlich sein. Geben Sie uns Informationen.

13- Der Laptop wurde verschickt, derzeit gibt es keinen Bedarf, aber man muss das ständig im Gedächtnis haben, von wem können wir Hefte bekommen oder wer kann Kurier oder Bonbonhersteller werden. (...)"

Außerdem wird der Angeklagte Y. wegen seines eigenmächtigen Vorgehens bezüglich der Hungerstreikzeltes in Frankfurt gerügt und eindringlich auf seine hierarchische Einbindung hingewiesen, wonach sämtliche Aktionen mit der Führung abzustimmen sind (zu den Hungerstreikzelten in Frankfurt später mehr):

"Mir wurde in dieser Richtung nichts gesagt und ich habe so etwas an Sie nicht weitergeleitet. Nein, das muss gestoppt werden. Ohne (...) dass ich gesagt hätte, dass ein Hungerstreik in Frankfurt in einem Zelt durchzuführen ist, (...) kann eine solche Arbeit nicht durchgeführt werden. Führen wir eine Organisationsarbeit durch oder wie kommt es, dass man sagt, man habe das so besprochen und mache ein entsprechende Arbeit diesbezüglich. Oder wie kommt es, dass man sagt, so soll das geschehen. Sind wir die ÖDP, sind wir eine NGO, haben wir nicht eine bestimmte Funktionsweise, haben wir keine organisatorische Disziplin. Nein, was immer es auch sei, so etwas können Sie nicht machen. Auch wenn Sie die beste Aktion durchführen, ohne dass die Organisation darüber informiert ist oder ohne Disziplin, nur Ihrem eigenen Kopf folgend, kann niemand so etwas machen. Unsere Möglichkeiten zu fragen, zu lernen, Bestätigungen einzuholen, sind fast immer sofort gegeben. Wollen Sie so höflich sein und wenigstens fragen? (...)

Natürlich kann so etwas gemacht werden, warum nicht. Es ist falsch im Hinblick auf die Methode, das Funktionsprinzip. (...) man kann es als Vorschlag unterbreiten, aber was Sie machen hat die Grenzen eines Vorschlages gesprengt, Sie haben gesagt, dass Sie diesbezüglich arbeiten. Man kann Vorschläge unterbreiten und zentral wird ein Programm erstellt und dieses wird in die Tat umgesetzt. (...)"

Nach der Überzeugung des Senats blieb der Angeklagte Y. auch weiterhin Rechtsberater der Organisation.

Im Jahre 2003 kümmerte sich der Angeklagte Y. um Ts (Deckname des A C) Gerichtsverhandlung, um Es Verfahren, besuchte I Y und verfolgte dessen "Sache mit dem EGMR" und auch die Arbeiten des Komponisten (Deckname des N E) und dessen Entlassung. Diese Feststellung basiert auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe:

Eine ausführliche Schilderung der "Arbeit bezüglich der Gefangenen" enthält die Datei ID-Nr. 751 051), in der G am 15. März 2003 u.a. über ein Gespräch mit "K und N A" berichtet. Dass es sich bei K um den Angeklagten Y. handelt, belegt - neben der Beschreibung der Zuständigkeiten - die Bezugnahme auf ein gegen ihn anhängiges Verfahren, "das bis zum Juni entschieden werden könnte (...); Wann die Gerichtsverhandlung ist, steht noch nicht fest". Außerdem wird mitgeteilt, dass es gut wäre, wenn "nach K die Wohnung den Freunden / Genossen im Gebiet zur Verfügung stünde; dies bezieht sich ersichtlich auf die Wohnung in Köln, die der Angeklagte Y. behielt, obgleich er sich in der Folge als Regionsleiter Süd im neuen Gebiet aufhielt. Zur "Gefangenenbetreuung" führt sie Folgendes aus:

"Wir haben außerdem darüber gesprochen, wie seine Arbeit bezüglich der Gefangenen aussehen soll. Von den Gefangenen wird I jede Woche besucht. Auch der Komponist und T werden regelmäßig besucht. Solange keine außergewöhnliche Situation eintritt, braucht er nicht mehr zu Besuch gehen. Er sei sowieso nicht oft zu Besuch gegangen.

Ts Verfahren ist abgeschlossen. Für T braucht er nichts Juristisches zu machen. Für den Komponisten muss er die juristischen Angelegenheiten wegen seiner Aufdeckung im Juli, der Kursangelegenheit und der Aussetzung / der Bewährung seiner 11-monatigen Sache verfolgen. (...)

Mein Vorschlag: Die Gefangenen werden regelmäßig besucht, daher kann es reichen, wenn K zu besonderen Anlässen oder alle anderthalb - zwei Monate zu Besuch geht. K muss die juristische Situation der Gefangenen verfolgen. Vor allem die Aufdeckung des Komponisten und die Aussetzung / die Bewährung seiner 11-monatigen Strafe sind wichtig. (...)"

Am 19. März 2003 erteilt G in der Mitteilung an M.A. (Datei ID-Nr. 748 982) - im Anschluss an die (bereits ausgeführte) Aufforderung, M.A. solle dem Angeklagten Y. innerhalb von zwei Wochen sämtliche Kontakte vorstellen - Weisungen hinsichtlich weiterer Aufgaben des Angeklagten Y. als Rechtsberater und Gefangenenbetreuer, wobei er aufgefordert wird, sich vor allem um die Angelegenheiten des N E (Deckname: Komponist) zu kümmern; wörtlich lautet die Anweisung wie folgt:

"K muss die Angelegenheiten des Komponisten verfolgen. Die Besuche für die übrigen Gefangenen organisieren wir, wenn etwas Besonderes ist, geht er zu Besuch zu den Gefangenen, und sonst geht er einmal im Monat je nach den Umständen sie besuchen. Nur die Prozesse und die rechtliche Situation der Gefangenen muss er verfolgen. Vor allem die Entwicklungen um den Komponisten muss er verfolgen, uns mitteilen und darüber informieren, was alles gemacht werden muss. (...)

Außerdem beauftragt sie in dieser Mitteilung über M.A. den Angeklagten Y., mit "Zarife (...) aus Dersim" zu sprechen; sie soll ermahnt werden, nicht herumzuerzählen, dass es in Stuttgart und Ulm je 2 Personen gäbe, die für die Polizei arbeiteten; "wenn sie ein Problem hat, soll sie es von nun an mit K besprechen".

Weitere Aktivitäten als Rechtsberater belegt ein Bericht Gs vom gleichen Tag (Datei ID-Nr. 751 375); in einer Notiz E wird erwähnt, dass K Kontakt mit einer Anwältin im Zusammenhang mit einem in Nürnberg anhängigen Verfahren eines Veteranenfreundes hatte; es wird angefragt, ob bei dem Rechtsbüro ein früheres Strafurteil angefordert werden soll.

Am 22. März 2003 berichtet G der Führung ("ANTWORT AUF IHR / EUER SCHREIBEN VOM 22.03.2003 MIT 10 PUNKTEN") erneut über Aktivitäten des Angeklagten Y. und über ihre (direkten) Kontakte mit diesem (Export-13/Unallocated Clusters~122):

"3- Über die letzte Situation von Ö hatte ich K erzählt.

K wollte gehen, um T zu besuchen. Ich hatte gesagt, dass Änderungen bei den Meinungen von Ö aufgetreten seien, dass ich auf die Antwort der Freunde warte.

Als dann die Notiz kam, dass man im Moment dem T nichts sagen soll, hatte ich auch K weitergetragen, dass er T nichts sagen soll."

Einen Tag später, am 23. März 2003, leitet G u.a. eine Notiz an die Führung weiter, die sie an C (Deckname des M.A.) geschrieben hat; in dieser erteilt sie dem Angeklagten Y. über M.A. weitere Anweisungen in seiner Funktion als Rechtsberater (Datei ID-Nr. 750 856); im Einzelnen:

"13- Wir sollten den Namen von K ändern. Wir nennen ihn K. Die Sache mit dem Komponisten muss er unbedingt verfolgen und auch uns informieren.

- Für den Veteranenfreund müssen wir vom Rechtsbüro das Urteil mit Gründen verlangen. Ich habe es Zel. gesagt. Und K soll das der Anwältin sagen. Wenn das Urteil kommt, schauen wir. Dementsprechend entscheiden wir, ob wir es bei Gericht abgeben oder nicht.

- Fragt den K:

Warum hat sich das Asyl von dem Freund so sehr in die Länge gezogen? Laufen einige Dinge falsch? Die Asyle von den anderen Freunden haben sich nicht so sehr in die Länge gezogen. Was sagt K zu dieser Sache?"

Wiederum einen Tag später, am 24. März 2003, berichtet M.A. an G unter anderem über verschiedene Aktivitäten des Angeklagten Y. (K) in seiner Funktion als Rechtsberater (Export-4/Unallocated Clusters~613) und zwar

- über einen Besuch bei A C (T),

- über neue Erkenntnisse bezüglich H H (hierzu später mehr),

- über seine Einschätzung im Fall des "Komponisten" (Deckname des N E).

Auch aus der Mitteilung vom 10. April 2003 (Datei ID-Nr. 752 061), die G an M.A. (B) schrieb, geht hervor, dass der Angeklagte Y. (K) weiterhin Prozesse beobachtete:

"Bringen Sie in Erfahrung, was A bei der Gerichtsverhandlung genau gesagt hat? Warum haben wir so spät davon erfahren. Die Verhandlung war im Dezember beendet worden. Wir erfahren aber erst vier Monate später davon. K hat wahrscheinlich eine Erklärung dafür."

Korrespondierend hierzu berichtet G in ihrem Schreiben an die Parteiführung vom 24. April 2003 (Datei: Export-4/ Unallocated Clusters~122): "K hat die Aussagen von A durchgesehen und ich habe sie als Datei zugeschickt."

In der Mitteilung vom 22. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 750 271) berichtet die Europaverantwortliche über einen von dem Angeklagten Y. beabsichtigten Besuch des A C (T): "K wollte in dieser Woche zu Besuch zu T gehen. Er soll gesagt haben, dass er wegen eines technischen Grundes nicht gehen konnte."

Aus dem bereits wörtlich zitierten Bericht des Angeklagten Y. vom 15. Juli 2003 (Datei: Export-5/Unallocated Clusters~616) geht außerdem hervor, dass er sogar direkten Kontakt mit den Verteidigern des A C (T) aufgenommen hat und sich darüber beschwerte, dass der "unerfahrene Rechtsanwalt" des A C (T) nicht auf ihn gehört habe.

Wie bereits mehrfach ausgeführt, war der Angeklagte Y. auch mit der Suche nach einem Rechtsanwalt für den DHKP-C-Funktionär A Er befasst, wie sich insbesondere aus seinem Bericht vom 19. Mai 2003 ergibt (Export-3/Unallocated Clusters~319); am 26. August 2003 berichtet G an die Führung hierzu wie folgt (Datei ID-Nr. 754 867):

"1- BEZÜGLICH DES PUNKTES, DER MIT DEM SATZ ANFÄNGT "Ihre/Eure Notiz bezieht sich auf / ist über A Er...

- Wir hatten für A einen Anwalt engagiert, K ist zum gleichen Anwalt gegangen. Er habe gesagt, dass dieser auch sein Anwalt sei, dass für A ein anderer Anwalt genommen werden muss. Als wir mit diesem Anwalt gesprochen haben, war er noch nicht mit Ks Verfahren befasst. B A wird fragen, warum K sich so verhält und Eser wird erneut mit dem Anwalt sprechen."

Am 10. Oktober 2003 fragt G bei der Führung Folgendes an (Datei ID-Nr. 755 134): "I Y wollte, dass K zu Besuch kommt. Soll K hingehen?"

Am 11. November 2003 berichtet G - in Beantwortung einer Mitteilung der Führung vom Vortag - unter anderem Folgendes:

"2. WAS DEN PUNKT ANGEHT, DER MIT DEM SATZ ‚Was war das, was I privat besprechen wollte, war das die Sache mit dem EGMR‘, ANFÄNGT;

- Er hat angeblich sonst nichts erzählt. Auch K soll in dieser Sache von Is Anwalt einen Brief erhalten haben. Sowohl K als auch S, beide haben dieselbe Information gegeben."

Dass der Angeklagte Y. auch noch kurz vor seiner Festnahme mit der "Rechtsberatung" von DHKP-C-Kadern befasst war, belegt ein Schreiben in türkischer Sprache, das unter dem Datum vom 03. November 2006 auf der Compact-Flash-Card, die sich in seiner, bei M D abgestellten Reisetasche befand, gespeichert war (übersetzter Dateiname: "A / Mehmet / Brief an F wegen des Klägers von Italien"). Inhaltlich befasst sich das Schreiben mit zwei, nicht namentlich genannten Personen, die in Perugia/Italien vor Gericht stehen. Nach Angaben des Zeugen KHK B ist aus weiteren Schreiben ersichtlich, dass er sich um die beiden in Italien Inhaftierten A Er und Nazan E Aas Z K kümmerte; wie bereits ausgeführt, endete das Verfahren durch Urteil des Schwurgerichts Perugia (Italien) vom 20. Dezember 2006. Der Angeklagte Y. bittet RA F um ein Schreiben, in dem - am Beispiel der Verfahren gegen ihn und die früheren Europaverantwortlichen der Rückfront, Serefettin G und N E, sowie anderer Führungsfunktionäre der DHKP-C - ausgeführt wird, nach welchen Gesetzen die DHKP-C in Deutschland verurteilt wird, d.h. "ob das Terrorismusgesetz angewandt wird oder nicht"; überdies, dass seit Februar 1999 Verurteilungen nur noch nach dem Vereinsgesetz erfolgen. Ob dieses Schreiben ausgedruckt und abgesandt oder per E-Mail übermittelt wurde, konnte zwar nicht festgestellt werden, gleichwohl ist dadurch belegt, dass die Organisation den Angeklagten Y. noch im November 2006 als "Rechtsberater" eingeschaltet hat. Der Adressat ist zwar Rechtsanwalt F, gleichwohl ist nach dem Inhalt auszuschließen, dass es sich um Verteidigungsunterlagen handelt.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Angeklagte Y. - entgegen seiner sonstigen Bekundung, es gebe nur Mitglieder in der Türkei - in dem Brief selbst von "Mitgliedern" der DHKP-C in Italien spricht.

d. Konspirative Kommunikation und Berichtspflichten

Zahlreiche Dokumente aus der niederländischen Rechtshilfe belegen das konspirative Verhalten des Angeklagten Y.. Er war in den Nachrichtenaustausch mit der Führung, der durch die Übermittlung verschlüsselter Dateien erfolgte, direkt eingebunden; im Einzelnen:

Wie Dateien zu chiffrieren sind, zeigte ihm nach Übernahme der Leitung der Region Süd M.A.. Diese Feststellung basiert auf der Datei vom 24. März 2003 (Export-4/Unallocated Clusters~613); M.A. teilt der Europaverantwortlichen G mit, dass es notwendig sei, mit dem Angeklagten Y., der - wie ausgeführt - gerade in der Region Süd vorgestellt wurde, noch "Chiffrierung und das Zipen am Pocket" zu üben (mit "Zipen" ist wohl die Komprimierung mit einem ZIP-Programm gemeint).

In einer am 04. April 2003 an die Führung weitergeleitete Notiz, die sie an M.A. (Deckname: C) geschickt hatte, erteilt G Anweisungen zum Austausch elektronischer Dateien, die kodiert und in Bilddateien getarnt zu übermitteln seien, zur Einbindung der ihm nachgeordneten Funktionäre, unter anderem des Angeklagten Y., und zum Verhalten im Falle von Festnahmen (Datei ID-Nr. 752 331); wörtlich schreibt sie hierzu Folgendes:

"8- Haben sie / habt ihr die Kodierungen für das Pocket von R und E erhalten? Es muss von allen von Euch benutzten Kodierungen einen Ersatz / eine Reserve geben, Ihr müsst sie in Bildern tarnen. Dementsprechend werde ich die bei mir vernichten. Falls ihr mit S unproblematisch klarkommt, werde ich deren Kodierungen vernichten.

Den Platz eurer Ersatzkodierungen kann K, Mitarbeiter und R kennen. Falls Ihr in jedem Gebiet einen Ersatz hinterlegt, sollen die Freunde den Ort kennen. Es kann einen Ersatz im Norden, und einen im Süden geben. Jedoch darf die Tarnchiffre nur uns beiden bekannt sein. (...) Das Tarnkennwort soll der wahre Name des Mitarbeiters sein. Es soll nur sein Vorname sein. Falls betreffend sie irgendeine Gewahrsamnahme und Festnahme sein sollte, müssen der Mitarbeiter, K und die im Norden sofort Zel. finden. Einer von ihnen soll sofort für diese Gebiete eine Kodierung vorbereiten und sie uns schicken. Oder wir bereiten es sofort vor und leiten sie an die Gebiete weiter. (...) Falls etwas mit Zel. sein sollte, sollen sie die beim Wöchentlichen erreichen. Sofort müssen Kodierungen und Mailadressen geändert werden. (...) Falls mit uns etwas passieren sollte, dürfen an die Mailadressen in allen Gebieten keine Dateien geschickt werden. Kodierungen und Telefonnummer müssen annulliert werden. (...)"

M.A. teilt diesbezüglich in seiner Nachricht vom 03. April 2003, die G am 04. April 2003 erhalten hat und die ebenfalls in die Datei ID-Nr. 752 331 aufgenommen ist, Folgendes mit:

"8- Ich habe E gesehen. Wir haben die tel..Nummer, die Hand Kodierung und die Kodierung für die Akte erledigt. (...)

E- Mit Sabr... sind wir zu einer neuen Karte und einer neuen Hand Notiz über gegangen.

F- K hat seine tel..nummer noch nicht mitgeteilt. Er ist derzeit im Süden, die Akte kann er erst Samstag (abgekürzt) holen und übersenden."

Der ausführliche Bericht des Angeklagten Y. vom 19. Mai 2003 (Export-3/Unallocated Clusters ~319) belegt, dass er regelmäßig über Dateien in Kontakt mit seinem übergeordneten Kader stand und dieser - wie dessen Antwort belegt - auch jederzeit für ihn erreichbar war (in Eilfällen spricht der Angeklagte Y. von "Handübermittlung").

Für die Kommunikation mit untergeordneten Aktivitäten und Funktionären verwendete der Angeklagte Y. Mobiltelefone, die auf Dritte angemeldet waren, nutzte daneben aber auch Telefone, die auf seinen Namen registriert waren. Diese Feststellung basiert auf Dateien der niederländischen Rechtshilfe:

In der bereits zitierten Notiz vom 04. April 2003 (Datei ID-Nr. 752 331) beanstandet G, dass der Angeklagte Y. ein auf seinen Namen registriertes Telefon bei der "Gebietsarbeit" benutze:

"A-K würde ein auf sich aktiviertes Telefon benutzen? Warum benutzt er ein auf seinen eigenen Namen registriertes Telefon im Gebiet? Es war notwendig, dass er das sowieso nicht macht. Es kann richtig sein, dass er für die Angelegenheiten mit seinem Anwalt sein eigenes Telefon benutzt. Es ist jedoch sehr falsch, dass er ein auf seinen eigenen Namen aktiviertes Telefon im Gebiet benutzt. K wird sagen, dass nichts passieren wird. Ihr müsst kontrollieren, was er macht."

Die Rufnummer eines Telefons, das der Angeklagte Y. von Funktionären seines neuen Gebiets erhalten hatte, war der Polizei bekannt; dies lässt sich der Notiz des M.A. entnehmen, die ebenfalls in der Datei ID-Nr. 752 331 enthalten ist; weiter geht hieraus hervor, dass der Angeklagte Y. (deshalb) ein neues Telefon kaufen wird:

"2- K hat hinsichtlich der Begegnung / Gespräch mit den Onkeln gesagt, dass sie Dienstag mit dem tel. nicht gekommen sind, er hat gesagt, sie hatten wohl Bedenken. Also, es hat keine Begegnung gegeben. Den K rufen die Onkel über dessen eigenes offenes tel.... an. Bei ihm war ceg.. Der habe gedolmetscht. Sie hätten direkt über diese tel..nummer angerufen. Es ist eine registrierte Telefonnummer. In der Gegend von Stut. hatten Freunde dieses Telefon gegeben. Er wird ein neues Telefon kaufen.

8- (...) F- K hat seine tel..nummer noch nicht mitgeteilt. Er ist derzeit im Süden, die Akte kann er erst Samstag (abgekürzt) holen und übersenden."

(Der Begriff Onkel ist im DHKP-C-Jargon die Bezeichnung für Polizist.)

Am 10. April 2003 wies sie den Angeklagten Y. dann in einer Nachricht über M.A. (Deckname: B) auch an (Datei ID-Nr. 752 061): "K soll kein Telefon auf seinen eigenen Namen benutzen. Er soll eine Prepaid-Karte verwenden."

In gleicher Weise wird in der Datei vom 19. Mai 2003 Kritik an dem Angeklagten Y. geäußert (Datei Export-3/Unallocated Clusters~387): "Was hat K mit dem Telefon, was auf seinen eigenen Namen lautet, gemacht, ist dieses Telefon immer noch eingeschaltet? Er muss dieses Telefon abschalten."

Wie bereits in den vorgenannten Dateien für die zurückliegende Zeit beanstandet, benutzte der Angeklagte Y. - wie ausgeführt - sein Mobiltelefon (Tel. 0160/95469297), Anschlussinhaberin war Rechtsanwältin Vesile Y, Rstraße, Köln, entgegen der Vorgaben der Führung auch für Gespräche mit DHKP-C-Aktivisten seines Gebiets.

e. Durchführung und Kontrolle von Maßnahmen der Geldbeschaffung

Der Senat ist davon überzeugt, dass sich der Angeklagte Y. als Verantwortlicher der Region Süd ab März 2003 gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Vereinigung und mit Hilfe ihm untergeordneter Aktivisten an Maßnahmen zur Beschaffung von Finanzmitteln für die terroristische Vereinigung beteiligte. Im Einzelnen:

aa. Mitwirkung an Spendenkampagnen

Der Angeklagte war - wie ausgeführt - bereits in seiner Zeit als Rechtsberater vor Übernahme der Leitung der Region Süd an Spendensammlungen beteiligt. So meldet G am 25. Februar 2003 der Führung Folgendes (Datei ID-Nr. 749 670):

"(...) Darüber hinaus haben wir derzeit folgendes verbliebene Geld: (...)

- 2.400 (zweitausendvierhundert) EUR das bekannte Geld von K A

- 1.950 (eintausendneunhundertfünfzig) EUR - Kampagnengeld - von K A (...)"

Mit der Übernahme seiner Funktion als Leiter der Region Süd führte er - zunächst zusammen mit M.A. - die jährliche Spendenkampagne, die bereits längere Zeit lief, zunächst gemeinsam mit M.A. fort. Diese Feststellung basiert auf Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe.

Bereits am 02. März 2003 berichtet die Europaverantwortliche im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Einsatz des Angeklagten Y. in Stuttgart unter anderem (Datei ID-Nr. 750 791):

"K könnte für ein paar Wochen mit N A unterwegs sein, Beziehungen kennen lernen, und sie könnten die Kassettenarbeit gemeinsam durchführen."

Am 15. März 2003 gibt G ein Gespräch mit K und M.A. (Deckname: N A) unter anderem über die Spendensammlung wieder (Datei ID-Nr. 751 051):

"A: Gespräch mit K und N A:

- Wir haben K die Kontakte in Stuttgart und Umgebung, den letzten Stand der Kassettenarbeit und die Arbeiten für die Veranstaltung erläutert.

- Wir haben K gesagt, dass er, ehe er in die täglichen Angelegenheiten eintritt, Massenarbeit betreiben und eine Arbeit leisten müsse, die sich auf die häuslichen Beziehungen und die übrigen Möglichkeiten konzentriert. Er wird die allgemeine Koordination des Gebiets sichern und diese kontrollieren."

Wenige Tage später, am 23. März 2003, weist die Europaverantwortliche den früheren Mitangeklagten M.A. (Deckname: C) wie folgt an (Datei ID-Nr.: 750 856):

"Es reicht aus, wenn sie den K mit den Freunden bekannt machen, die Publikationen verteilen und aktiv Aktivitäten durchführen. Den Rest kann er mittels der anderen Freunde selbst lernen."

Dem Bericht des M.A. an G vom 24. März 2003 (Export-4/Unallocated Clusters~613) lässt sich entnehmen, dass der Angeklagte Y. (K) zu dieser Zeit bereits fest in die "Kassettenarbeit" in der Region Süd eingeplant war:

"12- Die letzte Situation bei den Kassetten: besprochen, geschrieben 52.220, gesammelt 29.545, übergeben 20.000, in das Land geschickt 1.750. Heute hätten weitere 1.500 genommen werden sollen, derzeit habe ich es noch nicht herausbekommen. Diese Woche werden wir den Rest schicken. Anfang April hätte das Gesammelte 40.000 übersteigen können. Insgesamt 50 bis 52 übergeben. Für Ulm werden K mit dem A und manchmal Fir. mit dem A umhergehen. Fir. wird überwiegend mit Erk. zusammen sein. K wird mit A, A. Ş und D umhergehen."

Eine detaillierte Schilderung des Verlaufs der Kampagne 2002/2003 enthält der Bericht von G an die Führung vom 03. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 761 878); sie berichtet über ein Gespräch mit dem Angeklagten A (Deckname: B A) und den ihr mitgeteilten Stand; danach wurden in Stuttgart bereits 34.000,-- EUR gesammelt. Es soll jedoch bis zum 15. Juni weitergesammelt werden, um 45.000,-- EUR zu erreichen. Die relevante Passage dieser Datei lautet wie folgt:

"c- Kassettenarbeit:

1- Hamburg: bis Ende dieses Monats werden 3.000 eingesammelt.

2- Berlin: bis Ende dieses Monats werden 3.000 eingesammelt,... (...)

3- Stuttgart: Es gibt keine Klarheit, wie viel noch eingesammelt werden kann.

4- Eingesammelte Kassettenmengen:

Hamburg: 21.150

Berlin: 10.800

Stuttgart: 34.000

Kassettenmengen, die eingesammelt werden können:

Hamburg: muss 30.000 vervollständigen.

Berlin: muss 20-25.000 vervollständigen.

Stuttgart: muss 45.000 vervollständigen, aber K sagt, es werden 42.000. Ich habe verlangt, dass bis zum 15. Juni die endgültigen Summen, die eingesammelt werden können, eingesammelt werden. Sie sollen den Monatsanfang nutzen und es einsammeln."

Am 22. Mai 2003 folgt ein Bericht des M.A. (Deckname: B) an G, den diese am Folgetag an die Führung weiterleitet (Datei Export-3/Unallocated Clusters~319); in diesem fasst M.A. einen Bericht des K zur "Situation bei der Kassette" wie folgt zusammen:

"K sagt, dass das, was sie sammeln können, 42 sind, er sagt sogar, dass es weniger sein wird. Das ist nicht richtig.

Gesammelt wurden 34.400, ausgehändigt wurden 33.250, was er besitzt sind 1.150. Er hatte gesagt, dass er das diese Woche aushändigen werde, das hat er nicht getan. Er sagte, dass er das am F, wenn er den T besucht, übergeben wird."

Am 30. Mai 2003 folgt ein weiterer Bericht des M.A. an G, den diese am gleichen Tag - zusammen mit einer von ihr an ihn geschriebenen Notiz - an die Führung weiterleitet (Datei ID-Nr. 761 902); in dieser wird der aktuelle Stand der Spendensammlung mitgeteilt:

"- Kassetten, letzter Stand:

- K zum 26. Mai, gesammelt 34.400, übergeben 32.250, diese Woche hat er 1000 Euro Yalcin gegeben. (...)"

Weiter berichtet er über vereinnahmte Gelder des Zentralabends:

"Übergebenes Geld von den Tickets für den zentralen Abend:

K hat diese Woche 1000 Euro an das Wöchentliche übergeben. Nachdem mit dem Mitarbeiter eine Abrechnung gemacht worden ist, wird er den Rest übergeben."

Der Senat ist davon überzeugt, dass im Ergebnis in der Region Süd insgesamt mindestens 34.250,-- EUR gesammelt und bis Juni 2003 fast vollständig an die Führung weitergeleitet wurden (in der Region Nord: 33.900,-- EUR, insgesamt mithin 68.150,-- EUR). Diese Feststellung basiert auf der Datei ID-Nr. 761 873 des M.A. (Deckname: B) vom 04. Juni 2003. Unter Ziff. 5 berichtet er über die "aktuelle Lage bezüglich Kassetten":

- Hamburg: "A- Hamb... eingesammelt 21.150. Das Ganze wurde übergeben. Davon wurden 200 Euro für den Warmstempel ausgegeben. Wir haben leider nicht gefunden und gezwungenermaßen gegeben..."

- Berlin: "B- Berl... 12.750. Das Ganze wurde übergeben."

- Stuttgart: "C- Stut... Es müssten entweder 33.250 oder 34.250 übergeben worden sein. K ist durcheinander gekommen. Ich erinnere mich auch nicht mehr. Diesen Montag wird das hier geklärt sein. Oder ihr müsst das klären. Es stehen 1000 Euro zur Verfügung.

Eingesammelt wurden 34.250 oder 35.250."

Der Senat geht davon aus, dass es sich hierbei um das Endergebnis der Jahreskampagne 2002/2003 handelte; nach dem weiteren Bericht (in derselben Datei ID-Nr. 761 873) werden die "bei den Kassetten einzusammelnden Beträge jeden Tag geringer". Aus diesem Grund glaubt M.A. auch nicht an die Prognose des Angeklagten Y., es könnten noch weitere 5.000,-- EUR Spendengelder gesammelt werden; hierzu schreibt M.A. Folgendes:

"Wir haben heute mit K und den anderen eine Versammlung gemacht. Sie haben 5000 gesagt. Ich glaube aber nicht mehr daran, dass das gesammelt wird... Es heißt immer, jeder bemühe sich und arbeite, aber es könne nicht eingesammelt werden. Sie werden nicht einsammeln, denn sie haben immer ihre Gründe. Überwachung und Resultate sind schwach. Der Betrag, der in zwei Monaten gesammelt wurde, ist sehr gering... 5 Tausend... es wird schwierig sein, in einem Monat 5 Tausend einzusammeln."

Nach alledem geht der Senat hinsichtlich der in der Region Süd im Verlauf der Jahreskampagne 2002 / 2003 insgesamt gesammelten Spenden von dem geringeren Betrag (34.250,-- EUR) aus, wobei der Angeklagte Y. erst ab Übernahme der Regionsleitung eingebunden war.

Im Rahmen einer 3-tägigen Schulung durch G im August 2003 wurde auch die Kassettenarbeit "für das nächste Jahr" - gemeint die Jahreskampagne 2003/2004 - thematisiert; die diesbezügliche Äußerung des Angeklagten Y. gibt G wie folgt wieder (Datei ID-Nr. 753 201):

"Wir haben über die Kassettenarbeit für das nächste Jahr gesprochen. Er hat gesagt, dass es im Moment nichts geben würde, worüber man Angst haben müsste. Man müsse zu noch mehr Menschen gehen und sie noch mehr arbeiten lassen. In diesem Jahr würden wir wieder unser Ziel erreichen."

Das Ziel der Jahreskampagne 2003 / 2004 ergibt sich auch aus dem Bericht Gs an die Führung vom 13. November 2003 - in Beantwortung einer "Anmerkung" der Führung vom gleichen Tage (Export-10/Unallocated Clusters~10); in dieser korrigiert G das von der Region Süd vorgeschlagene Limit von 50.000,-- EUR auf 60.000,-- EUR; die relevante Passage (Pkt. 7) lautet wie folgt:

"Bezüglich des Artikels, der mit dem Satz beginnt: Greift bezüglich der Limits dieser Kassetten ein, es ist die Rede von sehr komischen Zahlen.

- Ich versuche einzugreifen. Ich habe in der Schweiz eingegriffen. Wir haben auf 30 Tausend erhöht. Für Belgien hatte ich Beschwerde eingelegt, 13500, ich werde erneut mit H sprechen. Stuttgart hatte 50 Tausend eu (Euro) gesagt, auch dem habe ich widersprochen. Diese Summe können sie unter jeden Umständen sammeln, ich habe gesagt, dass es mindestens 60 Tausend sein sollten. Im mittleren Gebiet habe ich den Limits von Mannheim und Saarbrücken widersprochen. C A (älterer Bruder C) sagt: ‚In Mannheim sei C seinerzeit von dieser erwähnten Umgebung weggenommen worden. Wir kennen die sämtlichen Beziehungen, es kommen so viele heraus.‘ Soweit ich weiß, wurde von der erwähnten Umgebung kein größerer Geldbetrag erhalten."

Daneben war der Angeklagte Y. in der Region Süd für die Organisation weiterer Spendensammlungen zuständig, beispielsweise für die unter dem Namen des Tayad-Komitees von der DHKP-C durchgeführte "Gefangenenkampagne" im Juli / August 2003, die auch in der Region Nord durchgeführt wurde. In der Region Süd sollten mindestens 10.000,-- EUR gesammelt werden.

Bereits Anfang Mai 2003 legte G die "Limits" fest, und zwar für Hamburg und Berlin je 7.500,-- EUR, für Stuttgart 10.000,-- EUR, sowie die voraussichtliche Dauer der Kampagne. Diese Feststellung beruht auf der Datei ID-Nr. 761 878, in der G am 03. Mai 2003 über ein Gespräch mit M.A. zur Gefangenenkampagne berichtet:

"f- Gefangenenkampagne:

Hamburg: 7,5 Tausend

Berlin: 7,5

Stuttgart: 10 Tausend als Limit festgelegt.

Wir haben darüber gesprochen, dass im Juli und August ziemlich organisiert und das Geld übergeben wird."

Am 24. Juli 2003 berichtet G an die Führung (Datei ID-Nr. 754 559) über ein diesbezüglich geführtes Gespräch mit M.A. (B A):

"5- (...) a- Ich hatte B A geschrieben, damit beim Tayad Komitee Vorkehrungen getroffen werden, und man sich für die eingeleitete Gefangenenkampagne einsetzt. Sie wollten mit denen im Vorstand sprechen. Es könnte sein, dass er gesprochen hat. Im Namen des Tayad Komitees haben wir bezüglich des Todesfastens eine Mitteilung in jeder Sprache gedruckt und in ganz Europa verteilt. In der Mitteilung sind Adresse, Telefonnummer und Mailadresse aufgeführt.

b- Auf diesen Quittungen ist die Telefonnummer des Tayad Komitees angegeben. (...)"

Im Weiteren wird mehrfach betont, dass die Kampagne, da im Namen des Tayad-Komitees durchgeführt, "legal" sei. Aus der Datei ergibt sich jedoch zur Überzeugung des Senats, dass es sich tatsächlich um eine von der DHKP-C organisierte Kampagne handelte. Das Tayad-Komitee sollte sich lediglich dafür "einsetzen". Entsprechend wurde mit dem Vorstand des Tayad-Komitees erst nach deren Einleitung gesprochen. Die DHKP-C ("wir") - nicht das Tayad-Komitee - machte die Kampagne durch mehrsprachige Flyer bekannt. Auch deren Ablauf war fest in der Hand der DHKP-C.

Über den Fortgang der Kampagne berichtete G der Führung am 28. September 2003 (Datei ID-Nr. 754 604); am 4. Tag einer Schulungsveranstaltung habe sie mit M.A. (B A) über "praktische Themen" gesprochen; das Gespräch bezüglich der Gefangenenkampagne schildert sie wie folgt, allerdings ohne das Ergebnis der Sammlung in der Region Süd mitzuteilen:

"b- Wir haben über die Gefangenenkampagne gesprochen.

Hamburg hat 2700 Euro geschrieben, 820 gesammelt.

Berlin hat 3500 Euro geschrieben, 1200 Euro gesammelt.

Ich habe verlangt, dass sie sich sofort mit den Komitees versammeln und Anfang dieses Monats sammeln und im September abschließen."

bb. Organisation von Konzerten und anderen Veranstaltungen

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. mit der Übernahme der Leitung der Region Süd auch die Organisation von Konzerten und anderen Veranstaltungen zu seinen Aufgaben gehörte.

Unmittelbar nach der Übernahme wurde er mit der Klärung offener Rechnungen / Steuerschulden aus früheren Veranstaltungen betraut. Dies lässt sich anhand des organisationsinternen Schriftwechsels aus der niederländischen Rechtshilfe nachvollziehen. Er wurde beauftragt, mit einem A zu verhandeln, der für die DHKP-C als Konzertveranstalter tätig war. Dies belegt ein Schriftwechsel zwischen M.A. (C) und G vom 28. / 30. März 2003 (Export-4/Unallocated Clusters ~570); zunächst berichtet M.A. über beträchtliche Steuerforderungen, die A an die Organisation wegen einer zurückliegenden Abendveranstaltung in Stuttgart stellte. Außerdem habe A auf die Gefahr hingewiesen, dass die Einnahmen einer neuen Abendveranstaltung beschlagnahmt werden könnten, sofern die Steuerschulden nicht zuvor beglichen werden und bittet um eine Zahlung von 8.000,-- EUR. M.A. vertröstete A auf den Tag der (neuen) Abendveranstaltung. Weiter weist M.A. G auf die - von A angesprochene - Möglichkeit hin, eine neue Firma zu gründen, die als Veranstalter auftreten kann; dies koste nur 30,-- EUR. G reagiert in ihrer Antwort hierauf äußerst verärgert und beauftragt den Angeklagten Y. (K), mit A zu sprechen:

"ES IST NICHT NÖTIG, DASS WIR MIT A EINE VEREINBARUNG FÜR EINE NEUE ABENDVERANSTALTUNG MACHEN.

Wenn es erforderlich ist, können wir selbst über eine saubere Person eine Firma gründen, denn eine Firma zu gründen ist sehr einfach. Entweder wir machen es selber oder über eine SAUBERE Person kann diese Sache erledigen.

WIR KÖNNEN KEINE STEUER IN HÖHE VON 8000 EURO ZAHLEN. (...)

Der Mann soll sich merken, dass er mit einer Organisation, vor allem mit einer Organisation wie der unseren, Geschäfte macht. (...) Ermahnt ihn eindringlich. (...)

- Wir brauchen ihn nicht, um Abendveranstaltungen zu organisieren. Wir wollen mal sehen, wie er ohne unsere Unterstützung versucht, eine Abendveranstaltung zu organisieren. Wer hat in Europa eine Stärke wie wir? (...)

Am meisten Menschen kommen zu Abendveranstaltungen der Organisationen. (...)

- UNS KANN NIEMAND AUSNUTZEN, TRICHTERT ES DIESEM KERL EIN.

(...) Mit diesem Kerl soll sich nur K beschäftigen, außer ihm soll sich niemand mit ihm besprechen. Und wenn er ein Problem hat, soll er mit K (darüber) sprechen."

Auch hinsichtlich weiterer Veranstaltungen finden sich zahlreiche Hinweise in den Dateien. Beispielsweise wurden im Rahmen einer von G durchgeführten, dreitätigen Schulungsveranstaltung des Angeklagten Y. im August 2003 Veranstaltungen thematisiert, die in seinem Gebiet durchgeführt wurden bzw. geplant waren. Hierüber berichtet G der Führung am 16. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 201); sie beklagt sich u.a. darüber, dass der Angeklagte Y. für Abende in Ulm und Stuttgart rückständiges "Steuergeld" aus dem Vorjahr verlange, als er noch gar nicht im Gebiet gewesen sei. Außerdem sei eine weitere Abendveranstaltung in Stuttgart geplant; dies ergibt sich aus folgender Passage:

"K hat gesagt, dass jetzt ich für die Stuttgarter Abendveranstaltung an Stuttgart das Steuergeld vom letzten Jahr bezahlen muss, und dass sie dieses Geld wiederum aus der Abendveranstaltung, die sie bei K zu machen beabsichtigen, nehmen würden. Ich habe darauf hin gesagt, dass ich dies nicht akzeptieren würde."

- Abendveranstaltung in Stuttgart im November 2003

Wie angekündigt, bereitete der Angeklagte Y. dann im November 2003 eine Abendveranstaltung in Stuttgart vor. Diese fand bereits im Vorjahr statt und wurde schon am 25. Februar 2003 im Schriftwechsel zwischen M.A. und der Führung thematisiert, wobei aus der Datei eindeutig hervorgeht, dass die DHKP-C der tatsächliche Veranstalter ist und die Veranstaltung der Gewinnerzielung dienen sollte (Datei ID-Nr. 749 638):

"Wir sagen, dass wir den Saal für den 8. Nov. in Stut... schon jetzt anmieten sollen. A soll ihn anmieten. (...) Ohnehin ist es ganz gleich, wer die Anmietung vornimmt; dass wir die Abendveranstaltung machen, verstehen sie nach den Plakaten und Tickets. Wir sagen für die Abendveranstaltung es sollten K, K, A, F T, S A und Y sein. (...) die gesamten Kosten liegen bei ca. 60.000, wir denken, dass wir dies mit dem Ticketverkauf in Stut... rausholen können. Wir glauben / denken, dass das Geld aus Essen und Getränken etc. und die Ticketgelder aus dem Verkauf an den anderen Orten als Gewinn übrig bleiben. (...)"

Über die Einbindung des Angeklagten Y. in die Vorbereitung dieser Veranstaltung berichtet G der Führung am 11. November 2003 (Datei ID-Nr. 755 560):

"- Weil wir letztes Jahr in Stuttgart eine Veranstaltung mit vielen Leuten gemacht haben, haben wir gesagt, wir machen dieses Jahr wieder eine, allerdings haben wir beschlossen, dass es dieses Jahr nicht zentral, sondern regional ein Stuttgarter Abend sein soll. Darüber, die Arbeit für die Veranstaltung in eine Massenarbeit zu verwandeln, neue Kontakte kennenzulernen, die Arbeit für die Veranstaltung als Mittel für Kassetten, Zeitschriften, Gebietsarbeit u.a. zu nutzen, habe ich auch mit K gesprochen, habe es auch B A geschrieben, und auch er hat mit K diskutiert."

Im Folgenden beklagt sich G, dass aufgrund der Veranstaltung andere Arbeiten vernachlässigt werden:

"Soll die Veranstaltung erst mal zu Ende sein, dann denke ich, wir müssen mit K noch einmal reden. Er hat bei keinem der Themen, die wir bei unserem letzten Gespräch durchgesprochen und diskutiert haben, einen Schritt unternommen. Verein, Umfrage, Analyse, Seminare, Bildungsarbeit, Todesfastenaktionen etc., keines davon hat er gemacht. Und die Veranstaltung war die Ausrede dafür.

Die Arbeit für die Veranstaltung wird als Vorwand benutzt, aber ich frage, wie viele Karten verkauft wurden, wie viel Geld gesammelt wurde, und da findet gar kein ernsthafter Kartenverkauf statt.

Mit den Menschen, denen sie die Karten für die Veranstaltung verkaufen, können sie auch über die Kassetten sprechen, können die Umfrage machen, können über das Todesfasten sprechen; Seminare und Gedenken zu veranstalten war kein Hindernis für die Veranstaltungsarbeit. Wir haben auch darüber gesprochen, dass die Veranstaltung diese Arbeiten nicht behindern darf, nur sie haben es nicht gemacht.

Aber das eigentliche Problem geht auf K zurück, wir müssen ernsthaft (mit ihm) diskutieren."

- "Picknick" in Leinfelden-Echterdingen am Samstag, dem 22. Juli 2006

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. als Führungsfunktionär in der Region Süd aktiv in die Organisation sog. "Picknicks" eingebunden war, die von der DHKP-C über Tarnvereine veranstaltet wurden und der Gewinnerzielung diente n. Diese Aufgabe fiel ihm bereits aufgrund seiner Funktion als Leiter der Region Süd zu. Dass er diese auch tatsächlich wahrgenommen hat, zeigt exemplarisch seine Mitwirkung an der Vorbereitung eines "Picknicks" in Leinfelden-Echterdingen am Samstag, dem 22. Juli 2006, die durch folgende Gespräche und Kurznachrichten aus der TKÜ Y. belegt ist:

- Gespräch vom 20. Juli 2006, 11:32 Uhr (ID: 468.096)

Ein unbekannter Anrufer (Ortsnetzbereich Nürnberg) und der Angeklagte Y. unterhalten sich über ein bevorstehendes Picknick; der Anrufer erklärt, dass sie mit dem Zug kommen möchten und fragt bei dem Angeklagten Y. an, ob er sie nach dem Picknick zurückfahren könnte. Der Angeklagte Y. erwidert, dies sei nicht möglich, da nach dem Picknick am 23. ein Camp sei, in das sie müssten; auch wenn er selbst nicht teilnehmen sollte, würde sein Auto benötigt.

Der Angeklagte Y. ging im Verlauf des Gesprächs zunächst irrtümlich davon aus, dass er sogleich zum Anrufer kommen sollte und erwidert, er könne nicht kommen, weil er "eine dringende Sache zu erledigen" habe, er sei in Ulm und werde zurückkehren; ausweislich der Geodaten befand sich das Fahrzeug im Zeitpunkt des Gesprächs in Ulm, Schillerstraße, wo sich nach Angaben des Zeugen K der dortige Kulturverein befindet.

- 3 Kurznachrichten vom 21. Juli 2006 (ID: 468.916-917; 468.923; 468.924)

In 3 Kurznachrichten fordert der Angeklagte Y. Anhänger auf, das Picknick am Folgetag zu besuchen.

Zunächst schreibt er um 13:00 Uhr an B :

"Hallo B , wohin seid ihr wieder verschwunden. Ihr seid auch nicht zum letzten Tag des Hungerstreiks gekommen. Werdet Ihr nur kommen, wenn Ihr etwas benötigt? Morgen findet ein Picknick statt. Falls Ihr dort nicht erscheint, lass Du Dich nie wieder bei mir blicken. Gruß"

Vier Minuten später schreibt der Angeklagte Y. an einen unbekannten Empfänger (Anschlussinhaber: B D, Regensburg):

"Hallo; wie geht’s so? Könnt Ihr mit dem S zusammen nicht zum Picknick kommen? Was ist aus der Sache / Angelegenheit mit dem eingelegten Gemüse geworden? Du musst unbedingt erledigen. Viele Grüße an alle."

Wiederum zwei Minuten später schreibt er an N (Anschlussinhaber: IT-Service A, München):

"Hallo N wie ist es dir ergangen? Wirst du zum Picknick kommen? Gruß"

- Gespräch vom 21. Juli 2006, 14:11 Uhr (ID: 468.996)

Der Angeklagte Y. unterhält sich mit dem Anrufer über das bevorstehende Picknick. Auf die Frage, ob für das Picknick etwas benötigt werde und sie etwas mitbringen sollten, antwortet der Angeklagte Y.: "Nein, nein. Das gibt es hier. (...) Hier wird normales Essen gekocht." Auf die weitere Frage, wo das Picknick sei, erklärt der Angeklagte Y.: "Das Picknick ... Mann, ich habe Tickets hinterlassen. Nimm sie doch von Nurettin. Da steht auf der Rückseite die Adresse (...) Etwas weiter als der Flughafen." Der Anrufer erklärt, dass seine Mutter, E, D und die Frau des Nurettin kommen werden.

- Gespräch vom 21. Juli 2006, 20:10 Uhr (ID: 469.295)

Der Angeklagte Y. erkundigt sich bei dem Anrufer (Ortsnetzbereich Langenau), ob die Vorbereitungen abgeschlossen seien. Dieser erklärt, er habe "alles zusammenbekommen", nur der Ismail sei übrig. Auf die Frage, wie viele Leute kommen werden, antwortet der Anrufer, dass 25 bis 30 Personen kommen würden. Schließlich fordert der Angeklagte Y. den Anrufer auf, mit Cevahir früher zu kommen, "denn wir haben noch Arbeit".

- Gespräch vom 22. Juli 2006, 10:37 Uhr (ID: 469.550)

Der Anrufer (Anschlussinhaber: E D) fragt bei dem Angeklagten Y. nach, ob sie die Gasflaschen mitbringen würden; dieser erklärt, der H, der auch das Gemüse abgeholt habe, werde diese bringen. Auf Frage des Angeklagten Y. bestätigt der Anrufer, dass die Cinevision-Maschinen von ihm vorbereitet worden seien, nur das Kabel fehle noch.

- Gespräch vom 22. Juli 2006, 12:07 Uhr (ID: 469.608)

Nach Angaben des Zeugen A handelt es sich bei dem Anschluss (0163/4537826), von dem aus angerufen wird, um sein Mobiltelefon; dieser oder ein Dritter, dem er das Mobiltelefon überlassen hat, ruft bei dem Angeklagten Y. an. Im Ergebnis wird vereinbart, dass der Anrufer und seine Begleiter, die mit der Eisenbahn anreisten, mit der S-Bahn nach Echterdingen fahren, wo sie der Angeklagte Y. abholen wird. Ausweislich der Geodaten befand sich sein Fahrzeug zum Zeitpunkt des Anrufs bis gegen 13:00 Uhr auf Gemarkung Leinfelden-Echterdingen, ebenso am Nachmittag von 14:30 - 16:30 Uhr sowie - nach einem Zwischenaufenthalt in Langenau / Ulm - am Abend von ca. 18:00 bis kurz nach Mitternacht.

- Verkauf von Eintrittskarten für das jährliche Parteigründungsfest

Der Ticketverkauf für die jährlichen Parteigründungsfeste wird direkt von der Führung gesteuert und überwacht. In seiner Funktion als Regionsleiter war der Angeklagte Y. jeweils in den Vertrieb der Eintrittskarten in seinem Gebiet eingebunden.

- in Rotterdam / Ahoy am Samstag, dem 26. April 2003

Am 26. April 2003 fand das Parteigründungsfest in Rotterdam / Ahoy statt; den Veranstaltungsort und das Datum teilt G M.A. in der Datei ID-Nr. 749 632 am 23. Februar 2003 mit, verbunden mit der Aufforderung, "im März und April (...) für den Zentralabend" zu arbeiten. M.A. berichtete in der Folge mehrfach über den Stand des Ticketverkaufs, beispielsweise am 05. März 2003 (Datei ID-Nr. 748 668) und am 17. März 2003 (Datei ID-Nr. 750 339).

Die Einbindung des Angeklagten Y. in diese Aufgabe nach Übernahme der Leitungsfunktion in der Region Süd belegt ein Schriftwechsel zwischen G und M.A. (B) vom 21. April 2003, der am 22. April 2003 an die Führung weitergeleitet wurde (Datei ID-Nr. 752 043). Danach sollte der Angeklagte Y. schon am Vortag ("wegen der Plakate und Dönergeräte") anreisen und war sogar als Moderator vorgesehen, was er aber unter Hinweis auf sein Verfahren ablehnte ("Wegen der Moderation bei dem Abend hat er geschrieben, dass er eine Vergangenheit habe, und das definitiv nicht machen werde. Laut revolutionärem Rechtsverständnis sei das auch mit Befehl nicht zu machen."); zugunsten des Angeklagten Y. ging der Senat davon aus, dass er nicht als Moderator an dem Parteigründungsfest teilgenommen hat. Allerdings war er in den Ticketverkauf eingebunden, wie die folgende Passage aus der genannten Datei belegt:

"7- Dort bei K: für die Kassetten- und eingesammelten Ticketgelder gibt es seit 20 Tagen keine klaren Informationen. Ich habe per Handnotiz nachgefragt. Es ist nicht geklärt. Sie haben heute oder morgen gesagt. Heute ist vorbei, also morgen. Sie haben gesagt, sie hätten etwas mehr als 3.000 vorrätig. K wollte 3.000 geben, wenn er Zel. sieht. Wir haben nicht erfahren, ob er gegeben hat oder nicht. Man kriegt keine klare Zahl gesagt. Vor 1 Woche bis 10 Tagen haben sie gesagt, dass es ca. 600 Ticketgelder gäbe. Es steht immer noch nicht fest. Wahrscheinlich wird sich das am Tag des Abends klären. (...)"

Auch noch einige Zeit nach dem Parteigründungsfest wurden - auch von dem Angeklagten Y. - Ticketgelder vereinnahmt und nachgereicht; noch Ende Mai stand eine Abrechnung mit einem untergeordneten Ticketverkäufer aus. Dies belegt ein Bericht des M.A. vom 30. Mai 2003, den G am gleichen Tag - zusammen mit einer von ihr an ihn geschriebenen Notiz - an die Führung weiterleitete (Datei ID-Nr. 761 902); bezüglich des Zentralabends führt M.A. Folgendes aus:

"Übergebenes Geld von den Tickets für den zentralen Abend: K hat diese Woche 1000 Euro an das Wöchentliche übergeben. Nachdem mit dem Mitarbeiter eine Abrechnung gemacht worden ist, wird er den Rest übergeben. 270 wurden von E und 720 von R übergeben."

- in `s-Hertogenbosch/Niederlande am 22. Mai 2004

Wie bereits ausgeführt, hatte der frühere Mitangeklagte H.S. die Vorbereitungen der Organisation der Anreise von Aktivisten aus dem Bereich Ulm / Augsburg / München schon weit vorangetrieben; nach seinem Wechsel nach Berlin übernahm der Angeklagte Y. - in enger Abstimmung mit H.S. - die restliche Vorbereitung (vgl. die zitierten Gespräche aus der TKÜ by-Tec). Die Telefongespräche belegen, dass der Angeklagte Y. an einem zahlreichen Besuch des Parteigründungsfestes und einem damit einhergehenden Erfolg für die DHKP-C ein großes Interesse hatte und deshalb aktiv wurde, um den Bus aus der Region Süd zu füllen.

- in `s-Hertogenbosch/Niederlande am 29. April 2006

Aufgezeichnete Telefongespräche aus der TKÜ-Lubecki von und mit den Eheleuten A belegen, dass der Angeklagte Y. in der Region Süd den Verkauf von Eintrittskarten für das Parteigründungsfest der DHKP-C am 29. April 2006 und die Reise der Teilnehmer zum Veranstaltungsort in `s-Hertogenbosch/Niederlande organisierte; im Einzelnen:

- Gespräch vom 12. April 2006 (ID: 418.975)

Die Eheleute B und Ayse A, die sich im Gespräch mit ihren Vornamen ansprechen, unterhalten sich über das bevorstehende Konzert am 29. April 2006 - gemeint ist das Parteigründungsfest. B A teilt seiner Ehefrau mit, dass er an diesem Tag aus beruflichen Gründen verhindert sei, weil "eine Tour gekommen" sei. Ayse B rechnet ihrem Ehemann die voraussichtlichen Kosten einer Teilnahme vor: "Wir haben sowieso kein Geld. Eine Person kostet 30 Euro. (...) Wir müssen für uns vier bezahlen, 120, dann noch essen und trinken, rechne das dazu. Und dann werden die dort noch was haben wollen." Weil dies "ein Batzen Geld" sei, möchte sie sowieso nicht hingehen. B A fordert sie auf, "mit ihm" zu reden, wenn er kommt. Ayse erklärt, sie werde ihm die Situation ganz offen erklären. Im weiteren Verlauf wiederholt sie dies wie folgt: "O.k., ich sage das, ich kläre das mit dem E. Wir fahren nicht und fertig."

- Gespräch vom Sonntag, dem 23. April 2006 (ID: 420.309)

Am 23. April 2006 weist der Angeklagte Y. den A B noch einmal darauf hin, Eintrittskarten für das bevorstehende Parteigründungsfest zu verkaufen und den gemieteten Bus voll zu machen. Dies belegt das an diesem Tag um 19:46 Uhr geführte Telefongespräch. Der Angeklagte Y. ruft von einer Kölner Festnetznummer aus bei A B an.

Dass es sich bei dem Anrufer um den Angeklagten Y. handelt, lässt sich nicht nur den typischen Sprechmerkmalen entnehmen, sondern ergibt sich auch aus folgendem Umstand: In dem Gespräch äußert er, er sei in Köln und bestätigt, dass er an seinem Fahrzeug einen Motorschaden erlitten hat und deshalb ein neues gekauft habe ("Ich habe hier ein Auto gekauft, was soll ich machen. Wir bezahlen die Schulden beim Drucker nicht, mit dem Geld bin ich hierhin gekommen und habe ein Auto gekauft. (...) Morgen melde ich ihn an und kehre dann zurück. Ohne Auto läuft gar nichts.").

Dass der Angeklagte Y. mit der Ab- und Anmeldung eines Fahrzeugs tatsächlich befasst war, ist belegt durch zwei an ihn adressierte Kraftfahrzeugsteuer-Bescheide des Finanzamtes Köln-Mitte vom 16. Mai und 22. Mai 2006, die sich in der ihm gehörenden blauen Reisetasche befanden, die am 28. November 2006 in den Räumlichkeiten der Anatolischen Föderation in Köln sichergestellt wurde. Danach wurde KFZ-Steuer für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen K-SM 1306 für den Zeitraum vom 01. März bis 23. April 2006 abgerechnet (Bescheid vom 16. Mai 2006) und die KFZ-Steuer für das Fahrzeug K-BB 7191 für die Zeit vom 25. April 2006 bis 24. April 2007 festgesetzt. Nach alledem besteht kein Zweifel, dass es sich bei dem Anrufer um den Angeklagten Y. handelt.

Der Angeklagte Y. erkundigt sich nach dem Stand der Vorbereitungen für den Besuch des Parteigründungsfest ("Was habt Ihr gemacht mit Euren Eintrittskarten, mit Euren Passagieren?"). In Anknüpfung an die Thematik des vorhergehenden Gesprächs, über die er wohl zwischenzeitlich informiert wurde, erklärt der Angeklagte Y.: "Also, es ist nicht notwendig, dass Ihr Euch selbst so belastet, verkauft die Eintrittskarten. Mit dem Geld der verkauften Eintrittskarten schickt ihr die Kinder. Nicht dass Ihr nicht kommt oder so, das gibt es nicht. Jeder wird kommen." Auf die Antwort: "Wir schicken doch die Kinder (...)", erklärt der Angeklagte Y.: "Aber die zehn Eintrittskarten, die Ihr habt, die müssen verkauft werden." Die Antwort des A B "Wir werden sehen." missfällt dem Angeklagten Y., wie seine Reaktion zeigt. Er erklärt unmissverständlich: "Nichts da, wir werden sehen. (...) Ihr geht nicht raus m.E., Ihr geht nicht umher. Ich habe neulich mit SE gesprochen, der hat gesagt, dort ist keine entsprechende Stimmung. (...) Also, die könnten nicht kommen, hätten kein Geld. Können die, die kein Geld haben, nicht wenigstens die Eintrittskarten verkaufen? Ich habe gesagt, die sollen die Eintrittskarten verkaufen und kommen." A B teilt ihm noch den aktuellen Stand der verkauften Eintrittskarten mit. Abschließend legt der Angeklagte Y. noch einmal die Notwendigkeit der Teilnahme: "Nur dass wir den Bus voll machen. Das Geld für deren Eintrittskarten, das treiben wir schon auf, das ist kein Problem."

- Gespräch vom Samstag, dem 29. April 2006, 8:54 Uhr (ID: 421.430)

Am Vormittag des Parteigründungsfestes ruft Ayse A bei B A an. Dieser spricht sie ausdrücklich mit ihrem Vornamen an; dass es sich bei dem Angerufenen um ihren Ehemann handelt, geht aus dem Gesprächskontext hervor (beispielsweise fordert sie ihn auf, zwei Brote zu besorgen, damit sie am Montag Brot hätten, und fragt ihn, ob er die Vögel abgedeckt habe).

Ayse B befindet sich auf der Busfahrt zum Parteigründungsfest. Sie teilt ihrem Ehemann mit, dass der Bus nicht voll geworden sei; es führen nur 24 Personen mit. Bezogen auf ihr Gebiet teilt sie mit: "Wir sind insgesamt neun Leute, sind wir gekommen, also mit München. Der Bus von oben ist voll." Auf die Frage des B A, ob sie mit dem E gesprochen habe, warum das passiert sei, warum das so sei, antwortete Ayse B, sie habe gar nichts gesagt.

Sie seien mit dem PKW bis nach Ulm gefahren und dann in den Bus eingestiegen. In Stuttgart hätten sie noch jemand mitgenommen; die Fahrt dauere noch 5 - 6 Stunden.

- Gespräch vom Sonntag, dem 30. April 2006, 20:52 Uhr (ID: 421.677)

Am Abend nach dem Parteigründungsfest ruft B A bei D an; im Verlauf des 25-minütigen Gesprächs gibt B den Hörer an Ayse A weiter. Die Gesprächspartner sprechen sich jeweils mit Vornamen an. B A äußert gegenüber D, dass "die Leute" sauer seien, weil er nicht da hingegangen sei. D teilt mit, er sei derzeit in Dortmund und werde wahrscheinlich dort auch bleiben. Ayse A berichtet D über das Parteigründungsfest und antwortet auf die Frage, wie es war: "Sehr schön, die Massen waren zwar nicht so zahlreich anwesend, aber es gab eine sehr gute Stimmung." Auf die Frage Ds, ob sie mit dem gleichen Wagen gefahren seien, wie die Jungs (lt. Angaben des Sprachsachverständigen zwar wörtlich mit Kinder zu übersetzen, umgangssprachlich aber mit Jungs) meines E, antwortet Ayse, sie seien nach Ulm gefahren, von dort seien sie mit dem Bus gefahren. Es seien nur 24 Personen in einem Bus für 60 Personen gewesen. Auf die Frage, ob E auch in ihrem Wagen gewesen sei, antwortete Ayse mit "natürlich". Als Ayse ihm vorhält, sie habe den Eindruck, dass er immer fliehe, schon beim letzten Mal sei er nicht gekommen, entschuldigt sich D unter Hinweis auf seine finanzielle Situation und damit, dass er arbeiten musste. Er wäre gerne gekommen, er hatte auch schon "mit seinem E" gesprochen.

- Konzert der G Y am 12. März 2006 in Stuttgart-Fellbach

Wie bereits im Zusammenhang mit der G Y ausgeführt, bekundete der Zeuge KHK S, dass der Angeklagte Y. im März 2006 mit Hilfe der ihm untergeordneten DHKP-C-Angehörigen - der Gruppe um die Eheleute A aus Neusäß - den Verkauf von Eintrittskarten für ein Konzert der G Y am 12. März 2006 in Stuttgart-Fellbach betrieb, mit dem finanzielle Gewinne für die DHKP-C erzielt werden sollten. Es habe im Vorfeld einen Aufruf zur Veranstaltungsteilnahme gegeben; außerdem seien "Solidaritätskarten", d.h. Eintrittskarten, die unabhängig von der Teilnahme erworben werden, verkauft wurden. Auf dem Werbeplakat sei die Telefonnummer des E D (Pforzheim) aufgedruckt gewesen.

- Mitwirkung an der Organisation weiterer Veranstaltungen im süddeutschen

Raum

Mehrere Telefongespräche aus den Monaten August, September und November 2006 belegen, dass der Angeklagte Y. jedenfalls im Zeitraum August bis November 2006 an der Organisation weiterer Veranstaltungen in der Region Süd beteiligt war, für die er die Künstler, allesamt bekannte Interpreten aus der Türkei, mit auswählte und über deren Gagen er verhandelte; dies belegen folgende Gespräche aus der TKÜ Y.:

- Gespräch vom 02. August 2006, 20:53 Uhr (ID: 477.037)

Anrufer (Tel. 0177/6132156, AI: Züleyha Tümer, München) ist A, Angerufener der Angeklagte Y.. Im Verlauf des Gesprächs nennt der Anrufer die Namen der Gesprächspartner: Den Angeklagten Y. nennt er "K A B"; sich selbst nennt er - einen Dritten zitierend - A ("Er hat gesagt, A, nur weil ich dich kenne..."). Bei A handelt es sich, wie ausgeführt um einen Konzertveranstalter, der nach dem Gesprächsinhalt auch bekannte Künstler aus der Türkei nach Deutschland vermittelt.

A informiert den Angeklagten Y., dass ein Konzert mit E G nicht viel bringen würde. Er habe aber den Kivircik am 27. Oktober 2006 nach München engagiert; am Samstag, dem 28. Oktober 2006, könnte "bei Euch da was gemacht werden".

Als der Angeklagte Y. die Gagen hört (K: 3.500 EUR, beide: 7.000 EUR), erklärt er, das sei nicht möglich und versucht über die Höhe der Gage zu verhandeln.

Schließlich wird auch die mögliche Verpflichtung weiterer Künstler erörtert (S O, K). Der Angeklagte Y. bittet A, den K zu fragen, ob er bereit wäre, zusammen mit der G Y für 10.000 EUR aufzutreten. Als A die (Mindest-)Gage mit 15.000 EUR beziffert, äußert der Angeklagte Y. zunächst "wir machen es nicht", um auf den Vorschlag des A, sie könnten es gemeinsam machen, die Verantwortung würde bei ihm liegen, antwortet, dass sie es sich überlegen würden. (Anmerkung: Im Telefonat wird zwar von Lira gesprochen, wobei - wie bereits ausgeführt - aber Euro gemeint sind).

- Gespräch vom 23. September 2006, 14:48 Uhr (ID: 515.527)

Von derselben Rufnummer wie im vorgenannten Gespräch erhält der Angeklagte Y. einen weiteren Anruf. Der Anrufer setzt den Angeklagten Y. in Kenntnis, dass "H" - gemeint ist der bekannte türkische Musiker H L - jederzeit kommen könne und man sich mit ihm auf den 25. Dezember 2006 geeinigt habe. Die Kaution würde in zwei Wochen bezahlt werden. Im weiteren Gesprächsverlauf wird über den Saal gesprochen, in dem ein weiteres Konzert stattfinden könne, entweder im "MGM oder im Skypalast da bei euch". Der Angeklagte Y. solle mit A sprechen und diesem mitteilen, dass sie nur die Eintrittsgelder haben wollen. Wenn drei Konzerte kurz hintereinander stattfänden (Nürnberg, "bei Y." und München), so könne man den Eintrittspreis niedrig halten. Haluk würde man etwa 6.000 EUR Gage geben ("für 6 oder so schließen wir ab. (...) Für 5, 6."). Der Angeklagte Y. erklärt, dass er "wohl am Montag, Dienstag dort hingehen und ein Gespräch führen" wird.

- Gespräch vom 02. November 2006, 22:07 Uhr (ID: 560.192)

Wiederum von derselben Rufnummer erhält der Angeklagte Y. einen Anruf und zwar erneut von A, den er im Verlauf des Gesprächs zweimal mit diesem Vornamen anspricht. A berichtet dem Angeklagten Y., dass er zwei Tage in der Türkei gewesen sei und dort 10 Konzerte vereinbart habe; der Angeklagte Y. fragte, weshalb 10 Konzerte vereinbart wurden, "es sollten doch fünf sein", worauf A entgegnete, "sie haben es auf zehn erhöht. Und wir haben nichts gesagt / nicht widersprochen". Vor ein paar Stunden sei er nach München zurückgekommen. Am F werde er nach Stuttgart kommen. Der Angeklagte Y. beschwert sich über eine zurückliegende Künstlervermittlung: "Unserem Volk hat Dein Mann da überhaupt nicht gefallen, dass Du es weißt." Am Ende des Gesprächs erklärt A, er habe "an dem Abend" 40 professionelle "Leibwächter", "die werde ich mal an die Tür stellen, damit die ein wenig arbeiten".

- SMS vom 17. November 2006, 16:42 Uhr (ID: 582.161)

Der Angeklagte Y. sendet eine SMS an einen Mobilfunkanschluss (AI: Asan T, Stuttgart) mit folgendem Text: "Hallo; der E verlangt (andere Übersetzungsmöglichkeiten: wünscht sich / hätte gerne) für April Künstler und auch noch eine Gruppe."

- Gespräch vom F, dem 17. November 2006, 19:43 Uhr (ID: 582.340)

Am gleichen Abend erhält der Angeklagte Y. einen Anruf einer weiblichen Person aus dem Ortsnetzbereich Augsburg. Die Anruferin teilt dem Angeklagten Y. mit, dass man in München Konzert der G Y veranstalte und man sich darüber mit unterhalten müsse. Der Angeklagte Y. teilt mit, dass er am Mittwoch, dem 22. November 2006, voraussichtlich in der Gegend sei. Als die Anruferin erklärt, dass erforderlich sei, dass er vor Mittwoch kommt, erwidert der Angeklagte Y.: "Vor Dienstag geht es nicht (...) Am Dienstag bin ich dort in der Gegend. (...) Vorher haben wir keine Chance dort zu sein... (...) ... wir haben nämlich Sachen / Arbeiten zu erledigen." Die Anruferin erklärt, wenn er gegen Mittag komme, könne er mit dem B zusammen "nach München rüber" gehen. Im Gespräch nennt der Angeklagte Y. auch den Grund, weshalb er nicht früher kommen kann; am 18. November 2006 ("morgen") sei die Verlobung von E in Köln. Wenn sie komme, würden sie sich dort sehen. Die Anruferin fragt, wie sie dort hin kommen soll. Auf die Erwiderung des Angeklagten Y. "Nun, mit B.", erwidert sie, B habe keinen Führerschein. Abschließend bittet die Anruferin den Angeklagten Y. darum, "Deinen Verlobten" zu grüßen und fragt nach, ob er sich "mit dem Mädchen" verlobe. Auf die Bemerkung des Angeklagten Y., dass sie das Mädchen doch gar nicht kenne, erklärt die Anruferin: "Na das Mädchen im Camp... E... ist es nicht unser E?" Der Angeklagte Y. bejaht dies.

- Mitwirkung an sonstigen Veranstaltungen

Die DHKP-C wirkte auch an Veranstaltungen Dritter zur Gewinnerzielung mit. Beispielsweise nahmen Organisationsangehörige als Vertreter von Tarnvereinen mehrfach an der Loveparade in Berlin teil, um Einnahmen zu erzielen; jeweils wurden auch Aktivisten aus der Region Süd nach Berlin geschickt, um an den Verkaufsständen mitzuarbeiten. Auch am Landesfest "60 Jahre NRW" wollte der Angeklagte Y. mit einem Stand der Region Süd teilnehmen, was sich aber nicht realisieren ließ. Im Einzelnen:

Dies belegt für die Loveparade in Berlin am Samstag, dem 12. Juli 2003, die bereits zitierte Nachricht vom 30. Mai 2003; E hatte "im Namen des Vereins" - gemeint ist der Berliner DHKP-C-Tarnverein IKAD e.V. - 3 Standerlaubnisse für den Verkauf von Getränken beantragt, von denen eine durch die Gebiete Stuttgart und Frankfurt genutzt werden sollte; dadurch war auch der Angeklagte Y. (K) als Leiter der Region Süd eingebunden. Man rechnete mit einem Gewinn von ca. 4.000,-- EUR pro Stand (Einnahmen von 10.000,-- EUR abzüglich Kosten für Getränke i.H.v. 4.500,-- EUR und Standgebühr i.H.v. 1.500,-- EUR). Wörtlich wird Folgendes ausgeführt (Datei ID-Nr. 761 902):

"B- Das Technofest in Berlin findet an einem Tag , am 12. oder 13. Juli, statt. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist es der 12. Juli. Für dieses Fest werden E und die anderen im Namen des Vereins drei Genehmigungen einholen. Der Verein kann die Genehmigung bekommen..

- Für E und E eine Standerlaubnis

- Für Westfalen eine Standerlaubnis

- Für Stut... und Frank... eine Standerlaubnis

Sie werden Anträge für drei Stände stellen.

