VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.1993 - 8 S 343/93
Fundstelle
openJur 2013, 8874
  • Rkr:

1. Ändert sich während eines Rechtsstreits die Rechtslage und kommt es deshalb auf eine bestimmte Frage für den Ausgang des Verfahrens nicht mehr an, kann diese Frage auch nicht mit einem nach Erledigung des Rechtsstreits gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag zur Überprüfung gestellt werden (im Anschluß an BVerwG, 24.01.1992 - 7 C 24/91 - BVerwGE 89, 354; Änderung der bisherigen Rechtsprechung des Senats, 06-06-1989 - 8 S 480/89 -).

2. Bei der Beurteilung, ob sich ein Vorhaben "nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll" in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, kommt es nicht nur auf die räumliche Lage des Vorhabens innerhalb der vorhandenen Bebauung, sondern auch auf die Größe der Grundfläche der geplanten baulichen Anlage als absolute Zahl an (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß ihr ein Anspruch auf einen Bauvorbescheid zugestanden hat.

Die Firma E GmbH & Co. KG ist Eigentümerin der Grundstücke H -Straße, und im Stadtgebiet der Beklagten. In deren Baugebietsplan vom 22.10.1959 ist der nördliche Teil dieses Areals als Wohngebiet, der südliche Teil als Gewerbe- und Industriegebiet ausgewiesen. Nach § 2 Abs. 2 der Ortsbausatzung der Beklagten können in einem Wohngebiet gewerbliche Betriebsstätten nur insoweit zugelassen werden, als sie zur unmittelbaren Versorgung der in diesem Gebiet wohnenden Bevölkerung mit Verbrauchsgütern notwendig sind. Der am 16.7.1992 in Kraft getretene Bebauungsplan "G" setzt für die genannten Grundstücke ein Mischgebiet fest.

Mit Schreiben vom 31.1.1989 stellte die Firma GmbH und Co. KG den Antrag, ihr für den Abbruch der auf ihren Grundstücken vorhandenen Gebäude eines holzverarbeitenden Betriebs und den Neubau eines SB-Markts mit einer Nutzfläche von 8.200 qm und einer Verkaufsfläche von 5.500 qm einen Bauvorbescheid zu erteilen. Unter dem 6.3.1991 teilte die Klägerin mit, daß sie im Einverständnis mit der Firma E die Bauvoranfrage fortführe.

Mit Bescheid vom 27.3.1991 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus: Das Vorhaben sei nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht zulässig, da es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung nicht in die durch kleinteilige Wohnbebauung bestimmte Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Dem Bauvorhaben stehe zudem die am 10.2.1988 für das betreffende Gebiet beschlossene und mit Wirkung vom 14.9.1990 um ein Jahr verlängerte Veränderungssperre entgegen. Eine Ausnahme von der Veränderungssperre könne gem. § 14 Abs. 2 BauGB nicht erteilt werden, da großflächige Handelsbetriebe und Einkaufszentren in dem geplanten Mischgebiet nicht zulässig seien.

Die Klägerin hat am 25.3.1991 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und zuletzt beantragt festzustellen, daß die Unterlassung einer positiven Bescheidung der Bauvoranfrage rechtswidrig war. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Da in dem neuen Bebauungsplan für die Baugrundstücke ein Mischgebiet festgesetzt sei und sie ihre Option auf die Grundstücke im Oktober 1991 aufgeben müssen, könne ihr Vorhaben sowohl aus planungsrechtlichen wie aus zivilrechtlichen Gründen nicht mehr verwirklicht werden. Sie beabsichtige jedoch, von der Beklagten wegen der rechtswidrigen Nichterteilung des Bauvorbescheids Schadenersatz zu verlangen. Soweit der Baugebietsplan der Beklagten im Anschluß an das Gewerbe- und Industriegebiet ein Wohngebiet vorsehe, sei er nichtig, da hiermit gegen den Grundsatz der planerischen Konfliktbewältigung verstoßen werde. Die Veränderungssperre sei ebenfalls nichtig, so daß die Beklagte schon vor Klageerhebung verpflichtet gewesen sei, den Bauvorbescheid zu erteilen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die als Untätigkeitsklage erhobene Klage sei unzulässig, da die Nichtbescheidung der Bauvoranfrage zureichende Gründe gehabt habe. Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet. Ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb sei nach der Ortsbausatzung vom 2.11.1960 in einem Wohngebiet nicht zulässig. Auch füge sich das Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein, da die überbaute Grundstücksfläche der größten Gebäude in der Umgebung lediglich 2700 bzw. 3100 qm betrage.

