VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.06.1996 - 8 S 113/96
Fundstelle
openJur 2013, 10098
  • Rkr:

1. Ein Gemeinderat, der seine Anwaltspraxis in einer Straße betreibt, deren spätere Verkehrsberuhigung zwar durch den Bau eines innerstädtischen Straßenbauvorhabens ermöglicht wird, für die es aber noch an einer eindeutigen Konzeption darüber fehlt, in welchem Umfang Verkehrsbeschränkungen im Zentrum erfolgen sollen, ist bei der Beschlußfassung über den das Straßenbauvorhaben betreffenden Bebauungsplan nicht wegen Befangenheit ausgeschlossen.

2. Die bloße Möglichkeit, daß ein Ingenieur im Falle des Beschlusses zugunsten des Straßenbauvorhabens als Subunternehmer einen Teilauftrag erhält, führt im Regelfall nicht zu seiner Befangenheit.

3. Eine Gemeinde ist nicht gehalten, Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung des Stadtzentrums, die durch den Bau einer Umgehungsstraße möglich werden, bereits vor Erlaß des Bebauungsplans zu beschließen; vielmehr kann sie darüber erst später - auch erst nach Errichtung der Straße und Beobachtung der dann zu gewinnenden Erfahrungen - entscheiden.

4. Ist der Bau einer öffentlichen Straße Gegenstand eines Bebauungsplans, so braucht die Gemeinde Vorkehrungen, die dem passiven Schallschutz für vorhandene bauliche Anlagen dienen, nur dann zu treffen, wenn Festsetzungen dieser Art ausnahmsweise erforderlich sind (wie BVerwG, Beschl v 17.5.1995 - 4 NB 30/94 -, UPR 1995, 311).

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan "M./S." der Antragsgegnerin vom 20.07.1995. Hauptgegenstand der Planung ist der Bau einer teilweise überdeckten Straße im Süden des Stadtkerns von E., durch den eine Verkehrsberuhigung insbesondere der M. straße und der S.straße im Zentrum erreicht werden soll. Das Straßenbauvorhaben besteht aus der Südtangente von der Kreuzung M. straße/D. Straße im Westen (in der Nähe der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Bundesstraße ... - Westtangente -) zur N. Straße im Osten (die als Landesstraße ... zur Autobahn A führt) sowie einer Querspange zur sogenannten ...-Kreuzung (O. Straße/S./S.). Im übrigen setzt der Bebauungsplan - weitgehend dem vorhandenen Bestand entsprechend - mehrere Flächen für den Gemeinbedarf, Mischgebiete und Wohngebiete fest.

Der Antragsteller ist Eigentümer von im Geltungsbereich des Bebauungsplans liegenden zusammenhängenden Grundstücken (F.gasse 9 und 9a). Auf ihnen befinden sich u.a. das denkmalgeschützte Wohnhaus, ein weiteres kleineres Gebäude, ein Schwimmbad sowie größere Gartenflächen, von denen ca. 50 m2 vom Straßentunnel der Südtangente unterfahren werden sollen; während der Bauarbeiten wird ein Bereich von ca. 90 qm in Anspruch genommen. Im übrigen sieht der Bebauungsplan auf den Grundstücken des Antragstellers zwei Baufenster vor, die den vorhandenen Bestand deutlich überschreiten.

Dem Bebauungsplan liegt im wesentlichen folgendes Verfahren zugrunde: Am 22.11.1990 beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin unter gleichzeitiger Aufhebung früherer Aufstellungsbeschlüsse die Aufstellung des Bebauungsplans. Eine Bürgerversammlung fand am 07.05.1991 statt. Am 20.10.1994 beschloß der Gemeinderat, den Bebauungsplan auszulegen. Eine erneute Auslegung wurde am 12.04.1995 beschlossen. Gegen den Bebauungsplan brachten zahlreiche Bürger Anregungen und Bedenken vor. Dabei wurde u.a. die grundsätzliche Notwendigkeit einer Südtangente an dieser Stelle unter verschiedenen Gesichtspunkten bezweifelt. Ferner wurde auf die erheblichen Auswirkungen auf einzelne Grundstücke und die betroffenen sozialen Einrichtungen (Krankenhaus, Schulen, Kindergärten etc.) hingewiesen. Auch der Antragsteller wandte sich unter Hinweis auf die zu erwartenden erheblichen Belastungen für seine Grundstücke F.gasse 9 und 9/1 gegen das Straßenbauvorhaben. Besondere Beeinträchtigungen gingen auch von der (nicht überdeckten) Querspange, dem Verkehr auf der F.gasse zu der geplanten Sporthalle sowie von dem vorgesehenen Parkierungsbauwerk aus. Insgesamt schränke der Bebauungsplan die bisherigen Nutzungsmöglichkeiten der beiden Grundstücke in einer Weise ein, die auf Dauer ein Bewohnen und eine Nutzung des Gartens als Außenwohnbereich in der bisherigen Weise unmöglich mache. Damit erwiesen sich auch die über Jahrzehnte getätigten Investitionen in das denkmalgeschützte Gebäude im nachhinein als nutzlos. Die Ortsbausatzung der Antragsgegnerin habe für sein Grundstück "Landhausgebiet" festgesetzt. Demgegenüber werde nunmehr nahezu das gesamte Areal als nicht bebaubar eingestuft. Damit sei ihm jede Möglichkeit sinnvoller Ausbaumaßnahmen, auch unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes, genommen. Durch die Untertunnelung eines Teils des Grundstücks (ca. 50 m2) müsse mit dem Verlust von Bäumen gerechnet werden; auch dürfe die aus Naturstein hergestellte Mauer nicht mehr erneuert werden. Angesichts der beabsichtigten Grundwasserabsenkung sei mit statischen Schäden an den beiden Gebäuden zu rechnen.

