VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.04.2009 - 1 VK 15/09
Fundstelle
openJur 2013, 14855
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Aufhebung der Ausschreibung „Nichtoffenes Vergabeverfahren, Vergabe-Nr. ... der Baumaßnahme Universität ..., Sanierung Bio I., West, 4.BA Teil 1, ..., Gewerk Raumlufttechnik“ rückgängig zu machen und das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzuführen.

2. Der Antragsgegner wird weiter verpflichtet, die Ausschreibung „Verhandlungsverfahren Vergabe-Nr. 09-..., Baumaßnahme Universität ..., Sanierung Bio I., West, 4.BA Teil 1, 70599 ..., Gewerk Raumlufttechnik“ aufzuheben.

3. Der Antragsgegner wird schließlich dazu verpflichtet, die Vollziehung eines eventuellen Auftrags „Demontage“, der jeweils Teil der oben unter 1. und 2. genannten Ausschreibungen ist, einzustellen.

4. Die bei der Vergabekammer angefallenen Verfahrenskosten sowie die der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen hat der Antragsgegner zu tragen. Der Antragsgegner ist jedoch von der Zahlung der bei der Vergabekammer angefallenen Verfahrenskosten befreit.

5. Die bei der Vergabekammer entstandenen Verfahrenskosten werden auf ... € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner, das Land Baden-Württemberg, vertreten durch den ..., hat im Zuge der Baumaßnahme „Sanierung des Biologiegebäudes BIO I West 1. Teil, Gebäude 22.1 und L3/S3, raumlufttechnische sowie mess-und regelungstechnische Arbeiten im nichtoffenen Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben. Als Zuschlagskriterium war der Preis genannt.

Neben einem ebenfalls zur Angebotsabgabe aufgeforderten Wettbewerber hatte auch die Antragstellerin ein Angebot eingereicht. Der Angebotspreis der Antragstellerin belief sich, ohne Berücksichtigung eines 1%-igen Preisnachlasses, auf ... €, der des Mitbewerbers auf ... €.

Mit Schreiben vom 10.3.2009 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass die Ausschreibung aufgehoben werde, da kein Angebot eingegangen sei, das den Ausschreibungsbedingungen entspreche. Es sei beabsichtigt, ein Verhandlungsverfahren ohne Vergabebekanntmachung durchzuführen.

Mit Faxschreiben vom 16.3.2009 rügte die Antragstellerin diese Entscheidung als nicht vergaberechtskonform. Ein Aufhebungsgrund nach § 26 Nr. 1 a) VOB/A bestehe nicht, weil ihr Angebot in jeder Hinsicht den Ausschreibungsbedingungen entspreche. Es wurde um nähere Information über den Aufhebungsgrund gebeten.

Am 17.3.2009 erhielt sie zur Antwort, dass ihr Angebot nicht habe berücksichtigt werden können, da es wesentlich über der sachgerecht erstellten Kostenermittlung liege. Die marktüblichen Preise seien deutlich überschritten.

Mit ihrem am 3.4.2009 eingereichten Nachprüfungsantrag wendet sich die Antragstellerin gegen die Aufhebung und das zwischenzeitlich eingeleitete Verhandlungsverfahren.

Die von ihr angebotenen Preise seien angemessen im Sinne des § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A.

Nach § 16 Nr. 1 VOB/A dürfe ein Auftraggeber eine Leistung erst dann ausschreiben, wenn die Finanzierung der Baumaßnahme gesichert sei, worauf die Bieter vertrauen dürften.

