VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.09.1998 - 8 S 1575/98
Fundstelle
openJur 2013, 10869
  • Rkr:

1. Daraus, daß ein Bebauungsplan am gleichen Tag ausgefertigt und bekanntgemacht wird, ergeben sich keine Konsequenzen für seine formelle Rechtmäßigkeit.

2. Die Ausweisung eines zu einer Streuobstwiese gehörenden Grundstücks als Fläche für die Landwirtschaft verstößt nicht deshalb gegen § 1 Abs 3 BBauG 1976/BauGB, weil es der Gemeinde nicht in erster Linie um die Sicherung und Förderung der Landwirtschaft geht, sondern die bestehende Nutzung des Grundstücks aus klimatologischen und ökologischen Gründen erhalten werden soll.

3. Dem Interesse eines Eigentümers an der Aufrechterhaltung der Bebaubarkeit seines Grundstücks kommt kein genereller Vorrang vor klimatologischen Belangen zu.

4. Eine zur Erhaltung einer Frischluftschneise getroffene Festsetzung verstößt nicht deshalb gegen den Grundsatz der Lastengleichheit, weil sie trotz ihrer Dritte begünstigenden Wirkung allein den Eigentümer des hiervon betroffenen Grundstücks belastet, wenn diese Festsetzung Folge der besonderen Situation ist, in der sich das Grundstück befindet.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Erteilung einer Baugenehmigung.

Die Kläger sind - in Form einer Erbengemeinschaft - Eigentümer des am westlichen Ortsrand von Esslingen-Wiflingshausen gelegenen Grundstücks Flst.Nr. 5290. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Wiflingshauser Straße" der Beklagten vom 26.9.1983, der das Grundstück Flst.Nr. 5290 sowie den nach Norden und Osten angrenzenden Bereich gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 18 BBauG als "Fläche für die Landwirtschaft (Streuobstwiesen)" ausweist. Das Grundstück befindet sich ferner im Geltungsbereich der Verordnung des Landratsamts Esslingen über das Landschaftsschutzgebiet Esslingen vom 16.7.1990.

Die Kläger beabsichtigen, ihr Grundstück mit einem Zweifamilienwohnhaus mit zwei Doppelgaragen zu bebauen. Der für dieses Vorhaben am 18.8.1994 gestellte Bauantrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 11.11.1994 abgelehnt. Die Beklagte begründete ihre Entscheidung damit, daß das Vorhaben mit der für das Grundstück getroffenen Festsetzung nicht zu vereinbaren sei. Die Festsetzung lasse nur solche Gebäude und bauliche Anlagen zu, die zur Landwirtschaft gehörten.

Gegen diese Entscheidung legten die Kläger am 6.12.1994 Widerspruch ein, über den bisher nicht entschieden worden ist.

