VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.08.1993 - A 16 S 925/93
Fundstelle
openJur 2013, 8776
  • Rkr:

1. Die im Oktober/November 1990 abgeschlossene Eroberung der Insel Kayts/Sri Lanka durch srilankische Streitkräfte einschließlich der Bombardierung in Form des sog indiscriminate bombing stellte eine politische Verfolgung der dort lebenden tamilischen Zivilbevölkerung im Sinne des Art 16 Abs 2/16a Abs 1 GG dar.

2. Für eine im November 1990 aus Kayts als Vorverfolgte geflohene junge Tamilin ohne Dauerarbeits- und -wohnstelle sowie ohne singhalesische Sprachkenntnisse bestand keine zumutbare inländische Fluchtalternative in den singhalesischen Gebieten im Westen, Süden und im zentralen Hochland oder aber im Osten von Sri Lanka. Eine solche Tamilin ist auch gegenwärtig bei einer Rückkehr in ihren Heimatstaat vor erneuter Verfolgung nicht sicher.

3. Ein zum Aufenthalt in den singhalesischen Gebieten berechtigender sog valid reason liegt auch dann nicht vor, wenn eine Tamilin mit bestimmten Verdachtsmerkmalen in Colombo einen dort lange Zeit ansässigen Onkel hat, sie aber in dessen Wohnung keine Aufnahme finden kann.

Tatbestand

Die am in Karamban auf der Insel Kayts/Sri Lanka geborene Klägerin ist srilankische Staatsangehörige und gehört der tamilischen Volksgruppe an. Ihre Eltern sowie ihr Bruder befinden sich in der Bundesrepublik, und zwar der Vater seit 1980 und die Mutter seit 1991. Der Vater ist als Asylberechtigter anerkannt.

Am 29.11.1990 verließ die Klägerin Sri Lanka und reiste am 7.12.1990 über Italien in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie Asyl beantragte.

Gegenüber der Ausländerstelle Karlsruhe machte sie geltend: Sie beantrage Asyl, da in Sri Lanka eine schwierige Lage herrsche, weshalb sie sich entschlossen habe, das Land zu verlassen. Man sei ständig mit dem Tod bedroht und könne dort nicht mehr leben. Es passierten immer wieder schlimme Sachen in ihrer Gegend; deshalb sei sie ausgereist. Sie habe dort nicht mehr leben können. Dies seien im wesentlichen ihre Gründe.

Das Bundesamt bearbeitete den Asylantrag unter dem Aktenzeichen C 1128557/431, ohne jedoch bis jetzt eine Entscheidung zu treffen.

Am 9.11.1992 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart Untätigkeitsklage mit dem Antrag erhoben, das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu verpflichten, über ihren Asylantrag nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, hilfsweise, Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG festzustellen. Sie ist der Auffassung, daß es dem Bundesamt möglich sei, ihren Asylantrag unverzüglich zu bescheiden.

Ferner hat sie ein in englischer Sprache verfaßtes Statement vom 19.3.1971 vorgelegt. Darin heißt es: Ihre Schwester und sie hätten an verschiedenen Befreiungskämpfen für die Tamilen in Sri Lanka teilgenommen. Während dieses Einsatzes seien sie dauernd von den bewaffneten Streitkräften Sri Lankas viele Male gejagt worden. Bei einem brutalen Angriff der Streitkräfte sei ihre Schwester während ihrer Haft im Jahre 1989 gestorben. Sie hätten sie (die Klägerin) immer und immer wieder gejagt, um sie festzunehmen, da sie wüßten, daß sie sich an verschiedenen Plätzen verborgen hätte. Im August 1990 hätten die Armeestreitkräfte ihr Haus zweimal bombardiert, wobei es teilweise zerstört wurde; glücklicherweise sei sie zu dieser Zeit nicht dort gewesen. Im Oktober 1990 hätten die Armeestreitkräfte die ganze Insel unter ihre Kontrolle gebracht. Sie habe keine Möglichkeit des Verbergens mehr gesehen, denn dies sei völlig unmöglich gewesen. Es habe damals überhaupt keine Rettung für irgendeinen jungen Tamil-Knaben oder Mädchen gegeben. Unter diesen Umständen sei sie unter großer Gefahr aus ihrem Gebiet geflohen. Ein Fischer habe sie mit einem Boot nach Jaffna gebracht, von wo aus sie mit Schwierigkeiten nach Colombo gekommen sei. Von dort sei sie über einen Reiseagenten in die Bundesrepublik ausgereist, um Asyl zu beantragen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin noch ausgeführt: Sie sei im November 1990 nach Deutschland gekommen. In ihrem früheren Heimatort sei jetzt die srilankische Armee, die dort gegen die Befreiungsarmee kämpfe und die Gegend bombardiert habe. Viele Häuser seien zerstört worden. Sie habe auf der Insel Kayts gelebt. Dort hätten sie keine Ruhe gehabt. Deshalb habe man sie nach Velanic und dann nach Kilinochchi geschickt. Dort habe sie mit ihrer Mutter eine feste Wohnung gehabt. Sie sei dann über Vavunniya nach Colombo gekommen. Ihre Mutter habe für sie bei der Botschaft einen Ausreiseantrag gestellt. Sie sei dann jedoch anders als ihre Mutter illegal ausgereist. In Colombo habe sie nicht lange bleiben können. Sie könne nicht singhalesisch. Auch habe sie keine Wohnung gehabt. Dort lebten auch keine Verwandten von ihr. Ihre Schwester sei 1989 bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen. Die Mutter sei krank geworden.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat geltend gemacht, wegen Arbeitsüberlastung über den Asylantrag nicht entschieden zu haben.

Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat keinen Antrag gestellt.

Mit Urteil vom 25.1.1993 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, daß bei ihr die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Sri Lanka vorliegen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Der Klägerin stehe ein objektiver Nachfluchtgrund zur Seite, da sie nicht ohne Gefahr in ihre Heimatregion zurückkehren könne. Nicht nur jüngere männliche, sondern auch jüngere weibliche Tamilen könnten wegen einer drohenden Gefahr der Verfolgung im Falle einer Rückkehr nach Sri Lanka Asyl beanspruchen. Die Gefahr einer Verfolgung würde schon bei der Einreise drohen, aber auch im Westen, Süden oder im zentralen Hochland und ferner auf dem Weg nach Norden und Osten. Diese Gefahr sei die Folge einer verschärften Sicherheits- und Menschenrechtssituation in Sri Lanka und stelle damit einen asylrechtlich erheblichen Nachfluchtgrund dar.

Gegen das ihm am 11.5.1993 zugestellte Urteil hat der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten am 21.5.1993 die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluß vom 9.6.1993 hat der Senat dem Antrag entsprochen.

Der Bundesbeauftragte beantragt,

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.1.1993 - A 3 K 14231/92 - die Klage abzuweisen sowie festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen.

Er ist der Auffassung, daß bei Erstellung der Prognose einer möglichen Gefährdung zurückkehrender Tamilen zwischen männlichen und weiblichen Volkszugehörigen zu unterscheiden sei. Dabei sei bei weiblichen Rückkehrern eine erheblich geringere Verfolgungswahrscheinlichkeit anzunehmen, die im Regelfall das asylrechtlich beachtliche Maß nicht erreiche.

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Sie macht ergänzend geltend: Ihr Vater sei am 4.6.1934 geboren und heiße Kandiah Shanaganathan. Er habe bis 1979 in Karamban, einem Vorort der Stadt Kayts, gelebt. Ihre am 21.1.1935 geborene Mutter heiße Shanthravathana. Sie habe bis 1991 in Kayts gewohnt. Sie, die Klägerin, sei vor ihrer Ausreise zwei Tage in Kilinochchi gewesen. Sie habe dort keine Wohnung gehabt. Sie habe vier Geschwister (einschließlich ihrer verstorbenen Schwester). Ihr Bruder und eine Schwester lebten in Deutschland. Der Bruder sei 1979 nach Deutschland ausgereist. Ihre Schwester wohne seit 1987 in der Bundesrepublik. In Sri Lanka habe sie keine Verwandten. Ihre Mutter habe einen Bruder, der wohne in Colombo. Dieser Onkel habe sieben Kinder und sei Besitzer eines Ladens. Er lebe schon seit längerer Zeit in Colombo. Vor ihrer Ausreise habe sie nicht bei ihrem Onkel, sondern im Hotel gewohnt. Mit ihrem Onkel habe sie keinen engen Kontakt. Er könne sie auch nicht aufnehmen. In Sri Lanka habe sie nicht ruhig leben können, deshalb sei sie auf Anraten ihres Vaters nach Deutschland gegangen. In Kayts hätten sie vom Gartenanbau sowie von der finanziellen Unterstützung ihres Vaters gelebt. Das dem Bundesamt vorgelegte Statement habe sie nicht verfaßt, sondern ein Freund ihres Vaters. In Sri Lanka sei sie von der LTTE angesprochen worden, sich dieser Bewegung anzuschließen.

Außer den Akten des Verwaltungsgerichts haben die Behördenakten vorgelegen. Die in der Ladung bezeichneten Erkenntnismittel wurden zum Gegenstand des Verfahrens in der mündlichen Verhandlung gemacht.

Gründe

Der Senat konnte über die Berufung verhandeln und entscheiden, obwohl der Beteiligte und die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend waren, da sie in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Bundesbeauftragten ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht seine Klage abgewiesen, denn die Klägerin hat einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte sowie auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich einer Abschiebung nach Sri Lanka.

I. Die Klägerin ist nach Art. 16 a Abs. 1 GG asylberechtigt. Ihrer Anerkennung steht nicht Art. 16 a Abs. 2 in der ab 30.6.1993 geltenden Fassung vom 28.6.1993 (BGBl. I, S. 1002) entgegen, wonach sich auf Absatz 1 jemand nicht berufen kann, wer - wie die aus Italien eingereiste Klägerin - aus einem Mitgliedsland der Europäischen Gemeinschaft einreist. Diese Regelung ist nach ihrem Wortlaut ("... wer in das ... einreist ...") nur auf Fälle anzuwenden, in denen der Ausländer nach dem 30.6.1993 in den Geltungsbereich des Grundgesetzes eingereist ist (BVerfG, Beschluß vom 22.7.1993 - 2 BvR 668/93 -). Demgegenüber erfolgte die Einreise der Klägerin bereits am 7.12.1990.

Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG hat der Ausländer, dem im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat in seiner Person politische Verfolgung droht. Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen durch den Staat oder durch Maßnahmen Dritter, die dem Staat zurechenbar sind, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsgutverletzungen zugefügt werden, die nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und ihn aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluß vom 10.7.1989, E 80, 315/333 f.).

Herrscht in dem Heimatstaat des Asylbewerbers Bürgerkrieg, so ist Voraussetzung für eine vom Staat ausgehende und ihm zurechenbare Verfolgung die effektive Gebietsgewalt des Staates im Sinne einer wirksamen hoheitlichen Überlegenheit (BVerfGE 80, 315/340). Bei einem sog. offenen Bürgerkrieg, bei dem der Staat die Rolle einer militärisch kämpfenden Bürgerkriegspartei einnimmt, also ein verdeckter Bürgerkrieg, etwa in Gestalt eines Guerilla-Kriegs, nicht herrscht, fehlt es an einer Möglichkeit politischer Verfolgung, solange der Staat nicht über eine übergreifende effektive Ordnungsmacht verfügt (BVerfG, a.a.O.). In diesen Gebieten sind Maßnahmen des Staates dann keine politische Verfolgung, wenn und soweit sie ein typisch militärisches Gepräge aufweisen und der Rückeroberung eines Gebiets dienen, das zwar (noch) zum eigenen Staatsgebiet gehört, über das der Staat jedoch die Gebietsgewalt an die bekämpften anderen Kräfte abgegeben hat (BVerfG, a.a.O.). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Staat den offenen Bürgerkrieg in einer Weise führt, die auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihm zugerechneten und nach asylrechtlichen Merkmalen bestimmten Personen gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand mehr leisten wollen oder können oder an dem militärischen Geschehen nicht oder nicht mehr beteiligt sind; vollends wenn die Handlungen des Staates in die gezielte physische Vernichtung oder Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität des gesamten aufständischen Bevölkerungsteils umschlagen (BVerfG, a.a.O.).

