VG Sigmaringen, Urteil vom 16.10.2001 - 2 K 697/01
Fundstelle
openJur 2013, 11864
  • Rkr:

1. Zum Anspruch auf Baugenehmigung für eine 55 m hohe Mobilfunksendeanlage und -empfangsanlage in der Bodensee-Uferlandschaft, wenn die untere Naturschutzbehörde ihr Benehmen erteilt hat (hier bejaht).

2. Zur bauordnungsrechtlichen Abstandsfläche solcher Sendemasten im Außenbereich.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 20. November 2000 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 22. März 2001 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung für die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage und -empfangsanlage auf dem Grundstück Flst.Nr. XX in K. zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die sie selbst trägt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Mobilfunkbasisstation.

Die Klägerin betreibt ein digitales, zellulares Mobilfunknetz. Sie beantragte am 15. Juni 1999 beim Landratsamt Bodenseekreis die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Mobilfunkbasisstation auf dem Grundstück Flst.Nr. XX auf der Gemarkung der Beigeladenen. Das Vorhaben besteht aus einem Schleuderbetonmast und einem Stahlbetoncontainer. Der Mast soll eine Höhe von 55 m haben und zudem Mobilfunksendeanlage und Empfangsanlagen der Wettbewerber x  und x aufnehmen. Der geplante Standort befindet sich im Außenbereich.

Die Beigeladene versagte ihr Einvernehmen. Die daraufhin aufgenommenen Vertragsverhandlungen mit den Eigentümern des von der Beigeladenen vorgeschlagenen Waldgrundstücks als Alternativvorschlag führten nicht zum Erfolg.  Das Landratsamt Bodenseekreis - untere Naturschutzbehörde - erteilte im Folgenden das nach § 12 NatSchG erforderliche Benehmen; u.a. sollte ein landschaftspflegerischer Begleitplan, der als Ausgleich für den Eingriff in Natur und Landschaft die Pflanzung von insgesamt 20 Obstbäumen vorsah, Bestandteil der Baugenehmigung werden.

Mit Bescheid vom 20. November 2000 lehnte der Beklagte den Bauantrag der Klägerin ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies das Regierungspräsidium Tübingen mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2001 zurück; dieser Bescheid wurde der Klägerin am 2. April 2001 zugestellt.