Die Kläger haben am 7.7.1995 beim Verwaltungsgericht Stuttgart mit dem Antrag Klage erhoben, den Bescheid der Beklagten vom 11.11.1994 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über ihren Bauantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung haben sie geltend gemacht: Die für ihr Grundstück getroffene Festsetzung sei nichtig. Der BGH habe in dem vorangegangenen Rechtsstreit, der über das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs wegen der Aufhebung der bisher zulässigen Nutzung ihres Grundstücks durch den Bebauungsplan "Wiflingshauser Straße" geführt worden sei, ausgeführt, daß ein Bebauungsplan mangels Erforderlichkeit ungültig sei, wenn dort Flächen für land- und forstwirtschaftliche Nutzung nicht im Interesse der Förderung der Land- und Forstwirtschaft, sondern deshalb festgesetzt würden, um dadurch außerhalb der Land- und Forstwirtschaft liegende Ziele zu fördern. Das sei hier der Fall, da die für das vor Inkrafttreten des Bebauungsplans bebaubare und erschlossene Grundstück beschlossene Bausperre in Wirklichkeit aus ökologischen Gründen zur Freihaltung als Frischluftschneise verhängt worden sei. Dies zeige eindeutig die Vorlage des Stadtplanungsamts vom 1.9.1983. Die bauplanungsrechtliche Situation des Grundstücks beurteile sich somit nach § 34 BauGB. Nach dieser Vorschrift sei ihr Vorhaben zulässig, da es sich in die Eigenart der näheren Umgebung ohne weiteres einfüge. Auch die Erschließung sei gesichert, da das Grundstück über das benachbarte Grundstück Flst.Nr. 5288 von der Wiflingshauser Straße aus anfahrbar sei.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die für das Grundstück getroffene Festsetzung sei rechtswirksam. Die städtebauliche Konzeption und Zielsetzung des Bebauungsplans beruhe im wesentlichen auf dem Grünordnungsplan, dessen Darstellungen hinsichtlich der Belange des Landschaftsschutzes im Rahmen der Abwägung als wichtiger öffentlicher Belang gewertet worden seien. Die an Wiflingshausen angrenzenden Streuobstwiesen, zu denen das Grundstück der Kläger gehöre, seien auch aus diesem Grund als schützenswerte Grünbestände ausgewiesen worden. In die Planungskonzeption sei ferner ein klimatologisches Gutachten einbezogen worden, das den Bereich der Belzbachklinge als für die gesamte Stadt wichtige Kaltluftschneise bezeichne. Die Ausweisung des Grundstücks beruhe daher wesentlich auf der natürlichen Lage und Beschaffenheit des Grundstücks. Die Belange der seinerzeitigen Grundstückseigentümerin seien gesehen und in die Abwägung eingestellt worden. Eventuell entstehende Ansprüche wegen eines Planungsschadens seien dabei bewußt in Kauf genommen worden. Bei der getroffenen Festsetzung handle es sich auch nicht um eine unzulässige sogenannte Negativplanung. Eine solche läge nur dann vor, wenn die entsprechenden Festsetzungen nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entsprächen, sondern nur vorgeschoben wären, um eine andere Nutzung zu verhindern. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da die Ausweisung der betreffenden Fläche als Fläche für die Landwirtschaft voll und ganz ihrem planerischen Willen entspreche. Im übrigen sei die Errichtung baulicher Anlagen nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 der Landschaftsschutzverordnung vom 16.7.1990 erlaubnispflichtig. Eine Erlaubnis des Landratsamts Esslingen als untere Naturschutzbehörde liege nicht vor.

Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 6.2.1996 beantragt, die Rechtsvertreter ihrer Rechtsvorgängerin zum Rechtsstreit beizuladen, da sie der Ansicht sind, gegen sie im Falle eines ihnen ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Schadensersatzanspruch zu haben. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag mit Beschluß vom 5.9.1997 entsprochen. Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 7.10.1997 den Bescheid der Beklagten vom 11.11.1994 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Bauantrag der Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die gemäß § 75 VwGO als Untätigkeitsklage zulässige Klage sei begründet. Ob der Bebauungsplan wirksam ausgefertigt worden sei, obwohl die Ausfertigung erst am Tage der öffentlichen Bekanntmachung erfolgt sei, könne dahinstehen. Die für das Grundstück der Kläger getroffene Festsetzung sei jedenfalls deshalb ungültig, weil sie für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht erforderlich gewesen sei. Erforderlich im Sinn des § 1 Abs. 3 BBauG 1979 wäre die Festsetzung nur dann, wenn sie dem Ziel dienen würde, gerade die Landwirtschaft wegen besonderer Gegebenheiten zu sichern und zu fördern, nicht aber jegliche andere Nutzung zu verhindern. Bei der Förderung der Belange der Landwirtschaft könne es nicht darum gehen, planerisch eine mehr oder weniger auf jedem Grundstück in Betracht kommende landwirtschaftliche Betätigung im weitesten Sinn zu ermöglichen. Die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft sei unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit vielmehr nur dann zulässig, wenn das planerische Ziel wirklich und eigentlich darin bestehe, auf diese Weise Belangen der Landwirtschaft Rechnung zu tragen. Für eine dahingehende planerische Konzeption sei hinsichtlich des Grundstücks der Kläger nichts ersichtlich. Nach der Begründung des Bebauungsplans sei es bei der Festsetzung der Flächen für die Landwirtschaft vielmehr im wesentlichen um die Absicherung des für Wiflingshausen typischen Ort- und Landschaftsbildes, den Schutz der Grünbestände zum Zwecke der Erhaltung und Wiederherstellung des Belzbachs sowie die Erhaltung der Belzbachklinge als Frischluftschneise gegangen. Solche landespflegerischen Ziele könnten in einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 18a BauGB zwar grundsätzlich verfolgt werden. Bei der Einbeziehung des Grundstücks der Kläger in den Streuobstwiesenbereich sei es jedoch ausschließlich um die Verfolgung ökologischer Zwecke, insbesondere um die Frischluftzufuhr für die tiefer gelegenen Teile von Esslingen gegangen. Von anderen Belangen sei in den Vorlagen vom 1.9.1983 und 15.12.1982 nicht die Rede. Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Kläger beurteile sich deshalb nach § 34 BauGB, da die zur Bebauung vorgesehene Grundstücksfläche an dem Bebauungszusammenhang teilnehme, der von den an der Wiflingshauser Straße gelegenen Gebäuden Nr. 5 bis 15 gebildet werde. Der von der Beklagten behauptete Mangel der wegemäßigen Erschließung liege nicht vor. Das Grundstück könne auch über das benachbarte Grundstück Flst.Nr. 5288 angefahren werden. Die rechtliche Sicherung des Anfahrens könne durch Baulast oder Grunddienstbarkeit erfolgen. Im übrigen sei von den Zivilgerichten rechtskräftig festgestellt, daß das Grundstück erschlossen sei. Der nach § 34 BauGB grundsätzlich bestehenden Bebaubarkeit des Grundstücks könnten die Vorschriften der Landschaftsschutzverordnung vom 16.7.1990 nicht entgegengehalten werden.