Die Antragsgegnerin trug den Anregungen des Antragstellers insoweit Rechnung, als die Baufenster der Gebäude F.gasse 9 und 9/1 vergrößert wurden und das Gartenhaus sowie die Garagen ebenfalls ein Baufenster erhielten. Für die Grundstücke wurde ein allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Ferner wurde im Text neu festgesetzt, daß die bestehenden Mauern wieder ersetzt werden können. Im übrigen hielt die Antragsgegnerin an ihrer grundsätzlichen planerischen Konzeption mit der Begründung fest, ein Verschieben der Trasse in südlicher Richtung hätte stärkere Eingriffe in private Bereiche - allerdings an anderer Stelle - verursacht (vgl. Sitzung des Gemeinderats vom 12.04.1995). Nach der erneuten Auslegung des Bebauungsplanentwurfs trug der Antragsteller ergänzend vor, von den nunmehr vergrößerten Baufenstern auf seinem Grundstück sei das Schwimmbad (neben dem Gartenhaus) ausgenommen, obwohl es eine bauliche Anlage darstelle. Dort wäre durchaus Platz für eine ersatzweise Wohnbebauung. Auch sei eine Reduzierung der baulichen Nutzung auf das festgesetzte Maß nicht erforderlich. Ferner sei nicht nachvollziehbar, warum die Lärmbelästigung die zulässigen Werte für ein allgemeines Wohngebiet in allen Stockwerken einhalten solle. Bei der Berechnung sei schon jetzt zu berücksichtigen, daß an der Kreuzung F.gasse/Querspange eine Ampelanlage notwendig sein werde, was zu einer entsprechenden Erhöhung des Lärmpegels führen werde. Schließlich sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich, da die Straße praktisch die Funktion einer Landesstraße übernehmen solle.

Hierzu führte die Antragsgegnerin aus, das Schwimmbad sei nachrichtlich in den Bebauungsplan übernommen worden; eine Überbauung werde aus Gründen des Gesamtensembles nicht für möglich und nicht für richtig gehalten. Die festgesetzten Nutzungsziffern (GRZ 0,2 und GFZ 0,4) entsprächen annähernd den tatsächlichen Möglichkeiten der Überbauung. Durch das Heranrücken der Lärmschutzwände an die Straße habe sich der Lärmschutz auf dem Grundstück des Antragstellers verbessert. Im Falle einer später erforderlich werdenden Ampelanlage bei der Einmündung der F.gasse in die Querspange erhöhe sich der Lärmpegel um 1 dB (A). Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht erforderlich, da es sich um eine Ortsstraße handle. (vgl. Sitzungsvorlage zum 20.07.1995). In seiner Sitzung vom 20.07.1995 beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin, die Bedenken, Anregungen und Hinweise entsprechend der Verwaltungsvorlage zu beachten bzw. abzuweisen. Dabei wurde auch beschlossen, die Einmündung der F.gasse in die Querspange um 9 m in Richtung Norden zu verschieben. In derselben Sitzung wurde der Bebauungsplan als Satzung beschlossen. Das Regierungspräsidium S. teilte mit Schreiben vom 21.12.1995 mit, eine Verletzung von Rechtsvorschriften werde nicht geltend gemacht; die öffentliche Bekanntmachung erfolgte am 05.01.1996.

Der Antragsteller hat am 10.01.1996 das Normenkontrollverfahren eingeleitet. Er beantragt,

den Bebauungsplan "M./S." der Stadt E. vom 20.07.1995 für nichtig zu erklären.