Da das Asylgrundrecht auf dem Zufluchtgedanken beruht und von seinem Tatbestand her grundsätzlich den Kausalzusammenhang Verfolgung-Flucht-Asyl voraussetzt (BVerfG, Beschluß vom 26.11.1986, E 74, 51 (60) sowie vom 10.7.1989, a.a.O. S. 344), ist von wesentlicher Bedeutung, ob der Asylbewerber vorverfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Ist der Asylsuchende wegen bestehender oder unmittelbar bevorstehender politischer Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates wegen Fehlens einer zumutbaren inländischen Fluchtalternative unzumutbar, ist er als Asylberechtigter anzuerkennen, sofern die fluchtbegründenden Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt fortbestehen. Er ist ferner anzuerkennen, wenn die Umstände zwar entfallen sind, aber an seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernsthafte Zweifel bestehen (sog. herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, BVerfGE 54, 341/360 und 80, 315/345 sowie BVerwGE 67, 314 und E 70, 169). Ergibt sich lediglich eine regionale Verfolgungsgefahr, so bedarf es der Feststellung, daß der Asylbewerber landesweit in einer ausweglosen Lage war (BVerfGE 80, 315/344). Hinsichtlich der Verfolgungssicherheit in anderen Landesteilen ist ebenfalls von dem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab auszugehen, d.h. der Ausländer muß auch in den übrigen Landesteilen vor Verfolgung sicher gewesen sein. Eine inländische Fluchtalternative fehlt auch dann, wenn dem Vorverfolgten in anderen Landesteilen andere Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere den asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigungen aus politischen Gründen gleichkommen, solange diese Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestand (vgl. BVerfGE 54, 341/357 und E 80, 315/344).

1. Im dargelegten Sinne ist die Klägerin bei ihrer Ausreise politisch (vor)verfolgt gewesen. Sie hat Sri Lanka aufgrund stattgefundener politischer Verfolgung verlassen. Auch kann eine erneute politische Verfolgung bei ihrer Rückkehr nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.

Die Klägerin ist anläßlich der im Oktober/November 1990 stattgefundenen Eroberung der Insel Kayts, wo sie zusammen mit ihrer Familie gelebt hatte, asylrechtlich beachtlichen politischen Verfolgungsmaßnahmen des srilankischen Staates ausgesetzt gewesen. Die Eroberung der Insel Kayts erfolgte im Rahmen eines sog. offenen Bürgerkriegs, bei dem der srilankische Staat die Rolle einer kämpfenden Bürgerkriegspartei eingenommen hatte (AA, 14.12.1990). Dies ergibt sich daraus, daß die Eroberung mit einem deutlichen Frontverlauf unter Einsatz herkömmlicher militärischer Mittel, vor allem unter vorheriger Bombardierung der Insel, erfolgt war. Dagegen vollzog sich die Eroberung nicht in Form eines sog. verdeckten Bürgerkrieges - etwa in Gestalt eines Guerilla-Krieges -.

Die Eroberung der - der Halbinsel Jaffna vorgelagerten - Insel Kayts stand im Zusammenhang mit den im Juni 1990 als Folge von Überfällen auf Polizeistationen zwischen den srilankische Regierungstruppen und der LTTE aufgeflammten Kämpfen (AA, 29.8.1990; ai, 19.7.1990), vor allem um die Halbinsel Jaffna und die vorgelagerten Inseln. Die Militäroperationen erfolgten in einer Weise, die jedenfalls auf die teilweise Vernichtung der der LTTE zugerechneten Zivilbevölkerung gerichtet war, obwohl diese keinen Widerstand leisten wollte bzw. am militärischen Geschehen nicht beteiligt war. Ihnen kam nicht nur ein militärisches Gepräge, sondern die Qualität einer asylrechtlich beachtlichen Verfolgung zu. Zunächst bombardierte die Luftwaffe bis etwa Mitte November 1990 die Halbinsel Jaffna und die ihr vorgelagerten Inseln - einschließlich Kayts - in Form des sog. indiscriminate bombing, bei dem neben militärischen zivile Ziele über längere Zeiträume unterschiedslos angegriffen wurden (AA, 13.7., 8.8., 29.8., 29.11. und 14.12.1990). Die Bombardierungen und Hubschrauberangriffe waren dabei auch gegen Personenansammlungen gerichtet gewesen (AA, 14.12.1990). Ihnen fielen auf dem Feld arbeitende Bauern (nebst Vieh), fliehende Zivilisten (Keller-Kirchhoff, 20.1.1991, S. 5) und Menschen auf Marktplätzen verschiedener Ortschaften (Dr. Wingler, 8.2.1991) zum Opfer. Wegen des Abwehrfeuers der LTTE war die Luftwaffe oftmals gezwungen, ihre Bomben aus größerer Höhe ohne Zielgenauigkeit abzuwerfen. Die Hubschrauberangriffe wurden damit begründet, daß jeder, der sich trotz Ausgangssperre im Kampfgebiet bewege, als LTTE-Anhänger zu betrachten sei. Nach Auffassung des Auswärtigen Amtes waren die Angriffe zwar nicht generell gegen die Zivilbevölkerung gerichtet gewesen; es wurden jedoch Verluste unter der Zivilbevölkerung und die Beschädigung und Zerstörung ziviler Einrichtungen bewußt und regelmäßig in Kauf genommen (AA, 29.11. und 14.12.1990). Nach einzelnen, nicht belegten Berichten war nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes die Luftwaffe zu Dauerbombardements, auch nachts, übergegangen, wobei Leidtragende in erster Linie die Zivilbevölkerung war (AA, 29.8.1990). Bei den Bombardierungen warf die Luftwaffe Brandbomben und Kanister mit übelriechendem Inhalt, vermutlich Fäkalien mit Krankheitserregern, ab (AA, a.a.O.; ai, 25.6.1991; Tessa Hofmann, 7.3.1991, S. 5 f.; Bericht der tamilischen Komitees an die UN, 27.1.1991; Wingler, Januar 1993, S. 6). Die aus einem Gemisch aus Benzin und Gummi bestehenden Faßbomben zersplitterten beim Aufprall und klebten an ihren Opfern fest, was schreckliche Verbrennungen hervorrief (Tessa Hofmann, a.a.O.). Mit der Fortdauer der Kämpfe nahmen nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes auch vereinzelte Angriffe jenseits von LTTE-Zielen als nicht autorisierte, individuelle Übergriffe von Piloten zu (AA, a.a.O.). Zwar habe die Luftwaffe den Befehl erhalten, die Zivilbevölkerung so weit wie möglich zu schonen, dies sei jedoch "nicht immer" eingehalten worden (AA, a.a.O. und 8.8.1990). Gegenüber diesen Feststellungen und Bewertungen des Auswärtigen Amtes gehen die Gutachter Tessa Hofmann, Keller-Kirchhoff und Wingler sowie amnesty international von willkürlichen, mutwilligen sowie flächendeckenden und massiven Luftangriffen bzw. gezielten Vergeltungsschlägen auf unbeteiligte Zivilisten aus (Tessa Hofmann, 7.3.1991; Keller-Kirchhoff, 14.12.1990, S. 4, 25.1.1961, S. 4; Dr. Wingler, 20.1.1991, S. 5; ai, 12.4.1991, S. 4). Sie berichten von Luftangriffen auf in den Feldern arbeitende Bauern einschließlich ihres Viehs, auf flüchtende Zivilisten und sich auf Marktplätzen aufhaltende Personen (Dr. Wingler, 20.1.1991, S. 5, Januar 1991, S. 7; Tessa Hofmann, 7.3.1991) sowie - in Übereinstimmung mit dem Auswärtigen Amt - auf zivile Einrichtungen wie Wohnhäuser, Schulen, Krankenhäuser, Kirchen, ein E-Werk und Zivilbusse (ai, 12.4. und 25.6.1991; Tessa Hofmann, 7.3.1991, S. 6; Keller-Kirchhoff, 20.1.1991, S. 5; Dr. Wingler, 20.1.1991, S. 5). Die Angriffe auf zivile Personen erfolgten dabei in der Regel durch niedrig fliegende Flugzeuge bei fehlender Luftabwehr der LTTE (Keller-Kirchhoff, 14.12.1990, S. 6). Insgesamt waren im Norden und Osten bis September 1990 infolge der Luftangriffe etwa 2.000 Geschäfte, 9.000 Häuser, 80 Fabriken, 400 Schulen, Kirchen und Krankenhäuser sowie 400 Fischerboote zerstört oder beschädigt worden (Keller-Kirchhoff, 23.1.1991; Wingler, 8.2.1993, S. 1). Der Londoner Daily Telegraph berichtete am 13.9.1990 von Bombenangriffen der Luftwaffe, bei denen blindlings alle Zivilisten getötet wurden.

Im Rahmen der Kämpfe um die Halbinsel Jaffna ist bis zum Oktober/November 1990 die Eroberung der vorgelagerten Insel Kayts zu sehen. Die Kämpfe waren außerordentlich schwer (Keller-Kirchhoff, 31.10.1990, S. 11). Die Eroberung erfolgte mit äußerster Brutalität und ohne die geringste Schonung der Zivilbevölkerung. Die Insel wurde in der geschilderten Weise bombardiert, wobei Wohnhäuser, u.a. auch das Elternhaus der Klägerin, größtenteils zerstört wurden und Zivilopfer, u.a. eine Schwester der Klägerin, beklagt werden mußten. Infolge von Exekutionen, Brandschatzungen und Verwüstungen durch die Armee wurde die gesamte Zivilbevölkerung von Kayts (etwa 50.000 Personen) bis auf etwa 200 - 300 meist ältere Tamilen vertrieben. Bei der Eroberung wurden wehrlose tamilische Jungen von der Armee in ihren Elternhäusern aufgegriffen, gefesselt und mit Schüssen in das Gesicht exekutiert (zur Eroberung von Kayts, Wingler, 18.10.1992, S. 16 f., April 1993, S. 12 und 17.5.1993, S.7).

Nach alledem wurde die Eroberung von Kayts von den srilankischen Streitkräften in einer Weise betrieben, daß sie als politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG eingestuft werden muß. Sie stellt nicht lediglich eine übliche Militäroperation mit dem vom Bundesverfassungsgericht vorausgesetzten militärischen Gepräge dar, sondern war jedenfalls zum Teil auf eine physische Vernichtung auch der unbeteiligten und zum Widerstand nicht gewillten Tamilen-Bevölkerung gerichtet gewesen. Die Tatsache, daß die mehrere zehntausend Personen umfassende Bevölkerung so gut wie vollständig aus ihrer Heimat vertrieben wurde, läßt sich nur mit den geschilderten menschenrechtswidrigen Aktionen der Armee erklären, die nicht nur auf eine Zerschlagung der LTTE- Streitkräfte, sondern auf eine Vernichtung bzw. Vertreibung der gesamten Bevölkerung von Kayts gerichtet waren. Entgegen der Bewertung des Auswärtigen Amtes beurteilt der Senat in Übereinstimmung mit den übrigen Gutachtern Tessa Hofmann, Keller-Kirchhoff und Dr. Wingler sowie amnesty international die Bombardierungen nicht als asylrechtlich unbeachtliche Exzeßtaten der Luftwaffe, sondern als jedenfalls zum Teil gegen die unbeteiligte Zivilbevölkerung gerichtete Operationen mit dem Ziel der Vernichtung, Vergeltung und Einschüchterung, wofür nicht zuletzt die erwähnten Angriffe auf in den Feldern arbeitende Bauern, fliehende Zivilisten und sich auf Marktplätzen aufhaltende Personen unter Berücksichtigung dessen sprechen, daß diese Angriffe in der Regel bei fehlender Luftabwehr seitens der LTTE von niedrig fliegenden Flugzeugen ausgeführt wurden, ihnen also eine militärische Notwendigkeit jedweder Art abging. Gegen die Asylrelevanz der Militäroperationen um Kayts läßt sich auch nicht einwenden, daß im Zuge moderner Kriegsführung Opfer unter der Zivilbevölkerung in keinem Fall ausgeschlossen werden können. Denn wie die geschilderten Beispiele zeigten, waren die Zivilopfer nicht die unvermeidliche Folge gegen die LTTE gerichteter Militäraktionen, sondern - jedenfalls teilweise - ausschließlich gegen die wehrlose Zivilbevölkerung durchgeführte Maßnahmen des Gegenterrors gewesen. Diese besondere Qualität der Kriegsführung ergibt sich nicht zuletzt auch aus der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 14.12.1990, wonach seit Mitte November 1990 der Luftkrieg in seiner generellen und unterschiedslosen Zielrichtung, wohl auf ausländischen Protest hin, eingestellt worden war und sich danach stärker an militärischen Zielen orientiert hatte. Unabhängig davon spielen "Erfordernisse" moderner Kriegsführung asylrechtlich keine Rolle, wenn ein offener Bürgerkrieg in der vom Bundesverfassungsgericht als asylrechtlich beachtlich angesehenen Weise geführt wird.

