VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.05.1990 - 5 S 3170/89
Fundstelle
openJur 2013, 7479
  • Rkr:

1. Nach § 6 Abs 2 Nr 8 und Abs 3 BauNVO 1990 sind Spielhallen nur noch in den Teilen eines Mischgebietes zulässig, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind. Die Erteilung von Ausnahmen für Spielhallen außerhalb dieser Teile eines Mischgebietes steht im pflichtgemäßen Ermessen der Baurechtsbehörde, die nicht ohne nähere Prüfung generell versagt werden darf.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Genehmigung einer Nutzungsänderung für die Einrichtung einer Spielhalle.

Der Kläger ist Eigentümer des ca. 15 m vom Marktplatz der Beklagten entfernten Hausgrundstücks U.straße Nr. ... Das Gebäude, in dem er bisher ein Cafe betrieb, wurde ca. 1925 erbaut.

Mit Bauantrag vom 24.11.1988 beantragte der Kläger die Genehmigung zum Einbau einer "Spielothek" in das bestehende Cafe und zum Einbau neuer WC-Anlagen. Die geplante Spielhalle hat eine Nutzfläche von 86,61 qm. Im Bauantrag ist ein Damen-WC und ein Herren-WC mit zwei Urinalen vorgesehen.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16.2.1989 ab und führte zur Begründung u.a. aus, der zuständige Gemeinderatsausschuß habe das nach § 36 Abs. 1 BauGB erforderliche Einvernehmen nicht erteilt. Das Vorhaben sei planungsrechtlich unzulässig, weil es in einem Mischgebiet liege, in dem die Wohnnutzung stark überwiege. Es sei davon auszugehen, daß durch eine Spielothek, die in der Nachbarschaft zweier Gaststätten liege, erhebliche zusätzliche Störungen, insbesondere in den Abendstunden und sonn- und feiertags, entstünden. Bei der Spielothek handle sich um eine kerngebietstypische Anlage, bei der ein erheblicher Zu- und Abgangsverkehr zu erwarten sei. Da in der Spielothek kein Alkohol ausgeschenkt werden solle, biete es sich geradezu an, den Alkoholbedarf in den umliegenden Gaststätten zu decken und zwischen ihnen und der Spielothek hin und her zu pendeln. Zu befürchten sei weiter, daß der Zulassung einer Spielothek Vorbildwirkung zukomme und weitere derartige Nutzungsänderungen folgen würden. Dies würde zu einer Verdrängung von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben aus dem Hauptgeschäftsbereich der Beklagten führen. Auch würden von der Anlage Belästigungen und Störungen ausgehen, die nach der Eigenart des Baugebiets dort unzumutbar seien. Bauordnungsrechtlich sei das Vorhaben nicht genehmigungsfähig, weil der Kläger die erforderlichen neun Stellplätze bzw. den Mehrbedarf von zwei Stellplätzen nicht nachweisen könne. Die zusätzlich angebotenen zwei oder drei Stellplätze seien dafür nicht geeignet. Auch die WC-Anlagen genügten nicht den rechtlichen Anforderungen. Für Herren seien mindestens ein Spülabort und drei Urinalbecken, für Frauen seien mindestens zwei Spülaborte erforderlich. Ferner entsprächen die vordere Haupttüre und die hintere Haustüre nicht den Anforderungen, weil sie nicht nach außen aufschlagend vorgesehen seien.

Das Regierungspräsidium Freiburg wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 26.7.1989 u.a. mit der Begründung zurück, der Kläger habe auch durch die im Widerspruchsverfahren vorgelegten Nachtragspläne die zusätzlich erforderlichen zwei Stellplätze nicht nachgewiesen. Die vorgesehenen Grundstücke seien nicht entsprechend zweckmäßig zugeschnitten und die Verkehrssicherheit für die dort bestehenden Garagen sei nicht mehr gewährleistet. Bei den gegebenen Umständen sei auch nicht anzunehmen, daß die Stellplätze von den Besuchern der Spielothek akzeptiert würden.