Zur Begründung trägt er vor, der Bebauungsplan leide an verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Fehlern. Der Satzungsbeschluß vom 20.07.1995 sei unter Mitwirkung zweier befangener Gemeinderäte ergangen. Zum einen habe Rechtsanwalt B. an der Sitzung teilgenommen, obwohl er im Gebäude S.straße 35 seine Anwaltspraxis betreibe und durch den Ausbau der Südtangente und die Verkehrsberuhigung in der S.straße einen unmittelbaren Vorteil habe. Ferner habe Dipl.-Ing. R. mitgewirkt, obwohl von vorneherein anzunehmen gewesen sei, daß er einen Subunternehmerauftrag für statische Leistungen von dem in erster Linie beauftragten S.er Ingenieurbüro erhalten werde. Denn dieses Büro verfüge nicht über einen Statiker und ihm sei zur Auflage gemacht worden, in erster Linie ortsansässige Büros zu beauftragen. Herr R. sei bei allen städtischen Bauten und praktisch allen sonstigen Vorhaben, auf welche die Antragsgegnerin in irgendeiner Form einen Einfluß gehabt habe, zum Zuge gekommen. Der Vorteil ergebe sich auch unmittelbar aus dem Vollzug des Bebauungsplans. Ferner sei der Bebauungsplan nicht gemäß § 3 Abs. 2 BauGB ausgelegt worden. In der Bekanntmachung vom 15.04.1995 habe es geheißen, die Unterlagen könnten auf dem Baurechtsamt E., S.straße 4, Zimmer 134 eingesehen werden. In diesem Zimmer hätten jedoch keine Pläne aufgelegen. Auf seine Rückfrage sei ihm vielmehr mitgeteilt worden, daß die Pläne im Foyer ausgehängt worden seien, und ihm sei nur ein verkleinertes Exemplar des Plans ausgehändigt worden. Außerdem sei § 8 Abs. 2 BauGB verletzt. Die Begründung im Bebauungsplan, der Flächennutzungsplan weise bereits die generelle Trasse der Südtangente als Verkehrsfläche aus, sei irreführend, da die jetzt festgesetzte Straße nicht der Erschließung des Baugebiets sondern dem Durchgangsverkehr dienen solle und das gesamte Gebiet daher einen völlig anderen Charakter erhalte. Außerdem solle das Verkehrskonzept für die Beruhigung der Innenstadt erst später beschlossen werden; dies hätte jedoch bereits vor dem Bebauungsplan erfolgen müssen. Bei der Aufstellung des Bebauungsplans sei ferner ignoriert worden, daß für Teile des Geltungsbereichs die Ortsbausatzung der Antragsgegnerin vom 13.04.1939 bestanden habe. Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren 5 S 2048/81 angenommen, daß diese mangels ordnungsgemäßer öffentlicher Bekanntmachung nicht wirksam sei. Inzwischen habe aber herausgefunden werden können, daß die Bekanntmachung seinerzeit doch ordnungsgemäß vorgenommen worden sei. Ferner fehle es an einer Umweltverträglichkeitsprüfung, die jedoch erforderlich sei, da eine Straße geplant werde, die den Charakter einer Durchgangsstraße, also Landesstraße besitze und der Bebauungsplan das Planfeststellungsverfahren ersetzen solle. Der Bebauungsplan verstoße ferner aus mehreren Gründen gegen das Abwägungsgebot. Die Antragsgegnerin habe sich unter Zeitdruck gesetzt, um mit einem Baubeginn vor dem 31.12.1995 noch den Fördersatz von 80% nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz zu sichern. Andere Möglichkeiten, den Verkehr weiträumig anders zu lenken, seien nicht hinreichend in die Abwägung eingestellt worden. Insbesondere hätte es nahegelegen, die Nordtangente stärker in den Verkehr einzubinden, um den in der Innenstadt besonders lästigen Durchgangsverkehr, insbesondere den Schwerverkehr, dorthin umzuleiten. Hierfür hätte u.a. die Kreuzung zwischen der L ... und der Kreisstraße K ... (früher 3216) weiter ausgebaut werden müssen; hiergegen habe sich die Antragsgegnerin jedoch ausgesprochen. Bereits 1989 habe er in einem Expose verschiedene Vorschläge unterbreitet, zu denen der Bau einer weiträumigen Umgehungsstraße zähle. Die hierzu von der Antragsgegnerin stets gegebene Begründung, eine solche Umgehung würde nicht zu der gewünschten Entlastung der Innenstadt führen, weil die Verkehrsteilnehmer den kürzeren Weg durch die Innenstadt bevorzugten, sei fehlerhaft, da unterlassen werde, verkehrsbeschränkende Maßnahmen in Erwägung zu ziehen, die es ermöglichten, den Verkehr dorthin zu lenken, wo man ihn haben wolle. Mit der jetzt vorgesehenen Südtangente werde in Wahrheit eine Landesstraße geplant, die in Zukunft auch noch weiteren Verkehr anziehen werde; dadurch würden die Vorschriften des Straßengesetzes umgangen. Auch spekuliere die Antragsgegnerin offenkundig darauf, daß später ein Rechtsanspruch auf Umstufung bestehe. Damit werde unter dem Deckmantel einer Ortsstraße eine Landesstraße gebaut, die in das betroffene Gebiet nicht hinein gehöre. Ferner seien die schwerwiegenden Eingriffe und Beeinträchtigungen privater Belange teils überhaupt nicht, teils falsch gewichtet worden. Er selbst habe im Vertrauen auf die planerische Festsetzung in der Ortsbausatzung (Landhausgebiet) erhebliche Investitionen für die Unterhaltung, den Ausbau, die Modernisierung und die Vergrößerung seines Anwesens getätigt, die sich jetzt im nachhinein als sinnlos erwiesen. Die Villa F.gasse Nr. 9 sei als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung gemäß § 12 DenkmalschutzG in das Denkmalbuch eingetragen. Die jetzt vorgesehene Planung würde dem Anwesen den Charakter eines ausschließlich für gehobene Wohnzwecke dienenden Objekts nehmen. Entgegen einer Bemerkung des Bürgermeisters bei einer Anhörung lägen seine Grundstücke im Innenbereich bzw. im Geltungsbereich der Ortsbausatzung. Auch die jetzt getroffene Festsetzung mit einem beschränkten Baufenster, einer GRZ von 0,2 und einer GFZ von 0,4 laufe praktisch darauf hinaus, ihm eine private Grünzone aufzuerlegen. An der Südostecke seines Grundstücks solle ein Areal von ca. 50 m2 dauerhaft und 90 m2 vorübergehend in Anspruch genommen werden. Zumindest während der Bauzeit, aber auch Jahre danach, seien weite Teile seines Grundstücks nicht oder nur noch sehr eingeschränkt nutzbar. Ferner sei bei dem im wesentlichen im 18. Jahrhundert errichteten Gebäude mit statischen Schäden zu rechnen; auch wenn zwischenzeitlich eine Beweissicherung stattgefunden habe, sei es schon eine Zumutung, einem solchen Risiko ausgesetzt zu werden. Eine ganz entscheidende Beeinträchtigung finde ferner durch Lärmimmissionen und Abgasimmissionen statt. In einem ersten Lärmgutachten vom 31.3.1994 seien die nach der 16. BImSchV zulässigen Werte im Dachgeschoß des Gebäudes F.gasse 9 überschritten gewesen, wogegen sie im jetzt vorliegenden Gutachten vom 29.3.1995 angeblich eingehalten seien. Rechnerisch solle dies durch ein Heranrücken der Lärmschutzwand an die Fahrbahn gewährleistet sein. In Wirklichkeit sei bei der Berechnung jedoch unberücksichtigt geblieben, daß die Kreuzung F.gasse/Querspange zumindest später aus Sicherheitsgründen eine Ampel erhalten müsse, so daß mit einer weiteren Erhöhung um 2 dB (A) zu rechnen sei. Im übrigen stehe zu erwarten, daß der Verkehr in Zukunft stärker zunehmen werde, als dies den Prognosen zugrundegelegt worden sei. Außerdem seien die Möglichkeiten einer transparenten Überdachung oder von die Straße überwölbenden Lärmschutzwänden nicht geprüft worden. Schließlich hätte auch auf die Errichtung der Querspange ganz verzichtet werden können. Diese führe nämlich dazu, daß sein Grundstück von allen vier Seiten einer Lärmbeeinträchtigung ausgesetzt werde. Dabei trete hinzu, daß an der F.gasse auch noch eine Großsporthalle mit drei Feldern sowie eine Reihe von Parkplätzen entlang der F.gasse geplant werde, so daß das Gebiet endgültig seinen Charakter als