(...) Bei früheren Festen betrug die Standerlaubnis 1500 Euro. Die Getränke verkaufen sie selbst. Wenn man Alkohol für 4500 Euro kauft, kann man mit einem Kapital von insgesamt 6000 Einnahmen von 10 Tausend erreichen. (...) Ausgenommen das investierte Geld (...) Ich habe es an K weitergeleitet. (...). Es ist notwendig, dass sie vorab 6 Tausend Euro bereithalten müssen. Es sind 12 Arbeiter notwendig. Außerdem braucht man für jedes Gebiet für einen Tag einen Kleinbus . (...) Wenn man natürlich den Alkohol außerhalb kauft, so benötigt man nur die 1500 Euro für die Standerlaubnis (...). Von den Einnahmen her wäre es ein gutes Fest. (...). Man kann Geld verdienen. (...). K wird mit großer Wahrscheinlichkeit teilnehmen."

Auch M.A. thematisiert die Loveparade in seinem Bericht vom 04. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 761 873):

"5- Ist in Ordnung.. (...) Am 12 oder 13 temm... (Anmerkung: Abkürzung für temmuz = Juli) kann das Berliner tekno fest sein. Stutt.. und ham.. wenn E Genehmigung bekommen kann, wird Genehmigung für zwei Stände nehmen, sie sind gezwungen, daran teilzunehmen. .. sie müssen ihre Schulden bezahlen.... (...)"

Die eigenständige Teilnahme der verschiedenen Regionen an der Loveparade in Berlin kündigt die Europaverantwortliche der Führung auch in der Datei ID-Nr. 750 271 am 22. Juni 2003 wie folgt an (das angegebene Datum ist offensichtlich fehlerhaft übersetzt; gemeint ist der 12. Juli 2003):

"21- In Berlin und Hamburg finden Feste statt. Sie verdienen so viel Geld, dass diese einen Beitrag zu den Regionalschulden leisten können. Die Regionen werden selbst an dem am 12. September in Berlin stattfindenden Techno-Festival teilnehmen. Das hatten wir in den vergangenen Jahren zentral gemacht. (...) Wir werden das verdiente Geld für regionale und Zeitschrift-Schulden verwenden."

In ihrem Bericht vom 16. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 201) resümiert G in diesem Zusammenhang Folgendes:

"(...) An dem zuletzt in Berlin durchgeführten Technofest haben die Gebiete in ihrem eigenen Namen teilgenommen. Jedes Gebiet hat ungefähr einen Gewinn von 6 Tausend Euro gemacht. (...) Sie haben die eingenommenen Gelder für ihre eigenen Gebiete ausgegeben. (...)"

Der Angeklagte Y. organisierte auch die Mitwirkung von Vertretern der Region Süd an der Loveparade am 15. Juli 2006 in Berlin, bei der durch den Verkauf von Getränken an Ständen Gewinn erzielt wurde. Zu diesem Zweck schickte er 5 Personen aus der Region Süd (aus den Städten Augsburg, Stuttgart und Nürnberg) zum "Arbeiten" nach Berlin zum "Techno-Fest". Dies wird - wie auch der Zeuge KHK B bekundete - belegt durch Kurznachrichten und Telefongespräche der TKÜ-Y. im Zeitraum vom 10. bis 14. Juli 2006. Dieser Vorgang zeigt exemplarisch auf, wie intensiv der Angeklagte Y. mit der Vorbereitung solcher Aktionen befasst war. Im Einzelnen:

- SMS vom Montag, dem 10. Juli 2006, 14:05 Uhr (ID: 460.742)

Der Angeklagte Y. sendet eine SMS an den auf E D zugelassenen Mobilfunkanschluss mit folgendem Inhalt: "Hallo; für das Fest ist der Name dringend. Der S kann nicht fahren, noch einen Namen."

- SMS vom Montag, dem 10. Juli 2006, 14:10 Uhr (ID: 460.745)

Eine weitere SMS sendet der Angeklagte Y. an einen auf "H-G Sch" zugelassenen Mobilfunkanschluss:

"Guten Tag (abgekürzt). Du musst schon ab Freitagabend zum Tekno Fest Berlin. Such Dir am Samstag jemanden an Deiner Stelle. Dringende Antwort."

- SMS vom Montag, dem 10. Juli 2006, 16:17 Uhr (ID: 460.867)

An einen auf Y K Y, Offenbach, zugelassenen Mobilfunkanschluss sendet der Angeklagte Y. folgende SMS:

"Hallo. Dringend eine Person für Tekno."

- Telefongespräch vom Mittwoch, dem 12. Juli 2006, 21:53 Uhr (ID: 462.640)

M A (Anschlussinhaber: T, K) ruft bei dem Angeklagten Y. an, der angibt, er befinde sich "in der Gegend von Regensburg" (ausweislich der Geodaten seines Fahrzeugs und der Funkzelle seines Mobiltelefons am Ende des Gesprächs im Bereich Königstein-Bischofsreuth).

Der Angeklagte Y. erkundigt sich bei M A, ob er am Freitagabend mit zur Loveparade ("Tekno-Fest") fahre; auf die Frage, ob ein Auto zur Verfügung stehe, erklärte der Angeklagte Y.: "Also, Ihr werdet mit meinem Auto hinfahren." Auf die Frage, ob ein Fahrer dabei sei, antwortet der Angeklagte Y., H sei dabei und ein weiterer Fahrer. Aus seiner Gegend fahre noch SE mit, insgesamt seien sie zu fünft. Zur Frage seiner Teilnahme erklärt der Angeklagte Y. Folgendes: "... also ich werde auch hingehen. Aber sagen wir mal, wenn Du dabei sein wirst, werde ich nicht hingehen. Denn ich gehe nur dort hin, um die Leute zu treffen / zu sehen. Ich tauge da zu nichts." Die Feststellung, dass M A der Anrufer war, basiert zum einen darauf, dass der Zeuge A erklärte, dass er dieses Mobiltelefon benutze, zum anderen darauf, dass er, wie er einräumte, tatsächlich mit nach Berlin zur Loveparade fuhr.

- Telefongespräch vom Donnerstag, dem 13. Juli 2006, 16:13 Uhr (ID: 463.242)

Dem männlichen Anrufer, der aus einer Telefonzelle im Bereich Stuttgart anrief, teilt der Angeklagte Y. mit, er sei unterwegs (ausweislich der Spurdaten war er in Bayern) und gibt - anknüpfend an den Inhalt des vorgenannten Telefonats Folgendes mit: Da "alle arbeiten" würden, könnten sie erst am Freitagabend losfahren und seien am Samstagmorgen dort. Es gebe 5 Personen, "die normal arbeiten können". Es sei nicht erforderlich, dass er hinfahre.

- SMS vom Donnerstag, dem 13. Juli 2006, 16:52 Uhr (ID: 463.285, TKÜ Y.)

Eine weitere SMS sendet der Angeklagte Y. an die Fa. K&G GmbH, München: "Hallo. Brauchen Leute am Samstag (im türk. Text abgekürzt) für Tekno-Fest in Berlin. Habt ihr schon etwas zu tun?"

- Telefongespräch vom Freitag, dem 14. Juli 2006, 17:02 Uhr (ID: 464.156)

Der Angeklagte Y. teilt dem Anrufer, entweder M A oder einem Dritten, der ebenfalls zur Loveparade mitfuhr, mit, dass er unterwegs zu ihnen sei und sie abholen werde, derzeit sei er in Augsburg; sie würden dann nach Stuttgart fahren, um die dort befindlichen abzuholen und danach "zu denen in Nürnberg". Wenn die Arbeit getan sei, würden sie zurückkehren; sie würden am Sonntag zurückkommen, so dass jeder am Montag wieder zur Arbeit könne.

Ausweislich der Geodaten des Fahrzeugs befand sich dieses bis kurz vor 15:00 Uhr in München, sodann von 16:00 bis kurz vor 17:00 Uhr in Neusäß-Ottmarshausen und schließlich ab 17:40 Uhr in Langenau; um 19:55 Uhr traf das Fahrzeug in Stuttgart-West, Schloßstraße 71, ein, wo sich der Verein befindet. Wie bereits ausgeführt, wurde sodann die Fahrt - ohne den Angeklagten Y. - nach Berlin zur Loveparade angetreten; das Fahrzeug traf um 03:11 Uhr in Berlin-Kreuzberg, Mstraße, ein, wo sich der Verein e.V. befindet.

- SMS vom Freitag, dem 14. Juli 2006, 18:06 Uhr (ID: 464.199, TKÜ-Y.)

Eine weitere SMS versendet der Angeklagte Y. an den auf E D zugelassenen Mobilfunkanschluss: "Hallo. Ein Mann ist zu viel, ich werde auch nicht kommen. Du kannst zwischen dem Onur und deinem Freund wählen. Punkt 8.00 Uhr wird vom Verein losgefahren. Haltet euch bereit."

Bereits kurze Zeit nach der Teilnahme an der Loveparade beabsichtigte der Angeklagte Y. die Teilnahme der Region Süd an der von Samstag, 26. August, bis Sonntag, 27. August 2006 in Düsseldorf stattfindenden Landesfest "60 Jahre NRW" mit einem Verkaufsstand für Essen und Getränke. Dies belegen zwei Gespräche aus der TKÜ Y. vom 10. und 14. August 2006; die Teilnahme scheiterte letztendlich daran, dass es ihm nicht gelang, die für die Standgebühren und den Einkauf der Waren benötigte Summe von 5.000,-- EUR aufzutreiben; im Einzelnen:

- Gespräch vom 10. August 2006, 13:26 Uhr (ID: 480.979)

Die Anruferin - eine unbekannte weibliche Person - ruft von einer Festnetzrufnummer aus dem Ortsnetz Köln bei dem Angeklagten Y. an und teilt diesem mit, dass "in Düsseldorf, da wäre am 26. und 27. dieses Monats ein Fest (...) das würde nur alle zehn Jahre stattfinden..."; sie würden zwei Stände nehmen, an denen Speisen und Getränke verkauft würden, die Standgebühr betrage 2000. Bei gutem Wetter rechne man mit 2 - 2 ½ Millionen Besuchern, dann würde es "gut was einbringen". Die Frage, "sollen wir einen für Euch nehmen?", bejaht der Angeklagte Y.. Bis zu welchem Zeitpunkt das Geld eingezahlt werden muss, konnte die Anruferin noch nicht beantworten, erklärte aber, dass sie dies jetzt fragen und ihm sodann Bescheid geben würde. Auf die Frage, ob sie am Sonntag kämen, antwortet der Angeklagte Y.: "Am Sonntag nicht, aber ich werde Montag kommen. Am Dienstag werde ich dort sein. Die Sache von G." Die Frage des Angeklagten Y., ob es nicht im Türkischen "Die Sache von Dir (statt G)." heißen könne, verneinte der Sprachsachverständige B nach erneuter Überprüfung der Übersetzung ohne jeden Zweifel. Hierfür spricht auch der weitere Gesprächsverlauf, denn die Nennung dieses Namens unter eklatantem Verstoß gegen das Gebot konspirativer Kommunikation, löst bei der Gesprächspartnerin des Angeklagten Y. und schließlich auch bei diesem Heiterkeit aus (mit dem für ihn so typischen Lachen). Die Anruferin antwortet auf die Frage, warum sie lache: "Also zum Gottesgefallen, Du hast es in die (Wort unverständlich) Atmosphäre platziert." Dies bezieht sich ersichtlich auf die Nennung des Vornamens der Europaverantwortlichen.

- Gespräch vom 14. August 2006, 10:36 Uhr (ID: 482.746)

Diesem Gespräch ist zu entnehmen, dass zur Teilnahme hätten 5.000,-- EUR vorgestreckt werden müssen (wohl für die Standgebühren und den Einkauf der Waren etc.); die Beitreibung dieses Betrages gelang dem Angeklagten Y. nicht. Der Anrufer meldet sich von dem Mobilfunkanschluss T K, der - wie ausgeführt - üblicherweise von M A genutzt wurde. Diesem teilt der Angeklagte Y. folgendes mit: "Wir wollten zu einem Fest. Wir haben an dem Tag 5000 Lira gesucht und nicht auftreiben können."

cc. Vertrieb der Organisationszeitschrift

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. als Regionsverantwortlicher der Region Süd den Vertrieb der Parteizeitungen leitete, die Abrechnungen der Gebiete kontrollierte und die eingenommenen Gelder weiterleitete, Parteizeitungen auch selbst verkaufte und - nach Verhandlungen, die im Frühjahr 2006 begannen - ab August 2006 überdies Druckaufträge an die Druckerei G erteilte. Diese Feststellung basiert auf Folgendem:

Der Angeklagte Y. räumt diesen Umstand pauschal ein, behauptet aber, es handle sich um eine legale Aktivität. Die Zeitschrift "Yürüyüs" drucken zu lassen, sei für ihn "kein negativer Umstand". Er kenne aus seiner (früheren) Arbeit als Rechtsanwalt die Situation der Publikationen von Organisationen, die Frage ihrer Finanzierung und Erscheinungsweise; in der Türkei sei er der Rechtsanwalt der Zeitschrift "Kurtulus" gewesen. Es werde mit dem Ziel publiziert, damit die Welt richtig interpretiert werde und wahrheitsgemäße Nachrichten erlangt werden würden. Wenn jemand in Deutschland die Zeitschrift "Yürüyüs" unterstütze, sei das aus seiner Sicht "kein absonderlicher Zustand". Dass die Zeitschrift aus Deutschland finanziert werde, sei reine Fiktion. Die Zeitschrift finanziere sich gerade so oder mache gar Verluste. Sicherlich müsse ein bestimmter Betrag an Urhebergebühr in die Heimat geschickt werden.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich bei der "Wöchentlichen " um ein wichtiges Propagandainstrument der DHKP-C handelt - was an anderer Stelle näher ausgeführt ist - und dass der Angeklagte Y. diese Bedeutung kannte.

Mit der Übernahme der Leitung der Region Süd übernahm er auch die Verantwortung des Vertriebs der Zeitschrift in seiner Region; diese frühe Betätigung lässt sich zahlreichen Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe entnehmen, exemplarisch wie folgt:

Bereits am 15. März 2003 gibt G ein Gespräch mit zwischen dem Angeklagten Y. (Deckname: K) und M.A. (Deckname: N A) unter anderem über die Kontrolle der Abrechnungen der Zeitschriftverkäufe wieder (Datei ID-Nr. 751 051):

"A: Gespräch mit K und N A: (...)

Firat wird die Verantwortung für die Zeitschrift übernehmen, K wird ihn kontrollieren. Jedes Gebiet hat seine Zeitschriftverteiler , wichtig ist, dass das Zeitschriftengeld rechtzeitig und regelmäßig eingesammelt wird."

Am 23. März 2003 weist die Europaverantwortliche M.A. hinsichtlich der Einführung des Angeklagten Y. in sein neues Gebiet wie folgt an (Datei ID-Nr. 750 856):

"Es reicht aus, wenn sie den K mit den Freunden bekannt machen, die Publikationen verteilen und aktiv Aktivitäten durchführen. Den Rest kann er mittels der anderen Freunde selbst lernen."

Auch das Ergebnis einer Polizeikontrolle belegt, dass der Angeklagte Y. in den Vertrieb der Organisationszeitschrift in der Region Süd eingebunden war. Am Donnerstag, dem 09. Oktober 2003, um 21:50 Uhr in Tuttlingen in der Bstraße; ausweislich der Erkenntnismitteilung der Polizeidirektion Tuttlingen vom 13. Oktober 2003 war der Angeklagte Y. Beifahrer im Fahrzeug des H Y, einem VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen: BB-IX, in dem sich 2 Kartons der Zeitschrift "Ekmek ve Adalet" und Bücher ("HA Sinifi I und II") befanden. Der Senat ist angesichts der Menge der Zeitschriften davon überzeugt, dass diese verteilt werden sollten. Der Angeklagte Y. erklärte zu dieser Kontrolle in Tuttlingen, das könne sein, er habe aber keine positive Erinnerung daran.

Die Feststellung, dass der Angeklagte Y. ab Mai 2006 mit Verhandlungen über den Druck der Zeitschrift "Yürüyüs" in seiner Region befasst war, entsprechende Aufträge schließlich ab August 2006 erteilte und auch den Vertrieb der Zeitschrift regelte, basiert auf den glaubhaften Angaben des Zeugen G und den Bekundungen des Zeugen KHK S.

Der Zeuge G, Inhaber der gleichnamigen Druckerei in H / Kreis Ludwigsburg, August-Blessing-Str., erkannte den Angeklagten Y. sicher als die Person wieder, die in Begleitung von E G im Mai 2006 in seiner Druckerei erschienen war, um über die preisliche Gestaltung des Drucks von "etwas Politischem" zu sprechen. Der Zeuge G erinnerte sich noch gut an den ersten Besuch, bei dem die Genannten zusammen mit zwei weiteren Personen, die bei den Verhandlungen indes nicht in Erscheinung traten, erschienen und zwar mit einem Fahrzeug der Marke Mercedes, nach seiner Erinnerung mit Kölner Kennzeichen. E G verhandelte mit dem Zeugen G auf Deutsch; nach seinem Eindruck war aber der Angeklagte Y., der kaum Deutsch, sondern (mit E G) türkisch gesprochen hat, der wahre "Verhandlungsführer". Dieser wirkte auf ihn "redegewandt und dominant" und sagte E G "das Eine oder Andere". Später erschien E G allein, der Angeklagte Y. suchte die Druckerei nur noch ein- oder zwei Mal auf.

Den Text der "Yürüyüs" erhielt der Zeuge G jeweils über das Internet als fertige pdf-Datei, die nur noch gedruckt werden musste. E G, der erklärte, er sei Verleger und Herausgeber, teilte dem Zeugen G mit, dass Vertragspartner eine gemeinnützige Vereinigung sei; die Rechnungsanschrift lautete auf V E, Pieter de Hoochstr., Rotterdam.

Schriftliche Aufträge wurden nicht erteilt; vereinbart war Barzahlung. Insgesamt wurden ab August 2006 wöchentlichen 2.500 Exemplare gedruckt, wobei ca. 2.000 Exemplare an verschiedene Verteileradressen in Deutschland und Europa verschickt wurden. Nach Abzug der Ausschussexemplare blieben nach dem Versand jeweils noch ca. 150 bis 200 Exemplare übrig, die von E G oder zwei anderen Männern abgeholt wurden. Der Preis pro Ausgabe belief sich auf 1250,-- EUR netto; zuzüglich Umsatzsteuer und Versandkosten betrugen die Gesamtkosten pro Ausgabe 2.000,-- EUR. Die erste Rechnung für die Ausgaben 63 bis 69 (Lieferdaten: 01. August bis 19. September 2006) in Höhe von 7 x 1.250,-- EUR belief sich zzgl. MwSt. auf insgesamt 10.150,-- EUR. Die zweite Rechnung für die Ausgaben Nr. 70 bis 78 (Lieferdaten: 26. September bis 28. November) über 9 x 1.250,-- EUR betrug zzgl. MwSt. insgesamt 13.050,-- EUR. Die Versandkosten waren auf den Rechnungen nicht vermerkt.

Auch nach der Festnahme des Angeklagten Y. wurde die Zeitschrift bis zur Festnahme des E G am 21. März 2007, die in den Geschäftsträumen des Zeugen G erfolgte, weiter gedruckt; zuletzt bestanden Außenstände für 5 Ausgaben in Höhe von ca. 8.000,-- EUR. Am 22. März 2007 erschien ein weiterer Kader bei dem Zeugen G und verdächtigte diesen, E G in seine Druckerei gelockt zu haben, damit er dort festgenommen werden konnte, was der Zeuge bestritt. Das Begehren des Besuchers, die "Yürüyüs" weiter zu drucken, lehnte er ab.

Die Angaben des Zeugen G sind glaubhaft; hinsichtlich der Vorgänge bis 19. März 2007 decken sie sich mit denen, die er an diesem Tag in seiner polizeilichen Zeugenvernehmung gemacht hat; hiervon überzeugte sich der Senat durch Vernehmung des Zeugen KHK S, des damaligen Vernehmungsbeamten. Dieser bekundete, dass der Zeuge G sogleich die Auftragstaschen der Ausgaben 80 bis 95 sowie die beiden Rechnungen für die Ausgaben 63 bis 69 und 70 bis 78 herausgegeben habe. Bei Wahllichtbildvorlagen habe der Zeuge sowohl E G als auch den Angeklagten Y. erkannt. Ebenso habe der Zeuge G Asan T und E D auf Lichtbildern wiedererkannt, die neben E G die überschüssigen Zeitschriften abgeholt hätten.

Dieserlei Aktivitäten des Angeklagten Y. im Jahre 2006 werden auch durch mehrere Kurznachrichten und Telefonate der TKÜ Y. belegt, die sich mit dieser Thematik befassen, beispielhaft folgende:

- 3 Kurznachrichten von Freitag, dem 30. Juni 2006

Zunächst erhält der Angeklagte Y. um 22:14 Uhr (ID: 453.600) von einem unbekannten Empfänger (Anschlussinhaber des Mobiltelefonanschluss es ist zwar ein H-G Sch, Recklinghausen; da die Kurznachrichten in türkischer Sprache abgefasst sind, ist aber davon auszugehen, dass es sich bei diesem nicht um den Benutzer des Mobiltelefons handelt) folgende SMS: "A, der aus Bingöl sagt, entweder sollen wir Samstag uns auf den Weg machen oder am Montag. Daraufhin habe ich gesagt, dass wir morgen hingehen sollen. Also morgen sind wir dort. Grüße an alle."

Eine Minute später antwortet der Angeklagte Y. per SMS (ID: 453.601):

"Kommt morgen. Es gibt zwei Ausgaben vom Wöchentlichen . Gruß."

Zwei Minuten danach kommt die Bestätigung (ID: 453.602): "In Ordnung, Bruder."

- Telefonat vom 01. Juli 2006, 17:02 Uhr (ID: 454.019)

Dieses Gespräch, in dem sich zunächst der Angeklagte Y. bei M A darüber beschwert, dass S absprachewidrig nicht gekommen sei, um Zeitschriften für den Stand bei einer Abendveranstaltung abzuholen, und sich schließlich auch M A bei dem Angeklagten Y. darüber beklagt, dass S die Zeitschriften für Ulm nicht verteile, wurde bereits in anderem Zusammenhang thematisiert.

- Telefonat vom Donnerstag, dem 10. August 2006, 13:26 Uhr (ID: 480.979)

Der erste Teil dieses Telefonats mit der Anruferin aus dem Kölner Ortsnetzbereich wurde bereits im Zusammenhang mit der Landesfeier "60 Jahre NRW" gewürdigt; im zweiten Teil spricht die Anruferin den Angeklagten Y. darauf an, dass ihr die für "Westfalen" bestimmte Zeitung nicht geschickt worden sei. Der Angeklagte Y. sichert die Lieferung persönlich oder über Dritte zu. Hieraus lässt sich entnehmen, dass der Angeklagte Y. zu dieser Zeit für die Verteilung der Zeitschrift auch in die Region Mitte verantwortlich war. Die relevante Passage lautet wie folgt:

"B: Meine Zeitung ist doch dort. Kannst Du die nicht mitbringen? Denn da ist wohl...

A: Ja, ich bringe sie..

B: ... etwas falsch gelaufen. Offensichtlich hast Du nach Westfalen nicht geschickt...

A: Ja, die bringen wir mit.

B: Alles klar. In Ordnung.

A: Nun gut, sollen wir die da an Deinem Ort abgeben?

A: Nein.

A: Oder (Wort unverständlich). Sollen wir sie zu Dir bringen?

B: Wenn Du sie hierhin bringst, nehme ich die mit.

A: Alles klar. Ich bringe sie.

B: In Ordnung, wir sehen / sprechen uns.

A: In Ordnung? Falls am Sonntag Leute kommen, soll ich sie mit denen schicken?

B: Ja, das ginge auch. Ja."

- Telefonat vom 16. August 2006, 13:19 Uhr (ID: 483.820)

Der Anrufer, der von einer Telefonzelle in Stuttgart bei dem Angeklagten Y. anruft, fragt bei diesem nach, ob er "irgendetwas von dem Geld der Wöchentlichen " habe, woraufhin dieser antwortet: "Mein Ort... hier Dings... ja von einem habe ich auch noch. 250 Lira." Daraufhin erklärt der Anrufer, er habe von dem Sadik "Deine 400 Lira genommen", er gebe "250 Lira davon dort hin", womit sich der Angeklagte Y. einverstanden erklärt.

- SMS vom 30. August 2006, 15:15 Uhr (ID: 492.358)

Von einem unbekannten Absender (Anschlussinhaber: S A, Mühlacker) erhält der Angeklagte Y. folgende Bestätigung per Kurznachricht:

"Ich habe die Wöchentlichen bekommen / abgeholt."

- Telefonat vom Montag, dem 06. November 2006, 14:19 Uhr (ID: 564.334)

Zunächst berichtet der Angeklagte Y. dem Anrufer (Festnetzanschluss Nufringen, Anschlussinhaber: A Y) über eine zurückliegende und eine bevorstehende Aktivität. Offensichtlich kehrten sie gerade von einer Veranstaltung zurück, zumal der Angeklagte Y. erklärt, es sei voll gewesen und auch schön, man habe aber wegen der schlechten Beschallung überhaupt nichts verstanden. Morgen werden sie zu der Gerichtsverhandlung gehen. Sodann wird die Abholung der Wöchentlichen erörtert. Der Angeklagte Y. erklärt gegenüber dem Anrufer, der ihn fragt, wie das mit der Wöchentlichen wird, "Die musst Du morgen abholen. Es gibt kein Problem." Als der Anrufer erklärt, dass er bis 17:00 Uhr arbeiten müsse und dies für die Abholung zu spät ist, einigen sie sich im Ergebnis darauf, dass der Angeklagte Y. dem M Bescheid sagt, der die Wöchentliche abholen soll.

- Telefonat vom 14. November 2006, 16:10 Uhr (ID: 576.897)

Der Angeklagte Y. teilt dem Anrufer, einer unbekannten männlichen Person, die aus einem Call Shop in Frankfurt anruft und von dem Angeklagten Y. im Verlauf des Gesprächs mit A angesprochen wird, mit, dass er (selbst) die Wöchentlichen abgeholt habe und "so um halb sieben" dort sei. Der Anrufer erklärt, "ich komme dann zum Abend hin".

Neben diesen Erkenntnissen belegen die Angaben mehrerer Zeugen, dass der Angeklagte Y. mit dem Vertrieb der Organisationszeitschrift befasst war:

Der Zeuge K, der nach eigenen Angaben die Yürüyüs ein- bis zweimal monatlich zum Preis von 3,-- EUR kaufte, bestätigte, dass er auch von dem Angeklagten Y., den er nach der erwähnten Abendveranstaltung Ende 2004 noch vier Mal in Ulm getroffen hat (einmal besuchte der Angeklagte Y. den Zeugen - zusammen mit zwei Begleitern - zu Hause, mindestens einmal traf er ihn am "Engeltor", zweimal im Frühjahr 2006 im Kulturverein in der Schillerstraße), mehrfach - d.h. mindestens bei zwei dieser Begegnungen - die Zeitschrift Yürüyüs gekauft hat. Im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung gab der Zeuge K nach Angaben des Zeugen KOK H weiter an, dass der Angeklagte Y. ihn anlässlich des Besuchs in seiner Wohnung gefragt habe, ob er die Yürüyüs abonnieren wolle und ob sie öfters kommen könnten, was er beides abgelehnt habe. Zwar bestritt dies der Zeuge in der Hauptverhandlung; der Senat ist aber davon überzeugt, dass er in seiner polizeilichen Vernehmung, in der er bedacht war, den Angeklagten Y. nicht zu sehr zu belasten ("Inwieweit er mit der DHKP-C zusammenhängt, weiß ich nicht."), diesbezüglich die Wahrheit gesagt hat.

Die Lektüre der Yürüyüs durch den Zeugen K wurde schließlich durch das Ergebnis der Durchsuchung der Wohnung des Zeugen am 28. November 2006 bestätigt; nach Angaben des Zeugen KOK H konnten dort 6 Exemplare der Zeitschrift Yürüyüs sichergestellt werden.

Schließlich hat auch der Zeuge A - wie bereits ausgeführt - ausgesagt, Zeitschriften von dem Angeklagten Y. bekommen und im Falle, dass er diese verkauft habe, das eingenommene Geld diesem übergeben zu haben.

Eine weitere Kontrolle des Angeklagten Y. (zusammen mit E G und SE Y) fand, wie bereits ausgeführt, am 26. Oktober 2006 in Ulm statt. Der Zeuge PHM E (Kontrollbeamter) bekundete zuverlässig, dass sich im Fahrzeug des Angeklagten Y. 4 Pakete der Zeitschrift "Yürüyüs" mit zahlreichen Exemplaren befanden; nach Angaben des Zeugen KHK S, der die Beweismittel auswertete, handelte es sich um die Ausgaben Nr. 74 und 75 vom 15. bzw. 22. Oktober 2006. Schließlich hörte der Senat hierzu den Zeugen KHK B, der die "Feinasservierung" der Beweismittel vorgenommen hat; danach handelte es sich um 60 Ausgaben der "Yürüyüs" Nr. 75 sowie 44 Ausgaben der Nr. 74 sowie um zahlreiche Plakate im Zusammenhang mit der Isolation in türkischen F-Typ-Gefängnissen und Hungerstreiks, die sich hiergegen richten (insbesondere ein Paket mit 82 Plakaten mit der Aufschrift "Hebt die Isolation auf" - hiervon 14 in türkischer Sprache). Im Rahmen der Vernehmung bei Eröffnung des Haftbefehls vom 28. November 2006 räumte der Angeklagte Y. ausweislich des Protokolls - die Zeugin RAG A hatte insoweit keine zuverlässige Erinnerung mehr - diesen Vorgang wie folgt ein:

"Es ist auch richtig, dass ich am 26.10.06 beim Plakate kleben kontrolliert wurde und dass in meinem Fahrzeug 120 Exemplare der Zeitschrift Yürüyüs gefunden wurden. Diese sollten durch andere Personen an einem Informationsstand kostenlos verteilt werden. (...) Die sichergestellten Zeitschriften habe ich von einem Freund erhalten, dessen Name ich jetzt jedoch nicht nennen möchte. Die Zeitschriften kamen aus Holland. Es war meine Idee die Zeitschriften zu verteilen. Ich habe sie an die Adresse eines der beiden Freunde schicken lassen, die am 26.10.2006 mit mir kontrolliert wurden."

Die im Rahmen der (haft-) richterlichen Vernehmung aufgestellte Behauptung der kostenlosen Verteilung der Zeitschriften ist durch die Beweisaufnahme widerlegt; als Gegenleistung war stets ein Entgelt zu entrichten.

f. Weitere Aktivitäten für die DHKP-C

aa. Gründung von Tarnvereinen

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. auch in die Gründung von Tarnvereinen eingebunden war. So gründete er mit Hilfe der Aktivisten M B und C K den Verein e.V. in, Stuttgart, der Mitglied der Anatolischen Föderation ist.

Bereits Anfang Juni 2003 war der Angeklagte Y. (Deckname: K) mit der Vereinsgründung in Stuttgart befasst. Dies belegt die Nachricht von M.A. an die Führung vom 04. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 761 873):

"Vereine:

- Dort bei K ist die Gründung einfach nicht abgeschlossen.

Ich werde eine Frist setzen, und wenn nichts geschehen ist, werde ich es selber machen. Ich werde auch Geld und Räumlichkeit finden. Der Verein wird eröffnet. Mit den Gründungsmitgliedern wurde noch nicht über diese und jene Gründe gesprochen."

Am 22. Juni 2003 berichtet die Europaverantwortliche über Vereinsgründungen - u.a. in Stuttgart -, in die sämtliche Anhänger einbezogen werden sollen (Datei ID-Nr. 750 271); das Programm soll von DHKP-C-Verantwortlichen erstellt werden:

"11- Wir müssen in Frankfurt und in Stuttgart einen Verein eröffnen. Ich habe darüber geschrieben, dass wir uns an alle Anhänger wenden und Versammlungen durchführen, diese in die Sache einbeziehen, und dass wir alles durch gemeinsame Diskussionen bestimmen und diesbezüglich dieser Vereinsarbeiten auf dieser Grundlage ein Programm erarbeiten. (...)

12- Ich hatte an Ältere Bruder B geschrieben in Zusammenhang mit der Gründung eines / von Komitee/s in Berlin, Hamburg und Stuttgart; ... wer infrage kommen könnte. (...) Wenn wir dies im Norden nicht als Komitee bezeichnen, so können wir als Vereinsarbeitsgruppe ein kollektive Gruppierung (bilden) errichten. In Stuttgart gibt es (die Personen) K, F und K. Außerdem gibt es einen jungen Freund, der in einer kleinen Region als Verantwortlicher tätig ist. Im Süden kann ein Komitee mit mehr Verwaltung existieren."

Nach den Bekundungen des Zeugen KHK O ist der Verein seit Oktober 2004 im Vereinsregister eingetragen. An der Gründungsversammlung nahmen 7 Personen teil, u.a. M B und C K wurden in den Vereinsvorstand gewählt. Der Verein ist Mitglied der Anatolischen Föderation in Köln; dies ist einem Flyer zu entnehmen, der anlässlich einer Kontrolle eines von M B geführten Fahrzeugs vom 14. Oktober 2004 sichergestellt wurde (zur Kontrolle gleich mehr).

Dass es sich - wie bereits ausgeführt - bei dem Verein e.V. in Stuttgart um einen DHKP-C-Tarnverein handelt, ist auch durch das Ergebnis der Durchsuchung der Vereinsräumlichkeiten am 28. November 2006 (ab 06:30 Uhr) belegt. Der Zeuge KHK Sch bekundete, dass vor der Durchsuchung das Fahrzeug des Angeklagten Y., VW Golf Variant, amtl. Kennzeichen K-BB, das vor dem Gebäude Schloßstraße geparkt war, sichergestellt wurde. Der Zeuge erläuterte die Vereinsräumlichkeiten, die sich im 3. Obergeschoss befinden, anhand der Lichtbilder. In diesen nächtigten 3 Personen und zwar E D, A T und S O. Vom Eigentümer wurde dem Zeugen mitgeteilt, dass in den Räumlichkeiten ständig jemand wohne. Polizeilich gemeldet war, wie die diesbezügliche Abklärung ergab, aber niemand. Aufgrund sichergestellter Zeitschriften (Yürüyüs), Spendenlisten, Quittungen und Plakaten war für den Zeugen der DHKP-C-Bezug evident.

bb. Schulungen

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. - wie sämtliche Führungsfunktionäre - geschult wurde und die Schulungsinhalte seinerseits weiterzugeben hatte.

Für die Jahre 2000 bis 2003 beruht diese Feststellung auf Dateien der niederländischen Rechtshilfe; im Einzelnen:

Für den Vortatzeitraum wurde die Beteiligung an Schulungen bereits im Rahmen der Beweiswürdigung zur Gebietsverantwortlichkeit in dieser Zeit dargestellt.

Auch in der Zeit nach Übernahme der Leitung der Region Süd belegen Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe Aktivitäten dieser Art:

- am 03. Mai 2003 berichtet G der Führung über ein Gespräch mit M.A. (Deckname: B), u.a. auch über (Schulungs-)Aktivitäten verschiedenster Art, die der Angeklagte Y. (Deckname: K) organisieren bzw. an denen er mitwirken soll (Datei ID-Nr. 761 878). G teilt mit, dass in den Gebieten "Versammlungen über den Nationalismus" bevorstehen, bei denen es sich um "interne Schulungsarbeit und gleichzeitig um Informationsveranstaltung mit breiter Beteiligung" handelt; ein Termin in Stuttgart steht noch nicht fest. Weiter beabsichtigt der Angeklagte Y., ein "klassisches Gebietspicknick" durchzuführen, wobei auch diesbezüglich Ort und Datum noch nicht festgelegt sind. Zudem wird die Durchführung von Sommercamps (Jugend- / Vereinscamps) erörtert; diese sollen zwar auch dem Vergnügen dienen (Freiluftkonzerte), zugleich sollten aber Diskussionen über aktuelle Themen stattfinden. Den Ablauf eines (Wochenend-Familien-)Vereinscamps - im Süden soll hierzu ein Campingplatz angemietet werden - gibt G wie folgt vor: "Samstag die politische Periode, das Land, die Welt und wir. Sonntags, was bedeutet es, in Europa Anhänger zu sein, darüber soll diskutiert werden." K werde sich "einer solchen Arbeit nicht ablehnend nähern. Es ist erforderlich, dass er überzeugt wird. Selbst wenn wir nur bestimmte unserer Familien, unserer Jugendlicher versammeln, wird das schon eine große Zahl werden." Explizit zur Schulung des Angeklagten Y. wird mitgeteilt, dass der Angeklagte Y. "Das Feuer stehlen" liest. Außerdem führte er selbst Schulungen mit Jugendlichen "im Süden" durch; G kritisiert deren Inhalt und beauftragt M.A., den Angeklagten Y. zu überwachen: "Es sind zwei Schulungen durchgeführt worden, allerdings werden bei Schulungen die Artikel von DS gelesen, es gibt kein ernsthaftes Programm, das sie sich vorgenommen haben. Ich habe dem A erklärt, dass er selbst unmittelbar sich vor Ort anschauen soll, was für eine Schulung der K macht, dass K die Jugendlichen nicht in Kaderbildung schulen soll, dass er das wissen und sich unmittelbar um die Schulung der Jugendlichen kümmern muss.":

- am 07. Juni 2003 erkundigt sich G bei M.A. (Deckname: B) über den Stand der Vorbereitungen einer Versammlung und einer Abendveranstaltung im Gebiet des Angeklagten Y.. Zugleich fragt G grundsätzlich nach, welches Programm der Angeklagte Y. aufgestellt hat, und erteilt die Anweisung, dass der Angeklagte Y. wöchentlichen Versammlungen mit den Aktivisten in seinem Gebiet durchzuführen hat, in denen zum einen die Arbeiten abgesprochen und zum anderen Schulungen über aktuelle Themen durchgeführt werden. Die relevanten Passagen aus der Datei ID-Nr. 762 074 lauten wie folgt:

"4- Wer wird die Nationalismusversammlung dort bei K am 15. Juni machen? Ist K dafür ausreichend? Bereitet er sich darauf vor? (...)

9- Welche sind die letzten Vorschläge für den Abend dort bei K? Wir können diesen Abend mit Frankfurt gemeinsam machen. (...)

11- Was denkt der Mitarbeiter bezüglich Heirat? Wann wird er mit den Aktivitäten beginnen? K muss sich ständig um ihn kümmern und darf ihn nicht allein lassen.

12- Was ist das Programm von K für das Gebiet?

Was für eine Arbeitsweise haben wir dort?

a- K muss jede Woche mit den Freunden, die Aktivitäten führen, regelmäßig Versammlungen machen, sowohl die Arbeiten programmieren, als auch Schulungen über aktuelle Themen machen. Diese Art muss in allen Gebieten festgelegt werden.

b- K muss T noch mal besuchen und unsere Notiz bezüglich des bekannten Themas weiterleiten.

c. Gibt es eine Entwicklung bezüglich des Verfahrens von K?

d. Es sollte eine Bescheinigung für A Er von seinem Anwalt besorgt werden. Wer ist der Anwalt von K? Ze. kennt ihn nicht. Wenn K die Zeitschriften abholt, soll er zu seinem Anwalt, diese Bescheinigung holen und sie in einem Umschlag bei der Zeitschrift abgeben. (...)"

- einen ausführlichen, in deutscher Übersetzung 12-seitigen Bericht über eine 3-tägige Schulung des Angeklagten Y. (K) schickt G am 16. August 2003 an die Führung (Datei ID-Nr. 753 201); zusammengefasst teilt G den Inhalt wie folgt mit:

"Am ersten und zweiten Tag haben wir über die Phase, Operationen, einzunehmende Haltung bei Gerichtsverhandlungen, Gebietsanalysen, Schulungen, Komitees, Sicherheitsregeln, Gebietsarbeit, Umfragen, Analysen und Erstellung von Gebietskarten gesprochen." Am dritten Tag wurden die Themen "Arbeitsweise, Realität und Regionalisms" diskutiert. G verlangte von dem Angeklagten Y., "dass er mit den Freunden, die in den Komitees sein werden, die von uns diskutierten Themen in Form einer dreitätigen Schulung behandelt und darüber diskutiert".

Dass der Angeklagte Y. bestrebt war, Aktivisten zu rekrutieren, belegt die Datei ID-Nr. 756 186; in dieser berichtet G der Führung am 08. November 2003 über einen von dem Angeklagten Y. (K) zugeleiteten Lebenslauf eines H S ("Eine Person namens H S ist nach Deutschland gekommen. K hat mit ihm gesprochen. Er hat seinen Lebenslauf geschickt:"). Dem Text des Lebenslaufs stellt der Angeklagte Y. Folgendes voran:

"Ich kenne H S aus der Offensivphase bei der Intervention in Antep Juni / Juli 90. Er gehört zu denen, die gemeinsam mit der mit Makeln behafteten Person H T, dessen Name in seinem Schreiben vorkommt, gegen uns Haltung eingenommen haben. Trotz aller Diskussionen hat er seine Haltung nicht aufgegeben... Aber, zu der Zeit war er sehr jung und hatte die Eigenschaften eines Militanten.

- Er ist neu gekommen und möchte mit uns eine Beziehung aufnehmen.

Sein Name: H S... Ich schicke seinen Lebenslauf: (...)"

In dem übersandten Lebenslauf, der bereits im Zusammenhang mit den Schleusungen oder Organisation dargelegt wurde, bot sich H S an, "Zeitschriften zu lesen, an Aktivitäten, wie Demonstrationen usw. teilzunehmen, und als ein Anhänger meine Beziehungen zu führen"; als Begründung für die Abfassung eines Lebenslaufs gab er an, "am Abend der TIKKO-Anhänger" Freunde getroffen zu haben, die dies von ihm verlangt hätten.

Die Vorgabe Gs, eine auf Jugendliche zugeschnittene Schulung durchzuführen (Datei ID-Nr. 762 074), wurde auch im Jahre 2004 umgesetzt; im August dieses Jahres nahm der Angeklagte Y. an dem "Sommercamp" der Anatolischen Föderation in Eberbach teil, bei dem es sich - wie ausgeführt - um eine Schulungsveranstaltung der DHKP-C handelte. Dass derartige Veranstaltungen grundsätzlich der Schulung und Indoktrination von Funktionären, Anhängern und Sympathisanten der DHKP-C dienen, wurde bereits ausgeführt. Die Teilnahme räumt der Angeklagte Y. ein; zu dem Jugend- und Familiencamp in Eberbach im Jahre 2004 sei er eingeladen gewesen. Er sei davon ausgegangen, dass "die Beschlüsse des Vorstands der Anatolischen Föderation von der Organisation der ‚DHKP-C‘ unabhängig" seien. Das Camp habe weder mit der Organisation noch mit dem Kampf zu tun gehabt. Ebenso hat die Zeugin Tas anlässlich ihrer Einvernahme versucht, die Veranstaltung als harmlose Autorenlesung mit anschließendem Grillfest darzustellen. Ausweislich der Angaben des Zeugen KOK K wurde - wie noch näher zu erläutern ist - im Rahmen der am 05. August 2008 erfolgten Durchsuchungsmaßnahme auf dem Zeltplatz in Eberbach am Neckar auch der Angeklagte Y., der vom Zeugen K in der Hauptverhandlung wiedererkannt worden ist, festgestellt. Y. hat die Richtigkeit dieser Aussage bestätigt und seine Teilnahme an der damaligen Veranstaltung eingeräumt. Zu den bei ihm sichergestellten Gegenständen gehörten - wie der Zeuge KOK K weiter glaubhaft angegeben hat - unter anderem ein Titelblatt der Zeitung Devrimci Sol, Ausgabe Nr. 19 (Juli 2004) sowie ein Exemplar der Wochenzeitschrift Ekmek ve Adalet vom 01. August 2004 (Nr. 117). Die entsprechenden Zuordnungen wurden auch von der Zeugin Ü bestätigt.

Durch (Schluss-) Verfügung vom 05. September 2005 hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe mit Zustimmung der Staatsschutzkammer des Landgerichts Karlsruhe in dem gegen den Angeklagten Y. wegen dessen Teilnahme an der bezeichneten Veranstaltung eingeleiteten Ermittlungsverfahren nach § 153b Abs. 1 StPO von der Erhebung der öffentlichen Klage abgesehen, weil der genaue Tatbeitrag Y.s zur Unterstützung des organisatorischen Zusammenhalts der verbotenen Organisation seinerzeit noch "fraglich" und eine weitere Sachaufklärung "insbesondere im Hinblick auf die konkrete Straferwartung - im Falle einer Verurteilung wäre nur eine im unteren Bereich angesiedelte Geldstrafe zu erwarten - nicht geboten war." Bereits mit vorangegangener Verfügung vom 21. Juni 2005 hatte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe festgestellt, dass sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass Y. in herausgehobener Weise, etwa durch Planung, Organisation oder als Vortragender aufgetreten ist, nicht ergeben hätten.

Der Senat ist davon überzeugt, dass dem Angeklagten Y. als langjährigem Mitglied des Führungskaders der DHKP-C bekannt war, dass es sich hierbei um eine Tarnorganisation der DHKP-C handelt. Diese Kenntnis ergibt sich nicht zuletzt auch daraus, dass er, wie ausgeführt, den Verein "Kultur" in der Schloßstraße gründete, der Mitglied der Anatolischen Föderation ist.

Nach der in der Hauptverhandlung verlesenen Erklärung des Bayerischen LfV - hierzu später mehr - leitete der Angeklagte Y. zudem gemeinsam mit N E 19. September 2004 eine Seminarveranstaltung im Verein "e.V." in Nürnberg.

Der Angeklagte Y. stand auch noch während der Untersuchungshaft in Kontakt mit N E und auch mit C O, die sich wegen desselben Vorwurfs ebenfalls in Untersuchungshaft befanden. Dies belegen seine in deutscher Sprache verfassten Briefe vom 23. Januar bzw. 04. Mai 2009, die durch Beschlüsse vom 11. Februar bzw. 08. Juni 2009 beschlagnahmt wurden.

In seinem Brief an C O berichtet er über seinen Gesundheitszustand und den der Mitangeklagten, berichtet von einer noch möglichen Prozessdauer von 2 Jahren und fragt, wie sein Ermittlungsverfahren "laufe". Den Zusatz, niemals wieder "doch doch dieses Jake, dieses Jake" (mit Smiley-Symbol) zu sagen, da dies ein verbotenes Wort sei; H sei ein "Pir" und ein heiliger Mann; die weiteren Ausführungen waren kaum verständlich ("und dies ist so sich schlagen sein. dann - sofort Bunka - verstehst Du mich?"). Dies erläuterte der Angeklagte Y. in seinen Schlussausführungen dahingehend, dass es sich um keine Chiffrierung handle; vielmehr habe der frühere Mitangeklagte S diesen Satz im Sozialamt gegenüber dem Beamten verwandt. "Der liebe C" sei ein "Scherzkeks", der sich immer über das gebrochene Deutsch des H.S. lustig gemacht und diesen Satz sehr oft wiederholt habe. Danach ist zwar davon auszugehen, dass es sich um keine Chiffrierung handelt, zugleich ist aber auch belegt, dass enge Kontakte zwischen dem Angeklagten Y., dem früheren Mitangeklagten S und C O bestanden.

In dem Brief an N schreibt der Angeklagte Y. in deutscher Sprache an die "liebe N"; er bedankt sich für ihren Brief, berichtet über die Besuchssituation - auch sämtlicher Mitangeklagter - und teilt ihr mit, er arbeite intensiv an "unserem Verteidigung"; sie solle sich keine Sorgen machen und auf ihren "richtige(n)" Anwalt vertrauen (der Satz schließt mit einem "Smiley"-Symbol). Dies belegt, dass der Angeklagte Y. auch mit N E gut bekannt war und ist. Weitere Hinweise darauf, dass der Angeklagte Y. eine gemeinsame Verteidigungsstrategie vorgegeben hat, ergaben sich im Verlauf der Hauptverhandlung jedoch nicht. Der Angeklagte Y. erklärte hierzu, er habe den "eigenen" Anwalt gemeint.

cc. Suche und Auswahl geeigneter Kuriere

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. in seiner Zeit als Verantwortlicher für die Region Süd - entsprechend seiner allgemeinen Aufgaben in dieser Funktion - bereit war, sich an der Auswahl und Suche von Kurieren zu beteiligen, die bereit und geeignet waren, Waffen, Sprengstoff oder andere Gegenstände oder auch gesammelte Gelder zu den in der Türkei aktiven Mitgliedern der Vereinigung zu schaffen.

Eine Anfrage nach potenziellen Kurieren in jeder der ihm unterstellten Regionen - mithin auch in der Region Süd - erhielt M.A. Anfang April 2003 mit dem Auftrag, wöchentlichen Bericht über seine diesbezüglichen Bemühungen zu erstatten. Es sollten zum einen Kuriere gesucht werden, die einen Laptop und eine Flashkarte in die Türkei bringen, wobei der Senat davon überzeugt ist, dass - angesichts des betriebenen Aufwandes (hierzu gleich mehr) - codierte Nachrichten übermittelt werden sollten. Zum anderen sollten Kuriere gesucht werden, die mit ihren Fahrzeugen in die Türkei fahren und Waffen transportieren können. Bis Ende Mai 2003 hatte M.A. drei Personen gefunden, die sich zu Kurierdiensten bereit erklärt hatten, mit drei weiteren potenziellen Kurieren sollte noch gesprochen werden. Einen dieser Kuriere hatte ihm der Angeklagte Y. benannt; ihm gegenüber hatte sich eine Person bereit erklärt, als Kurier zu fungieren.

Diese Feststellungen - und der weitere Fortgang der Suche von Kurieren in der Region Süd - basieren auf Dateien der niederländischen Rechtshilfe, aus denen folgender chronologischer Ablauf zu entnehmen ist:

Anfang April 2003 forderte G von M.A. die Erstellung einer Liste von Personen aus "Norden und Süden", um einen Laptop und eine Flashkarte "in die Heimat" zu bringen, sowie einer Liste von Personen, die mit dem Auto "in die Heimat" fahren, weil es notwendig sei, "Material" zu bringen (Datei vom 04. April 2003, ID-Nr. 752 331); die relevante Passage lautet wie folgt:

"6- Es ist notwendig, dass in die Heimat ein Laptop und Flashkarte gebracht werden. Die Person, die gehen wird, muss es bei einer ihm bekannten Adresse hinterlassen. Die Freunde gehen dann dort hin und holen es ab. Wer könnte das sein, wenn man auch über Norden und Süden nachdenkt?

6- Wir müssen eine Liste über diejenigen erstellen, die dieses Jahr in die Heimat mit dem Auto fahren werden. Es ist notwendig, dass Material gebracht wird. Es könnte so viel sein, dass es eine Familie bringen kann. Es ist notwendig, dass man über diese Sache eine Liste so erstellt, wer mit was fahren kann. Mit denen, die mit dem Auto fahren werden, muss man in angemessener Form reden."

Aus nachfolgenden Berichten des M.A. (damaligen Deckname: B) wird deutlich, dass sich der Angeklagte Y. in der Region Süd an der Suche nach geeigneten Kurieren beteiligte:

Am 26. April 2003 übermittelt G der Führung zwei Nachrichten vom 24. und vom 26. April 2003, die sie an M.A. (Deckname: B) geschrieben hat; sie trifft Anweisungen, dass in jedem Gebiet "für die bekannten Transportarbeiten in die Heimat mit einem Auto" eine Person zu finden sei, mit der - anders als mit dem "Pizzabäcker" (gemeint ist H H) - jeweils nur einer zu sprechen habe, und fordert wöchentliche Berichte über den Stand der Suche nach Kurieren (Datei ID-Nr. 752 127).

Am 30. Mai 2003 leitet G eine Notiz des M.A. (Deckname: B A) an die Führung weiter, in der dieser ausführlich über den Stand der Suche von Kurieren in den verschiedenen Gebieten berichtet (Datei ID-Nr. 761 902); im Ergebnis teilt er mit, dass sich 3 Personen bereit erklärt hätten und 3 weitere potenziellen Kuriere hinzukommen könnten. Dass die Beurteilung der Verfolgungsgefahr bei einer Einreise in die Türkei für die Frage, ob eine Person als Kurier eingesetzt werden kann, für die Organisation von großer Bedeutung war, zeigt die Vorbereitung, die bei einem der Kuriere geplant war; bei einer Ein- und Ausreise mit dem Flugzeug vor der Kurierfahrt sollte getestet werden, wie die türkischen Sicherheitsbehörden reagieren. Im Einzelnen teilt M.A. den Stand seiner Bemühungen "für den Konditor" - u.a. in der Region Süd unter C - wie folgt mit:

"A- Dort beim E wird ein Asylant Ende Juni gemeinsam mit seiner Familie in Urlaub fahren. ... Hat aus wirtschaftlichen Gründen Asyl gestellt. Später hat er geheiratet und seinen Asylantrag zurückgezogen. Wir wollen mal schauen, er soll mal in Urlaub fahren und zurückkommen. Später kann er dann für uns fahren. ... Falls er fahren wird, dann wird es im August sein. ... Man hat mit ihm gesprochen. Er ist einverstanden. ... Es gibt noch eine weitere Person. Wenn er in Urlaub fahren sollte, kann er kleinen Zucker bringen. ... Man wird mit ihm reden. Außerdem gibt es hier einen LKW-Fahrer. Er ist noch nicht gekommen. Wenn er kommt, wird man mit ihm sprechen. Sie sagen, das könnte gehen.

B- Dort beim E hatte eine Person in Ordnung gesagt. ... Das Datum wird geklärt. ... Als kleiner Zucker... - Außerdem könnte es noch eine weitere Person sein. ...

C- Dort beim K hingegen hat man mit dem älteren Bruder von dem Jugendlichen gesprochen. Er sagt, es könnte gehen. Er ist damit einverstanden. ... Nur hat er das Camp-Verfahren. Er sollte vorher mit dem Flugzeug erst fliegen und zurückkommen. ... Mal schauen... Mit dem wollte der Mitarbeiter reden. K hat mit ihm persönlich geredet. ... Er ist damit einverstanden.

D- Bis jetzt hat man in drei Gebieten mit drei Personen gesprochen. Sie sind damit einverstanden gewesen. ... Es ist notwendig, dass wir ein Ereignis erreichen, indem wir zwei von ihnen vorher schicken. ... Außerdem könnten es noch drei weitere Personen sein. ... Insgesamt sind es dann sechs Personen."

Der Sprachsachverständige B wies zu Recht darauf hin, dass die Übersetzung des Wortes "wirtschaftlichen" - im Kontext "aus wirtschaftlichen Gründen" (erster Abs. des Zitats) - auf einer Deutung beruhe, da das türkische Wort hierfür abgekürzt sei ("ekon.."). Eine andere Deutungsmöglichkeit kann aber ausgeschlossen werden. Es handelt sich nach der Überzeugung des Senats um die Abkürzung des türkischen Wortes "ekonomik" (in deutscher Übersetzung: wirtschaftlich); eine andere Bedeutung für einen Asylgrund kann ausgeschlossen werden. Auch der Kontext spricht dafür; der Zusatz des Asylgrundes erfolgt ersichtlich, um deutlich zu machen, dass der potenziellen Kurier nicht etwa geltend machte, politisch verfolgt worden zu sein, da dies seinem Einsatz wegen der Gefahr der Festnahme in der Türkei entgegen stehen könnte.

In der Folgezeit wurden tatsächlich ein Laptop und eine Flashkarte mittels Kurier in die Türkei geschickt. Am 23. Mai 2003 (Export-3/Unallocated Clusters~319) teilt G der Führung mit, dass der zuletzt geschickte Laptop an den Schwager eines Anhängers gegangen sei; diesem sei mitgeteilt worden, es handle sich um ein Geschenk für einen Ingenieur. Der "Freund", der diesen abhole, solle sagen: "Ich bin gekommen, um den anvertrauten Gegenstand des Herrn M abzuholen." Des weiteren berichtet sie, dass die letzte Flashkarte an einen anderen Verwandten des Alaattin geschickt worden sei. Der Kurier ("der Bügler"), der als letzter gefahren ist, übergab am Tag seiner Reise die Flashkarte, übernachtete bei seiner Schwiegermutter und kehrte am Folgetag um 7:00 Uhr mit dem Flugzeug zurück.

Am 04. Juni 2003 berichtet M.A. erneut an die Führung über Personen, die "kleinen Zucker" oder "großen Zucker" mitnehmen können; er berichtet - wiederum unter C - auch über das Ergebnis der Suche des Angeklagten Y. (Datei ID-Nr. 761 873); "für den Zuckerverkäufer" teilt er Folgendes mit:

"A- Hamb... eine Person, die mit E gesprochen hat: Je nach Urlaub seiner Frau wird er entweder mit dem Auto fahren oder mit dem Flugzeug fliegen. Er kann kleinen Zucker mitnehmen... das wird in ein bis zwei Wochen geklärt sein.

- Mit einer Person wurde indirekt gesprochen, die gesagt hat, dass sie mit dem Auto einen kleinen Zucker mitnehmen kann.

- Eine weitere Person, mit der indirekt gesprochen wurde, kann sein Auto vorher geben und einen großen Zucker mitnehmen.

B- Dort bei E:

- Es wurde indirekt mit jemandem gesprochen. Er hat gesagt, dass er kleinen Zucker mitnehmen kann.

C- Dort bei K:

Wie ich bereits erwähnt habe, hat es der Bruder des jungen Mannes akzeptiert. Aber man müsste vorher einmal ausprobieren."

Am 22. Juni 2003 berichtet die Europaverantwortliche der Führung über den aktuellen Stand der Kuriersuche u.a. in der Region Süd (Datei ID-Nr. 750 271):

"9- Auf der Seite von K gibt es einen Jugendlichen, der akzeptiert hat, mit dem Fahrzeug in den Urlaub zu fahren. Bei diesem Jugendlichen handelt es sich um den älteren Bruder des Freundes E, der in Stuttgart Aktivitäten durchführt. Ich habe auch mit ihm ein Mal gesprochen. Es kann sein, dass er deutscher Staatsangehöriger ist. Wir müssen noch klarmachen, wenn er erneut wie viel mitnehmen kann.

b- Der ältere Bruder B hat in seiner letzten Datei geschrieben, dass es einige Personen gäbe, die gehen können. Er hat in seiner letzten Datei geschrieben, dass es einen deutschen Staatsangehörigen gibt, dass man auch ihn schicken könne, dass man jedoch etwas zeit bräuchte. (...)

d- Ich habe den älteren Bruder C, Kadir und B erneut in Zusammenhang bezüglich der endgültigen Personen gefragt; ich habe verlangt, dass man Informationen erteilt."

Am 27. Juni 2003 berichtet ein unbekannter Absender über eine geplante (Flug-) Reise eines potenziellen Kuriers in Vorbereitung einer Schmuggelfahrt, um zu testen, ob wegen der Teilnahme an einem Camp der DHKP-C im Vorjahr in Stuttgart besondere Kontrollen durchgeführt werden (Datei ID-Nr. 750 331); nach dem weiteren Inhalt des Berichts handelt es sich bei dem Verfasser um die Europaverantwortliche, da über weitere Aktivitäten des M.A. berichtet wird und die Vorkorrespondenz zum Thema Kuriersuche bekannt ist. Die relevante Passage lautet wie folgt:

"Von der Person, die wir in die Heimat zum Urlaub schicken wollten, wurden vergangenes Jahr beim durchgeführten Camp in Stuttgart die Personalien festgestellt. Wir sollten es ausprobieren und diesen Freund mit dem Flugzeug schicken. Falls es zu keinem Problem kommt, überlege ich, ihn mit dem Auto zu schicken. Ich habe nochmals verlangt, dass sie diesen Freund fragen sollen, ob er damit einverstanden (ist), mit einem vollen Auto zu fahren."

Die grundsätzliche Bereitschaft des Angeklagten Y. zur Mitwirkung an dieserlei Aktivitäten, wird auch durch sein (Vortat-) Verhalten in seiner Zeit als Bölgeleiter Mitte bestätigt; bereits Anfang 2002 erkundigte er sich bei dem Zeugen H, ob dieser einen größeren Geldbetrag von 30.000,-- bis 40.000,-- EUR nach Istanbul bringen könne (hierzu später mehr im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung zum "Komplex H").

dd. Beschaffung "sauberer Wohnungen"

Für konspirative Treffen von Funktionären - auch mit der Europaverantwortlichen - beschaffte der Angeklagte Y. - in der Diktion der DHKP-C - "saubere Wohnungen".

Eine Nachricht der Europaverantwortlichen G vom 04. April 2003 an M.A. belegt, dass auch der Angeklagte Y. (Deckname: K) mit dieser Aufgabe betraut war (Datei ID-Nr. 752 331):

"5- Auch von nun an benötigen wir saubere Wohnungen. Es können die Wohnungen sein, in denen wir uns in den vergangenen Jahren aufgehalten haben. Der Mitarbeiter und K wissen Bescheid, wie sie mit den Familien reden müssen, um neue Wohnungen klarzumachen. Auch die im Norden wissen Bescheid. Ohne Namen zu nennen, indem sie auch über meine Arbeitsbedingungen erzählen, müssen sie Wohnungen klarmachen. Es dürfen keine zu sehr bekannten Wohnungen sein."

Daneben wurden "saubere Wohnungen" auch als Übernachtungsstätten von Führungskadern genutzt, die entweder bloße Meldeanschriften hatten oder überhaupt nicht polizeilich gemeldet waren. Hierfür steht beispielhaft der Angeklagte Y., der in seiner Funktion als Leiter der Region Süd das Leben eines "Reisekaders" führte.

ee. Beschaffung von Ausweispapieren

Dass der Angeklagte Y. auch für die Ausstattung der Organisationsmitglieder mit Falschpapieren sorgte, belegt seine Nachricht vom 19. Mai 2003 an M.A. (Export-3/Unallocated Clusters~319):

"Sie wissen, ich habe zwei Hefte bei der Wöchentlichen hinterlegt. Der jetzt angekommenen Nachricht zufolge haben sie gesagt, dass es keinen Bedarf gäbe, allerdings ist es zu spät."

ff. Aktionen zur Unterstützung des "Todesfastens" in der Türkei,

insbesondere Organisation von Hungerstreiks

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte Y. zum 1000. Tag des sog. "Todesfastens" inhaftierter DHKP-C-Angehörigen in der Türkei im Zeitraum 12. bis 20. Juli 2003 Aktionen, wie die Aufstellung von "Hungerstreikzelten" in Frankfurt, mit organisierte; dort wurde im Namen der Tarnorganisation Tayad-Komitee zur Solidarität mit den hungerstreikenden Genossen in der Türkei aufgerufen und zugleich Propaganda für die Ziele der DHKP-C betrieben.

Der Angeklagte Y. war in die Organisation der "Hungerstreikzelte" in Frankfurt in der Zeit vom 12. bis 20. Juli 2003 eingebunden; dies belegt eine an C gerichtete Mitteilung vom 07. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 080):

"4- Im Zusammenhang mit dem 1000. Tag werden wir in allen Gebieten zentrale Zelte für Hungerstreiks aufstellen. Aus diesem Grund müsst ihr die Daten dementsprechend strukturieren. Als wir miteinander gesprochen haben, habe ich dargelegt, dass die Notwendigkeit besteht, die Hungerstreikzelte zwischen dem 12. und 20. Juli aufzustellen. Wir müssen die Hungerstreiks in der Woche des 1000. Tages machen. Sie müssen zentral sein. Aus diesem Grund müsst ihr die Daten umändern. Am 15. Juli, dem 1000. Tag, müsst ihr in allen Gebieten als Tayad-Komitee jeden auf der Arbeit, zu Hause und überall zum Hungerstreik aufrufen. (...) Erstellt jetzt schon Listen. An dem Tag werden wir auch Aktionen durchführen. (...) In jedem Gebiet müsst ihr die Namen der Personen bestimmen, die Hungerstreiks machen werden. Später werden wir dann eine Erklärung abgeben, dass europaweit so und so viele Menschen Hungerstreiks gemacht haben.

b- Ihr könnt das Hungerstreikzelt in Frankfurt mit K (wir schreiben nunmehr K) zusammen eröffnen. Ihr solltet besprechen, was ihr unternehmen werdet."

Dem ging eine (nicht bekannte) Anordnung der Führung an M.A. zur Teilnahme am Hungerstreik in der Zeit vom 12. bis 20. Juli 2003 voraus, wie dessen Antwort in der Mitteilung vom 04. Juni 2003 - M.A. hielt sich zu diesem Zeitpunkt in der Region Süd auf ("Jetzt bin ich dort bei K.") - zeigt (Datei ID-Nr. 761 873):

"5- Ist in Ordnung.. Für den 12 Juli 20 Juli wurde der ag.. verstanden. (...) Es werden auch Zelte aufgeschlagen."

Die Abkürzung "ag" steht zur Überzeugung des Senats für Hungerstreik. Nach Angaben des Sprachsachverständigen B lautet die türkische Übersetzung des Wortes Hungerstreik açlık grevi; zudem wurde dieses Wort in der vorgenannten Datei ID-Nr. 762 080 (auch) ausgeschrieben.

Der Angeklagte Y. erhielt von der Führung - vermittelt durch M.A. - dafür genaue Anweisungen, wie die Nachricht an M.A. (Deckname: B) vom 22. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 762 067) zeigt. Die relevante Passage lautet wie folgt:

"2- Habt ihr in den Gebieten begonnen mit der Arbeit für den 1.000 Tag? (...)

10- Haben K, S A mit euch wegen des ag Zeltes in Frankfurt gesprochen? Wie viele Leute werden von der Seite Ks teilnehmen, sie sollten die technischen Vorbereitungen gemeinsam vornehmen. K und der A sollten zusammenkommen, ein gemeinsames Komitee gründen und festlegen, was gemacht werden muss. Wer wird das Zeltkomitee sein, wer sind die Ordner, wie wird die Sicherheit des Zeltes sichergestellt, was werden wir den Besuchern erzählen, können wir eine Cinevision zeigen. Wir sollten Stände aufstellen, die Presse benachrichtigen. Wir sollten unsere Flugblätter verteilen, Schürzen und Tafeln vorbereiten. Als Süden könnt ihre eine regionale Presseerklärung und eine Abschlussdemonstration u.ä. machen, das solltet ihr planen."

Die Befassung mit Aktionen zum 1000. Tag des "Todesfastens" im Juli 2003 belegt auch das Ergebnis der Durchsuchung seiner Wohnung am 15. Juli 2003 in Köln, K Straße. Nach den glaubhaften Angaben der Zeugen KOK G und KOK R wurden in der Wohnung des Angeklagten Y. neben ca. 39 Einzelausgaben der Zeitschrift "Ekmek ve Adalet" und diversen schriftlichen Unterlagen ungefähr 500 Flugblätter mit der Aufschrift "Aufruf" sowie Karten des Tayad-Komitees zum 1.000 Tag des "Todesfastens" aufgefunden werden (beschlagnahmt wurden lediglich schriftliche Unterlagen sowie je ein Exemplar des Flugblatts und der Karte). Soweit eine Beschlagnahme erfolgte, wurden die Angaben durch den Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 01. September 2003 (Az.: 30 GS 3097/03) bestätigt. Das Flugblatt, das in türkischer und deutscher Sprache abgefasst ist, enthält einen "Aufruf" zum 1000. Tag des Todesfastens; verantwortlich zeichnet das Tayad Komitee Hamburg. Der Aufruf in der türkischen Sprache lautet übersetzt wie folgt:

"Unsere Gefangenen kämpfen mit großer Entschlossenheit gegen die F-Typ-Zellen, für ein freies und lebenswerteres Anatolien. Um die Menschen über 107 Tote und hunderte von körperlich geschädigten Menschen in Kenntnis zu setzen und diesen Widerstand in das Bewußtsein der Öffentlichkeit zu rücken, appellieren wir: Die Aktionen zum 1000. Tag zu unterstützen und daran teilzunehmen. Die Gefangenen im Widerstand sind unsere Würde, unterstützen wir sie!"

Aufgerufen wird zu folgenden Aktionen:

- zum Besuch eines 7-tägigen Hungerstreiks in Zelten vor dem Kölner Dom in der Zeit vom 12. bis 20. Juli 2003 ("Das Zelt wird die Woche über offen für Besuch und Teilnahme sein."),

- zu einem 3-tägigen Hungerstreik am 1000. Tag des Widerstands des "Todesfastens" (am 16. Juli) "in unseren Häusern, an unseren Arbeitsplätzen, unserer Schule, überall, wo wir uns befinden"; zugleich wird auf einen 3-tägigen Hungerstreik in einem Zelt vor dem Hauptbahnhof in Dortmund hingewiesen;

- zu einem (Protest-)Marsch mit 107 Särgen "bis zur Tür des Europäischen Parlaments in Brüssel" am 15. Juli 2003 ("von Köln und Dortmund werden Busse losfahren")

- zu einer Podiumsdiskussion am letzten Tag des 7-tägigen Hungerstreiks, am 20. Juli 2003, im "Volkskulturzentrum Anatolien, Hansemannstraße 17-21 in Ehrenfeld-Köln".

Die deutsche Fassung des Flugblatts beschreibt denselben Anlass, dieselben Veranstaltungen, jedoch wird abgeschwächter formuliert; z.B. lautet der Aufruf zum Hungerstreik in Köln

- in der deutschen Fassung: "Gleichzeitig werden Informationsstände zum Hungerstreik und zum Faschismus in der Türkei aufgebaut.",

- in der türkischen Fassung: "Gleichzeitig wird neben dem Spruchband ein Informationsstand aufgemacht werden, der das Massaker, die Grausamkeit belegt."

Wie bereits ausgeführt, bestätigte der Angeklagte Y. bereits bei seiner haftrichterlichen Vorführung, dass er im Jahre 2006 für einen ihm bekannten Anwalt (Behic Asci, wie er später erklärte), der in der Türkei ab 05. April 2006 in Hungerstreik getreten sei, in einen "Solidaritätshungerstreik" getreten sei. Die Teilnahme an Hungerstreiks thematisierte er auch in seinen Erklärungen. Auch auf seiner am 28. November 2006 in der Wohnung des M D sichergestellten Compact-Flash-Card war, wie der Zeuge KHK B bekundete, ein Schreiben gespeichert, in dem auf einen europaweit vom Tayad-Komitee organisierten 1-wöchigen Hungerstreik hingewiesen wurde, der im "Anatolischen Kultur- und Kunsthaus" in Stuttgart stattgefunden habe.

Zudem betreute er Aktivisten bei der Durchführung von Propaganda-Aktivitäten und Hungerstreikaktionen unter dem Namen der Tarnorganisation "Tayad-Komitee". So unterstützte er L St bei der Durchführung eines Stands in Straubing am 28. Oktober 2006 zum Thema "Folter in der Türkei" und eine Woche später in Regensburg (verbunden mit einem Hungerstreik).

L St hat diese Aktivität nicht eingeräumt. In der Hauptverhandlung hat sie von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

Ihre im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung vom 28. November 2006 gemachten Angaben wurden über den Vernehmungsbeamten, den Zeugen KHK B, KPI Straubing, eingeführt, der sich noch gut an die Vernehmung erinnerte und deren wesentlichen Inhalt zuverlässig wiedergeben konnte. Damals erklärte L St, sie habe, seit sie in Deutschland lebe (seit 2003) bis vor einem Jahr die Zeitschrift Ekmek ve Adalet gelesen, die sie aus Köln erhalten habe; nachdem es diese Zeitschrift nicht mehr gegeben habe, habe sie die Zeitschrift Yürüyüs wöchentlich per Post aus Holland bekommen. A Y. kenne sie, er sei Rechtsanwalt, sie habe aber zu ihm überhaupt keinen Kontakt. Sie habe ihn in Deutschland in Köln vor 2 Jahren bei einer Demonstration kennengelernt. Er sei für sie wie ein Freund. Noch einmal habe sie ihn in Stuttgart gesehen, sie hätten sich unterhalten. Dies könne vor einem Jahr gewesen sein. Seither habe sie keinen Kontakt mehr zu ihm. Er habe sie nie in Straubing besucht.

