VG Karlsruhe, Urteil vom 24.01.2001 - 10 K 1535/00
Fundstelle
openJur 2013, 11520
  • Rkr:

1. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten kann sich auch aus verfahrensrechtlichen Fragen in Bezug auf die angefochtene Verfügung ergeben (unrichtige oder/und unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung).

Zur Klageart im Zusammenhang mit Erstattungsansprüchen nach § 80 VwVfG.

Tatbestand

Der Kläger ist praktischer Arzt und behandelt aufgrund entsprechender betäubungsmittelrechtlicher Erlaubnis Drogenabhängige in der Form der Substitutionsbehandlung, in deren Rahmen Substitutionsmittel, etwa Methadon, an die Patienten verabreicht werden.

Mit Schreiben vom 03.09.1999 - zur Post gegeben am 07.09.1999 - forderte das Regierungspräsidium Karlsruhe den Kläger auf, für vier namentlich genannte Patienten Unterlagen vorzulegen, um klären zu können, ob in diesen Fällen die Voraussetzungen für die Substitution gegeben waren; da der Kläger auf dieses Schreiben nicht reagierte, wurde er durch weiteres Schreiben der Behörde vom 4.10.1999 (ohne Rechtsmittelbelehrung) darauf hingewiesen, dass ihm nunmehr noch eine Frist von 5 Werktagen ab Zustellung gegeben werde, um die Dokumentation über die genannten Patienten vorzulegen; für den Fall des ergebnislosen Ablaufs der Frist werde ein Zwangsgeld in Höhe von DM 5.000,-- angedroht, und die Nichtvorlage der Dokumentation könne als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße geahndet werden. Das Schreiben wurde dem Kläger am 06.10.1999 zugestellt. Am gleichen Tag bat der Kläger telefonisch und durch Rücksendung des (von ihm ergänzten) Behördenschreibens vom 03.09.1999 um schriftliche "Schweigepflichtenthebung" von den Patienten; gleichzeitig teilte der Kläger mit, eine der ihm genannten Patienten sei ihm unbekannt. Hierauf antwortete die Behörde am 07.10.1999, in der Übersendung der Dokumentation liege keine Verletzung der Schweigepflicht.

Da die Unterlagen dem zuständigen Beamten zunächst weiterhin nicht vorlagen, ordnete die Behörde mit Schreiben vom 21.10.1999 "die sofortige Vollziehbarkeit" der am 03.09.1999 angeordneten Vorlage der Patientendokumentation an (Ziff. 1) und setzte wegen der Nichtvorlage der Dokumentation für jeden der vier aufgeführten Patienten ein Zwangsgeld in Höhe von DM 5.000,-- fest (Ziff. 2). Für den Fall, dass der Kläger die Dokumentation dieser Patienten nicht unverzüglich, längstens innerhalb von drei Werktagen ab Zustellung dieser Verfügung vorlege, wurde für jeden Patienten ein Zwangsgeld in Höhe von DM 10.000,-- angedroht und darauf hingewiesen, dass im Fall der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes Zwangshaft zulässig sei (Ziff. 3 der Verfügung). Außerdem wurde eine Gebühr in Höhe von DM 400,-- festgesetzt (Ziff. 4 der Verfügung). Die Begründung der Verfügung führt aus, der Kläger habe die von ihm angeforderten Unterlagen noch nicht vorgelegt, obwohl er ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass die Berufung auf die ärztliche Schweigepflicht der geforderten Vorlage nicht entgegenstehe. Daher sei das vorher angedrohte Zwangsgeld nunmehr festzusetzen gewesen. Da der Kläger zeige, dass er nicht gewillt sei, die Aufforderung zu befolgen, sei weiteres Zwangsgeld anzudrohen. Als Rechtsbehelfsbelehrung wurde der Kläger darauf hingewiesen, gegen den Bescheid vom 03.09.1999 könne er innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung (vom 21.10.1999) Klage erheben; gegen Ziff. 2 und 4 der Entscheidung vom 21.10.1999 könne er innerhalb der Monatsfrist Widerspruch einlegen.

