VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.12.1992 - 8 S 634/92
Fundstelle
openJur 2013, 8500
  • Rkr:

1. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens ist schon dann zu bejahen, wenn nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist, daß die Frage der Bebaubarkeit des Grundstücks des Antragstellers im Falle der Nichtigkeit des Bebauungsplans nach § 34 BauGB zu beurteilen wäre; einer eindeutigen Klärung der baurechtlichen Situation bedarf es nicht.

2. Es ist auch im Hinblick auf § 1 Abs 1 BauGBMaßnahmeG (BauGBMaßnG) nicht zu beanstanden, wenn eine Gemeinde sich nach sorgfältiger Abwägung gegen die Ausweisung eines Baugebiets zwischen einem Gewerbegebiet und einem vorhandenen Wohngebiet und für die Erhaltung einer Streuobstwiese entscheidet.

3. Das Interesse von Eigentümern an der Einbeziehung ihrer Grundstücke in das spätere Umlegungsverfahren braucht im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplans nicht berücksichtigt zu werden.

Gründe

Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan der Antragsgegnerin vom 30.1.1991.

Sie sind Eigentümer der innerhalb des Plangebiets liegenden nicht bebaubaren Grundstücke Flst. Nrn. nordöstlich der ... Der Bebauungsplan sieht für diese Grundstücke "private Grünfläche, Streuobstwiese" (G 1) vor. Dabei wird auf die Ziffern I.6 und I.9.1 des Textteils verwiesen. Diese sehen vor:

I.6"Auf den privaten Grünflächen mit der Zweckbestimmung "Streuobstwiese" sind bauliche und sonstige Anlagen und Einrichtungen unzulässig, wenn sie der Zweckbestimmung sowie der Eigenart einer Streuobstwiese widersprechen (z.B. Gewächshäuser, Gartenhäuser, Terrassen, Pergolen, Grillplätze, Schwimmbecken, Fischteiche, Blumenrabatten, Stellplätze, Stützwände, Treppenanlagen usw.)."I.9.1"Die privaten Grünflächen mit der Zweckbestimmung "Streuobstwiese" und "Obstgarten" sind nach ökologischen Gesichtspunkten extensiv zu bewirtschaften, zu pflegen und zu nutzen. Der Unterwuchs (Krautschicht) ist zweimal im Jahr zu mähen, wobei der erste Schnitt erst nach Beendigung der Wiesenhauptblüte, ab Mitte Juni, erfolgen darf. Eine höhenmäßige Veränderung des vorhandenen natürlichen Geländes durch Aufschüttungen oder Abgrabungen darf nicht vorgenommen werden. Pestizideinsatz und übermäßige Düngung sind zu unterlassen. Bei der Streuobstwiese ist das Anlegen eines Zier-, Spiel- oder Sportrasens sowie das Pflanzen von Büschen, Hecken, Stauden, Ziergehölzen und fremdländischen Bäumen nicht zulässig. Beim Obstgarten darf zum Erhalt der bestehenden Vegetation keine Änderung der Nutzung vorgenommen werden. Siehe auch I.11.1."I.11.1  enthält Festsetzungen über das Anpflanzen von Bäumen und

Sträuchern sowie Bindungen für Bepflanzungen.

Der Geltungsbereich des Bebauungsplans umfaßt etwa ein Viertel der bebauten Fläche des Ortsteils der unmittelbar an ... angrenzenden Stadt Er enthält u.a. Festsetzungen für mehrere Gewerbegebiete, die überwiegend bereits überbaut sind, verschiedene Flächen für den Gemeinbedarf (Schule, Festhalle, Sporthalle und Hallenbad), einen Sportplatz sowie Wohnbebauung an der südwestlichen Seite der ... und des sich daran anschließenden ... Auch dieses Wohngebiet ist bereits weitgehend bebaut.