Der Senat ist indes davon überzeugt, dass die Angaben der L St im Rahmen ihrer Beschuldigtenvernehmung unvollständig waren, denn diese hatte im Oktober 2006 noch mehrfach Kontakt mit dem Angeklagten Y. im Zusammenhang mit einem von ihr angemeldeten Infostand am 28. Oktober 2006 in Straubing, Stadtplatz, zum Thema "Folter in der Türkei".

Nach den zuverlässigen Angaben des Zeugen KHK B wurde diese Aktion von L St bei der Stadt Straubing angemeldet und am 28. Oktober 2006 auch tatsächlich durchgeführt und zwar in der Zeit zwischen 10:45 und 15:00 Uhr. Am Infostand waren abwechselnd L St und deren Ehemann präsent; diese Beobachtungen habe ihm ein Kollege der Schutzpolizei mitgeteilt, der den Stand "betreut" habe.

In Vorbereitung dieser Aktion rief eine weibliche Person mehrfach von dem Festnetzanschluss der Ehewohnung (Anschlussinhaber: Anton St) auf dem Mobiltelefon des Angeklagten Y. an. Da die Anruferin dem Angeklagten Y. (K A) im letzten Gespräch mitteilt, dass sie den Antrag auf Genehmigung auf ihren Namen gestellt hat, dieser von "Toni" - d.h. ihrem Ehemann Anton St - abgegeben wurde und beide den Stand betreut haben, geht der Senat davon aus, dass diese Gespräche auch von L St geführt wurden, wobei Entscheidungserheblich allein der Umstand ist, dass der Angeklagte Y. noch einen Monat vor seiner Festnahme in der Region Süd eine Aktivistin bei Durchführung einer Aktion mit Rat und Tat unterstützt hat. Im Einzelnen:

- Gespräch vom Sonntag, dem 22. Oktober 2006, 14:28 Uhr (techn. ID: 546.171,

TKÜ-Y.)

L St ist überrascht, als sich nicht der Angeklagte Y., sondern ein E meldet, der zwar nicht seinen Namen nennt, den sie aber an seiner Stimme erkennt (auf ihre Frage " E, bist du es?" antwortet dieser: "Ja, ich bin es."). Sodann erklärt sie, sie habe "mit K A sprechen wollen". E erklärt, "derzeit ist er nicht in der Lage zu sprechen", sie soll es in zwei Stunden noch einmal probieren. L St erklärt, sie würden reden, "wenn seine Arbeit erledigt ist".

- Gespräch vom Dienstag, dem 24. Oktober 2006, 19:02 Uhr (techn. ID: 549.101,

TKÜ-Y.)

L St ruft erneut bei dem Angeklagten Y. an und hat ihn bei diesem Gespräch sogleich am Apparat. Dies ergibt sich - neben den bereits ausgeführten charakteristischen Merkmalen in der Stimme des Angeklagten Y. - aus dem Umstand, dass die Anruferin den Angerufenen, der sich nicht mit Namen meldet ("Ja bitte?"), sogleich die Frage stellt: "K A?", auf die der Angerufene mit "Ah... Guten Tag." antwortet. L St spricht ihn im Verlauf des Gesprächs sodann noch mehrfach mit "K A" an. Sie teilt ihm mit, dass sie am Sonntag bereits angerufen habe; auf Nachfrage erklärt er, dass E ihm dies nicht gesagt habe. Sodann erkundigt sie sich danach, wie schnell man eine Genehmigung erhält, wenn man in einer Stadt einen Stand aufmachen möchte. Der Angeklagte Y. erklärt, dies sei verschieden, manchmal erhalte man die Genehmigung sofort, manchmal dauere es einen Monat.

L St erklärt sodann, sie müssten am Samstag (28. Oktober) hier einen Stand aufmachen. Der Antrag werde von der Linkspartei gestellt werden, aber Toni erreiche den Mann nicht. Sodann wird sie von dem Angeklagten Y. auf ihr Vorhaben angesprochen, in Hungerstreik zu treten. Im weiteren Gesprächsverlauf teilt sie ihm mit, dass sie an diesem Samstag den Stand in Straubing machen werden, eine Woche später dann - zusammen mit den deutschen Linken - in Regensburg Stand und Hungerstreik. Der Angeklagte Y. bittet um Unterrichtung per E-Mail. Schließlich verweist er sie darauf, dass sie den Antrag auch selbst stellen könnten: "Soll er doch hingehen und im Namen des Tayad-Komitees einen Antrag stellen." In dem Gespräch verweist der Angeklagte Y. auf die Internet-Seite, als L St erklärt, dass er ihr zu wenig Flugblätter geschickt habe.

- Gespräch vom Mittwoch, dem 25. Oktober 2006, 18:25 Uhr (techn. ID: 550.637)

L St spricht den Angeklagten Y. wieder mehrfach mit "K A" an. Sie teilt ihm mit, dass sie auf ihren eigenen Namen einen Antrag gestellt hat; Toni habe ihn eingereicht und die Genehmigung heute bekommen. Diesen Samstag würden sie von 11 bis 17 Uhr in Straubing einen Stand aufbauen. L St erklärt in Anknüpfung auf das vorhergehende Gespräch, sie habe auf der Website des Tayad-Komitees keine Flugblätter gefunden, woraufhin der Angeklagte Y. ihr die Übermittlung per E-Mail zusagt.

g. Erkenntnisse zu Waffenschulungen auf Kreta

Dass die DHKP-C zwar Waffenschulungen auf Kreta durchführte, wurde bereits dargelegt (vgl. vorst. III. 2.d.cc.). Nicht nachweisen ließ sich jedoch der Vorwurf, der Angeklagte Y. sei unter dem Decknamen K in der Zeit von Mai bis August 2003 gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Vereinigung durch einen unbekannten Funktionär zusätzlich zu der theoretischen Schulung auch im Umgang mit Waffen und verschiedenen Fernsteuerungen auf Kreta geschult worden und habe hierbei unter anderem den Umbau von Mobiltelefonen zu Zündzeitverzögern und die Herstellung von Sprengstoff gelernt.

Der Angeklagte Y. hat diesen Vorwurf bestritten. Auch nach dem weiteren Ergebnis der Beweisaufnahme handelt es sich bei dem Juristen K, der eine "Ausbildung für den Kampf" erhalten hat und auf Kreta kontrolliert und festgenommen worden ist (vgl. Dateien ID-Nrn. 754 041, 755 303, 755 661, 755 734, 761 847, 761 889), um eine andere Person. Dies erklärte der Senat bereits in der Hauptverhandlung vom 09. Februar 2010 im Rahmen von Erörterungen nach § 257b StPO.

Die Ermittlungen bei griechischen (Polizei-) Behörden haben keine Hinweise auf eine Festnahme des Angeklagten Y. im Jahre 2003 auf Kreta ergeben. Diese Feststellung basiert auf dem Ergebnis von Ermittlungshandlungen des KHK B, BKA, die in den verlesenen Schreiben vom 13. und 26. Oktober sowie vom 03. November 2009 wiedergegeben werden; danach teilte der Verbindungsbeamte des BKA in Griechenland zunächst mit, dass es keine Aufzeichnungen zum fraglichen Vorfall geben kann, falls es sich um eine Festnahme aus aufenthaltsrechtlichen Gründen oder zur Überprüfung von Dokumenten gehandelt hat. Die Abklärung bei allen in Frage kommenden Stellen auf Kreta ergab sodann, dass eine Festnahme des Angeklagten Y. unter dessen Namen im Jahre 2003 nicht nachvollziehbar ist und somit nicht bestätigt werden kann; schließlich teilte die Polizei in Athen noch mit, dass die Personalien des Angeklagten Y. auch noch nie bei einer Einreise nach Griechenland festgestellt wurden.

Auch der Zeuge KHK B bekundete, er sei nicht davon ausgegangen, dass es sich bei dem auf Kreta festgestellten K, der eine Waffenausbildung erhalten hat, um den Angeklagten Y. handelte; der Angeklagte Y. sei nach seiner Meinung "ein Mann des Wortes, nicht der Waffe". Die Auswertung der Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe habe aber ergeben, dass es einen K gab, den er dem Angeklagten Y. als Decknamen zugeordnet habe.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die von dem Zeugen KHK B vorgenommene Differenzierung zutreffend ist. Allein aus dem Umstand, dass es einen weiteren Kader namens K gibt, der auf Kreta eine Waffenschulung erhalten hat, kann indes nicht der Schluss gezogen werden, dass bei dem Angeklagten Y. dieser Deckname nicht (auch) verwendet wurde. Wie bereits ausführlich dargelegt, geht aus Dateien der niederländischen Rechtshilfe, die im Einklang mit weiteren Beweiserkenntnissen stehen, zur Überzeugung des Senats hervor, dass der Angeklagte Y. jedenfalls im organisationsinternen Schriftverkehr auch K genannt wurde.

VI. Vorgänge im Zusammenhang mit H H

Dass sich die Angeklagten G. und Y. in vielfältiger Weise als Führungsfunktionäre der DHKP-C in der Rückfront betätigt haben, belegen auch die Bekundungen des Zeugen H H, die dieser in der Hauptverhandlung sowie - als Beschuldigter bzw. Angeklagter - bei vorangegangenen polizeilichen und richterlichen Vernehmungen im Rahmen eines früheren, gegen ihn selbst gerichteten Strafverfahrens, das zu seiner Verurteilung wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit durch das Oberlandesgericht Koblenz am 01. April 2004 (3 StE 2/04) führte, gemacht hat.

1. Verfahren gegen H H

Sämtliche gegen den Zeugen H geführten Strafverfahren in Deutschland und in der Türkei sind rechtskräftig abgeschlossen.

a. In Deutschland

Zum Hintergrund, Verlauf und Ergebnis der Untersuchungen gegen H H hat der Senat den seinerzeit beim Polizeipräsidium Mainz federführend mit dem "Tatkomplex H" befassten Zeugen KOK F sowie den Zeugen StA b. BGH V, der bei der Bundesanwaltschaft mit dem Vorgang H befasst war, gehört.

Hiernach war die genannte Polizeibehörde im Zuge eines bei der Staatsanwaltschaft Koblenz geführten Ermittlungsverfahrens gegen S A u. a. seit Oktober 2001 mit Erhebungen befasst, in deren Verlauf sich Erkenntnisse u.a. zum Angeklagten G. und dessen Bezugspersonen innerhalb der DHKP-C ergeben hatten. Hierzu gehörte auch H H, weshalb gegen diesen ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz in Gang gesetzt worden war. Nachdem über Interpol Ankara und das BKA zudem in Erfahrung gebracht wurde, dass in einem auf H H zugelassenen, an der bulgarisch-türkischen Grenze aufgefundenen Kraftfahrzeug Schusswaffen, Munition und sonstiges Waffenzubehör sichergestellt worden waren, wurde das Polizeipräsidium Mainz im Oktober 2002 von der Staatsanwaltschaft Landau / Pfalz außerdem mit Ermittlungen in dem wegen dieses, zunächst als Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz / Waffengesetz gewerteten Vorgangs gegen H H eingeleiteten Strafverfahren betraut.

H wurde aufgrund dieses Vorwurfs Mitte Februar 2003 festgenommen und im Verlauf der sich anschließenden Untersuchungshaft polizeilich und richterlich vernommen. Hierbei machte H H nach anfänglichem Leugnen des gegen ihn erhobenen Tatvorwurfs (Verstoß gegen das KWKG / WaffG) umfassende Einräumungen mit detaillierten Angaben zur Vorbereitung und Durchführung des in Rede stehenden Waffentransports. Weiter berichtete er über seine Betätigung für den türkischen Geheimdienst, der damit zusammenhängenden Einschleusung in die DHKP-C sowie die Mitarbeit beim Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz. Im Anschluss daran kam es Mitte April 2003 während des Vollzugs der Untersuchungshaft zu einem Suizidversuch H Hs; seither befindet er sich in psychiatrischer Behandlung, die teilweise auch stationär durchgeführt wurde. Nach seiner Haftentlassung Ende April 2003 wurde er - wie der Zeuge KOK F bestätigt hat - zusammen mit seiner Familie in ein polizeiliches Zeugenschutzprogramm aufgenommen.

Ebenfalls im April 2003 hatte die Bundesanwaltschaft nach Übernahme der bis dahin bei der Staatsanwaltschaft Landau / Pfalz gegen H H geführten Ermittlungen gegen diesen ein Verfahren wegen Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit eingeleitet. Kurze Zeit später wurde hierzu das bei der Staatsanwaltschaft Koblenz gegen H H geführte, die gleiche prozessuale Tat betreffende, Ermittlungsverfahren übernommen. Bei weiteren, auf die vertiefende Abklärung der geheimdienstlichen Zusammenhänge zielenden, Vernehmungen Hs, die aufgrund dessen damaligen (schlechten) Gesundheitszustandes bei (fort-) bestehender Suizidgefahr nicht zeitnah durchgeführt werden konnten, widerrief H H Mitte Januar 2004 seine vorangegangenen, den erhobenen Tatvorwurf einräumenden Angaben in pauschaler Form. Dies führte zu seiner erneuten Festnahme und Inhaftierung.

Im Einzelnen stützen sich die zum Tatkomplex H getroffenen Feststellungen auf folgende Erwägungen:

Die zu dem im September 2002 durchgeführten Waffentransport der DHKP-C getroffenen Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf den hierzu in der Hauptverhandlung und vorangegangenen polizeilichen und richterlichen Vernehmungen gemachten Aussagen des Zeugen H H. Dieser wurde - wie sich aus dem bezeichneten Urteil des OLG Koblenz vom 01. April 2004 ergibt - wegen innerhalb der Zeit von Frühjahr 2001 bis Ende 2002 / Anfang 2003 ausgeübter geheimdienstlicher Agententätigkeit rechtskräftig zu der Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt; die Vollstreckung dieser - zwischenzeitlich erlassenen - Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Er besitzt ausweislich des von ihm in der Hauptverhandlung vorgelegten, im Jahre 2007 ausgestellten und bis 2009 Gültigen, Passersatzes der Bundesrepublik Deutschland einen unbefristeten Aufenthaltstitel gemäß § 9 AufenthaltsG, der ihm auch eine Erwerbstätigkeit gestattet.

Wie aus den Feststellungen des OLG Koblenz im bezeichneten Urteil ersichtlich, befand sich H H in dortiger Sache nach seiner - am 18. Februar 2003 erfolgten - Festnahme zunächst bis zum 18. April 2003 in Untersuchungshaft. Der gegen ihn wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit erlassene Haftbefehl wurde am 17. April 2003 durch Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs außer Vollzug gesetzt. Es wurde festgestellt, dass der - insbesondere auf die Verbindung Hs zu dem türkischen Geheimdienst MIT gestützte - Fortdauer von Fluchtgefahr durch (Melde-) Auflagen und damit einhergehender Anordnungen zum Aufenthalt Hs im Rahmen des Zeugenschutzprogramms hinreichend begegnet werden konnte. Nach Invollzugsetzung dieses Haftbefehls durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshof am 15. Januar 2004 befand sich H H in der Folge ununterbrochen bis zu der bezeichneten Verurteilung durch das OLG Koblenz am 01. April 2004 erneut in Untersuchungshaft.

b. In der Türkei

Auch in der Türkei wurde - wie der Zeuge EKHK B glaubhaft berichtet hat - gegen H H wegen des in Rede stehenden Waffentransports strafrechtlich ermittelt und im Zuge dessen am 11. Oktober 2002 Haftbefehl erlassen. Darüber hinaus ersuchten die türkischen Strafverfolgungsbehörden im Wege der Rechtshilfe um die Auslieferung des in Deutschland festgesetzten H, gegen den aufgrund dessen vom 19. bis 24. April 2003 vorläufige Auslieferungshaft vollzogen wurde. Das entsprechende Ersuchen wurde - wie der Zeuge StA b. BGH V, der bei der Bundesanwaltschaft mit den dort gegen H H geführten Untersuchungen befasst war, bestätigt hat - von deutscher Seite abgelehnt, weil im Hinblick auf das beim OLG Koblenz geführte Strafverfahren eine einheitliche prozessuale Tat angenommen wurde und somit der Grundsatz des Verbots der Doppelbestrafung einer Auslieferung Hs in die Türkei entgegenstand.

Am 20. Januar 2004 hat die (türkische) Oberstaatsanwaltschaft E wegen illegalen Handels mit Waffen und Munition Anklage gegen H H beim 2. Landgericht für schwere Strafsachen zu E erhoben. Der Anklagesatz lautet unter anderem wie folgt:

"(...) Nachdem die Sicherheitskräfte eine am 23.09.2002 um 18:30 Uhr eingehende Information überprüft haben, wurden Ermittlungen aufgenommen, um das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen GER-EJ 524, das über den Grenzübergang Kapikule in die Türkei einreiste, zu durchsuchen. Es wurde festgestellt, dass das Fahrzeug vor den Freeshops bei der Einreisehalle in Kapikule (...) geparkt ist. Bei der Überprüfung der Computereinträge der Zollhauptdirektion zu Edirne wurde festgestellt, dass das Fahrzeug am 23.09.2003 gegen 17:24 Uhr in die Türkei einfuhr, dass es sich bei dem Fahrer des Fahrzeugs um den Angeklagten, dessen Personalien aufgeführt sind, handelt. (...) Bei den später bei dem Fahrzeug (...) durchgeführten Durchsuchungen wurden in einer schwarzen Plastiktüte verpackt 9 Stück Waffen der Marke Kalaschnikow und 24 Stück Magazine, die zu diesen Waffen gehören und 1 Akrep (Skorpion) Waffe und 1 zu dieser Waffe gehörender Schalldämpfer und 1... Magazin und 49 Stück Munition der Pistole der Marke Akrep (Skorpion) sowie 2250 Stück Munition für das Gewehr der Marke Kalaschnikow, in dem vorderen Bereich unter dem Schließfach im ... Hohlraum des Fahrzeugs versteckt sichergestellt. (...)"

Ausweislich einer - dem Senat vom Zeugen EKHK B übergebenen - Abschrift eines Urteils des 2. Landgerichts für schwere Strafsachen zu Edirne vom 30. September 2005 (Urteilsnummer: 2005/230) wurde H H am genannten Tag in der Türkei aufgrund dieses Sachverhalts wegen illegaler Einfuhr von Waffen aus dem Ausland in die Türkei zu der Freiheitsstrafe von neun Jahren sowie einer Geldstrafe von YTL 54,-- verurteilt. Die Einziehung des bei der Begehung der Straftat verwendeten Kraftfahrzeugs sowie die sichergestellten Schusswaffen, Waffenersatzteile und Munition wurde angeordnet. Ausweislich der zugehörigen Sitzungsniederschrift vom 30. September 2005 war H H nicht zur Hauptverhandlung erschienen, jedoch durch einen von der Leitung der Anwaltskammer für ihn als Verteidiger beauftragten ("bestallten") Rechtsanwalt vertreten. Nach den Bekundungen des Zeugen EKHK B wird in der Türkei weiter nach H H gefahndet; dieser sei dort aufgrund des in Rede stehenden Vorgangs bis zum Jahre 2026 zur Festnahme ausgeschrieben. Der Zeuge H ist sich - wie er in der Hauptverhandlung angegeben hat - über diese Gegebenheiten im Klaren.

2. Vernehmungsfähigkeit des Zeugen H

Nach den Feststellungen des OLG Koblenz im bezeichneten Urteil unternahm der tatbedingt - bezogen auf den Waffentransport und sein Verhalten im Zusammenhang mit seiner Zusammenarbeit dem MIT - an einer schweren Depression erkrankte Zeuge H während des Vollzugs der Untersuchungshaft im Jahre 2003 am 17. April 2003 einen Suizidversuch, indem er sich in seinem Haftraum mit einem Betttuch strangulieren wollte. Das Vorhaben scheiterte aufgrund zeitnahen Eingreifens von Justizvollzugsbediensteten. Anschließend befand er sich in psychiatrischer Behandlung. Hierzu gehörte - wie der Zeuge Dr. Sch, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie bestätigt hat - auch ein stationärer Aufenthalt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Kiel in der Zeit vom 23. bis 27. Juni 2003. Die Aufnahme sei damals auf Veranlassung eines "Polizeiarztes" erfolgt. H sei ihm unter dem Namen H G vorgestellt worden. Es sei klar gewesen, dass es sich um eine Person aus einem Zeugenschutzprogramm der Polizei handelte. Die Behandlung sei mit Haldol in größerer Dosierung, Tavor sowie einem Antidepressivum (Aponal) durchgeführt worden. Anschließend erfolgte, wie der Zeuge Prof. Dr. W, Arzt für Psychiatrie, angegeben hat, in der Zeit vom 30. Juli bis 30. September 2003 aufgrund Vorliegens einer akuten Krisensituation durch Veranlassung des LKA Rheinland-Pfalz eine stationäre Behandlung H Hs in der (Fach-) Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Mainz.

Der Senat S sich vor diesem Hintergrund veranlasst, die Vernehmungsfähigkeit - und Aussagetüchtigkeit, hierzu später mehr - des Zeugen H durch den Sachverständigen Dr. S überprüfen zu lassen. Dieser ist seit 1993 als Oberarzt mit der Zusatzbezeichnung Psychotherapie am Institut für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen beschäftigt. Als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie besitzt er seit seiner Habilitation im Jahre 2006 einen Lehrauftrag für forensische Psychiatrie am Institut für Kriminalwissenschaften der Juristischen Fakultät der Universität Münster und ist, wovon sich der Senat in der Hauptverhandlung überzeugen konnte, auch forensisch sehr erfahren.

Dr. S hat H H am 23. April 2008 ambulant psychiatrisch und klinisch psychologisch im Institut für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen eingehend untersucht. Aufgrund unzureichender Deutschkenntnisse des Zeugen H wurde diese Exploration im Zusammenwirken mit dem türkischstämmigen und türkischsprechenden Psychotherapeuten Dr. T durchgeführt. Zu Beginn und am Ende dieser Untersuchung war auch die Ehefrau H Hs, Berrin H, zugegen. Von dieser hat der Sachverständige Dr. S ebenfalls Erkenntnisse über den Zeugen H erlangt. Überdies hat sich Dr. S durch seine Teilnahme an den Hauptverhandlungen am 06. August 2008 und 12. Januar 2009 sowie - in Verhandlungspausen erfolgten - Kontaktaufnahmen bzw. Gesprächen mit H H weitere Eindrücke verschafft. Der Sachverständige Dr. S hat ferner ärztliche Berichte mit Vorbefunden vorangegangener Klinikaufenthalte H Hs beigezogen und ausgewertet sowie weitergehende Informationen bei der den Zeugen H ambulant behandelnden (Fach-) Ärztin, Dr. Sch-Jung, erhoben.

Nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. S in seinem mündlich erstatteten Gutachten leidet H H seit Mitte April 2003 an einer schweren depressiven Erkrankung, die zeitweilig mit psychotischen Symptomen einhergeht und - als schizoaffektive Psychose - zwischenzeitlich einen chronischen Verlauf genommen hat. Eine derartige Erkrankung sei grundsätzlich dazu geeignet, die Vernehmungsfähigkeit einer Person zu beeinträchtigen. Hinsichtlich des Zeugen H sei jedoch bei - vorliegender - engmaschiger psychiatrischer Betreuung, konstanter Medikamenteneinnahme und Gewährung ausreichender Pausen bzw. Unterbrechungen die Vernehmungsfähigkeit als gegeben einzustufen.

Der Senat hat sich dieser Beurteilung aufgrund eigener Überzeugungsbildung angeschlossen und H H in der Zeit vom 28. Juli 2008 bis 14. September 2009 an insgesamt 15 Sitzungstagen unter Beachtung der durch den Sachverständigen Dr. S zur Frage der Vernehmungsfähigkeit H Hs gemachten Vorgaben ausführlich als Zeugen in der Hauptverhandlung vernommen.

Aufgrund dieser, in der Person des Zeugen H liegenden Besonderheiten und weiterer, damit einhergehender Auffälligkeiten in dessen - noch darzustellendem - Aussageverhalten S sich der Senat veranlasst, die Glaubwürdigkeit H Hs und die Glaubhaftigkeit seiner Angaben einer besonders sorgfältigen, kritischen Prüfung zu unterziehen.

3. Angaben H Hs in der Hauptverhandlung

a. Zu den persönlichen Verhältnissen

Der Zeuge H hat in der Hauptverhandlung seinen Werdegang wie im bezeichneten Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz festgestellt geschildert. Dort heißt es hierzu wie folgt:

"(...) Während der Schulzeit wurden dem Angeklagten linksgerichtete politische Aktivitäten unterstellt, derentwegen er sich fünf Monate in Untersuchungshaft befand. Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft erkaufte er sich die Erlaubnis zum weiteren Gymnasiumsbesuch durch Bestechung. Nach deren Entdeckung durfte er nicht weiter zur Schule gehen. Deshalb arbeitete er seit 1983 als Taxi-Fahrer in Istanbul.

Im November 1984 wurde er zum Wehrdienst eingezogen, den er bis Frühjahr 1986 ableistete. Anschließend arbeitete er bis zum Tod seiner Mutter im Dezember 1988 erneut als Taxi-Fahrer. Von seinem Verdienst unterstützte er seine Mutter und seine Geschwister. Nach dem Tod der Mutter nahm er eine Einladung seiner in Meckesheim (Rhein-Neckar-Kreis) lebenden Schwester an und reiste 1989 für drei Monate nach Deutschland. Dort lernte er anlässlich einer Hochzeitsfeier seine spätere Ehefrau Berrin T kennen. Noch während des Deutschland-Aufenthalts verlobten sich die beiden. Im Dezember desselben Jahres fand in Istanbul die Hochzeit statt. Im Oktober 1990 verließ er die Türkei endgültig und folgte seiner bereits in Deutschland wohnhaften Ehefrau. Fortan lebte das Ehepaar H in Annweiler, wo auch seine beiden Kinder, Kübra H, geboren 18. August 1991, und Behlül A H, geboren 23. April 1993, zur Welt kamen. Nachdem der Angeklagte ab Januar 1991 befristete Aufenthaltserlaubnisse und im September 1991 auch eine Arbeitserlaubnis erhalten hatte, wurde ihm am 7. November 1997 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

In Deutschland arbeitete der Angeklagte - mit einer einmonatigen Unterbrechung als Arbeiter in einer Keramik-Fabrik - als angestellter Flammkuchenbäcker, bevor er sich 1997 in Annweiler als Pizza- und Flammkuchenbäcker selbständig machte. Der Geschäftsbetrieb war auf den Namen seiner Ehefrau angemeldet. Nachdem es am 25. Dezember 1998 zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit seinen der rechten Szene zuzuordnenden Nachbarn gekommen war - diese hatten ihn bis in seine Wohnung verfolgt, wo er sich mit einem Messer zur Wehr setzte und dabei zwei der Angreifer verletzte -, gab er den Geschäftsbetrieb Ende 1998 / Anfang 1999 auf und zog mit seiner Familie aus Furcht vor weiteren Übergriffen von Annweiler nach Germersheim. Aus der Zeit der Selbstständigkeit rühren Schulden des Angeklagten ihn Höhe von etwa 85.000 Euro.

Nach Aufgabe des Geschäftsbetriebs war er zunächst arbeitslos. Im Juli / August 1999 fand er Arbeit als Küchenhelfer in einem McDonald´s-Restaurant. Nachdem sein befristeter Arbeitsvertrag im Januar / Februar 2000 nicht verlängert worden war, meldete er sich erneut arbeitslos. Seine Lage wurde durch die Schuldenlast aus der Zeit der Selbständigkeit zunehmend prekärer, weil Arbeitslosen- und Wohngeld nicht ausreichten, den finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Ende 2000 kündigte der Vermieter ihm die Wohnung. Im Sommer 2001 arbeitete er kurzfristig in einer Pizzeria, dann als Leiharbeiter bei der BASF, Ende 2001 für zwei Monate als Paketzusteller bei der Post und ab Mitte April 2002 erneut einen Monat lang in einem Leiharbeitsverhältnis in Edenkoben. Seither war er arbeitslos gemeldet und lebte mit seiner Familie von Arbeitslosengeld, zu dem Sozialhilfeleistungen, Wohn- und Kindergeld hinzukamen. (...)"

Die frühere Betätigung als (selbstständiger) Flammkuchenbäcker mit daraus resultierender Verschuldung und der sich anschließenden Arbeitslosigkeit bzw. diversen Kurzzeitbeschäftigungen H Hs im Rahmen von Aushilfstätigkeiten bei verschiedenen Unternehmen, wurde auch von dessen Schwager, dem Zeugen Mete T als zutreffend bestätigt.

Die in der Hauptverhandlung zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen gemachten Angaben stimmen - entgegen der Darstellung in dem, auf die Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens gerichteten, Beweisantrag der Verteidigung - im Wesentlichen überdies mit entsprechenden Aussagen, welche H H bei vorangegangenen Vernehmungen gemacht hat, überein. Soweit er in der Hauptverhandlung die Richtigkeit der im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmungen im März / April 2003 über die Zeugin C, geschiedene Sensuna gemachte(n) Aussage(n) in Abrede gestellt und insoweit abweichende Angaben gemacht hat, ist das Aussageverhalten H Hs nach Überzeugung des Senats - wie noch auszuführen ist - zwanglos durch die bei ihm vorliegende psychische Erkrankung mit einer für ihn massiv angstbesetzten Thematik zu erklären.

Nach den Bekundungen des Zeugen KOK F wurde die gegen H wegen des bezeichneten Vorfalls in Annweiler vom 25. Dezember 1998 eingeleiteten Ermittlungen sowie ein weiteres - ebenfalls gegen H gerichtetes - Strafverfahren wegen Verdachts der Beihilfe zur versuchten Erpressung jeweils nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Am 11. August 1999 wurde H H vom Amtsgericht Landau / Pfalz (Az. 7028 Js 14360/98 1 Ds) rechtskräftig wegen Betruges zu einer - mittlerweile erlassenen - Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

"Durch Bescheid des Arbeitsamtes Landau erhielt der Angeklagte ab 24. Mai 1996 Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Obwohl er wusste, dass alle für die Leistung erheblichen Veränderungen mitzuteilen sind, setzte er das Arbeitsamt nicht davon in Kenntnis, dass er bereits ab dem 24. Mai 1996 in einem mehr als kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnis stand bzw. mehr als kurzzeitig selbständig tätig und damit nicht mehr arbeitslos war. Er arbeitete ganztags in einer auf seine Ehefrau zugelassenen Pizza- und Flammkuchenbäckerei, mit nicht unerheblichem Einkommen. Bis zum 25. Oktober 1997 bezahlte das Arbeitsamt Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe, auf die der Angeklagte keinen Anspruch hatte. Auf diese Weise kam es zu einer ungerechtfertigten Überzahlung von 24.840,82 DM an Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sowie 6.738,72 DM an Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen."

Auch dieser Vorgang wurde vom Zeugen H auf Vorhalt als zutreffend bestätigt. Ergänzend gab er auf Nachfragen zu seinem Werdegang in der Türkei an, dass er sich bei seinen "linksgerichteten politischen Aktivitäten" während der Schulzeit in der Türkei für die Organisation D Sol engagiert habe. Die Richtigkeit dieser Angabe wurde von dem Zeugen EKHK B bestätigt. Dieser hat ausgesagt, im Zuge einer im Archiv seiner Dienststelle beim Polizeipräsidium Istanbul durchgeführten Recherche eine derartige Betätigung und eine damit einhergehende Inhaftierung H Hs in der Türkei festgestellt zu haben.

Weiter hat H H bestätigt, dass es in den Jahren 2003 und 2004 im Rahmen der gegen ihn geführten Ermittlungen zu Inhaftierungen gekommen sei, in deren Verlauf er im April 2003 einen Suizidversuch unternommen habe. Infolgedessen habe sich bei ihm ferner eine psychische Erkrankung manifestiert, die eine bis heute andauernde fachärztliche Behandlung und regelmäßige Einnahme von Medikamenten wie z. B. Zoplicon, Aminsulprid, Tilidin oder Doxepin erforderlich gemacht habe.

b. Zur DHKP-C

Zu seiner Kontaktaufnahme mit der DHKP-C und dort entfalteter Aktivitäten machte H H in der Hauptverhandlung sodann im Wesentlichen folgende Angaben:

Ungefähr im Jahr 2001 habe er Verbindung zur DHKP-C aufgenommen. Es handle sich um eine Organisation, welche die Ordnung in der Republik Türkei abschaffen und den Kommunismus einführen wolle. Dort habe er in der Folge auf Weisung und unter Anleitung der in dieser Gruppierung agierenden Funktionäre und Aktivisten in der Folge ein- oder zweimal im Monat Zeitschriften (Vatan) ge- und verkauft, an Abendveranstaltungen, Konzerten sowie Protestmärschen teilgenommen, (Eintritts-) Tickets veräußert und – allerdings erfolglos – versucht, Spenden für die DHKP-C zu sammeln. Er habe sich regelmäßig mit Verantwortlichen dieser Organisation in Deutschland zu Besprechungen getroffen und auch an Schulungen teilgenommen. Auf diese Weise habe er letztlich Kontakt zum Angeklagten G., einem "Beauftragten innerhalb der Organisation" geknüpft. Dieser sei ihm anlässlich einer organisationsinternen Veranstaltung in Frankfurt am Main von einer Person, die (mit "richtigem" Namen) "B oder Ö oder so ähnlich" geheißen habe, als "Mannheim-Verantwortlicher" mit Namen "C" vorgestellt worden. G. sei in der weiteren Folge sein ständiger Ansprechpartner innerhalb der Organisation gewesen. Dieser habe sich um die "Betreuung von Sympathisanten" und die Verteilung der Zeitschriften gekümmert. Auch mit dem Angeklagten Y. sei er "von Zeit zu Zeit in Mannheim, Frankfurt am Main oder Darmstadt" zusammengetroffen. Bei einem dieser Kontakte habe Y., den er als K kennen gelernt habe, ihn gefragt, ob er bereit sei, einen größeren Geldbetrag, etwa EUR 30.000,-- oder EUR 40.000,--, zu "den Freunden" in die Türkei zu bringen. Das Gespräch habe in Darmstadt bei A C ("As Wohnung") stattgefunden. Zu einer Geldübergabe sei es jedoch nicht gekommen. Es könne auch sein, dass er mit Y. und G. zu Beginn der jährlichen Spendenkampagne Anfang Dezember 2001 in einem Café in Mannheim zusammengetroffen und aufgefordert worden sei, für die Organisation DM 1.000,-- zu spenden. Er (H) habe jedoch kein Geld bezahlt. Nach einiger Zeit habe ihn die Organisation damit beauftragt, Gegenstände in die Türkei zu schmuggeln. Daraufhin habe er einmal - auf Veranlassung von A C ("T") und G. - bei einem Flug in die Türkei ein elektronisches Gerät mitgenommen und nach Istanbul an eine ihm zuvor benannte Adresse / Person geliefert.

c. Zum Waffentransport

Zu seiner Beteiligung an der Vorbereitung und Durchführung des organisationsinternen Waffentransports bekundete der Zeuge H Folgendes:

Kurze Zeit nach seinem Kurierflug nach Istanbul sei es zur Anbahnung eines auf dem Landweg geplanten Transports gekommen. Bei einem von G. arrangierten Treffen mit "T" - A C - in Mannheim habe dieser ihm gesagt, dass er (H) eine Kalaschnikow in die Türkei (Istanbul) verbringen solle. Anschließend habe man ihn etwa zwei Monate lang auf diesen Waffentransport vorbereitet. Im Zuge dessen sei er angewiesen worden, zeitweilig in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Neu-Ulm zu bleiben und dort auf weitere Instruktionen zu warten. Zusammen mit G. sei er deshalb nach Ulm / Neu-Ulm gefahren. Dort sei "K" - H.S. -, den er zuvor bei organisationsinternen Veranstaltungen wahrgenommen habe, hinzugekommen, um anschließend gemeinsam zu der beschriebenen Wohnung zu fahren. S habe die Wohnungsinhaber gekannt. Man habe ihm gesagt, fortan den Decknamen "Z" zu verwenden und dort so lange zu warten, bis jemand komme und ihn abhole. Der Wohnungsbesitzer habe mit Vornamen M geheißen. Auch dessen Ehefrau habe er kennengelernt. Ein- oder zweimal sei er kurzfristig - nach vorheriger Absprache mit G., zu dem er telefonisch durchgängig Kontakt gehalten habe - nach Germersheim gefahren und dann wieder nach Neu-Ulm zurückgekehrt. In der dortigen Wohnung hätten ihn auch "T" - M.A. - und "die Person mit dem Schnurrbart" - H.S. - einmal aufgesucht. Im weiteren Verlauf sei dort dann eines Nachts eine männliche Person, die sich namentlich nicht vorgestellt habe, aufgetaucht. Diese habe ihm weitere Informationen zu der anstehenden Kurierfahrt in die Türkei, einschließlich einer Chiffrierliste gegeben, die er - teilweise - auswendig habe lernen müssen. Hierzu habe auch ein Zettel mit dem Namen einer Kontaktperson, die er in Sofia treffen sollte, gehört. Die Person habe ihm gesagt, dass ein Auto für ihn bereitstehe, mit dem er sich, nachdem es auf seinen (Hs) Namen zugelassen sei, auf die Reise begeben werde.

Im Rahmen der Schilderung dieser Begebenheit zeigte der Zeuge H auf den im Sitzungssaal anwesenden früheren Mitangeklagten D. und gab an, dass es sich bei diesem um diejenige Person handelte, die ihn seinerzeit in der Wohnung in Neu-Ulm kontaktiert, über die bevorstehende Kurierfahrt instruiert und im weiteren Verlauf das Transportfahrzeug sowie für die anstehende Kurierfahrt benötigte Gegenstände (wie etwa Bargeld, Mobiltelefon und Telefonkarten) übergeben habe. Über den weiteren Fortgang der Geschehnisse berichtete er anschließend wie folgt:

Am nächsten Tag sei er zusammen mit diesem Besucher - D. - im Zug nach Germersheim gefahren, wo das (Transport-) Fahrzeug auf ihn zugelassen, eine (Fahrzeug-) Versicherung abgeschlossen und ein ADAC-Schutzbrief erworben worden sei. Sein Begleiter habe Zulassungspapiere und Kennzeichen an sich genommen. Einige Zeit später habe er sich mit diesem erneut in Germersheim zur Übergabe des Kurierfahrzeugs getroffen. Die Person habe ihm das - bereits eingebaute - Versteck für die Aufnahme der in die Türkei zu schmuggelnden Gegenstände gezeigt. Es habe sich im vorderen Bereich zwischen dem Motor und der Fahrgastkabine, dort wo normalerweise die Heizung eingebaut sei, befunden. Das Versteck sei leer gewesen. Zuvor habe man ihm gesagt, dass nichts von Deutschland aus transportiert werde. Er sei deshalb beruhigt gewesen und davon ausgegangen, dass die in die Türkei zu verbringenden "Dinge", auch Waffen, erst später in Bulgarien verladen würden. Aus diesem Grund habe er auch nicht besorgt, dass es Schwierigkeiten mit der deutschen Polizei geben könne. Er sei davon ausgegangen, dass diese im Vorfeld über den anstehenden Transport nicht informiert gewesen sei. Anschließend habe er von seiner Kontaktperson in Germersheim etwa EUR 2.000,-- sowie ein Telefon, Telefonkarten und eine Telefonnummer mit dem Hinweis, sich dort unverzüglich zu melden, erhalten. Nach entsprechender telefonischer Kontaktaufnahme habe er von einer Frau chiffrierte Anweisungen erhalten, diese entschlüsselt und sich anschließend nachts mit dem ihm überlassenen Kraftfahrzeug, einem Mercedes, auf den Weg nach Sofia gemacht. Währenddessen habe er regelmäßig fernmündlich und chiffriert Kontakt zu der bezeichneten Frau gehalten, die ihm ständig weitere Anweisungen erteilt hätte. In Sofia habe er sich weisungsgemäß mit der ihm bezeichneten männlichen Kontaktperson ("Z") getroffen und dieser den Pkw übergeben. Die Person habe ihm gesagt, dass "eine ganze Menge, mehrere Kalaschnikows" in dem Fahrzeug versteckt würden, die für Attentate in der Türkei gebraucht würden und unbedingt ankommen müssten. Tags darauf sei ihm der Wagen zurückgegeben worden. Er habe gefragt, was in dem Auto versteckt worden sei. Es sei daraufhin gesagt worden, dass es sowohl (Schuss-) Waffen als auch andere Gegenstände sein könnten. Man habe ihm zuerst nichts zeigen wollen, ihn dann aber das an einer Ecke noch offene Versteck kontrollieren lassen. Dabei habe er das, in einer Nylon- / Plastikverpackung befindliche, Metallstück einer Waffenspitze erkannt. Er habe es angefasst und festgestellt, dass es sich zweifelsfrei ("100%ig") um den Lauf eines automatischen Gewehrs handelte. Außerdem habe er gesehen, dass das Versteck im Wagen ganz voll war. Anschließend sei er weiter bis zur bulgarisch-türkischen Grenze gefahren, habe diese überschritten und das Fahrzeug in einem dort befindlichen "Puffergebiet" zwischen Bulgarien und der Türkei "auf dem Parkplatz bei den Einkaufsgelegenheiten" verschlossen abgestellt. Sodann sei er - aus Angst vor der Polizei - unter Mitnahme der Fahrzeugschlüssel und -papiere geflüchtet. Die der Organisation gehörenden, aus etwa 3 bis 4 Blättern bestehenden, Unterlagen habe er nicht im Auto zurückgelassen, sondern bei sich verwahrt und später zerrissen weggeworfen.

Im Anschluss an seine Rückkehr nach Deutschland sei er wiederholt von G. kontaktiert und zu dem Transport befragt worden. Dieser habe ihn angewiesen, zur Polizei zu gehen und dort zu erzählen, dass die DHKP-C mit dem Waffentransport nichts zu tun habe. Hierzu habe ihm G. verschiedene Vorgaben gemacht und befohlen, ansonsten über dieses Thema mit niemandem zu sprechen. Um für den Fall einer Festnahme seine Tatbeteiligung in Abrede stellen zu können, habe er in der Folge sowohl bei der deutschen Ausländerbehörde wie auch beim Türkischen Generalkonsulat - wahrheitswidrig - den Verlust seines Passes angezeigt und hierbei ein vor Beginn der Kurierfahrt gelegenes Verlustdatum angegeben.

H H hat in der Hauptverhandlung sowohl den Angeklagten G. wie auch die früheren Mitangeklagten A, D. und S wiedererkannt und deren Einbindung in den Waffentransport wie vom Senat festgestellt, bekundet. Den Angeklagten Y. hat H H in der Hauptverhandlung als diejenige Person wiedererkannt, die er seinerzeit als K, u. a. der Anwalt der Organisation, kennen gelernt habe.

d. Zu geheimdienstlichen Aktivitäten

aa. MIT

Eine Zusammenarbeit mit dem türkischen Geheimdienst hat der Zeuge H in seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung durchgängig und jeweils mit Nachdruck in Abrede gestellt. Bei dieser Darstellung blieb er auch auf Vorhalt zahlreicher anders lautender Aussagen aus Niederschriften über seine früheren Vernehmungen, wonach er mit dem MIT kooperiert habe und für diese Betätigung entlohnt worden sei. Er gab hierzu im Wesentlichen Folgendes an:

Derartige Angaben habe er niemals gemacht; jedenfalls könne er sich heute an entsprechende frühere Aussagen nicht mehr erinnern. Eine solche (Zusammen-) Arbeit habe es nicht gegeben. Möglicherweise habe er die Polizei seinerzeit belogen und in die Irre geführt, um diese "durcheinander zu bringen". Er akzeptiere diese Aussagen nicht. Sie seien falsch. Richtig sei ausschließlich, was er jetzt in der Hauptverhandlung bekunde. Frühere Aussagen seien, soweit er Angaben zu geheimdienstlichen Aktivitäten gemacht habe, frei erfunden; es sei ihm insoweit seinerzeit darum gegangen, wichtig zu erscheinen und von der Polizei in Ruhe gelassen zu werden. Er habe in zurückliegender Zeit viele derartiger Behauptungen aufgestellt, Beschuldigungen ausgesprochen und im Rahmen von "Szenarien" Personen zu Unrecht verdächtigt.

In diesem Zusammenhang bestätigte der Zeuge H, weiter unter "Ängsten psychischer Natur" zu leiden und nach wie vor das Gefühl zu haben, verfolgt zu werden. Die Nachfrage, ob eine (frühere) Betätigung für den türkischen Geheimdienst der Grund für diese Angstvorstellungen sei, beantwortete der Zeuge H mit dem Hinweis, dass er "schon 100 Mal gesagt" habe, nichts mit Geheimdiensten zu tun zu haben. Er habe Angst vor der (türkischen) Polizei und natürlich auch vor der Organisation (DHKP-C).

Auf weitergehende Befragung zu seinem Kenntnisstand betreffend den türkischen Geheimdienst gab er schließlich sichtlich entnervt an: "Den gibt es auf der ganzen Welt. Ich arbeite für Mossad, von Zeit zu Zeit auch für die CIA. (...) Ich habe mit Beschäftigten von Nachrichtendiensten ständig Kontakt...". Unmittelbar darauf bekundete er, in keinerlei Verbindung zu Geheimdiensten zu stehen und diesen gegenüber weder eine "zu- noch abträgliche Einschätzung" zu haben. Jedoch "empfinde er Bewunderung für das eigene Land", die Türkei.

Nach Vorhalten aus - noch darzustellenden - Arztberichten, in denen festgehalten wird, dass H im Rahmen von Patientengesprächen angegeben habe, während seiner Betätigung für die DHKP-C auch für Geheimdienste gearbeitet zu haben, bestritt der Zeuge H, gegenüber anderen Personen, wie z. B. Ärzten oder Verwandten, über derartige Aktivitäten berichtet und sich als "V-Mann für den MIT" bezeichnet zu haben. Er blieb dabei, dass es "so eine Arbeit" nicht gegeben habe. Auch seiner Ehefrau habe er Derartiges nicht erzählt. Selbst nach seiner Verurteilung durch das OLG Koblenz sei in der Familie nicht über den Grund seiner Bestrafung gesprochen worden. Seine Ehefrau habe bereits nach seiner Festnahme durch Zeitungsberichte und Informationen von seinem damaligen Verteidiger hierüber Bescheid gewusst, jedoch aus Rücksichtnahme auf seine Erkrankung keine Fragen gestellt.

Im Zusammenhang mit der Befragung zu früherer geheimdienstlicher Betätigung führte H H weiter aus, in vorangegangenen Vernehmungen auch den Geschehensablauf nach dem Abstellen des Kurierfahrzeugs auf dem Zollgebiet am bulgarisch-türkischen Grenzübergang bis zu seiner Rückkehr nach Germersheim bewusst wahrheitswidrig geschildert zu haben:

Seine frühere Bekundung, wonach er vom MIT zunächst nach Istanbul gebracht und von dort mit dem Flugzeug nach Deutschland zurückgeflogen sei, habe er ebenfalls in der Absicht gemacht, die Polizei "hinters Licht" zu führen. In Wirklichkeit sei er nach Verlassen des Kurierfahrzeugs an der Grenzstation unauffällig "auf die andere Straßenseite gegangen, zu den LKWs", sei wieder nach Bulgarien eingereist und dort - zuletzt mittels Taxi - in die in Grenznähe gelegene Stadt Kirci A gelangt. Dort habe er sich mit ehemaligen, als Flammkuchen- und Pizzaverkäufer beschäftigt und in Landau / Pfalz wohnhaft gewesenen, Arbeitskollegen, A und M H, getroffen. Zwei Tage später hätten ihn Lkw-Fahrer bis zum (Autobahn-) Rasthof Sinsheim als Anhalter mitgenommen, von dort sei er mit einem Taxi und / oder dem Zug schließlich nach Hause gelangt.

Auf Vorhalt von Lichtbildern des U U und des H A (zu diesen Personen vgl. die nachfolgenden Ausführungen unter 3.) gab er an, die jeweiligen Konterfeis nicht zu erkennen und den abgebildeten Personen noch niemals begegnet zu sein. Auch die Namen U (U) und H (A) würden bei ihm keinerlei Erinnerung hervorrufen. Im Rahmen seiner - unter Vorhalt von Angaben aus seinen früheren Vernehmungen und Niederschriften von TKÜ-Aufzeichnungen erfolgten - Befragung nach Kontakten zu einem Führungsoffizier des MIT in der Türkei namens T bzw. T (vgl. nachfolgend unter 3.) gab der Zeuge H an, sich an Derartiges bzw. an eine solche Person nicht erinnern zu können. Sodann äußerte er sich folgendermaßen:

Es handle sich offensichtlich um ein "Missverständnis". T / T sei sein in der Türkei wohnhafter älterer Bruder, mit dem er seinerzeit über Telefon und per SMS Kontakt aufgenommen habe, um Rat einzuholen. Dieser sei einer von den "alten Politischen", der ihm von Zeit zu Zeit einige Vorschläge gemacht und gesagt habe, was jetzt zu tun sei. Es könne sein, dass er bei einer früheren Vernehmung angegeben habe, (auch) nach dem Waffentransport per Telefon bzw. SMS mit einem Führungsoffizier des MIT in der Türkei Kontakt gehabt zu haben. Dies sei jedoch unrichtig. Tatsächlich habe er auf diesem Wege lediglich Nachrichten mit seinem neun Jahre älteren, in Istanbul lebenden Bruder, Ismail G, ausgetauscht. Dieser werde von ihm auch mit den Codenamen T oder T bezeichnet, um ihn aus der Sache "herauszuhalten". Sein Bruder arbeite als Geschäftsmann in der Möbelbranche und habe mit dem MIT nicht das Geringste zu tun.

Hinsichtlich A A (zu diesem vgl. nachfolgend unter 3.) behauptete der Zeuge H auf Vorhalt dieses Namens zunächst, dass ihm dieser "absolut" nichts sage und er eine Person, die so genannt werde, gar nicht kenne. Auf Vorhalt eines, A A zeigenden, Lichtbildes gab er sodann an, diesen zwar schon einmal, unter anderem auf einem Empfang im Türkischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main, gesehen zu haben, jedoch nicht persönlich zu kennen. Erst auf weitere, wiederholte Vorhalte von Angaben, welche H H in früheren Aussagen zu A A gemacht hatte, bekundete er schließlich, dass es sich bei A um einen Mitarbeiter beim Türkischen Generalkonsulat Mainz handle, den er in der dortigen Passabteilung kennen gelernt habe.

Weiter stritt der Zeuge H ab, vom MIT bezahlt worden zu sein. Bei Geldzahlungen, die ihm 2002 / 2003 aus der Türkei zugeflossen seien, handle es sich nicht um die Entlohnung für eine vorangegangene geheimdienstliche Betätigung, sondern um - von seiner Schwester veranlasste - Überweisungen von Geldern, die ihm anteilsmäßig aus einer familieninternen Erbauseinandersetzung und einem damit verknüpften Grundstücksverkauf zugestanden hätten. Auf Frage, ob und - gegebenenfalls - warum die Zeugin C, geb. S in diesen Geldtransfer eingebunden worden sei, gab der Zeuge H zunächst an, dass S (C) mit ihm nichts zu tun habe. Er wisse nicht, woher diese Geld bekommen habe. Auf Nachfragen bestätigte er sodann, mit der Genannten seinerzeit in "ständigem Kontakt" gestanden zu haben. Absprachegemäß habe seine Schwester einen Teil der aus dem Grundstücksverkauf resultierenden Gelder direkt an S (C), die ihn (H) zuvor um ein Darlehen ersucht gehabt hätte, transferiert.

Im Zusammenhang mit Vorhalten aus den im bezeichneten Urteil des OLG Koblenz zu seiner Agententätigkeit für den türkischen Geheimdienst rechtskräftig getroffenen Feststellungen berief sich H H auf Folgendes:

Er sei seinerzeit in psychischer Hinsicht sehr angegriffen gewesen; im Verlauf seiner damaligen Inhaftierung habe er medizinisch behandelt werden müssen und wiederholt eine "Spritze" erhalten. Er habe von diesem (Straf-) Verfahren überhaupt keine konkrete Vorstellung (mehr) und akzeptiere es in keiner Weise. Er erinnere sich jedoch daran, seinerzeit festgesetzt worden zu sein, weil er keine Bereitschaft gezeigt habe, die gegen ihn erhobene Beschuldigung einzuräumen; er wisse auch, dass sein Zustand in der Hauptverhandlung, an der seine Ehefrau teilgenommen habe, in psychischer Hinsicht sehr angegriffen gewesen sei. Das Ganze sei "ein Komplott" gewesen; man habe ihn zu Unrecht verurteilt. Ob er das Urteil seinerzeit akzeptiert oder Rechtsmittel hiergegen eingelegt habe, erinnere er ebenfalls nicht.

bb. Verfassungsschutz

Auch eine (frühere) Kooperation mit dem deutschen Verfassungsschutz stellte der Zeuge H in der Hauptverhandlung in Abrede. Auf Vorhalt von Aussagen aus vorangegangenen Vernehmungen, in denen H über eine solche Zusammenarbeit berichtet hatte, gab er an, sich hieran und an damit einhergehende Vorgänge nicht mehr erinnern zu können. Auf wiederholte Nachfragen erklärte er sich wie folgt:

"Zuhause" sei er einmal von zwei "Vertretern des Innenministeriums" aufgesucht worden. Diese hätten eine "Umfrage" durchgeführt und sich eine Weile in deutscher Sprache mit ihm über Dinge aus dem Alltagsleben unterhalten. Dies habe ihn dazu "inspiriert", in seinen Vernehmungen bei der Polizei Beziehungen zum deutschen Verfassungsschutz zu schildern, die es tatsächlich aber nicht gegeben habe.

Im Rahmen seiner - noch auszuführenden - Behauptung, der Angeklagte G. habe für den deutschen Verfassungsschutz gearbeitet, gab der Zeuge H weiter Folgendes an:

Anfang des Jahres 2002 habe er sich innerhalb von etwa drei Wochen dreimal im Mannheimer Café "Journal" mit einem "Thomas" getroffen. Er sei seinerzeit davon ausgegangen, dass es sich bei dieser Person um einen rheinland-pfälzischen Polizisten handelte. Dieser habe ihn zunächst fernmündlich unter dem Vorwand, über eine Arbeit als Lkw-Fahrer sprechen zu wollen, kontaktiert. Beim ersten Treffen habe sich jedoch herausgestellt, dass Thomas an Informationen über die Organisation DHKP-C und deren Aktivitäten interessiert gewesen sei. Er (H) habe die ihm angetragene Kooperation unter Hinweis auf die Gefährlichkeit einer solchen "Sache" sofort abgelehnt und sich lediglich aus reiner Neugier zu einem zweiten und dritten Gespräch mit besagtem "Thomas" bereit erklärt. Dieser habe versucht, ihn mit dem Hinweis: "Wir haben Leute in dieser Organisation", umzustimmen und gesagt, dass er (H) keine Angst zu haben brauche. An seinem Entschluss, mit "Thomas" bzw. dessen Dienststelle nicht zu kooperieren, habe dies jedoch nichts geändert.

Auf die Frage der Verteidigung, ob er mit seinem (früheren) Rechtsanwalt im Rahmen des vor dem OLG Koblenz gegen ihn geführten Strafverfahrens über ein "Versprechen des deutschen Geheimdienstes" diskutiert habe, erklärte der Zeuge H nach dem Ausruf: "Sie bringen meine Arbeit in Gefahr...", dass es "so etwas" selbstverständlich nicht gegeben habe. Auf Nachfrage, um welche Arbeit es sich handle, bekundete er ergänzend: "Sie bringen mich in Gefahr durch das, was sie hier machen. Geheimdienstliche Tätigkeit ist immer gefährlich... Ich habe das nicht gemacht."

Bei seiner Darstellung, weder für den türkischen Geheimdienst noch den deutschen Verfassungsschutz tätig gewesen zu sein, blieb der Zeuge H auch bei Abschluss seiner Vernehmung. Auf Befragung des Senats, ob er "pauschal etwas zu berichtigen" habe, wurde dies von ihm verneint. Auch nach Hinweis auf die sachverständigen Zeugen Dr. Sch und Prof. Dr. W sowie dem damit verbundenen Vorhalt, diese hätten aufgrund von Informationen, die er (H) mitgeteilt habe, anderes berichtet, hielt H H daran fest und verwies darauf, (seinerzeit) "in hohem Maße krank" gewesen zu sein. Die "Dinge", die er jetzt hier sage, seien wahr.

4. Angaben H Hs in früheren Vernehmungen

Zum Aussageverhalten des Zeugen H bei vorangegangenen, polizeilichen und richterlichen Vernehmungen in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren wegen KWKG / geheimdienstlicher Agententätigkeit hat der Senat die an den entsprechenden Vorgängen beteiligten Verhörspersonen, die Zeugen KOK F, KHK A, die Richterinnen am Amtsgericht St und K-S, den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht V, die Richter am Oberlandesgericht H und S sowie den als Vertreter der Bundesanwaltschaft am bezeichneten (Straf-) Verfahren vor dem OLG Koblenz beteiligten StA b. BGH V vernommen.

a. Polizeiliche und richterliche Vernehmungen im Februar / März / April 2003

Nach den übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen KOK F, KHK A und RinAG St hat H H nach seiner Festnahme aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Landau / Pfalz vom 10. Februar 2003 bei seiner ersten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 18. Februar 2003 und der nachfolgenden richterlichen Vernehmung am 19. Februar 2003 zwar eingeräumt, von Deutschland aus mit einem auf ihn zugelassenen Mercedes in Richtung Bulgarien / Türkei aufgebrochen zu sein. Die Mitwirkung als Kurierfahrer bei einem illegalen Waffentransport habe er jedoch bestritten und die in Rede stehende Fahrt als bloße Überführung eines Pkws zum Zwecke einer geplanten Veräußerung dieses Kraftfahrzeugs im Ausland (Bulgarien), durch die er EUR 8.000,-- hätte verdienen können, zu erklären versucht. Konkretisierend hat H H - den glaubhaften Angaben des Zeugen KOK F zufolge - in seiner polizeilichen Vernehmung vom 18. Februar 2003 weiter angegeben, in Sofia mit einer ihm zuvor als Adem G benannte Kontaktperson zusammengetroffen zu sein. Diesem habe er (H) das Kraftfahrzeug übergeben und es am Folgetag mit der nachdrücklichen Aufforderung, den Pkw nach Istanbul zu verbringen wieder erhalten. Er (H) habe angenommen, in dem Pkw solle Rauschgift transportiert werden, weshalb er den Mercedes an der bulgarisch-türkischen Grenze abgestellt habe und anschließend als Anhalter nach Istanbul weitergefahren sei. Dort habe er sich bei einem Schulfreund aufgehalten, bevor er schließlich Ende September 2002 mit dem Flugzeug nach Deutschland zurückgekehrt sei.

Bei nachfolgenden, innerhalb der Zeit vom 06. bis 26. März 2003 an zehn Tagen durchgeführten polizeilichen Vernehmungen hat H H, wie die Zeugen KOK F und KHK Ar angegeben haben, den ihm zur Last gelegten Tatvorwurf letztlich umfassend eingeräumt. Dem sei ein an das Amtsgericht Landau / Pfalz gerichtetes Schreiben vorausgegangen, in dem H H Ende Februar 2003 mitgeteilt hatte, nunmehr ein Geständnis ablegen zu wollen. H sei sich seinerzeit darüber im Klaren gewesen, dass die türkischen Strafverfolgungsbehörden wegen der in Rede stehenden Transportfahrt um seine Auslieferung ersucht hatten. Im Rahmen seiner detailliert-komplexen Angaben habe H H neben seinen Kontakten zur DHKP-C und zum deutschen Verfassungsschutz von Anfang an auch eine Kooperation mit dem türkischen Geheimdienst MIT geschildert. Hierbei sei sein Bestreben, einen Mitarbeiter beim Türkischen Generalkonsulat Mainz, A A, in Schutz zu nehmen und seine Kooperation mit dem MIT möglichst nicht in allen Details offenlegen zu müssen, klar erkennbar geworden. Nach Vorhalt entsprechender Widersprüche habe H im Verlauf seiner Vernehmung vom 08. März 2003 aber unumwunden zugegeben, "einige wichtige" Punkte bislang noch nicht erwähnt und bestimmte Details bewusst ausgeblendet zu haben. Er habe versichert, nochmals über alles nachdenken und sodann vollständig wahrheitsgemäße Angaben machen zu wollen. Dies habe er in den ab 10. März 2003 fortgeführten Vernehmungsblöcken dann auch getan und hierbei im Wesentlichen Folgendes eingeräumt:

Nach dem Überfall von "Skinheads" Ende 1998 in seiner Wohnung habe man ihn in das Türkische Generalkonsulat Mainz einbestellt, wo er auch Kontakt zur damaligen Vizekonsulin, Frau O, gehabt habe. Diese habe ihn an den im Generalkonsulat beschäftigten A A vermittelt, den er darum gebeten habe, ihm bei der Suche nach einem Arbeitsplatz behilflich zu sein, was ihm zugesagt worden sei. Dies habe sich dann eine ganze Weile hingezogen. Im Frühjahr 2001 habe er (H) sodann über A A Kontakte zum MIT geknüpft und sich dort nach verschiedenen Treffen mit einer ihm als U benannten Person, die ihm im Teehaus einer Moschee in Frankfurt am Main von A vorgestellt worden sei, zu einer Betätigung als Informant verpflichtet. Auf Veranlassung des MIT habe er zunächst versucht, eine "K-Gruppierung" in Ludwigshafen auszuforschen; dies sei jedoch erfolglos geblieben. Bei einem Folgetreffen mit U in Germersheim habe ihn dieser sodann damit beauftragt, Verbindung zur DHKP-C aufzunehmen und über deren Strukturen, Mitglieder und Aktivitäten zu berichten. Auf einer Veranstaltung der Organisation TIKKO in Ludwigshafen habe er (H) im Sommer 2001 Ö.B., einen unter dem Decknamen M für die DHKP-C agierenden Kader, kennen gelernt und über diesen Zugang zur Organisation erlangt. Er habe an organisationsinternen Schulungen teilgenommen und durch B im August 2001 auch D G. unter dem Decknamen C kennen gelernt. Dieser habe ihn Ende des Jahres 2001 auch mit A D Y., genannt K, der Anwalt, bekannt gemacht. Dieser habe ihn aufgefordert, der DHKP-C einen größeren Geldbetrag zu spenden, wozu er (H) jedoch außerstande gewesen sei. Bei einem weiteren Treffen Anfang 2002 habe Y. angefragt, ob er (H) für die Organisation einen größeren Geldbetrag in die Türkei transportieren könne. Hieraus habe sich jedoch nichts weiter ergeben. Sodann habe er vom MIT den Auftrag erhalten, seinem Ansprechpartner bei der DHKP-C anzukündigen, privat eine Flugreise nach Istanbul unternehmen zu wollen. Er habe deshalb G. entsprechend informiert. Obwohl sich daraufhin von der Organisation niemand gemeldet habe, sei er - um seine "Legende" zu wahren und kein Misstrauen gegen sich aufkommen zu lassen - auf eigene Kosten zeitnah in die Türkei geflogen. Alsbald danach sei er über G. mit A C (T) in Kontakt getreten. Auf dessen Anweisung habe er mit dem Flugzeug zwei "Päckchen" mit Elektronikteilen in die Türkei verbracht und dort einer Frau übergeben.

Hierüber habe er, wie auch über seine sonstigen innerhalb der DHKP-C zu Strukturen, Personen und deren Aktivitäten erlangten Erkenntnisse, seinen Führungsoffizieren, zunächst U und dann H vom Türkischen Generalkonsulat Frankfurt/Main und später T / T in der Türkei detailliert und jeweils zeitnah berichtet.

Im Juli 2002 habe ihn C sodann bei einem weiteren, durch G. vermittelten Treffen zu einer auf dem Landweg mittels Pkw durchzuführenden Kurierfahrt angehalten. Es sei jetzt um den Transport von Waffen in die Türkei gegangen. Nach der Festnahme Cs im Juli 2002 sei er an verschiedenen Orten und teilweise auf Veranlassung G.s wiederholt mit M.A. (T) zusammengetroffen. Angesprochen auf den anstehenden Transport habe dieser stets gesagt, er (H) solle abwarten bis man auf ihn zukomme. Anfang September 2002 hätten ihn G. und H.S. (K) in eine Wohnung nach Neu-Ulm gebracht, wo er sich zur Vorbereitung dieses Transports geraume Zeit unter dem Decknamen Z aufhalten und auf das Eintreffen "der Freunde" warten musste. Während dieser Zeit sei er weiterhin in telefonischem Kontakt mit G. gestanden und ein- oder zweimal kurzfristig nach Germersheim zurückgefahren. Nach einigen Tagen sei dann eine ihm bis dahin unbekannte Person (I D.) in der Wohnung aufgetaucht, die ihm weitere Informationen zur anstehenden Kurierfahrt gegeben und am Folgetag in Germersheim ein Kraftfahrzeug auf seinen (Hs) Namen zugelassen habe. Der zugehörige Pkw Mercedes sei ihm einige Zeit später von D. übergeben worden. Dieser habe ihm das in dem Fahrzeug unter dem Armaturenbrett / Handschuhfach eingebaute Versteck gezeigt. Nach Entgegennahme diverser Codierungslisten, Bargeld und einem Mobilfunkgerät nebst zugehöriger Telefonkarten sei er nach fernmündlicher Kontaktaufnahme mit der "Zentrale" in der Nacht weisungsgemäß in Richtung Sofia (Bulgarien) losgefahren. Dort habe er den Pkw der ihm zuvor benannten Kontaktperson (Z) überlassen. Nach Rückgabe des Fahrzeugs, habe Z den "Deckel" des im Pkw befindlichen Verstecks geöffnet und erklärt, dass Waffen zugeladen worden seien. Er (H) habe eine "Metallspitze" erkannt und angenommen, dass es sich um den Gewehrlauf einer Kalaschnikow handelte. Er habe jetzt Angst bekommen von der bulgarischen Polizei "erwischt" zu werden. Gleichwohl habe er auf Drängen Z die Fahrt - wie von der (Organisations-) Zentrale, zu der er während der genannten Zeit ebenso wie zum MIT über (Mobil-) Telefon laufend Kontakt gehalten habe, vorgegeben - bis zur bulgarisch-türkischen Grenze fortgesetzt. Hierbei sei er von einem mit zwei Personen besetzten "schwarzen Auto" verfolgt worden. Im Zollbereich habe er das Fahrzeug abgestellt. Anschließend sei er von zwei Person, darunter sein damaligen Führungsoffizier beim MIT, T / T, in Empfang genommen und nach Istanbul gebracht worden. Dort habe er eine vorbereitete Erklärung unterzeichnen und einige Tage warten müssen, bevor er schließlich Bargeld erhalten habe und dann per Flugzeug nach Deutschland zurückgekehrt sei. Kurz nach seiner Ankunft zu Hause sei G. erschienen. Er (H) habe sich verleugnen lassen. G. sei jedoch in der Folgezeit ständig wieder aufgetaucht und habe vorgegeben, was er (H) bei der Polizei erzählen solle.

Neben Aussagen zum Erhalt von Agentenlohn durch den MIT habe H H seinerzeit auch Angaben zu einer - ebenfalls Entgeltlichen - Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz des Landes Rheinland-Pfalz gemacht, für den H demzufolge ab April 2002 ebenfalls beschäftigt gewesen sei. Einer Anweisung des MIT Folge leistend, habe er seinem Ansprechpartner beim Verfassungsschutz über den bezeichneten Waffentransport jedoch nichts berichtet. Überdies habe H eingeräumt, auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Anschluss an den Waffentransport bis kurz vor seiner Festnahme im Februar 2003 weiter per Telefon bzw. SMS mit seinem damaligen Führungsoffizier beim MIT in der Türkei (T / T) in Kontakt gestanden und von diesem Anweisungen entgegengenommen zu haben.

Ausweislich der glaubhaften Angaben des Zeugen KOK F - hat H H bereits im Rahmen der bezeichneten polizeilichen Vernehmungen bei (Wahl-) Lichtbildvorlagen den Angeklagten G. sowie die früheren Mitangeklagten A, D. und S eindeutig (wieder-) erkannt und diese als am Waffentransport beteiligte DHKP-C-Funktionäre bezeichnet. Auch der Angeklagte Y. wurde von H H - wie der Zeuge KOK F bestätigt hat - damals als diejenige Person wiedererkannt, die unter der Bezeichnung K, der Anwalt, in Erscheinung getreten ist. Außerdem seien - wie der Zeuge KOK F weiter angegeben hat - im Verlauf der durchgeführten (Wahl-) Lichtbildvorlage bei der Polizei auch A C (T / T) und andere Verantwortliche / Aktivisten der Rückfront, darunter Ö.B. (M / Mahsur) von H zutreffend (wieder-) erkannt worden.

Bei seiner richterlichen Vernehmung am 01. April 2003 hat H H seine vorangegangene, umfassenden Einräumungen - wie sich aus den Angaben der Zeugin RinAG St ergibt - bekräftigt.

Die Angaben, die H H im Rahmen einer weiteren, am 07. April 2003 in dem seinerzeit bei der Staatsanwaltschaft Koblenz gegen S A u. a. geführten Ermittlungsverfahren erfolgten Vernehmung als Zeuge gemacht hat, wurden dem Senat ebenfalls durch den Zeugen KOK F vermittelt. Neben Aussagen zu S A, dessen Funktion und Aktivitäten für die DHKP-C und damit einhergehender Kontakte zum Angeklagten G. habe H H in dieser Vernehmung auch Angaben zur (generellen) Vorgehensweise von Funktionären und Aktivisten der Rückfront bei Spendensammlungen sowie zur Struktur der Organisation im Gebiet Worms und dort für die Vereinigung agierender Personen gemacht.

b. Nachfolgende Vernehmungen

Nach seinem Suizidversuch konnte H H krankheitsbedingt erst wieder Anfang 2004 vernommen werden.

Januar 2004

Im Zuge der - am 14. Januar 2004 durchgeführten - polizeilichen (Nach-) Vernehmung - deren Verlauf und Inhalt dem Senat ebenfalls durch den Zeugen KOK F vermittelt wurde - hat H H seine vorangegangenen, einräumenden Angaben in pauschaler Form widerrufen und insbesondere behauptet, zu keinem Zeitpunkt mit dem MIT zusammengearbeitet zu haben. Seine bisher dazu gemachten Aussagen seien gelogen. Darüber hinaus bestritt H H auch die Richtigkeit seiner früheren Angaben zur DHKP-C und dem in diesem Zusammenhang von ihm geschilderten Waffentransport. An dieser Darstellung hielt er auch in seiner Vernehmung durch die Ermittlungsrichterin beim Bundesgerichtshof am 15. Januar 2004 – über deren Inhalt und Verlauf der Zeuge KHK A dem Senat berichtet hat – fest. Die bezeichneten Vernehmungen erfolgten im Zuge ergänzender, durch die Bundesanwaltschaft veranlasster Untersuchungen, mit denen - wie der Zeuge StA b. BGH V bekundet hat - das Polizeipräsidium Mainz zur weiteren Abklärung der nachrichtendienstlichen Hintergründe, insbesondere betreffend die Umstände der Kontaktaufnahme durch den MIT, das Kontakthalten, die Kontaktpersonen und die Geschehnisse in der Türkei sowie weitere Einzelheiten zu den von H H zuvor geschilderten finanziellen Zuwendungen des MIT beauftragt worden war.