Am 2. Mai 2001 erhob die Klägerin Klage. Sie macht geltend, dass ihr Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegiert sei. Mit der Einfügung dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber die Entscheidung getroffen, Mobilfunksendeanlage und empfangsanlagen bevorzugt im Außenbereich zuzulassen. Dort seien regelmäßig höhere Mastbauten erforderlich, um die Funkversorgung in größeren ländlichen Gebieten bzw. die Versorgung über Richtfunkstrecken sicherzustellen. Zur Schließung von Versorgungslücken seien dabei Standorte im Umkreis von nur wenigen Metern erforderlich, weil sonst die Gefahr bestehe, dass bestimmte Bereiche nicht erreicht werden oder Störungen benachbarter Funkzellen auftreten könnten. Dass der Sendemast hier gerade auf dem geplanten Standort oder zumindest in unmittelbarer Nähe errichtet werden müsse, um dies zu gewährleisten, sei auch aus den vorgelegten "plots" ersichtlich, die das Versorgungsgebiet mit und ohne den geplanten Sendemasten zeigten. Das Vorhaben sei notwendiger Bestandteil des Weitverkehrsnetzes der Klägerin im Bereich A.. Mit diesen Richtfunkstrecken verbinde sie ihre zahlreichen Mobilfunksendeanlage und empfangsanlagen in diesem Bereich, ohne dass es notwendig wäre, erdgebundene Leitungen selbst zu verlegen oder von der Telekom zu mieten. Das Vorhaben müsse dabei "Sichtkontakt" zu den Richtfunkknoten der Klägerin in der näheren Umgebung haben. Eine Verlegung des Standortes komme u.a. aufgrund der topografischen Gegebenheiten nicht in Betracht. Nur das vorhandene Grundstück sei für die Klägerin tatsächlich auch erreichbar. Soweit Betrachter der Landschaft das Vorhaben als störend oder beeinträchtigend empfinden würden, könne dies der Errichtung von Mobilfunkanlagen nicht entgegenstehen, weil sonst die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Telekommunikationsdienstleistungen im Umkreis einer Gemeinde oder im weiteren Umkreis nicht möglich sei. Eine Verunstaltung des Landschaftsbildes durch ein privilegiertes Vorhaben sei nur in Ausnahmefällen anzunehmen, wenn es sich um eine wegen ihrer Schönheit und Funktion besonders schutzwürdige Umgebung oder einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild handle. Bloße nachteilige Veränderungen oder Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes könnten dagegen ein privilegiertes Vorhaben nicht unzulässig machen. Obwohl der Schleuderbetonmast von gewisser Höhe sei, zeigten sowohl der Mast als auch die Aufbauten keine erhebliche Ausbreitung, so dass die Anlage als filigran zu bezeichnen sei. Der vorgesehene Standort befinde sich weder in einem Landschaftsschutzgebiet noch in einem sonst schützenswerten Landschaftsteil.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 20. November 2000 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 22. März 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr die beantragte Baugenehmigung für die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage und Empfangsanlage auf dem Grundstück Flst.Nr. XX in K. zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dass Anlagen für den Mobilfunk nur dann privilegierte Außenbereichsvorhaben seien, wenn sie einen spezifischen Standortbezug aufwiesen. Das Vorhaben der Klägerin könne hingegen auch an anderer Stelle in der Umgebung errichtet werden, ohne dass die gewünschte Funktion beeinträchtigt wäre. Das Vorhaben sei als nicht privilegiertes Außenbereichsvorhaben i.S. des § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen, dem der Gesichtspunkt der Verunstaltung des Landschaftsbildes nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegenstehe. Die bislang von technischen Bauwerken dieser Art nahezu unberührte Bodenseeuferlandschaft sei so empfindlich, dass sie "mit Rücksicht auf das Landschaftsbild, auf Erholung und Fremdenverkehr sowie auf den ausgeprägten Streusiedlungscharakter" in der Teilfortschreibung 1998 des Regionalplans B. unter Plansatz 4.2.5 "Erneuerbare Energie" in der Weise unter Schutz gestellt worden sei, dass in ihr "raumbedeutsame Vorhaben zur Windenergienutzung (in der Regel Anlagen ab etwa 50 m Gesamthöhe)" nicht zulässig seien. Dieselben Erwägungen müssten auch für alle anderen technischen Anlagen gelten, die - wie vorliegend der Sendemast - mit solchen Windenergieanlagen unmittelbar vergleichbar und ebenfalls raumbedeutsam seien. Durch die neun Plattformen im oberen Bereich des Mastes mit einem Durchmesser von bis zu 4 m und einer Vielzahl noch weiter auskragender Antennen trete dieser in unangenehmen Kontrast zum Landschaftsbild, greife in dieses grob ein und führe zur Verunstaltung. Das Vorhaben überschreite weiter auch die Mindestmaße des § 5 Abs. 9 LBO. Selbst unter Zugrundelegung des sogenannten Schmalseitenprivilegs sei eine Abstandstiefe von 22 m einzuhalten. Da das Baugrundstück in Nord-Süd-Richtung im fraglichen Bereich nur eine Breite von ca. 24 m aufweise und davon auszugehen sei, dass weder der nördliche noch der südliche Nachbar, die beide Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben hätten, einer Abstandsflächenbaulast zustimmen würden, könne dieser Abstand nicht eingehalten werden. Schließlich fehle es auch an einer ordnungsgemäßen Erschließung. Insbesondere sei eine dauerhafte Zufahrt zum Wegegrundstück Flurstück XX nicht gesichert; es erscheine fraglich, ob allein der am Baugrundstück vorbeiführende Weg, Flurstück XX, eine ordnungsgemäße Erschließung gewährleiste.