Dem Bebauungsplan liegt folgendes Verfahren zugrunde:

Am 27.5.1987 und 7.9.1988 beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin die Aufstellung eines Bebauungsplans "Gewerbegebiet/Wohngebiet, um die planerischen Voraussetzungen für eine Erweiterung und Sanierung des Gewerbegebiets im Stadtteil zu schaffen. Die Erweiterung des Gewerbegebiets sollte dazu dienen, die Existenzgrundlage örtlicher Betriebe zu festigen, deren Abwanderung zu verhindern und die Auslagerung von Betrieben mit ungünstigen Standortbedingungen im Ortskern zu ermöglichen. Zugleich wurde beschlossen, beim Nachbarschaftsverband die durch die beabsichtigte Planung notwendige Änderung des Flächennutzungsplans gem. § 8 Abs. 3 BauGB zu beantragen.

In dem dem Gemeinderat beim Planaufstellungsbeschluß vorliegenden Material sah die Variante "Wohngebietserweiterung (Anlage 3.4) mehrere Baufenster auf der nordöstlichen Seite der ... u.a. auf den Grundstücken der Antragsteller vor. In einem Schreiben vom 15.2.1989 erklärte der Antragsteller 1 u.a., er sehe einer Bebauung entsprechend dieser Variante als Grundstücksbesitzer mit starkem Interesse entgegen. In einem Vermerk vom 1.8.1988 legte das Baurechtsamt der Antragsgegnerin dar, die auf der südwestlichen Seite der ... liegenden Grundstücke zwischen den Gebäuden stellten sich als Baulücke dar; der Bauvoranfrage für eines dieser Grundstücke habe der Technische Ausschuß im Grundsatz zugestimmt, so daß gegen die Festsetzung der Fläche als nicht überbaubare Obstbaumwiese Bedenken bestünden.

Im Rahmen ihrer Anhörung sprachen sich mehrere Träger öffentlicher Belange gegen eine Wohnbebauung im Bereich ... aus; dieser Übergangsbereich sei als Rückzugsgebiet für Flora und Fauna von ökologischer Wichtigkeit und als Kaltluftschneise von kleinklimatischer Bedeutung (Schreiben des Landratsamt v. 18.9.1989); nach einer Erweiterung des Baugebiets sei mit unzulässigen Lärmbeeinträchtigungen der Bewohner beim Ein- und Ausparken von Kraftfahrzeugen der Betriebsangehörigen beim nächtlichen Schichtwechsel zu rechnen (Schreiben des Gewerbeaufsichtsamts vom 2.10.1989). Auch das Regierungspräsidium sprach sich aus Erwägungen der Landesplanung und Raumordnung gegen die Planungsvariante "Wohngebiet im Gebiet ... aus.

In seiner Sitzung vom 11.7.1990 beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin zunächst (bei 15 Ja-, 12 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen), das Gebiet nordöstlich der ... weiterhin als Wohnbaugebiet zu betrachten und aus dem Bebauungsplan herauszunehmen. Nach weiterer eingehender Debatte beschloß der Gemeinderat dann, einen Antrag, wonach im Gebiet nordöstlich der ... anstelle der im Plan eingezeichneten Grünfläche Wohnbebauung vorzusehen sei, abzulehnen sowie den überarbeiteten Bebauungsplanentwurf des Planungsbüros ... in der von der Stadtverwaltung überarbeiteten Form zuzustimmen und ihn öffentlich auszulegen. Die öffentliche Auslegung wurde am 27.7.1990 und am 31.8.1990 im Mitteilungsblatt der Antragsgegnerin bekannt gemacht und erfolgte in der Zeit vom 13.8. bis 13.9.1990; die betroffenen Träger öffentlicher Belange wurden erneut beteiligt. Neben anderen erhoben auch die Antragsteller Einwendungen; sie wiesen u.a. darauf hin, ihre Grundstücke seien seit vielen Jahren als Bauerwartungsland ausgewiesen und besteuert worden. Andere Einsprecher wandten sich gegen die geplante Erweiterung des Gewerbegebiets und wiesen auf die nach ihrer Auffassung dadurch verschärften Verkehrsprobleme hin.