Eine Aufhebung nach § 26 Nr. 1 c) VOB/A komme nur in Betracht, wenn selbst das Mindestangebot als zu hoch befunden werde. Voraussetzung wäre also, dass der Angebotspreis in einem unangemessenen Preis-Leistungsverhältnis stehe, wofür die vergebende Stelle beweispflichtig sei. Das sei der Fall, wenn die Überteuerung „ins Auge springe“. Das sei bei der Antragstellerin nicht der Fall. Deren Angebotspreis unterschreite den Preis der Wettbewerberin um ca. 8 bzw., unter Berücksichtigung des gewährten Nachlasses, um 10%. Es handle sich bei dem von ihr angebotenen Preis um den Marktpreis. Dies ergebe sich aus dem Nachunternehmerangebot zum Untergewerk Regelungstechnik. Aus dem ...-Preisblatt ergebe sich, dass sie mit einem branchenüblichen Zuschlagssatz von 18% gerechnet habe. Dieser beinhalte 2% für die Baustellengemeinkosten, 12% für die allgemeine Geschäftskosten und 4% für Wagnis und Gewinn.

Entspreche ihr Preis nicht der Kostenschätzung, sei die Kostenschätzung falsch.

Auch die Einleitung des Verhandlungsverfahrens sei rechtswidrig.

Gemäß § 3 Nr. 5 a) VOB/A sei ein solches zulässig, wenn bei einem offenen oder nicht offenen Verfahren kein annehmbares Angebot abgegeben worden sei. Das Angebot der Antragstellerin sei aber, wie dargestellt, annehmbar. Da die Vergabeabsicht fortbestehe, könne die Antragstellerin die Aufhebung der Aufhebungsentscheidung und die Fortsetzung des ursprünglichen Vergabeverfahrens fordern.

Der Antragsgegner wolle die Aufhebung, weil er davon ausgehe, dass der Markt für Bauleistungen infolge der vorherrschenden Wirtschaftsflaute von fallenden Preisen geprägt sei. Er dürfe indes nicht in dieser Weise verfahren. § 16 VOB/A gebiete eine Markteinschätzung hinsichtlich des günstigsten Zeitpunkts des Einkaufs von Bauleistungen. § 25 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A diene nicht dem Zweck, die Bauleistung bei fallenden Marktpreisen zu Tagespreisen einzukaufen. Die Antragstellerin werde hierdurch in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt.

Die Antragstellerin beantragt in der Sache:

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Nichtoffene Vergabeverfahren, Vergabe-Nr. 08-08171 der Baumaßnahme Universität ... Sanierung Bio I., West, 4.BA Teil 1, ..., Gewerk Raumlufttechnik, fortzuführen,

das eingeleitete Verhandlungsverfahren Vergabe-Nr. 09-..., Baumaßnahme Universität ..., Sanierung Bio I. West, 4.BA Teil 1, xx, Gewerk Raumlufttechnik, einzustellen,

das Angebot der Antragstellerin im nichtoffenen Verfahren mit der Vergabe-Nr. 08-08171 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu werten.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge der Antragstellerin abzuweisen.

Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass ein Verfahren aufgehoben werden könne, wenn die Angebote unangemessen hoch seien. Das sei der Fall, wenn selbst das Mindestgebot wesentlich über dem Marktpreis liege.

Die Preisprüfung habe ergeben, dass das Angebot der Antragstellerin unangemessen hoch sei. Deren Preis seien verglichen worden mit

- den Preisen der Antragstellerin aus dem 3. Bauabschnitt,- den Grobkosten nach TGA-KO Version 2 Stand September 2006,- der Kostenermittlung der HU Bau 4. BA, Stand Februar 2008 und- den vergleichbaren Positionen eines Angebots vom 25.3.2008 zum vergleichbaren Projekt Nr. 1896.Die Prüfung habe ergeben, dass das Angebot der Antragstellerin

- um ca. 79% von den Kosten des 3. Bauabschnittes,- um ca. 60% von den TGA-KO Grobkosten,- um ca. 58% von der Kostenermittlung der HU Bau 4. BA und- um ca. 52% von den Kosten des Vergleichsprojekts Nr. 1896 abweiche.Auch unter Berücksichtigung der Preisentwicklung verbleibe eine unangemessen hohe Preissteigerung. Die Preisindizes hätten sich wie folgt entwickelt:

- Mai 2005Angebot 3. Bauabschnitt100- August 2006TGA-KO Grobkosten103- Februar 2008HU-Bau 4. BA111,8- November 2008Vergleichsprojekt Nr. Nr. 1896114,6Das Angebot der Antragstellerin liege damit, auch unter Berücksichtigung der Preisentwicklung, um ca. 64 % über den Preisen, die sie im 3. Bauabschnitt angeboten habe, um ca. 49% über der Kostenermittlung der TGA-KO, um ca. 55% über der Kostenermittlung der HU-Bau 4. BA und um ca. 50% über den Preisen des vergleichbaren Auftrags Nr. 1896.