Die Klägerin hält dem entgegen, dass Mobilfunkmasten mit Windenergieanlagen hinsichtlich der baulichen Konstruktion nicht vergleichbar und zudem noch stärker auf bestimmte Standorte in jeder Region angewiesen seien. Soweit die Abstandsflächenvorschriften des § 5 LBO zur Anwendung kommen sollten, bestehe jedenfalls die Möglichkeit, eine Befreiung nach § 56 Abs. 5 LBO zu erteilen, weil Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Abweichung erforderten. Denn es sei zur Wahrnehmung des öffentlichen Interesses an der Errichtung von Versorgungsanlagen, zu denen auch Telekommunikationseinrichtungen gehörten, erforderlich, den Sendemast gerade an der vorgesehenen Stelle und in der vorgesehenen Art zu verwirklichen. Da es sich um ein Außenbereichsgrundstück handle, sei die Bebauung der Nachbargrundstücke mit Wohnhäusern und damit auch eine Verletzung nachbarlicher Interessen ausgeschlossen. Die ordnungsgemäße Erschließung des Grundstücks sei gesichert. § 4 LBO gelte nur für die Errichtung von Gebäuden, nicht aber für sonstige Vorhaben. Soweit auf den bauplanungsrechtlichen Aspekt der gesicherten Erschließung i.S. des § 35 Abs. 1 BauGB abgestellt werde, seien die vorhandenen Wege ausreichend. Der Vertreter der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung weiter ausgeführt, dass man insgesamt elf Standorte in unmittelbarer Nähe des hier vorgesehen Standortes in Betracht gezogen, dabei jedoch zehn Absagen erhalten habe. Insbesondere seien auch die Verhandlungen hinsichtlich des von der Beigeladenen vorgeschlagenen Alternativstandortes aufgrund ständig neuer Forderungen der Eigentümer gescheitert. Der vorliegende Standort ermögliche es, die Versorgung für den betreffenden Raum mit möglichst wenigen Sendemasten und damit einer möglichst geringen Beeinträchtigung für die Landschaft zu erreichen.

Die mit Beschluss vom 3. Mai 2001 beigeladene Gemeinde K. hat keinen Antrag gestellt.

Die Kammer hat das Baugrundstück in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen. Wegen des Augenscheins wird auf die Niederschrift verwiesen.

Der Kammer liegen die einschlägigen Verwaltungsakten vor; auf diese sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung zu; der Bescheid des Beklagten vom 20. November 2000 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 22. März 2001 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Der Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung beruht auf § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO. Nach dieser Vorschrift ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem genehmigungspflichtigen Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen.

Die Errichtung des Antennenmastes ist gemäß § 49 Abs. 1 LBO baugenehmigungsbedürftig. Insbesondere liegt kein verfahrensfreies Vorhaben vor, weil Ziffer 30 des Anhangs zu § 50 LBO nur Antennenanlagen bis zu einer Höhe von 10 m erfasst.

Dem Vorhaben der Klägerin stehen weder bauplanungsrechtliche noch bauordnungsrechtliche Vorschriften entgegen.

1. Bauplanungsrechtlich beurteilt sich das Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. Nach dieser Vorschrift sind unter anderem Vorhaben, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, privilegiert und damit in der Regel planungsrechtlich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist.

Zu den Vorhaben, die Telekommunikationsdienstleistungen dienen, gehören neben Rundfunk- und Fernsehtürmen zwar insbesondere auch Sendemasten für den Mobilfunk; sie sind jedoch nicht ausnahmslos und generell gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB im Außenbereich privilegiert, sondern nur dann, wenn sie einen spezifischen Standortbezug aufweisen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.08.1997, VBlBW 1998, 144; Urteil vom 23.04.1998; OVG Münster, Urteil v. 17.05.2001 - 7 A 354/01 -, zitiert nach juris; VG Sigmaringen, Urteil v. 25.04.2001 - 7 K 1173/00). Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21.01.1977, DVBl 1977, 526; Urteil vom 16.06.1994, DVBl. 1994, 1141) entwickelten Grundsätze zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Anlagen für die öffentliche Energieversorgung im Außenbereich gelten insoweit auch für Anlagen für den Mobilfunk. Nur so kann dem Willen des Gesetzgebers, den Außenbereich soweit wie möglich von einer Bebauung freizuhalten, Rechnung getragen und der Ausuferung der Anzahl solcher Funksendeanlagen im Außenbereich begegnet werden.

Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, dass die Anlage ihrem Gegenstand und Wesen nach auf die geographische oder geologische Eigenart des konkreten Standorts angewiesen sein muss, weil sie an einem anderen Ort ihren Zweck verfehlen würde. Dass sich der vorgesehene Standort aus Gründen der Rentabilität anbietet oder aufdrängt, reicht dagegen allein noch nicht aus. An einer solchen spezifischen Gebundenheit fehlt es, wenn der Standort im Vergleich mit anderen Stellen zwar Lagevorteile bietet, das Vorhaben aber nicht damit steht oder fällt. Hierbei ist eine kleinliche Prüfung der Ortsgebundenheit nicht angebracht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.08.1997, VBlBW 1998, 144); der spezifische Standortbezug ist nicht gleichbedeutend mit einer gleichsam quadratmetergenauen Zuordnung des Vorhabens zu der in Anspruch genommenen Örtlichkeit. Die Ortsgebundenheit fehlt - umgekehrt betrachtet - aber dann, wenn gleichsam der gesamte Außenbereich einer Gemeinde oder einer Vielzahl von Gemeinden als potenziell geeigneter Standort in Betracht kommt (VG Frankfurt a.M., Urteil v. 14.09.2000, NVwZ-RR 2001, 371).

Nach diesen Grundsätzen liegt hier ein spezifischer Standortbezug vor. Die Klägerin hat überzeugend dargelegt, dass das Vorhaben nur an dieser Stelle sinnvoll ausgeführt werden kann. Dies ergibt sich zum einen aus den vorgelegten "Plots", die das Versorgungsgebiet mit und ohne den streitgegenständlichen Sendemasten zeigen und aus denen deutlich wird, dass mit Hilfe dieser Anlage die Versorgung mit Mobilfunkdienstleistungen in der näheren Umgebung flächendeckend und gleichmäßig sichergestellt werden kann. Dass nicht gleichsam der gesamte Außenbereich der Beigeladenen ebenso zur Errichtung des Vorhabens geeignet ist, ergibt sich bereits daraus, dass es gerade die geographischen Gegebenheiten des hier gewählten Standorts, vor allem seine Höhenlage, gewährleisten, dass der für den Richtfunk notwendige "Sichtkontakt" gegeben ist. Insoweit hat der Kläger-Vertreter in der mündlichen Verhandlung nochmals überzeugend dargelegt, dass bei einem anderen, weniger günstigen Standort ein höherer Mast errichtet werden müsste; würde sie mit ihrem Vorhaben auf einen weiter entfernten Standort verwiesen, sei gegebenenfalls sogar die Errichtung von mehreren Sendemasten erforderlich. Auch kann der Beklagte der Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass ein gleich geeigneter Alternativstandort zur Verfügung gestanden hätte. So hat die Klägerin zwar auch entsprechende Verhandlungen mit dem Eigentümer eines nahe gelegenen Waldgrundstückes aufgenommen, die nach ihren Angaben jedoch nicht zum Erfolg geführt haben (vgl. Schreiben der Klägerin vom 12.07.2000, AS xx der Verwaltungsakten). In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Klägerin weiter erläutert, dass sich ihre Suche nach einem geeigneten Grundstück nicht auf das vorliegende Grundstück beschränkt habe, sondern dass man in der näheren Umgebung insgesamt elf Standorte in Betracht gezogen und dabei zehn Absagen erhalten habe. Insbesondere mit den Eigentümern des von der Beigeladenen als Alternativstandort vorgeschlagenen Waldgrundstücks sei keine Einigung möglich gewesen. Dies wurde vom Beklagten nicht bestritten. Die Klägerin kann jedoch nur auf für sie tatsächlich auch erreichbare Alternativstandorte verwiesen werden.