In seiner Sitzung vom 30.1.1991 wies der Gemeinderat der Antragsgegnerin die vorgebrachten Bedenken zurück. In der Gemeinderatsvorlage wurde hierzu u.a. ausgeführt, eine Prüfung unter den Aspekten der Umweltverträglichkeit habe zu dem Ergebnis geführt, das ... nicht als Wohnbaufläche auszuweisen. Sowohl die Ergebnisse der mehr übergeordnet zu sehenden Biotopverbunduntersuchung der Nachbarschafts- und Regionalverbände als auch die eigenen lokalen Untersuchungen zum Städtischen Biotopverbundsystem mit vorausgegangener Kartierung der Naturbestände wiesen darauf hin, das Gebiet nicht -- wie im Flächennutzungsplan vorgesehen -- zu überbauen, sondern eine durchgehende vernetzte Grünfläche als Zäsur zwischen den unterschiedlichen Baugebieten zu erhalten. Nur mit der planerischen Sicherung und einer grünordnerischen Festsetzung dieser rund 40 m breiten Abstandsfläche könnten die sich bereits jetzt gelegentlich abzeichnenden Konflikte zwischen Gewerbe und Wohnen eingegrenzt bzw. vermieden werden. Im Falle einer Überbauung der ... mit Wohngebäuden im Rahmen eines allgemeinen Wohngebiets wäre dieser Konflikt vorprogrammiert. Schließlich sei der landwirtschaftliche Übergangsbereich zum ... des ... als Rückzugsgebiet für Flora und Fauna von besonderer ökologischer Wichtigkeit und als Kaltluftschneise von kleinklimatischer Bedeutung (2.5, S. 16). Die zur Abstandssicherung wichtige optische und akustische Pufferzone zwischen Gewerbe und Wohnbebauung werde beibehalten. Dadurch werde ein sonst unvermeidbarer Konflikt zwischen einer direkten Wohnnachbarschaft zum Gewerbegebiet vermieden. Deshalb werde den Planungsgrundsätzen Rechnung getragen, da eine Wohnbebauung einerseits nicht zulässigen Immissionen aus dem Gewerbegebiet ausgesetzt wäre und andererseits das Gewerbegebiet nicht zumutbaren Beschränkungen unterworfen würde. Auch die Ausweisung eines Mischgebiets könne hier keine Lösung sein, da dann darüber hinaus auch gegenseitige Störungen innerhalb des Gebiets produziert würden. Dies würde die Konfliktsituation noch verschärfen.

Nach kontroverser Debatte beschloß der Gemeinderat am 30.1.1991 den Bebauungsplan "Gewerbegebiet Wohngebiet als Satzung.

Mit Schreiben vom 21.8.1991 teilte das Regierungspräsidium im Rahmen des Anzeigeverfahrens mit, eine Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung rechtfertigen würde, werde nicht geltend gemacht. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgte am 14.2.1992.

Am 25.11.1991 beschloß die Verbandsversammlung des Nachbarschaftsverbands die Änderung des Flächennutzungsplans.

Das Regierungspräsidium hat die Änderung am 20.8.1992 genehmigt. Sie wurde im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg vom 12.9.1992 veröffentlicht.

Die Antragsteller haben am 16.3.1992 ein Normenkontrollverfahren eingeleitet. Sie beantragen,

den Bebauungsplan "Gewerbegebiet /Wohngebiet der Stadt vom 30. Januar 1991 für nichtig zu erklären.

Zur Begründung tragen sie vor: Durch den Bebauungsplan erlitten sie einen Nachteil, da er auf ihren Grundstücken nur eine Nutzung als Streuobstwiese erlaube und eine Bewirtschaftung nach näher festgelegten ökologischen Gesichtspunkten vorschreibe. Ihr Rechtsschutzinteresse ergebe sich daraus, daß ihre Grundstücke im Falle einer Nichtigkeit des Bebauungsplans dem unbeplanten Innenbereich zuzurechnen seien. In den 80-iger Jahren seien in unmittelbarer Nachbarschaft Baugenehmigungen gem. § 34 BauGB erteilt worden. Im Falle einer erneut vorzunehmenden Abwägung werde zu berücksichtigen sein, daß in dem anschließenden eingeschränkten Gewerbegebiet eine Baugenehmigung für ein Verwaltungsgebäude beantragt worden sei, von dem keine für eine Wohnbebauung unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen zu erwarten seien.