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluß vom 16.6.1998 die Berufung zugelassen. Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. Oktober 1997 - 14 K 2862/95 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.

Sie macht geltend: Das Verwaltungsgericht halte die für das Grundstück der Kläger getroffene Festsetzung zu Unrecht für ungültig. Selbst wenn es bei der Ausweisung des Grundstücks als Fläche für die Landwirtschaft ausschließlich um ökologische Gründe gegangen sei, sei dies unschädlich, solange diese Festsetzung - wie hier - tatsächlich gewollt sei. Aus den Akten ergebe sich im übrigen eindeutig, daß es bei der Festsetzung auch darum gegangen sei, die bisherige Nutzung beizubehalten. Die hinsichtlich der Festsetzung vorgenommene Abwägung sei ebenfalls rechtmäßig. Die städtebauliche Konzeption des Plans beruhe im wesentlichen auf dem Grünordnungsplan, dessen Festsetzungen hinsichtlich der Belange des Landschaftsschutzes als wichtige öffentliche Belange gewertet worden seien. In die Konzeption sei ferner ein klimatologisches Gutachten einbezogen worden, das den Bereich der Belzbachklinge als für die gesamte Stadt wichtige Kaltluftschneise darstelle. Soweit das Verwaltungsgericht angenommen habe, daß einer nach § 34 BauGB bestehenden Bebaubarkeit eines Grundstücks die Vorschriften einer Landschaftsschutzverordnung schlechthin nicht entgegengehalten werden könnten, mißverstehe es die zitierte Entscheidung des BVerwG vom 24.2.1978 (BVerwGE 55, 272). Zwar habe das BVerwG ausgeführt, daß im Zusammenhang mit § 34 BBauG eigentumsinhaltsbestimmende Regelungen des Landschaftsschutzes außerstande seien, eine an sich zulässige Bebauung zu verhindern. Das gelte jedoch nicht für enteignungsrechtliche Landesvorschriften. Wie § 47 Abs. 2 NatSchG zeige, gehe der Landesgesetzgeber davon aus, daß durch Maßnahmen nach dem NatSchG die Grenzen einer zulässigen Inhaltsbestimmung überschritten werden könnten. Maßnahmen nach dem NatSchG könnten daher bei § 34 BauGB zu einem Verbot der Bebauung führen. Das Verwaltungsgericht habe weiter zu Unrecht die Sicherung der Erschließung bejaht. Das Argument, daß eine rechtliche Sicherung durch Grunddienstbarkeit oder Baulast erfolgen könne, gehe fehl, da § 4 Abs. 1 LBO es erfordere, daß die Zufahrt von der Straße her tatsächlich und rechtlich vorhanden sei und nicht nur hergestellt werden könne.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung das Grundstück der Kläger und seine nähere Umgebung besichtigt. Wegen des Ergebnisses des Augenscheins wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Behördenakten sowie die Akte des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die von ihnen begehrte Baugenehmigung, da ihrem Vorhaben die Festsetzungen des vom Verwaltungsgericht zu Unrecht für unwirksam gehaltenen Bebauungsplans "Wiflingshauser Straße" entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagen daher abweisen müssen.

