VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.11.1996 - 4 S 1038/95
Fundstelle
openJur 2013, 10283
  • Rkr:

1. Im Sinne des § 29 Abs 2 SVG ist der Inbegriff "Verwendung als Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst" inhaltlich in enger Anlehnung an die Vorschriften zu bestimmen, die, wie § 53 Abs 1 SVG und § 53 Abs 1 BeamtVG, das Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Verwendungseinkommen betreffen. Es kann vernachlässigt werden, daß § 29 Abs 2 SVG nicht allein die Verwendung im öffentlichen Dienst voraussetzt, sondern auch die Verwendung als Beamter oder Arbeitnehmer anführt.

Für die Anwendung des § 29 Abs 2 SVG kommt es darauf an, ob zwischen den Vertragsparteien ein Abhängigkeitsverhältnis in unselbständiger Tätigkeit begründet worden ist (hier zur Beurteilung eines Beratervertrages).

Gründe

Diese Entscheidung ergeht nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluß gemäß § 130a VwGO. Der Senat hält die zulässige Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Zum Sachstand wird nach § 122 Abs. 2 S. 3 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Zu den Entscheidungsgründen wird unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ausgeführt:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Anspruch des Klägers, statt eines Teiles seines Ruhegehalts als Oberstleutnant a.D. eine Kapitalabfindung zu erhalten, stützt sich auf § 28f. SVG. Sein Anspruch scheitert aber an § 29 Abs. 2 SVG. Nach dieser Vorschrift darf eine Kapitalabfindung nicht gewährt werden, wenn der Soldat im Ruhestand wieder in die Bundeswehr eingestellt ist oder als Beamter oder Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst verwendet wird. Diese Regelung greift hier ein, da der Kläger im öffentlichen Dienst als Arbeitnehmer verwendet wird.

Der Inbegriff "Verwendung als Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst" ist inhaltlich in enger Anlehnung an die Vorschriften zu bestimmen, die, wie insbesondere § 53 Abs. 1 SVG und § 53 Abs. 1 BeamtVG, das Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Verwendungseinkommen betreffen. Die Kapitalabfindung stellt lediglich eine andere Art der Auszahlung der Versorgungsbezüge dar. Es ist daher gerechtfertigt, die Erzielung eines Einkommens aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst in allen Fällen nach gleichen Kriterien zu bestimmen, in denen es sich auf der Rechtsfolgenseite um die Einschränkung von Versorgungsansprüchen handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.3.1994, ZBR 1994, 314).

Es kann daher einerseits vernachlässigt werden, daß § 29 Abs. 2 SVG - anders als § 53 Abs. 1 BeamtVG - nicht allein eine Verwendung im öffentlichen Dienst voraussetzt, sondern im Wortlaut darüber hinaus die Verwendung als Beamter oder Arbeitnehmer anführt. Durch die Hinzufügung des Wortes Arbeitnehmer soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß insoweit nur die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis i.S. des Arbeitsrechtes angesprochen werden soll. Vielmehr genügt für die Anwendung des § 29 Abs. 2 SVG jedes Abhängigkeitsverhältnis, wie es auch für die Anwendung des § 53 Abs. 1 BeamtVG und verwandter Regelungen vorausgesetzt wird (BVerwG, Urteil vom 7.1.1980, ZBR 1980, 316).

Andererseits ist der Regelung des § 29 Abs. 2 SVG das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Erzielung eines Verwendungseinkommens hinzuzufügen (BVerwG, Urteil vom 10.3.1994, a.a.O.). Dabei kommt es für die Anwendung des § 29 Abs. 2 SVG auf die Höhe des Verwendungseinkommens nicht an. Während z.B. § 53 BeamtVG eine Anrechnung des Verwendungseinkommens auf die Versorgungsbezüge regelt, für die es auf die Höhe des Verwendungseinkommens ankommt, trifft § 29 Abs. 2 SVG eine pauschale Regelung, nach der die Erzielung eines Verwendungseinkommens ungeachtet seiner Höhe die Gewährung einer Kapitalabfindung schlechthin ausschließt. Das mag darauf zurückzuführen sein, daß es nicht praktikabel erschien, die Höhe der zulässigen Kapitalabfindung nach der Höhe des Verwendungseinkommens zu staffeln.