Die Entscheidung zur Aufhebung sei somit sachlich gerechtfertigt.

In Erwiderung hierauf und nach erfolgter Akteneinsicht trägt die Antragstellerin am 27.4.2009 ergänzend vor:

1. Ein Vergleich mit den Angebotspreisen der Antragstellerin aus ihrem Angebot zum Bauabschnitt 3, der Angebotspreis habe dort über ... € gelautet, sei nicht möglich, da sie sich dort um ca. ... € verkalkuliert habe.

Zu jener Ausschreibung habe es eine Kostenschätzung gegeben, die aus dem Jahre 2003 stamme, die mit einem Betrag von ... € ende. Die Leistungen zwischen dem 3. und 4. Bauabschnitt seien allerdings nur teilweise miteinander vergleichbar. Für einen Preisvergleich sei eine Mengenerhöhung von 25% zu berücksichtigen und die seither eingetretene Kostensteigerung, die nach den Ermittlungen des Statistischen Landesamtes für raumlufttechnische Anlagen 24% betrage. Die Schätzsumme belaufe sich somit bereits auf ... €. Dabei sei noch nicht berücksichtigt, dass die ausgeschriebene Leistung besonders materialintensiv sei und die Preise insoweit explosionsartig gestiegen seien.

2. Die Grobkostenschätzung aus dem Jahre 2006 könne nicht zum Vergleich herangezogen werden. Sie erfasse die ausgeschriebenen Leistungen nur zum Teil. So würden hierin die Positionen Demontagearbeiten, besonderen Leistungen und Umluftanlage fehlen, die mit ... €, ... € und ... €, jeweils netto, angeboten worden seien. Ferner sei darin die MSR-Technik mit nur ... € netto enthalten, die die Antragstellerin mit ... € netto angeboten habe. Unter Berücksichtigung dieser Positionen ergebe sich ein Bruttoschätzpreis von ... € mit Stand 2006. Unter Berücksichtigung der Preissteigerungen für raumlufttechnische Anlagen gelange man damit zum Angebotspreis von ca. ... €.

3. Was die Kostenberechnung HU-Bau 4. BA anbelange, könne die Antragstellerin, da die Berechnung auf Anlagenbauteilen aufbaue, und das Einheitspreisangebot auch in den Titeln, nicht nach Anlagenbauteilen differenziere, nicht vergleichen. Ob die Endsumme zutreffend ermittelt worden sei, sei für sie deshalb nicht nachvollziehbar. Allerdings liege nahe, dass die Berechnung falsch sei, da die Grobkostenschätzung, unter Einbeziehung der ausgeschriebenen Leistungen, wie erläutert, höher liege.

4. Was den vom Antragsgegner vorgenommenen Vergleich zwischen den von der Antragstellerin zum 3. Bauabschnitt angebotenen Preisen zu denen aus dem 4. Bauabschnitt anbelange, so weist die Antragstellerin erneut darauf hin, dass sie sich beim Angebot zum 3. Bauabschnitt verkalkuliert habe. Diese falsch kalkulierten Angebotspreise könnten deshalb nicht als Grundlage für die Ermittlung des jetzigen Marktpreises herangezogen werden. Darüber hinaus sei der Preisvergleich fehlerhaft. So würden dort auf Seite 11 der Berechnung Pauschalpreise aus dem Angebot zum 3. Bauabschnitt auf den 4. Bauabschnitt übertragen, obwohl die Ausführungsmenge beim 4. Bauabschnitt signifikant höher sei. Bei der MSR-Technik, die die Antragstellerin mit ... € angeboten habe, werde angenommen dass das Angebot der Antragstellerin 84% über den Schätzkosten liege. Ausweislich des Vergabevermerks aber beabsichtige der Antragsgegner den Auftrag genau zu diesem Preis an die Firma ... zu vergeben. Dies gelte auch für die angeblich überteuert angebotenen Demontagearbeiten, die für ... € vergeben werden sollen, was ebenfalls dem Angebotspreis der Antragstellerin entspreche.