Landhausgebiet/reines Wohngebiet verliere. Insgesamt handle es sich somit um einen enteignungsgleichen Eingriff in sein Privateigentum. Ferner würden durch die Trasse zahlreiche andere Grundstücke, darunter ein Kinder- und Jugenddorf, ein Altenheim, ein Krankenhaus, eine Altenwohnanlage, ein Kindergarten, Schulen und Privatgebäude betroffen. Bei der Altenwohnanlage auf dem sog. E. Grundstück hätten sich die Erwerber sogar privatrechtlich gegen Zahlung einer Konventionalstrafe verpflichten müssen, keine Einwendungen gegen die Planung der Südtangente zu erheben sowie diese Verpflichtung auf die Erwerber weiter zu übertragen. Auch andere öffentliche Interessen seien erheblich betroffen; beispielsweise könne keine Rede davon sein, daß der Fußgängerbereich S. künftig noch eine Oase der Ruhe bleibe, da dort der Anliegerverkehr zunehmen werde. Insgesamt könne ein derartiges Verkehrsvorhaben nicht dem Wohl der Allgemeinheit entsprechen. Im übrigen hätte gemäß Art. 14 Abs. 3 GG bereits im Bebauungsplan eine Entschädigung vorgesehen werden müssen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Keiner der vom Antragsteller genannten Gemeinderäte sei befangen gewesen. Rechtsanwalt B. habe keinen unmittelbaren Sondervorteil dadurch, daß die von ihm außerhalb des Planbereichs angemieteten Praxisräume bei einer Verkehrsberuhigung der S.straße nach der Verwirklichung der Südtangente besser nutzbar sein könnten. Er teile die Verbesserung der allgemeinen Verkehrssituation in der Innenstadt mit der Allgemeinheit und sei damit nur als Mitglied "einer Bevölkerungsgruppe" im Sinne des § 18 Abs. 3 S. 1 GemO berührt. Auch Stadtrat R. sei nicht befangen gewesen, denn er habe sich weder im Verlauf des Bebauungsplanverfahrens noch anschließend um einen Auftrag im Zusammenhang mit möglichen Bauvorhaben bei Verwirklichung des Bebauungsplans beworben noch einen solchen erhalten. Es treffe auch nicht zu, daß sein Büro bei städtischen Bauvorhaben generell oder überwiegend zum Zug käme. Im übrigen handle es sich allenfalls um mittelbare Folgen des Bebauungsplans. Auch die Auslegung des Plans sei ordnungsgemäß erfolgt. Für die Bezeichnung der Dienststelle genüge die Ortsbezeichnung und Straßenbezeichnung; die Angabe des Zimmers sei nicht erforderlich. Im übrigen hätten in dem angegebenen Zimmer die ausgelegten Unterlagen eingesehen werden können; lediglich farbige Zweitfertigungen der Pläne seien zusätzlich im Foyer des Rathauses für jedermann zugänglich ausgehängt worden. Der Bebauungsplan sei auch aus dem Flächennutzungsplan entwickelt. In diesem sei die Südtangente als südliche Verbindung zwischen dem innerorts verlaufenden Teil der L ... (N. Straße) und der Kreuzung M. straße/W.straße dargestellt. Dieser "generellen" Darstellung entspreche der Trassenverlauf der jetzt durch Bebauungsplan festgesetzten Verkehrsfläche. Im übrigen bräuchten örtliche Straßen im Flächennutzungsplan nicht dargestellt zu werden. Eine vorzeitige Festlegung habe nicht stattgefunden; der Fördersatz von 80% nach dem GVFG sei nicht von einem Baubeginn vor dem 31.12.1995 abhängig gewesen. Im übrigen habe der Gemeinderat alle alternativen Trassenvarianten umfassend und detailliert untersucht und abgewogen. Sämtliche vom Antragsteller vorgebrachten Argumente seien auch bereits während der Planaufstellung erörtert worden. Der Gemeinderat habe sich mit ihnen in seiner Sitzung vom 12.04.1995 eingehend auseinandergesetzt. Die Antragsgegnerin folge auch weiterhin nicht der Argumentation, mit der vorliegenden Planung der Südtangente werde in Wahrheit eine Landesstraße geplant, die nur aus Gründen des Zuschusses als Ortsstraße etikettiert worden sei. Dagegen spreche auch, daß 88% des Gesamtverkehrsaufkommens Zielverkehr und Quellverkehr bzw. Binnenverkehr seien. Daran werde sich nach dem Generalverkehrsplan und den übrigen Gutachten auch in Zukunft nichts ändern. Selbstverständlich hätte sie nichts dagegen einzuwenden gehabt, wenn das Land diese Straße auf eigene Kosten gebaut hätte; dies sei jedoch nie beabsichtigt gewesen. Auch die privaten Belange des Antragstellers seien angemessen in die Abwägung eingeflossen. Die Bebaubarkeit des Grundstücks F.gasse 9 werde durch den Bebauungsplan nicht eingeschränkt, sondern rechtlich abgesichert. Entgegen den Vorstellungen des Landesdenkmalamts seien die Baufenster auf Antrag der Gebäudeeigentümer sogar vergrößert worden. Ein Pumpversuch habe ergeben, daß eine Beschädigung des Gebäudes durch Absenken des Grundwassers nicht zu erwarten sei. Im übrigen seien Fragen der Bauausführung für den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis ohne Bedeutung. Die Lärmrichtwerte nach der 16. BImSchV seien nach dem Gutachten vom 28.03.1995 eingehalten. Insbesondere aufgrund des Heranrückens der Lärmschutzwände an die Straße habe sich der Lärmschutz zugunsten des Grundstücks des Antragstellers verbessert. Bei einer eventuellen Einrichtung einer Ampel bei der Einmündung der F.gasse in die Querspange erhöhe sich nach dem Gutachten der Lärmpegel um 1 dB; dies sei im Lärmschutzgutachten bereits berücksichtigt. Ein Verzicht auf die Querspange hätte im übrigen dazu geführt, daß eine wirksame Entlastung der gesamten Sch.vorstadt nicht mehr möglich wäre. Auch diese Frage sei im Gemeinderat eingehend erwogen worden. Entgegen der Darstellung des Antragstellers handle es sich bei der dreiteiligen Schulturnhalle nicht um eine "Großsporthalle", sondern um ein seit langem geplantes Ergänzungsbauwerk zu beiden Schulen. Im südlichen Bereich der F.gasse würden ca. 20 Parkplätze angelegt, die zur Andienung für das Personal bestimmt seien, während andererseits einige vorhandene Parkplätze entfielen. Ein "enteignungsgleicher Eingriff" in das Eigentum des Antragstellers liege nicht vor. Auch die vom Antragsteller hervorgehobenen Belange anderer Grundstückseigentümer seien vom Gemeinderat angemessen in die Abwägung einbezogen worden. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht erforderlich gewesen, da es sich nicht um den Bau oder die Änderung einer Landesstraße handle. Gleichwohl sei eine Untersuchung durchgeführt worden, die inhaltlich sowohl den Anforderungen an eine Umweltverträglichkeitsprüfung als auch der Regelung in § 8a BNatSchG genüge. Allerdings sei - entsprechend der Auffassung des erkennenden Senats - § 8a BNatSchG vorliegend nicht einschlägig, da es sich um Innenbereich handle; das Gebiet sei, wenn auch zum Teil locker, so doch vollständig bebaut. Dennoch habe die Antragsgegnerin einen Grünordnungsplan nach Maßgabe der Richtlinien des Umweltministeriums erstellt, dem eine umfassende Analyse und Bewertung des Landschaftsraums mit Rücksicht auf die gebotenen Arten und den Biotopschutz, den Wasserhaushalt, das Landschaftsbild, den Bodenschutz, Klima/Luftqualität/Lärm vorausgegangen seien. Die zuständigen Fachbehörden und Verbände hätten dem Vorhaben uneingeschränkt zugestimmt, insbesondere, weil die Straße weitgehend untertunnelt geführt werde. Den Eigentümern und Bewohnern des Altenwohnheims auf dem E. Grundstück sei nicht das Recht abgeschnitten worden, Bedenken und Anregungen zu erheben. Die Antragsgegnerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, im Rahmen des Bebauungsplans eine Entschädigungsregelung vorzusehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Akten der Antragsgegnerin sowie die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Der Senat hat außerdem einen Augenschein eingenommen.