Stellt die Eroberung von Kayts eine staatliche Maßnahme politischer Verfolgung dar, so war die sich zu diesem Zeitpunkt dort aufhaltende Klägerin hiervon mit betroffen gewesen. Sie hat insoweit eine politische Verfolgung erlitten, als ihr durch die vollständige Verwüstung der Insel und die Vertreibung der dort lebenden Bevölkerung jegliche Existenzgrundlage genommen wurde, wodurch sie in eine ausweglose Lage im asylerheblichen Sinne geraten war. Darüber hinaus hatte ihr aber auch eine politische Verfolgung unmittelbar insofern gedroht, als sie bis zu ihrer Flucht aus Kayts jederzeit aktuell hat rechnen müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.4.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 143), wie ihre Schwester einem der Bombardements der Luftwaffe bzw. der nachfolgenden menschenrechtswidrigen Übergriffe der Armee zum Opfer zu fallen. Nach Ausmaß und Heftigkeit der Bombardierungen sowie der anschließenden Menschenrechtsverletzungen hatte der Klägerin eine politische Verfolgung mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit gedroht, so daß es ihr nicht zuzumuten war, in Kayts zu bleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 147). Ferner besteht auch der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der im Oktober/November 1990 abgeschlossenen Eroberung von Kayts und der im November erfolgten Ausreise der Klägerin aus Sri Lanka.

2. Der Klägerin stand auch zum Zeitpunkt ihrer Ausreise keine zumutbare inländische Fluchtalternative in Sri Lanka zu Gebote. Angesichts der erlittenen Vorverfolgung hätte eine solche Alternative nur bestanden, wenn die Klägerin nach dem sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab an einem anderen Ort Sri Lankas von einer Wiederholung einer politischen Verfolgung sicher gewesen wäre (vgl. BVerfGE 80, 315/344 f.). Eine solche Verfolgungssicherheit fehlt dagegen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, die die Möglichkeit einer politischen Verfolgung der Klägerin als nicht ganz entfernt erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.5.1987, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 69, S. 34) bzw. wenn an der Sicherheit des Ausländers vor abermalig einsetzender Verfolgung auch nur ernsthafte Zweifel bestünden (vgl. BVerwGE 67, 314; E 70, 169 und Urteil vom 23.4.1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 33, S. 97). Erforderlich ist dabei eine zurückschauende Bewertung, nämlich die Prüfung, ob der Asylsuchende vor landesweiter Verfolgung geflohen war, er sich also seinerzeit in einer landesweit ausweglosen Lage befunden hatte (BVerfGE 80, 315/344 f.; Marx, Asylrecht, Rechtsprechungssammlung und Erläuterungen, S. 536).

Im Zeitpunkt ihrer Ausreise wäre die Klägerin vor politischer Verfolgung auch dann nicht sicher gewesen, wenn sie sich in die singhalesischen Gebiete im Westen, Süden und im zentralen Hochland oder aber in den Osten von Sri Lanka begeben hätte. Die Situation der Klägerin wäre in diesem Fall dadurch bestimmt gewesen, daß sie aus dem Norden Sri Lankas, also aus der Rebellenregion stammt und sich in den singhalesischen Gebieten noch nicht lange aufgehalten sowie über keine dauernde Arbeits- und Wohnstätte verfügt hätte (AA, 14.10.1992, S. 3). Zudem wäre sie aufgrund ihrer Jugend schnell in den Verdacht gekommen, Unterstützerin oder gar Mitkämpferin der LTTE zu sein, zumal sie nicht singhalesisch sprechen kann, was grundsätzlich das Mißtrauen singhalesischer Sicherheitskräfte hervorruft (Keller, Oktober 1992, S. 25). Damit hätte die Klägerin kein sog. valid reason (Keller, 21.12.1990, S. 5; ai, Mai 1991) zum Aufenthalt in den singhalesischen Gebieten gehabt, was die Gefahr einer Festnahme bei Razzien bzw. sog. screening actions erhöht hätte (Keller, a.a.O.; AA, 14.10.1992, S. 14). Dem Fehlen eines valid reason steht nicht entgegen, daß die Klägerin in Colombo einen dort seit Jahrzehnten wohnenden leiblichen Onkel hat, denn nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat waren und sind die Beziehungen zu diesem Onkel nicht eng gewesen, vor allem bestand für die Klägerin keine Möglichkeit, beim Onkel zu wohnen. Wenngleich der Onkel für die Klägerin bei einer etwaigen Festnahme hätte bürgen können, reicht dies zur Annahme eines das Verfolgungsrisiko ausschließenden valid reason nach den Umständen dieses Falles nicht aus, denn hierzu hätte es auch der Aufnahme der Klägerin in der Wohnung eines als zuverlässig angesehenen Bürgen bedurft (AA, 14.10.1992). Da hierfür keine Möglichkeit bestand, hätten im Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin die eine Verfolgungsgefahr begründenden Umstände (jugendliches Alter, fehlende Dauerarbeits- und Wohnstelle, keine singhalesischen Sprachkenntnisse) voll als Verdachtsmomente durchgeschlagen, die die Gefahr einer Festnahme und einer anschließenden menschenrechtswidrigen Behandlung der Klägerin begründet hätten.

Im einzelnen gestalteten sich im Zeitpunkt der Ausreise der Klägerin die Verhältnisse in den singhalesischen Gebieten sowie im Osten wie folgt:

Kurze Zeit nach Ausbruch der Kämpfe im Juni 1990 führten Sicherheitskräfte im Westen Großrazzien nach LTTE-Verdächtigen durch, wobei 600 Tamilen, viele offenbar vorübergehend, festgenommen wurden (AA, 29.8.1990, S. 3). Personen, die der Unterstützung der LTTE verdächtigt wurden, drohte im Falle einer Verhaftung Gefahr für Leib und Leben (AA, 16.1.1991). Auch danach kam es immer wieder zu sog. screening actions der Sicherheitskräfte mit dem Ziel, LTTE-Mitglieder und Helfer ausfindig zu machen. Das Schicksal der bei solchen Aktionen verhafteten Personen blieb unbekannt (AA, 16.1.1991). Ferner kam es zu Entführungen, zum "Verschwinden" und zur Ermordung von Personen unter Umständen, die keinen Zweifel an der Urheberschaft von Sicherheitskräften ließen (AA, 16.1.1991). Die Menschenrechtslage im Süden und Westen zeigte dabei keine wesentlichen Verbesserungen (AA, 6.5.1991). Im Osten gab die hohe Zahl der Vermißten (mit hoher Dunkelziffer) Anlaß zur Besorgnis (AA, a.a.O.). Insgesamt waren von 1987 bis Januar 1991 60.000 Personen "verschwunden", d.h. von den Sicherheitskräften umgebracht worden, wobei zu diesen Opfern allerdings ein erheblicher Teil unter den JVP-Mitgliedern und Sympathisanten zu finden war (ai, 12.4.1991, S. 4, Jahresbericht 1991, S. 407 f.; Tessa Hofmann, 6.3.1991, S. 10). Allein im Distrikt Kandy blieben 20 - 50 Personen pro Woche "verschwunden" (ai, Januar 1991, S. 2). Im Bereich Amparai waren zwischen Juni 1990 und Januar 1991 3.000 Personen (ai, 12.4.1991), in Battacaloa seit Juni 1990 etwa 1.000 Zivilisten von Sicherheitskräften (Keller-Kirchhoff, 23.1.1991, S. 6) getötet worden. Bei Großrazzien wurden vor allem männliche Tamilen im Alter von 15 - 35 Jahren verhaftet. Aber auch Frauen, ja Mütter mit ihren Babys gehörten zu den Opfern (ai, Jahresbericht 1991, S. 407). Auch im Süden kam es zu willkürlichen Erschießungen und Verbrennungen von Personen mittels Autoreifen durch srilankische Sicherheitskräfte (Keller-Kirchhoff, 25.1.1991, S. 4). Dabei gingen Sicherheitskräfte auch gegen einzelne Frauen gezielter, d.h. auf konkrete Hinweise hin, vor (Keller, 21.12.1990, S. 3). So wurden beispielsweise Tamilinnen aus einer Familie verhaftet, wenn ein gesuchtes männliches Mitglied nicht greifbar war. Es gab damals also Sippenhaft, begangen an Tamilen beiderlei Geschlechts (Keller, a.a.O.). Auch war es seit 1990 immer wieder zu Vergewaltigungen durch die Special Task Force, einer polizeilichen Spezialeinheit, gekommen (Keller, a.a.O.). Diese Maßnahmen wurden von Gutachtern als der Abschreckung der Bevölkerung dienender Gegenterror eingestuft (Keller, a.a.O. und 23.1.1991, S. 7). Im Juni 1990 bestand zudem eine konkrete Gefahr neuer pogromartiger Ausschreitungen gegen Tamilen (Keller, a.a.O.). Insgesamt waren im Juni 1990 7.000 junge Tamilen in Schutzhaft genommen worden (Keller, a.a.O.). Seit Juni 1990 waren vorzugsweise aus dem Norden geflüchtete Tamilen in Colombo in großer Zahl, vor allem in kleinen Hotels und Unterkünften, verhaftet worden (Tessa Hofmann, 7.3.1991, S. 10 sowie Keller, a.a.O.). Im August 1990 wurden 206 Tamilen (Männer, Frauen und Kinder) in Saththumkodan ermordet (Keller, a.a.O.). Im Osten kam es immer wieder zu Großrazzien der Sicherheitskräfte mit anschließenden Verhaftungen sowie verschiedenen Massakern (ai, Rundbrief Nr. 30, Januar 1992, S. 6). Insgesamt waren seit dem Ausbruch der Kämpfe im Juni 1990 bis Januar 1991 mindestens 5.000 Zivilisten ums Leben gekommen (Keller-Kirchhoff, 23.1.1991, S. 9). Im Norden und Osten kam es im Jahre 1990 zu den geschilderten Bombardierungen (Keller-Kirchhoff, 23.1.1991, S. 7).

Nach alledem waren im November 1990 Tamilen nach dem sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab in keinem Gebiet von Sri Lanka wirklich sicher gewesen (Keller-Kirchhoff, 23.1.1991, S. 11; ai, 12.4.1991, S. 7; Dr. Wingler, 23.6.1991, S. 7). Dies galt grundsätzlich für Tamilen beiderlei Geschlechts (Dr. Wingler, 23.6.1991, S. 9), jedenfalls für die Klägerin, die, wie dargelegt, über kein valid reason zum Aufenthalt in singhalesischen Gebieten verfügte und deren persönliche Verdachtsmomente die Möglichkeit nicht ganz entfernt erscheinen ließ, daß sie bei Razzien und screening actions verhaftet und menschenrechtswidrig behandelt wird oder einer der Gegenterrormaßnahmen srilankischer Streitkräfte zum Opfer fällt. Damit bestanden bei der Klägerin im Zeitpunkt ihrer Ausreise aus Sri Lanka ernsthafte Zweifel an der Sicherheit vor einer abermals einsetzenden Verfolgung, mit der Folge, daß ihr eine inländische Fluchtalternative nicht zu Gebote stand.

3. Die der Klägerin bei ihrer Ausreise drohenden staatlichen Verfolgungsmaßnahmen wiesen auch die für eine Asylanerkennung erforderliche Intensität auf. Bei den stattgefundenen Bombardierungen bestand für die Klägerin unmittelbare Gefahr für Leib und Leben. Aber auch bei einer Festnahme durch Sicherheitskräfte bei Razzien und screening actions sowie bei anderer Gelegenheit mußte mit Mißhandlungen und Folterungen, ja der Tötung gerechnet werden.

Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6.5.1991, S. 4 waren zumindest Prügel an der Tagesordnung. Für LTTE-Verdächtige bejahte das Auswärtige Amt in einer Auskunft vom 30.8.1991, S. 13 ein Folterrisiko, das allerdings niedriger sein sollte als das JVP-Angehöriger. In der ergänzenden Auskunft vom 30.9.1991 wurde jedoch bestätigt, daß es bei der Festnahme von - der LTTE-Mitgliedschaft verdächtigen - Personen verstärkt zu Folterungen kommt. Von einem Folterrisiko zeugen auch andere Auskünfte (AA, 4.7., 4.8 und 8.8.1990; 27.1.1992, 23.6.1992 und 12.1.1993; ai, September 1990, S. 1 und Rundbrief 32, September 1991, S. 31; Wingler, 20.1.1991, S. 5, 2.8.1991, S. 12 und 30.7.1991, S. 1 f. sowie Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 34 und 39). Die Einschätzung, daß bei den screenings LTTE-Verdächtige nicht geprügelt würden (Auskunft vom 30.8.1991), hat das Auswärtige Amt in der Ergänzung vom 30.9.1991 nicht mehr aufrechterhalten. Von vielen bei den Screenings festgenommenen Personen weiß man, daß sie umgebracht wurden (Wingler, 20.1.1991, S. 14; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 40). Von der EPDP verhaftete Tamilen berichteten von Folterungen und Demütigungen (Keller-Kirchhoff, 10.9.1991, S. 14). Zu den Tötungs- und Foltermethoden gehören Scheinexekutionen, Exekutionen durch Kopfschuß, Knebeln mit Reifen und Verbrennen mit Kerosin, Aufhängen an Füßen, Ausreißen von Nägeln, Einschlagen von Nägeln in den Kopf, Einschlagen von Glasflaschen in den After, Mißhandlungen mit Fahrradketten, Elektroschocks der Genitalien, homosexuelle Vergewaltigungen, über den Kopf Stülpen von Säcken mit Chili-Pulver (Wingler, August 1991, S. 21; Keller-Kirchhoff, Mai 1990, S. 66 und ai, Mai 1989, S. 11 und Jahresbericht 1986, S. 335 und 1991, S. 407). Zudem besteht für die Festgenommenen die Gefahr des "Verschwindens", d.h. einer ungesetzlichen Tötung, was in Sri Lanka damals häufig vorkam (ai-Auskunft vom September 1990, S. 1 und 12.4.1991, S. 7 und Februar 1991, S. 6/7 der deutschen Übersetzung; Wingler, 20.1.1991, S. 6 und 2.8.1991, S. 12). Für eine bei einer screening action festgenommenen Person war nicht absehbar, wie lange sie inhaftiert sein wird. Das Auswärtige Amt sprach von einer 24-stündigen Dauer des eigentlichen Screenings, Keller-Kirchhoff dagegen von Festnahmen zwischen zwei Stunden und 18 Monaten. Nach Dr. Wingler (Gutachten vom 2.8.1991, S. 12) dauerten die Festnahmen zwischen drei bis sechs Tagen bzw. Wochen. Der Verbleib der bei den Screenings Festgenommenen blieb unbekannt, weshalb ein Kontakt zu Angehörigen oder Rechtsanwälten ausgeschlossen war (AA, 14.12.1990, S. 4/5 und vom 6.5.1991, S. 4; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 27/28). Da auch Zivilisten Verhaftungen durchführten, war oft nicht feststellbar, wer verantwortlich war (Keller- Kirchhoff, 7.9.1991, S. 36 und vom 10.9.1991, S. 10). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 15.11.1991, II, 3, wurde die auch bei Verhaftungen nach dem Notstandsrecht vorgesehene richterliche Haftanordnung mehr als nachlässig gehandhabt. Nach der Kenntnis des Auswärtigen Amtes fand in keinem Fall die vorgeschriebene Vorführung des Häftlings vor dem Richter statt. Die Richter unterschrieben die Haftbestätigungen vielmehr blind. In keinem Fall hatten sie die Unterschrift unter eine Haftbestätigung abgelehnt. Zahlreiche Inhaftierte, die von Gerichten freigesprochen oder deren Strafen zur Bewährung ausgesetzt worden waren, blieben weiterhin ohne Rechtsgrundlage gefangen (Keller- Kirchhoff, 7.9.1991, S. 6). Viele Gefangene befanden sich, obwohl ihre Haftbefehle abgelaufen waren, nach wie vor in Haft. Auch wurde eine Anzahl von Personen über längere Zeit in Polizeistationen festgehalten (vgl. Keller-Kirchhoff, a.a.O.).

4. Die der Klägerin bis zu ihrer Ausreise drohenden staatlichen Verfolgungsmaßnahmen knüpften - wie sich aus dem bereits Dargelegten ergibt - auch an asylrechtlich beachtliche Merkmale an. Denn es handelt sich hierbei um staatliche Willkür- bzw. Gegenterrormaßnahmen, die sich - wie bei der Eroberung von Kayts - gegen die Volkszugehörigkeit der dort lebenden Tamilen gerichtet hatten. Soweit es um die Festnahme und Mißhandlung vermeintlicher LTTE-Anhänger ging, waren herausragende Merkmale die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe junger Tamilen im Alter von 11 - 36 Jahren und im übrigen zusätzliche vage oder gar willkürlich herangezogene Verdachtsmomente.

Mit der dargelegten Zweck- und Zielrichtung stellte die die Klägerin treffende Gefahr einer Inhaftierung und Mißhandlung eine an asylrelevante Kriterien anknüpfende politische Verfolgung dar, durch die die Klägerin aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates Sri Lanka ausgegrenzt wurde. Dies gilt auch für die Verfolgungssituation im Osten der Insel. Der Annahme einer politischen Verfolgung in diesem Bereich stand nicht etwa das Fehlen einer effektiven Gebietsgewalt und damit einer Verfolgungsmächtigkeit des srilankischen Staates entgegen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315/340). Zwar fand im Osten von Sri Lanka ein Guerilla-Krieg statt. Der srilankische Staat übte jedoch überwiegend im Osten durch seine Verwaltungsbeamte (Government Agents), z.B. in Trincomalee, Ampara und Batticaloa, sowie durch Assistant Government Agents in den kleineren Städten und durch die Polizei Verwaltungsfunktionen aus. Deren Vollzug wurde zwar stellenweise und vorübergehend durch Guerilla-Überfälle der LTTE gehemmt (AA, 29.8.1990, 29.11.1990, 16.1.1991, 6.5.1991, 30.8.1991, S. 3). Die LTTE nahm jedoch im Osten nur punktuell ordnungsmachtähnliche Funktionen wahr (AA, a.a.O.). In dünn besiedelten Gebieten und in Dschungelbereichen war die staatliche Gewalt allerdings wegen der relativen Übermacht der LTTE nur unter Einsatz der Streitkräfte - und dann auch nur für die Zeit des Einsatzes - durchsetzbar (AA, a.a.O.). Nach alledem lag jedenfalls für den größten Teil des Ostens von Sri Lanka eine prinzipielle Aufhebung der übergreifenden staatlichen Friedensordnung ungeachtet terroristischer Aktionen der LTTE und der sich daran anschließenden Vergeltungsmaßnahmen der srilankischen Armee nicht vor. Aber auch soweit die staatliche Gebietsgewalt für bestimmte Bereiche des Ostens nicht mehr bestand, handelte es sich jedenfalls insoweit um politische Verfolgungsmaßnahmen des Staates Sri Lanka, als die Armee und die Sicherheitsorgane den Kampf gegen die LTTE als verdeckten Bürgerkrieg in einer Weise führten, die auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten und nach asylerheblichen Merkmalen bestimmten Personen gerichtet war, obwohl diese keinen Widerstand mehr leisten wollten oder konnten oder an dem militärischen Geschehen nicht mehr beteiligt waren (vgl. BVerfG, Beschluß vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 341 i.V.m. S. 340). Dies gilt auch und gerade für diejenigen blindwütigen Vergeltungsaktionen der Armee, die kein typisch militärisches Gepräge aufwiesen (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 340), sondern sich willkürlich gegen unbeteiligte Zivilisten richteten (ai, Rundbrief 30, Januar 1991, S. 5). Dabei handelte es sich nicht um asylrechtlich unerhebliche Exzesse einzelner Kommandeure und Einheiten, sondern um eine über Jahre systematisch betriebene Strategie zur Bekämpfung tatsächlicher und vermeintlicher LTTE-Anhänger. Schließlich waren die in Grauzonen stattfindenden Verfolgungsmaßnahmen etwa der Todesschwadrone, der Vigilance-Gruppen sowie gewisser Bürgerwehren zu berücksichtigen, deren Aktivitäten dem Staat Sri Lanka zuzurechnen sind, da sie auf einer Linie mit den dargelegten staatlichen Verfolgungsmaßnahmen stehen und nicht nur geduldet, sondern aktiv gefördert wurden (AA, 29.11.1990, S. 4 und 14.12.1990, S. 4; ai-Jahresbericht 1990, S. 367 f.; Keller- Kirchhoff, 7.9.1991, S. 43 f., 17.9.1991, S. 4/5, Wingler, 21.10.1991, S. 1).

Aus alledem ergibt sich, daß die Klägerin bei ihrer Ausreise aus Sri Lanka als politisch (vor)verfolgt zu beurteilen ist.

5. Aus den geschilderten Verfolgungssituationen folgt aber auch unter Zugrundelegung der gegenwärtigen Verhältnisse, daß die Klägerin bei einer Rückkehr in ihren Heimatstaat vor einer erneuten politischen Verfolgung nicht hinreichend sicher wäre. Maßgeblich ist wiederum der bei einer erlittenen Vorverfolgung anzuwendende - sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab -, wonach einem Ausländer die Rückkehr in den Heimatstaat nur dann zugemutet werden kann, wenn er dort vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist (vgl. BVerfG, Beschluß vom 2.7.1980, E 54, 341/360). Dies bedeutet, daß eine Wiederholung der politischen Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein muß (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 361 f. sowie BVerwG, Urteil vom 27.4.1982, E 65, 250/251). Es muß mehr als nur überwiegend wahrscheinlich sein, daß der Asylsuchende in seinem Heimatland vor erneuten Verfolgungsmaßnahmen sicher ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.9.1984, E 70, 169/170). Lassen sich dagegen ernsthafte Bedenken nicht ausräumen, so wirken sie sich zugunsten des Asylbewerbers aus und führen zu seiner Anerkennung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.1982, a.a.O.). In diesem Sinne fehlt eine Verfolgungssicherheit der Klägerin landesweit, so daß eine zumutbare inländische Fluchtalternative auszuscheiden hat.

Für diese Einschätzung ist zunächst wiederum entscheidend, daß die Klägerin, wie ausgeführt, über kein sog. valid reason für den Aufenthalt in den singhalesischen Gebieten verfügt und wegen bestimmter persönlicher Merkmale und Umstände (jugendliches Alter, Fehlen singhalesischer Sprachkenntnisse sowie einer Dauerwohn- und Arbeitsstelle) Gefahr läuft, das Mißtrauen srilankischer Sicherheitskräfte zu wecken und im Zuge von Razzien und screening actions festgenommen, verhaftet, gefoltert und sonstwie menschenrechtswidrig behandelt, ja getötet zu werden (vgl. Wingler, 18.10.1992, 8.2.1993, S. 4).

