VG Karlsruhe, Urteil vom 14.05.2002 - 11 K 3109/01
Fundstelle
openJur 2013, 12201
  • Rkr:

Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt keine Änderung der Rechtslage iSd § 51 Abs 1 Nr 1 VwVfG dar.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, eine türkische Staatsangehörige, die im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung ist, begehrt die Gewährung von Landeserziehungsgeld für ihre am 15.09.1998 geborene Tochter xxx.

Mit Bescheiden der Beklagten vom 05.10.1998 und 20.10.1999 erhielt die Klägerin im Rahmen der Familienförderung Bundeserziehungsgeld von jeweils 600 DM für die ersten 24 Lebensmonate ihrer Tochter. Unter dem 22.08.2000 beantragte sie für das dritte Lebensjahr des Kindes die Gewährung von Landeserziehungsgeld. Mit Bescheid vom 28.08.2000 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass nach den Richtlinien "Landeserziehungsgeld" diese Leistungen nur erhalte, wer u.a. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitze. Diese Voraussetzung werde weder von der Klägerin noch von ihrem Ehemann oder dem leistungsberechtigten Kind erfüllt. Der Bescheid enthält im Original folgendem Stempel: "XXX, A. 29.08.00". Er wurde mit einfachem Brief zur Post gegeben.

Am 06.02.2001 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf die beantragte Einbürgerung ihrer Tochter erneut die Gewährung von Landeserziehungsgeld. Mit Bescheid vom 09.04.2001 nahm die Beklagte den Bescheid vom 28.08.2000 zurück. Der Klägerin wurde für die Zeit vom 31. bis zum 36. Lebensmonat ihrer Tochter Landeserziehungsgeld in Höhe von DM 2.387 gewährt. In der Begründung hieß es u.a., die Anspruchsvoraussetzungen seien ab dem Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde an die Tochter am 16.03.2001 erfüllt. Die Entscheidung über den Zeitraum vor der Einbürgerung erfolge zu einem späteren Zeitpunkt. Gegen den Bescheid der Beklagten vom 09.04.2001 erhob die Klägerin am 20.04.2001 Widerspruch. Mit weiterem Bescheid vom 01.06.2001 lehnte die Beklagte den Antrag auf Landeserziehungsgeld für die Zeit vom 15.09.2000 bis zum 15.03.2001 ab. Im Bescheid hieß es u.a., aufgrund der vorliegenden Rechtsprechung habe sich die Rechtslage im Sinne von § 51 Abs.1 Nr.1 LVwVfG nicht geändert. Des weiteren sei davon auszugehen, dass das Landeserziehungsgeld keine Familienleistung im Sinne des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 3/80 sei. Antragsteller, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besäßen, hätten daher auch unter Berücksichtigung des Assoziationsratsbeschlusses keinen Anspruch auf Landeserziehungsgeld. Somit bestehe für die Zeit vor der Einbürgerung des Kindes kein Anspruch.

Den dagegen erneut von der Klägerin am 03.07.2001 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2001 zurück. In der Begründung hieß es im Wesentlichen, der erneute Landeserziehungsgeldantrag der Klägerin vom 06.02.2001 sei als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 51 LVwVfG gewertet worden. Vorliegend sei zur Erfüllung des § 51 LVwVfG lediglich für die Zeit ab Wirksamkeit der Einbürgerung des Kindes eine Änderung der Sachlage eingetreten. Für die Zeit vor Wirksamkeit der Einbürgerung am 16.03.2001 komme keiner der Wiederaufnahmegründe in Betracht, insbesondere liege keine Änderung der Sach- oder Rechtslage vor. Eine Änderung der Rechtslage ergebe sich auch dann nicht, wenn sich nachträglich die Rechtsprechung ändere. Im Übrigen liege bislang keine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 04.05.1999 in der Sache Sürül zum Kindergeldrecht sei im Ablehnungsbescheid vom 28.08.2000 bereits berücksichtigt worden. Auch hinsichtlich der Frage, ob es sich beim Landeserziehungsgeld überhaupt um eine Familienleistung im Sinne von Art.4 h ARB Nr.3/80 handele, sei derzeit noch keine höchstrichterliche Änderung der Rechtsprechung eingetreten. Die Frage sei im Revisionsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin anhängig. Auch ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne nach §§ 48, 49 LVwVfG sei nicht gegeben. Das Interesse der Klägerin an einer (Nach)-Zahlung von Landeserziehungsgeld müsse gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit und des Landes Baden-Württemberg an der Bestandskraft der damaligen Entscheidung zurückstehen. Würde die Behörde rückwirkend eine große Zahl von Landeserziehungsgeldanträgen bewilligen, würde auf die ohnehin stark belasteten öffentlichen Haushalte eine Fülle von Mehrausgaben zukommen. Die individuellen Rechte der Klägerin würden dadurch nicht beschnitten, da für sie nach Erlass des ersten Ablehnungsbescheides die Möglichkeit bestanden habe, Widerspruch zu erheben. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 24.10.2001 zugestellt.