Gründe

Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Der Bebauungsplan leidet nicht an einem zu seiner Nichtigkeit führenden Verfahrensfehler.

1.1 Insbesondere hat nicht ein Gemeinderat mitgewirkt, der wegen Befangenheit ausgeschlossen war, weil ihm die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann (§ 18 GemO). Die Frage, ob ein die Mitwirkung ausschließendes individuelles Sonderinteresse vorliegt, kann nicht allgemein, sondern nur aufgrund einer wertenden Betrachtungsweise der Verhältnisse des Einzelfalls entschieden werden. Dabei ist davon auszugehen, daß - erstens - jeder individualisierbare materielle oder immaterielle Vorteil oder Nachteil zu einer Interessenkollision in dem hier maßgeblichen Sinn führen kann, daß es - zweitens - nicht darauf ankommt, daß die Interessenkollision tatsächlich besteht und schließlich daß - drittens - der Eintritt eines Sondervorteils oder Nachteils aufgrund der Entscheidung konkret möglich, d.h. hinreichend wahrscheinlich ist (vgl. das Urt. des erk. Gerichtshofs vom 18.3.1993 - 1 S 570/92 - ESVGH 43, 188 = DÖV 1993, 1098). Ein Ausschlußgrund liegt andererseits nicht vor, wenn "die Entscheidung nur die gemeinsamen Interessen einer Berufsgruppe oder Bevölkerungsgruppe berührt" (§ 18 Abs. 3 GemO). Ein derartiges individuelles Sonderinteresse wird bei der Entscheidung über den Erlaß eines Bebauungsplans grundsätzlich dann zu bejahen sein, wenn der betroffene Eigentümer eines Grundstücks im Geltungsbereich des Plans ist oder auch als Mieter dort seinen Lebensmittelpunkt hat. Ferner mag ein derartiges individuelles Sonderinteresse anzunehmen sein, wenn die Festsetzungen in einem Bebauungsplan sich auf die unmittelbare Nachbarschaft in der Weise auswirken, daß auch deren Gebietscharakter mitgeprägt wird.

Die Situation des Gemeinderats B., der eine Rechtsanwaltspraxis in der S.straße betreibt, unterscheidet sich von derartigen Fällen jedoch so deutlich, daß nicht von einem unmittelbaren Sondervorteil ausgegangen werden kann. Der Bau der den Hauptgegenstand des Bebauungsplans bildenden Südtangente führt als solcher nicht unmittelbar zu einer planerischen Neugestaltung des Stadtzentrums; vielmehr ermöglicht er erst eine weitere - hier noch nicht endgültig beschlossene - Planung, die auch zu einer Verkehrsberuhigung in der Straße führen kann, in der der betroffene Gemeinderat seine Rechtsanwaltspraxis betreibt. Zum Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Bebauungsplan lag, was der Antragsteller selbst in anderem Zusammenhang bemängelt, noch keine eindeutige Konzeption darüber vor, in welchem Umfang Verkehrsbeschränkungen im Zentrum erfolgen sollen. Damit spitzt sich die zu erwartende Veränderung jedoch noch nicht zu einem Sondervorteil für Rechtsanwalt B. zu (vgl. auch das Urt. des erk. Gerichtshofs v. 5.12.1991 - 5 S 976/91 - UPR 1992, 388 = NVwZ-RR 1993, 97). Die Aussicht auf eine mögliche künftige Verkehrsberuhigung im Stadtzentrum teilt er im übrigen mit zahlreichen anderen Eigentümern, Bewohnern und gewerblichen Mietern in den betroffenen Straßen des Stadtzentrums, so daß seine Lage rechtlich auch eher der Regelung in § 18 Abs. 3 GemO (Interessen einer Bevölkerungsgruppe) zuzuordnen ist.