Der Kläger hat am 9.8.1989 Klage erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, die zusätzlichen zwei Stellplätze seien in geeigneter Weise nachgewiesen. Die Versagung des Einvernehmens sei fehlerhaft, denn die Versagung sei nur auf moralisierende und teilweise irrelevante Argumente gestützt. Planungsrechtlich sei das Vorhaben zulässig. Denn der fragliche Bereich sei als Kerngebiet zu qualifizieren. Selbst in einem Mischgebiet sei die vorgesehene Spielhalle zulässig. Die Argumentation bezüglich der WC-Anlagen und der Türen sei nicht verständlich. In beiden Punkten habe das Gewerbeaufsichtsamts keine Beanstandungen gehabt.

Die beklagte Stadt hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und ergänzend darauf hingewiesen, bei den angebotenen zusätzlichen zwei Stellplätzen sei weder die Benutzung der Fläche noch die Zufahrt öffentlich-rechtlich gesichert. Auch stehe die Fläche im Eigentum mehrerer Grundstückseigentümer. Die Einrichtung von Stellplätzen in dem völlig ruhigen Hinterhofbereich sei für die Nachbarschaft nicht zumutbar.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Einnahme eines Augenscheins mit Urteil vom 13.10.1989 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es: In planungsrechtlicher Hinsicht sei das seiner Art nach gemäß § 34 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben nicht zu beanstanden. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche vorliegend einem Mischgebiet. Im Bereich von der Ecke A.straße-B.straße bis zum Beginn der Br.straße sowie vom Marktplatz bis zum Einmündungsbereich U.straße/S.straße befänden sich das Rathaus, das Notariat und das Forstamt, in den Erdgeschossen der übrigen Gebäude befänden sich fast durchweg Einzelhandelsbetriebe sowie Schank- und Speisewirtschaften. Mit Ausnahme des Rathauses würden bei allen Gebäuden dieses Bereiches die Obergeschosse als Wohnung benutzt. In einem Mischgebiet seien Spielhallen zulässig, wenn sie nicht dem Typus der Vergnügungsstätten, wie er für Einrichtungen im Kerngebiet kennzeichnend sei, entsprechen und wenn bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise mit wesentlichen Störungen für die Wohnruhe vor allem am Abend und in der Nacht nicht zu rechnen sei. Die geplante Spielhalle stelle einen das Wohnen nicht mehr als unwesentlich störenden Gewerbebetrieb dar und sei mit einer Nutzfläche von 86,61 qm nicht als eine für das Kerngebiet typische Vergnügungsstätte anzusehen. Die Annahme, daß die Besucher der Spielhalle zwecks Befriedigung ihres Alkoholbedarfs ständig zwischen der Spielhalle und den umliegenden Gaststätten hin und her pendeln würden, sei durch nichts belegt. Auch würde der Lokalwechsel wohl zu Fuß und nicht mit Fahrzeugen erfolgen, wären also nicht sonderlich lärmintensiv. Es stehe auch nicht zu befürchten, daß durch die Zulassung der relativ kleinen Spielhalle das bestehende Gleichgewicht zwischen gewerblicher und Wohnnutzung gestört und die Innenstadt der Beklagten sich in ein Vergnügungsviertel verwandeln würde. Die vorgesehene Spielhalle sei jedoch bauordnungsrechtlich nicht genehmigungsfähig. Das Vorhaben verstoße gegen § 35 Abs. 1 S. 8 LBO, wonach für Gebäude, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, eine ausreichend Zahl von Toiletten herzustellen ist. Als Anhaltspunkt dafür, welche Zahl von Toiletten ausreichend sei, könne im vorliegenden Fall § 9 Abs. 2 GastVO dienen, wonach in Schank- oder Speisewirtschaften bei einer Raumfläche von 50 bis 100 qm für Männer ein Spülabort sowie Urinale und für Frauen zwei Spülaborte vorhanden sein müssen. Nach den vorgelegten Plänen sei für Frauen lediglich ein Spülabort