Der Bebauungsplan sei nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden. Die Möglichkeit eines Parallelverfahrens gem. § 8 Abs. 3 BauGB sei vorliegend nicht gegeben, da die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt werde; durch den Bebauungsplan werde ein größeres Gewerbegebiet mit erheblichem Landschaftsverbrauch anstelle einer ordnungsgemäßen harmonischen Ortsrandgestaltung geschaffen; die vorgesehenen Verkehrswege seien unzureichend. Darüber hinaus sei das Abwägungsgebot verletzt. Ihre Belange seien offensichtlich nicht in den Abwägungsvorgang eingestellt worden. Ziel des Bebauungsplans sei, der Firma Verlag M. die Errichtung eines Verwaltungsgebäudes zu ermöglichen und damit einem der größten Gewerbebetriebe der Umgebung einen Vorteil zu verschaffen. Dies werde auch daran deutlich, daß die Baugenehmigung bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplans erteilt worden sei. Um den Bedenken gegen diese Erweiterung zu begegnen, habe die Antragsgegnerin die Bauflächen im Bereich ... als Grünfläche ausgewiesen. Der Bau eines Verwaltungsgebäudes sei aber nicht dringender als die Errichtung von Wohnungen; hierfür böte sich das ... besonders an, zumal es, wie auch eine Stellungnahme des Landwirtschaftsamts ergeben habe, für eine landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet sei. Obwohl ihre Grundstücke seit 16 Jahren als Bauerwartungsland angesehen worden seien, seien sie nicht in das Umlegungsverfahren einbezogen worden. Vielmehr sei im Bebauungsplanaufstellungsverfahren lapidar mitgeteilt worden, die Frage einer Baulandumlegung sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Somit sei der Bebauungsplan ausschließlich auf ihre Kosten beschlossen worden, ihre Belange seien in keiner Weise berücksichtigt worden. Ferner verstoße die Festsetzung einer derartigen privaten Grünfläche gegen das Gebot der Negativplanung.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Der Bebauungsplan sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Der Plan sei auch korrekt ausgefertigt worden, denn die Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderats vom 30.1.1991 trage die Unterschrift des Oberbürgermeisters. Im Satzungsbeschluß werde auf den Lageplan des Planungsbüros und des Planungsamtes der Stadt vom 9.5.1988/20.6.1990/30.11.1990 verwiesen. Dieser Plan trage u.a. die Unterschrift des zuständigen Bürgermeisters.

Der Bebauungsplan gewährleiste auch eine geordnete städtebauliche Entwicklung; die Gründe für die Abweichung vom ursprünglichen Flächennutzungsplan seien in der Begründung zum Bebauungsplan eingehend dargestellt worden. Auch das Abwägungsgebot sei, wie sich aus der Begründung ergebe, beachtet worden. Die Umlegung sei nicht Gegenstand des Bebauungsplanverfahrens; davon abgesehen werde auf § 52 BauGB verwiesen, wonach das Umlegungsgebiet so zu begrenzen sei, daß sich die Umlegung zweckmäßig durchführen lasse. Eine Herausnahme bestimmter Grundstücke verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Eine Negativplanung liege nicht vor. Auch gegen die Eigentumsgarantie werde nicht verstoßen. Soweit die Antragsteller auf die Baugenehmigung für ein Verwaltungsgebäude verwiesen, sei darauf hinzuweisen, daß diese gem. § 33 BauGB nach Beschluß des Bebauungsplans erteilt worden sei. Dabei seien die Einwendungen u.a. der Antragsteller zurückgewiesen worden.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die dem Senat vorliegenden Akten der Antragsgegnerin und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

   II.

Der Senat entscheidet gem. § 47 Abs. 6 S. 1 VwGO durch Beschluß. Er hält eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich, da der entscheidungserhebliche Sachverhalt hinreichend geklärt ist und die Beteiligten eingehend zu den maßgeblichen Rechtsfragen Stellung genommen haben. Die Beteiligten wurden auf diese Verfahrensweise hingewiesen und hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

1.      Der Antrag ist zulässig.

Die Antragsteller, denen Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplans gehören, erleiden durch ihn einen Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO, denn sie werden durch die Festsetzung einer privaten Grünfläche in mehr als nur geringfügiger Weise betroffen. Ihr Interesse, eine andere Nutzungsmöglichkeit eingeräumt zu erhalten, war ohne Zweifel abwägungserheblich (vgl. hierzu grundlegend BVerwGE 59, 87).