Am 26.11.2001, einem Montag, hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 LVwVfG seien gegeben. Die Rechtslage habe sich nachträglich zu ihren Gunsten geändert. Es lägen zumindest die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne gemäß §§ 48, 49 LVwVfG vor. Ihr Interesse an der Leistung von Landeserziehungsgeld überwiege, zumal die Behörde mit ihrer ursprünglichen Entscheidung sogar gegen das Grundgesetz (Art. 3 GG) verstoßen habe. Die Differenzierung nur aufgrund der Staatsangehörigkeit verstoße zumindest gegen Art.3 Abs.1 ARB Nr.3/80.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 01.06.2001 und ihres Widerspruchsbescheides vom 15.10.2001 zu verpflichten, über ihren Antrag vom 06.02.2001 auf Gewährung von Landeserziehungsgeld nach der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Bescheide für rechtens und verweist auf die den Bescheiden zugrunde liegenden Ausführungen. Ergänzend trägt sie vor, auch unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 06.12.2001 (Az.:  3 C 27.01) lägen die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vor. Die geänderte obergerichtliche Rechtsprechung stelle keine Änderung der Rechtslage dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte und die die Klägerin betreffende Akte der Beklagten verwiesen (§ 117 Abs.3 S.2 VwGO); ihr Inhalt war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 25.02.2002 und 11.03.2002 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Gründe

Aufgrund entsprechenden Einverständnisses der Beteiligten konnte das Gericht durch den Berichterstatter entscheiden (vgl. § 87 a Abs.2, Abs.3 VwGO).

Die zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 74 VwGO) erhobene Verpflichtungsklage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 01.06.2001 und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid vom 15.10.2001 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs.5 VwGO).

Streitgegenständlich ist allein der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Landeserziehungsgeld für die Zeit vom 15.09.2000 bis zum 15.03.2001. Für die Zeit ab Einbürgerung der Tochter xxx am 16.03.2001 ist der Klägerin mit Bescheid vom 09.04.2001 die begehrte Leistung gewährt worden.

Davon ausgehend hat die Behörde für den streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 16.03.2001 keine erneute Sachentscheidung über den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Landeserziehungsgeld getroffen, so dass kein anfechtbarer sog. Zweitbescheid vorliegt, aufgrund dessen eine erneute sachliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der teilweisen Ablehnung des Antrags der Klägerin durch das Verwaltungsgericht möglich wäre (1.). Darüber hinaus hat die Klägerin weder einen Rechtsanspruch auf Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens (2. und 3.) noch kann sie beanspruchen, dass die Behörde unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über ihren Antrag entscheidet (4.).

1.