5. Darüber hinaus sei die Wertungsentscheidung als solche vergaberechtswidrig.

a) Die Aufhebung sei ausweislich des Vergabevermerks mit der Begründung erfolgt, dass Zweifel an der Angemessenheit des Preises bestünden. Möglicherweise bestehende Zweifel als solche würden jedoch eine Aufhebung nicht rechtfertigen, lediglich die Feststellung eines unangemessen hohen Angebotspreises.

b) Eine Angebotsaufhebung komme nicht in Betracht, wenn nur Einzelpreise als überhöht angesehen würden, wie sich dem Vergabevermerk entnehmen lasse. Maßgebend für die Preisbeurteilung sei der Gesamtpreis.

c) Ferner seien die Kostenschätzungen des Antragsgegners nicht brauchbar, da sie Massenmehrungen und erhebliche Preissteigerungen nicht berücksichtigen würden.

d) Die Entscheidung sei weiter deshalb vergaberechtswidrig, weil ihr eine unzutreffende Entscheidungsgrundlage zugrunde liege. Soweit ausgeführt werde, dass eine Preissteigerung gegenüber dem Angebotspreis zum 3. Bauabschnitt von 15 bis 20% noch im Rahmen gelegen hätte, werde unzutreffend der Baupreisindex ins Verhältnis der Preissteigerung gesetzt. Die explosionsartig gestiegenen Energie-und Materialpreise sowie die im besonderen Maße gestiegenen Preise für raumlufttechnische Anlagen hätten berücksichtigt werden müssen.

e) Schließlich sei die Preisprüfung unvollständig. Das von der Firma ... zu Vergleichszwecken eingeholte Angebot, das wohl mit ... € ende, hätte auf seine Marktangemessenheit in Bezug auf die bis Herbst 2008 eingetretenen Preissteigerungen untersucht werden müssen.

6. Die Durchführung des Verhandlungsverfahrens und der vorgesehenen freihändigen Vergabe der MSR-Technik sei vergaberechtswidrig.

Der Angebotspreis der Firma ... vermöge nicht zu verwundern. Der Höhepunkt der Preisentwicklung sei im Oktober 2008 erreicht worden. Das Angebot der Firma ... stamme vermutlich von Januar/Februar 2009. Im Bereich der Energie-und Materialkosten seien zwischenzeitlich nach unten gerichtete Preisdifferenzen von 50 bis 100% eingetreten. Die Auftragseingänge im Bereich des Hochbaus seien von Januar bis Februar um 27% gefallen. Die Firma ... sei als Automobilzulieferer in erheblichem Maße unter Druck geraten. Die Einbeziehung der Firma ... in den Wettbewerb sei zudem vergaberechtswidrig, da sie nicht am vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb, bei dem die Eignung geprüft worden sei, teilgenommen habe.

Die Aufspaltung des Leistungsanteils MSR-Technik und Demontagearbeiten sei ebenfalls vergaberechtswidrig. Hinsichtlich des Gewerks MSR-Technik soll die Firma ... beauftragt werden, die die Antragstellerin von diesem Unternehmen zum Netto-Preis von ... € angeboten erhalten habe. Der Antragsgegner wolle nun dieses Unternehmen freihändig beauftragen, um Zuschlagssätze zu sparen. Die nachträgliche Aufteilung in Fach-und Teillose sei vergaberechtswidrig. Die Preisausforschung geradezu unlauter.