Aufgrund dieses Aussageverhaltens Hs wurde der bereits bezeichnete Haftbefehl vom 17. April 2003 vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshof am 15. Januar 2004 in Vollzug gesetzt. H H befand sich in der Folge ununterbrochen bis zum 01. April 2004 erneut in Untersuchungshaft.

April 2004

In seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Koblenz hat H H am 01. April 2004 - wie die Zeugen VROLG V und StA b. BGH V glaubhaft bekundet haben - zunächst keine Angaben zur Sache gemacht und sodann mit dem Hinweis, dass es bei dem Widerruf seines Geständnisses verbleibe, den erhobenen Vorwurf der geheimdienstlichen Agententätigkeit in pauschaler Form bestritten. Daraufhin sei H vom Gericht - wie der Zeuge StA b. BGH V weiter angegeben hat - zunächst mit Vorhalten aus dem wesentlichen Ermittlungsergebnis der Anklageschrift konfrontiert worden. H H habe gleichwohl daran festgehalten, keine Kontakte zum MIT geknüpft und vom türkischen Geheimdienst keinen Agentenlohn erhalten zu haben.

Wie die Zeugen VROLG V, ROLG S, RinOLG H und StA b. BGH V übereinstimmend bekundet haben, seien H H im weiteren Verlauf die geständigen Einlassungen aus den Niederschriften früherer, im März 2003 erfolgter, Vernehmungen - orientiert an dem in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwurf - (Ab-) Satz für (Ab-) Satz ("Stück für Stück" bzw. "häppchen- / blockweise") vorgehalten worden. Im Beisein seines Verteidigers, Rechtsanwalt G, habe H H teils durch Kopfnicken, teils durch kurze verbale Erklärungen bestätigt, entsprechende Angaben gemacht zu haben, jedoch zunächst "unisono", d. h. ohne zwischen den die DHKP-C und geheimdienstlichen Aktivitäten betreffenden Aussagenteilen zu differenzieren, behauptet, es sei "alles falsch". Hieran habe er jedoch nicht festgehalten, sondern am Ende in pauschaler Form und ohne weitere Erklärung hierzu vom Widerruf seiner früheren Aussagen abgerückt und die Richtigkeit seiner vorangegangenen, den Tatvorwurf einräumenden, Einlassungen bestätigt. Für den Senat sei klar ersichtlich gewesen, dass H offenbar "zwischen die Mühlen geraten" war. Die Zeugen VROLG V und RinOLG H haben weiter übereinstimmend bekundet, seinerzeit bei H H keine psychischen Auffälligkeiten oder Zeichen von Verwirrtheit festgestellt zu haben. Es sei jedoch deutlich geworden, dass dieser ziemlich "niedergeschlagen" gewesen sei. Auch der Zeuge ROLG S hat bekundet, im damaligen Strafverfahren "keine Auffälligkeit" im Verhalten Hs bemerkt zu haben. Die Zeugin RinOLG H, Berichterstatterin im damaligen (Straf-) Verfahren, hat ergänzend glaubhaft angegeben, dass der Staatsschutzsenat zwar von einem Zweckgeständnis Hs ausgegangen sei. An dessen Richtigkeit habe es jedoch keinerlei Zweifel gegeben. Es habe vollumfänglich mit dem Bild der Beweislage in Einklang gestanden, das sich der Senat anhand einer Vielzahl von - im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten - Dokumente n, zu denen auch ein Behördenzeugnis des Ministeriums des Innern und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz vom 03. Juni 2003, klassifiziert mit dem Vermerk: "Geheim - amtlich geheimgehalten" sowie ein behördliches Zeugnis des LfV Hessen vom 10. Juni 2003, klassifiziert mit dem Vermerk: "VS-Vertraulich amtlich - geheimgehalten", gehörten, verschafft habe. Außerdem habe das Gericht seinerzeit - wie der Zeuge ROLG S ergänzend hierzu bekundet hat - die Richtigkeit der Einräumungen auch deshalb nicht in Zweifel gezogen, weil man zu der Überzeugung gelangt sei, dass bei den in Rede stehenden Aussagen H Hs bei vorangehenden Beschuldigtenvernehmungen im März / April 2003 "zu viel im Detail" wiedergegeben worden sei, als dass es sich jemand einfach hätte ausdenken können.

Wie sich aus dem Sitzungsprotokoll und den Bekundungen des Zeugen VROLG V ergibt, wurde in dem Verfahren vor dem OLG Koblenz alsbald nach dessen Beginn auf Antrag des Verteidigers H Hs die Öffentlichkeit zeitweilig ausgeschlossen, weil der Staatsschutzsenat zu der Überzeugung gelangt war, dass H H "als Denunziant verschrien" sei und "Repressalien zu befürchten" habe. Seiner Ehefrau, Berrin H, sei "als Beistand" die weitere Anwesenheit gestattet worden. Übereinstimmend führten die Zeugen VROLG V, RinOLG H und ROLG S weiter aus, dass es im damaligen Strafprozess zu keiner Verständigung im Sinne einer förmlichen Absprache ("klassischer Deal") zwischen den Verfahrensbeteiligten gekommen sei. Unausgesprochen habe jedoch Einigkeit dahingehend bestanden, dass für den Fall eines Geständnisses die Vollstreckung einer zu verhängenden Strafe zur Bewährung ausgesetzt werde. Es sei klar gewesen, dass eine langjährige Freiheitsstrafe nicht in Betracht komme. Diese Angaben wurden vom Zeugen StA b. BGH V bestätigt, der ebenfalls angegeben hat, dass seinerzeit bei sämtlichen Verfahrensbeteiligten eine entsprechende Einschätzung bzw. Erwartungshaltung vorgelegen habe. Ergänzend gab er an, dass damals von der Bundesanwaltschaft klargestellt worden sei, dass bei einem Bestreiten des erhobenen Tatvorwurfs für den Fall einer Verurteilung eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht akzeptiert werde.

Das in Rede stehende Urteil des OLG Koblenz wurde noch am Tag der Hauptverhandlung am 01. April 2004 rechtskräftig. Wie bereits ausgeführt, hat der Staatsschutzsenat des OLG Koblenz vor dem Hintergrund des beschriebenen Aussageverhaltens festgestellt, dass H H tatbedingt an einer schweren Depression erkrankt ist. Aufgrund dieser Erkrankung musste sich H H - wie noch näher auszuführen ist - auch nach seiner Haftentlassung am 01. April 2004 wiederholt weiteren psychiatrischen Behandlungsmaßnahmen unterziehen.

November 2004

Bei der - in Erledigung eines Rechtshilfeersuchens der türkischen Justizbehörden beim Amtsgericht Germersheim durchgeführten - weiteren (Beschuldigten-) Vernehmung hat H H am 30. November 2004 – ausweislich der Bekundungen der Zeugin RinAG K-S den von den Strafverfolgungsbehörden in der Türkei gegen ihn erhobenen Tatvorwurf ("Schmuggel von Waffen und Munition") eingeräumt und dabei erklärt, auf Veranlassung von Verantwortlichen der DHKP-C Waffen transportiert zu haben, die für diese Organisation in der Türkei bestimmt gewesen seien. Den Hintergrund und Ablauf der Fahrt habe er nunmehr - abweichend von seinen früheren Angaben - wie folgt geschildert:

Er sei in Deutschland in der Absicht, in Bulgarien ein Fahrzeug zu verkaufen, losgefahren. Dort sei er mit Leuten einer linksgerichteten Gruppierung zusammengetroffen, die ihm befohlen hätten, Waffen, welche die Organisation zur Durchführung von Anschlägen benötige, mit seinem Pkw nach Istanbul zu bringen. Man habe ihm erklärt, dass eine Strafaktion gegen bestimmte türkische Minister, beabsichtigt sei. Er habe diesen Personen das mit einem als Versteck präparierten Hohlraum ausgestattete Fahrzeug für eine Nacht überlassen. Nach Beladung seines Wagens habe man ihn mit Waffen bedroht und gezwungen, mit dem Pkw in Richtung Türkei zu fahren. Außerdem sei er bis zur bulgarisch-türkischen Grenze von einem Kraftfahrzeug verfolgt worden, weshalb er keine Möglichkeit gehabt habe, sich dem an ihn herangetragenen Ansinnen zu entziehen. Erst an der türkischen Grenzstation habe er - weil seine Verfolger auf bulgarischer Seite zurückgeblieben seien - das Fahrzeug im Zollbereich stehenlassen. Anschließend sei er auf dem Landweg per Anhalter wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Dass der zurückgelassene Wagen durchsucht würde und die darin versteckten Waffen entdeckt würden, sei ihm klar gewesen.

Eine Kooperation mit dem türkischen Geheimdienst blieb ebenso unerwähnt wie eine Zusammenarbeit mit dem deutschen Verfassungsschutz.

5. Zur Bewertung des Aussageverhaltens H Hs

Der Senat hat die Glaubwürdigkeit des Zeugen H und die Glaubhaftigkeit seiner Angaben vor dem Hintergrund des aufgezeigten Aussageverhaltens besonders sorgfältig überprüft. Zu dieser Beurteilung war der Senat aus eigener Sachkunde auf der Grundlage der gutachtlichen Darlegungen des Sachverständigen Dr. S in der Lage.

a. Sachverständige Begutachtung der Aussagetüchtigkeit

Dr. S war auf Veranlassung des Senats neben der Prüfung der Vernehmungsfähigkeit H Hs auch mit einer sachverständigen Überprüfung der Frage befasst, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Aussagetüchtigkeit, d. h. die Fähigkeit einer Person, den einer Aussage zugrunde liegenden Sachverhalt realistisch wahrzunehmen, im Gedächtnis zu speichern und im Rahmen einer Vernehmung (Befragung) zutreffend und vollständig (d. h. wahrheitsgemäß) wiederzugeben, H Hs Einschränkungen unterliegt.

Zur Vorbereitung seiner gutachtlichen Stellungnahme hat Dr. S beigezogene Krankenakten mit Vorbefunden betreffend H H gesichtet, ausgewertet und über das Ergebnis der hierdurch gewonnenen Erkenntnisse in der Hauptverhandlung berichtet. Danach ergibt sich Folgendes:

Im Anschluss an die bereits dargelegten Aufenthalte in psychiatrischen Fachkliniken in der Zeit vom 23. bis 27. Juni 2003 (Uniklinik Kiel) sowie vom 30. Juli bis 30. September 2003 (Uniklinik Mainz) befand sich H H im Anschluss an eine, von Oktober 2003 bis Anfang 2004 in einer psychosomatischen Fachklinik in Bad Kreuznach durchgeführte, psychiatrische Behandlung, im April 2004 sowie in der Zeit von Anfang Juli 2004 bis Anfang Oktober 2004 im Pfalzklinikum Klingenmünster, wo er wegen verstärkter Suizidgedanken, erheblichen Schlafstörungen, starken Schuldgefühlen und Grübelzwang aufgenommen worden war. Diagnostisch wurde das Vorliegen einer schweren depressiven Episode, aktuell ohne psychotische Symptome festgestellt. Im November 2005 wurde H H unter anderem wegen einer Angst vor Menschen und zeitweiliger Lebensüberdrussgedanken in einer - zum Pfalzklinikum gehörenden - psychiatrischen Tagesklinik in Speyer aufgenommen. Die teilstationäre Behandlung wurde wegen geringer Therapiemotivation H Hs auf dessen eigenen Wunsch bereits nach einer Woche beendet. Ebenfalls im Jahre 2005 nahm H H an einer in der Rhein-Haardt-Klinik, Bad Dürkheim / Pfalz unter der Diagnose einer schizoaffektiven Psychose innerhalb eines näher nicht bekannten Zeitraums durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme teil. Zu Beginn eines weiteren stationären Aufenthalts in der Psychosomatischen Abteilung für türkische Migranten dieser Einrichtung (Rhein-Haardt-Klinik) in der Zeit vom 27. Dezember 2006 bis 31. Januar 2007 wurden bei H H Angstzustände und rezidivierende depressive Episoden sowie ein deutlich defizitärer Antrieb nebst ausgeprägten Schlafstörungen festgestellt. Die im Zuge der dortigen Behandlungsmaßnahmen durchgeführte fachärztliche Untersuchung ergab das Vorliegen einer schizoaffektiven Psychose mit schizodepressiver Ausprägung sowie damit verbundener Einschränkungen der geistig / psychischen Belastbarkeit. Parallel hierzu befand sich H H - nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. S - seit dem Frühjahr 2004 in einer - aktuell andauernden - ambulant-psychiatrischen Behandlung durch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch-J in Germersheim.

Im Rahmen seiner Exploration hat H H gegenüber dem Sachverständigen Dr. S wie dieser - insoweit als Zeuge - dargelegt hat - unter anderem Folgendes angegeben:

Seine Depression sei erst im Verlauf seiner Inhaftierung im Jahre 2003 und dem dort unternommenen Suizidversuch zum Tragen gekommen. Er habe versucht, sich mit einem Bettlaken zu erhängen. Seinerzeit habe er auch erstmals Dämonen gesehen, die zu ihm sprechen und sein Handeln kommentieren würden. Auch nach seiner Entlassung habe er unter suizidalen Gedanken gelitten. Sein Tagesablauf werde seither - in Zeiten des Alleinseins - durch Stimmen kommentiert. Er habe große Angst vor diesen Dämonen. Vor etwa 3 bis 4 Jahren sei ihm erstmals auch M.A., verkleidet als "Djin", der sich andauernd über ihn lustig mache, erschienen. Daneben gebe es noch einen "richtigen Djin", der ihm befehle, M.A. zu töten. Dieser "Djin", der ihm auch im Gefängnis unmittelbar vor dem Suizidversuch im April 2003 erschienen sei, habe ihn gewürgt und sodann gesagt, dass er kein Mann sei und sich erhängen bzw. vor den Zug werfen solle. "A und seine Freunde" kämen jede Nacht und sprächen mit ihm. Dagegen könne er sich nur mit einem bestimmten Gebet oder Schlaftabletten erfolgreich zur Wehr setzen.

Nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. S kann dieser Glaube an Djins, zwar nicht "per se" als Wahnerleben bewertet werden. Vielmehr seien solche Vorstellungen dem Islam immanent, vergleichbar mit dem Glauben an Engel oder Wunder in der christlichen Religion. Auch unter Berücksichtigung dieses religiösen Bezugs und des kulturellen Hintergrundes H Hs, der als Angehöriger der sunnitischen Religionsgemeinschaft in einer traditionell dörflich sozialisierten Familie in der Türkei aufgewachsen sei, handle es sich bei den geschilderten Erlebnisinhalten aber eindeutig um Symptome einer ernsthaften psychiatrischen (psychotischen) Erkrankung.

Die Ehefrau H Hs hat nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. S anlässlich der Exploration H Hs am 23. April 2008 angegeben, dieser sei der Meinung, die Türkei verraten zu haben und von dieser Überzeugung überhaupt nicht mehr abzubringen. Wie sich aus den Bekundungen des Sachverständigen Dr. S weiter ergibt, hatte H H über entsprechende Befindlichkeiten und ein damit verknüpftes Schuldempfinden auch im Zuge seiner Behandlung in der Rhein-Haardt-Klinik Ende 2006 / Anfang 2007 geklagt und hierbei zum Ausdruck gebracht, dass er (H) wegen "unentschuldbarer", im Zuge seiner Inhaftierung im Jahre 2003 gemachter, Aussagen, die den türkischen Staat belastet hätten, so massive Schuldgefühle entwickelt habe, dass er seitdem annehme, sein Recht auf Leben verwirkt zu haben. Hierzu passt die Aussage des Zeugen StA b. BGH V, der angegeben hat, dass ihm im Zuge der seinerzeit von der Bundesanwaltschaft gegen H H geführten Ermittlungen von der Polizei Ende Juni 2003 mitgeteilt worden sei, dass die seinerzeit durchgeführten Zeugenschutzmaßnahmen betreffend H suspendiert worden seien, weil dieser in eine psychiatrische Einrichtung habe verbracht werden müssen, nachdem klar erkennbar geworden sei, dass er sich als Verräter fühle und daher ein fortbestehend hohes Suizidrisiko gegeben sei.

Der Sachverständige Dr. S hat sich im Rahmen seiner gutachtlichen Darlegungen ausführlich mit den Auswirkungen der bezeichneten psychischen Erkrankung H Hs auf dessen Aussagetüchtigkeit auseinandergesetzt. Er hat sich in diesem Zusammenhang nicht nur mit der Relation von psychischen Eigentümlichkeiten H Hs, sondern auch mit der Entwicklung / Entstehung der Aussagen befasst, die dieser vor seiner Exploration in den verschiedenen polizeilichen und richterlichen Vernehmungen gemacht hat.

Hiernach sei zwar davon auszugehen, dass die vorliegende schwere chronische Psychose mit einem wahnhaften Denken in Form eines überhöhten Schulderlebens verbunden sei. Dieser Umstand sei jedoch keinesfalls ausreichend bzw. geeignet, grundsätzlich die Annahme fehlender Aussagetüchtigkeit zu rechtfertigen. Grundsätzlich sei ein Mensch, der, wie H H, an einer durch Beziehungs- und Beein-trächtigungserleben geprägten Wahnsymptomatik leide, nicht außer Stande, bestimmte Sachverhalte wahrzunehmen, abzuspeichern und nach einer gewissen Zeit korrekt wiederzugeben. Diese Fähigkeit sei bei H H zweifelsfrei erhalten geblieben bzw. vorhanden. Trotz der gegebenen psychischen Erkrankung sei daher grundsätzlich von dessen Aussagetüchtigkeit auszugehen. Jedoch könne es bei Hinzutreten real erlebter Angstsituationen zu gravierenden Beeinträchtigungen der Aussagetüchtigkeit H Hs kommen, so dass diesem insoweit eine zielgerichtete Beantwortung von Fragen nicht mehr möglich sei. Hochgradig angstbesetzt seien vor dem Hintergrund einer bei H H vorherrschenden Vorstellung, die Türkei verraten zu haben, insbesondere Fragestellungen, die eine Zusammenarbeit Hs mit dem MIT thematisieren. Bei diesem Themenbereich, der den Zeugen H offensichtlich sehr berühre, sei dessen Aussagetüchtigkeit infolge eines Aufeinandertreffens von wahnhaften Vorstellungen und real erlebten Ängsten zweifelsfrei in erheblichem Umfang beeinträchtigt. Auch Fragestellungen zu einer etwaigen Kooperation mit deutschen Geheimdiensten bilden - nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. S - einen für H H ausgestanzten, angstbesetzten Themenkomplex. Unter Berücksichtigung der starken - möglicherweise durch die biographische Entwicklung H Hs zu erklärende - Fokussierung der beschriebenen wahnhaften Fixierungen Hs auf den türkischen Staat, sei es jedoch möglich, dass die Aussagetüchtigkeit Hs im Hinblick auf Angaben zu etwaigen Kontakten mit dem deutschen Verfassungsschutz nicht unmittelbar von der vorliegenden psychischen Erkrankung tangiert wird. H H wäre insoweit durchaus in der Lage, entsprechende Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Mithin sei auch nicht auszuschließen, dass er bei Befragungen zu diesem Bereich unwahre Angaben gemacht haben kann und bei erneuten Vernehmungen mit Falschaussagen zu rechnen ist.

Da letztlich eine eindeutige und abschließende Festlegung des Umfangs, worauf sich der bei H H bestehende Schuldwahn bzw. dessen Schulderleben konkret beziehe, nicht möglich sei, könne die Aussagetüchtigkeit Hs im konkreten Fall ausschließlich anhand eines Abgleichs zwischen dessen aktuellen Aussagen in der Hauptverhandlung und früheren, bei vorangegangenen Vernehmungen gemachten, Angaben beurteilt werden. Eine Übereinstimmung der jeweiligen Bekundungen sei als deutlicher Hinweis gegen das Vorliegen wahnhafter Verfälschungen zu werten. Bei Abweichungen sei dagegen von einer fehlenden, zumindest aber erheblich beeinträchtigten Aussagetüchtigkeit auszugehen. Zwar lasse sich der exakte Beginn der psychischen Erkrankung H retrospektiv nicht mehr eindeutig fixieren. Aus sachverständiger Sicht gebe es vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte für die begründete Annahme, dass die bei H H vorliegende Erkrankung bereits im Verlauf seiner - vor dem Suizidversuch im April 2003 erfolgten - Vernehmungen im Jahre 2003 einen Umfang bzw. Schweregrad erreicht hatte, dass hierdurch seine Aussagetüchtigkeit hätte beeinträchtigt werden können.

Der Senat schließt sich den schlüssigen, widerspruchsfreien und uneingeschränkt nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. S aus eigener Überzeugungsbildung an. An dessen ausreichender Sachkunde bestehen keinerlei Zweifel. Anhaltspunkte für die Annahme, dass Dr. S von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist und / oder die von ihm vertretenen Auffassungen mit Erkenntnissen der Wissenschaft nicht in Einklang stehen, ergaben sich nicht. Hierzu im Einzelnen:

Zu den berichteten ärztlichen Diagnosen passen die Angaben des Zeugen T. Dieser hat in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundet, bei H H, seinem Schwager, nach dessen Haftentlassung im Jahre 2003 deutliche Veränderungen festgestellt zu haben. Er (H) sei "psychisch richtig fertig gewesen", habe plötzlich nicht mehr schlafen können und sei auf "jede Menge Medikamente " angewiesen gewesen.

Die vom Sachverständigen Dr. S berichteten Äußerungen der Ehefrau H Hs stehen ferner im Einklang mit den Bekundungen des sachverständigen Zeugen Dr.Sch. Dieser hat bestätigt, dass H H im Rahmen des Aufnahmegesprächs zu Beginn seiner - in der Zeit vom 23. bis 27. Juni 2003 erfolgten - stationären Behandlung im Universitätsklinikum Kiel im Sommer 2003 angegeben habe, seit einigen Wochen unter Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen gegenüber der türkischen Regierung bzw. der "Partei" zu leiden und sich als "Verräter" zu fühlen. H habe darüber berichtet, starke Abkapselungstendenzen ausgebildet zu haben. Es sei im Zuge der Behandlungsmaßnahme offen zu Tage getreten, dass er (H) sich aufgrund einer Betätigung für eine (politisch) linksgerichtete türkische Organisation und zeitgleicher, damit zusammenhängender geheimdienstlicher Kontakte in einem schweren bzw. tiefgreifenden Loyalitätskonflikt befunden und hieraus resultierende Ängste mit psychoseähnlichen Zuständen und starker Unruhe entwickelt habe. Im Rahmen eines (Arzt- / Patienten-) Gesprächs habe H in diesem Zusammenhang auch davon erzählt, in einen Waffentransport über Bulgarien in die Türkei verwickelt gewesen zu sein. Nebenbei habe er auch angegeben, kurze Zeit für den "deutschen Geheimdienst" gearbeitet zu haben. Vordergründig sei jedenfalls klar erkennbar gewesen, dass H unter der Vorstellung gelitten habe, durch dieses Verhalten seiner Familie, die ein ganz "entscheidender Faktor" für ihn gewesen sei, nachhaltig geschadet zu haben. Außerdem sei H H überzeugt gewesen, aufgrund seines "Verrats" nunmehr von beiden Seiten ("Parteien") bestraft bzw. zur Rechenschaft gezogen zu werden. Auch bei seiner Entlassung aus der Klinik habe sich H in einer weiterhin ungeklärten, stark angstbesetzten Situation befunden.

Auch der sachverständige Zeuge Prof. Dr. W hat dargelegt, dass H H während seines Aufenthalts im Universitätsklinikum Mainz in der Zeit vom 30. Juli bis 30. September 2003 anfänglich schwer depressiv gewesen sei und mutistisch anmutende Rückzugstendenzen aufgewiesen habe. Er habe "praktisch nicht mehr reagiert", vor sich hin gestarrt und ununterbrochen über Schuldvorwürfe und mit Ängsten besetzte Grübelphasen geklagt. Neben dieser ängstlich-depressiven Symptomatik habe H während der gesamten Behandlungsdauer unter Durchschlafstörungen mit schreckhaftem Erwachen gelitten. Sein damaligen Zustand sei geradezu mitleiderweckend gewesen. Im Einklang mit dem Zeugen Dr. Sch wurde auch vom Zeugen Prof. Dr. W dargelegt, dass H H seinerzeit eine stark ausgeprägte Verfolgungsangst aufgewiesen habe. Er (H) sei überzeugt gewesen, "irgendjemand verraten" zu haben. In diesem Zusammenhang habe H angegeben, während seiner Tätigkeit für die DHKP-C auch zum MIT Kontakte unterhalten zu haben, die ihm über das "türkische Konsulat" vermittelt worden seien.

Schließlich hat auch die Zeugin RinOLG H bestätigt, dass H H in der Hauptverhandlung vor dem OLG Koblenz am 01. April 2004 sehr ängstlich, mit "hängendem Kopf" aufgetreten sei und sich "offensichtlich" vor drohenden Repressalien der DHKP-C und des türkischen Geheimdienstes gefürchtet habe.

Die Richtigkeit dieser Einschätzung und die Fortdauer des damit einhergehenden (Angst-) Erlebens wird - exemplarisch - durch das Verhalten des Zeugen H im Verlauf seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung vom 06. August 2008 bestätigt. Nach zahlreichen Vorhalten von Angaben, die H H in früheren Vernehmungen zu seiner Kooperation mit dem türkischen Geheimdienst gemacht hatte und Fragen zu seiner damaligen Aussagemotivation, kam es zu einem emotionalen Ausbruch Hs mit folgendem, lautstark vorgebrachten Ausruf: "Ich bin doch zum Helden geworden! Was soll dabei `rausgekommen sein? Ich bin ein Held; ich stehe dafür! Ist irgendwer hier, der Krieg mit mir führen will? Ich stehe hier aufrecht; es wird weitergehen! Wenn ich nicht bin, werden eine Million anderer kommen; reden ist Heldentum; ich habe mein Ziel erreicht."

Nach Überzeugung des Senats belegt dies gleichzeitig die bei H H fortdauernde (Wahn-) Vorstellung, durch sein früheres (Aussage-) Verhalten über Angaben seiner Tätigkeit für den MIT, dem türkischen Staat geschadet bzw. Verrat begangen zu haben.

b. Zur Glaubwürdigkeit H Hs im Allgemeinen

Auf der Grundlage der gutachtlichen Darlegungen des Sachverständigen Dr. S war der Senat unter Berücksichtigung der Krankheits- und Lebensgeschichte des Zeugen H sowie genauer Analyse der Entstehungsgeschichte und Entwicklung seiner Aussage(n) zu einer verlässlichen Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen H in der Lage, zumal zahlreiche Aussagenteile - wie noch auszuführen ist - in anderen Umständen erhebliche Unterstützung gefunden haben und durch weitere Beweismittel und objektive Beweisanzeichen als zutreffend bestätigt wurden oder gestützt werden. Der Senat hat hierbei nicht verkannt, dass die Aussagen H Hs in Einzelbereichen Unstimmigkeiten und Widersprüche enthielten; er hat dies bei der Gesamtschau aller Umstände sowie der damit verknüpften Beurteilung der (inhaltlichen) Entwicklung der Aussage und deren Kontext bei der Erforschung des Wahrheitsgehalts der einzelnen Aussagenteile bewertet.

Hiernach war zwanglos festzustellen, dass der Zeuge H in der Hauptverhandlung seine Kontaktaufnahme zur DHKP-C und Betätigung für deren Rückfront, die Vorbereitung des bezeichneten Waffentransports durch Funktionäre dieser Organisation sowie die Durchführung der zugehörigen Kurierfahrt bis zum Eintreffen an der bulgarisch-türkischen Grenze deckungsgleich mit den hierzu bereits bei seinen Vernehmungen im März / April 2003 gemachten Angaben bekundet hat. Soweit die Abläufe dieses Kerngeschehens von H H in der Hauptverhandlung sowie den bezeichneten Vernehmungen nach seinem Suizidversuch vom 17. April 2003 abweichend geschildert bzw. in Abrede gestellt wurden, ist - was seine Kooperation mit dem türkischen Geheimdienst (MIT) angeht - von krankheitsbedingten Verfälschungen und Auslassungen infolge der bei ihm konstatierten (psychischen) Erkrankung (schizoaffektive Psychose) auszugehen.

Der Senat ist überzeugt, dass die Aussagetüchtigkeit H Hs im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmungen im März / April 2003 - zu deren Entwicklung im Einzelnen später mehr - vollständig erhalten war und seine damaligen Angaben weder krankheitsbedingte noch sonstige Verfälschungen enthalten. Nach den übereinstimmenden und glaubhaften Bekundungen der Zeugen KOK F und KHK A zeigte H H während der gesamten Dauer dieser Vernehmungen weder in psychischer noch in sonstiger Hinsicht Auffälligkeiten. Anhaltspunkte für die Annahme einer Beeinträchtigung des Wahrnehmungs-, Erinnerungs- und / oder Wiedergabevermögens des Vernommenen seien seinerzeit durchgängig nicht vorhanden gewesen. Die Vernehmungsatmosphäre sei "locker", die Kommunikation "sehr freundlich" und "ruhig" gewesen. H habe durchgehend flüssig, und von sich aus frei zusammenhängend erzählt und sei "normal", zugänglich, außerordentlich mitteilungswillig sowie stets sachorientiert gewesen. Er habe "alles parat gehabt", von sich aus sehr viel berichtet und einen gefestigten, glaubwürdigen Eindruck gemacht. Auch bei einer am 07. April 2003 erfolgten Zeugenvernehmung sei der Zustand H Hs noch "völlig normal" gewesen. Es habe keinerlei Auffälligkeiten gegeben. Dies habe sich erst ab seinem, nach Abschluss der polizeilichen Vernehmungen erfolgten, Suizidversuch Mitte April 2003 geändert. H H sei anschließend komplett verändert, in sich gekehrt, unzugänglich, abgeschottet und praktisch nicht mehr ansprechbar gewesen. Er habe nunmehr einem "Wrack" geglichen und sich ab diesem Zeitpunkt - so der Zeuge KHK A - als ein komplett anderer Mensch gezeigt. An diesem (Erscheinungs-) Bild habe sich in der weiteren Folge nichts mehr geändert.

Hierzu passen die Angaben der Zeugin Berrin H, der Ehefrau des H H. Diese hat in der Hauptverhandlung bestätigt, dass ihr Ehemann erst im Verlauf seiner Inhaftierung im Jahre 2003 in eine depressive Stimmungslage geraten sei. Zuvor habe sie in dieser Hinsicht keine nennenswerten Anzeichen für derartige Auffälligkeiten bei ihm festgestellt. Nach seiner Festnahme im Februar 2003 habe sie ihn etwa zwei- bis viermal, teilweise zusammen mit seinem damaligen Rechtsanwalt besucht. Dabei sei es auch außerhalb der Haftanstalt zu Kontaktaufnahmen gekommen, z. B. im Polizeipräsidium Mainz sowie - nach Beginn des Zeugenschutzprogramms - anderen Örtlichkeiten. Im Zuge dessen sei ihr aufgefallen, dass ihr Ehemann schlecht ausgesehen und "viele Kilos" abgenommen habe. Zu einer nachhaltigen Veränderung sei es jedoch erst gekommen, als dieser den Versuch unternommen habe, sich "aufzuhängen". Danach sei er völlig anders gewesen. Während sie bei vorangegangenen Besuchskontakten H H immer wieder habe aufbauen können, sei dies nun nicht mehr möglich gewesen; er habe "immer nur den Kopf nach unten hängen lassen", sei nicht mehr aufzumuntern gewesen und quasi in sich versunken. Korrespondierend hierzu hat der Zeuge KOK F bestätigt, während des Zeitraums der im Februar, März und April 2003 erfolgten Vernehmungen H Hs von Berrin H keine Hinweise zu Auffälligkeiten oder Wesensveränderungen ihres Ehemannes erhalten zu haben.

Diese Bekundungen sprechen dafür, dass vor dem Suizidversuch am 17. April 2003 eine Beeinträchtigung der Aussagetüchtigkeit H Hs infolge der bei ihm diagnostizierten psychischen Erkrankung nicht vorgelegen hat. Hinzu kommt, dass auch die vom Senat beigezogenen Gefangenenakten nach den Bekundungen des Sachverständigen Dr. S, der sein Gutachten auch auf der Basis dieser Unterlagen erstellt hat, keinerlei Hinweise dahingehend enthalten, dass H H während des Vollzugs der Untersuchungshaft bereits vor dem bezeichneten Versuch, sich selbst zu töten, in psychischer oder sonstiger Hinsicht auffällig geworden wäre.

Auch die Zeugin RinAG St hat angegeben, dass H H bei den von ihr am 19. Februar 2003 und 01. April 2003 durchgeführten richterlichen Vernehmungen keinerlei Auffälligkeiten gezeigt habe, die zu Zweifeln an dessen Vernehmungsfähigkeit oder Aussagetüchtigkeit Anlass gegeben hätten. Dieser sei vielmehr jeweils in "normaler Verfassung" gewesen und habe zusammenhängend berichtet. Auch die unterschiedlichen Inhalte seiner Bekundungen seien in ihrer Aussageentwicklung nachvollziehbar und plausibel gewesen.

Der Senat ist daher überzeugt, dass die beschriebenen, durch Wahnvorstellungen und Verfolgungsideen geprägten Loyalitätskonflikte bei H H im Wesentlichen erst durch die Aussagen ausgelöst bzw. begründet wurden, die er zu seiner früheren Aktivität innerhalb der DHKP-C und der gleichzeitig hierzu betriebenen Kooperation mit dem türkischen Geheimdienst sowie deutschen Verfassungsschutzbehörden in den - im März und April 2003 erfolgten - Vernehmungen gemacht hat. Der Senat schließt aus, dass dessen Aussagetüchtigkeit bereits zur damaligen Zeit durch die bezeichnete psychische Erkrankung oder sonstige Umstände beeinträchtigt war. Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge H im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung wiederholt vorgebracht hat, während der Dauer der gegen ihn vollzogenen Untersuchungshaft psychisch nicht in der Lage gewesen zu sein, (wahrheitsgemäße und vollständige) Aussagen zu machen. So gab er etwa auf die Frage, ob er die im März 2003 durch die Polizeibeamten KOK F und KHK A beim Polizeipräsidium Mainz durchgeführten (Beschuldigten-) Vernehmungen erinnere, Folgendes an:

Er wolle sich zwar erinnern, könne dies aber nicht (mehr); es seien schlechte Zeiten gewesen, die er erlebt habe. Es sei ihm "von Tag zu Tag schlechter" gegangen. Die (polizeilichen) Vernehmungen hätten ihn angestrengt, er habe sich ein ("glaubwürdiges") Szenario ausgedacht und "Geschichten erfunden". Die psychische Situation sei täglich schlechter geworden. Es könne sein, dass ihm (auch) schon damals Personen erschienen seien. Er habe einfach einen "Status" erreichen wollen. Wenn er gefragt worden wäre, ob er auch für andere (Geheimdienste) gearbeitet hat, hätte er auch dies eingeräumt. Sein psychischer Zustand sei im fraglichen Zeitraum (März 2003) insgesamt sehr schlecht gewesen sei.

Darüber hinaus war H H in der Hauptverhandlung wiederholt bestrebt, Teile seiner früheren Angaben als bewusst falsche bzw. frei erfundene Angaben darzustellen. So hat er etwa angegeben, bei der Polizei Aussagen zum MIT "wie ein Abenteuer" bewusst falsch erzählt zu haben, um dadurch wichtig zu wirken. Er gab in diesem Zusammenhang auch an, nicht nur bei den am 18. / 19. Februar 2003 durchgeführten Vernehmungen gelogen, sondern auch bei seinen nachfolgend in der Zeit von 06. bis 26. März 2003 gemachten Aussagen die Polizei "hinters Licht geführt" zu haben. Er habe keinen "Eid schwören müssen" und daher solche Angaben gemacht, die ihm genutzt und bewirkt hätten, dass er nicht zu lange in Haft bleiben musste. Wörtlich führte er hierzu Folgendes aus:

"Meine gesamten Aussagen sind widersprüchlich. Ich habe tatsächlich dann, um aus dem Gefängnis ´raus zu kommen, eine ganze Reihe von Plänen entwickelt, ich war damit auch erfolgreich. Ich habe meinen Geist benutzt."

Zur Überzeugung des Senats handelt es sich bei diesen Darlegungen offensichtlich um den Versuch H Hs, in vorangegangenen Vernehmungen gemachte Aussagen zu seiner früheren Betätigung für den türkischen Geheimdienst und den deutschen Verfassungsschutz, deren Richtigkeit - wie noch auszuführen ist - durch andere Beweisergebnisse verifiziert wird - als angeblich unzutreffende, "frei erfundene Geschichte(n)" und Falschangaben darstellen zu können.

Unter Berücksichtigung der bezeichneten Schilderungen zum Verlauf und Inhalt der polizeilichen und richterlichen Vernehmungen H Hs durch die Zeugen KOK F, KOK Ar und St steht für den Senat fest, dass es sich bei diesem Vorbringen des Zeugen H, soweit diese sich auf Vernehmungen beziehen, die vor seinem Suizidversuch im April 2003 durchgeführt wurden, um bloße Schutzbehauptungen handelt, um sich so von seinen früheren umfassenden Angaben zu der für ihn nach wie vor angstbesetzten Thematik seiner vormaligen geheimdienstlichen Betätigung für den MIT distanzieren und diese als angeblich falsch darstellen zu können. Die entsprechenden Bekundungen sind insofern zwanglos als Folge bzw. Ausdruck seiner im genannten Themenkreis (Kooperation mit dem türkischen Geheimdienst) krankheitsbedingt fehlenden Aussagetüchtigkeit zu bewerten. Hierfür sprechen neben den bezeichneten, vom Sachverständigen Dr. S berichteten Äußerungen H Hs im Verlauf eines Aufenthalts in der Rhein-Haardt-Klinik Ende 2006 / Anfang 2007 auch sein von den Zeugen VROLG V, RinOLG H, ROLG S und StA b. BGH V beschriebenes Verhalten in der Hauptverhandlung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit vor dem Staatsschutzsenat des OLG Koblenz. Ausweislich der Niederschrift über die Hauptverhandlung vom 01. April 2004 hat H H im Anschluss an die dort erfolgte Beweiserhebung erklärt, dass "die türkischen Behörden über dieses Verfahren" nicht informiert werden sollen. Auch dies zeigt nach Überzeugung des Senats die bei ihm vorhandene Vorstellung, durch geständige Angaben zu seiner früheren Betätigung als Agent des MIT, den türkischen Staat verraten und dadurch "beschädigt" zu haben.

Das Bestreiten einer (vormaligen) Betätigung für den MIT durch den Zeugen H stellt vor diesem Hintergrund seine Glaubwürdigkeit, soweit die Erörterung von Fragestellungen in anderen Themenkreisen in Rede steht, nicht in Frage. Daran ändert der Umstand, dass der Zeuge H in der Hauptverhandlung bei - für ihn ebenfalls angstbesetzten - Fragestellungen zu seiner Kooperation mit deutschen Verfassungsschutzbehörden möglicherweise nicht krankheitsbedingt, sondern bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat, zur Überzeugung des Senats nichts.

Die Glaubwürdigkeit H Hs im genannten Umfang wird auch durch dessen Aussageverhalten in den genannten polizeilichen / richterlichen Vernehmungen im Jahre 2004, in denen er (teilweise) sein vorangegangenes umfassendes Geständnis in pauschaler Form und somit auch seine früheren Angaben zur DHKP-C und zu dem in Rede stehenden Waffentransport als unzutreffend bezeichnet hat, nicht erschüttert. H H war zu dieser Zeit psychisch bereits schwer erkrankt. Ausgehend von den gutachtlichen Darlegungen des Sachverständigen Dr. S ist der Senat davon überzeugt, dass die Aussagetüchtigkeit H Hs schon damals partiell so erheblich beeinträchtigt war, dass er zu einer zielgerichteten Beantwortung von Fragen zu seiner Kooperation mit dem türkischen Geheimdienst und damit zusammenhängender Themenbereiche krankheitsbedingt außer Stande war. Unter Berücksichtigung der - bereits dargelegten - Angaben der sachverständigen Zeugen Dr. Sch und Prof. Dr. W zum Krankheitsbild H Hs während dessen stationärer Behandlungen in den Universitätskliniken Kiel und Mainz im Sommer / Herbst 2003 ist der Senat außerdem überzeugt, dass im Jahre 2004 darüber hinaus Erörterungen zur DHKP-C und zu dem in Rede stehenden Waffentransport für H H hochgradig angstbesetzt waren und daher sein Aussageverhalten seinerzeit auch insoweit massiv durch seine psychische Erkrankung beeinflusst bzw. verfälscht worden sein kann.

Der Senat hat bei seiner Bewertung der Glaubwürdigkeit des Zeugen H ferner nicht verkannt, dass dieser bereits vor Ausbruch seiner psychischen Erkrankung im Rahmen der im Februar 2003 erfolgten polizeilichen und / oder richterlichen (Beschuldigten-) Vernehmungen - teilweise bewusst - unwahre bzw. unvollständige Angaben gemacht hat. Hinsichtlich der unmittelbar nach seiner Festnahme gegenüber der Polizei und der Ermittlungsrichterin beim Amtsgericht Landau / Pfalz am 18. / 19. Februar 2003 gemachten Angaben hat H H - wie der Zeuge KOK F glaubhaft bekundete - bereits zu Beginn seiner Vernehmungen im März 2003 eingeräumt, nicht die Wahrheit gesagt zu haben und dies plausibel damit erklärt, dass ihm die damalige Einlassung vom Angeklagten G. vorgegeben worden sei. Dieser habe ihn angewiesen für den Fall einer Festnahme durch die Polizei zu erzählen, dass er (H) lediglich einen Pkw nach Bulgarien überführt habe, um das Fahrzeug dort zu verkaufen. Hiervon solle er, auch wenn die Polizei, die keine Beweise in der Hand habe, versuchen sollte, ihn unter Druck zu setzen, nicht abweichen und auf keinen Fall die Wahrheit berichten. Außerdem habe ihm G. zu verstehen gegeben, dass "Verrat an der Organisation eine Straftat sei" und mit dem Tod bestraft werde. Auch seine damaligen - falschen - Angaben zum vermeintlichen Passverlust seien aufgrund einer entsprechenden Anweisung durch den MIT erfolgt.

Die als unrichtig bezeichneten Aussageteile und Auslassungen wurden in der Folge - wie gezeigt - durch ergänzende Angaben von H H korrigiert. Auch bei seiner Befragung in der jetzigen Hauptverhandlung hat der Zeuge H bekräftigt, bei seinen früheren Vernehmungen am 18. / 19. Februar 2003 unwahre Angaben gemacht zu haben.

Dass H H über den Angeklagten G. von der Organisation Anweisungen, wie er sich für den Fall einer Festnahme durch die Polizei verhalten solle, erhalten hatte, bestätigt eine organisationsinterne Notiz der Europaverantwortlichen vom 09. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 486), in der hierzu Folgendes ausgeführt wird: "(...) a- Hüs... ist erst nicht aufrichtig. (...) d- Ker. hat erklärt, was er machen soll, wenn die Polizei ihn mitnimmt. (...)" Dass es sich bei der in dem genannten Dokument mit Hüs. bzw. Ker. bezeichneten Personen tatsächlich um H H (Hüs.) sowie den Angeklagten G. (Ker.) handelte, wird noch dargelegt. Das tatsächliche Vorliegen der von H H beschriebenen Einflussnahme des türkischen Geheimdienst nach dem Scheitern des Waffentransports hat sich - wie noch auszuführen ist - ebenfalls als zutreffend erwiesen.

Die im Verlauf seiner anschließenden, ab dem 06. März 2003 fortgeführten Beschuldigtenvernehmung anfänglich enthaltenen Widersprüche hat H H - wie bereits ausgeführt - auf Vorhalte der Verhörspersonen ohne Zögern eingeräumt und durch ergänzende Angaben richtiggestellt. In den nachfolgenden, in der Zeit vom 10. bis 26. März 2003 durchgeführten polizeilichen Vernehmungen hat er die entsprechenden Angaben - wie z. B. seine ursprüngliche Aussage zu dem Zeitpunkt, an dem er den MIT über den Waffentransport informiert hat, korrigiert. Dieses Aussageverhalten findet unter Berücksichtigung der Angaben des Zeugen KOK F, wonach H H seinerzeit zunächst offenkundig darum bemüht war, seine Kooperation mit dem türkischen Geheimdienst nur in groben Zügen zu schildern, nach Überzeugung des Senats seine plausible Ursache in der beschriebenen Angst H Hs vor den türkischen Sicherheitskräften und der Sorge, bei Offenlegung seiner geheimdienstlichen Tätigkeit in der Türkei zur Rechenschaft gezogen werden zu können. Entsprechende Befürchtungen waren - ausweislich der Bekundungen des Zeugen KOK F - bereits damals (Anfang März 2003) von H H thematisiert worden.

Der Senat schließt ferner aus, dass die Einräumungen H Hs in den Vernehmungen vom März / April 2003 und die von ihm im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung des vorliegenden Verfahrens gemachten Angaben, soweit sie mit seinen früheren Aussagen in den bezeichneten Vernehmungen übereinstimmen, auf fingierten, vom MIT oder anderen Geheimdiensten vorgegebenen Sachverhalten beruht. H hat sich zwar - wie noch darzulegen ist - sowohl beim MIT wie auch beim Verfassungsschutz des Landes Rheinland-Pfalz geheimdienstlich betätigt. Die Richtigkeit der von H H in der Hauptverhandlung übereinstimmend mit seinen Aussagen in früheren Vernehmungen gemachten Angaben zur Kontaktaufnahme mit der Organisation, seinen dort entfalteten Aktivitäten und seiner Einbindung in den im Jahre 2002 durchgeführten Waffentransport in die Türkei wird jedoch - wie noch auszuführen ist - durch zahlreiche weitere Beweismittel in vielfältiger Weise bestätigt und gestützt. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass die entsprechenden Schilderungen Hs insoweit uneingeschränkt zutreffend sind und tatsächlich Erlebtes bzw. reale Geschehnisse wiedergeben. Er hat dabei nicht verkannt, dass H H bei den in Rede stehenden, in der Zeit vom 06. März bis 01. April 2003 erfolgten, Vernehmungen nicht als Zeuge, sondern als Beschuldigter ausgesagt hat und insofern - wie er wusste - nicht verpflichtet war, wahrheitsgemäße Angaben zu machen.

Auch Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Angaben H Hs durch Wichtigtuerei oder die Vorstellung, für den türkischen Staat kämpfen zu müssen, verfälscht wurden, haben sich nicht ergeben. Zwar hat er sich im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung unter anderem als "der größte und beste Zeuge" in Bezug auf die Organisation (DHKP-C) bezeichnet und sodann folgende Angaben gemacht hat:

"Die Organisation war eine illegale, verbotene Organisation. Infolgedessen müssen ihre Aktivitäten auch illegal sein. (...) Sie sieht sich einem Staat gegenüber. Mit diesem Staat will sie Krieg führen. Dies ist das Ziel. Es ist ihr Ziel, das derzeitige System, den legalen, laizistischen Staat, mit bewaffneter Propaganda zu stürzen und einen Staat mit ihrer Ideologie zu errichten. (...) Dies werden sie niemals schaffen. Denn es gibt in der Türkei Millionen von Hs. Es gibt sozusagen 70-80 Millionen Menschen, die bereit sind, gegen diese zu kämpfen und bereit sind, dafür zu sterben. (...) Gegen den Staat werden sie nicht ankommen. (...)"

Nach Überzeugung des Senats finden diese Darlegungen ihre einleuchtende Erklärung aber in dem krankheitsbedingt fortdauernden Bemühen H Hs, den - nach seiner Vorstellung - in seiner früheren Einräumung, sich für den türkischen Geheimdienst betätigt zu haben, liegenden "Verrat am türkischen Staat" kompensieren bzw. revidieren zu können. Auch diese Gegebenheit fand daher bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit H Hs und der Zuverlässigkeit seiner Angaben Berücksichtigung.

Ferner hat der Senat beachtet, dass H H im Verlauf seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung wiederholt zu emotionalen Ausbrüchen und gegen die Angeklagten bzw. früheren Mitangeklagten gerichtete Aggressionsanfällen neigte. So äußerte er sich z. B. unmittelbar vor Beginn seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung, als er erstmalig im Sitzungssaal mit den Angeklagten bzw. früheren Mitangeklagten konfrontiert wurde lautstark wie folgt: "Redet doch jetzt, ihr Verräter! Was ist mit euch, ihr Ehrlosen, ihr Gottlosen? Redet doch jetzt!" Im Verlauf seiner Vernehmung nannte er sich selbst wiederholt "geborener Krieger", "Kämpfer gegen den Kommunismus", "Held" und "Träumer". Bei entsprechenden Einwürfen bezeichnete er die Angeklagten und die früheren Mitangeklagten als seine "Feinde", gegen die er "bis zum Ende kämpfen" werde und beschimpfte diese (einzeln oder insgesamt) als "Vaterlandsverräter", "Penner" oder "Mistkerle", die mit ihrem bewaffneten Kampf nichts erreichen und den türkischen Staat niemals zu Fall bringen können. Zu derartigen Äußerungen und Verhaltensweisen kam es beim Zeugen H insbesondere im Zusammenhang mit eindringlichen, teils perseverierenden Befragungen durch Verteidiger zu seinen Familienverhältnissen sowie insbesondere im Zusammenhang mit Fragestellungen zu seinen geheimdienstlichen Aktivitäten.

Exemplarisch anzuführen ist hierzu eine in der Hauptverhandlung erfolgte Befragung durch die Verteidigung des Angeklagten G. zu Kontaktaufnahmen mit dem MIT unter Vorhalt aufgezeichneter Inhalte eines per Mobilfunk durchgeführten Nachrichtenaustauschs. Nachdem H die Ausgangsfrage beantwortet hatte, wurde diese, zum Teil in leicht abgewandelter Form und Bemerkungen des Befragenden wie z. B. "Reden Sie keinen Unsinn!" bzw. "Klare Frage, klare Antwort!" insgesamt siebenmal in wechselnden Variationen und gestuften Ansätzen gestellt, bis sich H zu folgender Äußerung veranlasst S : "Ich sage: Nein! Was willst Du? Ich sage: Nein; ich sage: Ja; ich bin MIT; ich bin geheimdienstlicher Mitarbeiter; ich bin James Bond!" Nach kurzer Unterbrechung der Hauptverhandlung konnte die Befragung Hs zu anderen Themenbereichen an diesem Sitzungstag problemlos fortgesetzt werden. In vergleichbarer Weise reagierte H H bei einer, auf die Durchleuchtung von Kontakten und geschäftlichen Aktivitäten und (Auslands-) Aufenthalten seines Neffen (M S) zielenden, nachhaltigen Befragung durch die Verteidigung des früheren Mitangeklagten D.. Diese insistierte zuletzt auf der Beantwortung der Frage, an welchem Ort M S ein Café eröffnen wollte, worauf H in eine "emotionale Phase" geriet und sich - nachdem er zuvor angemerkt hatte, diese Thematik nicht als so wichtig angesehen und mit S keinerlei Geschäfte gemacht zu haben - zu folgendem Ausruf gedrängt S : "Ich kenne die Antwort nicht! (...)" verbunden mit dem Zusatz: "Ich steh´ vor euch wie ein Löwe; ich stehe gerade; uns wird niemals etwas passieren; einer geht, Millionen kommen; selbst 50 Rechtsanwälte werden euch nicht nutzen; auch wenn es in der Hölle ist, wir sehen / treffen uns wieder!"

Wie der Sachverständige Dr. S, dem derartige Äußerungen und Ausbrüche beispielhaft zur Kenntnis gebracht wurden, überzeugend dargelegt hat, ist auch diese Verhaltensweise eindeutiger Ausdruck der psychischen Erkrankung H Hs und der bei ihm bestehenden realen Angstsituation, die entsprechende, dysphorisch-aggressiv geprägte Stimmungsausbrüche und Verbalattacken auslösen könne, wenn eine besondere Belastungssituation hinzutrete, was bei einer Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung und damit verbundenen Memorierungen unzweifelhaft anzunehmen sei. Es handle sich um Zeichen äußerster Anspannung des Zeugen in Situationen, in denen er Ängste wie z. B. die Besorgnis von - gegen ihn oder seine Familie gerichteten - Racheakten der Angeklagten bzw. der DHKP-C und / oder Repressalien des MIT tatsächlich erlebe.

Krankheitsbedingt sind demzufolge auch entsprechende Äußerungen des Zeugen H im Rahmen seiner Exploration. Dort hat er - den Darlegungen des Sachverständigen Dr. S zufolge - im Rahmen der Erhebung seines aktuellen Beschwerdebildes unter Hinweis auf die ihm zugegangene Zeugenladung des Gerichts - bezogen auf die Angeklagten bzw. früheren Mitangeklagten - unter anderem mitgeteilt, dass er mit "den Hurensöhnen" nichts zu tun haben wolle, da diese "Teufel" seien; er werde "jetzt vor Gericht gehen und dafür sorgen, dass sie niemals mehr aus dem Knast herauskommen". Im Zuge der psychiatrischen Anamnese hat H H ergänzend angegeben, dass er sich "nicht so recht" traue, vor Gericht auszusagen und dies - verbunden mit dem Hinweis, dass es ihm, seit er von dem (Vernehmungs-) Termin wisse, in psychischer Hinsicht "nicht unbedingt besser" gehe - anschließend mit den Worten: "Werden die mich nicht auslachen, A und seine Freunde? Aber ich gehe doch dahin und beschuldige sie, dann lässt der Richter sie nicht raus und das ist dann auch besser für mich!" erläutert. Dass sich die psychische Verfassung H Hs nach Erhalt der Ladung als Zeuge im vorliegenden Verfahren erheblich verschlechtert hat, wurde nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S durch dessen Ehefrau (Berrin H), die - wie bereits dargelegt - bei der Exploration am 23. April 2008 teilweise anwesend war, bestätigt. Berrin H habe in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass ihr Ehemann Racheakte seitens der Angeklagten befürchte; überdies hätten sich die bei ihm vorliegenden Schuldgefühle, die Türkei verraten zu haben, seither wieder verstärkt.

Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass sich der psychische (Gesundheits-) Zustand des Zeugen H und dessen Befinden im Verlauf seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung etwas stabilisiert und sich insofern gebessert hat, dass er sich seiner "Selbst etwas bewusster" und sein "Befinden derzeit etwas besser" geworden ist. Eine entsprechende Entwicklung lässt sich mit der - durch zahlreiche Vernehmungstermine und den langen Zeitraum zwischen Beginn und Ende der Vernehmung H Hs in der Hauptverhandlung bedingten - Gewöhnung an die bestehende Prozess- / Aussagesituation bei gleichzeitig fortschreitender (fach-) ärztlicher Behandlung zwanglos erklären. Gleichwohl steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die beim Zeugen H festgestellte chronische Erkrankung weiter fortbesteht und dessen Aussagetüchtigkeit im beschriebenen Umfang nach wie vor eingeschränkt ist. Der Zeuge H hat im Anschluss an seine zunächst bis zum 24. September 2008 andauernde Vernehmung bei deren Fortsetzung in der Hauptverhandlung am 24. November 2008 auf die pauschale Frage des Senats, ob er an seinen bisherigen Aussagen - nach dieser Überlegensphase - etwas zu ändern habe, bekundet, dass es "keine Änderung" gebe. In gleicher Weise hat er vor dem Abschluss seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung vom 14. September 2009 angegeben, dass er nichts zu berichtigen oder zu ergänzen habe und zu den in Rede stehenden Vorgängen über die hierzu bereits von ihm gemachten Angaben hinaus keine weiteren Erinnerungen besitze. Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S sind - so wie vom Senat festgestellt - daher weiterhin uneingeschränkt Gültigkeit. Ein erneute Begutachtung des Zeugen H, der nach eigenem Bekunden seine Therapie nach (endgültigem) Abschluss seiner Vernehmung in einer stationären Einrichtung fortsetzen will, war somit nicht veranlasst.

Der Senat hat bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen H auch dessen weiteres Aussageverhalten gegenüber dem Sachverständigen Dr. S in den Blick genommen. Hierbei war festzustellen, dass - entgegen dem Vorbringen in dem auf Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens gerichteten, Beweisantrag der Verteidigung des Angeklagten Y. - bei den Schilderungen, welche H H zu Einzelheiten seiner psychischen Erkrankung und damit einhergehenden (Wahn-) Vorstellungen bei seiner Exploration einerseits und in seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung anderseits gemacht hat, keine nennenswerten Diskrepanzen festzustellen sind. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Äußerungen H Hs zu dem in diesem Zusammenhang thematisierten M.A.. So hat der Zeuge H etwa in der Hauptverhandlung am 25. November 2008 seine - bereits dargestellte - Aussage gegenüber dem Sachverständigen Dr. S, wonach ihm von einem "richtigen Djin" die Tötung As befohlen worden sei, die Frage der Verteidigung des früheren Mitangeklagten A, ob ihm (H) dieser "Obergeist", zwischenzeitlich wieder erschienen sei, bestätigt und lediglich dahingehend ergänzt bzw. vervollständigt, von besagter Erscheinung "später" d. h. mittlerweile auch vernommen zu haben, dass M.A. ihn (H) töten werde. Der Senat schließt nicht aus, dass H H in der bezeichneten Exploration gegenüber dem Sachverständigen Dr. S zu weitergehenden - in dem auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens gerichteten Beweisantrag der Verteidigung aufgeworfenen - Fragen wie etwa nach dem Grund des Misslingens seines Suizidversuchs im Verlauf seiner Inhaftierung sowie zu den Umständen seiner anschließenden stationären Behandlung in der Universitätsklinik Mainz unzutreffende Angaben gemacht hat. Zu einer sicheren Bewertung der Glaubwürdigkeit H Hs war der Senat auch ohne Klärung weiterer Einzelheiten dieser, lediglich das Randgeschehen betreffenden, Thematik sicher in der Lage.

Vor dem Hintergrund, dass die Angaben des Zeugen H zum Kerngeschehen - wie noch auszuführen ist - in wesentlichen Teilen durch unabhängige Zeugen, verschiedene, im Rahmen der durchgeführten Telekommunikationsüberwachung aufgezeichnete Telefonate sowie durch die Inhalte einer Vielzahl von organisationseigenen Dokumenten bestätigt worden sind und gestützt werden, waren Erhebungen über die in der Hauptverhandlung durchgeführte Beweisaufnahme hinaus nicht veranlasst. Dies gilt insbesondere für Fragestellungen zu Aussagen und Verhaltensweisen H Hs, die dieser erst im Anschluss an seine umfassenden einräumenden Einlassungen im Rahmen der (Beschuldigten-) Vernehmungen vom März / April 2003 und somit nach Manifestierung seiner psychischen Erkrankung gemacht bzw. geschildert hat.

Auch die Diskrepanzen, zwischen den Angaben des Zeugen H zu seiner Rückkehr in das Bundesgebiet nach Beendigung der Kurierfahrt an der bulgarisch-türkischen Grenze in der Hauptverhandlung und den hierzu im Rahmen seiner Vernehmungen im März / April 2003 gemachten Aussagen wird durch die vorliegende psychiatrische Erkrankung H Hs plausibel erklärt, da diese Thematik besonders eng mit seiner damaligen geheimdienstlichen Betätigung für den MIT verknüpft ist. Hinzu kommt, dass die entsprechende Schilderung offensichtlich - wie noch auszuführen ist - auf Vorgaben des türkischen Geheimdiensts beruht bzw. hiervon beeinflusst worden ist. Vor diesem Hintergrund ist der Senat überzeugt, dass auch die vom Zeugen H in der Hauptverhandlung aufgestellte Behauptung, wonach die in der bezeichneten Vernehmung vom 30. November 2004 zu seiner Rückkehr nach Deutschland auf dem Landweg gemachte Aussage zutreffend gewesen sei, krankheitsbedingt falsch ist.

Soweit H H in der genannten Vernehmung vom 30. November 2004 darüber hinaus den Hintergrund und Verlauf der Kurierfahrt abweichend zu seinen hierzu in der Hauptverhandlung gemachten Angaben und seinen einräumenden Einlassungen in den Vernehmungen im März / April 2003 geschildert hat, wird dies plausibel durch folgende, von ihm in der Hauptverhandlung abgegebene Darstellung erklärt:

Es sei ihm klar gewesen, dass die damalige Vernehmung vor dem Amtsgericht Germersheim von einer türkischen Strafkammer beantragt worden und für das dort gegen ihn geführte Strafverfahren bestimmt gewesen sei. Er habe deshalb seinerzeit (auch) Unwahres angegeben und zur Herbeiführung einer Aussage "für die Türkei", die in Rede stehenden Vorgänge betreffend den Waffentransport nicht so wie bei den vorangegangenen Vernehmungen durch die Polizei geschildert. Es sei ihm seinerzeit maßgeblich darum gegangen, möglichst "keine allzu hohe Strafe in der Türkei" zu bekommen. Es sei ihm damals klar gewesen, dass ihm von den türkischen Strafverfolgungsbehörden "Waffenschmuggel" vorgeworfen wurde. Er habe auch gewusst, dass er deshalb in der Türkei gesucht wurde.

Vor dem Hintergrund der bezeichneten, auch auf die türkischen Sicherheitskräfte bezogenen Angstvorstellungen H Hs ist dieses (Aussage-) Verhalten zwanglos nachzuvollziehen.

Die im bezeichneten, auf die Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens gerichteten, Beweisantrag der Verteidigung des Angeklagten Y. aufgeworfene Thematik, welchen Hintergrund der Kontakt Hs während seines stationären Aufenthalts im Universitätsklinikum Mainz zu einer Person namens G hatte und ob bzw. in welcher Weise er zur Zeit seiner richterlichen Vernehmung durch den Staatsschutzsenat des OLG Koblenz am 01. April 2004 medizinisch behandelt wurde, brauchte über die hierzu erfolgten Beweiserhebungen hinaus nicht untersucht zu werden.

Der Senat hat zu den Abläufen der Verhandlung vor dem Staatsschutzsenat des OLG Koblenz am 01. April 2004 neben den Mitgliedern des seinerzeit erkennenden Staatsschutzsenats des OLG Koblenz (VROLG V, RinOLG Hardt und ROLG S) den am damaligen Strafverfahren als Vertreter der Bundesanwaltschaft beteiligten Zeugen StA b. BGH V sowie den Polizeibeamten KOK F ausführlich gehört und dabei auch zum damaligen (gesundheitlichen) Zustand H Hs befragt. Die Zeugin Berrin H, der die Anwesenheit in der Hauptverhandlung in dem Verfahren vor dem OLG Koblenz - wie bereits ausgeführt - als "Beistand" für H H gestattet zugelassen war, hat auf Frage der Verteidigung des Angeklagten Y. angegeben, zu dem in Rede stehenden Vorgang heute keine konkrete Erinnerung mehr zu haben. Weitergehende Erhebungen zu der Frage, ob H H - wie von ihm in der Hauptverhandlung zunächst bekundet - im Jahre 2004 im Rahmen seiner Behandlung in der Vollzugsanstalt, auch am Tag der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Koblenz, eine (oder mehrere) "Spritze(n)" erhalten hat, waren - insbesondere auch für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit H Hs - nicht veranlasst. Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich bei diesem Aussageverhalten offensichtlich um den mit seiner psychischen Erkrankung und damit einhergehenden Beschränkungen seiner Aussagetüchtigkeit zu erklärenden Versuch H Hs handelt, sich von den in der Hauptverhandlung vor dem OLG Koblenz - wenn auch nur in pauschaler Form - gemachten Einräumungen zu einer früheren Kooperation mit dem türkischen Geheimdienst distanzieren zu können. Hierfür spricht auch, dass sich H H in der Hauptverhandlung in vorliegender Sache erst auf Nachfragen des Senats zunächst eine Erinnerungslücke aufgrund einer vor der Verhandlung vor dem OLG Koblenz erhaltenen Spritze behauptet hat und bei weiterer Nachfrage nicht einmal mehr sagen konnte, ob er tatsächlich zeitnah vor der dortigen Hauptverhandlung eine Spritze bekam oder nicht.

Zu den Gegebenheiten während seines stationären Aufenthalts in der Universitätsklinik Mainz in der Zeit von Ende Juli 2003 bis Ende September 2003 hat der Zeuge H Folgendes angegeben:

Er sei seinerzeit etwa 10-mal von einer Person namens G, einem türkischstämmigen Psychologen, besucht worden. Es sei damals klar gewesen, dass eine entsprechende Betreuung durch eine, mit der türkischen Sprache vertraute Person erforderlich war. Eine solche habe sich im Klinikum jedoch nicht gefunden. Weil er (H) sich seinerzeit im Zeugenschutzprogramm befunden habe, sei der entsprechende Kontakt zu G über die Polizei vermittelt worden. Er habe hierbei zu G, den er zuvor nicht gekannt habe, eine Beziehung wie ein Patient zu einem Arzt aufgebaut. G habe eine - im Rahmen der damaligen Behandlung erforderlich gewordene - Gesprächstherapie mit ihm durchgeführt. Jede Woche sei ein oder zweimal eine etwa halbstündige Therapie durchgeführt worden. Er (G) habe versucht herauszufinden, wodurch die bei ihm (H) vorliegende psychische Erkrankung (Depression) ausgelöst worden sei. Insofern sei natürlich auch der Suizidversuch thematisiert worden. G habe ständig positiv auf ihn eingesprochen und erklärt, dass es keinen Grund gebe, Selbstmord zu begehen. Über die Vorwürfe, die ihm (H) seinerzeit von den Strafverfolgungsbehörden gemacht wurden, sei nicht gesprochen worden. Daran sei G nicht interessiert gewesen. Dieser habe sich nach seiner (Hs) Entlassung aus der Universitätsklinik Mainz und einem sich daran anschließenden Aufenthalt in einer psychosomatischen Fachklinik noch etwa drei oder vier Mal telefonisch gemeldet, bevor der beiderseitige Kontakt endgültig abgebrochen sei.

Der Senat hat den Wahrheitsgehalt dieser Angaben durch Vernehmung des Zeugen KOK F überprüft und - wie bereits ausgeführt - hierzu auch den Zeugen Prof. Dr. Winterer, der H H während dessen stationärer Behandlung im Universitätsklinikum Mainz betreut hat, befragt. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der in Rede stehenden Aussage haben sich hierdurch nicht ergeben. Die ebenfalls zu diesem Themenkomplex befragte Zeugin Berrin H hat angegeben, dass sie nicht wisse, wer "Herr G" war und zu dieser Person keine Angaben machen könne. Hinzu kommt Folgendes: Der Senat hat auf einen Beweisantrag der Angeklagten, mit dem (u. a. ) die Ladung und Vernehmung des beim LKA Rheinland-Pfalz als (Auftrags-) Dolmetscher beschäftigten und im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren nach dem Verpflichtungsgesetz verpflichteten Zeugen G erstrebt wurde, bei dessen Dienstvorgesetzten eine Entscheidung darüber herbeigeführt, ob dem Genannten für die Beweistatsache (Besuche, Gespräche, Vernehmungen und Ausführungen H Hs während dessen Aufenthalts im Universitätsklinikum Mainz im Rahmen des Zeugenschutzprogramms) eine Aussagegenehmigung erteilt wird. Mit Erlassen vom 30. Juni 2009, 06. Juli 2009 und 15. Juli 2009 ist dies in beschränktem Umfang erfolgt; von dieser Genehmigung ausgenommen wurden aber Umstände, welche die Zeugenschutzbetreuung des H H, insbesondere während dessen Aufenthalts im Universitätsklinikum Mainz im Sommer 2003 betreffen. Hiernach war festzustellen, dass die benannte Beweisperson G zur Beantwortung von Fragen im Zusammenhang mit den Zeugenschutzmaßnahmen H keine Aussagegenehmigung besitzt. In einer hierzu vom Senat eingeholten Erklärung hat der Zeuge G angegeben, sich für den Fall einer Ladung auf seine fehlende Aussagegenehmigung zu berufen.

Schließlich war auch die Klärung der in dem auf die Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens gerichteten, Beweisantrag der Verteidigung unter Bezugnahme auf einen Bericht der türkischen (Tages-) Zeitung Hürriyet in deren Ausgabe vom 05. Juli 2004 aufgeworfene(n) Fragen(n), ob H H im Jahre 2004 gegenüber einem Korrespondenten dieser Publikation ein Interview gegeben und darin Angaben zu den Gegebenheiten seiner Vernehmungen und früheren Inhaftierung sowie den Umständen seiner Festnahme gemacht habe, nicht veranlasst. Wie bereits ausgeführt, war H H zu dem in Rede stehenden Zeitpunkt (Juli 2004) psychisch bereits schwerwiegend erkrankt und litt - wie heute - unter depressiven Zuständen, Wahnvorstellungen sowie ausgeprägten Verfolgungsängsten. Aus vorgenannten Gründen waren weitergehende Untersuchungen zur bezeichneten Thematik (Äußerungen H Hs gegenüber Dritten) über die hierzu im Rahmen der Beweisaufnahme durchgeführten Erhebungen hinaus für die sichere Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen H und die Glaubhaftigkeit seiner Angaben nicht (mehr) erforderlich. Ob sich H H gegenüber dem bezeichneten Presseorgan geäußert und in diesem Zusammenhang unwahre Angaben gemacht hat, kann deshalb auf sich beruhen.

H H ist bei seinen Vernehmungen zu keiner Zeit in unzulässiger Weise beeinflusst worden. Dies ergibt sich aus seinen eigenen Angaben, die durch die glaubhaften Bekundungen der als Zeugen gehörten Verhörspersonen früherer Vernehmungen bestätigt worden sind. Anhaltspunkte für die Annahme, dass ihm ein gesetzlich nicht vorgesehener Vorteil versprochen oder gewährt worden wäre, haben sich nicht ergeben. Die zeitweilige Aufnahme des Zeugen H und dessen Familie in ein Zeugenschutzprogramm des Landes Rheinland-Pfalz stellt kein unzulässiges Versprechen im Sinne des § 136a StPO dar. Dass H über diese Hilfestellung hinaus immaterielle oder materielle Vorteile gewährt oder in Aussicht gestellt wurden, war nicht ersichtlich. Klarstellend ist festzuhalten, dass auch eine mögliche Erwartung des Zeugen H, dass er und seine Familie bei umfassenden Einräumungen in das polizeiliche Zeugenschutzprogramm aufgenommen werde und ein entsprechendes Aussageverhalten überdies im Rahmen des seinerzeit gegen ihn geführten Strafverfahrens strafmildernd berücksichtigt werden könnte, legitime Aussagemotivationen darstellen. Anhaltspunkte für die - im bezeichneten, auf die Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens gerichteten, Beweisantrag der Verteidigung zum Ausdruck gebrachte - Annahme, H H könne durch derlei Erwägungen zu Falschaussagen bestimmt bzw. veranlasst worden sein, haben sich nicht ergeben.