Nach Einnahme eines Augenscheins hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 5.11.1992 festgestellt, daß der Klägerin in der Zeit vom 15.9.1991 bis zum Oktober 1991 ein Anspruch auf Erteilung des mit Schreiben vom 31.1.1989 beantragten Bauvorbescheids zustand, und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Fortsetzungsfeststellungsantrag sei, was den Zeitraum vor dem Außerkrafttreten der Veränderungssperre mit Ablauf des 14.9.1991 betreffe, unzulässig, da dieses Begehren über den ursprünglichen Streitgegenstand hinausgehe. Für die Begründetheit der ursprünglich erhobenen Verpflichtungsklage wäre der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend gewesen. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag sei daher nur insoweit zulässig, als sich der für die beantragte Feststellung maßgebliche Zeitpunkt mit diesem Zeitpunkt decke. Das sei, was den Zeitraum bis zum 14.9.1991 betreffe, nicht der Fall, da sich mit Ablauf des 14.9.1991 die entscheidungserhebliche Sach- und Rechtslage geändert habe und sich das Feststellungsbegehren somit auf eine abweichende Beurteilungsgrundlage beziehe. Im übrigen sei der Antrag zulässig und begründet. In der Zeit vom 15.9.1991 bis zum Wegfall ihrer zivilrechtlichen Option habe der Klägerin ein Anspruch auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheids zugestanden. Es spreche bereits vieles dafür, daß die Ortsbausatzung der Beklagten und der Baugebietsplan mangels ordnungsgemäßer Ausfertigung formell fehlerhaft seien. Die die Baugrundstücke betreffenden Festsetzungen seien aber jedenfalls deshalb unwirksam, weil sie gegen den städtebaulichen Grundsatz verstießen, wonach in der Nutzung und den Immissionsauswirkungen miteinander unverträgliche Baugebiete möglichst räumlich voneinander zu trennen seien. Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richte sich daher allein nach § 34 Abs. 1 BauGB. Der Rahmen der maßgebenden Umgebungsbebauung werde aus Wohnbebauung, Produktionsbetrieben, Gewerbebetrieben, Fachgroßhandelsbetrieben und Einkaufszentren gebildet. Das Vorhaben halte sich sowohl nach Art und Maß der baulichen Nutzung als auch nach der überbauten Grundstücksfläche in dem so bestimmten Rahmen. Auch verletze es nicht das Rücksichtnahmegebot.

Gegen das ihr am 8.12.1992 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.12.1992 Berufung eingelegt mit dem Antrag,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. November 1992 - 6 K 885/91 - insoweit zu ändern, als es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.

Sie macht geltend: Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Klägerin sei bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans "G" nach der Ortsbausatzung vom 17.3.1960 in Verbindung mit dem Baugebietsplan vom 22.10.1959 zu beurteilen gewesen. Zwar seien weder die Ortsbausatzung noch der Baugebietsplan mit einem Ausfertigungsvermerk versehen. Jedoch seien die wesentlichen Verfahrensschritte in den an das Regierungspräsidium N gerichteten Schreiben vom 11.8.1960 und vom 22.12.1960 festgehalten. Beiden vom Stadtverwaltungsrat in Vertretung des Oberbürgermeisters bzw. vom Oberbürgermeister unterzeichneten Schreiben sei eine Mehrfertigung der Ortsbausatzung angefügt worden. Die in der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs gestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ausfertigung seien damit erfüllt. Die Ortsbausatzung genüge auch den Anforderungen des Abwägungsgebots. Bei vor Inkrafttreten des BBauG aufgestellten Bebauungsplänen könne nur ein krasser Verstoß gegen den Grundsatz der Trennung unverträglicher Nutzungen zur Nichtigkeit führen. Ein solcher Verstoß liege hier nicht vor. Das Vorhaben der Klägerin sei aber auch dann unzulässig gewesen, wenn die Ortsbausatzung unwirksam sein sollte. In der das Baugrundstück prägenden Umgebung befänden sich außer Wohn- und Geschäftsgebäuden nur kleinere bis mittlere Gewerbebetriebe, die das Wohnen nicht wesentlich störten. Die nähere Umgebung entspreche daher einem Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO. Ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb sei in einem solchen Gebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO nicht zulässig. Unzulässig sei das Vorhaben auch deshalb gewesen, weil seine absolute Größe den durch die vorhandene Bebauung vorgegebenen Rahmen bei weitem überschritten und es zu einer mit dem Rücksichtnahmegebot unvereinbaren Zunahme des Zufahrtsverkehrs in der unmittelbaren Nähe der Wohnbebauung auf den Grundstücken H -Straße 17 bis 29 geführt hätte.