Die Antragstellerin beantragte ergänzend,

das Angebot der Firma ... aus dem Wettbewerb über die ausgeschriebenen Leistungen auszuschließen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und wegen der Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die vorgelegten Vergabeakten waren Gegenstand des Verfahrens.

In der mündlichen Verhandlung vom 29.4.2009 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. In dieser stellte die Antragstellerin, nachdem der Antragsgegner auf Frage, ob es zutreffe, dass die Demontagearbeiten bereits ausgeführt werden, keine schlüssige Antwort gab, den ergänzenden Antrag,

anzuordnen, die Vollziehung des Auftrags Demontage einzustellen.

Der Antragsgegner trat auch diesem Antrag und dem im Schriftsatz vom 27.4.2009 ergänzend gestellten Antrag entgegen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist, soweit der Antragsteller geltend macht, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens und die Einleitung des anschließenden Verhandlungsverfahrens gegen Vergaberecht verstoße, zulässig und begründet. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Antrag auch wegen der sonst noch behaupteten Vergabeverstößen zulässig und begründet ist.

1. Der Antrag ist wegen des von der Antragstellerin verfolgten Hauptziels zulässig.

Die angerufene Vergabekammer ist zuständig (§ 104 Abs. 1 GWB i.V. mit § 1 VNPVO, § 98 Nr. 1 GWB sowie §§ 102 und 99 Abs. 3 GWB).

Der Schwellenwert nach § 2 Nr. 4 VgV ist überschritten.

Die Antragstellerin hat ausreichend dargelegt, dass sie ein Interesse am Auftrag hat und dass ihr durch Nichtbeachten von Vergabevorschriften ein Schaden drohe.

Auch ihrer Rügeverpflichtung nach § 107 Abs. 3 GWB ist sie zu diesen Punkten mit ihrem Schreiben vom 16.3.2009 nachgekommen.

2. Der Antrag ist insoweit auch begründet.

Nach § 26 Nr. 1 lit. a) VOB/A kann eine Ausschreibung aufgehoben werden, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht. Hiervon wird auch ausgegangen, wenn die eingegangenen Angebote wegen unangemessen hoher Preise gem. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A keine Berücksichtigung finden können (Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/, Teil A, § 26 Rdn. 20).

Die Kammer gelangt indes zum Ergebnis, dass das Angebot der Antragstellerin keinen unangemessen hohen Preis aufweist.

Ein unangemessen hoher Preis liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung in einem erheblichen Missverhältnis stehen. Es ist zu prüfen, ob -in Relation zur angebotenen Leistung -der verlangte Gesamtpreis nicht nur übersetzt, sondern erheblich übersetzt ist (Ingenstau/Korbion/Kratzenberg, 15. Aufl., § 25 VOB/A Rdn. 62). Die Abweichung vom angemessenen Preis muss ohne weiteres ins Auge fallen. Dabei ging das Oberlandesgericht Thüringen in einem Fall, in dem die Abweichung ca. 20% betrug, davon aus, dass dies für die Annahme eines groben Missverhältnisses jedenfalls noch nicht ausreiche (Beschluss vom 15.12.1999, 6 Verg 3/99).

Die vom Antragsgegner herangezogenen Schätzungen und Vergleichsberechnungen vermögen nicht zu belegen, dass das Angebot der Antragstellerin einen unangemessen hohen Preis aufweist.

a) Völlig ungeeignet ist hierbei der Vergleich mit den Angebotspreisen des Bauvorhabens 1896, auf das unter anderem im Vergabevorschlag abgehoben wird und auf das sich der Antragsgegner im vorliegenden Nachprüfungsverfahren beruft. Hier betrug der Anteil der Summe der Einzelpreise aus dem Angebot der Antragstellerin, die dem Vergleichsobjekt gegenübergestellt wurden, noch nicht einmal 10%. Dies ist keinesfalls repräsentativ für das Gesamtangebot, kann somit nicht dem Nachweis dienen, dass das Angebot der Antragstellerin insgesamt überteuert ist.