Im Falle einer - wie hier - vom Bürger begehrten Änderung eines unanfechtbar gewordenen Verwaltungsaktes ist das Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne nach § 51 LVwVfG von dem Wiederaufgreifen im weiteren Sinne, welches unabhängig vom Vorliegen spezieller Wiederaufgreifensgründe erfolgen kann, aber grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde liegt, und zwar auch dann, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, zu unterscheiden (Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 51 Rd.Nr.8). § 51 LVwVfG gibt dem durch einen unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakt in seinen Rechten Betroffenen unter den dort genannten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf erneute Eröffnung des bereits abgeschlossenen Verfahrens mit dem Ziel einer erneuten abschließenden Entscheidung. Daneben bleibt nach der ausdrücklichen Regelung des § 51 Abs.5 LVwVfG die parallel dazu bestehende Anwendbarkeit der §§ 48 ff. LVwVfG unberührt, die dem Betroffenen gegen die Behörde einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens bei der Entscheidung über die Rücknahme bzw. den Widerruf eines Verwaltungsaktes bzw. im Ausnahmefall einer Ermessensreduktion auf null einen Rechtsanspruch auf Rücknahme bzw. Widerruf gewähren. Diese unterschiedlichen "Ansprüche" des Bürgers werden ergänzt durch die Möglichkeit der Behörde zum Erlass eines sog. Zweitbescheids. Die Verwaltung ist nach herrschender Meinung befugt, über einen durch unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakt beschiedenen Anspruch erneut in der Sache zu entscheiden und dadurch grundsätzlich den Verwaltungsrechtsweg wieder zu eröffnen (BVerwGE 13, 99; 17, 256; 35, 234; 39, 231; 44, 333; 53, 12). Mit einer solchen Zweitentscheidung begibt sich die Behörde der Möglichkeit, sich auf die Unanfechtbarkeit des ersten Verwaltungsakts zu berufen. Dagegen begründet ein lediglich wiederholender Hinweis auf einen früheren Bescheid keinen anfechtbaren Verwaltungsakt in der Sache, sondern eröffnet eine erneute gerichtliche Überprüfung nur  hinsichtlich der inzidenten Ablehnung, das abgeschlossene Verfahren wieder aufzugreifen.

Davon ausgehend hat die Behörde für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 15.09.2000 bis zum 15.03.2001 keine neue Sachentscheidung getroffen und damit die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Gewährung von Landeserziehungsgeld von sich aus nicht ermöglicht. Dies ergibt sich bei einer Gesamtschau der Änderungsbescheide vom 09.04.2001 und vom 01.06.2001. Zwar hat die Behörde nach dem Wortlaut des Bescheides vom 09.04.2001 ihren ursprünglichen Bescheid vom 28.08.2000, mit dem der erstmalige Antrag der Klägerin auf Landeserziehungsgeld bestandskräftig abgelehnt wurde, zurückgenommen. Aus den Ausführungen im Bescheid vom 09.04.2001 ergibt sich jedoch bei einer sinnorientierten Auslegung, dass der Bescheid vom 28.08.2000 nicht insgesamt, sondern lediglich für den Zeitraum ab dem 16.03.2001 zurückgenommen wurde. Denn die Behörde gewährte der Klägerin lediglich für diesen Zeitraum ab 16.03.2001 Landeserziehungsgeld und führte darüber hinaus aus, die Entscheidung über die Gewährung von Landeserziehungsgeld für den Zeitraum vor der Einbürgerung erfolge zu einem späteren Zeitpunkt. Damit hat die Behörde ausreichend zum Ausdruck gebracht, dass Regelungsinhalt des Bescheides vom 09.04.2001 ausschließlich der Zeitraum ab Aushändigung der Einbürgerungsurkunde am 16.03.2001 ist. Fehlt es vor diesem Hintergrund an einer Entscheidung sowohl über das Wiederaufgreifen als auch in der Sache für den Zeitraum vom 15.09.2000 bis zum 15.03.2001, so bestand für die Behörde bezüglich dieses Zeitraums auch kein Anlass zur isolierten Rücknahme des Erstbescheids. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es einer ausdrücklichen Rücknahme eines bestandskräftigen Bescheides im Falle einer erneuten Sachentscheidung nicht bedarf - da die erneute Sachentscheidung jedenfalls konkludent die Aufhebung entgegenstehender bestandskräftiger Bescheide umfasst -, eine solche sich nur aus Gründen der Klarstellung anbietet. Ist damit eine Rücknahme des unanfechtbaren Bescheides vom 28.08.2000 für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht erfolgt, so eröffnet der Bescheid vom 09.04.2001 die erneute sachliche Prüfung der Frage, ob der Klägerin für ihre Tochter (damals türkischer Staatsangehörigkeit) Landeserziehungsgeld aufgrund von Art.3 Abs.1 und Art. 4 Abs.1 h ARB Nr.3/80 zusteht, nicht.