Ihnen fehlt auch nicht das für einen Normenkontrollantrag -- wie jedes andere Rechtsschutzersuchen an ein Gericht -- erforderliche Rechtsschutzinteresse (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.3.1989 -- 4 NB 10.88 --, Buchholz 310 § 47 VwGO, Nr. 38; Beschluß vom 9.2.1989 -- 4 NB 1.89 --, Buchholz 310, § 44 VwGO Nr. 37 = BRS 49 Nr. 37; Senatsbeschl. v. 21.12.1990 -- 8 S 455/90 -- m.w.N.). Dieses Rechtsschutzinteresse fehlt insbesondere, wenn die vom Antragsteller begehrte Entscheidung des Gerichts für ihn sinn- bzw nutzlos wäre, weil eine stattgebende Entscheidung für ihn eindeutig keinen Vorteil brächte. Davon kann vorliegend jedoch nicht gesprochen werden. Denn zum einen ist nicht von vornherein von der Hand zu weisen, daß die Frage der Bebaubarkeit der Grundstücke der Antragsteller im Falle der Nichtigkeit des Bebauungsplans nach § 34 BauGB zu beurteilen wäre, nachdem sich auf der anderen (südwestlichen) Seite der ... Wohnbebauung befindet bzw. künftig aufgrund des Bebauungsplans befinden wird und nordwestlich möglicherweise (insbesondere, wenn die Antragsteller selbst ihre gegen die Baugenehmigung eingelegten Widersprüche zurücknehmen sollten oder diese zurückgewiesen werden), ein größeres Verwaltungsgebäude errichtet wird. Bereits diese Feststellung rechtfertigt die Schlußfolgerung, daß der Normenkontrollantrag der Antragsteller nicht von vornherein sinn- oder nutzlos wäre; einer darüberhinausgehenden eindeutigen Klärung der baurechtlichen Beurteilung im Falle der Nichtigkeit des Bebauungsplans bedarf es dagegen nicht. Davon abgesehen kann den Antragstellern ein Rechtsschutzinteresse auch im Hinblick darauf nicht abgesprochen werden, daß sie nach dem Textteil des Bebauungsplans zu einer ganz bestimmten Nutzung ihrer Grünflächen verpflichtet werden. Ferner wenden sie sich mit Widersprüchen gegen die für das genannte Verwaltungsgebäude gem. § 33 BauGB erteilte Baugenehmigung.

2.      Der Antrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg, denn der

angegriffene Bebauungsplan weist keine Verfahrensfehler auf und ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

2.1     Der Bebauungsplan ist, wie sich insbesondere aus den von der

Antragsgegnerin nunmehr vorgelegten Unterlagen eindeutig ergibt, ordnungsgemäß ausgefertigt (zur Ausfertigung vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.5.1991 -- 4 NB 26.90 -- VBlBW 1991, 451, DVBl. 1991, 823; VGH Bad.-Württ., Normenkontroll-Urt. v. 8.5.1990, VBlBW 1991, 19; Normenkontrollbeschl. v. 25.10.1991, VBlBW 1992, 258; s. auch Bezirksgericht Dresden, LKV 1992, 338). Den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Ausfertigung eines Bebauungsplans wird entsprochen, wenn die Satzung nach § 19 BauGB vom Bürgermeister durch Unterschrift ausgefertigt worden ist. Hierfür genügt die Unterschrift des Bürgermeisters zum Gemeinderatsprotokoll, in dem sowohl der Satzungsbeschluß als auch der Verfahrensablauf des Plans aufgenommen worden sind (s. a. OLG Stuttgart, Senat für Baulandsachen, VBlBW 1991, 198; Urt. des erk. Senats v. 15.10.1990 -- 8 S 1889/90 --). Diesen Erfordernissen ist genügt, denn der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin hat -- neben einigen Gemeinderäten und einem Schriftführer -- die Niederschrift über die maßgebliche Gemeinderatssitzung unterschrieben und damit authentisch den darin enthaltenen Satzungstext beurkundet (S. 77 ff der Niederschrift).