Noch weniger kann von einem unmittelbar bevorstehenden Sondervorteil für den Gemeinderat Dipl.-Ing. R. gesprochen werden, der nach dem Vortrag des Antragstellers damit rechnen konnte, von dem im Falle der Errichtung der Südtangente zu beauftragenden (auswärtigen) Ingenieurbüro als einheimischer Subunternehmer einen entsprechenden Auftrag für Teilleistungen im Bereich der Vorstatik zu erhalten. In der entsprechenden Kausalkette kommt Sicherheit insoweit nämlich allein der Erfahrungstatsache zu, daß für Tunnelbauten statische Berechnungen erforderlich sind. Die Hoffnung, im Falle des Beschlusses zugunsten der Südtangente als Subunternehmer einen Teilauftrag zu erhalten, stellt jedoch noch keinen unmittelbaren Sondervorteil in dem Sinne dar, daß ihm der Auftrag gleichsam automatisch in den Schoß fallen und sich der Vorteil unmittelbar auf ihn zuspitzen würde. Tatsächlich wurde der entsprechende Auftrag später einem anderen Ingenieur erteilt. Ohnehin waren sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung darüber einig, daß Gemeinderat R. allenfalls damit rechnen konnte, einen Auftrag für die sogenannte Vorstatik zu erhalten, während die weiteren Ingenieurleistungen von Büros innerhalb der zu beauftragenden Bauunternehmen ausgeführt werden. Die Antragsgegnerin hat überdies hervorgehoben, die Absicht, von dem zu beauftragenden überörtlich tätigen Ingenieurbüro die Einschaltung einheimischer Subunternehmer zu fordern, habe sich im wesentlichen auf die örtliche Bauüberwachung und nicht die Leistungen im Rahmen der Vorstatik bezogen. Dies bedarf jedoch keiner weiteren Sachaufklärung, da ein Fall der Befangenheit in jedem Fall zu verneinen ist.

1.2 Die von der Antragsgegnerin gewährte Möglichkeit, die Pläne in ihrem Rathaus während der Frist einzusehen, genügte den gesetzlichen Anforderungen an die Auslegung der Pläne gem. § 3 Abs. 2 BauGB. Hierfür reicht es aus, daß die Adresse genannt wird, an die der Bürger sich zu wenden hat. Ob in dem in der Bekanntmachung angeführten Zimmer die Pläne unmittelbar ausliegen oder ob sie sich in Reichweite - beispielsweise aufgehängt im Foyer des Rathauses - finden lassen, ist unerheblich. Im übrigen stellt der Antragsteller selbst nicht in Frage, daß er alle für eine Kenntnisnahme notwendigen Informationen erhalten hat.

2. Auch im übrigen verstößt der Bebauungsplan nicht gegen höherrangiges Recht.

2.1 Das Entwicklungsgebot gem. § 8 Abs. 2 BauGB ist nicht verletzt. Der Flächennutzungsplan enthält die Darstellung einer Straße in Ost-West-Richtung im Geltungsbereich des Bebauungsplans. Sowohl ihr exakter Verlauf als auch ihre Verkehrsfunktion im einzelnen durfte der Konkretisierung durch den Bebauungsplan vorbehalten bleiben. Ohnehin "können" im Flächennutzungsplan nur die örtlichen Hauptverkehrszüge dargestellt werden; die Frage, ob eine Querspange errichtet wird, brauchte somit in diesem Stadium noch nicht entschieden zu werden. Davon abgesehen wäre eine Verletzung des Entwicklungsgebot gem. § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB unbeachtlich, da die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung hierdurch nicht beeinträchtigt würde.

2.2 Der Bebauungsplan genügt auch dem Gebot einer gerechten Abwägung aller von ihm berührten öffentlichen und privaten Belange (§ 1 Abs. 6 BauGB). Diese vom Gemeinderat vorzunehmende Abwägung ist verwaltungsgerichtlich nur darauf überprüfbar, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat, ob in die Abwägung an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden mußte, ob die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt worden ist und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. grundlegend BVerwGE 34, 301 und 45, 309).

Weder der Abwägungsvorgang noch das Abwägungsergebnis verstoßen gegen diese Grundsätze.

Die Antragsgegnerin war nicht gehalten, über die Konsequenzen, die sich aus dem Bau der Südtangente für eine mögliche Verkehrsberuhigung des Stadtzentrums ergeben, bereits vor Erlaß des Bebauungsplans zu beschließen. Vielmehr kann eine Gemeinde auch in der Weise vorgehen, daß sie über die durch die Errichtung einer Straße ermöglichten Folgemaßnahmen erst später - auch erst nach Fertigstellung der Straße und Beobachtung der dann zu gewinnenden Erfahrungen - entscheidet.

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung war nicht erforderlich, da es sich nicht um den Bau einer Landesstraße (Nr. 4 der Anlage zum LUVPG) oder einen Fall handelt, bei dem ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt wird, "falls erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu besorgen sind" (Nr. 5 der Anlage zum LUVPG). Die Annahme des Antragstellers, die Straße werde zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Landesstraße umgestuft werden, ist gegenwärtig völlig spekulativ und kann nicht zu einer Pflicht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen, führen. Im übrigen hat die Antragsgegnerin eine wohl den Anforderungen an eine derartige Prüfung genügende Untersuchung und Bewertung vornehmen lassen. Es ist ferner in keiner Weise erkennbar, daß weitere Untersuchungen oder Bewertungen zu einem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis geführt hätten (vgl. hierzu beispielsweise BVerwG, Urt. v. 25.1.1996 - 4 C 5.95 -, UPR 1996, 228 sowie die Nachweise bei Jannasch, VBlBW 1996, 163, 167 (FN 53)). Der Senat hat vielmehr bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, daß die vom Antragsteller favorisierte weiträumige Südumfahrung wohl eher eine stärkere Beeinträchtigung von Umweltbelangen bewirkt hätte.