Mit dem Bescheid vom 21.10.1999 verbunden war ein Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 22.10.1999, mit dem die Behörde von dem Kläger Vorlage von Unterlagen für vier weitere Patientinnen/Patienten verlangte (Ziff. 1); die sofortige Vollziehbarkeit auch dieser Verfügung wurde angeordnet (Ziff. 2). Für jeden Fall der Nichterfüllung der Vorlagepflicht innerhalb der gesetzten Frist (5 Werktage ab Bekanntgabe) wurde dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- DM angedroht (Ziff. 3), und es wurde eine Gebühr in Höhe von DM 300,-- festgesetzt (Ziff. 4). Die mit der Entscheidung verbundene Rechtsmittelbelehrung besagt, gegen Ziff. 1 der Entscheidung könne in Monatsfrist Klage erhoben werden, und gegen Ziff. 4 (Gebührenfestsetzung) könne innerhalb eines Monats  Widerspruch eingelegt werden.

Die Bescheide vom 21. und 22.10.1999  (im Folgenden: Bescheid 1 bzw. Bescheid 2) wurden, beide verbunden mit einem entsprechenden Gebührenbescheid über  DM 400.-bzw. 300.-, dem Kläger am 26.10.1999 zugestellt.

Am 27.10.1999 ließ der Kläger seine anwaltliche Vertretung anzeigen; gleichzeitig wurde von dem Bevollmächtigten mitgeteilt, der Kläger habe bereits eine vollständige Ablichtung der Patientenkartei für drei Patienten mit der Postsendung vom 12.10.1999 übersandt; diese Sendung sei entsprechend dem Rückschein der Post am 13.10.1999 bei der Behörde eingegangen. Hinsichtlich einer (der vierten) Patientin seien keine Unterlagen gefunden worden; möglicherweise liege hier eine Namensverwechslung vor. Gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Bescheide, werde er, da Auskunftsbereitschaft bestehe, allenfalls aus formalen Gründen wegen der Kosten Rechtsmittel einlegen; gegen den Bescheid als solchen werde er Rechtsmittel einlegen, da für diesen Bescheid keine Veranlassung bestanden habe.

Mit Verfügung vom 24.11.1999 hob das Regierungspräsidium Karlsruhe den Bescheid 1 vom 21.10.1999 auf (Ziff. 1); außerdem wurden die Zwangsgeldandrohung und Gebührenfestsetzung im Bescheid 2 vom 22.10.1999 aufgehoben (Ziff. 2). Darüber hinaus wurde bestimmt (Ziff. 3 des Bescheides vom 24.11.1999), die Kosten des Verfahrens habe das Land Baden-Württemberg zu tragen; Ziff. 4 der Verfügung erklärt das Verfahren als gebührenfrei. Die Gründe der Verfügung, die "auf die zulässigerweise erhobenen Widersprüche hin" erging, führen aus, der Kläger sei der ihm obliegenden Vorlageverpflichtung gemäß der Aufforderung vom 03.09.1999 nachgekommen, da nachgewiesen sei, dass die von ihm vorgelegte Dokumentation am 13.10.1999 bei der Behörde eingegangen sei. Aus welchen Gründen die Dokumentation erst erheblich später dem Sachbearbeiter vorgelegt worden sei, sei nicht mehr feststellbar. Damit sei die Verpflichtung zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 21.10.1999 bereits erfüllt gewesen. Bei Erlass der Verfügung vom 22.10.1999 sei die Behörde im Ergebnis zu Unrecht davon ausgegangen, es bestehe keine Bereitschaft zur Vorlage, so dass die Zwangsgeldandrohung nicht erforderlich gewesen sei.

Der am 30.11.1999 zugestellte Bescheid vom 24.11.1999 ist bestandskräftig. Zuvor - am 25.11.1999 - war förmlich Widerspruch gegen die Bescheide 1 und 2 eingelegt worden.