Soweit in der Satzung auf Pläne Bezug genommen wird, müssen diese entweder selbst ausgefertigt oder aber in der Satzung so eindeutig bezeichnet sein, daß kein Zweifel an der Identität möglich ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 8.5.1990 a.a.O.). Auch dem wird vorliegend entsprochen. Im Text der Satzung wird auf den Lageplan des Planungsbüros ... -- Planungsamtes der Stadt vom 9.5.1988/20.6.1990/30.11.1990 verwiesen. Der dem Senat vorliegende Originalplan, der (wie aus den Verfahrensunterlagen ersichtlich) auf einem Vorentwurf des genannten Planungsbüros beruht, enthält den eindeutigen Hinweis, daß er vom Planungsamt der Antragsgegnerin unter den Daten 9.5.1988/20.6.1990/30.11.1990 gefertigt worden ist und trägt u.a. die Unterschrift des Beigeordneten für die Bauverwaltung. Damit ist ein Zweifel an der Identität dieses Plans nicht möglich.

2.2     Der Bebauungsplan verstößt entgegen der Auffassung der Antragsteller

nicht gegen § 8 Abs. 3 BauGB. Danach kann u.a. mit der Änderung eines Bebauungsplans gleichzeitig auch der Flächennutzungsplan aufgestellt, geändert oder ergänzt werden (Parallelverfahren). Dabei kann der Bebauungsplan auch vor dem Flächennutzungsplan angezeigt und bekannt gemacht werden, wenn nach dem Stand der Planungsarbeiten anzunehmen ist, daß der Bebauungsplan aus den künftigen Darstellungen des Flächennutzungsplans entwickelt sein wird. Diesen gesetzlichen Anforderungen ist Genüge getan worden. Der Senat hat bereits in seinem Normenkontrollurteil vom 17.7.1992 -- 8 S 1793/91 -- dargelegt, daß auch ein zeitlicher Rückstand des Flächennutzungsplanänderungsverfahrens gegenüber dem Bebauungsplanverfahren das Vorliegen eines Parallelverfahrens nicht ausschließt. Vorliegend bestand nach dem Inhalt der dem Senat vorliegenden Unterlagen ohnehin kein Zweifel daran, daß nach dem Stand der Planungsarbeiten angenommen werden konnte, der Bebauungsplan werde aus den künftigen Darstellungen des Flächennutzungsplans entwickelt sein. Diese Prognose hat sich in der Zwischenzeit auch bestätigt, nachdem der Flächennutzungsplan nunmehr rechtswirksam geworden und am 12.9.1992 im Staatsanzeiger veröffentlicht worden ist. Auch spricht nichts für den Vortrag der Antragsteller, durch das Parallelverfahren werde die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der dafür zuständige Nachbarschaftsverband die Festsetzungen des Bebauungsplans als mit der städtebaulichen Ordnung vereinbar ansieht; der Senat sieht keine Veranlassung, diese Einschätzung als fehlerhaft einzustufen. Somit liegt weder eine Verletzung von Rechtsvorschriften nach § 8 Abs. 2 bis 4 BauGB vor, noch wäre ein solcher Verstoß gem. § 214 Abs. 2 Nr. 4 BauGB beachtlich.

2.3     Auch von einer unzulässigen Negativplanung kann keine Rede sein

(vgl. hierzu BVerwG, Beschl. 18.12.1990 -- 4 NB 8.90 -- BRS 50 Nr. 9 = DVBl. 1991, 445). Es kann vorliegend keinem Zweifel unterliegen, daß die Antragstellerin die im Bebauungsplan für das ... festgesetzte Grünfläche bewußt im Rahmen ihrer planerischen Entscheidung vorsehen wollte; dieser Planinhalt ist keineswegs nur vorgeschoben, um eine andere Nutzung zu verhindern.

2.4.    Der Bebauungsplan verstößt auch nicht gegen das Abwägungsgebot (§ 1

Abs. 6 BauGB).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der beschließende Senat in ständiger Praxis angeschlossen hat, ist die vom Satzungsgeber vorzunehmende Abwägung verwaltungsgerichtlich nur darauf überprüfbar, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat, ob in die Abwägung an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden mußte, ob die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt worden ist und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen Belanges entscheidet (vgl. grundlegend BVerwGE 34, 301 und 45, 309).