Für die Frage, ob zurückkehrende Tamilinnen der Gefahr einer politischen Verfolgung ausgesetzt sind, ist zunächst allgemein von folgendem auszugehen:

Der Gutachter nimmt grundsätzlich eine Gefährdung vor allem jüngerer aus dem Nordosten stammender Ceylon-Tamilen beiderlei Geschlechts, also auch von jüngeren Mädchen, zu denen die Klägerin gehört, an (Dr. Wingler, Mai 1993, S. 6; 17.5.1993, S. 2 und 4; 3.5.1993, S. 11, 13, 17, 21, 24 und 40; 15.12.1992, S. 2 und 18.10.1992, S. 24, 27; Mai 1992, S. 3 und 4). Die Gefährdung jüngerer tamilischer Mädchen zwischen 11 und 36 Jahren wurde im Hinblick auf das gesunkene Rekrutierungsalter bei der LTTE und die zunehmende Heranziehung von Mädchen zum Wehrdienst als erhöht angesehen (Wingler, 18.10.1992, S. 24; 15.12.1992, S. 2; 3.5.1993, S. 24). Nach Auffassung des UNHCR-Büros Colombo können zwar tamilische Asylbewerber mit Herkunft aus den vom Konflikt nicht erfaßten Gebieten ohne Gefahren zurückkehren; dagegen ist für solche Personen aus anderen Gebieten - wie etwa die aus dem Norden stammende Klägerin - eine sorgfältigen Fall-zu Fall-Prüfung unter Einbeziehung von Faktoren wie familiärer Rückhalt, längerer auswärtiger Aufenthalt etc. geboten (AA, 21.12.1992, S. 4). Bei verdächtigen Personen - jeden Geschlechts und Alters - können Verhaftungen mit mehr oder weniger schweren Folterungen nicht ausgeschlossen werden, wobei die Verdachtsmomente zunehmend weiter und willkürlicher gefaßt werden (AA, 15.11.1991, S. 1). Das höchste Verfolgungsrisiko besteht zwar für männliche Tamilen im Alter von 11 - 36 Jahren, aber auch Mädchen dieser Altersgruppe sind zunehmend gefährdet (AA, a.a.O.; Dr. Hellmann-Rajanayagam, 14.6.1993, S. 6). Im einzelnen ergeben sich für die Klägerin im Falle einer Rückkehr nach Sri Lanka landesweit folgende Gefährdungssituationen:

a) Zunächst besteht für die Klägerin die Gefahr einer Festnahme und Folterung bei der Einreise in Sri Lanka am Flughafen Katunayake. Dort führt die Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID -) Routine- und Verdachtskontrollen durch. Seit dem Bombenanschlag der LTTE vom 2.3.1991 auf den Verteidigungsminister Wijeratne, dem Attentat auf Rajiv Ghandi vom 21.5.1991 und dem Anschlag auf das Hauptquartier der srilankischen Armee vom 21.6.1991 werden ein- und ausreisende Tamilen zwischen etwa 16 und 36 Jahren, welche keinen ständigen Wohnsitz im Süden und Westen nachweisen können, erkennungsdienstlich behandelt, um feststellen zu können, ob es sich um LTTE-Kämpfer oder -mitläufer handelt (AA, 30.8.1991, Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 27; ai, Dezember 1992, S. 6). Gegenüber aus dem Ausland zurückkehrenden Tamilen besteht ein besonderes Mißtrauen (Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 30, Wingler, 21.10.1991, S. 21 und 2.8.1991, S. 7). Sicherheitskräfte am Flughafen werden aufgefordert, besonders auf nach Sri Lanka zurückkehrende "Expatriaten" wachsam zu sein (Wingler, 21.10.1991, a.a.O.). Aus dem Ausland zurückkehrende Tamilen werden nach Pressemitteilungen von "Offiziellen" bei dem Versuch, militante Aktivitäten zu unterdrücken, "harassiert" (Wingler, a.a.O., S. 23; ai, Dezember 1992, S. 6). Entsprechendes gilt von Personen mit einem Abschiebungsvermerk im Paß (Wingler, 2.8.1991, S. 7). Heimkehrende Flüchtlinge werden generell verdächtigt, für die LTTE tätig zu sein (ai, Dezember 1992, S. 6; Wingler, a.a.O.; Dr. Hellmann-Rajanayagam, 14.6.1993, S. 4). Dies beruht u.a. darauf, daß die LTTE offenbar über gute Verbindungen insbesondere auch in die Bundesrepublik Deutschland verfügt und von dort aus auch Unterstützungen, u.a. finanzieller Art, erhält (AA, 30.8.1991, S. 5 und 7; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 25 und 29; Wingler, 2.8.1991, S. 7 und August 1991, S. 21). Wie bedeutsam diese Unterstützungen insbesondere aus dem westlichen Ausland sein müssen, ergibt sich aus einem Artikel der NZZ vom 31.1.1992, wonach sich ein LTTE-Sprecher gegen die Rückkehr von Tamilen ausgesprochen habe und Beobachter in Colombo davon ausgingen, daß die massenhafte Rückkehr von Tamilen aus den westlichen Staaten die substantiellen Geldtransfers aus Europa versiegen lasse, die für die LTTE eine wichtige materielle Basis darstellten. Aus dem Ausland zurückkehrende Tamilen werden generell verdächtigt, durch Gold- und Rauschgiftschmuggel für die LTTE zu arbeiten (Wingler, August 1991, S. 20). Auch werden sie verdächtigt, im Ausland Verbindungen zwischen der JVP und den tamilischen Organisationen hergestellt zu haben (Wingler, 2.8.1991, S. 7). Kontrollen erfolgen vor allem, wenn die Einreisenden jung sind (vgl. AA, 30.8.1991; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 27 und Oktober 1992, S. 65). Auch kann die Kontrolle davon abhängen, aus welchen Ländern Tamilen zurückkehren. Zum Beispiel kann davon ausgegangen werden, daß sich aus der Bundesrepublik Deutschland einreisende Tamilen einer genauen Kontrolle unterwerfen müssen. Die Gefahr, zumindest vorübergehend verhaftet zu werden oder sich einem Verhör unterziehen zu müssen, ist gegeben. Dabei ist ein großes Maß an Willkür feststellbar (für alles vgl. Keller-Kirchhoff, a.a.O.). Auch ohne eine (für deutsche Behörden) erkennbare Verbindung zur LTTE kann derzeit das Risiko einer Verhaftung und Mißhandlung nicht völlig ausgeschlossen werden (vgl. AA, 15.11.1991, letzte Seite). Bezeichnend für die Verhältnisse bei der Einreise in Sri Lanka ist die Verhaftung von sechs aus Saudi Arabien ausgewiesenen Tamilen am 21.11.1990 am Flughafen Katunayake. Zufolge eines Schreibens des beauftragten Rechtsanwalts wurde u.a. ein 40-jähriger tamilischer Familienvater von fünf Kindern, der in Saudi Arabien als Fahrer gearbeitet hatte, der Unterstützung für die LTTE verdächtigt und befand sich im April 1991 noch in Haft (vgl. Keller-Kirchhoff, a.a.O., S. 28). Auch nach dem ai-Rundbrief 32, September 1991, müssen Tamilen - vor allem junge -, die auf dem Flughafen Katunayake ankommen, damit rechnen, zwecks erkennungsdienstlicher Behandlung vorübergehend festgenommen zu werden (Keller, Oktober 1992). Nach dem Bericht vom 5.9.1989 wurden 1988 drei aus England abgeschobene Tamilen bei ihrer Ankunft in Colombo in Haft genommen und gefoltert. Um die Jahreswende 1991/92 wurde ein aus Berlin zurückgekehrter Tamile einige Tage festgenommen und gegen Zahlung von Geld freigelassen (Keller-Kirchhoff, 27.10.1992, S. 10). Ferner wurde ein angeblicher Richter eines Tiger-Gerichts verhaftet (Keller, Oktober 1992, S. 28). Eine im August 1992 aus Dänemark abgeschobene Tamilin wurde 14 Tage von der Polizei festgehalten (ai, Januar 1993, S. 31). Im April 1993 wurde wiederum ein einreisender Tamile festgenommen und "gegrillt" (Wingler, April 1993, S. 15). Ab April 1992 wurden die Sicherheitsvorkehrungen im Flughafen Katunayake verstärkt (Keller, Oktober 1992, S. 28).

b) Eine weitere Gefahr politischer Verfolgung besteht für die Klägerin für den Fall, daß sie sich nach einem erfolgreichen Passieren der Flugplatzkontrollen in den singhalesischen Gebieten im Westen, Süden und im zentralen Hochland aufhalten sollte. Die Situation der Klägerin wäre, wie dargelegt, in einem solchen Fall maßgeblich dadurch bestimmt, daß sie in den genannten Gebieten über keine dauernde Arbeits- und Wohnstelle und über keine singhalesischen Sprachkenntnisse verfügen würde (AA, 14.10.1992, S. 3). Damit aber wäre die Klägerin bei einer Rückkehr in die singhalesischen Gebiete von Sri Lanka in besonderem Maße dem Mißtrauen srilankischer Behörden ausgesetzt.