Am 23.12.1999 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Erstattung seiner Kosten in Höhe von (pro Bescheid) jeweils DM 890,42. Mit Verfügung vom 04.05.2000 lehnte das Regierungspräsidium Karlsruhe den Kostenerstattungsantrag mit der Begründung ab, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts sei im vorliegenden Fall nicht erforderlich gewesen, so dass kein Erstattungsanspruch bestehe. Die Rechtsbehelfsbelehrung führt aus, gegen die Verfügungen vom 21./22.10.1999 "und diesen Widerspruchsbescheid" könne binnen eines Monats nach Zustellung Klage erhoben werden.

Am 29.05.2000 erhob der Kläger Klage, mit der er schriftsätzlich beantragt,

den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 04.05.2000 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, ihm DM 1.780,84 an Kosten nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 24.12.1999 zu erstatten.

Zur Begründung der Klage führt der Kläger aus, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren gegen die Dokumentationsanforderungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe sei erforderlich gewesen; der Fall sei sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht derart schwierig, dass es dem beklagten Land selbst nicht gelungen sei, selbständig die Voraussetzungen für den Erlass der entsprechenden Bescheide zu prüfen, die Bescheide umzusetzen und die sich aus diesen Entscheidungen ergebenden rechtlichen Konsequenzen zu beachten. So sei etwa die Verwaltungsgebühr vollstreckt worden, obwohl die zugrundeliegenden Bescheide bereits aufgehoben worden seien. Es sei für den Kläger unzumutbar gewesen, sich in dieser Situation nicht eines juristischen Beistandes zu bedienen. Ob ein "einfacher Telefonanruf" genügt hätte, um den erforderlichen Rechtsschutz zu erlangen, wie die Behörde behaupte, werde gerade wegen dieser Erfahrung mit der Behörde bezweifelt. Dementsprechend habe das beklagte Land die geltend gemachten Kosten zu übernehmen. Die Gebührenberechnung selbst und die Gebührenhöhe seien von der Behörde nicht beanstandet worden.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist der Auffassung, im vorliegenden Fall habe es der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nicht bedurft. Es hatte aus der Sicht des Klägers ausgereicht, darauf hinzuweisen, dass die Dokumentation bereits übersandt worden sei.

Beide Beteiligte haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Dem Gericht liegen die die Dokumentationsvorlage betreffenden Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe vor. Sie waren Gegenstand der Beratung.

Gründe

Es konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da beide Beteiligte damit einverstanden sind (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die bei sachdienlicher Auslegung zunächst auf die Verpflichtung des beklagten Landes zur Erklärung der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig und in zweiter Linie auf Zahlung gerichtete Verpflichtungsklage ist zulässig (1.) und hat auch sachlich

Erfolg (2.).

1.