Diese Grundsätze hat die Antragsgegnerin beachtet. Weder sind bei der Beschlußfassung über den angegriffenen Bebauungsplan Mängel im Abwägungsvorgang ersichtlich, noch läßt sich feststellen, daß das Abwägungsergebnis die Belange der Antragsteller unangemessen zurücksetzt.

Nach dem Inhalt der dem Senat vorliegenden Akten hat sich der Gemeinderat sorgfältig mit allen für und gegen die festgesetzte Planung sprechenden Argumenten auseinandergesetzt. So sind beispielsweise die Fragen, ob das bestehende Gewerbegebiet erweitert werden soll und welche Verkehrsbelastungen dadurch entstehen, eingehend behandelt worden. Auch die Problematik der Bebaubarkeit der u.a. den Antragstellern gehörenden Grundstücke im ... war Gegenstand kontroverser Abstimmung. Wie unter I. dargestellt hat den Beratungen auch eine Variante zugrunde gelegen, die dort mehrere Baufenster vorsah. In seiner Sitzung vom 11.7.1990 hat der Gemeinderat sogar zunächst beschlossen, das betreffende Gebiet "weiterhin als Wohngebiet zu betrachten" und ihn aus dem Geltungsbereich des Bebauungsplans herauszunehmen. Nach weiterer eingehender Debatte entschied man sich dann jedoch für die nunmehr getroffene Festsetzung, also gegen eine Wohnbebauung und für eine Grünfläche. Daraus wird offenkundig, daß sich der Gemeinderat auch mit der Problematik der Grundstücke der Antragsteller intensiv auseinandergesetzt hat.

Ein Abwägungsfehler liegt auch nicht darin, daß die Antragsgegnerin letztlich dem Wunsch eines Verlages Rechnung getragen hat, seinen Betrieb zu erweitern, und hierfür inzwischen die Baugenehmigung erteilt worden ist. Zunächst ist hervorzuheben, daß diese Baugenehmigung nach dem Beschluß des Gemeinderats über den Bebauungsplan in Anwendung von § 33 BauGB erteilt worden ist, nicht dagegen zu einem früheren Zeitpunkt, der vielleicht zu einer bedenklichen Vorabbindung hätte führen können.

Es spricht auch nichts dafür, daß die Gemeinde die betroffenen Belange verkannt oder den Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen hätte, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis stünde. Zum einen ist es einer Gemeinde nicht verwehrt, der Erweiterung eines in ihrem Gebiet liegenden Betriebes kommunalpolitische Priorität zu geben und daraus die planerischen Konsequenzen zu ziehen. Zum anderen hat sich die Antragsgegnerin bei der Entscheidung, im ... eine Grünfläche festzusetzen, von mehreren durchaus gewichtigen Erwägungen leiten lassen. Es stellt ein wesentliches Element geordneter städtebaulicher Entwicklung dar, daß gewerbliche Nutzung und Wohnnutzung wegen ihrer prinzipiellen Konfliktanfälligkeit nicht unmittelbar nebeneinander liegen sollen (vgl. z.B. BVerwGE 45, 309; Senatsurteil v. 7.3.1990, UPR 1991, 155 = NVwZ -- RR 1991, 233). Zwar sind auch von diesem Grundsatz Ausnahmen denkbar, insbesondere in vorhandenen Gemengelagen oder wenn sichergestellt werden kann, daß von dem Gewerbegebiet nur unerhebliche Immissionen ausgehen, und besondere Umstände des Einzelfalls hinzutreten. Auch hätte hier dem möglichen Konfliktpotential eventuell auch durch die Ausweisung eines Mischgebiets Rechnung getragen werden können. Auch wenn somit die Festsetzung einer von Bebauung freigehaltenen Fläche nicht von Rechts wegen zwingend war, durfte sich die Antragsgegnerin für diese, mögliche künftige Konflikte vermeidende, Lösung als die in ihrer Sicht planerisch beste entscheiden. Ferner ist hervorzuheben, daß diese Erwägungen für die Antragsgegnerin erkennbar nur einen Teil ihrer Gründe dafür darstellten, warum im ... eine Grünfläche festgesetzt werden sollte. Denn hinzu kam die, von den mit Naturschutz befaßten Behörden und Institutionen nachdrücklich unterstützte Zielsetzung, eine durchgehend vernetzte Grünfläche als Zäsur zwischen den unterschiedlichen Baugebieten zu erhalten, dadurch einen Beitrag zur Erholung und für die Sicherung eines intakten Naturhaushalts zu leisten und eine Kaltluftschneise von kleinklimatischer Bedeutung zu bewahren. Dies ist in der Begründung des Bebauungsplans eingehend beschrieben worden.