Dem privilegierten Außenbereichsvorhaben stehen auch keine öffentlichen Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB entgegen. Die Privilegierung des Vorhabens wirkt sich dabei in einem stärkeren Durchsetzungsvermögen gegenüber den von dem Vorhaben berührten öffentlichen Belangen aus. Bei der Abwägung zwischen dem beabsichtigten Vorhaben und den von ihm berührten öffentlichen Belangen muss zugunsten der von § 35 Abs. 1 BauGB erfassten Vorhaben die ihnen vom Gesetz zuerkannte Privilegierung gebührend in Rechnung gestellt werden (BVerwG, Urteil v. 25.10.1967, BVerwGE 28, 148, 151; Urteil v. 14.03.1975, BVerwGE 48, 109, 114; Urteil v. 06.10.1989, NVwZ 1991, 161 f.). Das hat im Regelfall zur Folge, dass sich ein privilegiertes Vorhaben zu Lasten von öffentlichen Belangen und insofern zu Lasten der Allgemeinheit auch dann noch durchsetzen kann, wenn unter gleichen Voraussetzungen ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB wegen dieser von ihm beeinträchtigten Belange (schon) unzulässig wäre (BVerwG, Urteil v. 14.03.1975, BVerwGE 48, 109, 114 f.). Denn durch die generelle Verweisung der privilegierten Vorhaben in den Außenbereich hat der Gesetzgeber selbst eine planerische Entscheidung zugunsten dieser Vorhaben getroffen und damit auch Fälle negativer Berührung mit öffentlichen Belangen im Einzelfall in Kauf genommen (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 7. Auflage 1999, § 35 Rn. 45).

Öffentliche Belange, insbesondere die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert sowie der Gesichtspunkt der Verunstaltung des Landschaftsbilds (§ 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB), stehen dem Vorhaben der Klägerin nicht mit einem Gewicht entgegen, das sich gegen die Privilegierung des Mobilfunk-Sendemastes durchsetzt. Zwar kommt eine Beeinträchtigung dieses Belange durch die Errichtung eines 55 m hohen Sendemastes in einer überwiegend von landwirtschaftlicher Nutzung geprägten Umgebung in Betracht, die möglicherweise zur Unzulässigkeit eines nicht privilegierten Vorhabens nach § 35 Abs. 2 BauGB führen könnte. Im Rahmen der Abwägung ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Gesetz bei den in § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB genannten Anlagen für Telekommunikationsdienstleistungen davon ausgeht, dass diese in der Regel - etwa aus technischen Gründen - an den Außenbereich gebunden sind. So liegt es hier. Insbesondere ist die exponierte Lage des Sendemastes auf einer Anhöhe in der Natur der Sache begründet. Bereits aus funktechnischen Gründen könnte der Mast nicht etwa in einer Senke "versteckt" werden. Es ist weiter anerkannt, dass die technische Neuartigkeit und die dadurch bedingte optische Gewöhnungsbedürftigkeit allein eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes nicht begründen können (BVerwG, Beschluss v. 08.02.1991, NVwZ-RR 1991, 456 f.). Der Mast muss sich im Rahmen des § 35 Abs. 1 BauGB schließlich auch nicht in die Umgebung einfügen. Im Gegenteil zeigt die planmäßige Zuweisung solcher Vorhaben in den Außenbereich, dass die üblichen und zwangsläufig damit verbundenen Auswirkungen auf das Landschaftsbild grundsätzlich hinzunehmen sind. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Vorhaben - wie dargelegt - auf den vorliegenden Standort angewiesen ist und bei einer Errichtung an anderer Stelle zur Erreichung derselben Ziele möglicherweise mehrere Masten zu errichten wären. Dadurch dass drei weiteren Anbietern von Telekommunikationsdienstleistungen die Möglichkeit der Mitbenutzung eingeräumt wird, steht auch nicht eine unkontrollierbare Ausuferung der Bebauung des Außenbereichs mit Sendemasten zu befürchten. Damit entspricht das Vorhaben auch dem Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs. Auch die vom Beklagten angeführten Festsetzungen in der Teilfortschreibung 1998 des Regionalplans B. unter Plansatz 4.2.5 "Erneuerbare Energie", wonach "raumbedeutsame Vorhaben zur Windenergienutzung (in der Regel Anlagen ab etwa 50 m Gesamthöhe)" im vorliegenden Bereich sowie anderen als schützenswert eingestuften Gebieten nicht zulässig sind, rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Diese Festsetzungen beziehen sich ausschließlich auf Anlagen zur Windenergienutzung. Die Errichtung von Mobilfunksendemasten unterscheidet sich - abgesehen von den Unterschieden in der baulichen Konstruktion, auf die die Klägerin hinweist - von solchen Windenergieanlagen maßgeblich dadurch, dass hinsichtlich der Standorte gerade keine Ausweichmöglichkeiten auf weniger schutzwürdige Gebiete bestehen, sondern eine flächendeckende Versorgung mit diesen Telekommunikationsdienstleistungen nur durch die Bereitstellung von Sendemasten an bestimmten, funktechnisch ausgerichteten Stellen gewährleistet werden kann. Ganze Landschaftsteile vom Versorgungsnetz auszunehmen würde vielmehr der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB zum Ausdruck kommt, zuwider laufen.