Der Kläger begehrt der Sache nach die Verpflichtung des beklagten Landes zur Erstattung der ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten; dementsprechend hat er schriftsätzlich im Klageantrag neben der Aufhebung des Ablehnungsbescheides des beklagten Landes vom 04.05.2000 unmittelbar die Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung eines bestimmten Geldbetrags begehrt. Bei sachgerechter Auslegung des Klageantrags (§ 88 VwGO; vgl. auch § 86 Abs. 3 VwGO) ist die Klage jedoch neben der Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 04.05.2000 als Verpflichtungsklage zunächst auf die entsprechende Feststellungsentscheidung gerichtet, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war; diese Entscheidung ist Rechtsvoraussetzung für die Geltendmachung (und Erstattung) von Gebühren und Ausgaben eines Rechtsanwalts (s. § 80 Abs. 2 LVwVfG u. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2000, Rn 56 zu § 80). Dass es sich bei der Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten um einen Verwaltungsakt handelt, der im Weg der Verpflichtungsklage nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO eingeklagt werden kann, ist anerkannt (s. BVerwG, NVwZ 1987, S. 489 u. NVwZ 1988, S. 727 und Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2000, Rn 56 zu § 80 m.w.N.); da eine solche Entscheidung nach der gesetzlichen Regelung des § 80 Abs. 3 S. 2 LVwVfG Teil der Kostenentscheidung eines Widerspruchsbescheids ist (s. auch § 73 Abs. 3 S. 2 VwGO), handelt es sich der Sache nach insofern um eine Verpflichtungsklage auf Ergänzung des (noch unvollständigen) Widerspruchsbescheids (s. dazu Kopp/Ramsauer, aaO, Rn 43 zu § 80, BVerwG, NVwZ 1988, aaO u. Odenthal, NVwZ 1990, S. 641). Der von der Behörde selbst als Widerspruchsbescheid bezeichnete Bescheid vom 24.11.1999 enthielt in Ziff. 3 des Ausspruchs zwar eine Kostenentscheidung (zu Lasten des Beklagten); eine Entscheidung über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nach § 80 Abs. 3 S. 2 LVwVfG war jedoch unterblieben. Die Tatsache, dass der Kläger gegen den Bescheid der Behörde vom 24.11.1999 - insbesondere gegen die Unvollständigkeit der Kostenentscheidung in Ziff. 3 dieses Bescheides - keine Klage erhoben hat, steht einer nachträglichen Geltendmachung, die Zuziehung eines Bevollmächtigten sei notwendig gewesen, nicht entgegen, da der bestandskräftig gewordene Bescheid insofern überhaupt noch keine Regelung getroffen hatte (vgl. dazu Odenthal, aaO, S. 642). Ohne rechtliche Bedeutung ist es auch, ob das von dem Kläger gegen beide Bescheide zunächst schon am 27.10.1999 und dann förmlich am 25.11.1999 eingeleitete Widerspruchsverfahren erforderlich d.h. das zutreffende Rechtsbehelfsverfahren war; die Rechtsmittelbelehrung zu diesen Bescheiden wies den Kläger  - jedenfalls hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzung und Gebührenfestsetzung im Bescheid 1 und hinsichtlich der Gebührenfestsetzung im Bescheid 2 - ausdrücklich auf den Widerspruch als Rechtsbehelf hin. Die Unrichtigkeit dieses Hinweises (s. § 6 a AGVwGO Baden-Württemberg) geht nicht zu Lasten des Klägers; sein Widerspruch gegen beide Bescheide war jedenfalls in dem im Bescheid vom 24.11.1999 dargelegten Umfang "erfolgreich", wie es § 80 Abs. 1 S. 1 VwVfG für eine Kostenerstattung voraussetzt (Kopp/Ramsauer, aaO, Rn 25 f. zu § 80), und eine (bestandskräftige) Kostengrundentscheidung zu Lasten des Beklagten (in vollem Umfang) liegt in der genannten Verfügung vor (Ziff. 3 der Verfügung vom 24.11.1999).

Die Klage scheitert nicht am grundsätzlichen Erfordernis eines Widerspruchsverfahrens (s. § 68 VwGO); ein Widerspruch gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 04.05.2000 und die dort enthaltene Ablehnung der Kostenerstattung war nicht erforderlich (s. § 6 a AGVwGO). Ob dies auch deswegen gilt, weil es sich der Sache nach um die noch ausstehende Ergänzung einer Widerspruchsentscheidung handelt (s. BayVGH, BayVBl. 1989, S. 757), kann offenbleiben.

Daneben begehrt der Kläger in zulässiger Weise die Verpflichtung des Beklagten zur unmittelbaren Kostenerstattung. Diese erfolgt zwar durch eigenständige Kostenfestsetzung, die ihrerseits die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung voraussetzt (s. § 80 Abs. 2 LVwVfG); eine Verbindung beider Begehren in einer Verpflichtungsklage ist jedoch in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 4 VwGO möglich (s. Kopp/Schenke, VwGO, 2000, Rn 177 zu § 113 mwN; s. auch die Nachweise bei Kopp/Ramsauer, aaO, Rn 56 zu § 80 VwVfG und Odenthal, aaO S. 642). Die Frage ist auch spruchreif, da insofern die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen maßgebend sind (s. Kopp/Ramsauer, aaO, Rn 50 zu § 80 VwVfG).

2.