Des weiteren kann auch der angefochtene Bescheid vom 01.06.2001 nicht als erneute Sachentscheidung und damit als sog. Zweitbescheid, der eine erneute sachliche Prüfung durch das Verwaltungsgericht ermöglicht, angesehen werden. In diesem Bescheid hat sich die Behörde für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 15.09.2000 bis zum 15.03.2001 tragend darauf gestützt, dass sich die Rechtslage im Sinne von § 51 Abs.1 Nr.1 LVwVfG nicht geändert habe. Damit hat die Behörde die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens verneint bzw. den Erlass eines Zweitbescheids abgelehnt. Dies stellt zwar einen anfechtbaren Verwaltungsakt hinsichtlich der Frage dar, ob die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen vorliegen (vgl. dazu unten 2.); eine neue Sachentscheidung ist aber gerade nicht erfolgt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Behörde zusätzlich zur Ablehnung des Wiederaufgreifens Rechtsausführungen "in der Sache" gemacht hat, indem sie der Qualifizierung des Landeserziehungsgeldes als Familienleistung im Sinne von Art.4 Abs.1 h ARB Nr.3/80 entgegentrat. Diese Rechtsausführungen erfolgten erst im Anschluss an die Ablehnung des Wiederaufgreifens und sind als "Zusatzargumente" zu qualifizieren (vgl. die Formulierung "des Weiteren" im Bescheid vom 01.06.2001). Die Behörde verzichtet damit nicht auf ihre Rechtsposition aus § 51 LVwVfG, sondern wiederholt lediglich ihren bisherigen Rechtsstandpunkt, den sie bereits im bestandskräftigen Bescheid vom 28.08.2000 dargelegt hatte. Nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 13, 99) nehmen beigefügte Rechtsausführungen, die schon in der ursprünglichen Begründung gleichsam eingeschlossen waren, damals nur nicht für besonders erwähnenswert erachtet wurden, der behördlichen Äußerung nicht die Eigenschaft einer wiederholenden Verfügung; eine erneute Sachentscheidung ist deshalb nicht schon zu bejahen, weil sich die Behörde in ihren Rechtsausführungen mit dem - neuerlichen - Vorbringen des Antragstellers auseinandersetzt. Gemessen daran sind beigefügte Rechtsausführungen jedenfalls dann als "wiederholende Verfügung" zu qualifizieren, wenn - wie vorliegend - die Behörde ihren bisherigen Rechtsstandpunkt - hier: Landeserziehungsgeld stelle keine Familienleistung im Sinne von Art.4 Abs.1 h ARB Nr.3/80 dar - lediglich wiederholt, ohne dass eine Akzentverschiebung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ersichtlich ist.

2.

Die Behörde hat ferner einen Rechtsanspruch der Klägerin auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zu Recht verneint. Gemäß § 51 Abs.1 Nr.1 LVwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung und Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Gemessen daran liegt weder eine - hier allein in Betracht kommende - Änderung der Rechtslage vor (a) noch ist das Kriterium "nachträglich" erfüllt (b).

a)

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 18.12.1992 (BVerwG 7 C 12.92 - BVerwGE 91, 327) entschieden, dass das Landeserziehungsgeld keine Familienleistung im Sinne von Art.4 Abs.1 h ARB Nr.3/80 darstelle. In der Folgezeit hat der Europäische Gerichtshof aber festgestellt, dass das Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz eine Familienleistung im Sinne von Art.4 Abs.1 h EWGV 1408/71 sei (Urt.v. 10.10.1996, 4 C 245/94 - Hoever - InfAuslR 1997, 5) und dass Art.3 Abs.1 ARB Nr.3/80, der ein Diskriminierungsverbot für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen enthält, in seiner Wirksamkeit nicht vom Erlass eines weiteren Rechtsakts abhängig und damit von deutschen Gerichten anzuwenden ist (Urt.v. 04.05.1999 - C - 262/96 - Sürül - InfAuslR 1999, 324). Unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hoever und Sürül hat der VGH Baden-Württemberg (Urteile vom 07.02.2001 - 1 S 286/00 und 1 S 287/00 -) weiter entschieden, dass die Qualifizierung des Bundeserziehungsgeldes durch den Europäischen Gerichtshof als eine Familienleistung im Sinne von Art.4 Abs.1 h EWGV 1408/71 angesichts des übereinstimmenden Wortlauts und der gleichen Zielrichtung zugleich die Qualifizierung als eine Familienleistung im Sinne des Art.4 Abs.1 h ARB Nr.3/80 beinhalte. Vor diesem Hintergrund hat der VGH Baden-Württemberg ferner ausgeführt, dass das vom Land Baden-Württemberg im Anschluss an das Bundeserziehungsgeld gewährte Landeserziehungsgeld aufgrund gleicher Zweckrichtung ebenfalls als Familienleistung im Sinne von Art.4 Abs.1 h ARB Nr.3/80 anzusehen sei, so dass der Kläger des jeweiligen Verfahrens einen Anspruch darauf hatte, Landeserziehungsgeld unter den gleichen Voraussetzungen zu erhalten, wie dies für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines EWR-Staates gilt. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat sich in den Urteilen vom 06.12.2001 (3 C 25.01, 3 C 26.01 und 3 C 27.01 - Juris -) unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung dieser Auffassung angeschlossen.