vorgesehen. Dies halte das Gericht im Hinblick auf die Größe der Spielothek und zu erwartende Besucherzahl nicht für ausreichend. Das Vorhaben verstoße weiterhin gegen § 3 Abs. 1 S. 1 LBO, wonach bauliche Anlagen so anzuordnen und herzurichten sind, daß die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit, nicht bedroht werden. Mit dieser Anforderung sei es nicht zu vereinbaren, daß beide in die Spielothek führende Türen nach Innen aufschlagen. Bei Räumen, in denen sich regelmäßig eine größere Anzahl von Besuchern aufzuhalten pflegen, sei es erforderlich, daß die im Fluchtweg liegenden Türen nach außen aufschlagen, weil sich sonst diese Türen bei den in Unglücksfällen oft entstehenden panikartigen Situationen als Falle für die Besucher erweisen könnten. Entgegen der Auffassung der Beklagten stehe dem Vorhaben die Regelung des § 39 Abs. 1 S. 3 LBO über die Herstellung zusätzlicher Stellplätze bei einer Nutzungsänderung nicht entgegen. Bei der Ermittlung der zusätzlich erforderlichen Stellplätze könne die Verwaltungsvorschrift des IM über die Herstellung notwendiger Stellplätze -- VwV Stellplätze -- vom 8.12.1986 (GABl. 1987, S. 3) berücksichtigt werden. Für die Errechnung des Stellplatzbedarfs für die bisherige Nutzung im Rahmen der Vergleichsberechnung sei von denjenigen Stellplatzrichtzahlen auszugehen, die im Zeitpunkt der Entscheidung über den Bauantrag gelten. Ginge man von denen im Zeitpunkt der Genehmigung der ursprünglichen Nutzung geltenden Richtzahlen aus, hätte dies zur Folge, daß anläßlich von Nutzungsänderungen der Bauherr auch den Mehrbedarf an Stellplätzen decken müßte, der während des Bestehens der bisherigen Nutzung durch die in der Vergangenheit allgemein zugenommene Verkehrsdichte erwachsen sei. So müßte der Kläger im vorliegenden Fall anläßlich der Nutzungsänderung die gesamten nunmehr erforderlichen Stellplätze nachweisen, nachdem 1925 bei Errichtung des Cafes noch keine Stellplätze nachzuweisen waren. Gerade dies solle aber nach § 39 Abs. 1 S. 3 LBO vermieden werden. Mehrforderungen könnten nur auf der Grundlage des § 39 Abs. 3 LBO bei einer sonst drohenden Verletzung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erhoben werden. Die Beklagte gehe zutreffend davon aus, daß bislang sieben Stellplätze notwendig gewesen wären (je 10 qm Gastraum ein Stellplatz). Nicht haltbar sei jedoch die Auffassung der Beklagten, daß die Spielothek ein Stellplatz je 10 qm Nutzfläche erforderlich sei und daß der Kläger damit bei neun an sich notwendigen Stellplätzen zwei zusätzliche Stellplätze nachweisen müsse. Es seien insgesamt nur sieben Stellplätze erforderlich. Angesichts dessen, daß nach Nr. 6.3 VwV Stellplätze ein Stellplatz je 10 bis 20 qm Nutzfläche des Ausstellraums erforderlich sei, erscheine es vorliegend nicht berechtigt, an die obere Grenze von einem Stellplatz je 10 qm zu gehen. Bei einer Vergnügungsstätte, die im wesentlichen nur zur Freizeitbeschäftigung der näheren Umgebung diene, sei anzunehmen, daß zahlreiche Besucher die Spielothek bequem zu Fuß erreichen könnten und deshalb weniger Stellplätze erforderlich seien als bei einer kerngebietstypischen Spielhalle. Schon wenn man von einem Bedarf von einem Stellplatz je 13 qm auf Stellfläche ausgehe, seien insgesamt nur sieben und damit keine zusätzlichen Stellplätze erforderlich. Im übrigen halte die Kammer den Hinweis für angezeigt, daß das vom Kläger angebotene Grundstück zur Aufnahme notwendiger Stellplätze nicht in Betracht komme. Zwar befinde es sich in zumutbarer Entfernung vom Anwesen des Klägers. Es sei jedoch rechtlich und tatsächlich zur Aufnahme notwendiger Stellplätze nicht geeignet.