In der Sache hat die Klage auch Erfolg; die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren war im vorliegenden Fall im Sinn von § 80 Abs. 2 LVwVfG "notwendig", so dass dem Kläger auch dem Grunde nach ein entsprechender Erstattungsanspruch für die Gebühren und Auslagen seines Rechtsanwalts zusteht (2.1.), und auch die geltendgemachte Höhe der Gebühren ist nicht zu beanstanden (2.2.).

2.1.

Wann die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren im Sinn von § 80 Abs. 2 LVwVfG  notwendig ist, ist eine je nach dem konkreten Fall zu entscheidende Rechtsfrage, die nach denselben Grundsätzen zu beantworten ist, wie sie für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Verwaltungsprozess entwickelt wurden (s. Kopp/Ramsauer, aaO, Rn 41 zu § 80). Danach ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen, nicht rechtskundigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (s. BVerwG, NJW 1978, S. 1988; BVerwG, NVwZ 1983, S. 346; weitere Nachweise bei Kopp/Schenke, VwGO, 2000, Rn 18 zu § 162). Nach herrschender Auffassung ist die Zuziehung eines Anwalts nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren notwendig, sondern entspricht vielmehr der Regel, da der Bürger nur in Ausnahmefällen in der Lage ist, selbst seine Rechte gegenüber der Verwaltung ausreichend zu wahren (zahlreiche Nachweise hierzu bei Kopp/Schenke, aaO, Rn 18 Fn 43). Außer der Schwierigkeit und dem Umfang der Sache ist daher auch die persönliche Sach- und Rechtskunde des Widerspruchsführers zu berücksichtigen, ebenso der Zeitpunkt der Bevollmächtigung (s. BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 612).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass dem Kläger die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren nicht kostenrechtlich anzulasten ist; sie war vielmehr sowohl aus tatsächlichen wie aus rechtlichen Gründen im Sinn von § 80 Abs. 2 LVwVfG "notwendig". Eine bloße telefonische Benachrichtigung des Klägers gegenüber dem Regierungspräsidium Karlsruhe, dass er die Unterlagen bereits übersandt hatte, hätte im vorliegenden Fall schon deswegen nicht ausgereicht, weil es nicht nur um den Patientenkreis ging, der im Bescheid 1 vom 21.10.1999 aufgeführt war; dem Kläger war zwischenzeitlich mit Bescheid 2 vom 22.10.1999 noch aufgegeben worden, für weitere vier Patienten entsprechende Unterlagen vorzulegen. Entscheidend kommt hinzu, dass im vorliegenden Fall die Bescheide 1 und 2 jeweils mit Zwangsmittelfestsetzungen und (erneuten) Zwangsmittelandrohungen verbunden waren; Bescheid 1 setzte das vorher durch einfaches Schreiben vom 04.10.1999 (allgemein, nicht jedoch für jeden einzelnen Patienten) angedrohte Zwangsgeld von DM 5.000,-- unter gleichzeitiger Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Vorlageverpflichtung für jeden einzelnen der vier Patienten fest und drohte erneutes Zwangsgeld an, und der Bescheid 2 war neben der (für sofort vollziehbar erklärten) Verpflichtung zur Vorlage der Unterlagen von vier weiteren Patienten von vorneherein mit einer Zwangsgeldandrohung verbunden. Es kam hinzu, dass der Kläger zu lediglich drei der vier in Bescheid 1 genannten Patienten Unterlagen vorgelegt hatte und auch vorlegen konnte, da in einem Fall eine Namensverwechselung eintrat, und dass der Bescheid 2 vier weitere Patienten betraf, für die eine Vorlage bisher nicht angeordnet war. Die hohen angedrohten und zum Teil auch festgesetzten Zwangsgeldbeträge (Bescheid 1: Festsetzung von 5.000,-- DM pro Patient, insgesamt also trotz insofern nicht ausreichender vorheriger Androhung DM 20.000,--, weitere Androhung in Höhe von DM 10.000,-- pro Patient in Bescheid 1, Androhung von je DM 5.000,-- Zwangsgeld in Bescheid 2), setzten den Kläger - wie es wohl auch von der Behörde beabsichtigt war - zusätzlich unter Druck. Hiervon abgesehen waren die beiden Bescheiden beigefügten Rechtsmittelbelehrungen fehlerhaft, unvollständig oder widersprüchlich, so dass dem Kläger zur Wahrung seiner materiellen Rechte und seiner Verfahrensrechte die Hinzuziehung eines Anwalts unbedingt geboten scheinen musste. Der Bescheid 1 (vom 21.10.1999) enthält zunächst eine Rechtsmittelbelehrung, die nicht diesen Bescheid, sondern das vorangegangene Schreiben vom 03.09.1999 betrifft (Zwangsgeldandrohung); insofern handelt es sich damit um eine "nachgeschobene" Rechtsmittelbelehrung im Rahmen eines anderen Bescheides. Was den Bescheid vom 21.10.1999 selbst angeht, so ist die ihn betreffende Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich Ziff. 2 und 4 unrichtig, da insofern wegen § 6 a AGVwGO nicht der Widerspruch, sondern unmittelbar Klage gegeben war; die Rechtsmittelbelehrung zu Ziff. 3 dieses Bescheides  (Zwangsgeldandrohung in Höhe von je DM 10.000,-- ) fehlt überhaupt. Hinsichtlich des Bescheides 2 (vom 22.10.1999) fehlt gleichfalls eine Rechtsmittelbelehrung zur Zwangsgeldandrohung (Ziff. 3), und die Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich Ziff. 4 (Gebührenfestsetzung) lautet entgegen § 6a AGVwGO auf "Widerspruch". Von einer einfachen Sach- oder Rechtslage, die ein Betroffener auch ohne Hinzuziehung eines Anwalts zu beurteilen vermag, kann aus diesen Gründen offensichtlich keine Rede sein, so dass ein entsprechender Erstattungsanspruch nach § 80 Abs. 2 LVwVfG dem Kläger dem Grunde nach zusteht.

