BGH, Beschluss vom 21.11.2000 - VIII ZB 11/00
Fundstelle
openJur 2010, 3943
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des 15. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 18. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 16.823,--DM

Gründe

I.

Gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts hat die Klägerin fristgerecht mit am 5. November 1999 beim Kammergericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Am 22. Dezember 1999 hat sie die Berufungsbegründung beim Berufungsgericht eingereicht und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Hierzu hat sie unter Vorlage einer Versicherung an Eides Statt vorgetragen, die bei ihren Prozeßbevollmächtigten beschäftigte Mitarbeiterin V. sei angewiesen, die bei der täglich eingehenden Post anfallenden Fristen im zentralen Fristenbuch und auf dem eingegangenen Schriftstück zu notieren. Nach Notierung aller Fristen habe sie die Post dem zuständigen Rechtsanwalt vorzulegen, der die Post daraufhin kontrolliere, ob alle Fristen notiert und ob die Fristenberechnung richtig durchgeführt worden seien. Auf die Durchschrift des Berufungsschriftsatzes notiere sie den vermutlichen Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, der auch im zentralen Fristenbuch von ihr eingetragen werde. Teile das Berufungsgericht das Datum der Rechtsmitteleinlegung mit, kontrolliere sie dann, ob das mitgeteilte Datum dem von ihr im Fristenbuch bereits eingetragenen entspricht. Im vorliegenden Fall habe die Mitarbeiterin V. aus nicht nachvollziehbaren Gründen den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zwar auf dem in der Akte abgehefteten Berufungsschriftsatz richtig für den 6. Dezember 1999, im Fristenbuch dagegen für den 16. Dezember 1999 notiert.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es fehle schon jeglicher Vortrag zu Alter, Ausbildung und Qualifikation, insbesondere Berufserfahrung der Mitarbeiterin V. . Zudem enthalte der Wiedereinsetzungsantrag nichts zur Kontrolle der Tätigkeit der Mitarbeiterin. Es sei nicht vorgetragen, ob die Einhaltung der allgemeinen Weisung, die Eintragung des Fristenlaufs mit der gerichtlichen Mitteilung über den Eingang der Berufungsschrift zu vergleichen, sichergestellt sei, etwa durch einen Fertigungsvermerk in der Handakte und/oder im Fristenkalender. Ohne eine solche Anordnung sei es praktisch unmöglich, zumindest stichprobenartig zu überprüfen, ob der allgemeinen Anweisung regelmäßig Folge geleistet werde und ob die Mitarbeiterin in diesem Punkt zuverlässig sei.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die Berufung ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet wurde. Diese Frist lief am Montag, den 6. Dezember 1999 ab (§ 519 II 2 ZPO).

2.

Auch die Ablehnung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Was die Klägerin zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs geltend gemacht hat, räumt ein Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten an der Fristversäumung (§ 233 ZPO) nicht aus. Dieses Verschulden muß sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO anrechnen lassen. Der Rechtsanwalt der Klägerin hat es -wie das Berufungsgericht zur Recht ausgeführt hat -versäumt, Vorsorge dafür zu treffen, daß die Einhaltung seiner allgemeinen Anweisung, nach Eingang der Mitteilung des Gerichts über das Eingangsdatum der Berufungsschrift das im Fristenkalender vorläufig eingetragene Ende der Berufungsbegründungfrist zu kontrollieren und eventuell zu korrigieren, überwacht wird.

a) Zwar kann der Rechtsanwalt die Führung des Fristenkalenders und auch die Berechnung der üblichen, in seiner Praxis häufig vorkommenden Fristen seinem Büropersonal überlassen. Dies setzt aber voraus, daß die mit dem Fristenwesen insoweit betrauten Mitarbeiter gut ausgebildet sind und sorgfältig überwacht werden (ständige Rechtsprechung seit BGHZ 43, 148, 149 f.). Eine solche Überwachung ist auch bei eingearbeitetem, als zuverlässig und ausreichend befähigt bekanntem Personal wenigstens in unregelmäßigen Abständen erforderlich (BGH, Urteil vom 30. November 1983 -IVb ZB 63/83, VersR 1984, 166 unter 3. a m.w.N.).

b) Im Vorbringen der Klägerin zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages werden keine büroorganisatorischen Vorkehrungen genannt, nach denen wenigstens stichprobenartig zu überprüfen ist, ob die mit dem Fristenwesen betrauten Mitarbeiter nach Eingang der Mitteilung des Gerichts über das Eingangsdatum der Berufungsschrift das im Fristenkalender vorläufig eingetragene Ende der Berufungsbegründungsfrist tatsächlich anweisungsgemäß kontrollieren und eventuell korrigieren. Der Rechtsanwalt muß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes durch büroorganisatorische Maßnahmen sicherstellen, daß die vor oder bei der Einlegung der Berufung im Fristenkalender eingetragene Berufungsbegründungsfrist bei Eingang der gerichtlichen Mitteilung über das Eingangsdatum der Berufungsschrift überprüft und nötigenfalls berichtigt wird (BGH, Urteile vom 9. Dezember 1993 -IX ZB 70/93, NJW 1994, 458 unter II 2, und vom 13. Juni 1996 -VII ZB 7/97, NJW 1996, 2514 unter II 2 b, jew. m.w.N.). Zwar kann der Rechtsanwalt dieser Verpflichtung -wie hier -durch allgemeine Anweisung an das mit dem Fristenwesen betraute Büropersonal nachkommen. Die zumindest stichprobenartige Überwachung selbst eines zuverlässigen Personals muß jedoch gewährleistet sein. Dazu hat die Klägerin nichts vorgetragen.

c) Es ist nicht ausgeschlossen, daß das Fehlen einer Überwachung für das Fristversäumnis ursächlich war. Eine stichprobenartige Kontrolle hätte die Mitarbeiterin insgesamt zu größerer Sorgfalt bei der Wahrnehmung ihrer einschlägigen Aufgabe angehalten (vgl. BGH, Beschluß vom 21. September 2000 -IX ZB 67/00 noch unveröffentlicht).

3. Soweit die Klägerin in der Beschwerdebegründung nunmehr vorgetragen hat, die gesonderte Kontrolle der vorläufigen Fristennotierung nach Absendung des Berufungsschriftsatzes werde nach Erhalt der Bestätigung des Eingangs der Berufung durch einen entsprechenden Vermerk der Mitarbeiterin V. auf dieser Bestätigung dokumentiert, rechtfertigt dies keine andere Betrachtungsweise. Dieses Vorbringen besagt nichts für eine stichprobenartige Überwachung der Tätigkeit der Mitarbeiterin durch den Anwalt.