1. Der von der Beklagten am 26.9.1983 beschlossene Bebauungsplan "Wiflingshauser Straße" weist das Grundstück der Kläger als Fläche für die Landwirtschaft mit dem Zusatz "Streuobstwiese" aus. Das auf dem Grundstück geplante Wohnhaus widerspricht dieser Festsetzung schon deshalb, weil es in keinerlei Beziehung zu einer landwirtschaftlichen Nutzung steht. Nach der Zweckrichtung, die die Beklagte mit der für das Grundstück getroffenen Festsetzung verfolgt, kann es im übrigen keinen Zweifel daran geben, daß mit ihr eine bauliche Nutzung schlechthin verboten werden sollte und nicht nur eine solche, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dient.

2. Entgegen der vom Verwaltungsgericht geteilten Ansicht der Kläger ist die für ihr Grundstück getroffene Festsetzung des Bebauungsplans wirksam.

a) An der Wirksamkeit dieser Festsetzung ist zunächst nicht deshalb zu zweifeln, weil der Bebauungsplan am gleichen Tag ausgefertigt und gemäß § 12 des damals noch geltenden BBauG in seiner Fassung vom 18.8.1976 bekannt gemacht worden ist. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (Beschl. v. 9.5.1996 - 4 B 60.96 -, UPR 1996, 311 = PBauE § 12 BauGB Nr. 16) darf allerdings die Ausfertigung eines Bebauungsplans nicht erst nach der ortsüblichen Bekanntmachung vorgenommen werden. Das BVerwG begründet dies damit, daß die Verkündung den Schlußpunkt des Rechtssetzungsvorgangs bilde und der Bebauungsplan nach § 12 S. 4 BauGB 1987 (= § 10 Abs. 3 S. 4 BauGB in seiner heute geltenden Fassung) mit der Bekanntmachung in Kraft trete; wie sich von selbst verstehe, könne der Plan die ihm durch diese Vorschrift vermittelte rechtliche Verbindlichkeit nur erlangen, wenn sämtliche aus dem Bundes- und Landesrecht folgenden Gültigkeitsbedingungen bis zu diesem Zeitpunkt erfüllt seien. Dieser Forderung ist jedoch auch dann genügt, wenn die Bekanntmachung an demselben Tag erfolgt, an dem der Plan ausgefertigt worden ist. Der Ansicht des 3. Senats des Verwaltungsgerichtshofs, daß die Ausfertigung eines Bebauungsplans unter dem Datum seines Inkrafttretens verspätet sei und zu einem Verkündungsmangel führe (Beschl. v. 25.1.1995 - 3 S 3125/94 -, VBlBW 1995, 402), vermag der erkennende Senat daher nicht zu folgen.

b) Die für das Grundstück der Kläger getroffene Festsetzung verstößt auch nicht gegen § 1 Abs. 3 BBauG.

Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts beruht auf der Annahme, daß die Festsetzung eines Grundstücks als Fläche für die Landwirtschaft nur dann für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich sei, wenn sie dem Ziel diene, gerade die Landwirtschaft wegen besonderer Gegebenheiten zu sichern und zu fördern. Dem ist nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht geht allerdings zu Recht davon aus, daß es der Beklagten bei der Ausweisung des Grundstücks der Kläger nicht um die Förderung der Landwirtschaft, sondern um andere Zwecke gegangen ist. So heißt es in der Begründung des Bebauungsplans (S. 7), daß dem Grünordnungsplan Wiflingshausen folgend insbesondere im Bereich des Belzbachs und der Belzbachklinge Pflanzgebote und Pflanzbindungen festgesetzt worden seien, um den Belzbach und sein Einzugsgebiet als Biotop für schützenswerte Tier- und Pflanzenarten zu erhalten bzw. wiederherzustellen, die Belzbachklinge und den darüberliegenden Hang als Frischluftschneise zu erhalten und neben der Sicherung und Verbesserung der Wasserqualität den Erholungs- und Erlebniswert des Belzbachs zu stärken. Nicht zuletzt deshalb seien die an Wiflingshausen angrenzenden Streuobstwiesen als landwirtschaftliche Grünflächen mit dem Zusatz "Streuobstwiesen" als schützenswerte Grünbestände belegt worden. In der Vorlage des Stadtplanungsamts an den Gemeinderat vom 15.11.1982 wird ferner zu den von der Rechtsvorgängerin der Kläger erhobenen Einwendungen gegen die beabsichtigte Ausweisung ihres Grundstücks als Fläche für die Landwirtschaft folgendes ausgeführt (S. 31f.): "Die Belzbachklinge ... funktioniert wie alle aus dem Schurwald herausführenden Tälchen als Frischluftleitbahn, die Kaltluft von den Höhen herabbringen und bis auf die Sohle des Neckartals herabführen, sofern sich ihr durch Bebauung keine Hindernisse in den Weg stellen. ... Das Grundstück Flst.Nr. 5290 liegt im Belzbachbereich. Aus ökologischen und städtebaulichen Gründen sowie zur Sicherung der Frischluftzufuhr aus dem Belzbach kann eine Überbauung dieses Grundstücks nicht erfolgen."

Die vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil vertretene Ansicht, daß das BauGB die Ausweisung eines Grundstücks als Fläche für die Landwirtschaft nur dann gestatte, wenn es der Gemeinde gerade um die Sicherung und Förderung der Landwirtschaft gehe, trifft jedoch nicht zu. In der Rechtsprechung des BVerwG (Beschl. v. 18.12.1990 - 4 NB 8.90 -, NVwZ 1991, 875 = PBauE § 1 Abs. 3 BauGB Nr. 3) ist vielmehr anerkannt, daß die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft auch der Unterstützung landespflegerischer Ziele dienen kann, wenn sie der Bewahrung einer vorhandenen landwirtschaftlichen Nutzung und dadurch zugleich der Vernetzung der Schutzgebiete dient. Die Erhaltung der landwirtschaftlichen Nutzung muß allerdings dem wirklichen planerischen Willen der Gemeinde entsprechen und darf nicht nur vorgeschoben sein, um eine andere Nutzung zu verhindern. Unter dieser Voraussetzung bestehen gegen die Ausweisung eines Grundstücks als Fläche für die Landwirtschaft auch dann keine Bedenken, wenn das Grundstück bisher in dieser Weise genutzt worden ist und die Gemeinde die bestehende Nutzung sowohl aus klimatologischen als auch aus ökologischen Gründen erhalten wissen will, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist.

c) Die Ausweisung des Grundstücks der Kläger als Fläche für die Landwirtschaft kann auch nicht als abwägungsfehlerhaft angesehen werden.

Nach § 1 Abs. 7 BBauG (= § 1 Abs. 6 BauGB) war die Beklagte verpflichtet, bei der Aufstellung des Bebauungsplans die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Diese Abwägung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist nach ständiger Rechtsprechung (grundlegend BVerwG, Urt. v. 5.7.1974 - 4 C 50.72 -, BVerwGE 45, 309 = PBauE § 1 Abs. 6 BauGB Nr. 3) gerichtlich nur darauf überprüfbar, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat, ob in sie an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden mußte, ob die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden ist und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht. Diesen Anforderungen ist im vorliegenden Fall genügt.