2.2

Auch der Höhe nach ist der geltendgemachte Anspruch nicht zu beanstanden. Es ist zwar wohl davon auszugehen, dass dem Prozessbevollmächtigten die geltendgemachte Besprechungsgebühr nach § 118 Abs. 1 Ziff. 2 BRAGO nicht zusteht, da eine Besprechung (mit der Behörde) im Sinn dieser Vorschrift nicht stattgefunden hat, und auch einen eigenständigen Zinsanspruch sieht das geltende Recht für Kostenerstattungen nach § 80 LVwVfG nicht vor (vgl. Kopp/Ramsauer, aaO, Rn 57 mwN); die geltendgemachte Summe von DM 1.780,84 steht aber einschließlich des Betrags der Zinsforderung dem Kläger deshalb zu, weil bei der Gebührenberechnung von einem höheren Streitwert als den von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugrundegelegten (jeweils) DM 8.000,-- auszugehen ist.

Der Streitwert bezüglich des Bescheides 1 beträgt nach dem gerichtlichen Streitwertkatalog, der auch bei § 80 VwVfG zugrundezulegen ist (s. Kopp/Ramsauer, aaO, Rn 50 zu § 80 und BVerwG, DVBl 1990, S. 869), DM 40.400,-- (DM 20.000,-- festgesetztes Zwangsgeld, die gleiche Summe als Hälfte des angedrohten Zwangsgeldes und zuzüglich DM 400,-- Verwaltungsgebühr) und beim Bescheid 2 insgesamt DM 18.300,-- (DM 8.000,--betr. die Vorlageanordnung, DM 10 000.- betr. die Zwangsgeldandrohung von DM 20.000,-- DM und DM 300,-- betr. die Verwaltungsgebühr), so dass bei Zugrundelegung der sog. Mittelgebühr (7,5/10) zu § 118 BRAGO bereits die sog. Geschäftsgebühr ohne eine Besprechungsgebühr den verlangten Betrag ausschöpft (DM 1.008,80 betr. Bescheid 1 und DM 708,80 betr. Bescheid 2), jedenfalls dann, wenn man - wie es erforderlich ist (s. Kopp/Ramsauer, aaO, Rn 50 zu § 80) - den Mehrwertsteuersatz von 16 % hinzuzählt.

3.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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