Der Kläger hat gegen das ihm am 2.11.1989 zugestellte Urteil am 28.11.1989 Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger mit einem bei der Beklagten am 1.12.1989 eingegangenen Nachtragsgesuch die Abänderung der vorgesehenen WC-Anlagen durch den Einbau von zwei Damen-WC und drei Urinale im Herren-WC und die Öffnung der Außentüren nach außen beantragt. Danach verringert sich die Nutzfläche der Spielhalle auf 80.65 qm.

Über die Genehmigung dieses Nachtragsgesuchs des Klägers ist noch nicht entschieden worden. Ein weiterer Bauantrag von Herrn S, F., der die geplante Spielothek offenbar betreiben soll, für dasselbe Vorhaben ist durch baurechtliche Entscheidung der Beklagten vom 12.2.1990 abgelehnt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 13. Oktober 1989 -- 7 K 166/89 -- zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihrer baurechtlichen Entscheidung vom 16. Februar 1989 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 26. Juli 1989 zu verpflichten, ihm die beantragte Nutzungsänderungsgenehmigung entsprechend dem Nachtragsgesuch vom 1. Dezember 1989 zu erteilen.

Zur Begründung wird vorgetragen, durch das Nachtragsgesuch seien die Anforderungen des angefochtenen Urteils erfüllt. Die Pläne seien entsprechend den Bedenken des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der WC-Anlage und der Außentüren geändert worden. Es werde deshalb vorgeschlagen, daß das Nachtragsbaugesuch mit dem ursprünglichen Baugesuch zusammengefaßt werde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte u.a. auf die Neufassung der Baunutzungsverordnung vom 23.1.1990 (BGBl. I S. 132). Nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO n.F. sind Vergnügungsstätten, soweit sie nicht wegen ihrer Zweckbestimmung oder ihres Umfangs nur in Kerngebieten allgemein zulässig sind, in den Teilen des Mischgebietes zulässig, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind. Das geplante Vorhaben sei danach an dem vorgesehenen Standort nicht zulässig, da die als Mischgebiet einzustufende Umgebung des Baugrundstücks nicht überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägt sei. Das Vorhaben könne auch nicht ausnahmsweise nach § 6 Abs. 3 BauNVO n.F. zugelassen werden. Im Hinblick auf die Stellplätze sei es nicht vertretbar, bei einer Nutzungsänderung für die Errechnung des Stellplatzbedarfs für die bisherige Nutzung im Rahmen der Vergleichsberechnung von denjenigen Stellplatzzahlen auszugehen, die im Zeitpunkt der Entscheidung über den Bauantrag für die Nutzungsänderung gelten und folglich nicht vorhandene Stellplätze von der Gesamtzahl der notwendigen Stellplätze abzuziehen. Im Zeitpunkt der ursprünglichen Baugenehmigung im Jahre 1925 seien keine Stellplätze geschaffen worden, so daß im Falle der Nutzungsänderung jetzt die gesamten nunmehr erforderlichen Stellplätze nachzuweisen wären. Damit würde den Problemen des ruhenden Verkehrs besser Rechnung getragen.

Der Senat hat das Grundstück des Klägers und dessen nähere Umgebung in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses des Augenscheins wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Dem Senat liegen die das Bauvorhaben betreffenden Akten der Beklagten, des Regierungspräsidiums Freiburg und des Verwaltungsgerichts Freiburg vor.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig und teilweise begründet.

Der Kläger hat entsprechend § 113 Abs. 4 S. 2 VwGO einen Anspruch auf erneute Bescheidung seines geänderten Bauantrages, weil über die Erteilung einer Ausnahme nach § 6 Abs. 3 BauNVO im Wege einer Ermessensentscheidung bisher nicht entschieden worden ist und weil die Sache deshalb noch nicht spruchreif ist. Im übrigen ist die Berufung nicht begründet.

Das Nachtragsbaugesuch, mit dem den Anforderungen des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts entsprochen werden soll, kann in das vorliegende Berufungsverfahren einbezogen werden. Nach der Rechtsprechung kann in den Fällen, in denen während des laufenden gerichtlichen Verfahrens eine weitere Bauvoranfrage bzw. ein Nachtragsbaugesuch eingereicht und abgelehnt wird, dieser Sachverhalt grundsätzlich in das laufende gerichtliche Verfahren einbezogen werden (vgl. BVerwG, Urt.v. 22.2.1980 -- 4 C 61.77 -- Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 161; VGH Bad.-Württ., Urt.v. 21.5.1973 -- VIII 1137/72 --; Urt.v. 10.10.1978 -- III 2882/77 --). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Streitgegenstand im wesentlichen unverändert bleibt und wenn der Streit damit ausgeräumt werden kann. Die darin liegende Klageänderung ist als sachdienlich zuzulassen (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urt.v. 7.8.1980 -- 5 S 482/80 --). Eines weiteren Vorverfahrens bedarf es in diesem Fall nicht. Die Klageänderung ist deshalb auch im vorliegenden Fall zulässig, in dem die Beklagte innerhalb der Frist von drei Monaten entsprechend § 75 VwGO über das Nachtragsbaugesuch ohne zureichenden Grund nicht entschieden hat.