6. Zur Glaubhaftigkeit der Angaben H Hs im Einzelnen

a. DHKP-C

Der Senat ist überzeugt, dass die einräumenden Einlassungen, die der Zeuge H im Rahmen seiner Vernehmungen im März / April 2003 gemacht hat und dessen Bekundungen in der Hauptverhandlung, soweit diese mit den geständigen Angaben in den bezeichneten früheren Vernehmungen übereinstimmen, glaubhaft und inhaltlich richtig sind. Die Angaben H Hs zum Zweck seiner Fahrt in die Türkei im September 2002, seinem - damit verknüpften - Aufenthalt in Bulgarien, zum Abstellen des Kurierfahrzeugs an der bulgarisch-türkischen Grenze sowie zu den Umständen seiner Rückreise / Rückkehr nach Deutschland und seinen Kenntnissen über die im Fahrzeug versteckten (Schuss-) Waffen sowie der sonstigen, an der Vorbereitung bzw. Durchführung dieses Transports beteiligten Personen sowie deren Wissensstand in den bezeichneten (Beschuldigten-) Vernehmungen vom März / April 2003 sind hinsichtlich ihres wesentlichen Kerngehalts frei von Divergenzen oder Widersprüchen. Seine Angaben in den bezeichneten Vernehmungen sind von Beginn an durch ein konstant hohes Maß an Detailreichtum geprägt. H H hat seinerzeit von Vernehmung zu Vernehmung auf Stichworte und / oder Nachfragen der Verhörspersonen seine Aussage im Zusammenhang mit der - zunächst teilweise von ihm ausgesparten - Schilderung seiner Kooperation mit dem türkischen Geheimdienst um immer weitere Einzelheiten logisch ergänzt. Isoliert betrachtet sind seine innerhalb der Vernehmungen im März / April 2003 gemachten Angaben stringent, in sich stimmig und frei von jeglicher Ungereimtheit.

Die fehlende Konstanz zu vorangehenden und nachfolgenden Vernehmungen und damit einhergehende Widersprüche und Divergenzen zu einzelnen Punkten dieser Themenkreise finden lückenlos durch die - ausgeführten - besonderen Gegebenheiten in der Person des Zeugen H ihre plausible Erklärung. Die aufgezeigten Besonderheiten im Aussageverhalten H Hs ändern daher an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben im beschriebenen Umfang nichts.

Für die Glaubwürdigkeit des Zeugen H im bezeichneten Umfang spricht, dass dieser in der Hauptverhandlung, von - den dargestellten - krankheitsbedingten Ausbrüchen abgesehen, im Wesentlichen sachliche Angaben gemacht hat. Er war stets darum bemüht, die einzelnen Tatbeiträge der an dem Waffentransport beteiligten Personen wahrheitsgemäß und ohne Übertreibungen zu schildern. Er hat bei seiner Aussage zudem offengelegt, zu welchen Punkten er mangels eigener Erkenntnisse keine Angaben machen könne und wo er in der Erinnerung unsicher sei.

So hat er etwa die Frage, wer ihm den Auftrag zur Durchführung der Kurierfahrt betreffend den in Rede stehenden Waffentransport erteilt hat, dahingehend beantwortet, dass diese Person (A C) nicht (mehr) hier in Deutschland, sondern zwischenzeitlich in der Türkei inhaftiert sei. Bei seinen polizeilichen Vernehmungen im März 2003 hat er - wie die Zeugen KOK F und KHK A übereinstimmend bestätigt haben - überdies angegeben, dass im Rahmen seiner Kontakte mit den früheren Mitangeklagten A und S nicht darüber gesprochen worden sei, welche Gegenstände bei dem in Rede stehenden Transport konkret befördert werden sollten. In der Hauptverhandlung hat er dies bestätigt und weitergehend bekundet, dass es nach seinem Dafürhalten durchaus sein könne, dass S ("K") keine konkrete Kenntnis davon gehabt habe, dass Waffen transportiert wurden, da die ganze Sache sehr geheim gehalten wurde. Mit A sei er erst zusammengetroffen, nachdem die Polizei C festgenommen habe. Er habe A zwar wiederholt auf die geplante Kurierfahrt angesprochen; dieser habe sich ihm gegenüber jedoch nur sehr zurückhaltend hierzu geäußert. Im Hinblick auf den früheren Mitangeklagten D. hat der Zeuge H in der Hauptverhandlung bekundet, heute nicht mehr zu wissen, ob bei der Fahrzeugübergabe (nochmals) über den Gegenstand des bevorstehenden Transports gesprochen worden sei. Das Versteck in dem Mercedes sei in dem Zeitpunkt, als er das Fahrzeug von D. übernommen habe, jedenfalls leer gewesen.

Auch hinsichtlich der Angeklagten G. und Y. hat H H zu keinem Zeitpunkt einen überschießenden Belastungseifer erkennen lassen. Hinsichtlich der Frage zum Kenntnisstand des Angeklagten G. betreffend den Waffentransport hat er in seiner (Beschuldigten-) Vernehmung am 07. März 2003 angegeben, aufgrund des Umstands, dass der Angeklagte G. eine "Brückenfunktion" zwischen ihm (H) und der Zentrale eingenommen habe, zu der Schlussfolgerung gelangt zu sein, dieser habe auch über die in Bulgarien erfolgte Beladung des Kurierfahrzeugs mit Waffen genau Bescheid gewusst. Bereits in seiner Vernehmung vom 12. März 2003 hat H hierzu - wie der Zeuge KOK F angegeben hat - klarstellend mitgeteilt, G. sei bekannt gewesen, dass ein Kuriertransport in die Türkei angestanden habe; er (G.) habe jedoch so getan, als ob er nichts Weiteres darüber wisse, über Waffen habe dieser explizit nicht gesprochen. In seiner Vernehmung in den Hauptverhandlung hat der Zeuge H bestätigt, dass G. über die in Rede stehende Kurierfahrt im September 2002 informiert gewesen sei, dass er (H) nach Bulgarien fahren und "etwas" in die Türkei transportieren sollte. Zur Frage, ob G. auch gewusst habe, dass es sich bei den Transportgütern um "Waffen" handelte, gab er an, dass dies durchaus sein könne. Er sei jedoch (heute) nicht mehr in der Lage, dies mit Sicherheit zu sagen, da er sich diesbezüglich nicht (mehr) genau erinnere. Auf Nachfrage schilderte der Zeuge H schließlich, er nehme heute an, dass G. von den im Kurierfahrzeug versteckten (Schuss-) Waffen wohl erst nach deren Sicherstellung in der Türkei erfahren habe.

Schließlich lässt auch die im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung aufgestellte, im Zuge der durchgeführten Beweisaufnahme weder verifizierte noch widerlegte Behauptung des Zeugen H, wonach sich G. als Informant für den deutschen Verfassungsschutz betätigt (hat), keinen, die Zuverlässigkeit seiner übrigen Angaben, soweit diesen gefolgt werden kann, in Zweifel ziehenden, Belastungseifer erkennen. Zunächst hat der Zeuge H hierzu in seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung - vor Abtrennung des Verfahrens gegen die früheren Mitangeklagten A, S und D. - lediglich angegeben, dass sich unter den Angeklagten ein Mitarbeiter des deutschen Verfassungsschutzes befinde. Zu weiteren Individualisierungen war er zunächst nicht bereit. Hieran hielt er auch nach Hinweis auf seine Aussageverpflichtung und der im Weigerungsfall drohenden Ordnungsmittel fest. Erst auf wiederholte Nachfragen des Senats und anderer Verfahrensbeteiligter teilte der Zeuge H schließlich mit, dass die fragliche Person der Angeklagte G. sei. Er berief sich hierzu auf seine - bereits ausgeführten - Kontakte zu "Thomas", der als Polizeibeamter aufgetreten sei. Dieser habe bei seinem Anwerbungsversuch "passbildähnliche" Fotos von G. und S A gezeigt verbunden mit dem Hinweis, es handle sich um "unsere Freunde", die ihm notfalls helfen könnten, auch für den Fall, dass es "Probleme" gebe. Vor dem Hintergrund, dass H H - wie noch auszuführen ist - tatsächlich mit dem Verfassungsschutz kooperiert hat, ist es nicht ausgeschlossen, dass ihm von dortiger Seite tatsächlich ein Lichtbild des Angeklagten G. unterbreitet wurde, was H - möglicherweise in fehlerhafter Interpretation der konkreten Zusammenhänge - als Beleg für eine Informantentätigkeit G.s gewertet hat.

Von entscheidender Bedeutung für die vom Senat im bezeichneten Umfang angenommene Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen H war jedoch, dass die entsprechenden Teilaussagen durch das Ergebnis der übrigen Beweisaufnahme in wesentlichen Punkten eindrucksvoll als zutreffend bestätigt worden sind. Hierzu im Einzelnen:

aa. Einbindung in die Rückfront

Dass H H - wie von ihm bekundet - mit Erfolg Kontakte zur DHKP-C aufgenommen und mit Aktivisten und Funktionären der Rückfront kooperiert hat, belegt der - in zahlreichen Dateien aus der niederländischen Rechtshilfe dokumentierte und nachfolgend im Einzelnen noch darzustellende - Nachrichtenaustausch der Europaführung, in welchem häufig von einem Pizzabäcker / -mann / -verkäufer (auf türkisch: Lahmacuncu) die Rede ist. Der Senat ist überzeugt, dass es sich bei der solchermaßen konspirativ umschriebenen Person um H H handelt.

Dieser war nach seinen eigenen, mit den Feststellungen zu seiner Person in dem Urteil des OLG Koblenz vom 01. April 2004 und dem Urteil des AG Landau in der Pfalz vom 11. August 1999 (Az. 7028 Js 14360/98 1 Ds) übereinstimmenden Angaben früher als - angestellter bzw. selbstständiger - Pizza- und Flammkuchenbäcker beschäftigt. Außerdem heißt es in einem Bericht der Europaverantwortlichen vom 28. November 2002 (Datei ID-Nr. 763 070), in welcher über eine Nachricht Gs vom 21. November 2002 informiert wird, unter Punkt 27 wie folgt:

"Zu H sagen wir türkische Pizza Mann / Pizzabäcker, gibt es eine Entwicklung, mit dieser Angelegenheit / diesem Problem soll sich ausschließlich C befassen, mischt Ihr Euch / mischen Sie sich in diese Sache nicht ein."

Am 10. Dezember 2002 berichtet G (Datei-ID-Nr. 763 226) über eine weitere, von ihr stammende Notiz. Darin schreibt die Europaverantwortliche unter anderem Folgendes: "(...) 5- Gibt es keine Entwicklung in Bezug auf H. H? Wir nennen diesen Mann Pizzabäcker. C soll mit ihm sprechen und in Erfahrung bringen, wie der letzte Stand ist. (...)" Die organisationsinterne Thematisierung H Hs unter dem / den bezeichneten Codenamen belegt auch ein Bericht der Europaverantwortlichen vom 15. März 2003 (Datei ID-Nr. 751 051); darin informiert G unter Punkt 1 ihrer Mitteilung, dass in der Zeitschrift Focus ein "Artikel über den türkischen Pizzamann erschienen" sei, dessen "Übersetzung" beigefügt werde. In der zitierten Reportage wird darüber berichtet, dass von der Kriminalpolizei Mainz ein als "H H." bezeichneter "Waffenschmuggler", der "als Aktivist der linksextremkommunistischen Organisation DHKP-C aktenkundig" sei über eine "Beziehung zum türkischen Konsulat" verfügt habe, am "18. Februar um 8 Uhr in Germersheim" festgenommen worden sei. Weiter wird in der, dem bezeichneten Bericht Gs beigefügten Übersetzung des Focus-Artikels dargelegt, dass mittels einem "aus Germersheim stammenden Wagen" Waffen "auf den Weg in die Türkei" gebracht wurden; das Fahrzeug sei an der türkisch-bulgarischen Grenze abgestellt und die darin versteckten Waffen aufgefunden worden. Kurz darauf übermittelt G am 19. März 2003 der Parteiführung eine weitere Nachricht (Datei ID-Nr. 748 982), in welcher die Europaführung den früheren Mitangeklagten A darüber in Kenntnis setzt, dass die ("auch") in der Zeitschrift Focus erschienene "Nachricht über den türkischen Pizzabäcker / -verkäufer" gelesen wurde.

Schließlich wird der (Klar-) Name H Hs in der Mitteilung der Europaverantwortlichen vom 14. September 2003 (Datei ID-Nr. 753 666), in der über eine Kurierfahrt des H A (Deckname G - hierzu später mehr) in die Türkei berichtet wird, ausdrücklich benannt. Darin heißt es nach dem - von G stammenden - Hinweis: "(...) Informationsnotiz, die K an A geschickt hat und die ich weiterleite" wie folgt:

"WICHTIGE NOTIZ; Es steht fest, was die Angelegenheit mit H A auf sich hat. Er ist aus dem Urlaub zurückgekommen. Es gab einen interessanten Vorfall. Diese Information muss an die Freunde geschickt werden. Der Vorfall ist folgender: nachdem H ins Land eingereist war, wurde er in Gewahrsam genommen. Der Grund für die Ingewahrsamnahme war, dass das Auto der Marke Mercedes, den H H gefahren hatte, zuvor auf seinen Namen registriert war, und dass er 1998 in die Türkei ein- und ausgereist ist. (...) KURZ GESAGT: es wird behauptet, dass dieses Fahrzeug das gleiche Fahrzeug sei, welches H H gefahren habe, und dass es auch zuvor beim Transport von Organisationsmitgliedern benutzt worden sei. (...)"

Tatsächlich war - wie noch zu zeigen ist - der von H H bei dem Waffentransport benutzte Mercedes im Jahre 1998 zur Durchführung einer von der DHKP-C organisierten Kurierfahrt in die Türkei auf H A zugelassen worden.

Für die Richtigkeit der Angaben H Hs zu seiner Integration bzw. Einbindung in die DHKP-C und der dort von ihm entfalteten Aktivitäten spricht auch, dass er - wie sich aus den übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen KOK F und KHKin S-K ergibt - im Rahmen seiner Vernehmungen außer der Identifizierung der beiden Angeklagten und der früheren Mitangeklagten A, S und D. anhand von (Wahl-) Lichtbildvorlagen problemlos und zweifelsfrei auch zahlreiche weitere Personen, der Organisation zuzurechnende Funktionäre und Aktivisten, zutreffend (namentlich) benennen konnte. Neben den bereits genannten A C (T / T) und Ö.B. (M / M) gehörten hierzu auch E G (H / H), H I (H), A Y. N (T), A C, B A, S A, V A und D A B, welche - wie die Zeugen KOK F und KHKin S-K glaubhaft bekundet haben - im Zuge durchgeführter Telefonüberwachungsmaßnahmen zum überwiegenden Teil als Kontaktpersonen des Angeklagten G. festgestellt werden konnten. Hierzu passt, dass - wie bereits ausgeführt - in einer dem Angeklagten G. gehörenden, am 09. Juli 2003 in der Wohnung A Cs sichergestellten Sporttasche auch Notizzettel aufgefunden wurden, auf denen handschriftlich die telefonische Erreichbarkeit mehrerer Organisationsangehöriger aus der genannten Personengruppe verzeichnet war.

N (T) war - wie sich aus dem bereits erwähnten Bericht in der Datei ID-Nr. 752 925 ergibt - ehemals Verantwortlicher der DHKP-C für das Gebiet Frankfurt am Main. Auch er war organisationsintern - wie ein Bericht Gs vom 23. Januar 2003 (Datei ID-Nr. 748 826) belegt - in die Vorbereitung eines Transports von (Faustfeuer-) Waffen (Radios) eingebunden. Zu H I (H) wird im bezeichneten Bericht Folgendes vermerkt:

"H I: (Darmstadt) Sie kamen um 05:50 Uhr. (...) Sie sind in die Wohnung und haben gefragt, wer noch da sei. (...) Sie haben nach Waffen und Chiffren gesucht. Die Notizen von E haben sie für Chiffren gehalten (die Sängerin von Y). (...) Sie haben für das Zelt vorbereitete Fotos, 2 gefälschte Ausweise auf den Namen U (Bruder / Schwester von H), Telefonnummern mitgenommen. (...)"

In einer Notiz Gs vom 08. Oktober 2002 (Datei: Export-12/Unallocated Clusters~44) zur Situation in den Gebieten "Frankfurt und Mannheim" wird ergänzend mitgeteilt, dass es dort "H", einen Asylbewerber, gebe, der in "der Heimat" als "Revolutionär" tätig, im "Gefängnis eingesessen" und "hierher geflüchtet" sei. Hinsichtlich Durmus A wird im bezeichneten Dokument (Datei ID-Nr. 752 925) der Zusatz "(in der Nähe des Gebiets Mannheim)" vermerkt und mitgeteilt, dass er 6 Zeitschriften verteilt hat.

Auch in der Hauptverhandlung hat der Zeuge H auf Vorhalt der Namen T, A N, A C und B A bestätigt, die entsprechenden Personen im Rahmen seiner früheren Kontakte mit bzw. in der DHKP-C kennen gelernt zu haben. Er habe diese "von Zeit zu Zeit" ebenso wie S A, der in der Gegend von Worms gewohnt und agiert habe, sowie V A aus Wiesloch getroffen. Dass S A mit Funktionären der Rückfront in Verbindung stand, ergibt sich neben einer - im Dokument Datei ID-Nr. 754 525 enthaltenen - "Informationsnotiz" des Angeklagten Y. aus einem organisationsinternen, von G mit Schreiben vom 25. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 752 925) an die Zentrale weitergeleiteten, Bericht ("Notiz von C A in Bezug auf die Durchsuchungen im Gebiet Mitte"). Dort heißt es unter anderem wie folgt:

"(...) - S A (VERHAFTET): Sie kamen um 06:00 Uhr und haben die Wohnung / das Haus mit einer Kamera aufgenommen, S vor den Augen seiner Kinder Handschellen angelegt. (...) Das, was sie mitgenommen haben: 1 Gaspistole, 6 Zeitschriften, Handzettel, Adressenheft. (...) - S hat einen Anwalt. (...) Wir lassen seine Familie nicht allein. Wir haben Taschengeld geschickt. Sein Anwalt ist für politische Verfahren zuständig und zugleich der Anwalt von C. Sein Honorar werden wir bezahlen. (...)"

Die Einbindung H Hs in die DHKP-C wird ferner durch die Bekundungen seiner Ehefrau, der Zeugin Berrin H, bestätigt. Diese hat in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung glaubhaft angegeben, ab dem Jahre 2000 oft Streit mit ihrem Ehemann gehabt zu haben. Dieser sei öfter als früher Nächtens außer Haus gewesen. Er habe mitunter erzählt, an Plakatierungen beteiligt zu sein und - ab etwa 2001 - damit begonnen, regelmäßig türkischsprachige Zeitschriften mitzubringen, die ihr bis dahin unbekannt gewesen seien. Inhaltlich seien dort "blöde Sachen" und "Quatsch" wie z. B. die Durchführung von Hungerstreiks und andere Aktionen in der Türkei abgehandelt bzw. propagiert worden. Sie habe deshalb ihrem Ehemann immer wieder Vorhaltungen gemacht ("mit ihm geschimpft") und die entsprechenden Druckwerke, "schon der Kinder wegen (...) unter der Couch versteckt" bzw. weggeworfen. H H habe damals von Zeit zu Zeit auch G. ("C") mit nach Hause gebracht und ihr diesen als seinen "Freund" vorgestellt. Im Rahmen von "politischen" Unterhaltungen habe G. in Aussicht gestellt, dass die Türkei eine bessere Zeit erwarte, wenn einer "von ihnen" einmal Präsident sein werde. Dies könne bald der Fall sein. Der Senat ist vor diesem Hintergrund überzeugt, dass es sich bei den von der Zeugin Berrin H bezeichneten Zeitschriften um Publikationen der DHKP-C handelte.

Anhaltspunkte, die Richtigkeit der Angaben der Zeugin Berrin H in Zweifel zu ziehen, haben sich nicht ergeben. Der Senat hat dabei nicht übersehen, dass die Angeklagten und die früheren Mitangeklagten von der Genannten in der Hauptverhandlung pauschal als "widerliche Leute" und "Vaterlandsverräter" bezeichnet wurden. Hierbei war aber zu berücksichtigen, dass der Angeklagte G. und der frühere Mitangeklagte S umgekehrt die Zeugin Berrin H als "Schakal" und "Faschistin" (G.) sowie als "widerliches Kopftuch" (S) beschimpft haben. Der Senat hat die entsprechenden Äußerungen jeweils als spontane Reaktion und Zeichen einer besonders ausgeprägten (An-) Spannung der Zeugin in der entsprechenden Vernehmungssituation gewertet, die - hinsichtlich der Zeugin Berrin H - eine Belastungstendenz zum Nachteil der Angeklagten nicht besorgen lässt.

Die Richtigkeit der Aussagen des Zeugen H, wonach er im Anschluss an seine Kontaktaufnahme mit der Organisation zusammen mit Funktionären und Aktivisten der Rückfront verschiedene Tätigkeiten für die DHKP-C entfaltet hat, wurde bestätigt durch die Bekundungen des Zeugen KOK F. Dieser hat - wie bereits ausgeführt - glaubhaft angegeben, dass H H bereits vor der Erlangung polizeilicher Erkenntnisse betreffend den Waffentransport bei der Polizei in staatsschutzrechtlicher Hinsicht "auffällig geworden" war. So habe man etwa im Zuge des bei der Staatsanwaltschaft Koblenz seit Oktober 2001 gegen Angehörige der DHKP-C geführten Ermittlungsverfahrens festgestellt, dass H nicht nur DHKP-C-Veranstaltungen besucht hat, sondern auch an dem Verkauf von Eintrittskarten für derartige Ereignisse sowie der Verteilung von Propagandamitteln der Organisation beteiligt war. Eine darüber hinausgehende, besondere Funktion Hs innerhalb der DHKP-C (-Struktur) sei seinerzeit nicht registriert worden. Gelegentlich habe dieser sein Kraftfahrzeug für organisationsinterne Zwecke zur Verfügung gestellt oder selbst als Fahrer fungiert. Im Verlauf einer am 15. September 2001 erfolgten Besetzung von Räumlichkeiten des AStA an der TU Darmstadt durch eine TAYAD-Gruppierung am 15. September 2001 sei einer an der Besetzung beteiligten Person das Kraftfahrzeug H Hs zugeordnet worden. Dies passt zu den Aussagen H Hs, der im Rahmen seinen polizeilichen Vernehmungen im März 2003 - wie der Zeuge KOK F bekundet hat - im Zusammenhang mit Aktivitäten der Organisation unter anderem über eine derartige Besetzungsaktion berichtet hat, die seinerzeit durchgeführt worden sei, weil in der Türkei eine Person beim Todesfasten verstorben war.

bb. Kontakte mit den Angeklagten

Dass H H im Zuge dieser Eingliederung in die Organisation - wie von ihm bekundet - zum Angeklagten G. Verbindung aufgenommen und in der Folge Kontakt gehalten hat, wird neben der bereits erwähnten Bekundung der Zeugin Berrin H durch zahlreiche, im Einzelnen noch auszuführende, organisationsinterne Dokumente aus der niederländischen Rechtshilfe bestätigt.

Ferner hat der Zeuge KOK F glaubhaft angegeben, dass anhand der im Rahmen des bezeichneten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Koblenz bei der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums Mainz geführten Untersuchung festgestellt worden war, dass H H seit Anfang / Mitte März 2002 in regelmäßigem telefonischen und persönlichen Kontakt mit dem Angeklagten G. gestanden hat. Beispielhaft anzuführen ist hierzu ein am 23. April 2002 gegen 18:26 Uhr im Zuge der durchgeführten Telefonüberwachung aufgezeichnetes Telefonat (Nr. 218 TKÜ C). Der Anrufer (B) meldet sich von einem zum Ortsnetz Germersheim (07274) - dem damaligen Wohnsitz Hs - gehörenden Anschluss und bespricht sich mit dem am überwachten Anschluss (0160 / 454 3952) Angerufenen (A) über ein für die kommenden Tage vereinbartes Treffen. Der Anrufer erhält von der angerufenen Person überdies Hinweise zur Vorgehensweise beim Verkauf von Tickets. Im Einzelnen verläuft das Gespräch wie folgt:

"A: Ja bitte?

B: Hallo. Guten Tag.

A: Guten Tag.

B: Wie geht´s, wie steht´s?

A: Bei Gott, alles gut. Was machst Du?

B: Bei Gott, gut halt. Ich laufe in den Geschäften umher.

A: Wo? Bist Du in Germersheim?

B: Ja.

A: Und wie läuft es sonst so?

B: Gut halt. Ich bin aus der Arbeit raus, habe mir gedacht, ich schaue mal. Bist Du diese Gegend... bist Du hier in der Gegend?

A: Nein, ich bin in Dings... in Ludwigshafen.

B: Aha.

A: Du...äh... wie sollen wir es machen, können wir uns treffen?

B: Bei Gott, ich bin hier in der Gegend / auf dieser Seite. Wohin wirst Du Dich von dort aus begeben?

A: Nein, nicht heute, nicht heute. Also in den nächsten Tagen.

B: Wir können uns treffen.

A: Wir können uns treffen, nicht wahr?

B: Ja.

A: Wann kommst Du täglich (da) raus. Ich kann jetzt hier nicht sehr laut sprechen, ich bin nämlich in einer Bücherei / Bibliothek...

B: Ja... ich... ich werde morgen jedoch spät raus kommen, ich werde Morgen um acht rauskommen. Ich werde nämlich morgen spät hingehen...

A: Hmm. Ich werde wohl morgen auch nicht in der Gegend sein...

B: Aha... normalerweise...

A: Ich werde Dich anrufen.

B: ... normalerweise bin ich nach vier raus. So um halb fünf ungefähr...

A: Alles klar. Was hast Du mit den Dings gemacht, mit diesen Tickets und so?

B: Mit den Tickets? Da bin ich unterwegs, Mann.

A: (Lacht) Bist Du immer noch unterwegs? Gibt es nichts?

B: Ich bin unterwegs. Der sagt: Schauen wir mal, wir kommen... sie sagen: Es ist noch zu früh. Der eine sagt: Es ist zu weit, sagen sie. Alle sagen irgendwas, Mann.

A: Bei Gott, man muss ein wenig insistieren, Mann.

B: Sage ich ja. Ich sage: Dann kauft es / nehmt es wenigstens als Unterstützung...

A: Ja.

B: Die haben die, noch nicht mal das Geld für die, die ich hinterlassen habe bisher

bezahlt.

A: Nun, das Geld für die, die Du übergeben hast, muss man nehmen.

B: Hmm... wie lange bist Du in Ludwigshafen?

A: Ich... Dings... ich werde wohl so bis sieben, acht hier sein.

B: Ja. Wohin wirst Du Dich von dort aus begeben? Du... wirst Du heute nach Frankfurt gehen?

A: Ich werde mich nach Darmstadt begeben, ja.

B: Ach so...

A: Ich denke daran, mich nach Darmstadt zu begeben.

B: Gut, ich habe mir gedacht... ich sehe mal... ich rufe mal an so...

A: Alles klar. In Ordnung. Ich werde Dich... wenn ich komme anrufen, oder?

B: Wirst Du morgen kommen?

A: Morgen ist es etwas schwierig.

B: Morgen ist es schwer.

A: Morgen ist es zwar etwas schwer...

B: Was?

A: ... wir werden uns wohl am Donnerstag treffen... am Donnerstag.

B: Am Donnerstag... aha...

A: Ja. Aber versuch´ Du unbedingt die Dings zu geben, ja?

B: Wir werden sehen...

A: ... versuch´ in irgendeiner Form die aufzudrücken.

B: Du bist nicht in Nürnberg gewesen, stimmt´s?

A: Nein, wir haben nicht hin gekonnt, Mann.

B: Aha.

A: Im Grunde hätte ich hin gekonnt, aber ich hatte eine Angelegenheit / Arbeit auch ich hatte eine Angelegenheit / Arbeit...

B: Aha...

A: ... die Freunde hatten ein Auto organisiert. Die sind hingefahren, ich bin es nicht.

Alles klar, ich werde dann, wenn ich komme, Dich anrufen.

B: Alles klar, in Ordnung. Wir treffen uns dann, wenn Du gekommen bist.

A: Hier starren mich alle Leute an, von hier aus hat es Lärm gegeben...

B: Was?

A: Ich bin hier in der Bibliothek, die Leute schauen alle mich an.

B: (Lacht)

A: Alles klar.

B: Ich habe auch genau zum richtigen Zeitpunkt / Ort angerufen. (...)"

Am 12. August 2002 wird der überwachte Anschluss gegen 22:29 Uhr erneut von Germersheim aus angewählt (Nr. 876 TKÜ C). Der Anrufer und die angerufene Person unterhalten sich - im Verlauf des knapp 1 ½ Minuten andauernden Telefonats - hörbar amüsiert und teilweise mit besonders ausgeprägter Heiterkeit.

Der Senat ist überzeugt, dass es sich bei dem Anrufer und Angerufenen in diesen Telefonaten (Nr. 218 und Nr. 876 TKÜ C) um dieselben Sprecher wie in den nachfolgenden, in dem Zeitraum vom 01. bis 12. September 2002 geführten - noch darzustellenden - Ferngesprächen (Nr. 991, 994, 995, 996, 1042, 1043, 1051, 1058, 1095 und 1115 TKÜ C) handelt. In diesen Telefonaten wurde der überwachte Anschluss stets von H H - wie sich aus dessen hierzu in der Hauptverhandlung gemachten, noch darzulegenden glaubhaften Bekundungen ergibt - angewählt. Angerufener Sprecher war dort - wie der Zeuge H H weiter bestätigt hat - jeweils der Angeklagte G..

Die - bei seinen polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen im März 2003 wie auch in der Hauptverhandlung gemachten - Angaben H Hs, wonach der Angeklagte G. als "Mannheim-Verantwortlicher" für die DHKP-C agiert habe und auch in die Verteilung der organisationseigenen Zeitschrift eingebunden gewesen wäre, passen zu den Inhalten der - bereits dargelegten - Gesprächsaufzeichnungen aus der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ C). Wie ausgeführt, war H H in den bezeichneten Vernehmungen außerdem problemlos in der Lage, zutreffend zahlreiche weitere, der DHKP-C zuzurechnende Personen, zu benennen, die dort zum fraglichen Zeitpunkt im Umfeld G.s agierten.

Der Senat ist auch von der Richtigkeit der Angaben des Zeugen H, betreffend den von A C und dem Angeklagten G. im Frühjahr 2002 erhaltenen Transportauftrag, in dessen Ausführung u. a. ein Computerteil in die Türkei zu verbringen war, überzeugt. H H hat im Rahmen seiner polizeilichen Befragung im März 2003 hierzu unter anderem bekundet, die Genannten seien seinerzeit mit einem hellbraunen Passat Kombi, älteres Modell mit Stuttgarter Kennzeichen, am zuvor vereinbarten Treffpunkt erschienen. Diese Bekundung wird durch die vom Zeugen KOK F mitgeteilten polizeilichen Ermittlungsergebnisse gestützt. Demzufolge wurde am 13. Juni 2002 im Zuge einer polizeilichen Observationsmaßnahme ein in Stuttgart zugelassener VW-Passat Kombi festgestellt, dessen Fahrzeugführer als A C wiedererkannt werden konnte. Die bestehende enge Kooperation zwischen C und G. im Rahmen ihrer Betätigung als (Führungs-) Funktionäre der Rückfront zum damaligen Zeitpunkt wurde bei der Beweiswürdigung zu den mitgliedschaftlichen Betätigungsakten des Angeklagten G. bereits ausführlich dargelegt. Auf die entsprechenden Ausführungen wird Bezug genommen.

Als zutreffend erwies sich auch die Aussage des Zeugen H, wonach er im August 2002 zusammen mit Ö.B. (M / M) nach Frankfurt am Main zu einer von der DHKP-C vor dem Türkischen Generalkonsulat geplanten und durchgeführten Protestdemonstration gefahren sei. Dort habe er unter anderen auch G. getroffen, der ihn angewiesen habe, sich von den - aus etwa 20 Personen bestehenden - Demonstranten fernzuhalten. Dies habe er (H) auch befolgt und den sich anschließenden Protestmarsch der Gruppierung zum Generalkonsulat deshalb von der anderen Straßenseite aus beobachtet. Dort sei er im weiteren Verlauf von der Polizei kontrolliert und vorübergehend festgenommen worden. Bei der Durchsuchung seines Kraftfahrzeugs sei im Kofferraum auch eine Tasche des Ö.B. aufgefunden und von der Polizei mitgenommen worden.

Das Vorliegen entsprechender, mit diesen Angaben korrespondierender, polizeilicher Erkenntnisse hat der Zeuge KOK F in der Hauptverhandlung glaubhaft bestätigt. Die Schilderung H Hs stimmt auch überein mit den Bekundungen der Zeugin KOKin W, geb. K, die seinerzeit wegen des genannten Vorkommnisses in die von der Staatsschutzabteilung der Frankfurter Polizei durchgeführten Ermittlungen eingebunden war. Demzufolge fand am 12. August 2002 am genannten Ort (Türkisches Generalkonsulat in Frankfurt am Main) tatsächlich eine "spontane Demonstration" statt, an der ungefähr 10 bis 20 Personen ("Aktivisten und Sympathisanten") beteiligt waren. Als Leiter des Aufzugs sei damals - wie die Zeugin KOKin W glaubhaft angegeben hat - der Angeklagte G. polizeilich festgestellt worden. Im Zuge des Polizeieinsatzes wäre auch eine Person aufgefallen, die auf der anderen Seite der vier Fahrspuren aufweisenden Straße ständig "auf- und abgelaufen" sei und immer wieder zu den Demonstranten herübergeschaut habe. Im Zuge einer im Anschluss an den Protestmarsch erfolgten Kontrollmaßnahme habe diese Person ihren Namen mit "H H" angegeben. Bei der anschließenden Durchsuchung des Kraftfahrzeugs, das H als ihm gehörig bezeichnet habe, sei neben diversem Propagandamaterial der DHKP-C unter anderem einen Rucksack aufgefunden worden, in welchem ein (türkisches) Ausweisdokument des "Herrn B" - eines Demonstrationsteilnehmers - verwahrt gewesen sei. H sei daraufhin sistiert und erkennungsdienstlich erfasst worden.

Die Durchführung einer Spontandemonstration der DHKP-C vor dem türkischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main anlässlich des Todes von zwei DHKP-C-Hungerstreikenden in türkischen Gefängnissen wird ferner in der - auf nachrichtendienstlichen Erkenntnissen beruhenden - amtlichen Erklärung des Ministeriums des Innern und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz vom 23. Juli 2007 bestätigt. Es wird festgestellt, dass bei dieser, am 12. August 2002 - und damit bereits vor dem Tatzeitraum - durchgeführten, Veranstaltung der Angeklagte G. als Versammlungsleiter in Erscheinung getreten sei.

Dass es sich bei der damals mit dem organisationsinternen Decknamen M / M bezeichneten Person tatsächlich um Ö.B. handelte, belegt eine organisationsinterne Notiz, über welche die Europaverantwortliche G in ihrem Bericht vom 25. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 752 925) unter anderem wie folgt informiert:

"(...) - Ö.B. (M): Sie sind um 5.50 Uhr gekommen, haben geklingelt und gesagt, dass sie wieder gekommen seien. Sie haben sich ruhig verhalten und die Wohnung / das Haus durchsucht, eine Tayad Broschüre mitgenommen, den Keller durchsucht. Ö war nicht zuhause. (...)"

Die Einbindung B in die DHKP-C und seine Betätigung als Funktionär der Rückfront bestätigt auch ein Bericht vom 23. / 24. Mai 2000, in welchem A Protokolle über - von ihr zusammen mit A C und Z geführte - Gespräche "mit den verantwortlichen Freunden in Deutschland" übersendet (Datei ID-Nr. 734 660). M wird dort als 28-jähriger Verantwortlicher für Mannheim bezeichnet, der aus Corum stamme und bei der "Sondereinsatztruppe" gewesen sei. Eine entsprechende Darstellung bzw. Zuordnung Ms enthält auch ein Bericht vom 04. Juni 2000 in der Datei ID-Nr. 735 830; außerdem heißt es über den Genannten dort: "Da er eine Führungskraft ist, wird eine Schulung benötigt." In der anschließenden Schilderung über den Verlauf und Inhalt der von der Europaverantwortlichen durchgeführten Befragung B wird (im erstgenannten Bericht) mitgeteilt, dass dieser wöchentliche Kontakte mit dem Angeklagten Y. (K) unterhalten hat und an verschiedenen Gebietsaktivitäten wie z. B. Spendensammlungen, dem Verteilen der organisationsinternen Zeitschrift und der Planung bzw. Durchführung sogenannter Picknicks beteiligt war. In einem weiteren Vermerk vom 08. Oktober 2002 (Datei: Export-12/Unallocated Clusters~44) informiert G darüber, dass "M ... geheiratet" hat und zuvor "in Mannheim als Verantwortlicher tätig" war.

Die Angaben des Zeugen H zu der bezeichneten Demonstration in Frankfurt am Main und den damit einhergehenden polizeilichen Maßnahmen stimmen ferner überein mit einer - in dem genannten Bericht der Europaführung (Datei ID-Nr. 752 925) enthaltenen - Mitteilung Gs, die unter anderem folgendes Passus enthält:

"F- ICH HATTE GEFRAGT, OB DER PIZZABÄCKER Ö KENNT:

- Der Pizzabäcker hat Ö vor seiner Reise einmal unter unseren Freunden im Gebiet gesehen. Ö hatte eine Auseinandersetzung mit M. Der Pizzabäcker war Zeuge dieses Vorfalls. Vor dem Konsulat gab es eine Kundgebung bezüglich des Ö O. M hatte keine Ahnung von dem Ereignis und hat den Pizzabäcker mit zur Aktion gebracht. C hat ihm gesagt, er solle ihn zurückschicken. Der Mann hat sich zwar nicht an der Aktion beteiligt, aber er ist in der Umgebung geblieben. Die Onkel haben Verdacht geschöpft und ihn nach seinem Ausweis gefragt. Er hat gesagt, dass dieser im Auto sei. Sie haben das Auto durchsucht. (Im Auto gab es einige Unterlagen, die die Personalien von M beinhalteten. Aufgrund dessen wurde auch gegen M erneut eine Untersuchung eingeleitet.) C hat das viel später, vor ein paar Wochen gesagt. Ende. (...)"

Bei dem Begriff Onkel handelt es sich - wie bereits ausgeführt - um eine organisationsinterne (Code-) Bezeichnung für die Polizei bzw. Polizeibeamte.

Aus dem genannten Bericht geht ferner hervor, dass die Notiz vor ihrer Weiterleitung von G "geordnet" und mit eigenen, durch Verwendung von Großbuchstaben gekennzeichneten, Anmerkungen ergänzt wurde. Hierzu gehört auch folgende Erklärung: "(ICH ERINNERE MICH DARAN, DASS SICH DER VORFALL MIT DEM PIZZABÄCKER EREIGNETE, BEVOR Ö KAM.)" Der Senat ist überzeugt, dass die Europaverantwortliche mit dieser Formulierung den über H H abgewickelten Waffentransport ("VORFALL MIT DEM PIZZABÄCKER") thematisiert und diesen Vorgang in zeitliche Relation zu der Übernahme der Führungsverantwortung durch die Funktionärin H D als Regionsleiterin ("BEVOR Ö KAM") setzt. D agierte - wie bereits ausgeführt - an der Rückfront (auch) unter dem Decknamen Ö und wurde im November 2002 mit der Leitung der Region Mitte betraut. Zu diesem Zeitpunkt war der im September 2002 durchgeführte Waffentransport bereits gescheitert.

Dass H H - wie von ihm bekundet - nach seiner Kontaktaufnahme zur Rückfront im Verlauf der dort entfalteten Aktivitäten von Zeit zu Zeit auch mit dem Angeklagten Y. in Verbindung stand, wird ebenfalls durch organisationsinterne Dokumente bestätigt, zu denen auch der bereits genannte Bericht der Europaverantwortlichen vom 26. / 27. März 2003 (Datei: Export-5/Unallocated Clusters~603) gehört. Bereits einen Tag zuvor hatte G eine ihr vom früheren Mitangeklagten A unter dem Datum "24.03.2003" übermittelte Textdatei an die Parteiführung weitergeleitet. Bei Punkt 4 dieser Mitteilung (Datei: Export-4/Unallocated Clusters~613) wird von M.A. bestätigt, dass H den Angeklagten Y. kennt und diesem auch einen Lebenslauf übergeben hat. Wörtlich lautet die entsprechende Passage wie folgt:

"(...) Ferner hat wohl der Türkische-Pizza Bäcker an einer Schulungsarbeit, die Ihr bei Euch da gemacht habt, teilgenommen. Das sagt K. Der K hat sich von dem Türkische-Pizza Bäcker einen Lebenslauf geben lassen, er hat dies gemacht, um ihn kennen zu lernen. Einige Teile hat er Euch geschickt, darüber hinaus hat der Türkische-Pizza Bäcker, als er den K in Kö. gesehen hat, die Thema gegenüber dem K angesprochen und der habe gesagt, er solle mit denen weitermachen, die mit ihm gesprochen hätten. Unter diesen Bedingungen kennt der Türkische-Pizza Bäcker auch den K ein wenig."

In einem ausführlichen Bericht vom 16. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 201) über Schulungsarbeiten, die von der Europaführung mit dem Angeklagten Y. und dem früheren Mitangeklagten A (B) durchgeführt wurden, erwähnt G im Zusammenhang mit Schilderungen zur "Schulung von K" schließlich auch folgenden Vorgang:

"5. Wir haben über den Pizzabäcker gesprochen. Der Pizzabäcker sieht, bevor er sich auf den Weg macht, den K im Kölner Verein und fragt: `Sie haben mir so eine Aufgabe gegeben, was soll ich machen?´ Und K habe gesagt, sprich mit den Freunden, die mit Dir gesprochen haben. Ich weiß es nicht. Es wird Geständnisse des Pizzabäckers über den K gegeben haben. (...)

17. (...) Ich habe erzählt, dass er sämtliche Beziehungen mit einer legalistischen Arbeitsweise betrachtet, deshalb zahlreiche Beziehungen dechiffriert hat, dass er bei dem Vorgang mit dem Pizzabäcker den Mann für uns als einen bewertet hat, der die Arbeit machen kann, (...)"

Für die Richtigkeit der Angaben H Hs zu seiner Einbindung in die DHKP-C und dort in Absprache mit Organisationsangehörigen entfalteter Aktivitäten sprechen auch die im Rahmen seiner polizeilichen Zeugenvernehmung vom 07. April 2003 gemachten Angaben zu einem - nach Beendigung der organisationsinternen Spendenkampagne 2001 / 2002 erfolgten - Kontakt mit dem Angeklagten Y.. Ausweislich der Bekundungen des Zeugen KOK F hat H H seinerzeit unter anderem ausgesagt, Anfang 2002 davon erfahren zu haben, dass der an einer Spendensammlung der DHKP-C beteiligte S A in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt und dabei - vom Cousin einer mit H befreundeten Person - verletzt worden sei. Er (H) habe sich deshalb an Y. ("Rechtsanwalt K") gewandt in der Absicht, über diesen zu einer (Streit-) Schlichtung beitragen zu können. Dass H in der von ihm bekundeten Weise vorgegangen ist, belegt ein organisationsinterner Bericht vom 26. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 754 525). Die Europaverantwortliche (G) übersendet darin eine "Informationsnotiz, in welcher der Angeklagte Y. (K) bestätigt, persönlich mit H H (dem Pizzabäcker) ein Gespräch über einen Vorfall, bei dem "S" im Rahmen seines Einsatzes als Spendensammler einer "Gruppe von Glücksspielern" zum Opfer gefallen sei, geführt zu haben. Aus dem Bericht geht hervor, dass A (S) mit G. (C) in Verbindung stand. Im Einzelnen heißt es wie folgt:

"(S war früher ein Kaffeegänger und Glücksspieler. Er ist jemand aus dem früheren Tikko Kreis, mit dem wir nach dem Todesfasten und dem Massaker vom 19. Dezember Beziehungen aufgenommen hatten. (...) Soweit ich weiß, handelt es sich bei dem Vorfall den er erlebt hat, um Folgenden: Es wurden keine Waffen oder so benutzt. Ganz im Gegenteil hat eine Gruppe von Glücksspielern auf seinen Kopf mit der Waffe eingeschlagen. Der Vorfall war wie folgt: C und er haben von einem Glücksspieler, der als Demokrat bekannt ist, eine Spende von 1000 DM erhalten. Diese Person hat jedoch in seinem Umkreis das Gerücht verbreitet, er habe 500 DM geben wollen, aber man habe von ihm gewaltsam 1000 DM genommen. S und C haben sich darüber aufgeregt und beschlossen, das Geld zu erstatten. (...) In den Räumlichkeiten dieses Glücksspielers habe sie eines Abends diese Person vorgefunden. S hat vor den Augen der anderen Kunden die 1000 DM genommen und ins Gesicht des lästernden Glücksspielers geworfen. (...) Nachdem C und S diese Räumlichkeit verlassen hatten, hat sich nach einer Weile jeder in eine andere Richtung begeben. Die Besitzer der Räumlichkeit, die über die Unannehmlichkeit in ihren Räumen verärgert waren, haben sie mit ihren Banden verfolgt. (...) Sie haben das Auto von S mit einem anderen Fahrzeug angehalten und ihn angegriffen. (...) Einmal wollte der Pizzabäcker in dieser Angelegenheit mit uns sprechen. Der Pate oder so ähnlich des Pizzabäckers soll ein guter Mann dieser Glücksspielerbande sein. Sie wollten diesen Paten zum Vermittler machen. Sie hatten die Beziehung des Pizzabäckers zu uns erahnt. Aus diesem Grunde sind sie zu ihm gekommen. Ich habe in dieser Hinsicht mit dem Pizzabäcker gesprochen. (...)

Ergänzend hat der Zeuge H hierzu in der Hauptverhandlung angegeben, sich in diesem Zusammenhang noch daran zu erinnern, dass es seinerzeit um eine streitige Auseinandersetzung wegen des gesammelten Geldes aus der Spendenkampagne gegangen sei. Eine als "Imam" bezeichnete Person habe "der Organisation eine gewisse Geldsumme" gegeben, die ihm "nach einigen Vor- bzw. Zwischenfällen" wieder zurückgezahlt worden sei. Dies habe dann "zu einer Reihe von Streitigkeiten" in deren Verlauf auch ein Organisationsmitglied "verprügelt" worden sei, geführt. Weiter bekundete der Zeuge H, dass er sich seinerzeit in bezeichneter Sache an den Angeklagten Y. (K) gewandt habe, weil dieser für das Gebiet, in dem sich der Vorfall ereignet habe, örtlich zuständig gewesen sei. Er (H) habe seinerzeit schon gewusst, dass es innerhalb der Organisation verschiedene räumliche, von verantwortlichen Funktionären geleitete Gebietseinheiten (Bölge) gebe. So habe z. B. ein Bereich Süd existiert, der unter anderen die Städte Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe, Darmstadt, Wiesloch, Bruchsal und Germersheim umfasst habe. Auch Y. habe seinerzeit eine übergeordnete Führungsposition innegehabt und im bezeichneten Gebiet agiert, weshalb dieser - aus seiner Sicht - auch der richtige Ansprechpartner in besagter Angelegenheit gewesen sei. Dass Y. im genannten Gebiet die verantwortliche Person war, habe er (H) "mit der Zeit" erfahren. Er habe z. B. durch die Teilnahme an Abendveranstaltungen der Organisation festgestellt, dass dort zumeist Y. als Redner aufgetreten sei, weshalb er diesen gegenüber dem Angeklagten G., der ebenfalls als Verantwortlicher der Organisation im bezeichneten Gebiet agiert habe, als übergeordneten Funktionär eingestuft habe. Diese Einschätzung der hierarchischen Abstufung zwischen den Angeklagten Y. und G. passt zu der bereits dargelegten Funktion und Aufgabenstellung Y.s innerhalb der Rückfront zum damaligen Zeitpunkt. Auf die entsprechenden Ausführungen wird Bezug genommen.

b. Waffentransport

aa. Aufgabenbereich der Rückfront

Der Senat ist überzeugt, dass es sich - wie vom Zeugen H bekundet - bei der im September 2002 durchgeführten Kurierfahrt um einen Waffentransport der DHKP-C gehandelt hat. Dafür spricht zunächst die Tatsache, dass an der Rückfront dieser Organisation - wie bei den Darlegungen zu den im Arbeitsbereich Nachschub und Logistik entfalteten Aktivitäten bereits ausgeführt - verantwortliche Funktionäre sowohl zuvor wie auch nach der bezeichneten Fahrt H Hs mit dem Transfer von Gegenständen in die Türkei laufend befasst und entsprechende Vorhaben nicht nur geplant und vorbereitet, sondern nachweislich auch durchgeführt haben. Insbesondere wurden in diesem Zusammenhang - wie sich etwa aus den bezeichneten Dateien ergibt - auch zahlreiche vergleichbare Waffentransporte abgewickelt.

Dass die DHKP-C für Transporte in die Türkei Kuriere auch für Fahrtrouten über Bulgarien an der Rückfront ausgewählt und vorbereitet hat, belegt ein am 10. Juli 2000 gespeichertes Schreiben der Europaverantwortlichen (Datei ID-Nr. 733 870). A berichtet der Führung dort unter anderem wie folgt:

"(...) 3- Wir haben einen Kurier gefunden, der nach Bulgarien geht... (...) Ich habe ihm gesagt, dass er in dieser Woche gehen könne... (...) Vor- und Nachname des Freundes, der gehen wird: Ö D Ö; Adresse: Str Weg, K. Dieser Freund hält sich im Wohnheim auf... (...)"

Schon kurze Zeit danach war die Europaführung - wie sich aus einem Bericht As vom 17. August 2000 (Datei ID-Nr. 739 374) ergibt - erneut mit der Suche nach einem Kurierfahrer nach Bulgarien befasst.

Dies passt zu den Angaben des Zeugen KHK B, der unter Bezugnahme auf Inhalte des von ihm ausgewerteten, in Belgien bzw. der Schweiz sichergestellten Schriftverkehrs der Organisation glaubhaft bestätigt hat, dass die DHKP-C bereits Ende der 1990er Jahre Stützpunkte in Rumänien und Bulgarien für entsprechende Vorhaben genutzt hat. Beispielhaft ist hierzu ein Schreiben vom 18. Februar 1998 (Asservat 33.92.21) anzuführen, in welchem im Zusammenhang mit organisationsinternen Erwägungen zur Durchführung einer Kurierfahrt auch Bulgarien Erwähnung findet.

Teilweise werden in Berichten der Europaverantwortlichen derartige Unternehmungen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Kurierfahrt H Hs thematisiert. Hierzu gehört beispielsweise ein Schreiben der Europaverantwortlichen vom 26. April 2003 (Datei ID-Nr. 752 127), in dem von G im Zusammenhang mit der Erörterung von "Transportarbeiten in die Heimat" im Rahmen eines Schreibens an den früheren Mitangeklagten A (Deckname: B) vom 24. April 2003 unter anderem Folgendes mitteilt wird:

"(...) 4- Für die bekannten Transportarbeiten in die Heimat mit einem Auto sind Leute erforderlich, wer könnten diese sein? Einer müsste Gespräche führen. (...) Natürlich darf es nicht so aussehen wie bei dem Vorgang / dem Problem mit dem Pizzabäcker. Eine Person muss sprechen und es darf sich nicht ausweiten / ausbreiten. (...)"

Mit weiterem - ebenfalls in der bezeichneten Datei enthaltenen - Schreiben wurde am 26. April 2003 der damalige Verantwortliche für die Region Süd, M.A., sodann unter Bezugnahme auf die im Zusammenhang mit dem durch H H abgewickelten Transport gemachten Erfahrungen wie folgt instruiert:

(...) 5- Haben Sie begonnen festzulegen / zu nennen, welches die Anhänger sind, die mit dem Auto in die Heimat fahren? (...) Die Freunde legen auf dieses Thema besonderen Wert, wir müssen unbedingt Leute finden, die diese Sache ausführen können. Jedoch dürfen wir bei dieser Angelegenheit die Fehler, die wir im vergangenen Jahr bei der Sache / dem Problem mit dem Pizzabäcker gemacht haben nicht machen, die Gespräche darf allein eine Person nur führen. (...)"

In einem anderen Bericht der Europaführung vom 26. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 751 225), wird die Notwendigkeit einer erneuten, illegal durchzuführenden, (Waren-) Lieferung in die Türkei von G wie folgt kommuniziert:

"3- Eser hat mit jemandem gesprochen, der, wie der Pizzabäcker, ins Land in Urlaub nur für uns fahren wird. (...) B- Es gab noch eine weitere Person, mit der Eser gesprochen hat. Er ist ein Anhänger von uns und kommt aus Trabzon und beschäftigt sich mit Bauarbeiten. Er hat eine Firma. (...) Er könne einen Mitarbeiter in seiner Firma mit dem Auto schicken. (...) Dieser könne in Istanbul, wo auch immer, hinterlegen. (...) Das heißt, wir können ein Auto schicken, in der Menge, die wir wollen, ohne dass das als Organisationssache erledigt wird. Derjenige, der fahren wird, wird weder wissen, was er transportiert, noch für wen er das macht. (...) Die Person, die diese Arbeit erledigen wird, ist jemand, der bei ihrer Baufirma arbeitet. (...)"

Der Umstand, dass im bezeichneten Urteil des Landgerichts für schwere Strafsachen Edirne gegen H H wegen unerlaubter Einfuhr von Waffen nicht ausdrücklich festgestellt wurde, dass "hinsichtlich dieser Waffen eine Verbindung zu einer Organisation besteht", ändert an der Überzeugung des Senats, dass es sich bei der in Rede stehenden Kurierfahrt H Hs um einen in alleiniger Regie von der DHKP-C initiierten und durchgeführten Waffentransport handelte, nichts. Zwar hatte H H - wie gezeigt - bereits zuvor bei seiner richterlichen - in Ausführung eines türkischen Rechtshilfeersuchens durch das Amtsgericht Germersheim am 30. November 2004 veranlassten - Vernehmung angegeben, dass die am Grenzkontrollpunkt von ihm zurückgelassenen Waffen für die DHKP-C bestimmt gewesen seien. Die in den Niederlanden aufgefundenen und sichergestellten Dokumente , welche eine Zuordnung dieser Kurierfahrt zur Organisation - wie von H H bekundet - belegen, wurden den türkischen Strafverfolgungsbehörden - wie sich aus den Bekundungen des Zeugen EKHK B ergibt - indes erst im Verlauf des August 2006 und mithin nach der am 30. September 2005 erfolgten Verurteilung Hs durch das Landgericht Edirne im genannten Urteil zugänglich gemacht, weshalb eine Überprüfung der in Rede stehenden Aussage Hs erst ab diesem (späteren) Zeitpunkt möglich war. Dem erkennenden Landgericht für schwere Strafsachen Edirne standen sie bei seiner Entscheidungsfindung betreffend die Verurteilung H Hs jedenfalls noch nicht als Erkenntnisquelle zur Verfügung.

bb. Vorbereitung und Abwicklung von Kurierfahrten / Waffentransporten

Die Richtigkeit der Aussagen H Hs, wonach es sich bei der von ihm durchgeführten Kurierfahrt um einen von Funktionären der Rückfront organisierten Waffentransport der DHKP-C gehandelt hat, wird durch die Inhalte zahlreicher organisationsinterner Dokumente gestützt, die belegen, dass der frühere Mitangeklagte D., der nach den Angaben des Zeugen H an der Vorbereitung und Ingangsetzung des in Rede stehenden Transports maßgeblich beteiligt war, bereits in vorangegangene (Waffen-) Transporte der Organisation in vergleichbarer Funktion eingebunden wurde und hierbei die Vorbereitung und Einweisung von Kurieren in einer Art und Weise durchgeführt hat, die mit der durch den Zeugen H geschilderten Vorgehensweise bis in kleinste Details übereinstimmt. Hierzu im Einzelnen:

Der frühere Mitangeklagte I D.

Dass sich der frühere Mitangeklagte D. bereits vor dem 30. August 2002 für die DHKP-C an deren Rückfront in (West-) Europa als Führungsfunktionär mit Sonderaufgaben betätigt hat, wird durch zahlreiche Dokumente aus der belgischen Rechtshilfe belegt. Diese beinhalten - wie der mit der Auswertung dieser Unterlagen befasste Zeuge KHK B ausführlich und plausibel dargelegt hat - umfangreichen Schriftverkehr einer Person mit dem Decknamen U und der Organisationsführung der DHKP-C aus der Zeit von Anfang 1998 bis September 1999.

Der Zeuge KHK B hat ferner glaubhaft bekundet, dass im Zuge der durchgeführten Ermittlungen anhand verschiedener, in Belgien sichergestellter Asservate sowie weiterer Ermittlungen, wie z. B. der Auswertung von Akten eines bei der Staatsanwaltschaft Aachen geführten Strafverfahrens festgestellt wurde, dass es sich bei bezeichnetem U um I D. handelt. Der Senat hat sich von der Richtigkeit dieser Aussage anhand verschiedener Schriftstücke aus der belgischen Rechtshilfe (Asservate 31.204, 33.92.188 und 33.92.189) überzeugt.

Aus dem Inhalt des - in Belgien sichergestellten - organisationsinternen Nachrichtenaustauschs (Asservate 33.83.186, 33. 92.124, 33.92.132, 33.92.187) ergibt sich ferner, dass D. unmittelbar der Organisationsführung unterstellt war, mit dieser "Zentrale" in direktem Kontakt stand und von dort Anweisungen entgegen genommen hat. Andere Schriftstücke (Asservate 33.92.26, 33.92.31, 33.92.33, 33.92.38, 33.92.76, 33.92.94, 33.92.113, 33.92.124) belegen, dass I D. in den Jahren 1998 / 1999 auch eng mit der Europaführung der DHKP-C kooperierte. Als Kontaktstelle zwischen D. und der Zentralle erkannte , wie der Zeuge KHK B weiter bestätigt hat, auch eine Funktionärin mit dem Decknamen "Zehra", die im Laufe der Ermittlungen als N E, die Vorsitzende der Anatolischen Föderation, wiedererkannt werden konnte.

Der Senat ist überzeugt, dass D. in seiner Funktion als Sonderbeauftragter der Organisation an der (westeuropäischen) Rückfront mit der Beschaffung von (Schuss-) Waffen und anderen militärischen oder zivilen Ausrüstungsgegenständen für die DHKP-C, der (Zwischen-) Lagerung von Waffen, Waffenzubehör, Munition und anderen Ausrüstungsgegenständen in hierzu geeigneten Verstecken, dem Ankauf von Kraftfahrzeugen für Transporte in die Türkei und deren Präparierung sowie der Vorbereitung entsprechender Fahrten und der daran beteiligten Kuriere befasst war. Dies belegen - wie vom Zeugen KHK B glaubhaft bekundet - zahlreiche Dokumente aus der belgischen Rechtshilfe. Auf die bereits bezeichneten Schriftstücke (Asservate Nr. 33.57, 33.59, 33.83.187, 33.83.189, 33.92.24, 33.92.25, 33.92.27, 33.92.28, 33.92.29, 33.92.30, 33.92.34, 33.92.45, 33.92.60, 33.92.90, 33.92.91, 33.92.93, 33.92.118, 33.92.124, 33.92.125, 33.92.180) wird Bezug genommen.

Der Senat ist weiter überzeugt, dass sich I D. auch nach Inkrafttreten des § 129b StGB als Führungsfunktionär der DHKP-C an der Rückfront in (West-) Europa - in gleicher Weise wie zuvor - betätigt hat. Neben seiner - noch auszuführenden - Einbindung in den Waffentransport der Organisation unter Beteiligung des Kuriers H H, stützt sich diese Feststellung auf die Umstände seiner Festnahme am 08. April 2007 in Hagen. D. wurde dort - ausweislich der glaubhaften Angaben des Zeugen POM K - am genannten Tag mit F E, angetroffen, der - wie bereits ausgeführt - dem Zentralkomitee der Organisation angehört hat. Überdies führte D. seinerzeit - wie sich aus den übereinstimmenden und sich gegenseitig ergänzenden Angaben der Zeugen POM K, KOK D und KHKin S ergibt - außer EUR 2.470,-- Bargeld weitere Gegenstände mit sich, die zur Überzeugung des Senats seine fortdauernde Zugehörigkeit zur Organisation als Führungsfunktionär bis zum genannten Zeitpunkt belegen. Hierzu gehörte etwa ein elektronisches Speichermedium, auf dem sich ausweislich der Untersuchungsberichte des Kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamts vom 14. März 2007 und 15. Oktober 2007 neben Software für ein wirkungsvolles Löschen von Protokolldateien auch Software zum Erstellen von verschlüsselten Speicherbereichen mit Passwortschutz, Software zum Erstellen von versteckten Bereichen auf Datenträgern sowie Software zum Entpacken komprimierter Dateien befanden. Überdies wurde eine gelöschte und passwortgeschützte, komprimierte Archivdatei festgestellt, die einer Entschlüsselung nicht zugänglich war. Dass entsprechende, zur Speicherung und Versendung verschlüsselter Informationen geeignete Datenträger von Funktionären der DHKP-C zur konspirativen Nachrichtenübermittlung eingesetzt werden, wurde bereits dargelegt.

Darüber hinaus wurde nach den Angaben der Zeugin KHKin S bei der Durchsuchung der Wohnung, in welcher die Festnahme erfolgte, auch eine Umhängetasche aufgefunden, die anhand gesicherter Fingerspuren kriminaltechnisch zweifelsfrei D. zugeordnet werden konnte. In diesem Behältnis wurden unter anderem eine Ausgabe der Organisationszeitschrift Ekmek ve Adalet aus dem Jahr 2004, ein türkischsprachiger Text mit einer 12-seitigen Anleitung zum Computerhacking sowie sonstiges Prospektmaterial wie z. B. aus dem Jahre 2003 stammende Sammelbeilagen (Waffenbeschreibungen) der Zeitschrift Visier verwahrt.

Schließlich wurde - wie die Zeugen KHKin S und KOK D übereinstimmend angegeben haben - in der bezeichneten Wohnung eine Sport- / Reisetasche aufgefunden, die - wie die Zeugin KHKin S weiter glaubhaft bestätigt hat - im Zuge kriminaltechnischer Untersuchungen anhand von Fingerspuren ebenfalls D. zugeordnet werden konnte. Der Senat hat sich von der Richtigkeit dieser Bekundung anhand der Spurensicherungs- / Identifizierungsberichte des Bundeskriminalamts vom 14. Mai 2007, 19. / 29. Juni 2007 und 19. Juli 2007 überzeugt. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen KOK D befand sich in der genannten Tasche auch ein (Reise-) Wecker. Dieser war - wie das Behördengutachten des Kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamts vom 23. Juli 2007 belegt - so manipuliert, dass er als Verzögerungsvorrichtung bei der Herstellung einer Sprengvorrichtung verwendet werden kann. Wie sich aus verschiedenen, in den Niederlanden sichergestellten Dokumenten ergibt, wurden vergleichbare Uhren mit Alarmfunktion von der DHKP-C bei Anschlägen zur Auslösung von Sprengstoffexplosionen eingesetzt. Exemplarisch ist hierzu der Bericht des Funktionärs "N" vom 17. Juli 2003 (Datei ID Nr. 754 686) anzuführen, der dort im Zusammenhang mit den Vorbereitungen eines Bombenanschlags auf Offizierswohnungen über eine entsprechende Vorgehensweise berichtet. Ein weiterer Bericht vom 28. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 750 124) enthält im Zusammenhang mit einer Anleitung zum Herstellen einer "Bombe mit Zeitzünder / Zeitbombe" detaillierte Ausführungen über die richtige Vorgehensweise bei manipulativen Veränderungen eines - zum Zwecke der Durchführung eines Anschlages benötigten - Weckers ("Die Vorbereitung der Vorrichtung mit der Uhr"). Da auch die Schulung von Kadern im theoretischen und praktischen Umgang mit (Schuss-) Waffen und Sprengstoffen - wie bereits dargelegt - ein wesentliches Aufgaben- und Betätigungsfeld der an der Rückfront agierenden Führungsfunktionäre der DHKP-C darstellt, geht der Senat davon aus, dass der von D. mitgeführte (Reise-) Wecker als Anschauungsobjekt für derartige Unterweisungen, nicht jedoch zur Vorbereitung oder Durchführung eines konkreten Anschlags bestimmt war.

Ein weiterer Beleg dafür, dass sich D. bis zu seiner Festnahme an der Rückfront fortdauernd für die Organisation betätigt hat, ist der Besitz eines Abdrucks eines Prägesiegels des Türkischen Generalkonsulats Hamburg (Asservat Nr. 2.6.2.1.1.3) sowie zweier Abdrücke von Prägestrukturen für Passbildränder (Asservate Nr. 2.6.3.1.6 und 2.6.3.3), welche am 08. Juli 2007 bei ihm sichergestellt wurden. Ausweislich des Behördengutachtens des kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamts vom 12. Dezember 2007 waren diese Gegenstände dazu geeignet, ein Siegelmotiv auf ein dünnes verformbares Material, z. B. Papier zu übertragen (Asservat 2.6.2.1.1.3) bzw. bezüglich der abgeformten Perforationsrasterprägung eine derartige Prägung auf einem Lichtbild zu imitieren (Asservate Nr. 2.6.3.1.6 und Nr. 2.6.3.3).

Der Senat ist überzeugt, dass die bezeichneten Abformungen auch zur Fälschung und / oder Verfälschung von Ausweispapieren und Lichtbildausweisen bestimmt waren. Zum einen hat D. - wie sich aus den Asservaten 33.92.61, 33.92.66, 33.92.86, 33.92.92 und 33.92.97 ergibt - derartige Aufgaben / Arbeiten bereits in den Jahren 1998 / 1999 übernommen und auf Weisung der "Zentrale" im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit anderen Organisationsangehörigen erledigt. Zum anderen verfügte D. - wie die Zeugin KHKin S glaubhaft angegeben hat - bei seiner Festnahme über weitere, zusammen mit den genannten Prägesiegel- / Prägestruktur-Abdrücken aufgefundene, Gegenstände, welche nach organisationsinternen Vorgaben für Passfälschungen benötigt werden. So wird etwa in einer detaillierten Arbeitsanleitung zur "Herstellung eines Ausweises" vom 28. Juni 2003 in dem bereits benannten Dokument (ID-Nr. 750 124) die Verfälschung eines Ausweisdokuments durch Lichtbildauswechslung beschrieben. Die in der - D. zugeordneten - Sport- / Reisetasche aufgefundenen Büromaterialien und Handwerks- bzw. Haushaltsartikel wiesen - wie der Zeuge KHK M bestätigt hat - einen hohen Grad an Übereinstimmung mit der im bezeichneten Asservat (Datei ID-Nr. 750 124) enthaltenen umfangreichen Materialliste auf.

Instruktion von Kurieren durch I D.

Nach den Angaben des Zeugen H wurde er während seines Aufenthalts in Neu-Ulm in der dort im Gebäude Bstraße 76 gelegenen Wohnung der Eheleute M und M Y - hierzu später mehr - von I D. nicht nur über die Modalitäten des Zusammentreffens mit einer Kontaktperson in Sofia (Bulgarien), sondern auch über die für den verdeckten Nachrichtenaustausch benötigten organisationsinternen Verschlüsselungscodes in Kenntnis gesetzt und angehalten, sich das zugehörige Datenmaterial schnellstmöglich anzueignen. Dies entspricht der üblicherweise von D. bei der Instruktion von Kurierfahrern - in Abstimmung mit der Organisationsführung - angewandten Methodik, wie sich aus folgenden, exemplarisch genannten organisationsinternen Dokumenten ergibt:

In einem Schreiben vom 24. März 1998 (Asservat 33.92.24) berichtet D., dass er sich an diesem Tag mit einer Person getroffen habe. Man habe "... die allgemeinen Regeln durchgesprochen ..." und er habe "... das Alfa beigebracht ...", das der Betreffende auch "gut verstanden" habe. Zwei Tage später, am 26. März 1998 (Asservat: 33.92.26) informiert D. über die Rekrutierung und anstehende Vorbereitung einer Kurierfahrerin ("Frau mit dem europäischen Heft") und erklärt, diese bereits angerufen zu haben und nunmehr aufsuchen zu wollen, um "im Detail zu reden".

In weiteren Dokumente n (Asservate: 33.92.21, 33.92.27, 33.92.33, 33.92.34, 33.92.35, 33.92.38, 33.92.55 und 33.92.58) der belgischen Rechtshilfe wird die Vorbereitung eines Waffentransports durch den Kurier Z Y ("der mit dem Europäischen Heft") thematisiert. D. bestätigt in dem bereits benannten Schreiben vom 18. Februar 1998 (Asservat 33.92.21), dass er die "... Sache mit dem mit dem Europäischen Heft verstanden ..." habe. Weiter äußert er sich in der Nachricht zu diesem Kurier wie folgt: "(...) Er / Sie kann zuerst zu dem mit dem Vollbart gehen, das, was er abzugeben hat, abgeben, dann nach Bulgarien und dann wieder nach Griechenland gehen. Da er / sie ein europäisches Heft hat, dürfte es keine Probleme geben. (...)" Am 27. März 1998 (Asservat: 33.92.27) erhält D. von der Zentrale die Anweisung, dem / der Kurierfahrer/in eine Kalaschnikow ("Kles") zu übergeben und den / die Fahrer/in zu instruieren.

In einer Nachricht vom 30. März 1998 (Asservat: 33.92.35) teilt D. über die von ihm durchgeführten Maßnahmen und seine Kooperation mit der Europaführung ("C und Co.") Folgendes mit:

"(...) 6- Die / Der mit europäischem Heft wird morgen normal arbeiten. Morgenabend werde ich sie / ihn auf die Straße bringen. So wie ich es sehe, hat sie / er Vertrauen in sich selbst. Außerdem habe ich ihr / ihm die Tage genauestens erklärt, wie man es auseinandernehmen und zusammenbauen kann. Sie / Er selbst hat es aus- und eingebaut. 7- Soll ich ihr / ihm 2500 oder dreitausend aushändigen? Von C und Co. habe ich 2.500 erhalten, deswegen. Und das Telefon werden sie spätestens morgen früh dagelassen haben. Danach werde ich losfahren. Ich werde Mitteilung machen. (...)"

In einer anderen Mitteilung (Asservat 33.92.57) informiert D. über die erfolgreiche Suche nach einem "zweiten" Kurierfahrer mit "europäischem Heft" (I K) sowie über ein Gespräch, das er mit dieser Person geführt habe. K habe zunächst "ein wenig Bedenken" gehabt, "... ob er fahren oder nicht fahren solle. ..." Sodann heißt es:

"(...) Die Rede usw., alles habe ich erklärt. Nur in Bezug auf die Kodierung müssen wir noch ein wenig arbeiten. Deswegen werde ich vor der Fahrt noch einmal mit ihm arbeiten. (...) Wenn Sie mir seine Kodierung des Montagabend schicken können, wäre es gut. Am Dienstag werde ich den Wagen auf seinen Namen zulassen und ihn am Mittag losfahren lassen. Früher soll dieser Mann bis 94 einer von der TDKP gewesen (sein). Später sei er zu uns gewechselt. Er heißt: I K. Vor zwanzig Jahren soll er nach Deutschland gekommen sein und habe einen Asylantrag gestellt. Seit einem Jahr hat er einen deutschen Pass zur Hand. (...)"