Auch § 1 Abs. 1 BauGBMaßnahmenG gebietet kein anderes Ergebnis. Nach dieser Vorschrift soll bei der Aufstellung neuer wie bei der Änderung, Ergänzung und Aufhebung bestehender Bebauungspläne dem dringenden Wohnbedarf der Bevölkerung besonders Rechnung getragen werden. Damit erhält der öffentliche Belang, den dringenden Wohnbedarf der Bevölkerung zu decken, eine städtebaulich neue Qualität und wird in den Rang eines besonders bedeutsamen Planungsziels erhoben. Gerade im Falle der Ausweisung neuer oder der Erweiterung vorhandener Gewerbeflächen ist darauf zu achten, daß auch der Bedarf an Wohnungen gedeckt wird. Dies führt aber nicht dazu, daß dem Belang der Befriedigung des Wohnbedarfs stets Vorrang vor anderen öffentlichen oder privaten Interessen einzuräumen ist. Vielmehr bleibt der Gemeinde ihr Planungsermessen grundsätzlich erhalten. Je nach den topographischen Verhältnissen und der vorhandenen Vorbelastung können gesunde Wohnverhältnisse -- gerade im Umkreis von Ballungszentren -- auch Festsetzungen zur Sicherung des Naturhaushaltes und des Kleinklimas erfordern. In diesem Zusammenhang kommt unter anderem der Erhaltung von Streuobstwiesen eine besondere Bedeutung zu (vgl. auch VGH Bad.-Württ., NuR 1992, 186).

Der Gemeinderat der Antragsgegnerin war sich auch darüber im klaren, daß sich damit für die Antragsteller die Chance, aus ihrem Bauerwartungsland könne Bauland werden, nicht realisieren läßt und sie im Gegenteil verpflichtet sind, die Flächen in der näher festgesetzten oben wiedergegebenen Weise zu nutzen. Derartige Festsetzungen sind nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 15, 20 und 25 BauGB grundsätzlich möglich; vorliegend spricht nichts dafür, daß die zur Art der Bewirtschaftung der Streuobstwiesen getroffenen Festsetzungen über dasjenige hinausgehen, was ein vernünftiger Besitzer derartiger Flächen ohnehin tun würde. Die Antragsteller haben hierzu auch nichts weiter vorgetragen.

Im übrigen ist sowohl bei der Beurteilung des Abwägungsvorgangs als auch des Abwägungsergebnisses, also insbesondere der Intensität der hier vorgenommenen Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art 14 Abs. 1 S. 2 GG, einzubeziehen, daß gemäß §§ 40 und 41 BauGB bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen im Einzelfall Entschädigungen in Betracht kommen, die eine unverhältnismäßige Belastung kompensieren können.

Schließlich verweist die Antragsgegnerin zu Recht darauf, daß das Umlegungsverfahren erst nach Abschluß des Bebauungsplanaufstellungsverfahrens durchzuführen ist und erst in dem dort vorgesehenen Verfahren darüber befunden werden muß, welche Grundstücke einzubeziehen sind. Somit brauchte das Interesse der Antragsteller an einer Einbeziehung ihrer Grundstücke in das Umlegungsverfahren im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplans nicht berücksichtigt zu werden. Diese Rangfolge wird auch in § 45 BauGB deutlich, denn auch wenn § 45 Abs. 2 S. 1 BauGB die vorzeitige Einleitung des Umlegungsverfahrens ermöglicht, muß in jedem Fall der Bebauungsplan vor dem Beschluß über die Aufstellung des Umlegungsplans in Kraft getreten sein. Im übrigen ist -- wie die Antragsgegnerin zutreffend hervorhebt -- das Umlegungsgebiet nach § 52 Abs. 1 BauGB so zu begrenzen, daß die Umlegung sich zweckmäßig durchführen läßt; dies läßt sich im Einzelnen erst nach Abschluß des Bebauungsplanfeststellungsverfahrens feststellen.