b) Auch die, wie der Vergabevermerk ausweist, aus dem Jahre 2006 stammende Grobkostenschätzung, die ausweislich des Vergabevermerks mit als Grundlage für die Entscheidungsfindung diente, kann nicht als verlässliche Grundlage verwendet werden. Abgesehen davon, dass sie ebenfalls nicht den vollen Umfang der zu erbringenden Leistungen abdeckt, wie die mündliche Verhandlung ergab, nämlich nur ca. ... Mio. brutto der Angebotssumme, weist sie auch einen gravierenden inhaltlichen Fehler aus. So hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass die MSR-Technik nur mit ... €, netto, somit ... € brutto in Ansatz gebracht wurde. Die jetzt im Verhandlungsverfahren abgegebenen Angebote belegen indes, dass die Angebotspreise für diesen Angebotsteil im Mittel bei ... € brutto lagen. Und der Antragstellerin war sie im Herbst 2008 zu Hochpreiszeiten vom Hersteller zum Nettopreis von ... €, somit ... € brutto angeboten worden.

c) Auch die Aufstellung, mit der der Antragsgegner die Preiserhöhung zwischen dem Angebot der Antragstellerin aus dem 3. Bauabschnitt mit dem aktuellen Angebot zum 4. Bauabschnitt vergleicht, kann im Ergebnis nicht als Beweis dafür herangezogen werden, dass die jetzigen Preise überproportional erhöht sind. Der Antragsgegner gelangt durch Prüfung vergleichbarer Einzelpositionen zum Ergebnis, dass der jetzige Angebotspreis um 79% höher liege als der, der zum 3. Bauabschnitt abgegeben worden sei. Er errechnet, dass im alten Angebot die vergleichbaren Positionen, die beim jetzigen Angebot ... € brutto ausmachen, damals zum Preis von ... € brutto angeboten worden seien. Auch diese Aufstellung leidet zunächst daran, dass nur bezüglich eines Angebotsteils festgestellt wurde, dass und um wie viel Prozentpunkte sich der Angebotspreis erhöht hat. In ähnlichem Umfang wie bei der Grobschätzung wird zudem auch hier die MSR-Anlage mit falschen Beträgen angesetzt, nämlich mit nur ... € netto (... € brutto) statt mit ... € netto (... brutto). Hinzu kommt, wie die Antragstellerin zutreffend ausführt, dass der Antragsgegner angenommen hat, dass beim Angebot zum 4. Bauabschnitt die gleichen Pauschalsummen anzusetzen seien, wie beim 3. Bauabschnitt. Es wurde nicht berücksichtigt, dass der 4. Bauabschnitt gegenüber dem Bauabschnitt 3 einen deutlich höheren Leistungsumfang zum Gegenstand hat. In der mündlichen Verhandlung wurde festgestellt, dass dieser bei ca. 25% liegen dürfte. In der Regel dürften sich aber die Leistungen, die pauschal abgerechnet werden entsprechen erhöhen und damit auch der hierfür anzusetzende Preis. Wenn man die Vergleichsberechnung mit dem Endbetrag von ... € brutto um die Fehler bereinigt, die zwischenzeitliche Preissteigerung von ca. 15% berücksichtigt und dem sich dann ergebenden Betrag die Differenz zwischen den nicht verglichenen Positionen von ... und ... € brutto hinzurechnet, gelangt man zu einem Angebotspreis, der bei ... Mio. € zu liegen kommt. Lediglich dann, wenn man zugunsten des Antragsgegners unterstellt, dass seine Annahme zutrifft, dass der Differenzbetrag nur zum Teil berücksichtigt werden darf, weil auch er um 79% höher liegt, entsprechend den vergleichbaren Positionen, läge der Angebotspreis nach der Vergleichsberechnung unter 3 Mio. € brutto. Das wiederum sähe wieder anders aus, wenn die Behauptung der Antragstellerin zuträfe, was sie nicht nachgewiesen hat, dass ihr Angebot zum 3. Bauabschnitt um ... € unterkalkuliert gewesen sei Ob diese nicht nachgewiesene Behauptung zutrifft, braucht die Kammer indes nicht zu prüfen.