Über zwei weitere Kurierfahrer ("... dem aus / nach S ..." und "...dem aus / nach Dersim ..."), welche von der Organisation ebenfalls mit der Abwicklung von Waffentransporten befasst wurden, wird in Dokumente n vom 11. / 26. April 1998 (Asservate 33.92.43, 33.92.44 und 33.92.45), 27. Mai 1998 (Asservat 33.92.58) und 21. August 1998 (Asservat: 33.92.100) berichtet. Aus Mitteilungen vom 21. Mai 1998 (Asservat: 33.93.111) und 30. August 1998 (Asservat: 33.83.187) ergibt sich, dass es sich bei der als "Fahrer aus / nach Sivas" bezeichneten Person um den seinerzeit in Hamburg ansässigen M Y (Deckname: T) handelte. Im Schreiben vom 11. April 1998 (Asservat 33.92.43) wird D. von der Organisationsführung wie folgt informiert: "(...) 3. Der Fahrer aus Dersim ist aufgefunden worden, nimm seine Adresse etc. von C und sprich / triff dich mit ihm und beginn mit den Formalitäten."

Am 26. April 1998 berichtet D. der Zentrale im Zusammenhang mit Darlegungen zu den genannten Kurierfahrern (Asservat 33.92.45), dass er "dem aus Dersim und dem Ersatzfahrer" das "YASAR-Alphabet" geben und "zuerst den aus Sivas", den er ebenfalls genau instruiert und neben einer "Fingerantenne aus Kunststoff" einen "7,65´er, mit einem Vereiser sowie zwei Ersatzmagazine" (mit-) gegeben habe, losschicken werde.

Dass D. bei der Instruktion von - für die Durchführung von Transporten für die DHKP-C ausgewählten - Kurieren damit befasst war, die jeweiligen Fahrer mit der für die konspirative Kontaktaufnahme mit Führungsfunktionären der Organisation benötigten Codierung bzw. Verschlüsselungssystematik (die Regeln, das Alphabet) vertraut zu machen, ergibt sich auch aus weiteren, zum Beispiel in den Asservaten 33.92.116, 33.92.120, 33.92.150 und 33.92.180 enthaltenen Berichten.

Dass die Organisation im Zuge dieser Vorbereitungen Kurierfahrer - wie bei dem durch H H durchgeführten Transport - in speziellen, unauffälligen / unverdächtigen Wohnungen Dritter untergebracht hat, belegt eine Mitteilung vom 09. September 1999 (Asservat: 31.301.11), die nachrichtlich ("zur Information") auch dem damaligen Europaverantwortlichen N E ("C") zugeleitet worden war. Darin heißt es wie folgt:

"Hallo

1- mit dem Fahrer, der in die Heimat fahren soll, sollten wir uns morgen, also am zehnten September, nicht treffen. C A & co. können diesen am Samstag unter der von mir durchzugebenden Anschrift platzieren. Somit ist es nicht erforderlich, dass wir uns außerhalb treffen.... DIE ANSCHRIFT: K Str. 73, NEUSS-FURTH, der Name lautet S oder R D. Unter dieser Anschrift kann er / sie verbleiben. Diese Anschrift ist dem S und dem E bekannt... somit könnte ich diesem noch leichter Kodierungen usw. beibringen... (...)"

Zulassung und Übergabe von Transportfahrzeugen

Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen H wurde das bei dem Waffentransport eingesetzte Transportfahrzeug auf seinen Namen zugelassen. D. habe ihm nach Übergabe des Pkws vor Beginn der Fahrt auch das im Fahrzeug befindliche Versteck für die in die Türkei zu verbringenden Gegenstände gezeigt. Diese Handhabung war - wie zahlreiche organisationsinterne Schriftstücke aus der belgischen Rechtshilfe belegen - bei der Vorbereitung von organisationseigenen Kurierfahrten gebräuchlich und routinemäßig von I D. bereits vor dem durch H H abgewickelten Transport in gleicher Form praktiziert worden.

Neben dem bereits bezeichneten Bericht betreffend den Kurier I K (Asservat 33.92.57) gehört hierzu z. B. auch ein Schreiben der Organisationsführung vom 28. März 1998 (Asservat 33.92.33). Im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Kuriers erhält D. dort unter anderem folgende Instruktion: "Der / die mit europäischem Heft hat jedoch die Bunkerorte, wie man es auf und zu macht zu wissen und nach Athen zu fahren. (...)".

Am 26. August 1998 (Asservat 33.92.106) wird D. angewiesen, den / die (Kurier-) Fahrer/-in insbesondere auch über "... die Örtlichkeit des Versteckten ..." in Kenntnis zu setzen.

Zwei Tage später heißt es in einem weiteren, ebenfalls an D. gerichteten Schreiben im Zusammenhang mit der - bereits bezeichneten - Vorbereitung des Kuriers Z Y vom 28. August 1998 (Asservat 33.83.186) wie folgt: "1- beginne mit den Arbeiten für zwei Fahrer (über die C & Co. Dir berichtet haben) und melde die Fahrzeuge auf deren Namen an und teile uns mit, wann dieses fertig gestellt ist. (...)".

Der Zeuge H hat - ausweislich der Bekundungen des Zeugen KOK F - in seinen polizeilichen Vernehmungen im März 2003 auch angegeben, dass ihm bei Besichtigung des im Kurierfahrzeug eingebauten Verstecks aufgefallen sei, dass in dem Hohlraum Drähte angebracht gewesen seien. Er sei - nachdem ihm D. gesagt habe, dass mit großer Wahrscheinlichkeit Kalaschnikows transportiert würden - davon ausgegangen, dass die Gewehre mit dieser Drahtvorrichtung fixiert werden sollten, um ein Herunterfallen der (Schuss-) Waffen in den Fahrgastraum zu verhindern. D. habe diese Annahme bestätigt und ihn (H) angewiesen, die Kontaktperson in Sofia entsprechend zu instruieren. Zu diesen Aussagen passt ein Bericht des Funktionärs L Y ("H") vom 10. März 2003 (Datei ID-Nr. 751 484), der belegt, dass die DHKP-C auch nach der Kurierfahrt H Hs mit entsprechenden Vorrichtungen präparierte Kraftfahrzeuge für Waffentransporte vorgehalten hat. Im Einzelnen heißt es in bezeichneter Mitteilung hierzu wie folgt:

"1. Bezüglich der Angelegenheit mit Ö...

a. Es wurde verstanden, dass es in den Autos nicht unter dem Sitz, in der Verkleidung und in der Tür sein wird.

b. Der Grund weshalb ich gefragt habe, welches Auto besser sei, ist folgender: wenn wir für Panzerfaust Radio sagen (ich hatte das immer so verstanden), würde es nicht möglich sein, diese mit einem normalen Auto zu schicken. Dann hätten wir ein anderes Auto arrangieren müssen. Aber, jetzt werde ich in den von euch genannten Bereichen in seinem eigenen Auto nachschauen, d. h. ich werde nach dem Hohlraum hinter dem Armaturenbrett schauen, indem ich den Teil zwischen Frontscheibe und Lenkrad ausbaue. Hierher werde ich es mit Drähten festmachen, damit es nicht runter fällt. Unter diesen Umständen glaube ich, dass wir, wie ihr es gesagt habt, ohne weiteres eine Stelle für das Material finden, welches wir schicken werden. (...)"

In einem nachfolgenden Schreiben vom 19. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 752 003), werden erneut Möglichkeiten für ein entsprechendes Versteck in einem - für die Durchführung von Transporten - geeigneten Kraftfahrzeug wie folgt erörtert:

"Ich habe nach Ford-PKWs geschaut. Der Airbagbereich von denen verengt den Raum für das Versteck. Aber vielleicht kann der Airbag ja ausgebaut werden. (...) Es gibt da jemanden in Rotterdam, den C kennt, und der Ersatzteile für Autos verkauft, mit dem werde ich am Samstag sprechen. In dem Falle ist es auch nicht nötig, dass wir einen Scenic kaufen, denke ich. (...) Der neue Bräutigam / Schwiegersohn sagt nichts Genaues darüber, wann er wird fahren können. (...) Wir können in der Zwischenzeit auch das Auto organisieren, mit dem wir ihn schicken werden (...)"

Auch hier sollte - wie eine weitere Mitteilung vom 15. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 752 870) belegt - das Transportfahrzeug auf die als Kurier fungierende Person (der neue Bräutigam) zugelassen werden.

Dass auch in diesem Fall die Zuladung der zu transportierenden Gegenstände - wie bei der Kurierfahrt H Hs - erst in einem zur Rückfront der Organisation in Südosteuropa gehörenden Staat, hier Griechenland, geplant war, wird im Bericht vom 09. August 2003 (Datei ID-Nr. 752 456) mit folgenden Worten bestätigt:

"(...) 1. Was die Sache angeht, dass der neue Bräutigam und der Basketballer die Materialien aus Griechenland abholen sollen... Ja, ihr hattet es so gesagt. (...) Richtig, es wird so stattfinden, wie ihr es gesagt habt, das heißt beide werden das, was abzuholen ist, von Griechenland abholen. Das heißt man wird es dort einladen und schicken. (...)"

Dass die Organisation in der beschriebenen Form insbesondere auch Waffentransporte in die Türkei vorbereitete und in die Wege leitete, zeigen schließlich weitere Mitteilungen L Ys ("H"). So heißt es etwa in seinem Schreiben vom 02. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 338) wie folgt:

"(...) 2- Ich habe nachgeschaut, wo wir im Golf 3, den wir für den neuen Bräutigam gekauft haben, das Material platzieren können. Es ist wenig Platz vorhanden. Es gibt nur einen Hohlraum zwischen dem oberen Teil der Konsole und dem unteren Teil des Airbags. Dieser Hohlraum verläuft zwischen den Heizrohren nach links. Es ist allerdings sehr schwierig, zwischen diese Rohre Material reinzusetzen. (...) Es besteht folgende Möglichkeit: Es gibt einen bekannten Kfz-Mechaniker aus Aksaray in Rotterdam. Sein Name ist A. (...) Er hat gesagt, er könne Folgendes machen: Er könne die Karosserie des Autos (innerer Blech) über dem Hinterrad schneiden... in den Hohlraum zwischen dem Hinter- und Vorderrad könne er eine große Menge an Material platzieren. Er sagt, dass auf eine Seite mindestens zehn Materialien reingelegt werden können. Die andere Seite könne er auf die gleiche Weise öffnen. Auch hier könne man 10 Materialien oder Seife usw. in den gleichen Maßen reinlegen. Das zerschnittene Blech könne er wieder mit Schrauben befestigen. Darüber könne er dann Paste und Lack streichen. Man könne es auf diese Weise ins Land schicken. (...)"

In einem späteren Schreiben vom 18. August 2003 (Datei ID-Nr. 753 214) wird ergänzend Folgendes angemerkt:

"(...) 3. Wir kriegen die Tulpe nicht in das Fahrzeug des neuen Bräutigams rein. Das Auto haben wir gefunden. Morgen (Dienstag) werden wir es auf ihn zulassen und die Versicherungsformalitäten erledigen. Es handelt sich um einen Golf, 99´er Modell. Die Tulpe passt definitiv nicht rein. Nachdem wir morgen die Versicherungsformalitäten erledigt haben, werde ich es in eine Garage bringen und auseinander nehmen und euch mitteilen, wo man was reinsetzen kann. (...)"

Sodann heißt es in einer zusammenfassenden Mitteilung (Datei ID-Nr. 754 870) am 26. August 2003 wie folgt:

"1- Bezüglich des Golf .... Für den neuen Bräutigam habe ich mich zuerst nach einem Scenic umgeschaut. Ich habe keinen gefunden. (...) So haben wir diesen Golf gekauft. Das war ein Modell 1999 und kein Cabrio. (...) Jedoch auch bei dem, das heißt, beim Modell 1999 habe ich alles auseinandergebaut. Ich habe mir alle Stellen angeschaut, die als ein natürliches Versteck dienen können. (...) Aus diesem Grund habe ich den Airbag ausgebaut. Ich habe diese Stelle vernünftig gesäubert. Im Moment fasst das dort 5 kg Seife. (...) Bei einer normalen Durchsuchung ist das keine Stelle, die einem einfällt. (...)"

Die Begriffe Tulpe, Seife und Materialien werden - wie bereits ausgeführt - organisationsintern als Codebezeichnungen für Panzerfaust (Tulpe) und Sprengstoff (Seife) sowie Schusswaffen, Magazine und / oder Munition (Materialien) verwendet. Wie ebenfalls bereits dargelegt, ergibt sich aus organisationsinternen Berichten vom 28. August, 03. und 10. September 2003 (Dateien ID-Nr. 755 330, 754 041 und 753 357), dass der als neuer Bräutigam bezeichnete Kurier (S A) den Transportauftrag auch ausgeführt und dabei eine größere Menge Sprengstoff sowie mehrere USBVs ("20 Stück Schaum") in die Türkei verbracht hat.

Dass am 13. September 2002 der Pkw Mercedes Benz mit dem amtlichen Kennzeichen GER-EJ tatsächlich auf H H - wie von diesem angegeben - zugelassen wurde, konnte - ausweislich der Angaben des Zeugen KOK F - im Zuge der polizeilichen Ermittlungen bei der Zulassungsstelle Germersheim zweifelsfrei verifiziert werden. Der Zeuge KOK F hat hierzu weiter angegeben, dass H H im Rahmen einer informatorischen Anhörung vor Beginn der polizeilichen Vernehmungen im März 2003 mitgeteilt hatte, dass sich der ihm seinerzeit ausgehändigte Kraftfahrzeugschein des Kurierfahrzeugs im Handschuhfach seines eigenen Kraftfahrzeugs befinde. Der Zeuge KHK A hat bestätigt, bei der daraufhin zeitnah veranlassten Nachsuche dieses amtliche Dokument an der von H H bezeichneten Stelle tatsächlich aufgefunden zu haben.

Übergabe von Kommunikationsmitteln und Geld

Nach den Bekundungen des Zeugen H wurde ihm von D. unmittelbar vor Beginn der Transportfahrt ein Mobilfunktelefon nebst Telefonkarten sowie Bargeld zur Deckung der Reisekosten überlassen. Auch dies entspricht der bei früheren, von der Organisation ebenfalls unter Mitwirkung von I D. initiierten Transporten praktizierten Vorgehensweise, wie folgende, exemplarisch genannte, Dokumente zeigen:

In dem in Asservat 33.92.49 enthaltenen Bericht über die Vorbereitung eines Kuriers wird die Organisationsführung unter anderem wie folgt informiert:

"1- Morgen werden wir uns mit dem / der Fahrer / Fahrerin um zwölf Uhr in Dortmund treffen. (...) Ihm / ihr selbst werde ich 3 tausend Mark geben. (...) Außerdem werde ich morgen auch dem / der Fahrer / -in erklären, was sich wo befindet. (...)"

Einen weiteren Beleg für diese Vorgehensweise enthält die bereits benannte Mitteilung vom 28. März 1998 (Asservat 33.92.33), in welcher die Organisationsführung darüber unterrichtet "WAS IN DAS FAHRZEUG DES / DER MIT EUROPÄISCHEM HEFT REINGELEGT WERDEN WIRD".

Auch die in den Asservaten 33.83.185 und 33.92.124 enthaltenen organisationsinternen Mitteilungen bestätigen, dass I D. im Auftrag der Organisationsführung Kuriere mit Geld ausgestattet und deren jederzeitige fernmündliche Erreichbarkeit sichergestellt hat.

Kontaktaufnahme mit der Zentrale

Der Zeuge H hat ferner bekundet, dass er vor Antritt der Kurierfahrt angewiesen wurde, mit dem ihm zuvor von I D. übergebenen Mobilfunktelefon ein Probegespräch mit der Zentrale zu führen. Er gab weiter an, dass eine entsprechende fernmündliche Kontaktaufnahme nach Mitteilung eines Zahlencodes, den er unter Zuhilfenahme weiterer Informationen, die ihm zuvor von D. gegeben wurden, entschlüsseln konnte, tatsächlich stattgefunden habe.

Auch dies passt - wie in Belgien sichergestellte Asservate der Organisation belegen - zu der Vorgehensweise von I D. bei der Vorbereitung früherer (Waffen-) Transporte der DHKP-C. So wird dieser in einer schriftlichen Mitteilung vom 02. Oktober 1998 (Asservat 33.92.134) von der Organisationsführung wie folgt angewiesen:

"U HALLO,

1. Lasst uns den neuen Kellner von nun an den Fotografen nennen, denn Kellner ist die Bezeichnung von C und denen,

a) wie viel Geld gebt ihr

b) wir schicken euch das Alphabet dafür, druck´ es mit Vorder- und Hinterseite aus und mach Spalten, zwei Ausfertigungen, eine soll er gut verstecken, eine soll er verwenden, aber die soll natürlich nicht offen rumliegen... du weißt das.

c) er soll nicht alles Geld an derselben Stelle transportieren und sich klauen lassen.

d) bring du seinen Vor- und Zunamen, seinen Vaternamen und das Geburtsdatum in Erfahrung, bevor er (ab-) fährt.

e) er wird erst nach Griechenland fahren und von dort aus in die Heimat.

2. Tu du in das Auto

a) hundert Stück 9 mm

b) hundert Stück 7,65 mm Munition

c) wenn du es kriegst und deponieren/hineinbekommen kannst, Pistolenhüllen/-taschen für eine Vierzehner und eine 7,65´er.

d) kauf fünf Dosen Waffenfett und tu sie hinein

e) noch zwei Klesch-Fernrohre

3. Welche Klesch-Ersatzteile habt ihr an der Hand.

4. Das / der muss so schnell wie möglich rauskommen / losfahren, und gib uns seine Telefonnummer... wir wollen einen Versuch machen, natürlich wenn er das Telefon bekommt.

5. Schreib auf jedes Paket, was darin ist... Schreib es auf jeden Fall auf das Paket.

Ende der Nachricht, Grüße. Liebe."

(Probe-) Transport auf dem Luftweg

Schließlich stimmt die Schilderung des Zeugen H, wonach er vor dem in Rede stehenden Waffentransport mittels eines Kraftfahrzeugs, von Verantwortlichen der Rückfront, darunter der Angeklagte G., zunächst den Auftrag erhalten hatte, Gegenstände für die Organisation per Flugzeug in die Türkei zu transportieren, mit dem methodischen Procedere der DHKP-C bei der Rekrutierung von Kurieren überein. Dies belegt ein Bericht vom 27. Juni 2003 (Datei ID-Nr. 750 331). Wie bereits ausgeführt, wird darin darüber informiert, dass ein als Kurierfahrer ausgewählter Sympathisant auf die Durchführung von Transportaufgaben in die Türkei vorbereitet werden soll. Unter Punkt 8 des Schreibens wird hierzu sodann Folgendes mitgeteilt:

"(...) Wir sollten es ausprobieren und diesen Freund mit dem Flugzeug schicken. Falls es zu keinem Problem kommt, überlege ich, ihn mit dem Auto zu schicken. Ich habe nochmals verlangt, dass sie diesen Freund fragen sollen, ob er damit einverstanden (sei), mit einem vollen Auto zu fahren."

Treffen mit Führungsverantwortlichen

Dass sich H H, wie von ihm bekundet vor Durchführung des Waffentransports nach der Festnahme A Cs auch mit dessen Nachfolger als Verantwortlicher der Region Süd, dem früheren Mitangeklagten A ("B A") getroffen hat, belegt ein Schreiben der Europaverantwortlichen vom 07. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 756 023), in welcher eine Notiz der Führung vom 06. Mai 2003 wie folgt beantwortet wird:

"1- Der Pizzabäcker wird zu Beginn den C benennen. Mit dem Pizzabäcker hatte als erster der T gesprochen. Als T festgenommen wurde, hat sich B A um das Gebiet gekümmert, hauptsächlich / prinzipiell hat er (mit ihm) gesprochen und (ihn) geschickt.

Die mit seinen Angaben in den Vernehmungen beim Polizeipräsidium Mainz im März 2003 übereinstimmende Bekundung des Zeugen Hs in der Hauptverhandlung, wonach im Anschluss an die Festnahme A Cs ein erstes - vom Angeklagten G. vermitteltes - Zusammentreffen mit A ("T") im Juli 2002 im Verein der Organisation in Köln stattgefunden habe, wird durch das Ergebnis der durchgeführten Telefonüberwachung gestützt. So wurde am überwachten Anschluss 0160 / 4543952 am 24. Juli 2002 gegen 20:36 Uhr (Nr. 731 TKÜ C) ein Anruf einer - unbekannt gebliebenen - weiblichen Person (B) aufgezeichnet, die dem Angerufenen (A) mitteilt, dass er "am F" mit einem Fahrzeug nach Köln ("zu der Wöchentlichen ") kommen solle. Wörtlich verläuft das Gespräch wie folgt:

" A: Ja, bitte?

B: Hallo. Guten Tag.

A: Guten Tag.

B: Wie geht´s Dir?

A: Bei Gott, es ist gut. Hab´ Dank. Was machst Du?

B: Mir geht es auch gut. Wie läuft es?

A: Bei Gott, es ist gut. Wir sind derzeit mit H zusammen und begeben uns in Richtung Dings.

B: Ist das so? Bist Du in der Gegend?

A: Ja, ich bin dort.

B: Hmm. Also, wenn das so ist... also ich wollte Dir Dings sagen... Kannst Du am Frei- tag mit einem Fahrzeug hier her kommen?

A: Am F?

B: Ja. Da zu der Wöchentlichen .

A: Also... also ich kann kommen.

B: Also dann... ähh... komm. Also Mittag... so gegen Freitagmittag...

A: Alles klar.

B: ... aber verspäte Dich nicht. Komm unbedingt, denn es gibt jemanden, den Du mit nehmen / wegbringen musst...

A: Alles klar. Alles klar.

B: ... da in eure Gegend / auf eure Seite...

A: In Ordnung. Alles klar.

B: Vielleicht... Bist Du heute dort?

A: Ich bin jetzt dort. Ja.

B: Also wirst Du heute dort bleiben?

A: Also, ich werde morgen ganz früh mich auf den Weg machen. Was?

B: Ach so. Bist Du heute dort?

A: Ja. Wir haben heute was zu erledigen, morgen in aller Frühe...

B: Wenn das so ist, dann sieh mal! Der A B wird kommen...

A: Alles klar.

B: ...ähh... dann triff Du Dich mit dem.

A: Alles klar. In Ordnung.

B: In Ordnung?

A: Alles klar.

B: Also der wird es Dir auch selber sagen...

A: Alles klar.

B: ...triff Dich unbedingt mit ihm.

A: Alles klar. In Ordnung.

B: Also ...ähh... das kannst Du auch....

A: Der...

B: ... unseren Freund fragen... unsren Freund dort. Der weiß es.

A: Alles klar. Alles klar. In Ordnung. Alles klar.

B: Der sollte nämlich aus dem Norden kommen...

A: Hmm, hmm. Alles klar.

B: Alles klar? Also wir sehen / sprechen uns.

A: Wir sehen / sprechen uns."

Zwei Tage später, am 26. Juli 2002 (Nr. 749 TKÜ C) meldet sich daraufhin um 12:08 Uhr ein männlicher Anrufer (B) und teilt der Person am überwachten Anschluss (A) mit, dass er sich - bedingt durch einen Verkehrsstau - um circa eine Stunde verspäten werde. Die Sprecher vereinbaren daraufhin, sich in einer Stunde treffen zu wollen. Wörtlich verläuft das Gespräch wie folgt:

"A: Ja bitte?

B: Hallo. Guten Tag.

A: Guten Tag.

B: Also ich bin im Stau, es wird zu einer Verspätung von circa einer Stunde kommen, dass Du es weißt.

A: Eine Stunde?

B: Ja, da in der Gegend von Koblenz gab es einen unheimlichen Stau...

A: Alles klar.

B: ...jetzt hat sich der Stau aufgelöst...

A: Alles klar, alles klar. In Ordnung.

B: Ist das in Ordnung?

A: In Ordnung, geht in Ordnung.

B: Alles klar, ich bin dann in einer Stunde dort.

A: Alles klar. In Ordnung.

B: Also, wir sehen uns.

A: Wir sehen uns."

Ebenfalls am 26. Juli 2002 kommt es am überwachten Anschluss um 18:59 Uhr (Gespräch Nr. 756 TKÜ C) zu einem weiteren Anruf durch eine - unbekannt gebliebene - männliche Person (B). Auf deren Nachfrage bestätigt der Angerufene (A) mit, dass er sich derzeit in Köln ("bei der Wöchentlichen ") aufhalte. Wörtlich heißt es wie folgt:

"A: Ja bitte?

B: Hallo.

A: Hallo. Guten Tag.

B: Ja, Guten Tag. Um wie viel Uhr werdet ihr kommen?

A: (Unverständlich)

B: Um wie viel...?

A: Wir sind da bei der Wöchentlichen .

B: Ihr seid bei da bei der Wöchentlichen .

A: Ja. Heute sind wir dort. Heute wird es ein wenig spät werden. Also ich glaube, dass es heute nicht klappt.

B: Ach so, heute klappt es nicht. Dann morgen?

A: Morgen. Mit großer Wahrscheinlichkeit.

B: Alles klar, damit wir uns dementsprechend um unsere Sachen / Arbeiten kümmern. Alles klar.

A: Alles klar. In Ordnung.

B: Also....

A: In Ordnung. Wir sehen uns.

B: In Ordnung. Wir sehen uns."

Der Senat hat sich anhand der bereits dargelegten Kriterien davon überzeugt, dass es sich bei dem in den bezeichneten Gesprächen (Nr. 731, 749 und 756 TKÜ C) angerufenen Sprecher jeweils um den Angeklagten G. handelte. Der Senat hat auch keine Zweifel daran, dass es sich bei dem Anrufer (B) in dem am 26. Juli 2002 um 12:08 geführten Telefonat (Nr. 749 TKÜ C) um H H gehandelt hat. Die in der zugehörigen Gesprächsaufzeichnung akustisch dokumentierte Sprechstimme des genannten Anrufers stimmt hinsichtlich ihrer mittleren Sprechstimmlage (Grundfrequenz), Sprechrhythmik, Sprachmelodie und Sprechweise, mit den entsprechenden Auditiv-Parametern und dem Stimmbild derjenigen Person überein, die während des Zeitraums vom 01. bis 12. September 2002 (Nr. 991, 994, 995, 996, 1042, 1043, 1051, 1058, 1095 und 1115 TKÜ C) den überwachten Anschluss des Angeklagten G. angewählt und sodann an der sich jeweils anschließenden Gesprächsführung teilgenommen hat. Hinsichtlich dieser, im September 2002 geführten, Telefonate hat der Zeuge H, nachdem ihm in der Hauptverhandlung die entsprechenden Gesprächsaufzeichnungen (wiederholt) vorgespielt worden waren, glaubhaft bestätigt, bei den jeweiligen Telefonaten jeweils bei G. angerufen und sich anschließend mit diesem besprochen zu haben.

cc. Zum Kurierfahrzeug

Der frühere Mitangeklagte D. hat - wie bereits ausgeführt - spätestens seit dem Jahre 1998 als Führungskader mit Sonderaufgaben eine zentrale Funktion im Bereich der Logistik sowie bei der Beschaffung von Waffen, Munition und sonstigen (Ausrüstungs-) Materialien für die DHKP-C wahrgenommen und unter dem Decknamen U eine Vielzahl von Transporten mit entsprechenden Gegenständen in die Türkei vorbereitet bzw. organisiert. Er war auch für die Bereitstellung der hierfür benötigten Transportmittel, deren Präparation mit Verstecken sowie - teilweise - auch für die Bestückung der Fahrzeuge mit den in die Türkei zu verbringenden Gegenständen verantwortlich. Die in Belgien und den Niederlanden sichergestellten Unterlagen belegen, dass hierbei auch der Mercedes zum Einsatz kam, der H H als Transportfahrzeug für den Waffentransport zugeteilt worden war.

So hat Zeuge KHK T glaubhaft dargelegt, dass dieses Kraftfahrzeug ausweislich der - im Zuge einer Überprüfung der Fahrzeug-Historie - erhobenen Halterdaten in der Zeit vom 07. Juli 1998 bis 01. Oktober 1998 mit dem amtlichen Kennzeichen KN-JP 402 auf H A zugelassen war. A wurde - wie bereits erwähnt - unter dem Decknamen G von der DHKP-C mit der Durchführung einer Kurierfahrt in die Türkei beauftragt und hat - im Jahre 1998 - einen entsprechenden Transport auch durchgeführt. Dies belegen folgende Dokumente :

Am 04. Juli 1998 berichtet D. der Organisationsführung (Asservat 33.92.78), dass die Europaführung ("C A und die") keinen Ersatzfahrer für G finden konnte. In seinem nachfolgenden Bericht vom 09. Juli 1998 (Asservat 33.92.79) schreibt er hierzu sodann Folgendes: "1. Das Kennzeichen von G´s Auto ist KN-JP, es ist ein Mercedes 230 E, die Farbe ist dunkelblau. (...)" In einer Notiz vom 19. Juli 1998 (Asservat 33.92.81) übermittelt die "Zentrale" an D. folgende Nachricht: "(...) G wird heute ihre / seine erste Tour machen. (...)" Am 29. Juli 1998 (Asservat: 33.92.87) wird berichtet, dass "G und die" noch nicht "zurückgekehrt" seien.

Zu diesen Mitteilungen passt ein Schreiben der Europaverantwortlichen vom 14. September 2003 (Datei ID-Nr. 753 666), in der G über eine "Informationsnotiz" berichtet, in welcher "(...) die Angelegenheit mit H A (...)" thematisiert wird. Darin wird - wie ausgeführt - zunächst mitgeteilt, dass A in der Türkei in Gewahrsam genommen wurde, weil "(...) das Auto der Marke Mercedes, den H H gefahren hatte, zuvor auf seinen Namen registriert war, und dass er 1998 in die Türkei ein- und ausgereist ist." Anschließend wird eine Aussage As bei der Staatsanwaltschaft kurz wie folgt zusammengefasst wiedergegeben:

"`...ich bin mit diesem Fahrzeug am 14.07.1998 zusammen mit meinem Freund M I aus Deutschland in die Türkei eingereist und mit dem gleichen Fahrzeug am 03.08.1998 ins Ausland ausgereist. (...) Das Kennzeichen des Fahrzeugs der Marke Mercedes, welches am 23.09.2002 in Edirne - Kapikule erwischt wurde, war EGR EL ... mein Fahrzeug dagegen hat das Kennzeichen KN-JP-...´"

Der Senat ist überzeugt, dass es sich bei dem in bezeichnetem Dokument an erster Stelle genannten amtlichen Kennzeichen um eine auf einem Schreibversehen bzw. Ablesefehler oder einer unrichtigen Datenübertragung beruhende unzutreffende Wiedergabe des amtlichen Kennzeichens GER-EJ handelt, das dem von H H zur Durchführung des in Rede stehenden Waffentransports als Kurierfahrzeug überlassenen Pkw zugeteilt worden ist. Dass die DHKP-C über D. Zugriff auf dieses Fahrzeug (Mercedes) hatte, belegen auch dessen Berichte vom 11. und 15. September 1998. So heißt es in der Mitteilung vom 11. September 1998 (Asservat: 33.92.118) bei Punkt 3. unter anderem wie folgt:

"An dem Tag war auch der Mercedes, den ich in die Garage gestellt hatte (der, der auf G angemeldet ist), nicht an seinem Platz, auch den hatten die von dort weggeholt. Als ich das so S , erstarrte ich förmlich, (weil ich mich frage), wo fährt dieses Auto hin. Die Ursache dieser Angelegenheit klärte sich heute. Heute haben wir uns mit O E darum bemüht, es zu bekommen. (...) Ich habe das Auto, nachdem ich es vom Fahrer bekommen hatte, in die Garage von O E gestellt, ich habe es nicht draußen gelassen, da die Scheibe zerbrochen war. Einige Tage blieb das Auto in diesem Zustand dort. Aber wenn ich das Auto abstelle, mache ich auf jeden Fall die Kennzeichen ab, damit nicht klar sein soll, wo es herkommt. In der Zwischenzeit muss einer der Polizei Anzeige erstattet haben, die Polizei kam und hat angeblich Fotos gemacht, zu der Zeit war das Auto auf G´ Namen angemeldet und aus dem Grund geht die Polizei zu G nach Hause. (...)"

In der nachfolgenden Notiz vom 15. September 1998 (Asservat: 33.92.122) erwähnt D. korrespondierend hierzu im Rahmen einer Auflistung seiner Ausgaben im August 1998 eine "Auto-Scheiben-Reparatur (Unfall von G´ Fahrer)".

In ihrem Bericht vom 11. Oktober 2003 (Datei ID-Nr. 754 561) nimmt die Europaverantwortliche unter Punkt 14 ihrer Mitteilung zu dem Vorgang betreffen A ergänzend wie folgt Stellung:

"K hat mit H A gesprochen, Ks Notiz;

`Er wurde damit beschuldigt, der ehemalige Besitzer eines Fahrzeugs zu sein, das Ende 2002 von einer Person namens H H verlassen wurde. (...) Der psychische Zustand des Mannes ist relativ gut. Er ist ein bisschen gekränkt, denn wir hatten ihm die Risiken, ins Land zu gehen, obwohl er gefragt hatte, nicht übermittelt. (...) Zwischenzeitlich hat er selbst einen Bericht vorbereitet. Er hat ihn schriftlich eingereicht. Ich habe ihn unten genauso niedergeschrieben; DER BERICHT BEGINNT;

09.10.2003

Als ich am 04.08.2003 in den Urlaub ging, wurde ich bei der Passkontrolle am Flughafen Atatürk verhaftet. (...) Die Person, die deren Kommissar war, fragte, ob ich 1998 mit einem blauen Mercedes in den Urlaub gekommen sei. Ich sagte, dass ich gekommen sei. Sie sagten, dass dieses Auto, zusammen mit den beladenen Materialien, verlassen im Jahr 2002 am Zollübergang in Edirne aufgefunden wurde. (...)

Es wurde gefragt, warum ich 1998 mit dem aufgegriffenen blauen Mercedes eingereist bin, und wer die Person bei mir war. Den Namen der Person, die ich namentlich nicht erinnern konnte, haben sie mir später gesagt. Und ich sagte, dass er stimmen würde. Denn all diese Dinge befinden sich in Registrierungen in Edirne. (...)

Ich möchte eine Kritik äußern, wenn ich das wagen darf;

Ich habe der Person, die Gebietsverantwortliche ist, 3 Wochen vorher mitgeteilt, dass ich in den Urlaub gehen werde. Ich wollte, dass sie herausfinden, ob es ein Problem gibt oder nicht. (...)

Meine Frage an euch / Sie ist folgende; mit dem Fahrzeug, das im Jahr 2002 aufgegriffen wurde, und ihr / Sie wisst / wissen, dass es aufgegriffen wurde und ihr / Sie kennt / kennen sicherlich mehr oder weniger die Verfahrensweise in der Türkei, so habt ihr / haben Sie die Ein- und Ausreisenden über diesen Zustand nicht benachrichtigt. Ich weiß, dass die Menschen ihre Leben aufopfern. Was soll´s wenn wir einmal verhaftet werden, aber ich habe hier eine Arbeit, eine Familie und Kinder. Wer hätte Rechnung für diese Verantwortungslosigkeit getragen, wenn etwas schief gelaufen und ich inhaftiert worden wäre? (...)

Eine simple Verhaftung, 2 bis 3 Tage Untersuchungshaft, ein bisschen psychologischer Druck, diese Dinge können mich nicht einschüchtern. Jedoch hoffe ich, dass auch ihr / Sie die kleinste Unebenheit wichtig nehmt / nehmen. Für mich hat einer, der eine Zeitschrift liest, die gleichen Rechte inne, wie das wichtigste Mitglied der Organisation. Und das müsste die Gerechtigkeit unserer Organisation sein. Wenn ich einen Fehler begangen haben sollte, bitte ich um Vergebung.

G... Ende (...)"

Dass A von Verantwortlichen der Rückfront als Kurierfahrer eingesetzt worden ist, wird - neben den bereits bezeichneten Dokumente n - auch durch einen Bericht vom 06. September 1999 (Asservat Nr. 31.301.8) belegt. Darin ersucht der damalige Europaverantwortliche E die Parteiführung folgende Notiz an D. weiterzuleiten:

"Hallo U! (...)

d) Du kannst dich vielleicht erinnern, es gab im Süden einen Mann namens G, den du als Fahrer geschickt hast. Er ist zuletzt nochmal gefragt worden, ob er wieder fahren könnte. Er hat darauf negativ geantwortet. Er meinte, es gäbe Dinge, über die man reden müsse. (...) Wir werden uns die Sache näher anschauen. Er sollte sich wenigstens für irgendetwas nützlich machen. Kannst Du Dir vielleicht zunächst gleich mal die Zeit nehmen und mit ihm reden? (...)"

Weiter steht aufgrund der Bekundungen des Zeugen KHK T fest, dass der von A und H H für Kurierfahrten der Organisation genutzte Mercedes in der Zeit vom 17. September 1999 bis 09. November 1999 auf L K, geb. E zugelassen war. Dass auch K - wie vom Zeugen KOK F bekundet - Bezüge zur DHKP-C aufweist und von Verantwortlichen der Rückfront mit der Durchführung von Kurierfahrten beauftragt worden ist, belegt Folgendes:

Am 13. September 1999 (Asservat 31.226) berichtet I D. an die Organisationsführung unter anderem wie folgt:

"1- Heute habe ich die weibliche Person gesehen, die in die Heimat fahren / fliegen wird.... (...)

2- NAME DER FAHRERIN LAUTET: L K, VORNAME DES VATERS: K, GEBURTSDATUM: 01.01.1970

3- Jetzt liegt folgendes Problem an, ich weiß nicht, ob es Ihnen / Euch weitergeleitet wurde.... Diese weibliche Person ist zuvor als Kurier mit dem Flugzeug in die Heimat hin und her geflogen.... Ihre Aufgabe hat sie mit Erfolg erledigt.... (...)"

Bereits zuvor wurde in einem Schreiben vom 07. September 1999 (Asservat 31.301.10) dem damaligen Europaverantwortlichen E ("C") folgende Anweisung erteilt:

"2- Bereitet die L vor... diese sollten wir sofort wegschicken. Teilt einen Treffpunkt mit... U kann es / sie von dort abholen... Gebt ihr wieder dreitausendfünfhundert Lira mit. 3- Ende der Notiz. Grüße in Liebe."

Dass H A und L K (geb. E) mit dem von H H bei dem Waffentransport als Kurierfahrzeug benutzten Pkw bereits in den Jahren 1998 (A) und 1999 (K) in die Türkei eingereist sind, wird auch in dem "Zusatzeinstellungsbeschluss" der Oberstaatsanwaltschaft zu Edirne vom 20. Januar 2004 bestätigt, in dem im Zusammenhang mit den Untersuchungen betreffend H H zu dem am 23. September 2002 an der bulgarisch-türkischen Grenze von türkischen Sicherheitskräften verlassen aufgefundenen Pkw "(...) mit dem amtlichen Kennzeichen GER ..." Folgendes festgestellt wird:

"(...) Da der Angeklagte namens H A das bei der Straftat benutzte Fahrzeug mit einem Kennzeichen KM JP benutzt hat und am 14.07.1998 mit diesem Fahrzeug in das Land eingereist ist sowie die Angeklagte namens L K (E) dasselbe Fahrzeug wiederum - (dies Mal) mit dem Kennzeichen HB VK am 13.10.1999 in das Land eingeführt hat, wurden gegen die Angeklagten Ermittlungen geführt mit der Annahme, dass sie sich am illegalen Handel mit Waffen und Munition beteiligt haben könnten. (...)"

Dass auf L K, geb. E der von H H bei dem Waffentransport genutzte Mercedes mit dem im bezeichneten Dokument genannten amtlichen Kennzeichen, HB-VK 801, in der Zeit vom 17. September bis 09. November 1999 zugelassen war, hat der Zeuge KHK T im Rahmen seines Berichts über die zu diesem Pkw erstellte Kfz-Historie bestätigt.

Die Beweisaufnahme hat ferner ergeben, dass I D. als (Logistik-) Verantwortlicher der Organisation auch bei dem von H H durchgeführten Waffentransport mit der Vorbereitung bzw. Bereitstellung des hierfür eingesetzten Kurierfahrzeugs (Mercedes) befasst war. Wie der Zeuge KHK T bekundet hat, wurde im Zuge der polizeilichen Ermittlungen festgestellt, dass die letzte Hauptuntersuchung (HU) dieses Kraftfahrzeugs am 20. August 2002 im Betrieb des H E in Brandenburg durchgeführt wurde. Der Senat ist überzeugt, dass auch dies durch den früheren Mitangeklagten D. veranlasst wurde. So hat der Inhaber dieses Kraftfahrzeugbetriebs, der Zeuge E, in seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung bestätigt, D. ("I") zu kennen. Er habe diesen immer nur A genannt und ungefähr 1996 in einem Dortmunder Kulturverein für "deutsch-türkische Freundschaft", in welchem er (E) seinerzeit als Tanzlehrer für Volkstänze tätig gewesen sei, kennen gelernt. Dass D. bei seiner Betätigung als Führungsfunktionär der DHKP-C auch unter dem Decknamen A agiert hat, belegt ein organisationsinterner Bericht vom 08. September 1998 (Asservat 33.83.189), in welchem D. im Zusammenhang mit der Schilderung eines Kontakts zu einer als Schmuggler bezeichneten Person, erklärt: "(...) Mich kennt er als A. (...)" Wie der Zeuge E weiter angegeben hat, entwickelte sich zwischen D. und ihm eine engere Freundschaft. Dieser sei auch des Öfteren in seiner - im Jahre 2000 eröffneten - Kraftfahrzeugwerkstätte in Brandenburg erschienen und habe dort Reparaturen an unterschiedlichen Kraftfahrzeugen, darunter auch ein "200er Mercedes-Benz" durchführen lassen.

Dazu passt die Aussage des Zeugen M V. Dieser war - wie er in der Hauptverhandlung glaubhaft angegeben hat - im Jahre 2002 im Betrieb des Zeugen E als Kraftfahrzeugschlosser beschäftigt und mit der Reparatur von Fahrzeugen befasst. Nach seinen Angaben sei dort etwa einmal im Monat eine Person erschienen und habe Auto-Reparaturen durchführen lassen. Weiter hat der Zeuge V bestätigt, dass ihm bei einer (polizeilichen) Vernehmung zur Identifizierung dieser Person mehrere Fotos vorgelegt worden seien. Seinerzeit habe er auch auf eines der Lichtbilder gezeigt und angegeben, dass es sich bei dem darauf Abgebildeten um die von ihm beschriebene Person handle. Auf Nachfrage gab der Zeuge V - vor Abtrennung des Verfahrens gegen die früheren Mitangeklagten A, S und D. - zwar an, dass diese Person im Gerichtssaal nicht anwesend wäre. Auch auf Vorhalt einer - bei der früheren polizeilichen Vernehmung des Zeugen V verwendeten - Lichtbildmappe bekundete er, niemanden zu erkennen. Nach anschließender Vorlage des, den früheren Mitangeklagten D. zeigenden Einzelbildes Nr. 18 aus dieser Lichtbildmappe, bestätigte der Zeuge V jedoch spontan, dass dieses Foto in der fraglichen polizeilichen Vernehmung seinerzeit von ihm bezeichnet worden sei, weil er damals geglaubt habe, dass dies die in Rede stehende Person gewesen sei. Der Zeuge KHK T hat bestätigt, dass der Zeuge V im Verlauf seiner polizeilichen Vernehmung nach Vorlage einer Lichtbildmappe auf das dort enthaltene Bild Nr. 18 von I D. gezeigt und angegeben habe, er "glaube" diese Person zu kennen, ohne sich jedoch "ganz sicher" zu sein.

Der Zeuge EKHK B hat bestätigt, dass am 23. September 2002 von türkischen Sicherheitskräften ein vor den "Duty-Free-Shops" im Zollbereich des Grenzkontrollpostens Kapikule-Edirne abgestellter Pkw Mercedes aufgefunden und sichergestellt wurde. Diese Bekundung stimmt überein mit den Ausführungen im "Protokoll über Überprüfung, Untersuchung / Ermittlung, Festnahme und Beschlagnahme bei einem Vorfall" der türkischen Zoll- und Sicherheitsbehörden vom 24. September 2002. Dort heißt es unter anderem wie folgt:

"Am 23.09.2002 um etwa 18:30 Uhr wurde bei der Bewertung einer Anzeige, die bei den Sicherheitskräften gestellt wurde, eine Ermittlung begonnen und nach einem Fahrzeug mit dem Kennzeichen GER EJ bei der Einfahrt in die Türkei gesucht. Bei den durchgeführten Ermittlungen in den Computerregistrierungen in der informationsverarbeitenden Abteilung der Hauptdirektion des Zolls in Edirne wurde festgestellt, dass betreffende Fahrzeug in die Türkei weder ein- noch ausgereist ist. Daraufhin ging man zu der Untersuchung über, ob sich das Fahrzeug im Areal befindet oder nicht. Bei den durchgeführten Ermittlungen wurde festgestellt, dass das Fahrzeug vor den Freeshops der Passagierhalle Kapikule für die Einreise ohne den Fahrer geparkt worden ist. Hinsichtlich dieses Fahrzeugs wurden in den Computerregistrierungen der Hauptdirektion des Zollgewahrsams in Edirne Nachforschungen angestellt und es wurde festgestellt, dass für das Fahrzeug eine Eintragung über eine Einreise in die Türkei am 23.09.2002 um 17:24 Uhr vorgenommen wurde. Gemäß den Eintragungen wurde das Fahrzeug von der Person namens H H, geboren 1964 in Arakli als Sohn von A, aus dem Ausland in den Zollareal Kapikule gebracht. (...) Bei der Untersuchung des Zollareal(s) und der Einreisegeschäfte, wurde weder die Person namens H H, noch wurde eine Person oder Personen, die mit dem betreffenden Fahrzeug zu tun haben könnten, angetroffen. Zum Zwecke der Feststellung von einer Person oder Personen, die mit dem betreffenden Fahrzeug in Berührung gekommen sein konnten, wurden im Umkreis Vorsichtsmaßnahmen getroffen und es wurde abgewartet, und obwohl danach eine lange Zeit verging, trat weder jemand anderes (an) das Fahrzeug heran, noch wurde irgendeine verdächtige Person angetroffen. (...)"

Die Aussage des Zeugen H, er habe das Kurierfahrzeug bis zu der genannten Örtlichkeit an der bulgarisch-türkischen Grenzstation gesteuert und dort verschlossen zurückgelassen, wird ferner gestützt durch die weitere glaubhafte Bekundung des Zeugen EKHK B, wonach bei der im Anschluss an die Sicherstellung dieses Pkws von der sogenannten Tatortuntersuchungseinheit der türkischen Polizei durchgeführten Maßnahmen, zahlreiche Fingerspuren im Kraftfahrzeug gesichert wurden. Zu diesen Spuren habe auch ein auf dem Deckel / Einband einer im Fahrzeug befindlichen Landkarte erhobener Fingerbadruck gehört, der im Zuge der weiter durchgeführten Ermittlungen durch das zuständige Kriminallabor, dem die über Interpol erlangten (Vergleichs-) Fingerabdrücke von H H zugeleitet worden waren, zweifelsfrei H H zugeordnet werden konnte.

Dies passt zu den Ausführungen im verlesenen Sachverständigengutachten der zuständigen Fachabteilung für daktyloskopische Untersuchungen im Dienststellenpräsidium für öffentliche Ordnung, Dienststellendirektion für Tatortuntersuchung und Identitätsfeststellung vom 21. November 2002. Darin wird mitgeteilt, dass der "Büroleitung für Identitätsfeststellung und Bewertung" der genannten Dienststelle unter Bezugnahme auf einen Waffenschmuggel, der "(...) sich am 23. September 2002 in der Stadt Edirne, Zollareal Kapikule ereignet (...)" habe, eine Fotografie mit mehreren, nummerierten Fingerabdrücken sowie ein Abdruckformular von 10 Fingern, erstellt auf den Namen von H H, geboren am 07. Juli 1964 in A übergeben worden sei. Sodann wird bestätigt, dass hinsichtlich des übersandten Fingerabdrucks mit der Nummer 452-B im Vergleich mit dem auf dem Abdruckformular von 10 Fingern befindlichen Abdruck des Mittelfingers der rechten Hand H Hs festgestellt wurde, dass "(...) es sich um den GLEICHEN Fingerabdruck handelt." Dass es sich bei der bezeichneten Behörde ("Büroleitung für Identitätsfeststellung und Bewertung") um eine Fachabteilung für Daktyloskopie handelt, die in organisatorischer Hinsicht von der die Ermittlungen führenden Polizeidienststelle getrennt, für die Auswertung erhobener Spuren zuständig ist, ergibt sich aus den glaubhaften Bekundungen des Zeugen EKHK B. Dieser hat weiter erklärt, dass entsprechende Auswerteberichte - so wie vorliegend - üblicherweise durch mehrere Personen unter Angabe der jeweils zugehörigen Dienstnummer unterzeichnet werden. Schließlich hat der Zeuge EKHK B, der nach seinen Angaben die Akten betreffend das in der Türkei gegen H H geführte Strafverfahren gesichtet und ausgewertet hat, bestätigt, dass anhand der auf dem in Rede stehenden Gutachten vermerkten Dienstnummern auch verifiziert wurde, dass der Bericht durch hierzu berufene bzw. befugte Personen unterzeichnet worden ist.

dd. Schusswaffen, Waffenteile und Munition

Der Senat ist überzeugt, dass in dem von H H gelenkten Kurierfahrzeug die festgestellten Schusswaffen, Waffenteile und Munition zugeladen, versteckt und bis zur bulgarisch-türkischen Grenze transportiert wurden.

Erkenntnisse türkischer Behörden

Der Zeuge EKHK B hat ausgesagt, dass im Zuge der Untersuchung des bezeichneten (Kurier-) Fahrzeugs Mercedes von der Polizei im Vorderbereich des Armaturenbretts unterhalb des Handschuhfachs ein Versteck aufgefunden wurde. Im dortigen Hohlraum, in dem normalerweise die Heizung des Pkws montiert sei, hätten sich zahlreiche (Schuss-) Waffen nebst zugehörigen Magazinen und passender Munition sowie ein Schalldämpfer befunden. Die Gegenstände seien in Plastiktüten verpackt gewesen. Diese Bekundung stimmt überein mit den Feststellungen im bezeichneten Protokoll der türkischen Sicherheitskräfte vom 24. September 2002 betreffend die Sicherstellung und Durchsuchung des im Zollbereich der Grenzstation aufgefundenen Kraftfahrzeugs, das hierzu folgende Anmerkungen enthält:

"(...) In dem Fahrzeug, das zum Zwecke der notwendigen Durchsuchung von seinem Standort zu den Durchsuchungskanälen der Einreise abgeschleppt und mit einem gemischten Team, zusammengesetzt aus Zoll-, Zollgewahrsam- und Sicherheitsbehörden durchsucht wurde, wurden in dem Heizungshohlraum unter dem unteren Handschuhfach des vorderen Frontverbindungsblechs in schwarzen Plastiktüten eingewickelt verpackt und versteckt 9 (neun) Stück Kalaschnikow Infanteriegewehre, 24 (vierundzwanzig) Stück Magazine für Kalaschnikow Infanteriegewehre, 1 (ein) Stück Skorpion Pistole sowie 1 (ein) Stück zu dieser Pistole gehörender Schalldämpfer, 2 (zwei) Stück Magazine für Skorpion Pistole, 49 (neunundvierzig) Stück Geschosse für Skorpion Pistole, 2255 (zweitausendzweihundertfünfundfünfzig) Stück Geschosse für Kalaschnikow Infanteriegewehre vorgefunden. (...)"

Die zur Art und Funktionsfähigkeit dieser (Schuss-) Waffen, Waffenteile und Munition getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Sachverständigengutachten des Dienststellenpräsidiums des Kriminalpolizeilabors bei der Sicherheitshauptdirektion Istanbul vom 26. September 2002, dem die benannten Gegenstände nach deren Sicherstellung - wie auch der Zeuge EKHK B bestätigt hat - zur Vornahme ballistischer Untersuchungen übersandt worden waren. Der Zeuge EKHK B hat weiter glaubhaft bekundet, dass es sich bei dem bezeichneten Labor nicht um eine in die Ermittlungen bezüglich des in Rede stehenden Vorgangs eingebundene Polizeidienststelle, sondern um eine auch organisatorisch hiervon getrennte, aus waffentechnischen Spezialisten ("Experten") bestehende Fachabteilung der Istanbuler Polizei (-direktion) handelt.

Die Sachverständigen EKHK L und M

Dass sämtliche im Kurierfahrzeug sichergestellten Gegenstände in dem dort unter dem Armaturenbrett bzw. Handschuhfach befindlichen Hohlraum problemlos versteckt werden konnten, steht fest aufgrund der glaubhaften Bekundungen des Sachverständigen EKHK L. Dieser hat auf Veranlassung des Senats Untersuchungen zu der Frage durchgeführt, ob zur Aufnahme der festgestellten Anzahl von Waffen, Magazinen, Munition und sonstigem Zubehör bei einem PKW der Marke Mercedes, Typ 230 E der Baureihe W 123, Baujahr 1984, wie von H benutzt, in einem durch Umbauten geschaffenen Hohlraum unterhalb des Armaturenbrettes bzw. Handschuhfachs ausreichend Platz ist. Der Sachverständige EKHK L ist Fachgruppenleiter des Kriminaltechnischen Instituts beim Landeskriminalamt. Innerhalb seines Aufgabenbereichs (Spurensuche und Spurensicherung) ist er insbesondere mit der Untersuchung von (Kraft-) Fahrzeugen auf Verstecke zum Transport von Gegenständen befasst. Er hat - über das Mercedes-Benz-Classic-Zentrum in Fellbach, das über Museumsfahrzeuge der Baureihe W 123 der Baujahre 1976 bis 1984 verfügt - entsprechende Abklärungen unter Zugrundelegung einer Anleitung vorgenommen, die in einem - mit den Angaben "U 27. Mai 1999" versehenen - Dokument aus der belgischen Rechtshilfe enthalten ist (Asservat 33.59). Darin wird der Umbau "... von MERCEDES der Typenreihe 123 und 126 ..." zu einem für Kuriertransporte geeigneten Fahrzeug thematisiert. Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen EKHK L, die sich der Senat zu eigen macht, handelt es sich bei dieser Anleitung um eine genaue Beschreibung zum Ausbau von Fahrzeugteilen bei einem Mercedes der Baureihe W 123. Diese Erkenntnis habe er durch die Befragung zweier Kfz-Meister der Firma Daimler AG gewonnen, die - wie der Sachverständige EKHK L bestätigt hat - mit dem Aufbau und bauartbedingten Besonderheiten von Mercedes-Fahrzeugen der Baureihe W 123 bestens vertraut und erfahren sind. Da die vorhandenen technischen Datenblätter keine Maßangaben enthalten hätten und Ausbauten an den bereitgestellten Museumsfahrzeugen nicht durchführbar gewesen seien, habe er den möglichen Hohlraum, der durch die Entfernung von Fahrzeugteilen entsprechend der bezeichneten Anleitung hinter der Armaturentafel rechts der Lenksäule hergestellt werden kann, ausgemessen und dabei folgende (mittlere) Maße festgestellt: Breite / Länge: 99 cm, Tiefe: 40 cm, Höhe: 30 cm. Ein solchermaßen dimensionierter Hohlraum entsteht, wenn man die in der genannten Anleitung beschriebenen Ausbauten vornehme. Das sich hieraus ergebende Raumvolumen sei ausreichend, um darin die in Rede stehenden Gegenstände (10 Schusswaffen, Magazine und Munition) vollständig unterzubringen. Die Verifizierung des Fassungsvermögens sei unter Hinzuziehung eines Schusswaffensachverständigen anhand eines - den Dimensionen des Hohlraumes entsprechenden - angefertigten Behältnisses mit den Innenmaßen 99 cm (Länge / Breite) x 40 cm (Tiefe) x 30 cm (Höhe) erfolgt. Nach Belegung mit neun Kalaschnikow-Infanteriegewehren unterschiedlicher Bauart, sei dieser Nachbau erst bis zu einer Höhe von etwa 16 cm und damit nur etwa zur Hälfte gefüllt gewesen. Sämtliche Gewehre hätten von der Länge her - auch mit aufgeklappten Schulterstützen - in das Behältnis hineingepasst. Von der verbleibenden "freien Höhe" (14 cm) würden für eine Maschinenpistole "Scorpion" maximal weitere 5 cm benötigt, so dass auch nach Verstauung einer solchen Schusswaffe noch ausreichend Raumkapazität für weitere Teile wie z. B. Magazine und Munition zur Verfügung gestanden habe. Es sei ohne Weiteres möglich, in den Hohlraum eine Aufhängevorrichtung zur sicheren Befestigung der Waffen bzw. Waffenteile anzubringen. Eine Verstärkung / Versteifung der Fußraumabdeckung, z. B. durch Hineinlegen eines Bretts, stelle ebenfalls kein Problem dar. Die Beladung / Befüllung des Hohlraums sei technisch von unten oder – einfacher, nach vorherigem, ohne Schwierigkeit vorzunehmenden, Ausbau des lediglich mit zwei Schraubverbindungen befestigten Instrumentenabdeckung (Tachometer etc.) – von oben möglich.

Gestützt und im Wesentlichen bestätigt wurden die Darlegungen des Sachverständigen EKHK L durch die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) M, den der Senat mit weiteren Erhebungen zur Dimension bzw. Beschaffenheit des in Rede stehenden Hohlraums sowie zur Tragfähigkeit der unteren Armaturenbrettverkleidung beauftragt hat. Hierzu wurde ihm neben den Erkenntnissen des Sachverständigen EKHK L auch eine Ablichtung der - im Asservat 33.59 enthaltenen - Umbauanleitung zugänglich gemacht. Der Sachverständige M ist nach einer Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und einem Studium der Fahrzeugtechnik seit nunmehr zehn Jahren als Dipl-Ing. (FH) bei der DEKRA beschäftigt und dort mit Fragen der Unfallanalyse und Fahrzeugtechnik befasst. An seiner (hohen) Sachkompetenz bestehen nach seinen Erörterungen in der Hauptverhandlung keine Zweifel. Entsprechend dem ihm erteilten Auftrag hat er bei einem Pkw Mercedes Benz 240 D der Baureihe W 123, Baujahr 1984 unterhalb des Armaturenbretts den Wärmetauscher der Heizungsanlage sowie den Gebläsekasten entsprechend den Vorgaben in der Umbauanleitung im bezeichneten Asservat entfernt. Die in dem Dokument enthaltene Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte sei "im Groben" brauchbar gewesen. Sie enthalte eine aus technischer Sicht ausreichend genaue Übersicht, wie der Um- / Ausbau zu erfolgen hat. Ferner seien Hinweise enthalten, worauf zu achten ist, dass die Durchführung entsprechender Um- / Ausbauten augenscheinlich nicht sofort festgestellt werden kann. Nach den weiteren gutachtlichen Ausführungen des Sachverständigen M ergibt sich durch das in der Umbauanleitung beschriebene Vorgehen bei Kraftfahrzeugen des Herstellers Mercedes-Benz aus der Baureihe W 123 unterhalb des Armaturenbrettbereichs ein Hohlraum in Form eines "Parallelepiped", das etwa 95 cm breit / lang, ca. 40 cm tief und ungefähr 25 cm hoch sei. Um die unteren Verkleidungsteile des Armaturenbretts im Bereich des Mitteltunnels ausreichend befestigen zu können sei - bei Ausbau des Gebläsekastens - die Anfertigung von Halterungen notwendig. Eine Nutzung des Hohlraums zum Transport von Gegenständen mit einem (Gesamt-) Gewicht von 10 Kilogramm oder mehr setze eine Verstärkung der unteren Armaturenbrettverkleidung oder die Fixierung der transportierten Güter an der Verstrebung des Armaturenbretts voraus, da vorhandene Plastikhalterungen nicht für derartige Traglasten ausgelegt seien. Bei einer - technisch problemlos zu realisierenden - Anbringung eines mittels einer Schraubverbindung befestigten Metallbandes sei - auch bei dynamischer Belastung - eine sichere Fixierung von Gegenständen mit einem Gewicht von bis zu 80 Kilogramm ohne Weiteres möglich.

Der Sachverständige M hat bestätigt, dass sämtliche der in Rede stehenden (Schuss-) Waffen (9 Kalaschnikows und eine Maschinenpistole "Scorpion"), Waffenteile (Magazine) und Munition bei Zugrundelegung der von ihm ermittelten, im Vergleich zu dem vom Sachverständigen EKHK L bezifferten Freiraumumfang geringfügig abweichenden Hohlraumgröße "vom Volumenmaß her" vollständig in einen mit einem entsprechenden Versteck präparierten Mercedes der Reihe W 123 verbaut und in einem entsprechend dimensionierten Versteck sicher fixiert sowie problemlos transportiert werden können.

Der Senat hat sich diese nachvollziehbaren und überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen M zu eigen gemacht und seinen Feststellungen zugrundegelegt.

ee. Zum Aufenthalt H Hs in Ulm / Neu-Ulm

Als zutreffend haben sich außerdem die in der Hauptverhandlung gemachten Angaben des Zeugen H zu seinem Aufenthalt in Ulm / Neu-Ulm erwiesen, die mit seinen Aussagen im Rahmen der polizeilichen Vernehmungen im März 2003 übereinstimmen.

Erkenntnisse aus Telefonüberwachung

Dass H H - wie von ihm bekundet - bei seiner von der Organisation veranlassten und gesteuerten Vorbereitung auf die Kurierfahrt zur Durchführung des Waffentransports in die Bölge Ulm verbracht, dort in einer Neu-Ulmer Wohnung zeitweilig auf weitere Instruktionen durch Verantwortliche der DHKP-C gewartet und im Verlauf dieses Aufenthalts wiederholt beim Angeklagten G. angerufen hat, wird durch zahlreiche Gesprächsaufzeichnungen aus überwachter Telekommunikation (Nr. 991, 994, 995, 996, 1042, 1043, 1051, 1058, 1095 und 1115 TKÜ C) betreffend den (Mobilfunk-) Anschluss 0160 / 454 3952, welcher seinerzeit vom Angeklagten G. zur Entgegennahme eingehender Telefonate bzw. SMS (-Kurznachrichten) genutzt wurde, gestützt. Der Senat hat sich im Zuge des hierzu durchgeführten Augenscheins auf der Grundlage der bereits dargestellten Kriterien, auf die Bezug genommen wird, davon überzeugt, dass in den genannten (Fern-) Gesprächen jeweils auch der Angeklagte G. als Sprecher zu hören war. Überdies hat der Zeuge H nach Abspielen der in Rede stehenden Gesprächsmitschnitte in der Hauptverhandlung bestätigt, bei den einzelnen Telefonaten den Angeklagten G. angerufen und mit diesem jeweils auch gesprochen zu haben.

Der Senat ist überzeugt, dass die bezeichneten Gespräche vom Zeugen H - wie von diesem bekundet - geführt wurden. So erkundigt sich etwa im Telefonat vom 01. September 2002 (Nr. 991 TKÜ C) der Anrufer (B) gegen 16:12 Uhr beim Angeklagten G. (A) nach der Möglichkeit eines Treffens. Im Wortlaut verläuft dieses Gespräch wie folgt:

"A: Ja, bitte

B: Hallo, grüß´ Dich.

A: Grüß´ Dich.

B: Was gibt es? Wie steht es?

A: Bei Gott, alles beim Besten, danke. Was treibst Du so?

B: Bei Gott, gut ..., wir spazieren herum, was sollen wir machen?

A: Du spazierst herum, ich habe zwar eigentlich nicht Erkannt ...

B: Ha. Besteht die Möglichkeit, dass wir uns sehen / treffen?

A: Ich habe es nicht verstanden.

B: Haben wir die Möglichkeit, uns zu sehen / treffen?

A: Nun, man versteht Dich nicht. Sprich doch etwas lauter.

B: Haben wir heute die Möglichkeit, uns zu sehen / treffen? Wir sollten uns

sehen / treffen.

A: Eine Minute. Ich werde Dir zwar sagen, ob wir uns treffen oder nicht, wenn ich Deine Stimme erkennen würde.

B: Ha ... (lacht) ... Z, Z.

A: Haa. Nun, ... Du ... Wo ... Du bist doch an dem Ort ... an Deinem Ort, nicht wahr?

B: Ja.

A: Alles klar, der Dings wird zu Dir kommen, der Landsmann wird kommen.

B: Ja, ich hatte doch dort eine Angelegenheit, die wir nicht haben erledigen

können. Hast Du das verstanden?

A: Hä.

B: Das solltest Du erledigen.

A: Nun ... Du sollst dort Dings, Dings machen. Ich werde ... Eine Minute, wie spät ist es im Moment?

C: Es ist 4 Uhr.

A: Also ich kann bis sieben kommen.

B: Du sollst kommen, kommen.

A: In der Tat?

B: Ja, ja.

A: Dann ist okay, wir werden uns um 7 Uhr sehen / treffen.

B: Okay, ich warte.

A: Okay, in Ordnung.

B: Wir sehen uns.

A: Deine Stimme, Deine Stimme hat sich geändert, Freund.

B: Bei ‚Gott, sie hat, wird sich ändern. Meine Stimme hat sich geändert, ja.

A: Wie geht es Deinem Wohlbefinden? Gut?

B: Wir reden darüber, wenn du da bist.

A: Okay, in Ordnung.

B: Ich warte aber.

A: Okay, in Ordnung.

A: Okay?

B: Okay ..."

Wie bereits dargelegt, handelt es sich nach den Bekundungen H Hs bei "Z" um den ihm im Zuge der Vorbereitung des Waffentransports nach seiner Verbringung in die Bölge Ulm über den Angeklagten G. zugewiesenen Decknamen. Auch in inhaltlicher Hinsicht passt der Gesprächsverlauf im bezeichneten Telefonat (Nr. 991 TKÜ C), zu den Angaben, welche der Zeuge H zum Verlauf seines Aufenthalts in Neu-Ulm bereits in den polizeilichen Vernehmungen im März 2003 gemacht und in der Hauptverhandlung bestätigt hat. Demzufolge hat er seinerzeit von Ulm / Neu-Ulm aus bei wiederholten fernmündlichen Kontaktaufnahmen mit dem Angeklagten G. mögliche (Zusammen-) Treffen erörtert und sich mit diesem dabei auch über die Notwendigkeit kurzfristig erforderlich gewordener Rückreisen nach Germersheim besprochen. Der Zeuge H hat ferner in der Hauptverhandlung, nachdem ihm die entsprechende Gesprächsaufzeichnung vorgespielt wurde, bestätigt, das zugehörige Telefonat seinerzeit aus einer Telefonzelle geführt zu haben. Es sei darum gegangen, ihn aus Neu-Ulm abzuholen.

Die im Zuge der Telefonüberwachungsmaßnahme festgestellten Verbindungsdaten dieses Gesprächs belegen, dass H H bei diesem Telefonat ebenso wie bei nachfolgenden, ebenfalls am 01. September 2002 gegen 20:50 Uhr (Nr. 994 TKÜ C) und 21:46 Uhr (Nr. 995 TKÜ C) mit dem Angeklagten G. geführten Ferngesprächen einen Festnetzanschluss im Ortsnetz Ulm / Neu-Ulm (Vorwahlbereich: 0731) benutzt hat.

Dass H H - wie von ihm bekundet - während seines Aufenthalts in Neu-Ulm tatsächlich vorübergehend nach Germersheim zurückgekehrt ist, wird durch ein von ihm am 02. September 2002 um 09:56 Uhr geführtes Gespräch (Nr. 996 TKÜ C) mit dem Angeklagten G. bestätigt. Der Anrufer (H H) benutzt hierfür den Anschluss mit der Nummer "07274 / 777034". Nach den Bekundungen der Zeugin KHKin S-K handelt es sich hierbei um einen Festnetzanschluss im Ortsnetz Germersheim, dem (damaligen) Wohnort Hs. H H hat auf Vorhalt der bezeichneten Telefonnummer (07274 / 777034) bestätigt, dass es sich hierbei um den früheren Festnetzanschluss seiner ehelichen Wohnung in Germersheim, Hstraße handelt. Weiter teilt H in diesem, etwa eine halbe Minute andauernden, Telefonat dem Angeklagten G. unter anderem Folgendes mit: "Pass´ mal auf, also ich warte jetzt hier in der Schlange, ... Dings... wäre es möglich dass Du eine Stunde später kommst, als Du gesagt hast?" Der (angerufene) Angeklagte G. antwortet daraufhin: "Alles klar, alles klar, das geht..." Dies wiederum passt zu der im März 2003 gegenüber der Polizei gemachten Aussage H Hs, der dort ausweislich der Bekundungen des Zeugen KOK F angegeben hat, den Angeklagten G. während seines Aufenthalts in Germersheim angerufen, einen Treffpunkt vereinbart und außerdem mitgeteilt zu haben, dass er (H) beim Arbeitsamt in einer langen "Schlange" warten müsse.

Auch bei den Telefonaten vom 04. September 2002 gegen 16:54 und 20:39 (Nr. 1042 und 1043 TKÜ C) sowie dem am 05. September 2002 um 20:21 Uhr zwischen H H und dem Angeklagten G. fernmündlich geführten Gespräch (Nr. 1051 TKÜ C) geht es im Wesentlichen um die Frage, ob, wann und wo die beiden Gesprächspartner miteinander Kontakt aufnehmen. Bei Anrufen am 09. September 2002, 19:48 Uhr (Gespräch Nr. 1095 TKÜ C) und 12. September 2002, 14:08 Uhr (Gespräch Nr. 1115 TKÜ C) erkundigt sich H H beim Angeklagten G., wann dieser "... in diese Gegend kommen" wird und ersucht mit den Worten: "Also wenn Du kommst, wäre es besser, Mensch." um ein Treffen. Der Zeuge H hat, nachdem ihm die entsprechenden Gesprächsaufzeichnungen vorgespielt worden sind, in der Hauptverhandlung hierzu angegeben, seinerzeit beim Angeklagten G. um eine Erlaubnis "nach Hause gehen" zu dürfen, nachgefragt (Nr. 1043 und 1051 TKÜ C) sowie über eine anstehende Reise G.s nach Belgien, wo er ( H) anlässlich eines Hungerstreiks der DHKP-C und einer Gerichtsverhandlung gegen ein Organisationsmitglied auch schon gewesen sei, gesprochen zu haben (Nr. 1095 TKÜ C). Aus einem am 09. September 2002 geführten Telefonat (Nr. 1095 TKÜ C) geht - wie auch der Zeuge H bestätigt hat - hervor, dass der Angeklagte G. (Sprecher: A) bei der thematisierten Fahrt H H (Sprecher: B) nicht nach Belgien mitnehmen wollte, weil dieser bereits mit einer anderweitigen Aufgabe betraut war. Wörtlich heißt es im genannten Gespräch hierzu wie folgt:

"A: Hmm... kannst Du nach Dings ko... ko... kommen? Oder hast Du zu tun?

B: Wohin?

A: (Schmunzelt) Morgen auf eine Seite... wir werden nach Dings uns begeben... Mann. Wir begeben uns in Richtung Belgien.

B: Was soll ich da?

A: (Lacht) Ähh... Du bist ein gestandener / angekommener Mann, Du kommst natürlich nicht mit.

B: Nee.

A: Hmm... aber dann weiß ich es nicht, Du wirst auf die warten müssen. Es gibt nichts, was man sonst tun könnte.