Wie sich aus den bereits zitierten Passagen aus der Begründung des Bebauungsplans sowie der Vorlage des Stadtplanungsamts vom 15.11.1982 ergibt, hat die Beklagte die umstrittene Festsetzung für das Grundstück der Kläger getroffen, weil sie zum einen die sich bis auf dieses Grundstück erstreckende Streuobstwiese aus ökologischen Gründen erhalten wissen wollte und weil sie zum anderen der Meinung war, daß das Grundstück aus klimatologischen Gründen von einer Bebauung freigehalten werden müsse. Sie war sich dabei bewußt, daß das Grundstück nach dem bis dahin geltenden Bebauungsplan "Wiflingshausen" bebaubar war und sie sich wegen der Aufhebung der Bebaubarkeit unter Umständen Schadensersatzansprüchen der damaligen Eigentümerin aussetzt. Sie hat dies jedoch wegen der Bedeutung der Belzbachklinge als Kaltluftschneise für das gesamte Stadtgebiet unterhalb von Wiflingshausen ausdrücklich in Kauf genommen und in diesem Zusammenhang auch hervorgehoben, daß der neue Bebauungsplan abweichend von dem geltenden Grünordnungsplan und den vorher eingeholten Gutachten eine Bebauung des benachbarten, seinerzeit ebenfalls der Rechtsvorgängerin der Kläger gehörenden Grundstücks Flst.Nr. 5288 weiterhin erlaube und somit bereits einen Kompromiß zugunsten der Grundstückseigentümerin darstelle. An diesen Überlegungen wird hinreichend deutlich, daß sich die Beklagte über die Problematik ihrer Planung im klaren war und sie auch die Bedeutung der von ihr berührten Eigentümerinteressen nicht verkannt hat.

Ihr kann ferner nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie im Rahmen ihrer Abwägung dem Belang des Klimaschutzes ein zu großes Gewicht beigemessen habe. Die sowohl in der Begründung des Bebauungsplans als auch in der Vorlage des Stadtplanungsamts vom 15.11.1982 angeführte besondere Bedeutung der Belzbachklinge als Frischluftschneise wird durch die von der Beklagten vor der Beschlußfassung über den Bebauungsplan eingeholten Gutachten in vollem Umfang gestützt. Bereits in dem geoökologischen Gutachten, das 1972 von einem Mitarbeiter des Geographischen Instituts der Universität Tübingen verfaßt wurde, wird auf die wichtige klimatologische Funktion der Täler auf der Schurwaldseite des Neckar für die Frischluftversorgung des Neckartals hingewiesen und betont, daß eine weitere Bebauung der Talsohlen und Unterhänge dieser Täler in Zukunft unbedingt unterbleiben müsse, da vor allem größere und quer zum Tal gerichtete Gebäude als Hindernisse auf die Luftströme wirkten. Das steht in voller Übereinstimmung mit dem von der Beklagten 1978 eingeholten klimatologischen Gutachten des Klimatologiedirektors a.D. Schwalb, das die Aufgabe hatte, der Beklagten in Auswertung einer Infrarot-Thermographie-Überfliegung über die klimatologische Situation in ihrem Stadtgebiet Aufschluß zu geben, um sie in ihrer Stadt- und Raumplanung zu unterstützen. Aus den Ergebnissen der Morgenüberfliegung hat der Gutachter geschlossen, daß die Frischluftzufuhr für das gesamte Stadtgebiet zur Zeit, also 1978, noch ausreichend sei. Auch er hat jedoch die Auffassung vertreten, daß an verschiedenen Stellen besondere Vorsicht geboten sei, um die Frischluftzufuhr nicht durch weitere Bebauung zu behindern. Dies gelte vor allem für das mittlere und untere Hainbachtal, zu dem die Belzbachklinge gehört.

Der Senat sieht keinen Anlaß, an den übereinstimmenden Ergebnissen beider Gutachten zu zweifeln, zumal die dort aufgezeigten klimatologischen Zusammenhänge durch das von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung übergebene, bei einer Abendbefliegung im August 1998 aufgenommene, Thermographiebild bestätigt werden, das deutlich die Wärmeunterschiede in dem fraglichen Bereich zeigt und damit Rückschlüsse auf den - dem Gefälle folgenden - Verlauf der Frischluftströme erlaubt. Einwendungen gegen die beiden Gutachten haben auch die Kläger nicht erhoben.