Diese die Rechtsauffassung der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum - dem Grunde nach - bestätigende Rechtsprechung stellt jedoch keine Änderung der Rechtslage im Sinne von § 51 Abs.1 Nr.1 LVwVfG dar (ständ. Rechtspr. des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. z.B. BVerwGE 28, 122; BVerwG, NVwZ-RR 1994, 119). Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um die Änderung der Rechtsprechung erst- und zweitinstanzlicher Gerichte (BVerwG, Urt.v. 30.08.1988, NVwZ 1989, 161) oder um Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, eines anderen obersten Bundesgerichts oder des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte handelt (vgl. BVerwG, Urt.v. 24.05.1995, Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr.32). Für den Europäischen Gerichtshof kann nichts anderes gelten. Dieser Auffassung liegt der Gedanke zugrunde, dass die Rechtsprechung die Rechtslage nur feststellt und sie nicht verändert. Eine geänderte Rechtsprechung stellt sich daher lediglich als eine geläuterte Erkenntnis der Rechtslage dar (vgl. Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., § 51 Rd.Nr. 52; Stelkens/ Bonk/ Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 51 Rd.Nr. 108).

Zwar wird in Rechtsprechung und Schrifttum - insbesondere im Bereich des Asylrechts - die Ansicht vertreten, dass jedenfalls eine durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hervorgerufene Wandelung oder Präzisierung des Bedeutungsinhalts von Verfassungsrecht und deren Auswirkungen auf die einfache Rechtsordnung auch eine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs.1 Nr.1 VwVfG darstelle (vgl. hierzu BVerfG, Beschl.v. 08.10.1990 - 2 BvR 643/90 -, NVwZ 1991, 258 m.N.; GK zum AsylVfG, § 71 Rd.Nrn. 96 bis 98). Auch wenn man dieser Ansicht im Fall des Wandels von Verfassungsrecht bzw. im speziellen Bereich des Schutzzwecks von Art.16 a Abs.1 GG folgt, ist dies auf den vorliegenden Fall, in dem es um die Auslegung von sekundärem Gemeinschaftsrecht geht, nicht übertragbar. Die oben dargelegte Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 51 Abs.1 Nr.1 LVwVfG ist vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass jedes Wiederaufgreifen zugleich auch einen Eingriff in die Rechtssicherheit, die der bestandskräftige Verwaltungsakt zum Ausdruck bringt, bedeutet. Wiederaufgreifen muss folglich die Ausnahme bleiben und von leicht erkennbaren Voraussetzungen abhängig sein, im Übrigen von Voraussetzungen auf die, wie § 51 Abs.2 LVwVfG zeigt, der Bürger keinen Einfluss hat. Ob eine höchstrichterliche Rechtsprechung sich ändert, ist zudem nicht immer zweifelsfrei feststellbar. Wenn man in einer Änderung der Rechtsprechung zugleich  eine Änderung der Rechtslage sehen würde, stellt sich die weitere Frage, ob jede Fortentwicklung der Rechtsprechung bereits zu einem Wiederaufgreifen führen würde. Der hier zu entscheidende Fall macht deutlich, dass die Grenzen zwischen Fortentwicklung und Änderung der Rechtsprechung fließend sind. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wie sie im Urteil vom 18.12.1992 (a.a.O.) niedergelegt ist, war nicht "mit einem Schlag" überholt, vielmehr war die Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs der Familienleistung im Sinne von Art.4 Abs.1 h ARB Nr.3/80, die sich daran anschließende Rechtsfrage der unmittelbaren Anwendung des Diskriminierungsverbots in Art.3 Abs.1 ARB Nr.3/80 durch die nationalen Gerichte sowie die Frage, ob die Rechtsprechung des EuGH zur Qualifizierung des Bundeserziehungsgeldes  als Familienleistung auf das nach Landesrecht Baden-Württemberg gewährte Landeserziehungsgeld übertragbar ist (vgl. dazu das diese Problematik erstmals behandelnde Urteil des VG Karlsruhe vom 12.07.1999 - 14 K 1335/99 -), einem allmählichen Wandel unterzogen. Dieser kurz skizzierte Wandel der Rechtsprechung, dem eine Vielzahl entscheidungserheblicher (Einzel-) Rechtsfragen zugrunde lag, zeigt die Schwierigkeiten auf, die sich bei der Feststellung, ob und zu welchem Zeitpunkt sich die Rechtsprechung geändert hat, ergeben.