Der Kläger hat aber keinen unmittelbaren Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung in der modifizierten Fassung des Nachtragsbaugesuchs, sondern nur einen Anspruch auf eine erneute Entscheidung über seinen Bauantrag.

Die Nutzungsänderung bedarf der Baugenehmigung (§§ 51 Abs. 1, 2 Abs. 9 LBO), da für die neue Nutzung weitergehende Anforderungen als für das bisherige Cafe gelten. In planungsrechtlicher Hinsicht ist die Neufassung der BauNVO vom 23.1.1990 (BGBl. I S. 132) anzuwenden. Da es sich um eine Verpflichtungsklage handelt, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung maßgebend (BVerwGE 61, 128).

Planungsrechtlich ist die geplante Spielhalle nicht nach § 34 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO n.F. zulässig, da sie nicht in dem Teil eines Mischgebietes errichtet werden soll, das überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägt ist.

Die Eigenart der näheren Umgebung des Baugrundstücks entspricht einem Mischgebiet i.S. von § 6 BauNVO. Die Zulässigkeit der Spielhalle im unbeplanten Innenbereich ist deswegen gemäß § 34 Abs. 2 BauGB allein nach § 6 BauNVO zu beurteilen. Die dazu getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind durch den Augenschein des Senats bestätigt worden. Auch die beklagte Stadt geht bei der Umgebung des Baugrundstücks von einem Mischgebiet aus.

Bei der geplanten Spielhalle handelt es sich auch nicht um eine Vergnügungsstätte, die wegen ihrer Zweckbestimmung oder ihres Umfangs nur in Kerngebieten allgemein zulässig wäre (§§ 6 Abs. 2 Nr. 8, 4 a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO n.F.). Kerngebietstypisch ist eine Vergnügungsstätte, wenn es sich um einen zentralen, für ein größeres und allgemeines Publikum erreichbaren Dienstleistungsbetrieb mit einem größeren Einzugsbereich handelt (vgl. Urt. d. Senats v. 22.9.1989 -- 5 S 249/89 -- UPR 1990, 273). Dabei ist die Fläche von 150 qm Aufstellfläche als Schwelle für eine kerngebietstypische Spielhalle anzusehen, während Spielhallen in Mischgebieten von kleineren Gemeinden grundsätzlich bis ca. 100 qm Nutzfläche zulässig sind (vgl. Beschl. d. Senats v. 23.2.1989 -- 5 S 2128/88 -- VBlBW 1989, 344 = NVwZ 1990, 86 = BWGZ 1990, 64). Insoweit bestehen gegen die Spielhalle, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, grundsätzlich keine durchgreifenden Bedenken.

Nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO n.F. sind aber Vergnügungsstätten nur in den Teilen des Mischgebietes zulässig, die überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägt sind. Gemäß § 6 Abs. 3 BauNVO können derartige Vergnügungsstätten ausnahmsweise außerhalb der durch überwiegend gewerbliche Nutzung geprägten Teile des Gebietes zugelassen werden. Nach den Feststellungen des Senats im Augenschein ist die Umgebung der geplanten Spielhalle nicht überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt. In fast allen Gebäuden in der Umgebung des Baugrundstücks sind in den oberen Geschossen Wohnungen vorhanden. Wohnnutzung und gewerbliche Nutzung in der Umgebung des Baugrundstücks halten sich ungefähr die Waage. Auf eine exakte qualitative Verteilung von Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung kommt es dabei nicht an. Nach dem Erscheinungsbild ist die nähere Umgebung jedenfalls nicht durch überwiegende gewerbliche Nutzung geprägt. Deshalb ist die Spielhalle insoweit nicht genehmigungsfähig.