Im übrigen ist der Geltungsbereich des Bebauungsplans dem Innenbereich zuzurechnen, so daß im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Bad.-Württ. NatSchG die besonderen Anforderungen an die Abwägung gem. § 8a BNatSchG (vgl. hierzu NK-Urteil des Senats v. 19.4.1996 - 8 S 2641/95 -) nicht zugrundezulegen sind (NK-Beschluß des Senats v. 12.8.1994 - 8 S 903/94 - VBlBW 1995, 241). Unabhängig davon ist darauf zu verweisen, daß die Antragsgegnerin eine eingehende Untersuchung der Eingriffe in die Natur durchgeführt, eine Ausgleichsbilanzierung vorgenommen sowie einen Grünordnungsplan erstellt hat, so daß von einem "bloßen Wegwägen" keine Rede sein kann.

Für das vorliegende Verfahren ist ferner ohne Belang, ob die Ortsbausatzung der Antragsgegnerin vom 13.04.1939 und der dazugehörende Bauzonenplan vom 03.03.1938 - wie der 5. Senat des erkennenden Gerichtshofs in seinem Berufungsurteil vom 22.09.1982 - 5 S 2048/81 - entschieden hat - nicht entsprechend den damaligen Vorschriften bekannt gemacht worden ist oder - wie der Antragsteller unter Hinweis auf angeblich nach dem genannten Urteil gewonnene weitere Erkenntnisse glaubt darlegen zu können - doch rechtswirksam geworden ist. Denn der tatsächliche Charakter der betroffenen Grundstücke war dem Gemeinderat offenkundig hinreichend klar und es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Bau der nicht vollständig untertunnelten Straße zu erheblichen Beeinträchtigungen für die Grundstücke führen muß und daß dadurch der Charakter des gesamten Gebiets beeinflußt wird. Demgegenüber ist die planungsrechtliche Einordnung, beispielsweise als Landhausgebiet nach der damaligen Ortsbausatzung (das im wesentlichen einem reinen Wohngebiet nach der BauNVO entspricht) vergleichsweise nebensächlich und konnte daher für die Abwägung nicht ausschlaggebend sein.

Auch einen den Abwägungsprozeß verkürzenden unziemlichen Zeitdruck beispielsweise wegen der Befürchtung, der Zuschußsatz nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz könne im Folgejahr herabgesetzt werden, vermag der Senat nach dem Inhalt der Akten nicht zu erkennen.

Der Gemeinderat der Antragsgegnerin hat sich ferner mit den in Betracht kommenden Trassenalternativen sowie der Variante, keine Straße mit entsprechender Funktion zu bauen ("Nullösung"), eingehend auseinandergesetzt und die dabei jeweils entstehenden Folgen auch für die betroffenen Grundstückseigentümer angemessen in die Abwägung einbezogen. Dies belegt bereits die zusammenfassende Darstellung für die Vorinformation der Bürger am 7.5.1991, wird aber auch aus dem weiteren Inhalt der dem Senat vorliegenden Akten deutlich. Auch die Frage, ob die den Antragsteller besonders belastende Querspange zur sogenannten ...-Kreuzung gebaut oder auf diese verzichtet werden soll, wurde eingehend erörtert. Diese Querspange hat jedoch offenkundig eine wichtige Verkehrsfunktion, so daß die Antragsgegnerin nicht gehalten war, auf sie zu verzichten. Ferner ist die Möglichkeit einer weiträumigen Südumfahrung von E. gesehen und aus von Gerichts wegen nicht zu beanstandenden Erwägungen abgelehnt worden; die Einschätzung der Antragsgegnerin, dadurch werde nicht die angestrebte Entlastung der Innenstadt erreicht, anderseits entstünden erhebliche Eingriffe in die Landschaft, ist frei von Abwägungsfehlern.

Entgegen dem Vortrag des Antragstellers ist die Prüfung dabei auch nicht nur unter dem Gesichtspunkt erfolgt, welche Lösung verkehrstechnisch optimal sei; vielmehr hat man sich sorgfältig auch mit den jeweiligen Auswirkungen der verschiedenen Alternativen auf Umwelt, Grundstückseigentümer und Anwohner befaßt. Dies machen beispielsweise die Beschlußfassungen des Gemeinderats der Antragsgegnerin am 12.4.1995 und 20.7.1995 ausreichend deutlich. Auch das Expose des Antragstellers vom Juni 1989 sowie sein Vorschlag, stärker auf die Möglichkeiten der Verkehrslenkung zu setzen, sind im Entscheidungsprozeß angemessen gewürdigt worden. Allerdings ist auch für den Senat nachvollziehbar, daß die Vorstellung des Antragstellers, man müsse den Verkehr eben einfach dorthin lenken, wo man ihn hinhaben wolle, von den Gremien der Antragsgegnerin als nicht sonderlich realistisch eingeschätzt wurde, da sie für die Verwirklichung der angestrebten Entlastung der Innenstadt von E. nicht taugt.