Für die getroffene Auslegung spricht ferner die Regelung in § 48 Abs.2 SGB X. In dieser Vorschrift ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Änderung ständiger Rechtsprechung durch den zuständigen obersten Gerichtshof des Bundes als Wiederaufgreifensgrund anzusehen ist. Dieser Normierung liegen die besonderen Schutzbelange des durch die Sozialgesetze geschützten Personenkreises zugrunde, ein allgemeiner Rechtsgedanke, der auch bei der Auslegung des § 51 LVwVfG Anwendung finden könnte, wird damit jedoch gerade nicht zum Ausdruck gebracht. Schließlich ist eine Änderung der Rechtsprechung nicht völlig vom Verhalten des Bürgers loszulösen. Auf Gesetz und Satzungsgebung hat er in der Regel keinen Einfluss. Wenn er aber von einer Anfechtung eines belastenden Verwaltungsaktes wegen der ständigen Rechtsprechung absieht, verzichtet er auf seinen Einfluss, den er auf die Rechtsprechung hätte ausüben können. Er hat diese Rechtsprechung akzeptiert. Dadurch hat er die Basis gegeben für das Vertrauen, das auch die Behörde im Allgemeininteresse in den Bestand des Verwaltungsaktes haben muss (vgl. Stelkens, NVwZ 1982, 492). Wenn folglich eine Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs.1 Nr.1 LVwVfG darstellt, steht der Bürger dennoch nicht völlig schutzlos da. In den von § 51 LVwVfG nicht erfassten Fällen ist ein Wiederaufgreifen (im weiteren Sinne) grundsätzlich ebenfalls zulässig. Es steht dann jedoch im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (BVerwG, Beschl.v. 25.05.1981, NJW 1981, 2595). Bei besonders gelagerten Sachverhalten kann sich dieses Ermessen "auf null" verengen, so dass es dann unter diesem Gesichtswinkel ausnahmsweise sogar zu einem Anspruch auf das Wiederaufgreifen kommen kann (BVerwG, Beschl.v. 25.05.1981, a.a.O.).

b.