Die Klägerin hat am 19.7.1993 Anschlußberufung eingelegt. Sie beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. November 1992 - 6 K 885/91 - zu ändern, soweit es die Klage abgewiesen hat, und festzustellen, daß ihr auch in dem Zeitraum vom 18. Februar 1991 bis zum 15. September 1991 ein Anspruch auf den mit Schreiben vom 31. Januar 1989 beantragten Bauvorbescheid zugestanden hat.

Sie macht geltend: Das Verwaltungsgericht habe ihren Fortsetzungsfeststellungsantrag zu Unrecht als teilweise unzulässig angesehen. Hätte die letzte mündliche Verhandlung über ihren ursprünglich gestellten Verpflichtungsantrag vor dem Außerkrafttreten der Veränderungssperre stattgefunden, wäre darüber zu befinden gewesen, ob ihr seit dem 18.2.1991 (Ablauf des dritten Jahres seit Inkrafttreten der Veränderungssperre) ein Anspruch auf den beantragten Bauvorbescheid zugestanden habe. Unter diesen Umständen müsse auch ein entsprechender Feststellungsantrag möglich sein, um eine Entwertung des prozessualen Aufwands zu vermeiden. Dagegen habe das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, daß die Ortsbausatzung der Beklagten und der Baugebietsplan nichtig seien.

Die Beklagte beantragt, die Anschlußberufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Behördenakten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist begründet; die Anschlußberufung der Klägerin hat dagegen keinen Erfolg.

1. Das Verwaltungsgericht hat den auf die Feststellung, daß der Klägerin bis zum Wegfall ihrer Option auf das Baugrundstück im Oktober 1991 ein Anspruch auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheids zustand, gerichteten Antrag, was den Zeitraum bis zum 14.9.1991 betrifft, zu Recht als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Nach allgemeiner Meinung findet § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auf Verpflichtungsklagen entsprechende Anwendung mit der Folge, daß auch bei solchen Klagen das Verfahren trotz Erledigung mit dem Ziel fortgesetzt werden kann, die Rechtswidrigkeit der Ablehnung des beantragten Verwaltungsakts feststellen zu lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 24.1.1992 - 7 C 24.91 - BVerwGE 89, 354) gilt dies jedoch nur dann, wenn der Streitgegenstand nicht ausgewechselt oder erweitert wird, da es der dem § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zugrundeliegende Gedanke der Prozeßökonomie nur dann gebiete, die Fortsetzung des Verfahrens zuzulassen. Streitgegenstand des in einem Verpflichtungsantrag subsidiär enthaltenen Feststellungsbegehrens sei die Frage, ob die Weigerung der Behörde, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, in dem hierfür maßgebenden Zeitpunkt die Rechtsordnung verletze. Eine Weiterführung des Verfahrens mit dem Antrag, der ablehnende Bescheid sei rechtswidrig gewesen, sei daher grundsätzlich nur zuzulassen, wenn sich der für eine solche Feststellung maßgebliche Zeitpunkt mit dem des bisherigen Verpflichtungsbegehrens decke. Dem schließt sich der Senat an. Die im Urteil vom 6.6.1989 - 8 S 480/89 - vertretene gegenteilige Ansicht wird aufgegeben.