Auch im Hinblick auf die Beeinträchtigungen für die Grundstücke des Antragstellers und anderer Betroffener ist eine Verletzung des Abwägungsgebots zu verneinen. Dabei ist nicht zu verkennen, daß der Bau und der Betrieb einer derartigen innerstädtischen Straße für die Anwohner und Eigentümer zu deutlichen Einbußen führt und der Charakter des Gebiets dadurch mitgeprägt und negativ verändert wird. Zugleich ist allerdings zu berücksichtigen, daß das Ausmaß der Folgewirkungen nach Abschluß der Bauarbeiten durch die Überdeckelung der Straße in weiten Bereichen erheblich gemildert wird. Hierauf haben auch mehrere Träger öffentlicher Belange in ihren Stellungnahmen ausdrücklich hingewiesen. Es spricht ferner nichts dafür, daß dem Gemeinderat der Antragsgegnerin bei seiner Abwägung entgangen wäre, daß ein Teil des Baumbestands auf den Grundstücken des Antragstellers sowie anderer Grundstückseigentümer nicht erhalten und auch nicht wiederhergestellt werden kann, weil dies bei einer Höhe der Aufschüttung von 0,50 m nicht möglich ist. Während des Augenscheins durch den Senat ist in diesem Zusammenhang schließlich vorgetragen worden, der Gemeinderat habe (als Gremium) niemals eine derartige Besichtigung vorgenommen. Es kann aber bei der gerichtlichen Überprüfung eines Bebauungsplan grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß die Mitglieder des Gemeinderats die nötige Ortskenntnis besitzen. Vorliegend tritt hinzu, daß die Überlegungen für eine derartige Straße bis in die 70er Jahre zurückreichen, die notwendigen Kenntnisse also gleichsam zum kommunalpolitischen Grundwissen aller Entscheidungsträger von E. gerechnet werden können.

Auf den ausdrücklichen Wunsch des Antragstellers hin sind - entgegen einer Stellungnahme des Landesdenkmalamts - auch die Baufenster auf seinen Grundstücken gegenüber einem früheren Entwurf erweitert worden. Seinen weiteren Anregungen ist aus durchaus vertretbaren Erwägungen nicht entsprochen worden.

Die Antragsgegnerin hat desweiteren den Aspekt des Lärmschutzes angemessen in ihrer Abwägung berücksichtigt. Eine erste Schalldämmung erfolgt durch die Überdeckelung der Straße. Daß diese im Hinblick auf die dann entstehenden Entlüftungsprobleme nicht durchgehend für den gesamten Straßenzug vorgesehen wird, ist dem Senat anhand der Pläne nachvollziehbar dargelegt worden. Ferner ist eine Reihe von Maßnahmen des aktiven Schallschutzes vorgesehen worden. Dies führt dazu, daß für zahlreiche Grundstücke, darunter auch dasjenige des Antragstellers, die Werte der 16. BImSchV eingehalten werden.

Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals eingehend dargelegt, daß aus seiner Sicht die Lärmschutzwerte nach der 16. BImSchV bei seinem Gebäude zumindest teilweise (beim Dachgeschoß) nicht eingehalten seien. Hierzu ist hervorzuheben: Zum einen erscheint dem Senat die Erläuterung der Sachverständigen der Antragsgegnerin einleuchtend und nachvollziehbar, wonach neben den vorhanden Kreuzungen (sog. ...-Kreuzung sowie Einmündung der Querspange in die Südtangente), für die bereits der Lästigkeitszuschlag bei Lichtzeichenanlagen berücksichtigt ist, auch dann kein weiterer derartiger Zuschlag eingerechnet werden darf, wenn wirklich eine zusätzliche nur für den Bedarfsfall geschaltete Ampelanlage bei der Einmündung der F.gasse in die Querspange eingerichtet werden sollte. Denn die besondere Lästigkeit wird bereits durch den schon eingerechneten Zuschlag angemessen berücksichtigt. Außerdem kommt der Einmündung der F.gasse (einer Sackgasse) eine sehr untergeordnete Bedeutung zu, so daß eine Ampel allenfalls mit einer Bedarfsschaltung und nur für bestimmte Tageszeiten in Betrieb zu nehmen wäre und die Schaltung mit den beiden anderen Kreuzungen gekoppelt werden könnte. Zum anderen ist auf den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.5.1995 (- 4 NB 30.94 -, UPR 1995, 311) zu verweisen, wonach eine Gemeinde im Bebauungsplan Vorkehrungen, die dem passiven Schallschutz dienen, nur dann zu treffen braucht, wenn Festsetzungen dieser Art ausnahmsweise erforderlich sind. Gerade beim Antragsteller und den anderen Grundstückseigentümern in diesem Bereich kann jedoch - wie im Regelfall - auf "das Eigeninteresse als Triebfeder" gebaut werden.

Ein Abwägungsfehler ist auch hinsichtlich der übrigen vom Bebauungsplan betroffenen Grundstücke nicht festzustellen. Dies gilt vor allem auch für die Altenwohnanlage auf dem sog. E. Grundstück. Denn für die dort zum Zeitpunkt der maßgeblichen Beschlüsse teilweise erst geplanten Gebäude wurde gleichfalls eine Berechnung der Schallimmissionen vorgenommen. Die Antragsgegnerin hat also nicht etwa im Hinblick auf die offenbar bestehende privatrechtliche Verpflichtung der Erwerber, keine Einwendungen gegen die Planung der Südtangente zu erheben, von einer ordnungsgemäßen Abwägung abgesehen. Da somit keine Verkürzung der Abwägung vorliegt, braucht der Senat entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht rechtsgrundsätzlich der Frage nachzugehen, wie eine solche zu würdigen wäre.

Auch die Problematik der Schadstoffbelastung ist durch den - dem Senat aus anderen Verfahren bekannten - Gutachter eingehend untersucht worden; auch insoweit ist die Abwägung nicht zu beanstanden.

Den vom Antragsteller befürchteten Schäden an seinen Gebäuden wird durch die vorgesehene Beweissicherung und die nicht im vorliegenden Normenkontrollverfahren zu klärenden Schadensersatzansprüche hinreichend Rechnung getragen.

Die Entschädigung braucht entgegen der Auffassung des Antragstellers im Bebauungsplan nicht geregelt zu werden. Ohnehin handelt es sich bei den Festsetzungen des Bebauungsplan nicht um eine Enteignung gem. Art. 14 Abs. 3 GG, so daß auch nicht dessen Satz 2 einschlägig ist, sondern um eine Bestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 1 GG.