Die Lage in den Singhalesengebieten ist gekennzeichnet durch erhöhten Sicherheitsaufwand. Im ganzen Land finden Verhaftungen, Screenings und Verhöre statt. Zahlreiche Personen verschwinden oder werden nach Festnahmen durch die Sicherheitskräfte tot aufgefunden. Diese Lage verschärfte sich insbesondere, nachdem der LTTE die beiden spektakulären Anschläge im Süden (Ermordung des Vizeverteidigungsministers am 2.3.1991 sowie Bombenanschlag auf das Hauptquartier der Streitkräfte am 21.6.1991) gelungen waren. Bei den anschließenden Verhaftungen und Verhören kam es zu zahlreichen Opfern (vgl. zu den Anschlägen Archiv der Gegenwart 91, 35409; AA, 6.5.1991, 31.7.1991, 30.8.1991 und 30.9.1991; Keller- Kirchhoff, 7.9.1991, S. 32; Wingler, 2.8.1991). Es gibt Berichte über Todesschwadrone in Zivilkleidung (AA, 16.1.1991, S. 4; amnesty international, Jahresbericht 1990, S. 430, Februar 1991, S. 1; August 1991, S. 17, Juli 1991, S. 14). In anderen Berichten ist von Killerkommandos der Regierung oder regierungstreuer Tamilengruppen die Rede (Wingler, August 1991, S. 14). Auch das zentrale Hochland und Colombo sind nach den genannten Auskünften Gebiete, in denen Razzien stattfinden. Die Regierung befürchtet, daß weitere LTTE-Kämpfer in den Süden einsickern, weshalb sie zu erhöhter Wachsamkeit aufruft und in jedem neu auftauchenden Tamilen einen potentiellen Terroristen sieht (AA, 6.5.1991, S. 4, 30.8.1991, S. 12/13; 15.11.1991, II 2; ai, 12.4.1991, S. 7 und Rundbrief 32, September 1991, S. 31; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 32, Beispiele, S. 34). Dazu kommt ein Wiederaufflackern von Aktivitäten der terroristischen JVP, was zu einer weiteren Verunsicherung der Bevölkerung, aber auch der Sicherheitskräfte führt, welche - wie bereits in den früheren Jahren - mit gnadenloser Härte gegen wirkliche oder vermeintliche JVP-Angehörige vorgehen und dabei kaum Gefangene machen (Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 5 f.; Wingler, 20.1.1991, S. 12). Es kann deshalb seit dem Wiederaufleben der Kämpfe und insbesondere seit den beiden genannten spektakulären Bombenanschlägen in Colombo davon gesprochen werden, daß regelmäßig im Lande Razzien zum Zwecke des Screening, d.h. der Überprüfung der festgenommenen Personen nach Verbindungen zur LTTE, stattfinden (AA, 30.8.1991, S. 11/12, 31.8.1992, 14.10.1992). Dabei sollen zwar insbesondere des Terrorismus Verdächtige festgenommen werden. Wegen der weitgefaßten Verdachtsmomente ist jedoch der Kreis der Verdächtigen ausgesprochen groß (AA, 30.8.1991, S. 12). Es finden daher inzwischen gehäuft Massenverhaftungen statt (AA 15.11.1991, II 2). Nach willkürlich bestimmten und vagen Kriterien kann jeder Tamile (männlich und weiblich) im kampffähigen Alter dazu gerechnet werden (AA 15.11.1991, I 2 u. II 2 u. 4; vom 31.8.1992). Die Sicherheitskräfte hegen offenbar den Verdacht von Verbindungen zwischen der JVP und tamilischen Organisationen (insbes. im Hinblick auf Waffenbeschaffung für Anschläge im Süden), wodurch jeder neue Tamile in singhalesischen Gebieten Gefahr läuft, als Kollaborateur der terroristischen JVP angesehen zu werden (Wingler, 21.10.1991, S. 20), welche rücksichtslos verfolgt wird (AA, 6.5.1991, S. 3 f., 30.8.1991, S. 9 und 16.1.1991, S. 3, 5). Nach dem Lagebericht des AA vom 15.11.1991, Ziff. II, 2, gilt für die Situation im Westen und Süden Sri Lankas, daß neuerdings auch für Personen tamilischer Volkszugehörigkeit, welche nur durch mehr oder weniger vage und zum Teil willkürlich herangezogene Indizien Verdacht erregt haben, das zusehends steigende Risiko zu erkennen ist, verhaftet und mißhandelt zu werden. Je stärker der Verdacht, um so schwerer sind in der Regel die Mißhandlungen durch die Polizei. Es fanden und finden gehäuft auch in Colombo und Umgebung Massenverhaftungen statt. Die Inhaftierten werden erst freigelassen, wenn geklärt ist, daß keine Anhaltspunkte für einen LTTE-Verdacht vorliegen. Solche Anhaltspunkte sind z.B. ein Personalausweis, der in einer Stadt im Osten an der Stelle eines LTTE-Überfalls gefunden worden ist. Mangels tamilischer Sprachkenntnisse bedienen sich die Sicherheitskräfte der Mitglieder mit der Regierung zusammenarbeitender tamilischer Organisationen wie der EPDP, PELO, TELO und PLOTE, die zum Teil selbständig operieren und Flüchtlingscamps durch Spitzel überwachen und auch dort Personen festnehmen. Dabei kommt es häufig aus Rachegründen oder wegen persönlicher Animositäten zu unberechtigten Denunziationen (zum Vorstehenden vgl. auch AA, 30.8.1991, S. 14 f. und 14.10.1992, S. 2; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 40). Das höchste Risiko besteht weiterhin für Tamilen im Alter zwischen 11 und 36 Jahren, also für eine Personengruppe, der auch die Klägerin angehört (AA, 15.11.1991, II, 2; Wingler, 15.12.1992). Im Westen, Süden und im zentralen Hochland finden Razzien und sog. screening actions statt, von denen ebenfalls vorwiegend männliche Tamilen im Alter zwischen 16 und 36 Jahren betroffen sind (AA, 30.8.1991, S. 11 ff.; Keller-Kirchhoff, Oktober 1992, S. 26). Bei Razzien werden je nach örtlichen Gegebenheiten und der Zielrichtung u.U. Bewohner ganzer Dörfer zusammengetrieben und nach Personen, welche dem Raster der Verdächtigen - etwa in der Altersgruppe (16 - 36 Jahren) und dem Geschlecht (männlich) - entsprechen, aussortiert. Die Verdächtigen werden sodann überprüft ("screening"). Die Festnahmen bei Razzien zum Zwecke des Screenings sind grundsätzlich vorläufiger Art. Erst bei Bestätigung des Verdachts werden die Betroffenen festgenommen. Verdachtsmomente sind objektiver Art, z.B. Indizien für die Beteiligung an Gewalttaten und Unterstützung von daran beteiligten Personen. Das Problem liegt jedoch in der weiten Fassung der Kriterien für objektive Verdachtsmomente, z.B. bei der JVP: Student, Schüler, Alter und Geschlecht (AA, 15.11.1991). Soweit allerdings das Auswärtige Amt von objektiven Verdachtsmomenten als Voraussetzung für die Inhaftierung jugendlicher Tamilen spricht, liegt nach Auffassung des Senats in Wirklichkeit eine mehr oder weniger willkürlich herangezogene Auswahl vor, was sich aus der Feststellung des Auswärtigen Amtes, wonach sich die Verdachtsmomente zunehmend vager und willkürlicher gestalten, unzweifelhaft ergibt. Personen ohne "valid reason" für den Aufenthalt in den singhalesischen Gebieten im Westen, Süden und im zentralen Hochland sind prima facie verdächtig und werden genau überprüft (AA, 30.8.1991, S. 12 und 13, vom 14.10.1992, S. 3; Keller-Kirchhoff, 25.1.1991, S. 8, vom 21.12.1990, S. 5, vom 7.9.1991, S. 30 ff. und 34 ff. und vom 10.9.1991, S. 8; Hofmann vom 7.3.1991, S. 10; Wingler, August 1991, S. 19; 15.12.1992). Sollten sich hierdurch weitere Verdachtsmomente ergeben und der Betreffende keinen Bürgen benennen können, wäre seine Verhaftung zwecks weiterer Ermittlungen wahrscheinlich (AA, 30.8.1991, S. 13). Für die Verhaftung kann es schon ausreichen, wenn sich der Betreffende nicht ausreichend auf singhalesisch verständigen kann (vgl. Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 35; Oktober 1992, S. 25). Auch sind zahlreiche Personen nur aufgrund anonymer Anzeigen verhaftet worden (Keller-Kirchhoff, a.a.O.). Da die Bevölkerung zur Wachsamkeit aufgefordert ist, kann es vorkommen, daß Personen, die "ein fremdes Gesicht" in ihrer Straße sehen, die Polizei verständigen (Keller-Kirchhoff, a.a.O., und Schreiben des UNHCR vom 28.6.1991). Auch kann bereits eine Narbe am Körper zu dem Verdacht führen, an einer militärischen Übung der LTTE teilgenommen zu haben (Keller-Kirchhoff, a.a.O.). Eine Person kann auf Weisung der Polizeibehörden in incommunicado-Haft, bei der ein Kontakt mit Angehörigen und Anwälten ausgeschlossen ist, gehalten werden. Die Freilassung hängt buchstäblich von der Laune der Polizei ab. Sie ist ohne Beziehungen schwer zu erreichen (Keller-Kirchhoff, a.a.O., S. 36). Zudem besteht in der Westprovinz die Pflicht für außerhalb der Flüchtlingslager lebende Personen, sich bei der Polizei registrieren zu lassen. Für die Verletzung derartiger Meldepflichten sind schwere Strafen angedroht (Keller-Kirchhoff, a.a.O., S. 37). Außerdem werden alle Hotel- und Unterkunftsbesitzer aufgefordert, die bei ihnen untergebrachten Personen zu melden. Diese Aufforderung erging auch an Privathaushalte, die Bekannte oder Verwandte untergebracht haben. Die Maßnahme hat dazu geführt, daß es für Tamilen schwer bis unmöglich ist, in Colombo Unterkunft oder eine Wohnung zu finden (Keller-Kirchhoff, a.a.O., S. 38). Tamilen finden außerdem nur schwer Aufnahme in den sog. lodges. Selbst Verwandte, die schon Jahrzehnte in Colombo wohnen, würden ihren Angehörigen nur noch widerwillig Unterkunftsmöglichkeiten anbieten. Bei ihren Aktionen werden die Regierungsstreitkräfte von tamilischen Anti-LTTE-Gruppen, u.a. der EPDP, unterstützt. Tamilen, die von der EPDP verhaftet und anschließend freigelassen werden, berichten von Folterungen und Demütigungen. Die Regierung läßt dabei der EPDP weitgehend freie Hand. Die Situation in Colombo wird vom UNHCR in seinem Schreiben vom 28.6.1991 als so bedrohlich geschildert, daß von Abschiebungen abgesehen werden soll, weil praktisch jedes neue Gesicht registriert wird und dies regelmäßig zu einer polizeilichen Befragung der betreffenden Personen führt. Tamilische Rückkehrer aus dem Ausland sind bei Razzien und screening actions besonders gefährdet (vgl. Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 39; AA, 14.10.1992, S. 3 f.). Auch nach dem ai-Rundbrief 32, September 1991, ist der Aufenthalt in Colombo und in den singhalesischen Gebieten für tamilische Rückkehrer gefährlich, weil sie ihren ständigen Wohnsitz nicht in dieser Gegend haben und Gefahr laufen, festgenommen und verhört zu werden. Nach dem ai-Rundbrief vom 25.6.1991, S. 3 befürchtet die Regierung, daß die LTTE den Süden infiltrieren will, um dort ihre Angriffe fortsetzen zu können. Dabei wurde auch der Verdacht geäußert, daß die Tigers Kontakt mit der JVP aufnehmen würden. Aus diesem Grunde finden immer wieder - besonders in Colombo und Umgebung - Razzien statt, wobei junge Tamilen festgenommen werden, die ihren dauernden Wohnsitz nicht in diesem Gebiet haben (AA, 23.6.1992, S. 8 und 14.10.1992, S. 3). Da die Klägerin gerade zu dieser Personengruppe gehört, trifft sie diese Gefahr ebenfalls. Nach dem Attentat auf den Verteidigungsminister Wijeratne im März 1991 wurden die Razzien verstärkt. Hunderte von Tamilen wurden festgenommen. Seit die Tigers ihre Angriffe auf den Südosten von Sri Lanka ausgedehnt haben, muß davon ausgegangen werden, daß junge Tamilen, die sich vorübergehend in singhalesischen Gebieten aufhalten, noch mehr gefährdet sind. Aus diesen Verhältnissen und der Situation im Norden und Osten schließt amnesty international, daß zur Zeit srilankische Flüchtlinge nicht ohne Gefahr für Leib und Leben nach Sri Lanka zurückkehren können. Angesichts der harten Repressionswelle gegenüber Tamilen ist davon auszugehen, daß tamilische Rückkehrer regelmäßig als LTTE-Sympathisanten verdächtigt werden und damit Gefahren im Sinne des § 53 AuslG mit erheblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müssen (vgl. ai-Rundbrief, a.a.O., S. 38). Dieser Einschätzung entsprechen auch die Gutachten und Berichte von Wingler vom Juli und August 1991 sowie vom 2.8. und 30.7.1991. Nach dessen "Lagebericht" vom 30.7.1991 wurden aus dem Ausland zurückkehrende junge Tamilen eingehend beobachtet und verhört. Etliche junge Tamilen gelten seit ihrer Festnahme als "verschwunden" (was gleichbedeutend mit ihrer Tötung ist). Die srilankische Presse habe von eingehendem "Grillen" (= Weichmachen) (AA, 27.1.1992, S. 4) junger Tamilen aus Anlaß der Ermordung von Verteidigungsminister Wijeratne berichtet. Am 5.3.1991 soll ein aus Deutschland zurückgekehrter junger Tamile in Colombo 7 aus dem Hause seines Rechtsbeistandes von der Polizei an einen unbekannten Ort zu Verhören gebracht worden sein (Wingler, 30.7.1991, S. 2). Der Betroffene soll seitdem als "verschwunden" (= getötet) gelten. Ferner wurde bereits am 20.7.1989 der abgeschobene Srilanker Wenceslaos Edmond Rex von Sicherheitskräften verhaftet und ermordet. Das gleiche Schicksal traf den ihn vertretenden Rechtsanwalt in der Zeit um den 27.10.1989 (Wingler, Juli 1991, S. 9). Im Parlament wurde berichtet, daß junge Tamilen aus dem Hochland nicht vor Repressalien seitens der staatlichen Organe verschont bleiben würden. Dabei hieß es, daß immer, wenn in Colombo etwas los sei, im Hochland die jungen Tamilen aufgegriffen würden (vgl. Wingler, September 1991, S. 23; August 1991, S. 17). In Colombo sei immer etwas los (Wingler, August 1991, a.a.O.). Im August 1991 wurde von einem mysteriösen Verschwinden junger Tamilen aus dem Hochland berichtet. Man vermutet, daß srilankische Organe dabei ihre Hand im Spiel gehabt hätten (Wingler, a.a.O.). Leben und Freiheit selbst von sog. jungen Indien-Tamilen im Hochland seien gefährdet (Keller, Oktober 1992, S. 33; Wingler, Juli 1991, S. 21; 2.8.1991, S. 10; 15.12.1992, S. 13). Seit November 1991 befanden sich nach einer Pressemitteilung vom September 1992 29 jugendliche Tamilen aus dem Plantagengebiet in Haft (Keller, Oktober 1992, S. 33). LTTE-Verdächtiger zu sein bedeute, nicht offenkundig nachweisen zu können, nicht mit der LTTE in Verbindung zu stehen (Wingler, August 1991, S. 19). Einen solchen Nachweis zu führen dürfte für die aus dem Ausland zurückkehrenden Tamilen, insbesondere die jüngeren unter ihnen, schwierig sein (Wingler, Juli 1991, S. 4). Jugendliche Tamilen würden im Berichtszeitpunkt unter Druck gesetzt werden, auf der Seite von PLOTE, TELO und EPDF zu operieren (Wingler, August 1991, S. 19). Aus dem Ausland zurückkehrende tamilische Jugendliche würden in Colombo und Umgebung in eine für sie schier ausweglose Lage geraten, es sei denn, daß sie sich freiwillig zum Einsatz gegen ihre Landsleute melden würden (Wingler, a.a.O.). Die Razzien richteten sich insbesondere gegen die Personengruppe junger Tamilen beiderlei Geschlechts, während alte Frauen und Männer unbehelligt blieben (Wingler, 2.8.1991, S. 11). Wer bei den Razzien festgenommen wird, richtet sich nach den jeweiligen Verdachtsmomenten. Dabei kann sich bereits durch eine ungeschickte oder erpreßte Äußerung bei der Folter ein solcher Verdacht ergeben. Die Verhaftungspraxis ist willkürlich. Es genügt für die Festnahme, daß ein Tamile kein valid reason hat (vgl. ai, Rundbrief Nr. 36, Januar 1993, S. 31; Wingler, 18.10.1992, S. 26). Anläßlich des Bombenanschlags vom 21.6.1991 soll der Armee freie Hand gegeben worden sein, wahllos und willkürlich junge Tamilen beiderlei Geschlechts aufzugreifen (Wingler, Juli 1991, S. 2). Bis zum 5.7.1991 sollen mehrere hundert junge Tamilen aus Colombo aus dem Gewahrsam von Armee und Polizei "verschwunden" sein. Man vermutet, daß sie aus der Stadt verschleppt und exekutiert worden sind (Wingler, a.a.O.). Es soll auch ein Gefängnis nur für weibliche Gefangene existieren (Keller-Kirchhoff, 27.10.1992, S. 8). Eine Tamilin wurde am 4.7.1991 verhaftet, ohne daß es bis zum Februar 1993 zur Anklageerhebung gekommen wäre (Wingler, Februar 1993, S. 4). Seit dem 21.6.1991 hat eine Verhaftungswelle die aus dem Norden und Osten und insbesondere aus dem Ausland zurückgekehrten jungen Tamilen in Unterkünften, Schlafsälen, Hotels u.ä. durch staatliche Streitkräfte erfaßt (vgl. Wingler, a.a.O., S. 12; 8.2.1993, S. 6; AA, 14.10.1992 und 23.6.1992). Dabei wurde von der Presse immer wieder von einem "intensiven Grillen" gesprochen, d.h. von einem Weich- und Gefügigmachen (Wingler, Juli 1991, S. 8 f., 2.8.1991, S. 10). Daß in einer neueren Auskunft des Auswärtigen Amtes (27.1.1992 an VG Gelsenkirchen) die Rede davon ist, Razzien und vor allem Massenverhaftungen - wie sie vor allem nach dem Bombenattentat in Colombo am 21.6.1991 und während der Zeit des erhöhten Flüchtlingszustroms aus dem Norden und Osten im Zeitraum August bis Oktober 1991 stattgefunden hätten - würden in Colombo derzeit nicht mehr durchgeführt, ist nach Auffassung des Senats kein Hinweis auf eine grundlegende Veränderung der Sicherheitslage. Dazu ist zum einen der Beurteilungszeitraum seit dieser Beobachtung zu kurz. Zum zweiten ist die grundlegende Situation eher verschärft durch die in der gleichen Auskunft genannten Waffenfunde im zentralen Hochland. Außerdem muß bei erneuten Anschlägen der LTTE sofort wieder mit entsprechenden Massenaktionen der Sicherheitskräfte gerechnet werden. Solche Anschläge erfolgen jedoch nach wie vor (vgl. etwa den in der FR vom 11.4.1992 genannten Terrorüberfall auf einen Bus in Amparaj). Schließlich wird die Lage dadurch explosiver, daß sich gegen Jahresende 1991 die Zahl der Flüchtlinge aus dem Norden nach Colombo wieder erheblich erhöht hat (AA, 15.11.1991, II 1 a). So berichtet (Januar 1992, S. 45), daß immer noch etwa 5 bis 15 aus dem Norden und Osten geflohene junge Tamilen wöchentlich für Verhöre allein in Colombo und Umgebung festgenommen werden. Keller-Kirchhof hat in seinem Bericht vom Oktober 1992, S. 27 ff., allein 23 Presseberichte aus der Zeit von Februar bis August 1992 über die Verhaftung angeblicher LTTE-Verdächtiger zusammengestellt. Danach wurden beispielsweise im Februar sechs jugendliche Tamilen aus dem Norden, im März 25 Personen in Colombo wegen LTTE-Verdachts, 12 junge Tamilen im April und einmal 75 mutmaßliche TIGERS in Colombo und im Juni 41 junge Tamilen verhaftet. Im Juli 1992 sollen sieben Tamilen von der Polizei verschleppt worden sein (Wingler, 18.10.1992, S. 78). Im Jahre 1992 wurden allein in Kalutara südlich von Colombo 220 jugendliche Tamilen ohne konkreten Tatverdacht - vermutlich allein wegen ihrer Herkunft aus Jaffna - verhaftet (Keller-Kirchhoff, 27.10.1992, S. 11). Im Juli 1992 wurden vier junge Tamilen, u.a. ein Mädchen, festgenommen (Wingler, 18.10.1992, S. 30). Ab November 1992 stieg die Zahl der Verhaftungen als Folge zweier Anschläge der LTTE deutlich an (AA, 12.1.1993), nachdem sie zuvor im Jahr 1992 zurückgegangen war. Allein in Negombo wurden 28 LTTE-Verdächtige verhaftet (AA, 23.6.1992). Anläßlich der Ermordung von Admiral Fernando wurden 2.000 Tamilen verhört und 300 Personen davon inhaftiert (Wingler, 15.12.1992, S. 14, 15.1.1993, S. 1; ai, Januar 1993, S. 22). Hierdurch erhöhte sich die Zahl der damals verhafteten Tamilen auf 500 bis 700 (Wingler, a.a.O.). Im Rahmen der Razzien wurden auch Tamilinnen festgenommen (Keller, Oktober 1992, S. 26 f). So wurden im März 1992 drei verdächtige Frauen aus Jaffna und im Mai 1992 zwei Frauen verhaftet (Keller, a.a.O., S. 27 f.). Laut einer Zeitungsmeldung vom 28.5.1993 waren ferner 500 Tamilen in Colombo verhaftet worden, weil ihre Papiere angeblich nicht in Ordnung gewesen sind (Dr. Hellmann-Rajanayagam, 14.6.1993, S. 4). In seinem Bericht vom 8.2.1993 geht Wingler für Colombo von 300 Festnahmen junger Tamilen pro Woche aus, wovon 30 bis 60 Personen nicht freikommen. Für Colombo wurde als Folge der Ermordung von Admiral Fernando ein Sicherheitskonzept beschlossen, wonach Tamilen aus dem Norden und Osten einen Spezialausweis bekommen (ai, Januar 1993, S. 22), was die Gefahr eines jederzeitigen polizeilichen Zugriffs auf diese Personengruppe erhöht. Die Ermordung von Staatspräsident Premadasa am 1.5.1993 löste wiederum eine große Suchaktion nach jungen Tamilen aus, wobei ca. 10 - 20 % der Aufgegriffenen nicht freigekommen sein sollen (Wingler, 17.5.1993 und 28.5.1993, S. 2).