Nach den sonach zu berücksichtigenden, zu den versorgungsrechtlichen Ruhensvorschriften entwickelten Auslegungsgrundsätzen ist die Beratertätigkeit des Klägers in der öffentlichen Verwaltung im Beitrittsgebiet als Verwendung im öffentlichen Dienst einzuschätzen. Im Anschluß an die vorstehenden Ausführungen ist zunächst festzuhalten, daß es auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechtes nicht ankommt. Bereits von daher ist es unerheblich, daß sich die Parteien des der Beratertätigkeit des Klägers zugrundeliegenden Vertrages nach dessen § 1 Abs. 2 darüber einig sind, daß durch die Tätigkeit kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechtes begründet wird. Ferner kommt es für die Einschätzung, ob eine Verwendung im Sinne des § 29 Abs. 2 SVG vorliegt, auf die objektive Würdigung der gegebenen Verhältnisse und nicht darauf an, wie die Vertragsparteien die vertraglich begründeten Rechtsbeziehungen selbst einschätzen. Die genannte Vertragsbestimmung dürfte im übrigen nur zum Ausdruck bringen, daß die Vertragsparteien keine festen Bindungen mit den sich hieraus ergebenden Rechten und Pflichten, insbesondere kein Angestelltenverhältnis im Sinne des Bundesangestelltentarifvertrages, gewollt haben (BVerwG, Urteil vom 29.6.1970, ZBR 1970, 391). Dafür spricht insbesondere auch die nach § 8 vereinbarte Berechtigung der Vertragsparteien, das Beraterverhältnis jederzeit ohne Angabe von Gründen zu beenden.

Ferner ist im Anschluß an die vorstehenden Ausführungen festzuhalten, daß es auf die Höhe des aus der Beratertätigkeit erzielten Einkommens nicht ankommt. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auch auf die Regelungen des Personalstärkegesetzes Bezug nimmt, unter dessen Voraussetzungen er in den Ruhestand versetzt wurde, kann er hiermit auch deshalb nicht gehört werden, da sich die Regelungen dieses Gesetzes auf die Anwendung des § 29 Abs. 2 SVG nicht auswirken, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat.

Für die Anwendung des § 29 Abs. 2 SVG ist sonach allein darauf abzustellen, ob aufgrund des Beratervertrages zwischen den Vertragsparteien, die zugleich die Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits sind, ein Abhängigkeitsverhältnis begründet worden ist und ob die Beratungstätigkeit des Klägers demnach als unselbständige Tätigkeit einzuschätzen ist. Das ist zu bejahen; eine selbständige Tätigkeit, bei der der Kläger im begrifflichen Gegensatz zur unselbständigen Tätigkeit als freier Unternehmer tätig ist, ist auszuschließen.

Die Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit erfordert die Berücksichtigung sämtlicher Umstände der ausgeübten Tätigkeit und deren Gewichtung dahin, in welcher Form sie die zwischen den Vertragsparteien gegebenen Beziehungen prägen (BVerwG, Urteil vom 29.6.1970, a.a.O.). Dabei wird, wenn entgegenstehende Anhaltspunkte fehlen, davon auszugehen sein, daß die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit den vertraglich geregelten Beziehungen entspricht. In der Regel wird es darauf ankommen, daß der zu einer Leistung Verpflichtete über die vertragliche Festlegung des Leistungsgegenstandes hinaus zumindest hinsichtlich der Art und Weise seiner Tätigkeit den Weisungen des Leistungsempfängers unterworfen ist; ferner, daß dieser berechtigt ist, Zeit und Ort der Dienstleistung zu bestimmen. Im vorliegenden Fall folgt allerdings bereits aus der Natur der vom Kläger geschuldeten Beratertätigkeit, daß diese Elemente der beiderseitigen Rechtsbeziehungen nicht eindeutig einzuordnen sind. Es entspricht der Natur der Beratertätigkeit, daß die Aufgabenstellung durch den Auftraggeber erfolgt, während der Berater nicht nur Inhalt, sondern im wesentlichen auch Art und Weise seiner Beratertätigkeit selbst gestaltet. So sieht es auch § 2 des Beratervertrages vor. Die Erteilung und Befolgung eingehender Weisungen könnte insoweit die Beratertätigkeit verfälschen. Auch zu Zeit und Ort der Beratertätigkeit enthält der Vertrag keine ausdrücklichen Regelungen. Es wird davon auszugehen sein, daß der Kläger für schriftliche Ausarbeitungen in der Wahl von Ort und Zeit seiner Leistungserbringung frei ist; demgegenüber wird sich der Kläger für mündliche Beratungen in bezug auf Ort und Zeit nach den Wünschen des Auftraggebers zu richten haben.