Schließlich muss bei der Frage, ob dem Vorhaben Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege entgegenstehen, das Ergebnis der behördlichen Abwägung im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung berücksichtigt werden. Die im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 BauGB erfolgende Abwägung ist als Vorgang allein der rechtlichen Subsumtion gerichtlich voll überprüfbar und unterscheidet sich daher wesensmäßig von der in den §§ 8 Abs. 3 BNatSchG, 11 Abs. 1 Nr. 3 NatSchG geforderten naturschutzrechtlichen Abwägung, der wegen des der Behörde eingeräumten Entscheidungsspielraums ein planerisches Element zukommt. Gemäß § 8a Abs. 2 S. 2 BNatSchG bleibt für Vorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB die Geltung der Vorschriften über die Eingriffsregelung unberührt. Damit gilt die der Rahmenvorschrift des § 8 BNatSchG entsprechende landesrechtliche Eingriffsregelung der §§ 10, 11 NatSchG. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 NatSchG ist ein Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes u.a. bei der Errichtung von baulichen Anlagen im Außenbereich anzunehmen, die das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen. Bei der für die Zulassung eines Eingriffs gemäß § 11 Abs. 3 NatSchG erforderlichen Abwägung zwischen den für das Vorhaben streitenden Belangen einerseits und den gegen dieses sprechenden, durch den fehlenden Ausgleich berührten Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes handelt es sich um eine "echte" Abwägung der Behörde, die nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 20.04.2000, NVwZ 2000, 1063 f. m.w.N.; Urteil v. 14.11.1991, NuR 1992, 188, 190). Um Widersprüchlichkeiten bei der Anwendung der §§ 8 Abs. 3 BNatSchG, 11 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 NatSchG einerseits und § 35 Abs. 1 und 3 BauGB andererseits zu verhindern, muss das Ergebnis der behördlichen Abwägung im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung auch für die nachvollziehende Abwägung bei der Subsumtion unter die Rechtsbegriffe des § 35 Abs. 1 und 3 BauGB verbindlich sein (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 20.04.2000, NVwZ 2000, 1063 f.; Urteil v. 14.11.1991, NuR 1992, 188, 190, jeweils für den Fall eines unzulässigen naturschutzrechtlichen Eingriffs). Vorliegend hat das Landratsamt Bodenseekreis - Umweltschutzamt - als untere Naturschutzbehörde das gemäß § 12 Abs. 1 NatSchG erforderliche Benehmen erteilt; als Ausgleich für den Eingriff in Natur und Landschaft sollte u.a. ein landschaftspflegerischer Begleitplan zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht werden, der die Pflanzung von 20 Obstbäumen vorsieht. Legt man diese Abwägung zugrunde, so stehen dem Vorhaben auch keine Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege entgegen.

Auch schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 3 BauGB werden von der Anlage nicht hervorgerufen. Die Anlage unterliegt der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV vom 16.12.1996, BGBl. I S. 1966), die in § 2 i.V.m. Anhang 1 Grenzwerte für die elektrische und magnetische Feldstärke festsetzt. In § 7 der 26. BImSchV ist ein spezielles Anzeigeverfahren vorgesehen, das Voraussetzung für die Inbetriebnahme der Anlage ist. Gesundheitliche Nachteile sind nach dem derzeitigen Erkenntnisstand bei Einhaltung der in der 26. BImSchV enthaltenen Grenzwerte nicht zu befürchten (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.01.2001, NVwZ 2001, 456; VGH Kassel, Beschluss vom 29.07.1999, NVwZ 2000, 694; SächsOVG, Urteil vom 17.12.1997, DÖV 1998, 431). Eine Prüfung im Baugenehmigungsverfahren ist insoweit nicht erforderlich, weil es sich hierbei um ein selbständiges immissionsschutzrechtliches Verfahren handelt, das weder bauordnungsrechtliche Genehmigungserfordernisse ersetzt (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.1998, VBlBW 1999, 218 f.) noch Voraussetzung für die Erteilung der beantragten Baugenehmigung ist, zumal die entsprechenden Vorgaben erst im Zusammenhang mit der tatsächlichen Inbetriebnahme der Anlage relevant werden. Beide Verfahren sind voneinander unabhängig und können daher zeitlich nebeneinander oder nacheinander durchgeführt werden; die Erteilung der Baugenehmigung muss nicht den "Schlusspunkt" bilden (vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 28.10.1995, BVerwGE 99, 351).