c) Eine weitere Gefahr für die Klägerin, bei ihrer Rückkehr nach Sri Lanka festgenommen und gefoltert zu werden, ergibt sich nach den vorliegenden Erkenntnissen für den Fall, daß die Klägerin sich in den Norden oder Osten von Sri Lanka begeben sollte (AA, 30.8.1991, S. 5 f.). Bei einer Rückkehr in den Norden müßte die Klägerin mit Kontrollen durch Sicherheitskräfte und ggf. mit vorläufiger Festnahme, einer drei- bis sechswöchigen Sicherheitsprüfung und u.U. Mißhandlungen rechnen (AA, 30.9.1992). Dies wäre um so wahrscheinlicher, je mehr sich der Betreffende in das Verdachtsraster für einen potentiellen LTTE-Kämpfer einfügte. Hinzu kommt derzeit im Falle von Rückkehrern das zusätzliche Mißtrauen der Sicherheitskräfte gegenüber Tamilen, welche angeben, aus dem westlichen Ausland in den Norden ihrer Heimat zurückzukehren, angesichts der Tatsache, daß die Mehrheit der dort wohnhaften Bevölkerung alle Hebel und Mittel in Bewegung setzt, genau den umgekehrten Weg zu nehmen. Die Vermutung, daß hier etwas nicht stimmen könnte, wäre aus der Perspektive der Sicherheitskräfte naheliegend. Nicht auszuschließen wäre dann die weitere Vermutung, daß es sich vielleicht um LTTE-Auslandskader handeln könnte, die zur Verstärkung der dezimierten Kampftruppen angefordert wurden. Für die Soldaten liegen dabei rationale Erwägungen ferner als irrational erscheinende Ängste. Insbesondere müßten auf dem Weg in den Norden sieben Kontrollpunkte passiert werden, nämlich Colombo-Kelaniya, Chilaw, Battulu Oya, Puttalam, Anuradhapura Süd und Nord, Medawachchiya, Vavuniya und Thandikulam Stadt (Keller-Kirchhoff, 10.9.1991, S. 15). Auf dem Weg in den Osten müssen fünf Kontrollstellen passiert werden (Keller- Kirchhoff, a.a.O.). Eine Rückkehr in den Norden ist derzeit allenfalls ein hypothetisches Gedankenspiel, weil die einzige Straßenverbindung über den Elephant-Paß wegen dort stattfindender Militäraktionen abgeschnitten ist (AA, 30.8.1991, S. 6 und vom 31.7.1991, S. 1). Rückführungen in den Norden sind daher bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht, jedenfalls nicht ohne Gefahren, möglich (AA, 31.7.1991, S. 1 und 31.8.1992, S: 4; ai, Januar 1993, S. 1; Keller-Kirchhoff, 27.10.1992, S. 6; Wingler, 18.10.1992, S. 1, Januar 1993, S. 2, Februar 1993, S. 11; Dr. Hellmann-Rajanayagam, 14.6.1993, S. 2). Von gleichen Gefahren ist auf dem Weg nach dem Osten auszugehen. Auch Rückführungen in den Osten sind daher praktisch kaum durchführbar (AA, 31.7.1991, S. 4 und 6).

d) Schließlich droht der Klägerin die Gefahr, als LTTE-Verdächtige festgenommen und menschenrechtswidrig behandelt zu werden, falls es ihr doch gelänge, sich in den Osten von Sri Lanka zu begeben. Dort besteht prinzipiell die Gebietshoheit des srilankischen Staates (AA, 14.10.1992, S. 2). Die Menschenrechtssituation im Ostteil von Sri Lanka ist die schlimmste im ganzen Land.