Jedoch kann dies offenbleiben. Der Vertrag enthält andere Positionen, die den Kläger von der Stellung eines freien Unternehmers abrücken und so deutlich der Stellung eines Arbeitnehmers in einem Abhängigkeitsverhältnis annähern, daß seine Beratertätigkeit hierdurch als eine unselbständige Tätigkeit geprägt wird. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann allerdings nicht ohne weiteres auf die bürgerlich-rechtliche Unterscheidung zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag zurückgegriffen werden, da es auch Dienstverträge zur Leistung selbständiger Dienste gibt (Münchner Kommentar zum BGB, 2. A., § 611 RdNr. 42). Im einzelnen sprechen für eine unselbständige Tätigkeit des Klägers folgende Elemente (vgl. hierzu auch Soergel-Siebert, BGB, 10. Aufl., § 611 RdNr. 6): Erheblich ist zunächst die Frage der Risikoverteilung und die etwaige Tragung eines Unternehmerrisikos, die hier mit der Vergütungsgefahr wegen unverschuldeter Nichtleistung einherginge. In § 3 des Vertrages heißt es hierzu, daß der Anspruch auf Honorar entfällt, soweit die Beratertätigkeit nicht ausgeübt wird. Jedoch wird durch diese Regelung dem Kläger die unternehmertypische Vergütungsgefahr nur scheinbar auferlegt. Denn nach dem folgenden soll dies nicht bei krankheitsbedingter Verhinderung für einen Zeitraum bis zu sechs Wochen gelten. Damit ist dem Auftraggeber die für Arbeitnehmerverhältnisse typische Lohnfortzahlungspflicht auferlegt. In anderen Fällen der Nichtleistung verliert auch der Arbeitnehmer regelmäßig seinen Vergütungsanspruch. Hinzu kommt die einer Urlaubsregelung gleichkommende Regelung nach § 4 des Vertrages. Hiernach wird der Kläger 30 Werktage von seiner Beratertätigkeit unter Weiterzahlung der Geldleistung des Auftraggebers freigestellt. Gerade eine solche Regelung ist mit der Stellung eines selbständigen und freien Mitarbeiters nicht zu vereinbaren.

Es ist demnach festzuhalten, daß der Kläger durch die Zahlung eines monatlichen Honorars für die Inanspruchnahme seiner Arbeitskraft vergütet wird, ohne daß es in dem für Arbeitsverhältnisse typischen Umfang auf seine tatsächliche Arbeitsleistung ankommt (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 29.6.1970, a.a.O.). Er erhält sein Honorar auch unabhängig davon, in welchem Umfang seine Beratertätigkeit durch den Auftraggeber tatsächlich in Anspruch genommen wird. Ferner erhält er eine pauschalierte Aufwandsentschädigung, Reisekosten und Trennungsgeld. Besondere Bedeutung hat auch der Umstand, daß der Kläger nach dem Vertrag Anspruch auf Unfallfürsorgeleistungen sowie auf Beihilfe haben soll. Hierbei handelt es sich um Leistungen mit Fürsorgecharakter, die dazu bestimmt sind, das Lebensrisiko des Beamten oder Arbeitnehmers zu verringern. Dabei kann vernachlässigt werden, daß für die Beihilferegelung hier kein eigenständiger Anwendungsbereich verbleiben dürfte, da der Kläger als Soldat im Ruhestand ohnedies Anspruch auf Beihilfe hat und daß die vertragliche Bezugnahme auf die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen, wie sie auf Dienstreisen eines Beamten gegeben ist, nach den Beihilfevorschriften des Bundes, die eine dienstreisenbezogene Regelung nur für Auslandsdienstreisen kennt, nicht nachvollzogen werden kann. Jedenfalls können Unfallfürsorgeleistungen in entsprechender Anwendung der §§ 31f. BeamtVG nur auf der geregelten vertraglichen Grundlage erbracht werden, da der Kläger als Soldat im Ruhestand keinen Dienstunfall im Sinne des § 30 BeamtVG erleiden kann. Schließlich ist zu beachten, daß der Kläger nach § 9 des Vertrages im Falle von Pflichtverletzungen wie ein Beamter haftet. Damit wird die uneingeschränkte Haftung des selbständig Dienstleistenden aus Vertragsverletzung abgelöst durch eine für abhängige Dienstleistungsverhältnisse typische Haftung. Demgegenüber ist der vom Verwaltungsgericht herausgestellte Umstand zu vernachlässigen, daß die Auszahlung des Honorars des Klägers - wie bei Arbeitnehmern - unter Abzug anfallender Steuern erfolgen soll. Diese Vertragsbestimmung mag zwar die Vorstellung der Vertragsparteien wiedergeben, daß die Zahlung des Honorars den einschlägigen lohnsteuerrechtlichen Regelungen unterliege. Jedoch sind die Vorstellungen der Vertragsparteien auch insoweit nicht maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 29.6.1970, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 2 GKG.

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