Auch im Hinblick auf die Erschließung bestehen gegen die Zulässigkeit des Vorhabens keine Bedenken. Nach dem Ergebnis des Augenscheins ist davon auszugehen, dass das Grundstück über die Wege Flst.Nr. XX und XX in dem für das Vorhaben erforderlichen Umfang erreichbar ist.

2. Der Sendemast ist auch nach den bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften genehmigungsfähig.

Die Abstandsvorschriften des § 5 Abs. 1 bis 8 LBO finden grundsätzlich auch auf den vorliegenden Sendemasten gemäß § 5 Abs. 9 LBO Anwendung, weil er zwar nicht unter den Gebäudebegriff des § 2 Abs. 2 LBO fällt, jedoch höher als 2,5 m ist und seine Wandfläche, nimmt man eine Berechnung über die Außenfläche unter Berücksichtigung von Höhe und Umfang vor, mehr als 25 m² beträgt.

Die danach erforderliche Abstandsflächentiefe hält der Sendemast zwar nicht ein. Das in § 5 Abs. 9 LBO geregelte "Schmalseitenprivileg" kommt dabei grundsätzlich auch bei kreisförmigen Masten zur Anwendung (vgl. SächsOVG, Urteil v. 17.12.1997, BauR 1998, 1226 ff., 1229; OVG Lüneburg, Urteil vom 28.10.1996 - 6 L 4040/94 -, zitiert nach iuris). Nach dieser Vorschrift genügt bei Wänden mit einer Länge bis zu 16 m der nachbarschützende Teil der Abstandstiefen, vorliegend gemäß § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO 0, 4 der Wandhöhe (55 m), hier also 22 m. Diese Abstandsflächentiefe zu den Grundstücken Flst.Nr. 4522 und 4520 ist vorliegend deutlich unterschritten, weil das Grundstück in diesem Bereich nur eine Breite von ca. 25 m aufweist.

Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf Zulassung einer geringeren Abstandstiefe. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Ziffer 2 LBO sind geringere Tiefen der Abstandsflächen zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und, soweit die Tiefe der Abstandsflächen die Maße des § 5 Abs. 7 Satz 3 unterschreitet, nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Es handelt sich dabei um eine Anspruchsnorm, dem Beklagten kommt kein Ermessen zu. Es liegt regelmäßig keine erhebliche Beeinträchtigung vor, wenn auf den betroffenen Nachbargrundstücken aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen eine Bebauung nicht realisiert werden kann oder nicht zu erwarten ist, wie z.B. an der Grenze zum Außenbereich (vgl. Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 19. EL April 2001, § 6 Rn. 48 c). So liegt der Fall hier. Die umliegenden Grundstücke sind unbebaut und werden rein landwirtschaftlich genutzt; da sie sich im Außenbereich befinden, ist eine Bebauung nicht zu erwarten. Nachbarliche Belange, die erheblich beeinträchtigt würden, sind insoweit nicht erkennbar (vgl. auch VG Sigmaringen, Urteil v. 25.04.2001 - 7 K 1173/00). Auch Probleme mit der Belichtung oder der Belüftung oder dem Brandschutz sind angesichts der vorgesehenen Bauweise nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen kam nicht in Betracht, da diese keinen Antrag gestellt hat. Von der ihr eingeräumten Befugnis, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, macht die Kammer keinen Gebrauch (§ 167 Abs. 2 VwGO).