d) Nach Auffassung der Kammer nämlich spiegeln die jetzt im Rahmen des Verhandlungsverfahrens abgegebenen Angebote die gegenwärtigen Marktpreise wieder. Es handelt sich um fünf Angebote, also eine ausreichend hohe Zahl von Angeboten, die es erlauben, von repräsentativen Preisen ausgehen zu können. Lässt man das preisgünstigste und das teuerste Angebot außer Betracht, ergibt sich ein mittlerer und damit angemessener Marktpreis, der bei ... € brutto liegt. Dabei wurde noch nicht einmal berücksichtigt, dass die maßgebenden Rohstoff-und Energiepreise seit Abgabe des Angebots durch die Antragstellerin gegenüber dem Zeitpunkt zu dem die Angebote im Verhandlungsverfahren abgegeben wurden deutlich gesunken sind. Außerdem ist der Kammer aus vergleichbaren Verfahren bekannt, dass inzwischen eine völlig andere Wettbewerbssituation besteht. Deutlich wird dies beispielsweise an den Preisen des Herstellers der MSR-Anlagenteile. Der Angebotspreis der Antragstellerin betrug, unter Berücksichtigung des 1%igen Nachlasses, ... €. Er liegt somit gerade rund 16% über dem mittleren Marktpreis. Im Hinblick hierauf kann man, auch unter Berücksichtigung des dem Antragsgegner zustehenden Beurteilungsspielraums, nicht zum Ergebnis gelangen, dass Leistung und Gegenleistung in einem groben Missverhältnis zueinander stehen. Es mag sich bei dem Angebot der Antragstellerin um ein teures Angebot handeln, es ist aber nicht erheblich überteuert. Preise, die ca.16% über einem Durchschnittspreis liegen, sind noch marktüblich. Im Hinblick darauf, dass die im Rahmen des jetzigen Verhandlungsverfahrens abgegebenen Angebote als sichere Grundlage für den gegenwärtigen Marktpreis herangezogen werden können, braucht die Kammer auch nicht weiter zu untersuchen, ob die Zahlen der vom Antragsgegner für den 4. Bauabschnitt erstellten HU-Bau zutreffen oder ob die von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung übergebene HU-Bau die korrekten Berechnungen enthält.

Es bleibt festzuhalten, dass der Preis von ... €, den die Antragstellerin angeboten hat, nicht als unangemessen hoch im Sinne des § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A betrachtet werden kann. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Verfahrens gem. 26 Nr. 1 c VOB/A unter dem Gesichtspunkt unangemessen hoher Preise waren nicht gegeben. Dementsprechend ist der Antragsgegner zu verpflichten, das aufgehobene Nichtoffene Verfahren fortzuführen. Damit verstößt auch das inzwischen eingeleitete Verhandlungsverfahren, das zum Ziel hat, die gleiche Leistung in diesem neuen Verfahren zu vergeben, gegen Vergaberecht. Der Antragsgegner ist deshalb weiter zu verpflichten, dieses Verhandlungsverfahren aufzuheben.

3. Nachdem vom Antragsgegner in dieser Weise zu verfahren ist, braucht die Kammer auf die weiter geltend gemachten Vergabeverstöße nicht mehr einzugehen. Sie braucht insbesondere auch nicht zu prüfen, ob der Antrag zulässig und begründet wäre, soweit die Antragstellerin geltend macht, dass das Angebot der Firma ... aus dem Verhandlungsverfahren auszuschließen sei oder dass die Aufspaltung der Leistung im Rahmen des Verhandlungsverfahrens gegen Vergaberecht verstoße.

4. Dem weiteren Antrag der Antragstellerin, anzuordnen, die Vollziehung des Auftrags Demontage einzustellen, ist stattzugeben.