Auch wenn man in der Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung eine nachträgliche Änderung der Rechtslage sieht, hat sich im Fall der Klägerin "diese Rechtslage" nicht nachträglich zu ihren Gunsten geändert. Der Bescheid, mit dem die Behörde den Antrag der Klägerin auf Landeserziehungsgeld bestandskräftig abgelehnt hat, datiert auf den 28.08.2000. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich jedoch die höchstrichterliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes - für den hier einschlägigen Fall der Auslegung sekundären Gemeinschaftsrechts ist der Europäische Gerichtshof jedenfalls höchstes Gericht - soweit geändert bzw. entwickelt, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.12.1992 (a.a.O.), mit dem auf der Grundlage des Assoziationsratsbeschlusses Nr.3/80 ein Anspruch türkischer Staatsangehöriger auf Landeserziehungsgeld verneint wurde, als überholt angesehen werden musste (vgl. dazu: VG Karlsruhe, Urt.v. 12.07.1999, a.a.O.). Der Europäische Gerichtshof hatte mit Urteil vom 10.10.1996 in der Sache Hoever (a.a.O.) entschieden, dass das Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz eine Familienleistung im Sinne von Art.4 Abs.1 h EWGV 1408/71 ist. Daraus ergab sich aufgrund des übereinstimmenden Wortlauts und der gleichen Zielrichtung zugleich die Qualifizierung als eine Familienleistung im Sinne des Art.4 Abs.1 h ARB Nr.3/80. In der Folgezeit hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 04.05.1999 in der Sache Sürül (a.a.O.) ferner entschieden, dass das Diskriminierungsverbot nach Art.3 Abs.1 ARB Nr.3/80 ausreichend bestimmt ist, um von einem nationalen Gericht angewandt zu werden und daher geeignet ist, die Rechtsstellung des Einzelnen zu regeln. Nach Ergehen des Urteils in der Sache Sürül war die obergerichtliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Frage der Gewährung von Landeserziehungsgeld an türkische Staatsangehörige im Wesentlichen entwickelt und damit auch zu einem Abschluss gebracht worden. Zwar hatte und hat sich der Europäische Gerichtshof bislang - soweit ersichtlich - noch nicht ausdrücklich mit der Frage befasst, ob das vom Land Baden-Württemberg gewährte Landeserziehungsgeld als Familienleistung zu qualifizieren ist, sondern hat diese Frage lediglich für das Kindergeld und das Bundeserziehungsgeld entschieden. Der Europäische Gerichtshof hatte allerdings bereits in seinem Urteil vom 10.10.1996 in der Sache Hoever (a.a.O.) ausgeführt, dass eine Leistung als Familienleistung zu qualifizieren ist, wenn die Gewährung der Leistung von bestimmten objektiven Voraussetzungen abhängig ist. Für das Bundeserziehungsgeld hat das Gericht in dieser Entscheidung den objektiven Charakter daraus abgeleitet, dass sich die Höhe der Leistung nach der finanziellen Lage der Familie und zusätzlich nach der Zahl der Kinder richtet. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung lag der objektive Charakter des Landeserziehungsgeldes auf der Hand und die Qualifizierung als Familienleistung war damit weitestgehend vorgeprägt (vgl. dazu: VG Karlsruhe, Urt.v. 12.07.1999, a.a.O.). Bei dieser Sachlage ist die Änderung der Rechtsprechung also bereits vor Erlass des bestandskräftigen Bescheides vom 28.08.2000 und damit nicht nachträglich im Sinne von § 51 Abs.1 Nr.1 LVwVFG erfolgt. Die Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg vom 07.02.2001 (a.a.O.) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.12.2001 (a.a.O.) stellen sich demgegenüber nicht als eigenständige Veränderung der obergerichtlichen Rechtsprechung, sondern lediglich als Rechtsprechung nach Maßgabe der vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätze dar.

3.

Auch nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen gemäß § 51 Abs.5 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG hat die Klägerin keinen Rechtsanspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens. Bei dem ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 28.08.2000 handelt es sich zwar um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt. Einen Anspruch auf Rücknahme hätte die Klägerin aber nur, wenn das Ermessen der Behörde auf null reduziert wäre, was nicht schon bei bloßer Rechtswidrigkeit des Erstbescheids der Fall ist (vgl. Kopp/ Ramsauer, a.a.O., § 48 Rd.Nr. 54 m.w.N.), sondern nur dann, wenn ein Festhalten an der ursprünglichen Entscheidung schlechthin unerträglich ist bzw. einen Verstoß gegen die guten Sitten oder den Grundsatz von Treu und Glauben darstellt. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn die Behörde den Bürger gehindert hat, den Verwaltungsakt rechtzeitig mit einem Rechtsbehelf anzugreifen, oder durch ihr Verhalten wesentlich dazu beigetragen hat. Eine Ermessensreduzierung auf null kann sich ferner in den Fällen der Selbstbindung ergeben, wenn auch in anderen Fällen einem Antrag auf Rücknahme stattgegeben wurde und Art.3 GG die Gleichbehandlung verlangt (vgl. Kopp/ Ramsauer, a.a.O. § 48 RdNr. 53, 54, 56, 57).