Der Senat geht daher mit der Beklagten davon aus, daß die Belzbachklinge als wichtige Frischluftschneise für die unterhalb von Wiflingshausen liegenden Stadtteile fungiert. Die der Empfehlung der Gutachter folgende Entscheidung der Beklagten, das Grundstück der Kläger von einer Bebauung freizuhalten, ist demgemäß nicht zu beanstanden. Wie der von dem Senat eingenommene Augenschein ergeben hat, wird der Talraum der Belzbachklinge bereits durch die im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Bebauungsplan vorhandene Bebauung erheblich eingeengt. Dies gilt insbesondere für das dem Grundstück der Kläger schräg gegenüberliegende Wohnhaus auf dem Grundstück Wiflingshauser Str. 13/2. Mit ihrer Entscheidung, trotz dieser Situation eine weitere Bebauung auf dem dem Grundstück der Kläger benachbarten Grundstück Flst.Nr. 5288 zuzulassen, ist die Beklagte daher in der Tat den Interessen der Rechtsvorgängerin der Kläger, der zu dieser Zeit beide Grundstück gehörten, ein erhebliches Stück entgegengekommen, was sie aber nicht dazu verpflichtete, eine Bebauung auch auf dem Grundstück Flst.Nr. 5290 zu gestatten. Daran wäre nur dann zu denken, wenn eine Bebauung dieses Grundstücks den Kaltluftabzug nicht zusätzlich in einer ins Gewicht fallenden Weise behindern würde. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Darstellung der Kläger, daß sich das von ihnen geplante Gebäude gewissermaßen im Windschatten des inzwischen erstellten Gebäudes auf dem Nachbargrundstück befände, hat sich beim Augenschein nicht bestätigt. Nach den topographischen Verhältnissen kann es vielmehr keinen Zweifel daran geben, daß durch ein solches Gebäude der Talraum zusätzlich verengt und insbesondere der in etwa senkrecht zu den Höhenlinien verlaufende Kaltluftabflußzug über den in nördlicher Richtung gelegenen Seitenhang erheblich behindert würde. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb veranlaßt, weil sich das Grundstück der Kläger oberhalb des unmittelbaren Bereichs der Talsohle befindet, da nach dem bereits erwähnten geoökologischen Gutachten ein ungestörter Kaltluftabzug auch eine Freihaltung der Unterhänge erfordert.

Das Ergebnis der von der Beklagten vorgenommenen Abwägung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Lastengleichheit. Dem steht nicht entgegen, daß die für das Grundstück der Kläger getroffene Festsetzung allein zu ihren Lasten wirkt, die mit ihr verfolgte Erhaltung der Frischluftschneise dagegen auch anderen Grundstückseigentümern zugute kommt. Angesichts der bei der Aufstellung des Bebauungsplans "Wiflingshauser Straße" vorgefundenen Situation war eine andere Lösung, mit der die Belastung auf einen größeren Kreis von Grundstückseigentümern hätte verteilt werden können, nicht (mehr) möglich. Der vorliegende Fall ist daher nicht mit den Fällen zu vergleichen, in denen die Gemeinde zum Bau einer Straße ohne sachlichen Grund nur die auf der einen Seite gelegenen Grundstücke in Anspruch nimmt, obwohl die Straße zur Erschließung der auf beiden Seiten gelegenen Grundstücke dient (vgl. zu einer solchen Konstellation: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.7.1990 - 8 S 104/90; BGH, Urt. v. 11.11.1976 - III ZR 114/75 -, BGHZ 67, 320). Die Entscheidung der Beklagten, das Grundstück der Kläger von einer Bebauung freizuhalten, ist vielmehr unter den gegebenen Umständen Ausdruck der besonderen Situation, in der sich dieses Grundstück befindet, und hält damit auch den sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen an eine gerechte Abwägung stand.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 S. 1 und 162 Abs. 3 VwGO.

Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Der Beschluß ist unanfechtbar.