Sind die Rechte eines Antragstellers auf andere Weise als durch Zuschlag gefährdet, kann die Kammer auf besonderen Antrag mit weiteren vorläufigen Maßnahmen in das Vergabeverfahren eingreifen (§ 115 Abs. 3 GWB).

Vorliegend wäre der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch auf Berücksichtigung ihres Angebots im ursprünglichen Vergabeverfahren gefährdet, wenn der Antragsgegner Teilleistungen, die dieser Ausschreibung zugrunde liegen, von dritten Unternehmen bereits ausführen lässt. Damit würden Fakten geschaffen. Der Antragstellerin wäre es, wenn diese erledigt sind, nicht mehr möglich, diese Leistung zu erbringen.

Aufgrund der ausweichenden Antworten des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung ist zu vermuten, dass insoweit ein Teilauftrag erfolgte und die Arbeiten ausgeführt werden.

Diese Leistungen, werden sie ausgeführt, wären nicht wirksam beauftragt worden. Ein entsprechender Auftrag wäre nach § 13 VgV, ggf. auch nach § 115 Abs. 1 in Verbindung mit § 134 BGB, nichtig. Eine Information nach § 13 VgV über die beabsichtigte Vergabe ist in dem laufenden Verhandlungsverfahren der Antragstellerin nicht zugegangen. Den vorgelegten Vergabeakten lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass entsprechende Informationen erteilt wurden. Deshalb wäre ein Vertrag, mit dem die Demontage-arbeiten in Auftrag gegeben wurden, gem. § 13 VgV unwirksam. Darauf, dass der Auftragsteil dem 20%-Kontingent des § 2 Nr. 7 VgV zugeordnet wurde, hat sich der Antragsgegner nicht berufen. Hinweise hierauf finden sich auch nicht in den Vergabeakten. Ob der Vertrag daneben auch wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz gem. §§ 134 BGB, 115 Abs. 1 GWB nichtig wäre, konnte die Kammer nicht klären. Weder ergibt sich aus den vorgelegten Vergabeakten, ob der Auftrag vor oder nach Zustellung des Nachprüfungsantrags erteilt wurde noch machte der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung hierzu Angaben. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da der entsprechende Vertrag bereits nach § 13 VgV nichtig wäre.

Bei der Entscheidung über die Anordnung zwischen dem öffentlichen Interesse, dass die Arbeiten fortgeführt und zum Abschluss gebracht werden und dem privaten Interesse der Antragstellerin ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in § 97 Abs. 7 GWB einen subjektiven Anspruch des Bieters auf Einhaltung der Vergabevorschriften verankert hat. Würde die Kammer dem Antrag auf Anordnung der Einstellung der Arbeiten nicht entsprechen, würde dieser Anspruch, das Vorliegen von Vergabefehlern unterstellt, endgültig zunichte gemacht. Dem Antragsteller bliebe nur die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen. Aus dem folgt, dass einem Antrag nur dann nicht zu folgen ist, wenn dass Interesse der Vergabestelle und der Allgemeinheit von besonderem Gewicht ist. Hierzu hat der Antragsgegner nichts vorgetragen, hierzu findet sich auch nichts in den vorgelegten Vergabeakten. Auch der Umstand, dass die Kammer dahin gelangt, dass dem Nachprüfungsantrag stattzugeben ist, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist, ist bei der Gesamtabwägung mit zu berücksichtigen, so dass die Kammer letztlich zum Ergebnis kommt, dass der Antragsgegner fürsorglich dazu zu verpflichten ist, die Vollziehung des Auftrags zu den Demontagearbeiten einzustellen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 und 4 GWB.

Die Gebührenbefreiung für die Antragsgegnerin ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG.

Der Ansatz der Gebühr beruht auf § 128 Abs. 1 GWB, §§ 3, 9 und 14 VwKostG. Ausgehend vom Gebührenrahmen des § 128 Abs. 2 GWB, dem personellen und wirtschaftlichen Aufwand, vor allem aber unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung für die Beteiligten, wird eine Gebühr von ... € als angemessen festgesetzt.