Sie wird geprägt durch brutale Vergeltungspraktiken der Armee, die unschuldige Zivilisten treffen und nicht das für Bürgerkriegsaktionen typisch militärische Gepräge haben, dem eine asylrechtliche Relevanz fehlt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 10.7.1991, BVerfGE 80, 315/340). Die srilankischen Sicherheitskräfte führen zum Teil einen Krieg, der auf die physische Vernichtung von nicht zum Widerstand gewillten Tamilen gerichtet sind (BVerfG, a.a.O.). In erheblichem Maße finden Folterungen und außerlegale Tötungen sowie Massaker durch die Sicherheitsorgane, die Armee, Heimwehren und mit der Regierung zusammen arbeitende tamilische Konkurrenzorganisationen zur LTTE statt. Die Vereinigung "University Teachers for Human Rights" spricht von einem "new level of calculated terror" (Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 19). Die Zeitung The Guardian berichtet in ihrer Ausgabe vom 11.8.1991: "Local human rights activists agree the past 15 months have been the worst the beleaguered region has experienced." Im Rahmen der seit Juni 1990 immer heftiger geführter Kämpfe gab es zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung. So wird von 5.000 getöteten Zivilisten allein in der Zeit von Juni bis Dezember 1990 gesprochen bzw. von 12.000 Opfern (davon 8.000 bis 9.000 Zivilisten) in der Zeit seit dem Wiederaufflammen der Kämpfe vom 11.6.1990 bis August 1991 (Keller-Kirchhoff, 17.9.1991, S. 2; AA, 23.6.1992, S. 7). Außerdem gab es umfangreiche Zerstörungen auch ziviler Einrichtungen, die insbesondere durch Angriffe der srilankischen Luftwaffe hervorgerufen wurden (Auskunft AA vom 29.8.1990; ai vom 12.4.1991; Keller-Kirchhoff, Gutachten vom 14.12.1990, S. 5 und vom 7.9.1991, S. 3; AdG 1991, S. 35212). Im Osten kam und kommt es zu zahlreichen Vergeltungsaktionen der Armee und einer speziellen Terrorismusbekämpfungstruppe, der Special Task Force - STF -, die zum Teil geplanten Charakter hatte (AA, 27.1. und 23.6.1992; ai, Dezember 1992, S. 2). So berichtet Keller-Kirchhoff in seinen Gutachten vom 23. und 25.1.1991 von zwei unter der Zivilbevölkerung angerichteten Massakern in Saththumkodan und Pillaiyardi. Insbesondere bekannt geworden ist ferner das sog. Kokadichcholai-Massaker, bei dem die Armee im Juni 1991 nach dem Tod zweier Soldaten mehrere Dörfer umstellte und alle anwesenden Menschen ermordete, wobei weder Kinder noch Greise geschont und Frauen vorher noch vergewaltigt wurden. Die offiziellen Zahlen der Opfer sprechen von 67 Toten, 58 Vermißten und 47 Verwundeten. Das Auswärtige Amt schätzt die Zahl der Todesopfer auf 180 (AA, 31.7.1991, S. 1, 14.10.1992, S. 2; Wingler, 30.7.1991, S. 2; Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 18). Ein ähnliches Massaker gab es im Dezember 1990 in Neelawanai (Wingler, a.a.O.,). In einem dem Senat vorliegenden Brief von tamilischen Komitees an die Vereinten Nationen vom 27.1.1991 werden insgesamt 116 Übergriffe der Armee und der mit ihr kooperierenden Gruppen in der Zeit zwischen August und Dezember 1990 aufgezählt. Von zwei weiteren Massakern vom 10.7.1991 (in Kinniyadi) und vom 14.8.1991 (in Chavalakadai) berichtet Keller-Kirchhoff im Gutachten vom 17.9.1991, S. 5/6. Im April 1992 "verschwanden" 17 Tamilen nach ihrer Verhaftung durch Soldaten (ai, Dezember 1992, S. 2). Am 27.6.1992 tötete die Armee zehn Bauern und verschleppte 13 weitere Personen (ai, Dezember 1992, S. 2). Am 9.8.1992 fielen 35 tamilische Zivilpersonen einem vermutlich von Soldaten verübten Massaker zum Opfer (AA, 14.10.1992, S. 2; ai, Dezember 1992, S. 3; Keller, Oktober 1992, S. 15). Bei den zahlreichen Vergeltungsangriffen arbeiten reguläre Streitkräfte, paramilitärische Gruppierungen, Bürgerwehren und sonstige Killerkommandos Hand in Hand (Keller-Kirchhoff, 17.9.1991, S. 1/2 und 8/9; Oktober 1992, S. 13 f. und 28.10.1992, S. 7; ai, Dezember 1992, S. 3). Dabei wird erkennbar, daß der srilankische Staat Übergriffe ganz offenbar duldet, jedenfalls nicht verfolgt (AA, 29.11.1990, S. 4/5 und 14.12.1990, S. 4, Keller-Kirchhoff, 7.9.1991, S. 43 f. und 17.9.1991, S. 3 ff.; Wingler, September 1991, S. 10). Amnesty international stellt in seinem Bericht vom Februar 1991, S. 3 dar, daß es eine ganz große Zahl von extralegalen Hinrichtungen und verschwundenen Personen gibt. Von Juni 1990 bis Oktober 1992 waren im Osten 6.400 Personen "verschwunden" (vgl. Keller, Oktober 1992, S. 3). So sollen allein im Bezirk Amparai zwischen Juni und Oktober 1990 3.000 Tamilen verschwunden oder getötet worden sein. Dabei wird insbesondere deutlich, daß die srilankische Armee offiziell kaum Gefangene macht und statt dessen Personen, die von der Armee gefangengenommen werden, verschwinden und wahrscheinlich umgebracht werden (AA, 6.5.1991, S. 3). In diesem Zusammenhang spricht das Auswärtige Amt von Ausnahmen und Grauzonen, innerhalb welcher derartige Übergriffe und Menschenrechtsverletzungen immer wieder vorkommen (AA, 29.11. und 14.12.1990, S. 3). Die Zahl der im hart umkämpften Osten vermißten Personen wird vom Auswärtigen Amt in der Auskunft vom 31.7.1991, S. 2 als hoch bezeichnet (s.a. Auskunft AA vom 6.5.1991, S. 3). Dabei führen die Regierungstruppen (oft mit Hilfe tamilischer Informanten) nach militärischen Operationen sog. Screenings durch, bei denen es zwar um das Auffinden von Terroristen der LTTE geht, die aber zu zahlreichen Tötungen auch Unschuldiger führen (AA, 8.8., 29.11. und 14.12.1990). Im Osten werden solche Großrazzien mit zahlreichen Opfern durchgeführt (Keller-Kirchhoff, 21.12.1990, S. 3 und 25.1.1991, S. 5). Zielgruppe der Razzien ist die Gruppe junger Tamilen (15 bis 36 Jahren), die im kampffähigen Alter sind (Keller-Kirchhoff, a.a.O.). Wegen der Beteiligung tamilischer Informanten (aus politisch mit der LTTE verfeindeten Gruppen) besteht dabei das Risiko von Denunziation und Racheakten unter dem Deckmantel der Terroristenbekämpfung. Zahlreiche bei solchen Screenings festgenommene Personen zählen später zu den Verschwundenen und eindeutig Getöteten. Das Schicksal vieler ist unbekannt (vgl. ai- Rundbrief 32, September 1991, S. 17 und 23). Inzwischen agieren insbesondere im Osten auch sog. Todesschwadrone oder - von der Armee nicht kontrollierte - muslimische homeguards, die neben der Armee Jagd auf junge Tamilen machen (ai-Bericht vom 25.6.1991, S. 2 und Rundbrief 32, September 1991, S. 7; AA, 23.6.1992; Wingler, 8.2.1993) sowie Spezialeinheiten der Armee und Polizei und paramilitärische Verbände und die im geheimen operierenden sog. Vigilante-Gruppen, wobei es sich bei den letzteren vermutlich um Angehörige der Militärs und der Polizei handeln dürfte (Keller-Kirchhoff, 17.9.1991, S. 9; Wingler, Januar 1993, S. 2 f.). Seit Ende April 1991 kommt es fast täglich zur Entführung von Zivilisten, liegen halbverkohlte Leichen am Straßenrand, werden enthauptete Leichen an den Strand gespült (Keller-Kirchhoff, a.a.O.; AA, 22.1.1992). Nach dem dem Senat vorliegenden Bericht der UN-Arbeitsgruppe Sri Lanka vom Januar 1992 über die Menschenrechtssituation in Sri Lanka muß Sri Lanka zu den Ländern der Welt gezählt werden mit der höchsten Zahl an verschwundenen Personen (vgl. auch Nürnberger Nachrichten, 1.2.1992 und NZZ, 13.2.1992). Im Osten werden zudem neue Ausweise ausgegeben, um die Bevölkerung besser unter Kontrolle halten zu können (Wingler, Juli 1991, S. 18). Nach dem Gutachten von Keller-Kirchhoff vom 17.9.1991, S. 4 f. wird der Kampf staatlicher Kräfte immer wieder als Gegenterror in einer Weise geführt, die auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten Personen gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand leisten wollen oder können oder an dem militärischen Geschehen nicht oder nicht mehr beteiligt sind (Keller-Kirchhoff, 23.4.1992, S. 11 und Oktober 1992, S. 14). Bei dieser Vorgehensweise der Streitkräfte handelt es sich oft um bloßen Gegenterror. Bis zum Oktober 1992 fanden öfters Vergeltungsaktionen gegen Tamilen, vor allem im Raum Batticaloa, statt (AA, 14.10.1992; ai, Dezember 1992, S. 2).

Im Norden Sri Lankas kommt es nach wie vor zu willkürlichen Bombardierungen rein ziviler Ziele ohne militärische Notwendigkeit, sondern oft aus Frustration über die Unfähigkeit einer effektiven Bekämpfung der LTTE (Keller-Kirchhoff, 23.4.1992, S. 7; Wingler, 15.12.1992, S. 6, Januar 1993, S. 20; ai, Januar 1993, S. 1).

e) Nach alledem ist die Klägerin bei ihrer Rückkehr in ihren Heimatstaat vor einer erneuten politischen Verfolgung nicht hinreichend sicher. Erhebliche Bedenken gegen ihre Verfolgungssicherheit lassen sich nicht ausräumen, denn aus den dargelegten Gründen kann unter Zugrundelegung des sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes landesweit nicht ausgeschlossen werden, daß die Klägerin, sollte sie nach Sri Lanka zurückkehren, von srilankischen Sicherheitskräften mit der Qualität einer politischen Verfolgung in der oben unter Ziff. I, 3, geschilderten Weise menschenrechtswidrig behandelt, ja sogar gefoltert (AA, 23.6.1992 und 12.1.1993; ai, Januar 1993, S. 32) oder getötet (Wingler, 18.10.1992, S. 14) wird. Eine zumutbare inländische Fluchtalternative besteht dabei nicht (Keller, Südasien, 1992, S. 24; ai, Dezember 1992, S. 6; Wingler, 18.10.1992, S. 13). Hieran ändert auch nichts die vom Auswärtigen Amt festgestellte angebliche quantitative Verbesserung der Menschenrechtslage in Sri Lanka (AA, 23.6. und 14.10.1992; a.A. Wingler, 18.10.1992, S. 13), da sich die Struktur der Gefährdungssituationen nicht geändert hat und diese sich jederzeit - etwa bei erneuten Anschlägen - verschärfen kann, wie dies etwa in Gefolge der Attentate vom November 1992 und der Ermordung von Präsident Premadasa geschehen ist (AA, 12.1.1993; Wingler, Mai 1993). Eine solche Entwicklung muß aber im Rahmen einer auf absehbare Zeit ausgerichteten Verfolgungsprognose mit berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.3.1981, Buchholz 406.24 § 28 AuslG Nr. 27).

Auch die ab 1992 angelaufenen, mittlerweile aber wieder eingestellten Rückkehrmaßnahmen von Tamilen aus Südindien (Keller, Oktober 1992, S. 53) gebieten keine andere Beurteilung. Zunächst wurden auch unter den Rückkehrern Personen verhaftet; andere werden vermißt (Keller, a.a.O., S. 56). Im übrigen ist die Einreise dieser Personengruppen mit der etwa aus Deutschland abgeschobener Asylbewerber nicht vergleichbar, da diese am Flughafen gesondert kontrolliert werden. Auch ist die Lebenssituation insofern eine andere, als sich der größte Teil der Rückkehrer in Flüchtlingslagern befindet (Wingler, 15.1.1993, S. 31), während sich die Klägerin bei einer Rückkehr in einem kurzfristig bezogenen Privatquartier mit entsprechenden Gefährdungen aufhalten würde.

Schließlich sind die der Klägerin im Falle einer Rückkehr nach Sri Lanka drohenden Maßnahmen aus den oben unter Ziff. I, 3 und 4 dargelegten Gründen als politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG zu werten.

II. Da die Klägerin somit als Asylberechtigte anzuerkennen ist, liegen nach § 51 Abs. 2 Nr. 1 AuslG zugleich die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vor, so daß sie einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zu einer entsprechenden Feststellung hat. Hierüber ist auch im Falle der Berufung des Bundesbeauftragten zu entscheiden, auch wenn sich das Verwaltungsgericht hiermit nicht befaßt hat und im Zeitpunkt seiner Entscheidung auch gar nicht befassen konnte, denn der Streitgegenstand des Asylverfahrens hat sich mit Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes am 1.1.1991 von Gesetzes wegen geändert (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.2.1992, - 9 C 59.91 - und Beschluß vom 19.3.1992 - 9 B 235.91 -). Der Anwendbarkeit von § 51 Abs. 2 Nr. 1 AuslG steht auch nicht entgegen, daß die - mit dieser Entscheidung erfolgte - Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte noch nicht bestands- bzw. rechtskräftig ist (vgl. Urteil des Senats vom 9.10.1992 - A 16 S 210/92 -).