Davon ausgehend kann hier eine Ermessensreduzierung auf null nicht angenommen werden. Zunächst kommt dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit im Einzelfall prinzipiell kein größeres Gewicht zu als dem Grundsatz der Rechtssicherheit (BVerwG, NVwZ 1985, 265; BVerwGE 44, 333). Darüber hinaus sind keine Anhaltspunkte ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen, dass die Behörde die Klägerin gehindert hatte, den Bescheid vom 28.08.2000 rechtzeitig mit einem Rechtsbehelf anzugreifen. Der Bescheid war vielmehr mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen, so dass die Nichtdurchführung des Widerspruchsverfahrens allein in den Risikobereich der Klägerin fällt. Auch Art.3 GG gebietet ein Wiederaufgreifen zugunsten der Klägerin nicht. Der Behördenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass auch in vergleichbaren Fällen - im Hinblick auf die fiskalischen Interessen der öffentlichen Hand - bestandskräftig abgeschlossene Verfahren nicht wieder aufgegriffen würden. Ein Festhalten am bestandskräftigen Verwaltungsakt ist schließlich auch nicht deshalb als treuwidrig anzusehen, weil "sich dem Land Baden-Württemberg seit der Entscheidung Sürül am 04.05.1999 die Rechtswidrigkeit ihrer Ablehnungsbescheide gegenüber türkischen Staatsangehörigen geradezu aufdrängen musste" (so aber Anmerkung Münch/ Blechinger zum Urt.d. BVerwG v. 06.12.2001, InfAuslR 2002, 261). Zwar ist zuzugeben, dass der Europäische Gerichtshof mit der Entscheidung Sürül sämtliche Grundlagen für eine Zuerkennung von Landeserziehungsgeld an türkische Staatsangehörige gelegt hatte. Dennoch kann es nicht als treuwidrig angesehen werden, wenn die Behörde die Frage, ob die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Bundeserziehungsgeld in jeder Hinsicht auf das Landeserziehungsgeld übertragbar ist, letztinstanzlich durch die nationalen Gerichte hat klären lassen. Der Klägerin war jedenfalls durch den Erlass anfechtbarer Bescheide ausreichend die Möglichkeit eröffnet, ihren Einfluss auf die streitige Rechtsfrage auszuüben. Eine Pflicht der Behörde, auf die schwebenden Verfahren türkischer Staatsangehöriger auf Gewährung von Landeserziehungsgeld hinzuweisen und das Verfahren bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auszusetzen (so Anmerkung zum Urt.d. BVerwG. v. 06.12.2001, a.a.O.), würde demgegenüber die Anforderungen an behördliche Fürsorgepflichten überspannen. Die Behörde wird nicht im Rechtskreis der Klägerin tätig, dieser kann vielmehr angesonnen werden, ihre Rechtsposition - etwa unter Einschaltung eines Rechtsanwalts - selbst wahrzunehmen.

4.

Die Klägerin hat auch kein Anspruch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde über das Wiederaufgreifen. Denn diese hat das ihr eröffnete Ermessen gesehen und auch betätigt, wie sich jedenfalls aus dem Widerspruchsbescheid vom 15.10.2001 ergibt. Dass sie dem öffentlichen Interesse an der Bestandskraft des Bescheides vom 28.08.2000 den Vorrang vor den entgegenstehenden privaten Interessen der Klägerin eingeräumt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dafür sprechen vor allem die Gründe der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens und der Verwaltungsökonomie sowie die Überlegung, dass die Klägerin die Möglichkeit ordentlicher Rechtsbehelfe gehabt hätte. Die Behörde durfte auch das öffentliche fiskalische Interesse daran,  nicht durch ein Wiederaufgreifen in zahlreichen Fällen Ansprüche für die Vergangenheit zu begründen, maßgeblich berücksichtigen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt.v. 30.10.1991, VBlBW 1992, 253 sowie die in vergleichbaren Fällen zwischenzeitlich ergangenen Urteile des VG Freiburg vom 31.01.2002 - 3 K 1561/00 -; des VG Stuttgart, Urt.v. 26.07.2001 - 1 K 851/01 - und v. 22.04.2002 - 15 K 4709/01 - und des VG Karlsruhe, Gerichtsbescheid v. 02.04.2002 - 10 K 3187/00 -). Mit ihrem Wiederaufgreifensantrag hat die Klägerin zudem keine konkreten Umstände bezeichnet, die diese Interessenabwägung gerade im vorliegenden Fall als rechtsfehlerhaft erscheinen ließen.

Die Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin beruht auf den §§ 161 Abs.1, 154 Abs.1 VwGO. Es bestand kein Anlass, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs.2 VwGO).

Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 a Abs.1 VwGO i.V.m. § 124 Abs.2 Nr.3 VwGO. Der Rechtssache kommt grundsätzlich Bedeutung zu.