(...)"

Dieser Dialog passt außerdem zu der Bekundung des Zeugen H, dass ihm bei seiner Verbringung in die "Bölge Ulm" von G. gesagt worden sei, in der ihm dort zugewiesenen Wohnung auf den Erhalt weiterer Instruktionen bzw. das Eintreffen einer von der Organisation beauftragten Person zu warten.

Dass sich H H auch bei den am 04., 05., 09. und 12. September 2002 geführten Telefonaten (Nr. 1042, 1043, 1051, 1115 TKÜ C) - wie von ihm angegeben - im Bereich Neu Ulm / Ulm aufgehalten hat, bestätigen die erhobenen Verbindungsdaten, die für den Anrufer jeweils die Anschlussnummer "0731 / 725197" ausweisen. Hierbei handelt es sich - wie die Zeugin KHKin S-K bestätigt hat - um einen öffentlichen Telefonanschluss (Fernsprecher) in Ulm bzw. Neu-Ulm.

Aus den Gesprächsinhalten ergibt sich ferner, dass der Angeklagte G. über den damaligen Aufenthaltsort H Hs informiert war. So wird H H etwa im Telefonat vom 01. September 2002, 16:12 Uhr (Nr. 991 TKÜ C) - wie bereits ausgeführt - vom Angeklagten G. gefragt, ob er noch "an dem Ort ... an Deinem Ort" sei, was der Anrufer (H) bejaht. Im Verlauf eines weiteren - ebenfalls zwischen H H (Sprecher B) und dem Angeklagten G. (Sprecher A) geführten Telefonats am 06. September 2002, 14:10 Uhr (Nr. 1058 TKÜ C) heißt es wie folgt:

"(...)

B: Wie geht´s, wie steht´s Mensch?

A: Bei Gott gut, was machst Du so?

B: Bei Gott, ich spaziere auf dem Markt / in der Stadt herum, ne.

A: Du spazierst herum?

B: Hmm.

A: Hast Du Deine Arbeit / Angelegenheit erledigt?

B: Alles klar ... ah ...

A: Hmm ...

B: ... ich bin hier, ich bin an dem Ort, an dem Du mich zurück gelassen hast / abgesetzt hast.

A: Hmm, alles klar, abgemacht. (...)"

Auch dieses Ferngespräch wurde von H H ausweislich der festgestellten Verbindungsdaten aus dem Vorwahlbereich 0731 und mithin aus dem Ortsnetz Ulm / Neu-Ulm geführt. Der Gesprächsinhalt spricht ferner dafür, dass H H, - wie von ihm in der Hauptverhandlung in Übereinstimmung mit seinen früheren Angaben im Rahmen der im März / April 2003 erfolgten (Beschuldigten-) Vernehmungen bekundet - im Zuge der Vorbereitung des Waffentransports im Jahre 2002 tatsächlich vom Angeklagten G. nach Ulm / Neu-Ulm gebracht worden ist.

Der Senat ist weiter überzeugt, dass sich H H seinerzeit in Neu-Ulm in der Wohnung der Zeugen M und M Y aufgehalten hat. Diese haben eine solche Beherbergung in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung zwar bestritten und angegeben, H H nicht zu kennen bzw. diesen Namen noch nie gehört zu haben. Beide haben übereinstimmend ausgesagt, in der Zeit von 2000 / 2001 bis 2004 getrennt gelebt zu haben. Die in der obersten (5.) Etage gelegene, etwa 55 m² große Wohnung im Gebäude Bstraße in Neu-Ulm sei in dieser Zeit alleine von M Y genutzt worden. Diese Angaben sind jedoch unzutreffend und widerlegt.

Zum einen hat der Zeuge M Y bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 17. Januar 2007 - über deren Verlauf und Inhalt die damalige Verhörsperson KHK T als Zeuge berichtet hat - nichts von einem nunmehr behaupteten ehelichen Getrenntleben berichtet. Zum anderen hat der Zeuge H - wie der Zeuge KOK F bekundete - bei einer am 15. Januar 2009 erfolgten Wahlgegenüberstellung unter jeweils sechs Vergleichspersonen in verschiedenen Durchgängen sowohl M wie auch M Y sofort und eindeutig wiedererkannt. Dabei habe er auch den Kosenamen der Zeugin M Y benannt und bekundet, dass diese von ihrem Ehemann (M Y) des Öfteren "M" gerufen wurde. Dies passt zu einer Bekundung des Zeugen M Y, der in der Hauptverhandlung - insoweit glaubhaft - bestätigt hat, seine Ehefrau von Zeit zu Zeit mit dem Kosenamen "M" (phonetisch bei türkischer Aussprache) anzusprechen bzw. in dieser Weise angesprochen zu haben.

Der Senat ist außerdem überzeugt, dass Verantwortliche der DHKP-C auf die Eheleute Y eingewirkt und diese veranlasst haben, im Zusammenhang mit der Beherbergung Hs wahrheitswidrige Angaben zu machen. Grundlage hierfür ist der Inhalt des bereits benannten organisationsinternen Berichts vom 23. März 2003 (Datei ID-Nr. 750 856), in welchem der frühere Mitangeklagte A ("C") von G mit Nachdruck auf die Notwendigkeit hingewiesen wird, dass "man in einer angemessenen Weise mit dem Wohnungsinhaber spricht", bei dem sich der "Pizzabäcker" aufgehalten hat.

Ortsbegehung

Dass sich H H tatsächlich in der Wohnung der Eheleute Y in Neu-Ulm aufgehalten hat, wird durch folgende Gegebenheiten gestützt: Am 11. Dezember 2008 hat H H - wie der Zeuge POK K, Polizeiinspektion Neu-Ulm, glaubhaft bekundete - die Wohnung, in welcher er sich nach seinen Angaben zur Vorbereitung des Waffentransports im September 2002 aufgehalten hatte, im Rahmen einer Ortsbegehung exakt lokalisiert . Nach den Angaben des Zeugen POK K habe ihn H H nach seinem Eintreffen auf der genannten Polizeidienststelle in die Bstraße in Neu-Ulm gelotst. Dort habe H H zunächst die Gebäude Bstraße 80 bzw. 82 betreten, einen früheren Aufenthalt in diesen Anwesen jedoch sicher ausgeschlossen. Im weiteren Verlauf der Ortsbegehung habe sich H H in das Gebäude Bstraße 76 begeben und dort die im 5. Stockwerk links am Treppenaufstieg gelegene Wohnung als die Räumlichkeiten benannt, in denen er im Jahre 2002 vorübergehend untergebracht gewesen sei. Der Zeuge POK K hat bekundet, dass im Anschluss - auf seine Veranlassung - noch das baugleiche Anwesen Bstraße 74 zusammen mit H H aufgesucht worden sei. Dieser habe jedoch erklärt, dass es sich hierbei nicht um das gesuchte Haus handeln würde.

Der Senat hat an der Richtigkeit der vom Zeugen H vorgenommenen Wohnungsbezeichnung keine Zweifel. Wie der Zeuge POK K glaubhaft bekundete, stellte sich im Zuge der Ortsbegehung nämlich heraus, dass H H über relativ genaue Erinnerungen an die Örtlichkeit verfügte, obwohl sich das Erscheinungsbild des betreffenden Gebäudes und der angrenzenden Anwesen durch den Einbau neuer Haustüranlagen bzw. neuer Wohnungseingangstüren sowohl von außen wie von innen gegenüber dem Zustand im Jahre 2002 deutlich verändert habe. Ferner sei aufgefallen, dass sich H H bei der Suche nach der in Rede stehenden Wohnung sehr gut an verschiedene Örtlichkeiten in der näheren Umgebung des gesuchten Objekts erinnern konnte. Hierzu habe insbesondere eine im Hinterhof des Gebäudes Bstraße gelegene türkische Backstube, die von der Straße aus nicht zu sehen sei, gehört. Auch ein am Beginn der Häuserzeile in der Bstraße befindlicher Kebabstand sei dem H H bekannt gewesen und zutreffend von ihm lokalisiert worden. Vom Treppenhaus des 4. Obergeschosses des Gebäudes Bstraße 76 aus sichtbare, markante Bauwerke (wie etwa das Ulmer Münster oder das Hotel Maritim) im näheren Umkreis habe H H ebenso wie den Hinterhof des in Rede stehenden Hauses bereits vor Betreten dieses Anwesens zutreffend beschrieben. Schließlich hätten sich auch die von ihm gemachten detaillierten Angaben zu der Raumeinteilung der genannten Wohnung, die in Augenschein genommen worden sei, als richtig erwiesen.

Wie der Zeuge POK K weiter bekundet hat, wurde im Zuge der von der Polizei durchgeführten Befragung der Wohnungseigentümer / Vermieter festgestellt, dass die von H H im Gebäude Bstraße 76 bezeichnete Wohnung im August / September 2002 an eine Familie Y vermietet war und von dieser auch genutzt wurde. Eine Abfrage beim Einwohnermeldeamt der Stadt Neu-Ulm habe ergeben, dass M und M Y in fraglicher Zeit unter dieser Anschrift gemeldet und dort auch wohnhaft waren. Dass die Eheleute Y eine Wohnung in der Bstraße in Neu-Ulm nutzten, wurde vom Zeugen K bestätigt, der außerdem angegeben hat, M und M Y aufgrund einer früheren gemeinsamen Beschäftigung in einer Reinigungsfirma schon lange Jahre zu kennen.

Die Aussage H Hs, wonach er sich zur Vorbereitung der Kurierfahrt im September 2002 in der Wohnung der Eheleute Y aufgehalten und sich als "Z" ausgegeben hat, wird außerdem durch die - von den Zeugen KOK F und KHKin S-K sowie KHK T bekundeten - polizeilichen Erkenntnisse gestützt, welche im Zuge der - gegen H H gerichteten Ermittlungen - durchgeführten, mittlerweile gelöschten Telefonüberwachungen erlangt wurden. Demzufolge wurde im Rahmen dieser Maßnahmen an einem überwachten (Fernsprech-) Anschluss H Hs im November 2002 ein Anruf aufgezeichnet, der von einem auf M Y, Neu-Ulm zugelassenen (Mobilfunk-) Anschluss ausgegangen sei. Im Verlauf dieses Telefonats habe sich - wie die Zeugen KOK F und KHKin S-K weiter bestätigt haben - die angerufene Person als Z ausgegeben bzw. ansprechen lassen. Der Anrufer sei im Verlauf des Gesprächs - vom Angerufenen - M genannt worden. Im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung im März 2003 hat H H - wie der Zeuge KOK F glaubhaft bekundet hat - auf Vorhalt dieses Telefonats bestätigt, seinerzeit von M angerufen worden zu sein. Bei diesem habe es sich um die Person gehandelt, in deren Wohnung er sich im Zuge der Vorbereitung des Waffentransports einige Tage aufgehalten und übernachtet habe. Auch in seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung hat der Zeuge H bestätigt, von M, dem "Besitzer der Wohnung", in der er sich zur Vorbereitung auf den Waffentransport im Jahre 2002 aufgehalten habe, nach der zugehörigen Kurierfahrt telefonisch kontaktiert worden zu sein.

Für die Richtigkeit der Angaben des Zeugen H, wonach er sich zur Vorbereitung auf den Waffentransport eine Zeit lang in Ulm / Neu-Ulm aufgehalten habe, sprechen schließlich auch die Aussagen der Zeugin Berrin H. Diese hat glaubhaft bekundet, über das Erfordernis eines (mehrtägigen) Aufenthalts an einem anderen Ort von ihrem Ehemann (H H) seinerzeit in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Der (Hinter-) Grund hierfür sei ihr zwar nicht mitgeteilt worden, jedoch habe sie gespürt, dass "irgendein Mist im Gange war". Es sei die Zeit gewesen, "in der die Dinge alle zusammenkamen". Kurz nach Rückkehr ihres Ehemannes habe sich dieser erneut von ihr verabschiedet und dabei lediglich erklärt, dass er jetzt möglicherweise "gar nicht mehr kommen" könne.

ff. Zur Fahrtstrecke

Als zutreffend erwiesen sich auch die Bekundungen des Zeugen H, wonach er mit dem bezeichneten Mercedes im September 2002 nach Bulgarien eingereist und mit diesem Pkw nach einem Aufenthalt in Sofia zwei Tage später in Richtung Türkei weitergefahren ist. So konnte anhand der durchgeführten polizeilichen Ermittlungen - wie der Zeuge KOK F glaubhaft angegeben hat - festgestellt werden, dass H H ausweislich der über Interpol Sofia in Erfahrung gebrachten Eintragungen in den Registern der bulgarischen Grenzpolizei am 21. September 2002 gegen 22:00 Uhr ohne Begleiter über den Grenzübergang Kalotina mit einem Pkw Mercedes, amtliches Kennzeichen GER-EJ nach Bulgarien eingereist und am 23. September 2002 gegen 17:00 Uhr mit diesem Kraftfahrzeug über den Grenzübergang Kapitan Andreevo in Richtung Türkei (Kapikule / Edirne) wieder ausgereist ist. Wie der Zeuge KOK F weiter anhand einer - Ablichtung des (türkischen) Reisepasses H H bestätigt hat, wurden entsprechende Stempelabdrücke ausländischer Grenzbehörden, welche derartige Einreise- / Ausreisevorgänge dokumentieren auch in dem - bei der Festnahme Hs in dessen Wohnung sichergestellten - türkischen Reisepass H Hs vorgefunden. Das entsprechende Original-Dokument wurde zwischenzeitlich - so die Einschätzung des Zeugen KOK F - an die passausstellende (türkische) Behörde zurückgereicht. Der Senat hat die Erläuterungen des Zeugen KOK F zu den Passeintragungen anhand der bezeichneten Ablichtung, die dem Gericht vom Zeugen KHK A mit dem Hinweis, es handle sich um eine originalgetreue Kopie des von der Polizei im Zuge der Festnahme H Hs aufgefundenen türkischen Ausweisdokuments in der Hauptverhandlung übergeben worden ist, nachvollzogen und dieses als zutreffend erkannt.

c. Organisationsinterne Aktivitäten nach Durchführung des Waffentransports

Dass sich H H - wie von ihm bekundet - als Kurier für die DHKP-C betätigt hat, wird außerdem durch die intensiven Aufklärungsbemühungen und Nachforschungen belegt, welche die Europaführung der Organisation nach dem Scheitern des Waffentransports an der Rückfront vorangetrieben hat. Mit der Durchführung entsprechender, von der Europaverantwortlichen und / oder nachgeordneten Führungsfunktionären angeordneten Maßnahmen wurde der Angeklagte G. beauftragt. Dieser war angewiesen, zu H bzw. - nach dessen Festnahme - auch zu dessen Ehefrau und anderen Familienangehörigen bzw. Verwandten Kontakt zu halten, um Befragungen vorzunehmen oder die jeweiligen Personen in bestimmter Weise zu beeinflussen.

Dass es zu entsprechenden - auch von H H bekundeten - Kontaktaufnahmen des Angeklagten G. gekommen ist, hat die Ehefrau H Hs, die Zeugin Berrin H, glaubhaft bestätigt. Diese hat angegeben, dass G., den sie über ihren Ehemann kennen gelernt habe, noch in der Nacht, in welcher H H im September 2002 nach mehrtägiger Abwesenheit nach Hause zurückgekehrt sei, in Germersheim vor ihrer dortigen Wohnung gestanden und nach ihrem Ehemann gefragt habe. Überdies habe G. die Telefonnummern von dessen Schwester bzw. Bruder in der Türkei in Erfahrung bringen wollen. Er habe erklärt, dringend mit H H reden zu müssen und unbedingt in die Wohnung gewollt. Dies habe sie jedoch nicht zugelassen und - einer Bitte ihres zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung befindlichen Mannes, der sich vor G. versteckt habe, Folge leistend - behauptet, alleine zuhause zu sein.

Die Richtigkeit dieser - mit einer entsprechenden Darstellung dieses Vorgangs durch H H in seinen Vernehmungen vom März / April 2003 sowie in der Hauptverhandlung übereinstimmenden - Aussage bestätigt eine Nachricht vom 09. Oktober 2002 (Datei-ID-Nr. 763 486), in der G einen Bericht des früheren Mitangeklagten A betreffend eine Kontaktaufnahme mit dem Pizzabäcker weiterleitet. Wörtlich heißt es darin unter anderem wie folgt:

"1- Ker... hat am Donnerstag in der Nacht um 01.30 Uhr mit dem Pizzabäcker in seinem / Ihrem Haus gesprochen. Das Gespräch hat 2 Stunden gedauert. Einen Tag vorher war er zur gleichen Zeit dort und hat ihn zuhause nicht angetroffen. Er hat erklärt, sie seien bei Verwandten gewesen. Er hat das Gespräch zuerst mit ihm selbst geführt. Später kam dessen Frau, mit der er auch gesprochen hat. (...)"

Dass es sich bei der im genannten Bericht - bewusst oder versehentlich - als Ker... bezeichneten Person - wie von den Zeugen H und Berrin H übereinstimmend bekundet - tatsächlich um den Angeklagten G. gehandelt hat, belegt ein Bericht Gs vom 07. Oktober 2002 (Datei ID-Nr. 763 437), in welchem die Europaverantwortliche die Organisationsführung darüber informiert, dass sie eine Nachricht ".... bezüglich des Pizzabäckers an C und T A weitergeleitet" habe. G bestätigt sodann, dass der Angeklagte G. ("C") mit dem Pizzabäcker gesprochen und hierüber M.A. unterrichtet habe. Dieser werde hierüber "... morgen eine Akte / Datei senden. (...)" Eine entsprechende Mitteilung Gs findet sich auch in dem Dokument mit der Datei ID-Nr. 763 488.

Am 08. November 2002 (Datei ID-Nr. 763 252) informiert G die Zentrale über eine Nachricht der Europaführung vom 06. November 2002, in welcher unter Punkt 4 folgende Fragestellung aufgeworfen wird: "Ist mit dem Lahmacun-Verkäufer (-Bäcker) gesprochen worden?" Ebenfalls am 08. November 2002 berichtet sie in einer Mitteilung an die Parteiführung (Datei ID-Nr. 754 150 / 764 150) über H H wie folgt:

"2- Mit dem / der Türkische-Pizza Bäcker/-in hat sich C unterhalten. Ab einem bestimmten Punkt der Unterhaltung habe auch seine Ehegattin auf eigenen Wunsch teilgenommen, die Haltung der Ehegattin sei im allgemeinen Sinn positiv. Er habe gesagt, dass er Angst habe und abwarte. Er habe gesagt, dass er sich in einer solchen Unbestimmtheit befinde und dass sein Zucker steige, wenn er darüber nachdenke. Nachdem er ausgesagt habe, sei die Polizei überhaupt nicht nach Hause gegangen. Nur neulich, nach Mitternacht, hätten zwei Tage zwei unterschiedliche Zivilpersonen gegenüber des Hauses gewartet, er habe den Verdacht gehabt, dass das Polizisten seien, aber diesbezüglich gäbe es nichts Bestimmtes. Im Land hat sein älterer Bruder eine dreigeschossige Arbeitsstelle. Die Polizei hätte gleichzeitig die Arbeitsstelle und die Wohnung durchsucht und nach ihm gefragt. Bei der Polizei, die die Arbeitsstelle durchsucht hätte, habe es sich um die Finanzpolizei gehandelt, aber sie hätten alle Computer und jede Ecke durchsucht.

Diese/r (H.) wurde in den 80ern aus unseren Reihen in Untersuchungshaft genommen und wurde zwei, drei Monate inhaftiert. Sie haben Photos im Zusammenhang mit der Untersuchungshaft in den 80ern seinem älteren Bruder gezeigt. Sie hätten gefragt, wo er sich derzeit aufhalte, ob er was mit der Bewegung zu tun habe oder nicht. (...)

Bei dem Treffen, bei dem besprochen werden sollte, wie die Aussage gemacht werden soll, habe er den C etwas gefragt, bei diesem Gespräch mit dem C habe er erneut daran erinnert, das Thema ist wie folgt: `Meine Schwester hat in Istanbul einen Friseur-Laden. Zwei sehr gut angezogene Personen sind in diesen Laden gekommen, um nach mir zu fragen. Diese hätten gefragt, ob ich hier sei oder wann ich kommen werde.´ Der Türkische-Pizza Bäcker habe gefragt, ob diese Personen Polizisten seien oder Eure Freunde. (...)"

In ihrem Bericht vom 15. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 289) übersendet die Europaverantwortliche sodann eine Mitteilung vom 14. Dezember 2002, in welcher unter Punkt 2 über den weiteren Verlauf der Nachforschungen und beabsichtigter weiterer Kontaktaufnahmen mit H H und den Angeklagten G. ("C") Folgendes ausgeführt wird: "C hat mit dem Pizzabäcker immer noch nicht gesprochen. Da ich nicht genau weiß, was es mit dieser Angelegenheit auf sich hat, habe ich C nichts gesagt. Wir werden ihn zum Gespräch schicken. (...)"

In einer Nachricht vom 19. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 017) berichtet G an die Zentrale wie folgt: "(...) 3. M A hatte per Handmitteilung mitgeteilt, dass die Polizei zu dem Türkische-Pizza-Mann gegangen ist, ich hatte in der Datei gefragt, was da gewesen ist, aber es ist noch keine Mitteilung gekommen. (...)"

Am 28. Dezember 2002 übersendet die Europaverantwortliche der Zentrale eine - mit dem Datum "28-12-2002" versehene - "Notiz" (Datei ID-Nr. 763 242) an "M", der darin von G unter anderem wie folgt angewiesen wird: "16- Bezüglich des Pizzabäckers müssen Sie geben."

In einer anderen Mitteilung an die Führung vom 30. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 762 839) informiert G über zwei - von ihr stammende - Nachrichten. Darin heißt es unter anderem wie folgt:

"(...) 1. Wir wollen SOFORT Informationen über den türkischen PIZZAMANN. Wochen sind vergangen, und wir haben immer noch keine Informationen erhalten. Wieso kriegen wir keine Infos? (...)"

Gleichfalls am 30. Dezember 2002 berichtet die Europaverantwortliche in einer Notiz an die Zentrale (Datei ID-Nr. 762 838) über die weitere Entwicklung wie folgt:

"2. Was den türkischen Pizzamann angeht, hat er gesagt, er habe nicht antworten können, weil er nicht im Gebiet sei, ich habe noch einmal gefragt. Eigentlich hätte ich E eine Mitteilung schicken und es von E oder C sofort erfahren können, aber weil ich dies nicht machen wollte, müssen wir abwarten. (...) So, wie ich die Antworten auf die Dateien von den anderen Genossen erhalte, werde ich es auch bei M A machen. Es darf nicht wieder Probleme geben, ich warte darauf, dass er von selbst eine Antwort schickt, aber es zieht sich wieder hin. (...)"

Auch nach der Festnahme H Hs im Februar 2003 hielt die Organisation - wie zahlreiche Dokumente aus der niederländischen Rechtshilfe belegen - an ihren Aufklärungsbemühungen und Nachforschungen fest und war (weiter) nachhaltig bestrebt, den Verbleib Hs und dessen Aussageverhalten sowie die von den Strafverfolgungsbehörden gegen ihn erhobene(n) Anschuldigung(en) in Erfahrung zu bringen.

So schreibt G an den früheren Mitangeklagten A am 23. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 749 632) unter anderem Folgendes:

"4- Bei der Verhandlung von T habe ich den Ausdruck gehört `die Zentrale haben sie nach Süden verlagert´. Aber bezüglich des Pizzabäckers wurde nichts mitgeteilt. Die Polizei forscht diesbezüglich nach. Seien Sie vorsichtig. Sie sollten nichts dabei haben, was mit der Organisation zu tun hat. Ändern Sie auch ihre Flash Card. Von nun an wechseln Sie einmal im Monat die Flash Card. Wenn Sie die Möglichkeit haben, sie früher zu wechseln, wäre das besser. (...)"

Am 25. Februar 2003 (Datei ID-Nr. 749 638) wird darüber informiert, dass der Angeklagte Y. ("K"), der - wie gezeigt - an der Rückfront auch für die Gefangenenbetreuung zuständig war, angewiesen wurde, Informationen hinsichtlich H Hs ("des Pizzabäckers") im Zusammenhang mit A C ("T") weiterzuleiten. Wörtlich heißt es wie folgt:

"3- Ich hatte K gesagt, die Dinge, die bei Ts mah.. bezüglich des Pizzabäckers vorkommen zu übermitteln, soweit er sie versteht. Das waren die Sachen, die er mir gesagt hat. (...)"

In einem Bericht der Europaführung vom 09. März 2003 (Datei ID-Nr. 749 472) unterrichtet G die Parteiführung unter anderem über die Notiz eines Funktionärs, in welcher über die Festnahme H Hs informiert wird. Wörtlich heißt es hierzu:

"1- D A hat mitgeteilt, dass der Türkische-Pizza Bäcker am 17. Februar festgenommen wurde. Außerdem hat er persönlich eine Nachricht übersandt, in der er sagt: `Die Moral des Türkische-Pizza Bäckers ist schlecht, er hat keinen Anwalt. Seine Wohnung wurde durchsucht, er wurde wegen Schmuggels festgenommen. Die Türkei möchte seine Auslieferung.´ (...)"

Dass auch der Angeklagte G. über die Festnahme H Hs informiert war und hierüber berichtet hat, belegt ein Anfang März 2003 erfolgter Nachrichtenaustausch (Datei ID-Nr. 749 474). Unter Punkt 28. der Notiz heißt es dort wir folgt:

"(...) Eben erst um Mitternacht hat C mitgeteilt, der türkische Pizzabäcker / -verkäufer sei festgenommen worden und hätte keinen Anwalt. Ich kenne die Details noch nicht, wir werden versuchen, sie in Erfahrung zu bringen."

Am 18. März 2003 (Datei ID-Nr. 750 339) übermittelt G eine von M.A. (damaligen Deckname: N) übersandte Datei, in der sich dieser unter anderem wie folgt äußert:

"4- Bezüglich des Lahmacun (türk. Pizza) Verkäufers gab es letzte Woche einen Artikel in der Hürriyet oder Milliyet. A hat ihn gelesen. Er kann sich nicht erinnern, welcher Tag und welche Zeitung es war. In der Nachricht gab es Dinge wie Waffenschmuggel, seine Beziehungen zur Front, dass sich der Mainzer Attaché (die Mainzer Auslandsvertretung) eingeschaltet habe. Er sagt, es sei ein konfuser Artikel. (...)"

Dass der Angeklagte G. im Zuge der Erfüllung seines organisationsinternen Nachforschungsauftrags im Anschluss an die Festnahme H Hs mit dessen Ehefrau in Kontakt getreten ist, wurde von der Zeugin Berrin H, die den (im Gerichtsaal anwesenden) Angeklagten G. in der Hauptverhandlung wiedererkannt hat, glaubhaft bestätigt. Dieser habe sie - so die Zeugin Berrin H - zuhause aufgesucht, die Wände ihrer Wohnung kontrolliert und geprüft, ob die Polizei etwas "gesteckt" hat, um die Räumlichkeit(en) abzuhören. Sodann habe ihr G. versichert, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauche und ihr sodann Bargeld in Höhe von EUR 100,-- verbunden mit dem Hinweis, einen Rechtsanwalt für H besorgen zu wollen, übergeben. Das Geld habe sie unverzüglich an "Herrn F" übergeben.

Eine derartige Geldübergabe wurde vom Zeugen KOK F bestätigt. Er gab an, seinerzeit EUR 100,-- von Berrin H entgegengenommen zu haben. Diese habe dabei darauf hingewiesen, die entsprechende Summe von G. erhalten zu haben. Hierzu passt eine Notiz der Europaverantwortlichen vom 22. März 2003 (Datei ID-Nr. 750 896 bzw. 751 433) in welcher eine tags zuvor eingegangene "Datei" vom 16. März 2003 weitergeleitet wird. Dort ist unter anderem Folgendes vermerkt:

"(...) 21. C ging seit einer Weile (einiger Zeit) zum Pizzabäcker (türkischen Pizzamann), konnte ihn aber nicht (auf-) finden. (...) Als er ihn suchte hat er von den Leuten drum herum (im Umfeld) erfahren, dass er mitgenommen (festgenommen) wurde (worden sei). An jenem Tag hat er mit dessen Familie gesprochen und die Informationen, die wir weitergeleitet (übermittelt) haben, erhalten. Sie (Er) habe (hätte angeblich) kein Geld. Deshalb (Da) habe (hat) er ihr etwas (ein wenig) Geld gegeben. (...) Wir werden einen Anwalt nehmen und erfahren (in Erfahrung bringen), was in der Akte steht."

Ebenfalls am 22. März 2003 (Datei ID-Nr. 748 889) schreibt G in einer für den früheren Mitangeklagten A bestimmten Notiz hierzu wie folgt:

"(...) 8. Ich werde eine dringende Notiz für C haben, er soll in sauberer Form an ihre Seite / zu Ihnen kommen, S A soll gesagt haben, dass er wegen dem Pizzabäcker verfolgt wird. (...) Darüber hinaus: Falls es eine Verfolgung gibt, dann hat der Pizzabäcker geredet, dann werden sie C in Kürze auch nehmen / einkassieren und verhaften. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, dass wir C in sauberer Form in ein anderes Land verbringen. (...) Kennt C die Situation des Pizzabäckers, ist ein Rechtsanwalt beauftragt, haben sie neue Informationen? (...)"

Am 23. März 2003 (Datei ID-Nr. 750 856 / 764 240) informiert G über - an M.A. ("C") und einen anderen Funktionär ("D") gerichtete - Mitteilungen, in denen folgende Passagen enthalten sind:

"C (...)

15- Ihr müsst sofort mit C sprechen und über seine Situation informieren.

A- Wo befindet sich die Ehefrau vom Pizzabäcker? Haben sie keine weiteren Informationen über den Pizzabäcker erhalten? Wurde ein Anwalt beauftragt?

B- Wird nach C gefahndet oder nicht? Dementsprechend könnte es notwendig werden, dass wir C aus Deutschland rausholen müssen.

C- Der Pizzabäcker kannte auch den A oder nicht? Hat A ihn zu der Wohnung gebracht, wo er sich zuletzt aufgehalten hat? Es ist notwendig, dass man in einer angemessenen Weise mit dem Wohnungsinhaber spricht.

D- Es kann sein, dass der Pizzabäcker geredet hat. aus diesem Grund müssen wir vorsichtig handeln. (...)

D (...)

2- Wird C verfolgt? Sind Sie sicher? (...) Wenn das so ist, müssen wir im Gebiet Mitte eine Neuregelung vornehmen. (...)

9- Falls es notwendig sein sollte, dass wir C aus Deutschland aufgrund der Sache mit dem Pizzabäcker rausholen müssen, so denke ich, dass er für den Moment in die Umgebung vom V gehen soll. Bis sich zumindest die Sache mit dem Pizzabäcker klärt, ist es notwendig, dass wir diese Vorsichtsmaßnahme treffen. (...)"

In einer Mitteilung vom 31. März 2003 (Datei ID-Nr. 752 165) berichtet G sodann wie folgt:

"2- Soweit C mitgeteilt hat, gibt es zurzeit keine ernsthafte Verfolgung. Bis das Verfahren des Pizzabäckers abgeschlossen ist, gibt es dennoch ein Risiko im Hinblick auf C. Wir müssen in Erfahrung bringen, was der Pizzabäcker gesagt hat, was in seine Akte aufgenommen wurde.

- C muss die Frau des Pizzabäckers finden und einen Anwalt nehmen. (...) - Wenn C klargestellt hat, dass keine Verfolgung und ähnliches vorliegt, werden wir K in sein Gebiet zurücknehmen. (...)"

Ebenfalls am 31. März 2003 (Datei ID-Nr. 751 952) leitet G der Zentrale eine am gleichen Tag bei der Europaführung eingegangene Notiz des früheren Mitangeklagten A weiter. Dieser informiert unter anderem über die Aktivitäten des Angeklagten G. wie folgt: "4- C hat die Frau gestern nicht finden können, er kommt heute Abend, ich werde ihn morgen sehen / treffen."

In einem Bericht vom 04. April 2003 (Datei ID-Nr. 752 331) übermittelt G der Organisationsführung eine für M.A. bestimmte Nachricht. Darin erkundigt sich die Europaverantwortliche unter anderem wie folgt: "9- Hat C die Ehefrau von dem Pizzabäcker gefunden? Er muss diese Frau finden. Was erzählt wird, ist nicht normal."

Im ihrem Schreiben an die Parteiführung vom 24. April 2003 (Datei: Export-4/Unallocated Clusters~122) berichtet G über die Nachforschungen der Europaführung betreffend H H sodann folgendermaßen:

"6- Ich habe Großbruder D bezüglich des Lahmacun-Verkäufer (Bäcker) erneut gefragt. Er sagt, dass der Lahmacun-Verkäufer (Bäcker) sich nicht in der Wohnung seiner Ehefrau aufhält, dass seine Verwandten nicht sagen, wo er ist und dass er keine andere Information habe. (...)"

In einem weiteren - ebenfalls im Dokument mit der Datei ID-Nr. 752 124 enthaltenen - Schreiben der Europaverantwortlichen verlangt G am 26. April 2003 unter anderem die Beantwortung folgender Fragen:

"8- Warum kann die Frau des Pizzabäckers nicht gefunden werden? Was hat C in dieser Beziehung getan? Wie oft war er bei der Frau? Hat der Pizzabäcker keine Kinder? Gehen die Kinder nicht in die Schule? Wie kann die Frau einfach verschwinden? Kennt man die Schulen der Kinder nicht?"

In ihrem Bericht an die Zentrale teilt die Europaverantwortliche am 29. April 2003 (Datei: Export-4/Unallocated Clusters~3) den aktuellen (Kenntnis- / Sach-) Stand zu H H und die von ihr getroffenen Veranlassungen wie folgt mit:

"13- Bezüglich des Lahmacun-Verkäufers (Bäckers) frage ich den älteren Bruder D, ich habe speziell eine Mitteilung geschrieben, und C in die Wohnung des Lahmacun-Verkäufers (Bäckers) geschickt, er sagt, dass man seine Frau nicht ausfindig machen konnte. Ich glaube nicht daran. Wenn der ältere Bruder D sich nicht darum kümmern wird, werde ich C keine einzige Tätigkeit ausführen lassen, bis er direkt mit C schreibt und diese Sache aufklärt. Seit Monaten möchten wir bezüglich dieses Themas Informationen haben, wenn es aber dem Bruder D und C überlassen bleibt, machen sie gar nicht(s) (...)"

Kurz darauf erklärt G am 01. Mai 2003 dem Funktionär D in einer Notiz (Datei: Export-4/Unallocated Clusters~17), dass der Angeklagte G. ("C") "gar nichts machen" könne, bevor er nicht die Angelegenheit mit dem Türkische-Pizza Bäcker erledigt" habe. Weiter erkundigt sich G nach dem sozialen / familiären Umfeld Hs und weist darauf hin, dass diesbezüglich Informationen zu beschaffen seien. G. habe sich "umgehend" darum zu kümmern und hierzu erforderlichenfalls auch den Bruder / die Schwester der Ehefrau Hs "observieren". Die Dringlichkeit entsprechender Erhebungen unterstreicht G wie folgt:

"(...) Da die Frau des Türkische-Pizza Bäckers verschwunden ist, hat dieser Mann geredet und wir müssen die Anklage erfahren, erfahren wer der Anwalt ist. Diese Sache wird für Deutschland derzeit die wichtigste Sache sein. Diese Sache ist derart, dass sie Auswirkungen auf eine Vielzahl unserer Freunde haben wird. Das ist eine kriminelle Sache. Ein Thema, dem die Onkels am meisten Bedeutung beimessen. Eine weitere Dimension ist, dass, wenn er im Zusammenhang mit Eurem Gebiet geständig ist, das für das ganze Gebiet ein Risiko darstellt. Dieser Mann kennt auch den K, auch mich hat er bei den Schulungsarbeiten gesehen, er verfügt über Informationen, die er nutzen kann, wie es ihm nutzt. Seit Monaten nehmt Ihr diese Angelegenheit nicht Ernst, Ihr holt keine Informationen ein, alles hängt in der Schwebe. - C wird jeden Tag zu dem Haus des Türkische-Pizza Bäckers gehen, mit seinen alten Freunden sprechen, er soll versuchen seine alten Freunde dazu zu bringen, ihn zu besuchen. Er soll in Erfahrung bringen, wann er vor Gericht gestellt wird. Er soll die Frau finden. (...)"

Außerdem verlangt G, dass der Angeklagte G. ("C") täglich telefonisch und darüber hinaus alle drei Tage auf elektronischem Wege schriftlich darüber berichten müsse, was er diesbezüglich unternommen und gegebenenfalls in Erfahrung gebracht habe.

Dass der Angeklagte G. entsprechende Anweisungen erhalten und diese auch ausgeführt hat belegt ein organisationsinternes Schreiben vom 02. Mai 2003 (Datei: Export-3/Unallocated Clusters~617). Darin findet sich unter Punkt 2. ein Bericht G.s ("Notiz des C") mit folgendem Wortlaut:

"Ich werde das, was ich in Bezug auf den Lahmacun-Verkäufer (-bäcker) erfahren habe, von heute an beginnend, mitteilen. Die Ungewissheit bezüglich des Schicksals seiner Ehefrau ist nach dem Gespräch, das ich heute mit dem Schwager des Lahmacun-Verkäufers (-bäcker) geführt habe, zumindest aus meinem Kopf verflogen. Nachdem, was sein Schwager sagt, sei seine Schwester zusammen mit den Kindern in der Hand der Polizei. Sie rufe ein paar Mal in der Woche an und frage die Mutter, die bei ihm wohne, wie es ihr geht. Sie sage, dass es ihnen gut ginge und dass die Kinder zur Schule gingen. Diese Telefongespräche würden 3-5 Minuten dauern. Sie gebe keine Informationen bezüglich ihres Aufenthaltsortes. Der Schwager sagt, dass wir den Lahmacun-Verkäufer (-bäcker) ausgenutzt hätten, dass wir ihn für dumm verkauft hätten. Auch wenn seine Ausführungen uns gegenüber keine Respektlosigkeit darstellen, lässt ihn diese schlaue islamische Ausdrucksart eigentlich Unsinn erzählen. Wie zum Beispiel den Widerstand in Palästina zu kritisieren und zu behaupten, dass Saddam auch ein Diktator wäre. Er ist gegen jede Art des bewaffneten Kampfes. Er wisse über den Lahmacun-Verkäufer (-bäcker) nicht Bescheid. Er habe sich nicht darum bemüht, ihn zu besuchen. Bevor der Lahmacun-Verkäufer (-bäckers) inhaftiert wurde, erzählte er, dass er keinen Kontakt zu der Familie seiner Ehefrau habe, dass alle Islamisten seien. Gestern habe ich einen Anhänger gesprochen, der in demselben Gebiet mit dem Schwager des L.-Verkäufers wohnt. Ich war zuvor schon einmal bei dieser Person und hatte diese gefragt, ob er den Sohn des Lahmacun-Verkäufers (-bäckers) gesehen habe oder nicht. Der Sohn dieses Mannes und der Sohn des L. spielt in demselben Fußballverein und er kennt L. auch. Wie er sagte, habe er das Kind schon längere Zeit nicht gesehen. Er habe eine andere Person gefragt, die den Sohn zum Verein gebracht hat, diese Person habe auch gesagt, dass er das Kind nicht gesehen hätte. Auch wenn die Tatsache, dass diese Kinder nun nicht zu Hause sind, nicht beim Schwager sind, und dass der Sohn im Verein nicht anzutreffen ist, ein Zeichen dafür ist, dass sie das Wohnviertel verlassen haben, kann man nicht mit einhundertprozentiger Genauigkeit sagen, wo sie sich befinden, denn nach dem, was der L. erzählte, hat diese Frau eine/n weitere/n Bruder/Schwester in Kaiserslautern. Sie könnte sich auch dorthin begeben haben. Gestern habe ich ihrem Bruder auch diese Möglichkeit erwähnt, also, dass seine Schwester auch bei dem/r anderen Bruder / Schwester sein könne, und der Mann hat geschworen, dass sie nicht dort ist, sondern bei der Polizei ist. Auch wenn man dem Schwur von schlauen Islamisten nicht einhundertprozentig vertrauen kann, auch wenn das nicht sehr klar ist, denke ich, dass dies der Wahrheit entsprechen könnte. Als ich vorher dort war, hatte ich bemerkt, dass auf dem Postkasten unter seinem Nachnamen der Nachname des L. angeklebt war, und ich hatte ihn diesbezüglich gefragt. Damals sagte er, dass seine Schwester zusammen mit den Kindern verschwunden sei, dass sie nicht wüssten, wo sie seien, dass sie von nirgendwo Informationen bekommen hätten, sodass er aus diesem Grunde einen Antrag bei der Post gestellt habe, damit die Briefe und Rechnung an seine Anschrift kommen. Als ich gestern dort war, war das Namensschild entfernt. (Als ich letzte Woche dort war und zu Hause niemanden antraf, war es auch schon entfernt.) Auf meine Frage sagte er, dass die Polizei ihn suche, und dass sie sich um die Post kümmern werden. Nachdem L. inhaftiert wurde, habe ich einmal mit seiner Frau gesprochen. die Situation des L. hatte ich damals von ihr erfahren. Er war 3 Wochen vor meinem Besuch eingesperrt worden und hatte keinen Rechtsanwalt. Ich hatte seiner Frau 100,-- Euro als Taschengeld dagelassen und ihr mitgeteilt, dass wir innerhalb von ein paar Tagen uns um einen Rechtsanwalt kümmern und sie benachrichtigen würden, sie sagte: `In Ordnung´. Als wir anstatt der 3-4 von uns angekündigten Tage nach 7-8 Tagen dort waren, war die Frau mit den Kindern verschwunden. Ich war des Öfteren an der Wohnung, habe geklingelt, aber niemand war da. Ich hatte einen Gastwirt, der ein Freund des L. ist und den ich vom Grüßen her kenne, gefragt. Dieser sagte mir, dass er nichts wisse. Beim nächsten Treffen sagte mir dieselbe Person, die wohl ihre Gehirnzellen mit Alkohol verbraucht hat, dass die Polizei ihn / sie suche, und dass man am Montag mit ihm / ihr sprechen werde. Bei meinem vorletzten Besuch war ich auch bei diesem Mann und hatte ihn gefragt. Er sagte, dass die Polizei aus Mainz gekommen sei, dass man ihm zwei Fragen gestellt habe und dann gegangen sei. Man habe ihm gesagt, dass man gehört habe, dass L. in dieser Kneipe arbeiten würde, und hätte ihn gefragt, ob dies richtig sei oder nicht, und was die dortigen aus der Türkei stammenden Personen über diese Sache reden würden. Diese Person habe gesagt: `Der hat nicht bei mir gearbeitet, er war mir hin und wieder mal bei Einkäufen behilflich, und ich weiß nicht, was die Türken darüber reden.´ Daraufhin seien sie wieder gegangen. Ich weiß nicht, inwieweit dieser Mann die Wahrheit sagt. Im Endeffekt haben wir die erforderliche Mühe gezeigt, um diese Frau zu erreichen. Um diese Sache noch etwas weiter aufzuklären, könnte man vielleicht die Wohnung des Bruders in Kaiserslautern ausfindig machen und beobachten. Außerdem hat L. eine ältere Schwester in der Gegend von Heidelberg. Wir waren einmal zusammen dort. Wenn es etwas nutzen wird, könnte ich versuchen, das Dorf ausfindig zu machen, in dem sie wohnen.´"

Unter dem Datum "4.5.2003" wird in einer weiteren Notiz in dem bezeichneten Dokument unter Ziffer 2. der Mitteilung sodann Folgendes vermerkt:

"Höchstwahrscheinlich war der `Lahmacun´-Verkäufer (Bäcker) geständig, und die Onkels haben seine Familie an einen unbekannten Ort gebracht. Es wäre von Vorteil, dementsprechend sich zu verhalten. (...)"

Tags zuvor wurde in einem - ebenfalls in diesem Dokument (Datei: Export-3/Unallocated Clusters~617) enthaltenen - Bericht über die "Sache Lahmacun-Verkäufer (Bäcker)" gegenüber der Europaführung folgende Stellungnahme abgegeben:

"3. (...) Ihr glaubt, dass wir uns nicht weiter um die Angelegenheit kümmern. Das ist so nicht richtig. C war mehrmals dort und hat in der Gegend und die Verwandten befragt. Der Bruder der Frau sagt, wir sollen sie nicht mehr belästigen. Nach seiner letzten Aussage zu urteilen ist die Frau bei der Polizei. Dass dies der Wahrheit entspricht, konnte man an dem plötzlichen Verschwinden der Frau und an dem Verhalten ihrer Verwandten erkennen. Um nicht voreilig zu sein, habe ich nichts gesagt. Die Onkels haben ein Programm, das sich Zeugenschutzprogramm nennt. Sie bringen die gesamte Familie an einen anderen Ort und verheimlichen die Anschrift vor deren Umkreis. Die Frau, d. h. die Familie, wurde wahrscheinlich in dieses Programm aufgenommen. Es muss davon ausgegangen werden, dass ein Geständnis eingeholt worden ist und dementsprechend vorgegangen werden. C, sagt, er wäre bereit, ins Ausland zu gehen, falls es erforderlich ist... Ab heute wird er ein Telefon bekommen, welches mit euch in Verbindung steht. (...)"

Wie bereits ausgeführt war H H im Anschluss an seine Haftentlassung im April 2003 tatsächlich in ein Zeugenschutzprogramm des Landes Rheinland-Pfalz eingegliedert worden. Damit verknüpft war - wie der Zeuge KOK F in der Hauptverhandlung bestätigt hat - auch eine räumliche Veränderung des Wohnsitzes / gewöhnlichen Aufenthaltsorts H Hs und dessen Familie, die ebenfalls in das Programm aufgenommen worden war.

Dass G. die Vorgaben entsprechend umgesetzt und im Umfeld Hs Informationen beschafft hat, belegen die Angaben des Zeugen M T, dem Bruder der Zeugin Berrin H. Dieser hat in der Hauptverhandlung glaubhaft bestätigt, dass im Frühjahr 2003 eine ihm bis dahin unbekannte Person vor seiner Tür gestanden sei und sich als "C" vorgestellt habe. Dieser habe ihn nach dem Verbleib seines Schwagers (H H) und dessen Familie befragt. Die Person habe behauptet, mit H befreundet zu sein und mitgeteilt, dass "seine Freunde" unbedingt wissen wollten, wo sich H jetzt befinde. Weiter habe jener "C" erklärt, dass "H" mit einem Auto in die Türkei gefahren sei, in dem sich Waffen befunden hätten; es sei für eine "gute und richtige Sache" gewesen. Er (T) sei sodann aufgefordert worden, "H" auszurichten, dass er sich von der Polizei nicht unter Druck setzen lassen bzw. dieser nicht glauben, sondern "standhaft" bleiben solle. Der Zeuge T hat im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung den (im Gerichtssaal anwesenden) Angeklagten G. wiedererkannt und angegeben, dass es sich bei diesem völlig eindeutig um diejenige Person handele, die seinerzeit unter der Bezeichnung "C" bei ihm aufgetaucht sei und ihn über seinen Schwager (H H) ausgefragt habe. Einige Zeit später habe ihn G. erneut spätabends aufgesucht und sich nach dem Aufenthalt der Ehefrau H Hs erkundigt. G. habe EUR 100,-- als Unterstützung angeboten, was er (T) jedoch abgelehnt habe. Anschließend habe sich G. als Freiheitskämpfer bezeichnet und mit ihm (T) über das System in der Türkei diskutiert. Es sei schnell klar geworden, dass G. auf der Seite derjenigen stand, die schon jahrelang in der Türkei "Probleme machen" und ihre Zielsetzungen nicht mit friedlichen Mitteln, sondern mit Gewalt durchsetzen wollen. Seine (Ts) Mutter habe G. schließlich nach etwa einer halben Stunde beschimpft, worauf dieser mit der Ankündigung, in zwei Wochen wieder kommen zu wollen, gegangen sei. Zu einem weiteren Kontakt sei es jedoch nicht (mehr) gekommen.

Der Zeuge KOK F hat bestätigt, dass der Zeuge T auch bei einer Wahllichtbildvorlage, die im Rahmen einer im April 2003 erfolgten polizeilichen Zeugenvernehmung durchgeführt wurde, D G. wiedererkannt habe.

Im Bericht vom 14. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 755 653) informiert G über eine organisationsinterne Notiz vom 13. Mai 2003 unter anderem wie folgt:

"4. Die Bewachung der Familie im Umfeld des Pizzabäckers gegen uns findet nach wie vor statt. Zuletzt hat ein Neffe des Pizzabäckers gesagt `Er sitzt nicht. Das stimmt nicht. Wir haben zuletzt telefoniert. Seine Kinder und Frau waren bei ihm´. Ein anderer Angehöriger hat ähnliches gesagt und seine Festnahme abgestritten. Sie lügen alle. Es ist definitiv, dass er festgenommen wurde. Es kann nicht sein, dass er wegen Geständigkeit freigelassen wurde. Auch einen Geständigen würden sie nicht in zwei Monaten freilassen, ohne ihre Angelegenheit mit diesem erledigt zu haben. C hat heute einen Bekannten über den Neffen des Pizzabäckers nach der Telefonnummer der Frau des Pizzabäckers fragen lassen. Der Neffe habe gesagt, er wisse die Nummer nicht. C wird also zum Gefängnis in Trier gehen und mit Hilfe von Besuchern anderer türkischer Gefangener nachfragen lassen, ob es da drinnen diesen gewissen Mann gibt. Er wird versuchen, auf diese Weise an Informationen zu kommen."

Anschließend folgen Erwägungen, den Angeklagten G. für den Fall, dass gegen diesen polizeilich gefahndet wird, mit einer neuen Funktion z. B. in Griechenland, Italien oder Spanien zu betrauen.

In organisationsinternen Schreiben vom 19., 22. und 23. Mai 2003 wird H H ("türkischer Pizzabäcker") im Zusammenhang mit Überlegungen Gs zu möglichen Kurieren für Transporte in die Türkei thematisiert (Datei: Export-3/Unallocated Clusters~387; Export-3/Unallocated Clusters~319). In dem bezeichneten Schreiben der Europaführung vom 19. Mai 2005 informiert die Europaverantwortliche den früheren Mitangeklagten A (Deckname: B) über "Die Notiz der Freunde bezüglich des Türkische-Pizza Bäckers." und führt hierzu Folgendes aus:

"Diese Notiz sollen K und A wissen. Wenn es negatives passiert, sollten sie sich in dieser Weise verteidigen. Außerdem: vernichtet sie, wenn diese Notizen gelesen und verstanden wurden. Und vergewissert Euch, dass auch K sie vernichtet hat.

`Wenn im Zusammenhang mit der Sache des Türkische-Pizza Bäckers in Folge der Geständnisse des Türkische-Pizza Bäckers einer der genannten Freunde festgenommen oder inhaftiert wird, dann soll er sich wie folgt verhalten:

- Dass der Mann diesen Wagen rübergebracht hat und an der Grenze der Türkei zurückgelassen hat, ist ein vollständig dunkles, provokatives Ereignis. Und es gibt auch keine andere Erklärung. Also, dieser Mann hat diese Sache gemeinsam mit dem MIT oder der türkischen Polizei arrangiert. Eine andere Erklärung gibt es nicht, also muss der Türkische-Pizza Bäcker hierfür Rechenschaft ablegen. Er muss erklären, warum er unseren Namen benutzt hat, warum er unsere Menschen in die Sache hineingezogen hat, er muss die Zusammenarbeit mit dem MIT in ihrem ganzen Ausmaß offen legen, wir müssen von diesem Mann Rechenschaft verlangen. Er plant einzelne Menschen mit hinein zu ziehen und denkt daran, auf diese Weise den Eindruck einer Organisation zu erwecken, das ist vollständig erfunden und gelogen. Er muss die Zusammenarbeit mit dem MIT offen legen. Diese Sache hat keinerlei Logik. Er geht hin und liefert das eigenhändig der türkischen Polizei aus und kommt zurück. Diesen Komplott muss er offen legen.

? Man kann sagen, warum soll er den Namen dieser Personen nennen, ja, es ist richtig, wir kennen diesen Mann aus dem Gebiet. Und er kennt uns, er stellt sich als revolutionär und demokratisch dar, tut so, als wenn er in Opposition zum Regime in der Türkei stehe, aber als er Kontakte zu uns knüpfte, operierte er also geplant und arbeitete für den MIT.

? Ohnehin hat er keinen Beweis in seiner Hand. Das einzige, was er machen kann, ist üble Nachrede. So muss man sich der Sache nähern. Auf keinen Fall dürfen hier Zugeständnisse gemacht werden. Sonst fällt auf Grund des Komplotts des MIT das ganze Ding an uns hängen. Und viele Menschen bekommen mächtige Probleme.

? Die betroffenen Freunde sollen diese Herangehensweise kennen.´ Ende. (...)"

In einem anderen, ebenfalls in dem bezeichneten Dokument (Datei: Export-3/Unallocated Clusters~387) enthaltenen Schreiben erkundigt sich G bei M.A., ob die "Nachricht bezüglich des Türkische-Pizza Bäckers verstanden" und an H.S. ("A") sowie den Angeklagten Y. ("K") weitergeleitet wurde. Anschließend ist als "ANTWORT" Folgendes vermerkt: "Erst heute habe ich das als Datei an den K weiterleiten können. ER wird es dem A berichten. (...)"

In einem Bericht der Europaführung vom 23. Mai 2003 (Datei: Export-3/Unallocated Clusters~319) informiert G über eine Nachricht vom 19. Mai 2003, in welcher der Angeklagte Y. ("K") bei Punkt 6 seiner Mitteilung unter anderem Folgendes ausgeführt:

"(...) a)- Vor der Versammlung habe ich die Informationen weitergegeben, die sie mir im Zusammenhang mit dem A und dem Türkische-Pizza Bäcker geschickt hatten. (...)"

In ihrem Bericht vom 21. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 752 913) erklärt sich die Europaverantwortliche gegenüber der Organisationsführung unter anderem wie folgt:

"11- Bezüglich des Punktes, der anfängt mit `anscheinend ist der Pizzabäcker ein Geständiger´: Der Name des Pizzabäckers wird nicht erwähnt. Es wurde ausgedrückt ohne Angabe des Namens. 12- Bezüglich des Punktes, der anfängt mit `kann es sein, dass der Pizzabäcker in Bezug auf den festgenommenen S den betreffenden Vorfall in irgendeiner Weise gehört hat?´ Ich hatte K nach diesem Vorfall gefragt. (...) Außer dem Pizzabäcker gibt es einen Mafiosi, der bei der Polizei denunziert hat. (...) Wir werden Vorkehrungen treffen in Bezug auf C und B A."

In einer Nachricht vom 24. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 754 559) wird von der Europaverantwortlichen unter anderem festgestellt, dass der Pizzabäcker weder E noch Ö kennt. Sowohl bei E wie auch bei Ö handelt es sich - wie z. B. Darlegungen zu den mit diesen (Deck-) Namen bezeichneten Personen in anderen Berichten der Europaführung vom 30. März 2003 (Datei: Export-4/Unallocated Clusters~570), 25. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 751 229) sowie 18., 21. 24. und 26. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 752 378, 752 425, 754 525, 754 559 und Export-5/Unallocated Clusters~565) belegen - um Angehörige der DHKP-C. E, der hiernach auch unter dem Decknamen H agierte, war demzufolge ursprünglich "Verantwortlicher in Ulm" und seinerzeit als "Herausgeber der Zeitschrift" vorgesehen; bei der mit dem Decknamen Ö bezeichneten Person handelt es sich - wie gezeigt - um das ebenfalls mit Führungsfunktionen an der Rückfront befasst und in hierarchischer Hinsicht dem Angeklagten G. übergeordnet gewesene Organisationsmitglied H D.

In ihrem Schreiben vom 27. Juli 2003 (Datei ID-Nr. 753 444) beantwortet G eine (vorangegangene) Anfrage der Führung unter anderem folgendermaßen:

"7- Zu dem Punkt, der mit dem Satz beginnt `Es kann C sein, wie sie mitgeteilt haben. Das heißt, wir müssen so denken, dass man ihn beschattet.´

- Die Staatsanwaltschaft hält die Sache mit dem Pizzabäcker immer noch im Hintergrund. Man sagt, aufgrund des Vorfalls mit dem S würden die Ermittlungen vertieft. (...) Ich habe verlangt, dass C zu einer sauberen Wohnung geht und sich im Umfeld nicht blicken lässt. Innerhalb einer Woche werden wir auch ihn aus Deutschland herausbringen. (...) 9- Zu dem Punkt, der mit dem Satz beginnt `Es ist nicht mehr unnormal, dass die deutsche und türkische Polizei zusammenarbeiten. Die Leute habe offizielle Vereinbarungen getroffen und unterschrieben´: (...)

- Auch die Türkei forscht wegen der Sache mit dem Pizzabäcker nach. Deutschland macht das auch. Es sieht so aus, als ob es bei dieser Sache eine gemeinsame geheimdienstliche Arbeit geben würde. Deutschland und die Türkei könnten sich auf einen ernsthaften Angriff vorbereiten. Die Sache mit dem Pizzabäcker hat ihnen konkretes Material geliefert, damit sie basierend auf deren Vereinbarung eine Begründung für diese Maßnahmen bilden können."

d. Beteiligung des Angeklagten G. am Waffentransport

H H hat - wie bereits ausgeführt - den Angeklagten G. - ebenso wie die früheren Mitangeklagten A, S und D. - sowohl in der Hauptverhandlung als auch anhand von Lichtbildvorlagen - wie die Zeugen KHK A und KOK F bestätigt haben - bei seinen polizeilichen Vernehmungen im März 2003 als diejenigen Personen wiedererkannt bzw. wiedererkannt, die an der Vorbereitung des im September 2002 durchgeführten Waffentransports beteiligt waren. Dies erfolgte - bei der Polizei - hinsichtlich des Angeklagten G. anhand einer, die Lichtbilder von über 30 verschiedenen Personen umfassenden Lichtbildmappe.

Transfer H Hs in die Bölge Ulm

Die Richtigkeit dieser Angaben wird durch die Beteiligung des Angeklagten G. an der zur Vorbereitung des Waffentransports - mit Unterstützung des früheren Mitangeklagten S - erfolgten Verbringung H Hs in eine konspirative ("saubere") Wohnung nach Neu-Ulm belegt. Die hierzu von H H gemachten Angaben werden neben dem bereits bezeichneten, zwischen H und G. geführten Telefonat vom 06. September 2002 (Nr. 1058 TKÜ C) durch die Inhalte weiterer - bereits im Vortatzeitraum am 22. und 23. August 2002 erfolgter - Gesprächsaufzeichnungen an dem überwachten Mobilfunkanschluss (TKÜ C), der dem Angeklagten G. zuzurechnen war, bestätigt.

In den entsprechenden Telefonaten wird G. jeweils vom früheren Mitangeklagten S angerufen. So erfährt im Telefonat vom 22. August 2002, 17:30 Uhr (Nr. 928 TKÜ C) der Anrufer, dass sich der angerufene Gesprächsteilnehmer noch nicht auf den Weg machen, sondern erst morgen kommen wird. Der Anrufer erwidert, dass er am nächsten Tag verhindert sei. Daraufhin vereinbaren die Gesprächspartner, dass die anrufende Person seine "Arbeit / Angelegenheit" verschiebt, damit sie sich "morgen gegen ein, zwei Uhr" sehen können. Im Telefonat vom 22. August 2002, 19:12 Uhr (Nr. 931 TKÜ C) teilt der Angerufene mit, dass sich "nichts verändert" habe. Er werde morgen "... gerade mal um zwei Uhr kommen...". Auf Nachfrage des Anrufers bestätigt die angerufene Person, dass sie mit dem Freund gesprochen habe. Beide vereinbaren, sich am nächsten Tag zu treffen. Am 23. August 2002 berichtet der Angerufene in einem weiteren Telefonat um 13:35 Uhr (Nr. 937 TKÜ C) darüber, dass "..... sie etwa in einer halben Stunde da sein werden. ". Der Anrufer schlägt daraufhin vor, dass man sich dort treffen solle, wo sie sich zuletzt getrennt hätten. Der Angerufene erklärt, dass er diesen Ort nicht mehr finden werde.

Bei sämtlichen Gesprächen nutzt der Anrufer einen Telefonanschluss aus dem Vorwahlbereich Ulm / Neu-Ulm (0731) und mithin einer Örtlichkeit, in dem zum damaligen Zeitpunkt der frühere Mitangeklagte S als Gebietsleiter der DHKP-C agierte. Die jeweils angewählte Telefonnummer ist mit dem Anschluss identisch, den der Zeuge H - wie bereits ausgeführt - für Kontaktaufnahmen mit dem Angeklagten G. bezeichnet hat. Die Gesprächsinhalte der bezeichneten Telefonate stehen ferner im Einklang zu der - mit Angaben in früheren Beschuldigtenvernehmungen übereinstimmenden - Aussage des Zeugen H in der Hauptverhandlung, wonach S im Zuge der Vorbereitung des Waffentransports im Jahre 2002 an seiner (Hs) Unterbringung in der Neu-Ulmer Wohnung der Eheleute Y mitgewirkt und hierbei mit G. kooperiert habe. Dass sich H H eine Zeitlang in der Wohnung der Eheleute Y in deren damaligen Wohnung im Gebäude Bstraße 76 in Neu-Ulm zur weiteren Vorbereitung auf den Waffentransport aufgehalten hat, wurde bereits dargelegt. Zwar konnte sich H H an den genauen Tag seines dortigen Eintreffens nicht mehr konkret erinnern; im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmungen im März 2003 hat er jedoch, wie der Zeuge KOK F berichtet hat - bekundet, beim Angeklagten G. von Neu-Ulm / Ulm aus angerufen zu haben, nachdem er geraume Zeit (etwa vier oder fünf Tage) gewartet habe. Ein entsprechendes Telefonat wurde - wie gezeigt - am 01. September 2002 (Nr. 991 TKÜ C) geführt. Der Senat ist daher überzeugt, dass H H noch im Verlauf des August 2002 von Germersheim nach Neu-Ulm in die bezeichnete Wohnung verbracht worden ist.

Zu den Angaben H Hs passen auch die Ausführungen in einem durch den früheren Mitangeklagten A unter dem Datum "24.03.2003" an die Europaführung übermittelten Bericht (Datei: Export-4/Unallocated Clusters~613), in welchem A bestätigt, dass H H auch H.S. ("A"), den damaligen Verantwortlichen der Organisation für das Gebiet Ulm, gekannt habe. Wörtlich heißt es bei Punkt 19 der Mitteilung wie folgt: "Der Türkische-Pizza Bäcker kannte auch den A. Mit dem Eigentümer der Wohnung, wo er sich aufhielt, wird A sprechen, wir werden es sagen."

Allem nach steht für den Senat daher fest, dass es sich bei dem Anrufer in den bezeichneten Telefonaten (Nr. 928, 931 und 937 TKÜ C) jeweils um den früheren Mitangeklagten S, bei dem Angerufenen stets um den Angeklagten G. gehandelt hat.

Kooperation mit den Regionsverantwortlichen Süd (C und A)

Für eine Beteiligung G.s am Waffentransport in dem vom Senat festgestellten Umfang spricht außerdem Folgendes: Aus den Dateien der niederländischen Rechtshilfe ergibt sich, dass - wie vom Zeugen H bekundet - zunächst der Angeklagte G. und A C ("T/ T") Kontakte zu H unterhielten. Wie bereits ausgeführt, belegen mehrere organisationsinterne Berichte ferner, dass der frühere Mitangeklagte A (Deckname: N) nach der im Juli 2002 erfolgten Festnahme Cs mit der Leitung der Region Süd beauftragt wurde. Auf die entsprechenden Ausführungen wird Bezug genommen.

Dass Führungsfunktionäre der Organisation in die Durchführung von Kurierfahrten zum Transport von Gegenständen einschließlich Schusswaffen in die Türkei eingebunden waren, wird durch die bereits bei der Darstellung des Kurierwesens der Rückfront angeführten Dokumente bestätigt.

Aus weiteren Berichten der Organisation geht hervor, dass folgerichtig M.A. ("N A") spätestens nach Übernahme der Führungsverantwortung für die Region Süd an der Vorbereitung des in Rede stehenden Waffentransports beteiligt war und in dieser Funktion eng mit G. kooperiert hat. Im Einzelnen:

In einer Mitteilung vom 23. März 2003 (Datei ID-Nr. 751 362) berichtet G unter anderem wie folgt:

"1- Mit dem Pizzabäcker haben C und T gesprochen. Nach der Festnahme von T hat N A mit ihm gesprochen. Er hatte ihn zu einer Wohnung gebracht, damit er bei K bleibt. (...)"

Dass es sich bei der mit dem Decknamen T bezeichneten Person um A C handelt, ergibt sich zwanglos aus einem Bericht der Europaverantwortlichen vom 23. Januar 2003 (Datei ID-Nr. 748 826). Unter Punkt 4 informiert G dort über "Zs Mitteilung" wie folgt:

"- Ts Gerichtsverhandlung sei heute entschieden worden. Genauer gesagt, hätten sie sich geeinigt. Er solle insgesamt zweieinhalb Jahre Haft bekommen. Am 30. Januar wird er seine Verteidigungsrede / Plädoyer halten. Und am 10. Februar soll dann das Urteil ergehen. Also unter diesen Umständen wird er ein weiteres Jahr sitzen. T ist zur Zeit im Düsseldorfer Gefängnis. Bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens wird er dort bleiben. (...)"

A C wurde, wie dem rechtskräftigen Urteil des OLG Düsseldorf vom 10. Februar 2003 (VI 20/02) zu entnehmen ist, an dem im Bericht bezeichneten Tag wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es wurde festgestellt, dass er ab Sommer 2001 bis zu seiner Festnahme am 12. Juli 2002 (auch) unter dem Decknamen T als (Bölge-) Leiter der Region Süd Führungsfunktionen in der DHKP-C ausgeübt hat. Die Richtigkeit dieser Feststellung wird gestützt durch Dokumente aus der niederländischen Rechtshilfe. Hierzu gehören auch Berichte, aus denen sich ergibt, dass C organisationsintern bereits im Frühjahr 2000 als Leiter der DHKP-C-Region Süd vorgesehen war. So wird beispielsweise in einem Schreiben mit der Datumsangabe "11.5.2000" (Datei ID-Nr. 734 641) und einem mit dem Vermerk "04. Juni" versehenen Bericht (Datei ID-Nr. 735 830) von der Europaführung unter Bezugnahme auf "Süddeutschland" nahezu wortgleich erklärt, dass "T" dort Verantwortlicher sein wird, die "Beziehungen und Kontakte" jedoch noch nicht "übernommen" habe.

Dass der Angeklagte G. nach Cs Festnahme im Juli 2002 zeitnah mit dessen Nachfolger, M.A., in Kontakt getreten ist und von diesem im Zusammenhang mit der seinerzeit anstehenden Vorbereitung der Kurierfahrt H Hs Anweisungen erhalten hat, wird durch Erkenntnisse aus der durchgeführten Telefonüberwachung belegt. Der Senat ist davon überzeugt, dass der frühere Mitangeklagte A in verschiedenen, nachfolgend angeführten Telefonaten (Nr. 829, 992, 997, 998, 1003, 1004 und 1005 TKÜ C) als Gesprächsteilnehmer beteiligt war und als Sprecher zu hören ist. Der Senat ist aufgrund der bereits dargestellten Erwägungen und Kriterien, auf die Bezug genommen wird, weiter überzeugt, dass auch der Angeklagte G. bei den genannten, in der Zeit vom 04. August bis 03. September 2002 geführten Telefonaten als Gesprächsteilnehmer zu hören war und somit ein entsprechender fernmündlicher Kontakt zwischen ihm und M.A. in der fraglichen Zeit bestanden hat.

Aus einzelnen Gesprächen wird jeweils deutlich, dass G. Anweisungen entgegennimmt und gegenüber A berichts- und rechenschaftspflichtig ist. Überdies lässt sich einer Gesprächsaufzeichnung entnehmen, dass Informationen über den Kurierfahrer (H H) ausgetauscht wurden. So heißt es etwa in dem am 01. September 2001 um 19:55 Uhr eingegangenen Telefonat (Nr. 992 TKÜ C) nach der gegenseitigen Begrüßung des Anrufers M.A. (Sprecher A) und des angerufenen Angeklagten G. (Sprecher B) wie folgt:

"A: Ich habe diesen Freund gesehen.

B: Ja.

A: Du solltest was machen, in Erfahrung bringen. Dieser Mann soll am vergangenen Donnerstag eine Angelegenheit gehabt haben.

B: Donnerstag, am Donnerstag?

A: Ja, am vergangenen Donnerstag soll er sie gehabt haben.

B: Ja.

A: Er sagt, morgen früh...

B: Ja.

A: ... müsste unbedingt Dings gemacht werden.

B: Ja.

A: Ansonsten ...

B: Ja, okay.

A: ... klappt es nicht.

B: Soll ich das machen?

A: Also, ... bring´ Du mal in Erfahrung, alles klar ...

B: Ja, aber ...

A: Sage es ...

B: Hä.

A: Also, das muss er in ein paar Stunden erledigen, er wird erneut dementsprechend zurückkommen.

B: Aha, wir sollen also mit ihm sprechen, nicht wahr?

A: Also Freund, nicht mit ihm selbst, nein.

B: Hä.

A: Du bist verpflichtet, heraus zu bekommen, dass es eine so und so geratene Angelegenheit hat.

B: Alles klar.

A: Okay, du musst aber nachfragen. Du musst nachfragen und klären. Es sieht so aus, als ob es keine andere Lösung gäbe. Hast Du verstanden?

B: Okay in Ordnung. D. h., er kann sich selbst nicht darum kümmern und ich soll deswegen nachfragen, nicht wahr?

A: Nein, Mann nein. was / wen Du zu fragen hast ... Dings ... Du wirst den Freund fragen ...

B: Alles klar, alles klar, alles klar.

A: ... die Freunde(n). Also Du wirst ihn fragen, er wird Dich anrufen ... um 10:30 ... 11:00 ...

B: Okay.

A: Ihn kannst Du ... Du kannst ihn auch anrufen. Er wird entsprechend Dings machen, kommen und erledigen.

B: Alles klar.

A: Also so, als ob es sonst kein Dings gibt, / als ob es sonst nichts gibt, hast Du jetzt verstanden, was ich gesagt habe?

B: Okay, aber für morgen, nicht wahr?

A: Ja, morgen.

B: Okay, in Ordnung.

A: Für einige Stunden muss er es / sie / ihn erledigen und wieder Dings machen.

B: Okay, okay.

A: Okay. Du hast es wohl verstanden?

B: Ich habe es verstanden, verstanden.

A: Fängt das ... mit S?

B: Es würde mit S anfangen, ja.

A: Okay, Du hast jetzt genau verstanden, nicht wahr?

B: Ich habe es verstanden, okay.

A: Das heißt, du wirst die Freunde fragen ...

B: Ja.

A: Du wirst in Erfahrung bringen, dass er folgende Angelegenheit hat. Er würde dies für einige Stunden erledigen und wieder Dings machen.

B: Okay, in Ordnung.

A: Es kann aber sein, dass er Dich sehen will, und Du kannst dementsprechend ihn sehen.

B: Okay, in Ordnung.

A: Okay?

B: In Ordnung, okay.

A: Okay, wir sehen / sprechen uns.

B: Okay, wir sehen /sprechen uns.