Der Einwand der Klägerin, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führe dazu, daß der prozessuale Aufwand, der den Beteiligten bereits im Hinblick auf die erhobene Klage erwachsen sei, durch eine spätere Rechtsänderung entwertet werde, geht am Kern der Sache vorbei. Sofern das materielle Recht nichts abweichendes regelt, ist bei Verpflichtungsklagen der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebende Zeitpunkt der der letzten mündlichen Verhandlung (ständ. Rechtspr. des BVerwG, vgl. etwa Urt. v. 28.7.1989 - 7 C 39.87 - BVerwGE 82,260). Ändert sich während des Rechtsstreits die Rechtslage und kommt es deshalb auf eine bestimmte Frage für den Ausgang des Verfahrens nicht mehr an, hat dies allerdings zur Folge, daß sich der prozessuale Aufwand der Beteiligten in bezug auf diese Frage im nachhinein als nutzlos erweist. Mit diesem - sich aus der Festlegung des maßgebenden Beurteilungszeitpunkts auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ergebenden - Risiko müssen die Beteiligten leben. Ist dies aber so, ist nicht einzusehen, weshalb das Gericht nach Erledigung des Rechtsstreits durch einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gezwungen werden könnte, sich doch noch mit dieser für die zunächst begehrte Entscheidung nicht mehr erheblichen Frage zu beschäftigen. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet kein anderes Ergebnis. Soweit es für einen Schadensersatzanspruch des Klägers auf die betreffende Frage ankommt, ist der erforderliche Rechtsschutz dadurch gewährleistet, daß sie im Zivilprozeß als Vorfrage geklärt werden kann.

Im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts meint das Verwaltungsgericht, der Fortsetzungsfeststellungsantrag der Klägerin sei, was den Zeitraum bis zum 14.9.1991 betreffe, unzulässig, da sich mit diesem Zeitpunkt die entscheidungserhebliche Sach- und Rechtslage geändert habe und sich das Feststellungsbegehren insoweit auf eine von dem ursprünglichen Verpflichtungsantrag abweichende Beurteilungsgrundlage beziehe. Das ist zutreffend. Der für die Beurteilung des von der Klägerin zunächst gestellten Verpflichtungsantrags maßgebliche Zeitpunkt wäre nach dem oben genannten Grundsatz der der letzten mündlichen Verhandlung gewesen, so daß es für die Entscheidung über diesen Antrag auf die Wirksamkeit der jedenfalls mit Ablauf des 14.9.1991 außer Kraft getretenen Veränderungssperre nicht angekommen wäre. Die von der Klägerin nunmehr begehrte Feststellung könnte dagegen, was den Zeitraum bis zum 14.9.1991 betrifft, nur nach vorheriger Feststellung der Nichtigkeit der Veränderungssperre getroffen werden. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag der Klägerin würde daher insoweit zu einer unzulässigen Erweiterung des Streitgegenstands führen.

2. Was den Zeitraum vom 15.9. 1991 bis zum Oktober 1991 betrifft, hält das Verwaltungsgericht den Fortsetzungsfeststellungsantrag für zulässig. Auch dem ist zuzustimmen. Ob sich die Verpflichtungsklage der Klägerin, wie das Verwaltungsgericht annimmt, durch den Wegfall der Option der Klägerin auf das Baugrundstück im Oktober 1991 erledigt hat, kann dabei dahinstehen. Erledigt hat sich der Verpflichtungsantrag spätestens mit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans "G", der für das Baugrundstück ein Mischgebiet sowie eine Grünanlage festsetzt und damit die Erteilung des von der Klägerin begehrten Bauvorbescheids ausschloß. Ob das Verwaltungsgericht deshalb statt auf Oktober 1991 auf den 16.7.1992 hätte abstellen müssen, bedarf keiner Entscheidung, da das Urteil insoweit nicht angefochten ist.

Der für den genannten Zeitraum zulässige Fortsetzungsfeststellungsantrag ist jedoch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht begründet. Das Vorhaben des Klägers war auch vor Inkrafttreten des Bebauungsplans "G" planungsrechtlich unzulässig. Ein Anspruch auf Erteilung des beantragten Bauvorbescheids stand der Klägerin daher nicht zu.

In dem einen Teil der Ortsbausatzung der Beklagten bildenden Baugebietsplan ist der nördliche Teil des Baugrundstücks als Wohngebiet ausgewiesen. Nach § 2 Abs. 2 der Ortsbausatzung sind in einem solchen Gebiet gewerbliche Betriebsstätten nur insoweit zulässig, als sie zur unmittelbaren Versorgung der in diesem Gebiet wohnenden Bevölkerung mit Verbrauchsgütern notwendig sind. Nach der Ortsbausatzung der Beklagten hätte das Vorhabens daher unstreitig nicht genehmigt werden können.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts konnte jedoch die Ortsbausatzung dem Vorhaben der Klägerin nicht entgegengesetzt werden, da sie, soweit sie in dem betreffenden Bereich ein Wohngebiet neben einem Gewerbe- und Industriegebiet festsetze, gegen das Abwägungsgebot verstoße und daher nichtig sei. Der Senat sieht davon ab, dem im einzelnen nachzugehen. Sollte die Ortsbausatzung der Beklagten tatsächlich insoweit nichtig sein, so richtete sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Klägerin nach § 34 BauGB. Auch nach dieser Vorschrift hätte das Vorhaben nicht genehmigt werden können. Auf die Wirksamkeit der Ortsbausatzung kommt es daher nicht an.

Als nähere Umgebung im Sinne des § 34 BauGB ist in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht der von dem Bebauungsplan "G" umfaßte Bereich sowie die auf der gegenüberliegenden Seite der H -Straße liegenden Grundstücke abzustellen. Die Eigenart dieser Umgebung, in der sich eine Reihe von Wohngebäuden, mehrere Gewerbebetriebe, eine Taschentuchfabrik sowie zwei Einkaufszentren befinden, entspricht keinem der Baugebiete der BauNVO, so daß allein von § 34 Abs. 1 BauGB auszugehen ist. Danach ist entscheidend, ob sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte und die Erschließung gesichert war.

Da sich in der näheren Umgebung des Baugrundstücks zwei Einkaufszentren befinden, ist nicht daran zu zweifeln, daß sich das Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügte. Das ist jedoch nur eines von insgesamt vier in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Kriterien. Erforderlich ist insbesondere auch ein Einfügen nach der zu überbauenden Grundstücksfläche. Für großflächige Einzelhandelsbetriebe gilt insoweit nichts anderes als für andere Vorhaben. Die Ansicht der Klägerin, es komme nur auf das Vorhandensein von großflächigen Einzelhandelsbetrieben in der Nachbarschaft an, nicht aber darauf, ob der geplante SB-Markt größer als die bereits vorhandenen Verbrauchermärkte sei, ist daher offensichtlich unzutreffend. Aus dem von ihr zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.2.1984 - 4 C 25.82 - (BVerwGE 68,360) ergibt sich nichts anderes.

Mit dem Maßstab der zu überbauenden Grundstücksfläche stellt das Gesetz nicht auf das relative Verhältnis zwischen Grundfläche und Grundstücksfläche im Sinne des § 19 Abs. 1 BauNVO ab, sondern auf die Größe der Grundfläche eines Vorhabens als absolute Zahl (BVerwG, Beschl. v. 17.9.1985 - 4 B 167.85 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 107). Der sich hierfür aus der Umgebungsbebauung ergebende Rahmen reicht bis zu einem Wert von 3370 qm (Verbrauchermarkt auf dem Grundstück H -Straße 20). Mit einer zu überbauenden Grundstücksfläche von etwa 8300 qm überschritt das Vorhaben der Klägerin diesen Rahmen um mehr als das Doppelte. In die Eigenart der näheren Umgebung eingefügt hätte sich das Vorhaben der Klägerin somit nur dann, wenn es trotz der Überschreitung des Rahmens in der näheren Umgebung weder bewältigungsbedürftige Spannungen erzeugt noch vorhandene Spannungen verstärkt hätte (vgl. dazu grundlegend BVerwG, Urt. v. 26.5.1978 - 4 C 9.78 - BVerwGE 55, 369, 386 f). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Das unmittelbare Nebeneinander der Wohngebäude H -Straße bis und der beiden östlich gelegenen Einkaufszentren begründet auf Grund der starken Gegensätzlichkeit dieser Nutzungen erhebliche, nur durch eine Bauleitplanung zu bewältigende Spannungen. Diese wären durch das Hinzukommen des von der Klägerin geplanten SB-Markts noch wesentlich verstärkt worden, da sich hierdurch das ungefähre Gleichgewicht der beiden Nutzungen in ein nahezu völliges Überwiegen der Nutzung für die Zwecke des großflächigen Einzelhandels verwandelt hätte. Die frühere Nutzung der auf dem Baugrundstück noch vorhandenen Gebäude eines ehemaligen holzverarbeitenden Betriebs ändert daran nichts. Zwar werden auch durch das Vorhandensein eines solchen Betriebs in der Nähe von Wohnbebauung städtebauliche Spannungen begründet. Diese können jedoch nicht mit den von dem Vorhaben der Klägerin ausgehenden Wirkungen "saldiert" werden.