A: Aber macht das nicht Dings, vernachlässige das nicht.

B: Okay, okay.

A: Der Mann wird Dich anrufen. Du kannst auch anrufen.

B: Okay, okay.

A: Um 10:30, 11 Uhr. (...)"

Der Senat ist überzeugt, dass der von M.A.s zu Beginn seiner Unterredung mit dem Angeklagten G. formulierte Satz: "Ich habe diesen Freund gesehen" die Umschreibung eines zuvor erfolgten Treffens mit H H darstellt. Hierfür spricht die Aussage des Zeugen H, der in seinen, im März 2003 durchgeführten, polizeilichen Vernehmungen - ausweislich der Bekundungen des Zeugen KOK F - unter anderem auch angegeben hat, während seines Aufenthalts in Neu-Ulm, von A ("T") und S ("K") aufgesucht worden zu sein. Er (H) habe bei diesem Treffen unter anderem darauf hingewiesen, dass er am Folgetag nach Germersheim fahren müsse, was A mit dem Hinweis, anschließend sofort wieder zurückzukommen, erlaubt habe. Zum Zeitpunkt dieses Gesprächs habe er (H) bereits einige Tage in Ulm / Neu-Ulm auf den Fortgang der Ereignisse gewartet. Nachdem ihm die entsprechende Gesprächsaufzeichnung vorgespielt worden war, hat der Zeuge H in der Hauptverhandlung angegeben, dass im zugehörigen Telefonat offensichtlich über ihn gesprochen worden sei. Er hat weiter bekundet, dass es sich bei der angerufenen Person um G. handelt. Er (H) habe seinerzeit um die Erlaubnis gebeten, kurzfristig aus Neu-Ulm, seinem damaligen Aufenthaltsort, weggehen zu dürfen. Er habe seine Kinder sehen wollen, diesen Grund für seinen Rückkehrwunsch jedoch nicht offen ausgesprochen. Möglicherweise habe er auch einen Termin beim Arbeitsamt gehabt. G. habe sein Ansinnen offenbar nicht selbst entscheiden können und organisationsintern Rücksprache nehmen müssen. In diesem Zusammenhang habe es deshalb auch ein Gespräch zwischen ihm (H) und M.A. ("T"), der ihn hierzu in der Wohnung der Eheleute Y ("bei M") aufgesucht habe, ein Gespräch gegeben.

Für die Richtigkeit dieser Angaben spricht, dass M.A. bei dem in Rede stehenden Telefonat am 01. September 2002 (Nr. 992 TKÜ C) ausweislich der im Zuge der Telefonüberwachung festgestellten Verbindungsdaten, einen (Festnetz-) Anschluss im Ortsbereich Ulm / Neu-Ulm (0731) genutzt hat. Die vom Zeugen H bekundete(n) Kontaktaufnahme(n) mit dem früheren Mitangeklagten A stehen ferner im Einklang mit der hierzu von der Europaverantwortlichen in dem - bereits dargelegten - Bericht vom 23. März 2003 (Datei ID-Nr. 751 362) gemachten Mitteilung.

Am 02. September 2002 wird auf dem überwachten TKÜ-Anschluss gegen 12:30 Uhr ein eingehendes Telefonat (Nr. 997 TKÜ C) aufgezeichnet, in welchem sich M.A. (Sprecher B) mit Nachdruck und in bestimmendem Ton danach erkundigt, ob "alles läuft". Der angerufene Angeklagte G. (Sprecher A) erklärt sinngemäß, dass es "klappt". Wörtlich heißt es wie folgt:

"A: Ja bitte?

B: Ja guten Tag. Wie geht es Dir?

A: Guten Tag, alles gut. Was machst Du?

B: Was hast du gemacht?

A: In einer Stunde erledigen wir es.

B: Alles klar. Es gelingt, nicht wahr?

A: Ja

B: Was?

A: Es gelingt, es gelingt!

B: Also alles klar ... ähh ... Du machst Dings, nicht wahr? ... Woanders macht er nicht Dings ... das ...

A: Also dies ... ich ... alles klar ...

B: ... schaut er / sie nicht vorbei?

A: Nein, nein. Alles klar.

B: Alles klar. Du wirst den / die nochmal Dings machen ...

A: In Ordnung. Alles klar. Ich rufe Dich an.

B: In Ordnung. Wir sehen / sprechen uns.

A: In Ordnung. Wir sehen / sprechen uns."

In einem weiteren, gegen 15:50 Uhr aufgezeichneten Telefonat am 02. September 2002 (Nr. 998 TKÜ C) erklärt der Angeklagte G. (Sprecher A) dem (erneut) anrufenden A (Sprecher B), dass die "Arbeit (...) erledigt" ist. Nach den Ausführungen des hierzu gehörten Sprachsachverständigen B ist dieses Gespräch inhaltlich als Fortsetzung des vorangegangen Telefonats (Nr. 997 TKÜ C) zu werten. Auch Diktion und Tonfall der am Gespräch beteiligten Personen (Sprecher A und B) stimme in beiden Gesprächen vollständig überein; hiervon hat sich auch der Senat bei Inaugenscheinnahme des Gesprächs aufgrund der Sprechweise überzeugt. Wörtlich heißt es wie folgt:

"A: Ja bitte?

B: Ja guten Tag.

A: Guten Tag.

B: Was hast Du gemacht? Hast Du Dings gemacht?

A: Ja, die Arbeit ist erledigt. Ich bin unterwegs.

B: Alles klar. In Ordnung. Du wolltest anrufen und weil Du nicht angerufen hattest ...

A: Ja. Alles klar. In Ordnung.

B: Alles klar. Wir sehen uns. Pass´ gut auf Dich auf.

A: In Ordnung. Wir sehen uns. Alles klar. Du auch."

Dass zur fraglichen Zeit (August / September 2002) enge Kontakte und damit einhergehende Kooperationen zwischen M.A. und dem ihm hierarchisch nachgeordneten Angeklagten G. bestanden haben, belegen zur Überzeugung des Senats auch die nachfolgend genannten Telefonate: So meldet sich am 03. September 2002 ein - unbekannt gebliebener - Anrufer (Sprecher B) am überwachten Anschluss (0160 / 454 3952) um 07:17 Uhr (Gesprächsnummer 1003, TKÜ C). Nach einer kurzen Unterhaltung mit dem Angeklagten G. (Sprecher A) übergibt der Anrufer (Sprecher B) das Telefon an M.A. (Sprecher C), welcher - wie der hierzu gehörte Sprachsachverständige B bestätigt hat - gegenüber G. offensichtlich ungehalten ist und diesem in schroffem Ton Vorhaltungen macht. Wörtlich heißt es in diesem Telefonat, das - wie der Sprachsachverständige dargelegt und wovon sich der Senat durch die Inaugenscheinnahme selbst überzeugt hat - mitten im Gesprächsverlauf aus (übertragungs-) technischen Gründen abbricht wie, folgt:

"A: Ja bitte?

B: Ja, guten Morgen.

A: Guten Morgen.

B: Was machst Du?

A: Bei Gott, wir machen nichts. Was machst Du?

B: Alles gut, Mann.

A: Was?

B: Was habt Ihr mit dem Dings von den Anwälten gemacht?

A: Bei Gott, ich habe das den Freunden gesagt ... die ... deren ...

B: Eine Minute, ich gebe mal an den Freund ...

A: Was?

C: Hallo?

A: Hallo, guten Tag.

C: Ja, guten Tag. Bist Du zu Hause?

A: Nein, ich bin nicht hier.

C: Wann kommst Du?

A: Also mein Kommen ... wird lange dauern.

C: Ja hast Du es denn gesagt, hast Du Bescheid gesagt?

A: Ja, ich habe es gesagt.

C: Was?

A: Ich habe es gesagt, aber ich hatte zwölf gesagt, Mann.

C: Mann, wieso denn zwölf?

A: Andererseits A B ... ich alles klar, wir regeln das selbst. Wir haben eine Möglichkeit ... das selber zu regeln ... alles klar ... wir ...

C: Eine Minute, Mann. Eine Minute ... was zu regeln hast Du die Möglichkeit, Mann ...

A: Die Geldangelegenheit ...

C: Hallo? Hör´ mal zu!

A: Ja?

C: Wovon redest Du, Mann?

A: Ja, alles klar ..."

Kurz danach wird am gleichen Tag um 07:18 Uhr am überwachten TKÜ-Anschluss (0160 / 454 3952) ein weiteres eingehendes Gespräch aufgezeichnet (Nr. 1004 TKÜ C). M.A. (Sprecher B), wird gegenüber dem sich "kleinlaut" verhaltenden Angeklagten G. (Sprecher A) noch ungehaltener und ist bestrebt, diesem "auf die Sprünge zu helfen". Wörtlich heißt es wie folgt:

"A: Hallo?

B: Hallo, was?

A: Ja, jetzt habe ich es verstanden. Alles klar. Das habe ich mitgeteilt.

B: Was hast du gesagt?

A: Also die sind in Kenntnis. die ... Du würdest gut daran tun, den anderen Landsmann anzurufen.

B: Mann warum, wenn ich wen anrufe, Mann?

A: Also unser andere ...

B: Ja ruf´ Du den doch an. War es nicht elf?

A: Ich? Ja elf.

B: Ja. Haben die Kenntnis davon?

A: Haben sie, haben sie.

B: Ja und wie viel Stunden bist Du jetzt davon entfernt?

A: Also ich bin jetzt weit davon entfernt. Ich bin bei dem Dings ... bei dem Landsmann.

B: Ja, warum bist Du denn nicht zurückgekehrt?

A: Also nun ... es ist spät geworden.

B: Wie? Es ist zu spät geworden. Wärst Du halt am Morgen aufgestanden und zurück gekehrt!

A: Also, wie spät ist es jetzt?

B: Ach hör´ doch auf, ich bitte Dich ... Du jetzt ...

A: Wie auch immer, alles klar. Ich teile es Dir mit. Alles klar.

B: Mann, was teilst Du mit? Geh´ Du da raus / Mach Dich auf den Weg.

A: Alles klar. In Ordnung.

B: Alles klar. Und sag´ Du es dem Dings, Dings ...ähh ... der wird warten.

A: Alles klar. In Ordnung.

B: Alles klar?

A: Alles klar.

B: Also los. Wir warten dort auf Dich.

A: Alles klar. In Ordnung.

B: Dann ruf´ Du an, damit zu Hause .... dass einer zu Hause ist.

A: Im Hause sind ohnehin Leute. Alles klar.

B: Ja, aber bis wie viel Uhr jetzt?

A: Was?

B: Ja, aber bis wie viel Uhr?

A: Ich verstehe es ja nicht.

B: Ja, aber bis wie viel Uhr sind Leute zu Hause?

A: Also ... ja ... da sind ständig welche.

B: Ja, alles klar. Ruf´ an und sag´ Bescheid. Jemand soll warten und Du komm´ schnell dahin.

A: Alles klar. In Ordnung.

B: Komm´ zum Haus / nach Hause. Mach´ das also Dings. Das ist um elf, mein Bruder.

A: Alles klar. In Ordnung. Ich hatte es ohnehin mitgeteilt.

B: Alles klar. In Ordnung. Wir sehen uns.

A: Wir sehen uns."

Etwa eine Stunde später wird am bezeichneten Tag (03. September 2002) um 08:31 Uhr ein weiterer Telefonanruf am überwachten TKÜ-Anschluss (0160 / 454 3952) aufgezeichnet (Nr. 1005 TKÜ C). A (Sprecher B) will jetzt von G. (Sprecher A) wissen, ob sich dieser mittlerweile auf den Weg gemacht habe. G. bestätigt dies und wird daraufhin von A angewiesen, "auf die andere Seite rüber" zu gehen, damit "jemand im Hause ist". Wörtlich heißt es wie folgt:

"A: Hallo?

B: Ja, guten Tag.

A: Guten Tag.

B: Hast Du Dich auf den Weg gemacht?

A: Ich habe mich auf den Weg gemacht, habe ich.

B: Wann wirst Du kommen / ankommen?

A: Also wo soll ich denn jetzt direkt hinkommen? Soll ich zum Haus / nach Haus

kommen, oder soll ich auf die andere Seite rüber?

B: Geh´ Du auf die andere Seite rüber, damit jemand im Hause ist. Hast Du die

angerufen?

A: Also ich werde die jetzt bei erstbester Gelegenheit anrufen ... also vor mir ist noch Dings nicht rausgekommen.

B: Also alles klar, ruf´ an, sag´ Bescheid. Es soll eine Person im Hause / zu Hause

warten.

A: Alles klar. Im Hause / zu Hause sind sowieso einige Personen....

B: (Wort unverständlich)

A: ... ich gehe dann direkt auf die andere Seite rüber, wenn es so ist.

B: Alles klar. Sag´ nicht, dass im Hause irgendwelche Leute sind. Ruf´ an! Sag´

Bescheid! Ich habe die Nummer nicht.

A: Alle klar. Alles klar. Ich gebe trotzdem Bescheid. Alles klar.

B: Alles klar. Danach kommst Du da hin. Ich warte auf Dich.

A: Alles klar. In Ordnung.

B: Also, wir sehen uns.

A: Wir sehen uns."

Dass es zu dem in diesen, am 03. September 2002 geführten Telefonaten (Nr. 1003, 1004 und 1005 TKÜ C) von M.A. angeordneten Treffen mit dem Angeklagten G. tatsächlich auch gekommen ist, wird durch die Ergebnisse weiterer, im Zuge der Telefonüberwachung durchgeführter polizeilicher Ermittlungen belegt. Wie bereits ausführlich dargelegt, konnte hierbei anhand operativer Maßnahmen (Videoüberwachung / Observation) festgestellt werden, dass am bezeichneten Tag (03. September 2002) in der Wohnung des A C in Darmstadt, Bstraße ein Treffen zwischen M.A. und G. stattgefunden hat. Auf die entsprechenden Darlegungen wird Bezug genommen.

Wie sich aus den - bereits dargelegten - Angaben des Zeugen KOK M und dessen Bericht über Verlauf und Ergebnis der im bezeichneten Objekt am 09. Juli 2003 erfolgten polizeilichen Durchsuchungsmaßnahme ergibt, handelte es sich bei der Wohnung A Cs um einen regionalen Stützpunkt der DHKP-C für konspirative Treffen von Organisationsangehörigen. Für die Richtigkeit dieser Bewertung sprechen unter anderem die Mitteilungen Gs in einem Vermerk vom 08. Oktober 2002 (Datei: Export-12/Unallocated Clusters~44) betreffend die Gebiete "Frankfurt und Mannheim", wo in diesem Zusammenhang Folgendes dargelegt wird:

"Der A, der zuvor in Duisburg war, lebt in Darmstadt. Er hat eine Wohnung. K und die anderen Freunde wohnten in seiner Wohnung. Er trinkt nicht mehr, er arbeitet. Er verteilt in diesem Gebiet Zeitschriften."

Beteiligung an organisationsinternen Aufklärungsmaßnahmen

Für die Einbindung G.s in die Vorbereitung des Waffentransports spricht weiter, dass dieser an maßgeblicher Stelle federführend mit der Umsetzung der - von der Europaverantwortlichen und weiteren (Führungs-) Funktionären der Organisation veranlassten - Aufklärungsarbeiten / Nachforschungen im Anschluss an das Scheitern des Waffentransports und die in diesem Zusammenhang erfolgte Aufrechterhaltung von Kontakten zu H H sowie - nachdem dessen Festnahme - weiteren Informationsbeschaffungen beauftragt worden ist.

Die Überzeugung des Senats, dass der Angeklagte G. in der von H H in der Hauptverhandlung und - übereinstimmend hierzu - bei vorangegangenen (Beschuldigten-) Vernehmungen geschilderten Art und Weise in den im September 2002 durchgeführten Waffentransport der Organisation eingebunden war, spricht auch die Einschätzung in der - bereits angeführten - Mitteilung der Europaführung vom 07. Mai 2003 (Datei ID-Nr. 756 023), in welcher G eine Notiz der Führung vom 06. Mai 2003 dahingehend beantwortet, dass H H ("der Pizzabäcker") zuerst G. ("C") benennen werde.

Insgesamt steht daher bei wertender Gesamtschau aller vorgenannten Umstände für den Senat fest, dass der Angeklagte G. in der festgestellten Art und Weise an der Vorbereitung des bezeichneten Waffentransports der Organisation mitgewirkt hat.

e. Zur subjektiven Tatseite

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Angeklagte G. wusste, dass es sich bei der Kurierfahrt H Hs um einen Transport von Waffen in die Türkei zur Förderung des dort von der DHKP-C geführten bewaffneten Kampf handelte.

Dem Angeklagten G. war die Programmatik der DHKP-C zur Tatzeit und bereits zuvor bekannt; er wusste hiernach ferner, dass an der Rückfront gesammelte Gelder auch für den bewaffneten Kampf der Organisation in der Türkei verwendet werden.

Wie gezeigt, agierte der Angeklagte G. ab Mitte des Jahres 2002 als Verantwortlicher der Organisation für die Gebiete Frankfurt am Main und Mannheim. In dieser Funktion war er zunächst unmittelbar A C, dem damaligen Verantwortlichen der Region Süd, unterstellt. C war - wie sich aus den insoweit glaubhaften Bekundungen des Zeugen H in der Hauptverhandlung ergibt - nicht nur darüber informiert, dass im Sommer / Herbst 2002 ein Waffentransport in die Türkei anstand, sondern auch für dessen praktische Durchführung und damit für die Einbindung H Hs in dieses Vorhaben verantwortlich. Nach der Verhaftung Cs am 12. Juli 2002 kooperierte der Angeklagte G. - wie dargelegt - eng mit dessen Nachfolger, dem früheren Mitangeklagten A sowie - bei der Unterbringung Hs in Neu-Ulm - dem damaligen Verantwortlichen der Organisation für die Bölge Ulm, H.S., die beide ebenfalls in die Vorbereitung und Abwicklung des Waffentransports eingebunden waren. S stand auch mit dem Vorgänger As als Verantwortlicher der Region Süd, A C, in Kontakt.

Dies rechtfertigt den vom Senat gezogenen Schluss, dass auch der Angeklagte G. im Hinblick auf die Kurierfahrt H Hs organisationsintern entsprechend unterrichtet war, über umfassende Kenntnisse betreffend das in Rede stehende Vorhaben verfügte und sich auch darüber im Klaren war, dass (Schuss-) Waffen in die Türkei transportiert werden sollten. Gestützt wird dies durch eine Mitteilung der Europaverantwortlichen G in einer Notiz vom 16. Dezember 2002 (Datei ID-Nr. 763 498). Darin heißt es zu dem "Vorfall mit dem Pizzabäcker" wie folgt:

"5- Was hat die Polizei dem Pizzabäcker gesagt und wie ist zu ihm gekommen? Wie haben Sie das erfahren? Geben Sie Bescheid. C kennt den Vorfall mit dem Pizzabäcker. Er kann Ihnen erzählen. Ich hatte das auch H erzählt, aber C kennt die Einzelheiten. (...)"

Dass der Angeklagte G. organisationsintern mit Waffenangelegenheiten (Zwischenlagerung in Wohnungen bzw. Geschäftsräumen bis zu deren Verbringung in die Türkei) befasst war, wurde bereits dargelegt.

Der Senat ist vor diesem Hintergrund überzeugt, dass der Angeklagte G. bei seiner Mitwirkung an der Vorbereitung der Kurierfahrt H Hs im September 2002 in dem Bewusstsein handelte, an der Durchführung eines Waffentransports in die Türkei beteiligt zu sein.

f. Geheimdienstliche Betätigung H Hs

Für den Senat steht weiter fest, dass H H - wie von ihm in den früheren polizeilichen / richterlichen Vernehmungen bekundet - und im bezeichneten Urteil des OLG Koblenz vom 01. April 2004 festgestellt, sowohl mit dem türkischen Geheimdienst wie auch dem deutschen Verfassungsschutz kooperiert hat. Soweit der Zeuge H in der Hauptverhandlung eine solche Betätigung in Abrede gestellt und behauptet hat, bei früheren Vernehmungen insoweit gelogen und derartige Agententätigkeiten lediglich erfunden zu haben, sind seine Angaben unglaubhaft. Tatsächlich hat die Beweisaufnahme ergeben, dass sich H H sowohl für den türkischen Geheimdienst wie auch den Verfassungsschutz des Landes Rheinland-Pfalz in der vom Senat festgestellten Art und Weise betätigt hat.

aa. MIT

Für eine Kooperation H Hs als Vertrauensperson mit dem MIT und einer damit einhergehenden Einschleusung in die Rückfront der DHKP-C sowie Berichterstattung über deren Strukturen und Aktivitäten sowie zu Funktionären, Aktivisten und Sympathisanten dieser Organisation sprechen zunächst die hohe Plausibilität der - bereits ausgeführten - Angaben Hs in seinen polizeilichen Vernehmungen im März 2003. Die Zeugen KOK F und KHK A haben übereinstimmend bekundet, dass sich keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme von Unrichtigkeiten der dort von H H zur Thematik MIT gemachten Bekundungen ergeben hätten. Die damaligen Aussagen seien durchweg schlüssig und widerspruchsfrei in die seinerzeit rückhaltlosen Einräumungen H Hs eingebettet gewesen. Ein überhöhtes Geltungsbewusstsein oder etwa Wichtigtuerei Hs sei - auch ansatzweise - nicht ersichtlich gewesen. Weiter steht aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugen KOK F und KHK A fest, dass H H im Verlauf der in Rede stehenden Vernehmungen auch die Namen seiner Kontaktpersonen beim Türkischen Generalkonsulat Frankfurt am Main (U und H) bzw. in der Türkei (T / T) angegeben und diese Personen als Angehörige des türkischen Geheimdienstes bezeichnet hat. Überdies habe H H seinerzeit auch umfassende Angaben zu seiner damaligen Bezugsperson beim Türkischen Generalkonsulat Mainz, A A, und dessen Funktion als Kontaktvermittler zu U (U), dem ersten Ansprechpartner Hs beim MIT gemacht. Seine Bekanntschaft mit A A und damit einhergehende Gelegentliche Treffen mit diesem hat H H - wie noch auszuführen ist - nach längerem Zögern schließlich auch in der Hauptverhandlung glaubhaft bestätigt.

Diese Aussagen fügten sich - wie der Zeuge KOK F weiter bestätigt hat - in andere, bereits im Vorfeld der (Beschuldigten-) Vernehmungen H Hs bei der Polizei erhobene Erkenntnisse aus der Überwachung eines von H genutzten Telefonanschlusses ein, bei der SMS- / Telefonkontakte zwischen ihm und einem türkischen, im Ausland betriebenen und (mutmaßlich) einem Agenten des MIT zuzuordnenden Mobilfunkanschluss festgestellt worden seien. Im Zuge der Auswertung der durchgeführten - zwischenzeitlich gelöschten - Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen habe sich herausgestellt, dass H bis zu seiner Festnahme am 18. Februar 2003 über diesen Anschluss tatsächlich mit einer als T / T bezeichneten Person Nachrichten ausgetauscht hat. Nach Vorhalt entsprechender (Gesprächs-) Aufzeichnungen habe H H bei seinen polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen unumwunden eingeräumt, dass er - einer Weisung des MIT Folge leistend - auch nach seiner Rückkehr mit einem als T / T bezeichneten Gesprächspartner, dem zuletzt für ihn zuständigen Verbindungsmann beim MIT, in Kontakt gestanden habe. Per SMS und Telefon habe er diesen über die weitere Entwicklung der Geschehnisse (in Deutschland) auf dem Laufenden gehalten und - in umgekehrter Richtung - aus der Türkei (Verhaltens-) Anweisungen entgegengenommen. Obwohl sich im Laufe der Zeit seine Einstellung zum MIT geändert hätte, habe er diese Kontakte nicht abgebrochen, weil er bis zuletzt gehofft habe, dass "Ankara" - wie versprochen - für ihn "etwas mache". T / T habe ihn auf die Idee gebracht, beim Türkischen Generalkonsulat einen Passverlust zu melden und über A A, den T / T gekannt habe, eine Vordatierung dieser (Verlust-) Anzeige zu veranlassen. Damit sollte versucht werden, nachzuweisen, dass er (H) mit dem Waffentransport nichts zu tun habe.

Dies passt zu den - vom Zeugen KOK F bekundeten - Ergebnissen der polizeilichen Ermittlungen. Danach ergab die Überprüfung der Ausländerakte H Hs, dass dieser am 30. September 2002 bei der Kreisverwaltung Germersheim seinen türkischen Reisepass als verloren gemeldet und als Verlustdatum den 16. September 2002, einen vor seiner Kurierfahrt liegenden Tag, angegeben hat. Auch das Türkische Generalkonsulat Mainz habe auf Nachfrage bestätigt, dass H H dort einen Passverlust angezeigt hat. Dass diese Pass-Verlustanzeige(n) - wie von H H in bezeichneter Vernehmung bekundet - lediglich fingiert waren, wurde - wie der Zeuge KOK F weiter angegeben hat - auch durch polizeiliche Erkenntnisse, die im Zuge durchgeführter Telefonüberwachungsmaßnahmen gewonnen wurden, bestätigt. So habe man im Zuge der Sichtung und Auswertung des bezeichneten Nachrichtenaustauschs zwischen H und T / T den Eingang entsprechender Handlungsanweisungen aus der Türkei festgestellt. Hierzu passt, dass der in Rede stehende türkische Reisepass - wie bereits ausgeführt - im Zuge der Ermittlungen in der Wohnung H Hs von der Polizei sichergestellt werden konnte.

Die von H H bei den Vernehmungen im März 2003 zu U (U) und H (A), seinen MIT-Kontaktpersonen beim Türkischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main, gemachten Aussagen wurden - wie der Zeuge KOK F glaubhaft bekundete - durch die polizeilichen Ermittlungen ebenfalls bestätigt. So habe das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen mitgeteilt, dass bei der genannten türkischen Auslandsvertretung seinerzeit tatsächlich zwei Mitarbeiter mit den Namen U U und H A beschäftigt gewesen seien, die - nach amtlichem Bekanntwerden des in Rede stehenden Waffentransports "dann auch ziemlich schnell abgetaucht" und nicht mehr greifbar gewesen seien.

Hierzu passen die Angaben des Zeugen StA b. BGH V. Dieser hat glaubhaft bestätigt, keinen Grund für die Annahme gehabt zu haben, die Richtigkeit des umfassenden Geständnisses H Hs, das dieser in den im März 2003 durchgeführten Vernehmungen abgelegt habe, in Zweifel zu ziehen. Die dort von H zu seiner Kooperation mit dem türkischen Geheimdienst gemachten Angaben hätten, wie auch seine sonstigen Bekundungen, durchweg mit dem Ergebnis der Ermittlungen, insbesondere den im Rahmen der durchführten Telekommunikationsüberwachung erlangten Gesprächsaufzeichnungen übereingestimmt. Allem nach sei die Bundesanwaltschaft zu keinem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass H H insoweit "Lügengeschichten aufgetischt" haben könnte.

Der Senat ist ferner überzeugt, dass H H im festgestellten Umfang auch mit A A in Kontakt gestanden hat. Seine hierzu im Verlauf der polizeilichen Vernehmungen ab Mitte März 2003 gemachten Aussagen waren - wie der Zeuge KOK F glaubhaft bekundet hat - durchweg plausibel; sie wurden durch weitere Ermittlungsergebnisse bestätigt bzw. gestützt. Neben den bereits dargestellten Angaben, hat H H - ausweislich der Bekundungen des Zeugen KOK F - seinerzeit ausgesagt, die Verbindung zu A A nach dem Waffentransport aufrechterhalten und sich mit diesem nicht nur im Türkischen Generalkonsulat Mainz, sondern auch an anderen Orten, wie etwa Frankfurt am Main getroffen zu haben. Die Kommunikation mit A A, der hiernach bei entsprechenden Kontaktaufnahmen den Codenamen "O" oder die Tarnbezeichnung "O, der Automechaniker aus Mainz" verwendete, sei zumeist konspirativ über Dritte, zu denen neben A O, einer dem Bekanntenkreis H Hs in Germersheim zuzurechnenden Person, auch eine mit A A eng befreundete Person, die sich H genannt habe und Boxer gewesen sei, abgelaufen. Dazu passt die Aussage des Zeugen H S, einem weiteren Bekannten H Hs. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen S hat dieser H H in einem Germersheimer Café etwa im Sommer 2002 kennen gelernt. In der Folge habe man sich Gelegentlich zu gemeinsamen Unternehmungen getroffen. Der Zeuge S hat weiter bestätigt, mit A A, den er seit einer gemeinsamen Dienstzeit beim türkischen Militär kenne, befreundet zu sein. Auch A A habe an Treffen mit ihm (S) und H H vereinzelt teilgenommen. So habe man beispielweise zusammen eine Veranstaltung in Frankfurt am Main anlässlich des Atatürk-Tags besucht. Dies wiederum stimmt überein mit der hierzu gemachten Aussage H Hs in seiner polizeilichen Vernehmung vom März 2003, in der er - ausweislich der Angaben des Zeugen KOK F – ebenfalls ein solches Zusammentreffen geschildert hat.

Für die Richtigkeit dieser Aussage spricht weiter, dass - wie der Zeuge KOK F weiter bekundet hat - im Zuge der durchgeführten Telefonüberwachung in dem gegen H H gerichteten Ermittlungsverfahren sowohl Gesprächsverbindungen mit einem auf A O angemeldeten Mobilfunkanschluss wie auch fernmündliche Kontakte festgestellt wurden, bei denen H von einem "O aus Mainz" sowie einer Person angerufen wurde, die mit H bzw. H, der Boxer bezeichnet wurde. Der Senat ist überzeugt, dass es sich bei H um den Zeugen S handelte. Dieser arbeitet - wie er in der Hauptverhandlung bestätigt hat - als Boxtrainer und nannte sich seinerzeit im Rahmen von Telefonaten mit H H auch H, der Boxer. Übereinstimmend hiermit hat der Zeuge H in der Hauptverhandlung auf Vorhalt der entsprechenden Bezeichnung glaubhaft bekundet, seinerzeit mit S, der auch der Boxer genannt worden sei, in Kontakt gestanden zu haben.

Nach den Angaben des Zeugen KOK F haben die polizeilichen Abklärungen zur Person des A A ergeben, dass dieser - wie von H H in seinen polizeilichen Vernehmungen im März 2003 angegeben - zur fraglichen Zeit als Bediensteter des Verwaltungspersonals in der Funktion eines Sekretärs beim Türkischen Generalkonsulat Mainz beschäftigt war.

Wie sich aus dem behördlichen Zeugnis der Bundesanwaltschaft vom 18. November 2009 ergibt, wurde mit Verfügung des Generalbundesanwalts vom 23. März 2004 gemäß § 152 Abs. 2 StPO von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen A A, U U und H A abgesehen. Zur Begründung dieser Entscheidung wurde angeführt, dass Konsularbeamte und Bedienstete des Verwaltungspersonals wegen Handlungen, die sie im Rahmen der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben vorgenommen haben, nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen (§§ 19 GVG, 43 Abs. 1, 53 Abs. 4 WÜK). Eine gegen die Genannten gerichtete strafrechtliche Untersuchung sei daher vorliegend von Rechts wegen nicht zulässig. Ein mit Verfügung des Generalbundesanwalts vom 23. März 2004 gegen Unbekannt (Deckname T oder T) eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde - ausweislich der bezeichneten Behördenerklärung - am selben Tag gemäß § 170 Abs. 2 StPO wegen Fehlens "erfolgversprechender Ermittlungsansätze zur Identifizierung des Beschuldigten" eingestellt.

Die Feststellung, dass der MIT auf die Vorbereitung und Durchführung des Waffentransports in die Türkei im September 2002 keinen bestimmenden Einfluss genommen hat, beruht ebenfalls auf den hierzu von H H im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmungen im März 2003 gemachten glaubhaften Bekundungen. H H hatte seinerzeit nichts über derartige Direktiven des MIT berichtet. Die Kurierfahrt sei initiativ ausschließlich von Verantwortlichen der DHKP-C veranlasst worden. Dazu passt, dass H H bereits geraume Zeit vor Durchführung des in Rede stehenden Waffentransports organisationsintern als potenzieller Kurierfahrer für Transporte in die Türkei in Betracht gezogen wurde. So hat etwa der Angeklagte Y. bei H H, wie dieser sowohl in der Hauptverhandlung als auch im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmungen im März 2003 - über die der Zeuge KOK F dem Senat berichtet hat - glaubhaft angegeben hat, schon Anfang des Jahres 2002 angefragt, ob er (H) einen größeren (Bar-) Geldbetrag (ca. EUR 30.000,-- oder EUR 40.000,--) nach Istanbul bringen könnte. Gegen eine Einflussnahme des MIT auf die Ingangsetzung oder Ausgestaltung des im September 2002 erfolgten Waffentransports spricht weiter, dass H H nach der bezeichneten Anfrage Y.s - wie bereits ausgeführt - im Frühjahr 2002 vom damaligen Regionsverantwortlichen Süd, A C, und dem Angeklagten G. tatsächlich einen konkreten Kurierauftrag erhielt, in dessen Ausführung H H mit dem Flugzeug für die Organisation Gegenstände nach Istanbul transportierte.

Der Senat ist vor diesem Hintergrund überzeugt, dass sowohl die Vorbereitung wie auch die konkrete Abwicklung des durch H H durchgeführten Waffentransports bis zur bulgarisch-türkischen Grenze allein in Händen der hierfür verantwortlichen Führungsfunktionäre der DHKP-C gelegen hat. Eines Anstoßes durch den türkischen Geheimdienst bedurfte es nicht. Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen entsprechender Beeinflussungen haben sich nicht ergeben.

Als zutreffend hat sich ferner erwiesen, dass H H, wie von ihm im Rahmen seiner (polizeilichen) Vernehmungen im Februar und März 2003 im Zusammenhang mit der Schilderung der weiteren Geschehnisse zu seinem Verhalten nach Verlassen des Kurierfahrzeugs an der bulgarisch-türkischen Grenzstation bekundet, Ende September 2002 mit einer Maschine der Turkish Airlines von Istanbul nach Frankfurt am Main zurückgekehrt ist. So wurde im Urteil des OLG Koblenz vom 01. April 2004 festgestellt, dass in einer Passagierliste der Fluggesellschaft Turkish Airlines betreffend einen Flug am 27. September 2002 von Istanbul nach Frankfurt am Main eine Person mit dem Namen "H H" als Fluggast registriert war. Die entsprechende Auflistung betreffend die von der genannten Fluggesellschaft am 27. / 28. September 2002 abgewickelten Flüge von Istanbul nach Frankfurt am Main war im dortigen Strafprozess im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Der Senat geht davon aus, dass die als "H" bezeichnete Person mit H H identisch und dieser in der Passagierliste lediglich mit einem fehlerhaften (Nach-) Namen erfasst worden ist.

Den - einen solchen Geschehensablauf in Abrede stellenden - Aussagen, welche der Zeuge H in der Hauptverhandlung wie bereits in seiner richterlichen Vernehmung vor dem Amtsgericht Germersheim am 30. November 2004 gemacht hat, folgt der Senat nicht. Die dort zu seiner Rückkehr nach Deutschland enthaltenen Angaben sind offensichtlich an Vorgaben orientiert, die H H nach den Feststellungen im genannten Urteil des OLG Koblenz vom MIT erhalten hatte. Demzufolge sollte er als Legende gegenüber seinen Ansprechpartnern in der DHKP-C das Scheitern des Waffentransports damit erklären, aus Furcht vor Entdeckung das Kurierfahrzeug am Grenzübergang abgestellt, die Flucht ergriffen und sodann auf dem Landweg per Anhalter den Rückweg nach Deutschland angetreten zu haben. Der Zeuge KOK F hat bestätigt, dass H H bei seinen polizeilichen Vernehmungen im März 2003 plausibel bekundet hatte, während seines Aufenthalts in Istanbul vom türkischen Geheimdienst entsprechende Instruktionen erhalten zu haben und angewiesen worden zu sein, für den Fall einer Befragung durch Verantwortliche der Organisation, derartige (unzutreffende) Angaben zu machen.

Unter Berücksichtigung der beschränkten Aussagetüchtigkeit H Hs, die - seit Ausbruch der bei ihm diagnostizierten psychischen Erkrankung und damit einhergehender, auch auf den türkischen Geheimdienst bezogener Verfolgungsängste - bei Aussagen zu Betätigungen für den MIT und Sachverhalten, welche - wie die Vorgänge nach dem Scheitern des Waffentransports an der bulgarisch-türkischen Grenze bis zur Rückkehr Hs nach Deutschland - mit dieser Thematik eng verflochten sind, zu krankheitsbedingten Verfälschungen führen kann, steht für den Senat außer Frage, dass sich H H bei seinen entsprechenden Angaben in der Hauptverhandlung in vorliegender Sache wie auch bei seiner Vernehmung am 30. November 2004 an den bezeichneten Vorgaben des türkischen Geheimdienstes orientiert und insoweit jeweils objektiv falsche Angaben gemacht hat.

Darüber hinaus wurden - wie sich aus den Angaben der Zeugen KHK A und KOK F ergibt - durch die Ermittlungen auch die Bekundungen Hs zu Geldüberweisungen aus der Türkei als Entlohnung für seine Informantentätigkeit verifiziert. H H hat - wie der Zeuge KOK F berichtete - bei seinen polizeilichen Vernehmungen im März 2003 angegeben, entsprechende Geldzahlungen des MIT erhalten zu haben. Die Zahlungen seien von seiner Schwester in der Türkei auf sein Konto bei der IS-Bank, Karlsruhe oder über die dort eingerichtete Bankverbindung seiner damaligen Bekannten N S transferiert worden. Die Zeugin C, geschiedene S, hat in der Hauptverhandlung angegeben, mit H H, den sie im Jahre 2001 kennen gelernt habe, in Kontakt gestanden zu haben und diesem "womöglich" auch in der Weise behilflich gewesen zu sein, dass sie zum Zwecke der Durchführung von Geldtransfers bei der IS-Bank, Karlsruhe ein Konto eröffnet oder H zu diesem Zweck eine (Konto-) Vollmacht erteilt hatte. Auf Nachfrage des Gerichts hat die Zeugin C hierbei bestätigt, seinerzeit von H gebeten worden zu sein, ihren Namen für einen Geldtransfer aus der Türkei "herzugeben". Es könne sein, dass sie (C), nachdem Geld eingegangen war, dieses bei der IS-Bank in Karlsruhe abgeholt und sodann H übergeben habe. Nach den Angaben des Zeugen KHK A wurden durch Erhebungen bei dem genannten Kreditinstitut auf Konten H Hs und N S innerhalb der Zeit von Mitte August 2002 bis Anfang Februar 2003 entsprechende, durch Geldanweisungen aus der Türkei generierte Zahlungseingänge in Höhe von insgesamt EUR 8.300,-- Euro festgestellt. Weiter haben die Ermittlungen - wie der Zeuge KOK F glaubhaft bestätigt hat - ergeben, dass das seinerzeit für Kontaktaufnahmen zum türkischen Geheimdienst von H H benutzte Mobilfunktelefon auf N S (C) angemeldet war.

Dass H H als Vertrauensperson für den türkischen Geheimdienst MIT gearbeitet hat, lässt sich außerdem aus vereinzelten Äußerungen schließen, die H gegenüber Dritten abgegeben hat. Neben entsprechenden, bereits dargelegten, Hinweisen im Rahmen von Gesprächen mit Dr. S, Dr. Sch und Prof. Dr. W gehören hierzu Mitteilungen gegenüber seinem Schwager, dem Zeugen T. Wie bereits ausgeführt hat dieser angegeben, nach der Haftentlassung Hs im Jahre 2003 deutlich sichtbare Veränderungen bei seinem Schwager bemerkt zu haben. Weiter hat der Zeuge T in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundet, dass sich H auf dadurch veranlasste Nachfragen nie richtig dazu geäußert, sondern immer nur darauf hingewiesen habe, dass ihn "diese Geschichte (...) mit dem Auto nach Istanbul (...) extrem mitgenommen" habe. Erst zu einem späteren Zeitpunkt habe er (T) erfahren, dass H vorgeworfen wurde, als "Agent" für den türkischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein. Konkret habe H hierzu nie Stellung genommen, jedoch gesprächsweise angemerkt, dass er "voll dahinter stehe". Zu keinem Zeitpunkt habe er (H) in diesem Zusammenhang davon berichtet, bei (polizeilichen und / oder richterlichen) Vernehmungen über eine Zusammenarbeit mit dem MIT falsche Angaben gemacht zu haben. Auch habe er (H) nicht geäußert, zu Aussagen über den türkischen Geheimdienst gedrängt bzw. gezwungen worden zu sein.

Die Überzeugung des Senats, dass H H sich als Vertrauensperson des MIT betätigt hat, wird schließlich durch das Verhalten H Hs am bulgarisch-türkischen Grenzübergang und den weiteren Fortgang der Geschehnisse gestützt. Wie ausgeführt wurde das Kurierfahrzeug dort von H H auf dem Territorium der Türkei verschlossen abgestellt. Alsbald danach wurden die im Fahrzeug versteckten Waffen von türkischen Polizei- und Zollbeamten an Ort und Stelle sichergestellt, was für eine lückenlose Überwachung des in Rede stehenden Waffentransports durch türkische Sicherheitskräfte spricht und ebenfalls eine Kooperation H Hs mit dem MIT nahelegt.

Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon überzeugt, dass der türkische Geheimdienst den bezeichneten Waffentransport der DHKP-C so wie von H H in seinen Beschuldigtenvernehmungen im März / April 2003 angegeben und im bezeichneten Urteil des OLG Koblenz festgestellt, überwacht hat. Der Umstand, dass die mit der Bekämpfung der DHKP-C in der Türkei befasste Polizeibehörde - wie der Zeuge EKHK B berichtet hat - über diese, im September 2002 durchgeführte, Kurierfahrt weder zum damaligen Zeitpunkt noch in der Folge unterrichtet wurde, ändert hieran nichts. Zwar hat der Zeuge EKHK B angegeben, er gehe davon aus, dass die entsprechende, von ihm geleitete Polizeiabteilung durch den MIT, der über eine eigene DHKP-C-Abteilung verfüge, von einem Waffentransport der DHKP-C aus einem EU-Land in die Türkei informiert worden wäre, falls darüber geheimdienstliche Erkenntnisse vorgelegen hätten. Weiter hat er jedoch bekundet, dass Informationen, die der MIT im Ausland erlangt (hat), generell nicht an Polizeibehörden in der Türkei weitergeleitet werden. Insofern kann daher von einer uneingeschränkten Weitergabe von Mitteilungen auf innerstaatlicher Ebene durch den türkischen Geheimdienst MIT bei Vorgängen, die - wie hier - im Zuge operativer Maßnahmen außerhalb der Türkei erlangt wurden, selbst wenn diese Waffentransporte betreffen und einen Bezug zur DHKP-C aufweisen, nicht ausgegangen werden.

bb. Verfassungsschutz

Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass H H in der Zeit von März bis September 2002 als Informant für den Landesverfassungsschutz Rheinland-Pfalz tätig gewesen ist. Ausweislich der hierzu gemachten Angaben der Zeugen KHK A und KOK F hat H H - wie bereits dargelegt - im Verlauf seiner Vernehmungen im März 2003 von sich aus eine entsprechende Betätigung detailliert-plausibel geschildert und bekundet, hierfür mit einem monatlichen Betrag in Höhe von EUR 400,-- bis EUR 500,-- entlohnt worden zu sein. Anhaltspunkte dafür, dass eine derartige Zusammenarbeit von H H z. B. aus übersteigerter Geltungssucht, Wichtigtuerei oder sonstigen Erwägungen erfunden worden wäre, hätten sich im Verlauf der Ermittlungen zu keinem Zeitpunkt ergeben. Tendenzen zur Hochstapelei hätte H H nicht gezeigt. Dass es eine Zusammenarbeit zwischen H H und der rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzbehörde so wie von H bekundet gegeben habe, sei aus polizeilicher Sicht "klar" gewesen, weshalb insoweit keine Finanzermittlungen zur weiteren Abklärung für erforderlich gehalten wurden und entsprechende Maßnahmen daher auch nicht durchgeführt worden sind.

Hierzu passen die Angaben des Zeugen StA b. BGH V. Dieser hat in der Hauptverhandlung bestätigt, im Zuge des bei der Bundesanwaltschaft gegen H H wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit geführten Ermittlungsverfahrens eine Zusammenarbeit Hs mit dem deutschen Verfassungsschutz geprüft zu haben. Hierbei habe sich herausgestellt, dass es eine entsprechende Kooperation und Entlohnung tatsächlich gegeben hat. Es sei verifiziert worden, dass die entsprechende (Landes-) Verfassungsschutzbehörde nicht über einen Waffentransport der DHKP-C in Kenntnis gesetzt wurde. So habe eine Anfrage bei der verantwortlichen Sicherheitsbehörde (Innenministerium - Landesamt für Verfassungsschutz, Mainz) ergeben, dass eine "Abdeckung" durch den Landesverfassungsschutz Rheinland-Pfalz in Bezug auf Aktivitäten Hs für den MIT zu keinem Zeitpunkt vorgelegen hat.

Dies wiederum steht im Einklang mit früheren Bekundungen H Hs, der ausweislich des Zeugen KOK F im Rahmen seiner Vernehmungen im März 2003 angegeben hat, seine Ansprechpartner beim Verfassungsschutz - einer Anweisung des MIT Folge leistend - damals nicht über Vorbereitung und Durchführung des in Rede stehenden Waffentransports unterrichtet zu haben.

Für die Richtigkeit der in bezeichnetem Zusammenhang im März 2003 zur Zusammenarbeit mit dem Landesverfassungsschutz Rheinland-Pfalz gemachten Angaben H Hs sprechen auch die Aussagen von dessen Ehefrau, der Zeugin Berrin H. Diese hat in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung hierzu glaubhaft bekundet, zweimal von unbekannten Personen aufgesucht worden zu sein. Diese hätten sich als Mitarbeiter des (Mainzer) Innenministeriums vorgestellt, die (angeblich) eine Umfrage durchführen wollten und ihren Ehemann (H H) gesucht hätten. Dieser sei beim ersten Mal nicht zu Hause gewesen. Beim zweiten Besuch hätten sich dieselben Personen dann mit ihrem Ehemann über Terrorismus und andere, damit zusammenhängende Fragen unterhalten. Sie selbst habe ebenfalls an diesem Gespräch teilgenommen. Es sei "komisch" gewesen. Von ihrem Ehemann habe sie, auch auf Nachfrage, in der Folge nichts Näheres dazu erfahren.

Zu der in früheren Beschuldigtenvernehmungen beschriebenen Zusammenarbeit mit dem deutschen Verfassungsschutz passt schließlich, dass H H - wie der Sachverständige Dr. S als Zeuge glaubhaft dargelegt hat - im Rahmen seiner Exploration am 23. April 2008 im Zuge der Schilderung seines biographischen Werdegangs nicht unerwähnt ließ, in zurückliegender Zeit als ".... Agent für die Deutschen (...)" tätig gewesen zu sein.

Schließlich hat auch das OLG Koblenz im bezeichneten Urteil vom 01. April 2004 festgestellt, dass H H den Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz über Strukturen und Aktivitäten der DHKP-C informiert hat. Wie die Zeugen VROLG V, RinOLG H und ROLG S übereinstimmend bekundet haben, wurden die hierzu in vorangegangenen Beschuldigtenvernehmungen glaubhaft abgegebenen, einräumenden Einlassungen Hs aufgrund von Schriftstücken, die im damaligen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises nach § 249 Abs. 2 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien, vollumfänglich bestätigt. Dazu gehörte unter anderem ein Behördenzeugnis des Ministeriums des Innern und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz, durch das - so die Zeugen V und H - eine entsprechende "Abschöpfung" Hs durch die Abteilung Verfassungsschutz des bezeichneten Ministeriums belegt wurde. Diese behördliche Auskunft habe außerdem die weitere Feststellung, wonach der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz zum damaligen Zeitpunkt über eine nachrichtendienstliche Tätigkeit Hs für den türkischen Geheimdienst MIT nicht unterrichtet war und von dem in Rede stehenden Waffentransport im September 2002 keine Kenntnis hatte, gestützt.

7. Ergebnis

Allem nach ist der Senat davon überzeugt, dass die Vorgänge im Zusammenhang mit H H, wie vom Senat festgestellt, erwiesen sind.

Dritter Teil: Rechtliche Würdigung

Die Angeklagten sind hiernach der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129b Abs. 1, 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig.

1. Die nach § 129b Abs. 1 S. 3 - 4 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung des Bundesministeriums der Justiz wurde am 29. Juli 2003 erteilt (II B 1 - 4030 E (94) - 2 G 22/2003).

2. Strafklageverbrauch ist durch die früheren Verurteilungen der beiden Angeklagten nicht eingetreten, wie der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs bereits in seinem Beschluss vom 15. Februar 2007 (Az.: StB 19/06) und ihm folgend der Senat in mehreren Haftentscheidungen ausführlich dargelegt hat.

Dem Beginn der strafrechtlichen Verfolgbarkeit nach § 129b StGB kommt die Wirkung einer Zäsur zu. Weder bei dem Angeklagten G. noch bei dem Angeklagten Y. waren Betätigungen in der ausländischen terroristischen Vereinigung nach dem 30. August 2002 Gegenstand der früheren Verfahren. Diese hatten ausschließlich den Vorwurf der inländischen terroristischen Vereinigung nach § 129a StGB, begangen Ende der 90er Jahre, zum Gegenstand.

Der Angeklagte Y. hat in seiner Beschwerdebegründung vom 08. August 2003 diese Differenzierung bereits selbst zutreffend vorgenommen und klar unterschieden zwischen der inländischen terroristischen Vereinigung, die mit der Gewaltverzichtserklärung vom 12. Februar 1999 endete und der 3 ½ Jahre später erfolgten Einführung des § 129b StGB. Bei dem Angeklagten Y. stellte sich diese Frage ohnehin nur für die Zeit vor dem Urteil vom 21. Juni 2005, nicht für seine Betätigung in der Zeit danach bis zur Festnahme im November 2006. Auf die Möglichkeit einer Strafbarkeit nach § 129b StGB bei weiterer Betätigung wurde er - ausweislich der Gründe des Urteils vom 21. Juni 2005 - von dem Oberlandesgericht Düsseldorf i.R.d. Belehrung nach § 268a StPO über die Bedeutung der Bewährung sogar ausdrücklich hingewiesen.

Auch die Verfügung der Staatsanwaltschaft Köln vom 06. Juli 2005, mit der im Ermittlungsverfahren 120 Js 10/05 A gegen den Angeklagten Y. gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen wurde, begründet kein Prozesshindernis (hierbei handelt es sich um das ursprünglich von der Staatsanwaltschaft Koblenz geführte Verfahren mit dem Az.: 2010 Js 38984/03, nach Abtrennung: 2010 Js 62544/04); die Ermittlungen wurden insoweit durch Verfügung vom 07. März 2007 wieder aufgenommen.

3. a. Voraussetzung für die Annahme einer Vereinigung i.S.d. §§ 129a, b StGB ist ein freiwilliger organisatorischer, auf eine gewisse Dauer angelegter Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 202, 204 f.; 31, 239 f.; 45, 26, 35).

Die Mitgliedschaft setzt voraus, dass der Täter sich unter Eingliederung in die Organisation deren Willen unterordnet und eine Tätigkeit zur Förderung der Ziele der Organisation entfaltet. Notwendig ist eine auf Dauer oder zumindest längere Zeit angelegte Teilnahme am "Verbandsleben" (vgl. BGHSt 18, 296, 299 f.; 29, 114, 121).

Die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, bedarf regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält. Denn die Beteiligung als Mitglied setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Die Begehungsform der mitgliedschaftlichen Beteiligung kommt im Unterschied zu den Tathandlungen des Werbens für die oder des Unterstützens der Vereinigung nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Zwar ist hierfür eine organisierte Teilnahme am Leben der Vereinigung nicht erforderlich, weshalb es etwa einer förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft mit etwa listenmäßiger Erfassung, Zahlung von Mitgliedsbeiträgen oder gar Ausstellung eines Mitgliedsausweises nicht bedarf. Notwendig ist allerdings, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH NJW 2009, 3448 ff., 3461 m.w.N.).

b. Als führende Kader der DHKP-C-Europaorganisation waren die Angeklagten Teil des auf Dauer angelegten Verbandes unter einheitlicher Führung.

aa. Innerhalb der DHKP-C hat sich auf Dauer ein Zusammenschluss von Verantwortlichen gebildet, der ein gemeinsames Ziel verfolgt, nämlich die Führung eines bewaffneten Kampfes in der Türkei durch Begehung (auch) von Tötungsdelikten. Diese feste organisatorische Struktur der DHKP-C mit einer gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder und die subjektive Einbindung der Beteiligten in die Zielsetzung(en) der Organisation sowie in deren Willensbildung unter Zurückstellung individueller Einzelmeinungen besteht nicht nur in der Türkei, sondern reicht nach den Feststellungen auch nach Europa, unter anderem nach Deutschland.

Der innerhalb der DHKP-C bestehenden terroristischen Vereinigung gehören neben den Angehörigen des Zentralkomitees und den in der Türkei unter dessen Führung aktiven Parteikadern und mit der Planung und Ausführung von Anschlägen betrauten Kadern jedenfalls auch solche Führungsverantwortliche mitgliedschaftlich an, die innerhalb der europäischen Rückfront der DHKP-C in herausgehobener Funktion agieren und durch ihre Aktivitäten zur Fortführung bzw. Verstärkung des bewaffneten Kampfes in der Türkei beitragen. Danach gehören zur Organisationsstruktur in Europa neben dem Europaverantwortlichen jedenfalls der Deutschlandverantwortliche, der Generalverantwortliche, die Regionsverantwortlichen und die Bölgeleiter sowie herausgehobene Funktionäre mit Sonderaufgaben. Diese Funktionäre sind Teil des auf Dauer angelegten organisatorischen Zusammenschlusses und durch ein Berichts- und Kontrollsystem fest in die hierarchischen Strukturen der Gesamtorganisation eingebunden. Die Organisationsführung, bestehend aus Generalsekretär und Zentralkomitee, entscheidend auch darüber, ob ein Kader überhaupt eingesetzt wird und, sofern er die Voraussetzungen erfüllt, auch über sein Einsatzgebiet und Aufgabenfeld. Danach unterstehen sie der einheitlichen Führung durch den Generalsekretär und das Zentralkomitee. Sie bilden mit der "Guerilla" in der Türkei einen einheitlichen Verband. Nur durch das Zusammenwirken der einzelnen Organisationseinheiten soll und kann der beabsichtigte Erfolg erzielt werden. Dabei kommt den in Europa agierenden Führungskadern eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der terroristischen Zielsetzungen der DHKP-C zu.

bb. Die Eingliederung der beiden Angeklagten in die Organisation beruhte auf einem jeweils beiderseitigen, übereinstimmenden Willen zur fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben, getragen von der Bereitschaft, sich dem Willen der Führung unterzuordnen und eine aktive Tätigkeit zur Förderung der DHKP-C zu entfalten.

Als herausgehobene Führungsfunktionäre an der europäischen Rückfront haben sie an der Erfüllung von Aufgaben, die für die Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei unverzichtbar und von besonderer Bedeutung sind, maßgeblich mitgewirkt und sich damit mitgliedschaftlich an der terroristischen Vereinigung beteiligt.

Beide Angeklagten wollten fortdauernd als verantwortliche Mitglieder tätig sein und unterwarfen sich unter Zurückstellung ihrer eigenen Meinungen deren Willen. Sie wussten, dass sie einen wichtigen Beitrag zum Kampf der Organisation in der Türkei leisteten. Sie kannten und billigten die terroristische Zielsetzung der Organisation und handelten somit vorsätzlich.

Der Umstand, dass die Angeklagten weder direkt an der Planung noch an der Durchführung terroristischer Anschläge in der Türkei beteiligt waren, steht einer mitgliedschaftlichen Betätigung i.S.d. § 129a StGB nicht entgegen. Hierfür genügt nach ständiger Rechtsprechung eine auf Dauer ausgerichtete Teilnahme an der Tätigkeit der Organisation, die sich in aktiven Handlungen zur Förderung von Aufbau, Fortdauer oder Tätigkeit der Organisation ausdrücken.

Die Angeklagten haben die Vereinigung überdies nicht lediglich von außen, sondern von innen her gefördert. Zwar hielten sie sich nicht im unmittelbaren, ausländischen Betätigungsgebiet der Organisation in der Türkei auf. Die DHKP-C verfügt aber auch in der Rückfront - insbesondere auch in Deutschland - über feste Vereinigungsstrukturen. Durch ihre Stellung als Führungsfunktionäre an der von der DHKP-C in Westeuropa errichteten Rückfront waren beide Angeklagten fester Bestandteil dieser Vereinigungsstrukturen, wurden von der Führung zeitlich unbefristet eingesetzt und blieben eine beträchtliche Zeitspanne in der Funktion. Sie erhielten von der Führung - vermittelt durch die Europaverantwortliche - Anweisungen und unterlagen deren Kontrolle.

Selbst wenn die Angeklagten die satzungsmäßigen Vorgaben der DHKP-C für eine Mitgliedschaft (von dem Angeklagten Y. als "Kernmitgliedschaft" bezeichnet) nicht erfüllt haben sollten, hindert dies nicht die Feststellung, dass sie sich als Angehörige der Rückfront der DHKP-C mitgliedschaftlich im Sinne des § 129b StGB in der Organisation betätigt haben. Denn der Begriff der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§§ 129b Abs. 1, 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB) ist, wie ausgeführt, nicht gleichbedeutend mit dem Begriff der förmlichen Mitgliedschaft i.S.d. Satzungsbestimmungen der DHKP-C.

4. Ob die DHKP-C materiell-rechtlich insgesamt als ausländische terroristische Vereinigung im Sinne von § 129b StGB einzustufen ist, was nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofes in Haftfortdauerbeschlüssen des vorliegenden Verfahrens nahe liegt, lässt der Senat offen.

5. Bei beiden Angeklagten wurde der Vorwurf eines Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz gemäß § 154a StPO ausgeschieden. Aufgrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 29. Juni 2010 (Rechtssache C-550/09) prüfte der Senat die Erforderlichkeit einer Wiedereinbeziehung dieses Vorwurfs. Da dies aufgrund der angenommenen Tateinheit keinen Teilfreispruch zur Folge gehabt hätte, konnte der Senat hiervon absehen.

6. Bei dem Angeklagten G. wurde der Tatzeitraum überdies auf die Zeit bis zum Weggang nach Belgien Anfang September 2003 beschränkt; hinsichtlich der Zeit danach bis zur Festnahme wurde von der Verfolgung nach §§ 154, 154a StPO abgesehen.

Vierter Teil: Strafzumessung

Bei der Strafzumessung war bei beiden Angeklagten vom Strafrahmen des § 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB auszugehen, der Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren vorsieht. Dieser Strafrahmen gilt durchgängig seit dem Inkrafttreten des § 129b Abs. 1 StGB und wurde durch die teilweise Neufassung von §§ 129a, 129b StGB vom 22. Dezember 2003 nicht berührt.

Eine Milderung der Strafe nach § 129a Abs. 6 StGB (entsprechend § 129a Abs. 4 StGB in der Fassung vom 22. August 2002) kommt angesichts der Dauer der Mitgliedschaft der Angeklagten in der terroristischen Vereinigung, ihrer herausgehobenen Stellung innerhalb dieser Organisation und des Umfangs ihrer Betätigung nicht in Betracht. Von einer geringen Schuld der Angeklagten oder einer untergeordneten Bedeutung ihres Handelns kann nicht gesprochen werden.

Auch der Fall einer "tätigen Reue" liegt nicht vor.

Nach endgültigem Scheitern der Verständigungsgespräche - bei dem Angeklagten Y. am 09. Februar 2010, bei dem Angeklagten G. am 02. März 2010 - waren die in diesem Zusammenhang im Raum stehenden Strafobergrenzen nicht mehr Gültigkeit, worauf die Angeklagten ausdrücklich hingewiesen wurden. In der Zeit bis zum Urteil wurde sodann umfangreich weiterer Beweis erhoben. Insbesondere waren aufgrund der durch den Zeugen EKHK B übergebenen Tatortfotos mit CD-ROM im Termin vom 22. März 2010 weitere Beweiserhebungen zu den Anschlägen der DHKP-C möglich; überdies übergab der Zeuge EKHK B in der Hauptverhandlung vom 22. März 2010 und am 13. April 2010 Übersichten mit Dateien, die die Angeklagten G. und Y. sowie den Tatkomplex mit H H betrafen; diese - zuvor teilweise nicht bekannten Dateien - konnten vollständig der niederländischen Rechtshilfe zugeordnet werden. Nach erfolgter Neuübersetzung wurden die relevanten Dateien im Selbstleseverfahren am 22. Juni 2010 (SLO XII, Teil 1) bzw. am 01. Juli 2010 (SLO XII, Teil 2) in die Hauptverhandlung eingeführt, soweit dies nicht bereits zuvor erfolgt war. Hieraus wurden bislang in diesem Umfang noch nicht bekannt gewordene Betätigungsakte der beiden Angeklagten ersichtlich, die bei der Strafzumessung zu deren Nachteil berücksichtigt werden konnten. Exemplarisch ist ein umfangreicher Bericht des Angeklagten Y. zu nennen (vgl. die mehrfach zitierte Datei: Export-3/Unallocated Clusters~319). Der (im Schreiben Ds vom 02. Mai 2003) übermittelte Bericht des Angeklagten G. (Datei: Export-3/Unallocated Clusters~617) belegt, dass dieser die ihm von der Europaführung befohlenen Nachforschungen zur Person des H H ausgeführt hat und seinen Berichtspflichten nachgekommen ist.

Der Senat bezog in seine Erwägungen mit ein, dass sich die verhängte Strafe nicht unvertretbar weit von der in Aussicht gestellten Strafobergrenze entfernen darf.

I. Für beide Angeklagten geltende Strafzumessungsgesichtspunkte

Strafmildernd berücksichtigte der Senat bei beiden Angeklagten folgende Umstände:

Ihre mitgliedschaftliche Beteiligung an der terroristischen Vereinigung basiert auf fehlgeleiteten ideologischen Überzeugungen, die sie geprägt haben und die infolge strenger, innerorganisatorischer Indoktrination weiter verfestigt worden sind.

Zudem gibt es keine Anhaltspunkte für eine konkrete, direkte Beteiligung der Angeklagten an Katalogtaten im Sinne des § 129a StGB.

Schließlich wurden auch die lange Dauer der Untersuchungshaft mit den gesetzlich vorgegebenen, massiven Beschränkungen (wie z.B. Trennung und Ausschluss von sonst üblichen Gemeinschaftsveranstaltungen) sowie die lange Verfahrens- und Hauptverhandlungsdauer und der dadurch eingetretene Zeitablauf zwischen Tatbeendigung und Verurteilung mildernd berücksichtigt. Ebenso der Umstand, dass zuletzt bis dahin noch offene Beweisanträge und nahezu sämtliche im Verfahren erhobene Widersprüche zurückgenommen wurden, wodurch eine (noch) längere Dauer der Hauptverhandlung vermieden werden konnte.

Über diese, beide Angeklagten berührenden Erwägungen hinausgehend, hat der Senat bei den einzelnen Angeklagten weiter berücksichtigt:

II. Angeklagter G.

Bei dem Angeklagten G. fiel mildernd ins Gewicht, dass seine Indoktrination sehr früh, bereits im Jugendalter einsetzte.

Hinsichtlich des Waffentransports mit H H fiel überdies mildernd ins Gewicht, dass sämtliche Waffen- und Waffenteile, die im Zuge der Kurierfahrt im September 2002 in die Türkei verbracht werden sollten, von den dortigen Sicherheitskräften sichergestellt worden sind. Die von diesem Waffentransport ausgehende Gefährdung war durch die von Anfang an bestehende Überwachung des Vorgangs ausgeschlossen. Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine ernsthafte Gefahr, dass die geschmuggelten Waffen in die Hände der DHKP-C in der Türkei gelangen. Der Senat hat zugunsten des Angeklagten G. auch berücksichtigt, dass sich H H in Abstimmung mit dem MIT gegenüber der Organisation zu einer Kurierfahrt, wenn auch nicht im Sinne einer Tatprovokation, bereit erklärt hat. Hinzu kommt, dass dieser Betätigungsakt nunmehr fast acht Jahre und damit schon erhebliche Zeit zurückliegt.

Mildernd hat der Senat berücksichtigt, dass der Angeklagte G. im September 2003 nach Belgien gegangen ist, wenn auch durch befürchtete Ermittlungen veranlasst und von der Organisation vorbereitet; außerdem, dass er die Mitgliedschaft - von sich aus - vor fast 7 Jahren beendete. Nach seiner Verurteilung zeigten sich mit dem Besuch des Abendgymnasiums und der Arbeitstätigkeit auch positive Ansätze einer Rückkehr in die Gesellschaft.

Zu seinen Gunsten war auch zu berücksichtigen, dass er mit ausländerrechtlichen Folgen rechnen muss; eine (noch nicht bestandskräftige) Ausweisungsverfügung mit Abschiebungsandrohung liegt bereits seit 01. Februar 2010 vor. Dies stellt für den in Deutschland geborenen Angeklagten eine Härte dar; etwas abgemildert würde diese dadurch, dass er die türkische Sprache beherrscht.

Schließlich wurde mildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte G. zur Tatzeit nicht vorbestraft gewesen ist.

Straferschwerend war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte G. im Tatzeitraum über längere Zeit als Führungsfunktionär tätig war und unter seiner Verantwortlichkeit beträchtliche finanzielle Mittel - allein bei der Spendenkampagne 2002 / 2003 in den Gebieten Frankfurt und Mannheim unter seiner Mitwirkung rund 19.000,-- EUR - gesammelt wurden (diesen Umstand berücksichtigte der Senat nur als Betätigungsakt i.R.d. § 129b StGB).

Zu seinen Lasten war schließlich zu berücksichtigen, dass er die vorliegende Tat begangen hat, obwohl ihm bekannt war, dass Strafverfahren gegen ihn anhängig waren. Schließlich entfaltete er auch nach seiner Rückkehr aus Belgien und nach seiner Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe bis zu seiner Festnahme noch einzelne Aktivitäten für die DHKP-C.

Bei nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten G. sprechenden Umstände ist eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren daher tat- und schuldangemessen.

Mit der Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. Oktober 2004 (Az.: 5 OJs 5/00 - 2/02) war - mit der Einsatzstrafe von 4 Jahren - eine nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden. Hierbei berücksichtigte der Senat, dass zwischen dem Ende der dem Urteil vom 21. Oktober 2004 zugrunde liegenden Tat (Februar 1999) und dem Beginn der verfahrensgegenständlichen Tat (30. August 2002) zwar ein Zeitraum von 3 ½ Jahren lag, der Angeklagte G. jedoch auch in diesem mit der DHKP-C verbunden blieb und sich - abgesehen von einer kurzen Phase der Untätigkeit nach dem Aufenthalt als Sekretär bei der Europaverantwortlichen - aktiv als Verantwortlicher der DHKP-C betätigte; der Umstand der zeitlich weit auseinander liegenden Taten relativiert sich dadurch, so dass aus diesem Grund keine deutlichere Erhöhung der Einsatzstrafe geboten ist. Unter nochmaliger Würdigung aller bei der Bemessung der Einzelstrafen berücksichtigten für und gegen den Angeklagten G. sprechenden Umstände, insbesondere auch der inzwischen mehr als 11 Jahre zurückliegenden Tatzeit der dem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 21. Oktober 2004 zugrunde liegenden Tat, erkannte der Senat auf die Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren 10 Monaten.

III. Angeklagter Y.

Innerhalb des Strafrahmens war strafmildernd zu berücksichtigen, dass seine Lebensgeschichte, insbesondere der Beginn seines Jurastudiums, der von dem Militärputsch vom 12. September 1980 und dessen Folgen überschattet war, sowie die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit als Verteidiger in der Türkei zur Kenntnis gelangten Menschenrechtsverletzungen, seine feindselige Haltung gegenüber dem türkischen Staat und seine Ideologie geprägt haben. Der Verlust der bürgerlichen Existenz in der Türkei wiegt für den im Kreise einer bürgerlichen Familie aufgewachsenen Angeklagten Y., der ein Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen und sich als Rechtsanwalt - vor seinem Wechsel in das Rechtsbüro des Volkes in Istanbul - auf den Gebieten des Zivil- und Handelsrechts etabliert hatte, schwer.

Mildernd war weiter zu berücksichtigen, dass der Angeklagte Y. hinsichtlich zahlreicher Betätigungsakte bezüglich der objektiven Tatseite sowie insbesondere hinsichtlich der Kenntnis der gesamten Programmatik der DHKP-C geständig war. Auch liegt das Ende der Tat mehr als 3 ½ Jahre zurück. Der Angeklagte Y. muss außerdem mit dem Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung der von dem Oberlandesgericht Düsseldorf vom 21. Juni 2005 verhängten Freiheitsstrafe rechnen. Schließlich hat er ausländerrechtliche Sanktionen zu befürchten.

Schließlich wurde mildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte Y. hinsichtlich des weit überwiegenden Tatzeitraums nicht vorbestraft war (das Urteil vom 21. Juni 2005 wurde erst am 05. April 2006 rechtskräftig).

Straferschwerend war zu berücksichtigen, dass sich der Angeklagte Y. in Deutschland sogleich nach seiner Einreise für die DHKP-C betätigt hat. Er war über mehrere Jahre hinweg - im Tatzeitraum über mehr als 4 Jahre - als hochrangiger Führungsfunktionär, zuletzt mehr als 3 Jahre in der exponierten Position eines Regionsverantwortlichen tätig. In dieser Zeit hat er beträchtliche Geldmittel - auch für den Transfer in die Türkei - gesammelt. Er hat sich weder durch anhängige Ermittlungsverfahren noch durch die Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe durch das Oberlandesgericht Düsseldorf von der (weiteren) Begehung der vorliegenden Straftat abhalten lassen und schließlich - nach Rechtskraft - die weiteren Tatvorgänge unter Bewährung stehend begangen.

Bei Abwägung aller auch ansonsten für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ist eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren 4 Monaten daher tat- und schuldangemessen.

Eine nachträgliche Gesamtstrafe mit der Strafe aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2005 kam nicht in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass die neue Tat vor der früheren Verurteilung geendet hätte, was nicht der Fall war. Bei der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland handelt es sich um eine Dauerstraftat; diese endete bei dem Angeklagten Y. erst mit seiner Festnahme im November 2006.

Das Mobiltelefon des Angeklagten Y. ist einzuziehen, weil er dieses überwiegend als Empfangshandy für seine Organisationstätigkeit nutzte (§ 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB); von der Einziehung der SIM-Karte S der Senat ab, da diese im Eigentum der Telekom steht.

IV. Keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung

Der Senat hat erwogen, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt. Eine solche ist auszuschließen, weil der Zeitraum zwischen den Verhaftungen Ende November 2006 und der Anklage, die am 07. November 2007 erhoben wurde, angesichts des Gegenstands und des Umfangs des Verfahrens angemessen ist und keine Verzögerungen erkennen lässt. Der Senat hat das Verfahren sodann zeitnah eröffnet und die am 17. März 2008 begonnene Hauptverhandlung zügig geführt. Angesichts des komplexen Prozessstoffes ändert hieran auch die Dauer der Hauptverhandlung bis Juli 2010 nichts.

Fünfter Teil: Kosten

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.