Nach § 6 Abs. 3 BauNVO n.F. können nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten ausnahmsweise außerhalb der Teile eines Mischgebietes zugelassen werden, die nicht überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind. Nach § 34 Abs. 2 2.Halbs. BauGB findet auf die nach der BauNVO nur ausnahmsweise zulässigen Vorhaben § 31 Abs. 1 BauGB Anwendung. Unter dieser Voraussetzung könnte die beantragte Baugenehmigung ausnahmsweise erteilt werden. Die Erteilung eines Ausnahme steht im pflichtgemäßen Ermessen der Baurechtsbehörde, weshalb die Ausnahme nicht ohne nähere Prüfung generell versagt werden darf.

Über die Erteilung einer Ausnahme ist im vorliegenden Fall noch nicht entschieden worden, weil die Neufassung der BauNVO erst nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens in Kraft getreten ist. Die Beklagte hat auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine zureichenden Gründe für die Ablehnung einer Ausnahme nachgeschoben.

Die Beklagte hat hierzu vorgetragen: Es bestehe keinerlei öffentliches Interesse an der Zulassung der Spielothek, es stünden aber städtebauliche Belange entgegen. Die Spielothek würde den Interessen der Stadt zuwiderlaufen. Die Stadt wolle die Innenstadt von derartigen Vergnügungsstätten freihalten und eine Abwertung des Gebietes verhindern. Das Vorhaben in dem überwiegend durch Wohnnutzung geprägten Gebiet würde zu Spannungen führen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß unmittelbar hinter dem Baugrundstück zwei Gebäude vorhanden seien, die nur Wohnungen enthielten. Von dem Vorhaben würde auch eine Vorbildwirkung ausgehen, die weitere vergleichbare Vorhaben nach sich ziehen würde. Bei derartigen Vergnügungsstätten bestehe auch grundsätzlich die Gefahren, daß sie sich nachteilig auf die Wohnruhe und Wohnqualität auswirkten.

Diese Gründe sind nicht geeignet, eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung über die Ablehnung einer Ausnahme zu tragen. Denn es ist nicht weiter dargelegt, inwiefern eine relativ kleine Spielhalle in der näheren Umgebung zu größeren Spannungen und erheblicheren Beeinträchtigungen der Wohnruhe führen könnte, als dies bei den bisher schon vorhandenen Gaststätten der Fall ist. Mit dem Argument, die Beklagte wolle die Innenstadt von derartigen Vergnügungsstätten freihalten, kann die Ablehnung nicht gerechtfertigt werden, weil sonst unter keinen Umständen eine Ausnahme erteilt werden könnte.

Nach der Änderung der Toilettenanlage und der Außentür entspricht die Spielhalle insoweit auch den dafür maßgeblichen bauordnungsrechtlichen Vorschriften.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die beantragte Baugenehmigung auch nicht wegen der Stellplätze abgelehnt werden kann (§ 39 Abs. 1 LBO). Nach § 39 Abs. 1 S. 3 LBO sind bei Änderungen von Anlagen oder Änderungen ihrer Nutzung Stellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen, daß sie die infolge der Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können. Unter dem zukünftigen zusätzlichen Bedarf ist der Mehrbedarf zu verstehen, der infolge der Änderung gegenüber dem bisherigen Bedarf entsteht. Zu ermitteln ist also der bisherige Bedarf und der durch die Änderung verursachte Bedarf. Mehrbedarf ist dann gegeben, wenn der durch die Änderung verursachte Bedarf den bisherigen Bedarf übersteigt. Entsteht durch die Änderung kein Mehrbedarf, kann die Baurechtsbehörde die Änderung grundsätzlich nicht zum Anlaß nehmen, den Nachweis von Stellplätzen zu verlangen, die schon für die bisherige Anlage oder Nutzung gefehlt haben.

Bei der Ermittlung des Stellplatzbedarfes für die Anlage vor der Nutzungsänderung muß im Rahmen der dazu anzustellenden Vergleichsberechnung von denjenigen Stellplatzrichtzahlen ausgegangen werden, die im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nutzungsänderung gelten (ebenso Sauter, LBO, § 39 RdNr. 16 c; Schlotterbeck/von Arnim, LBO, 3.Aufl. § 39 RdNr. 18). Würde man diejenigen Stellplatzrichtzahlen zugrundelegen, die im Zeitpunkt der Genehmigung der ursprünglichen Anlage bzw. Nutzung gegolten haben, würde dies dazu führen, daß anläßlich von Änderungen oder Nutzungsänderungen der Bauherr auch den Mehrbedarf an Stellplätzen decken müßte, der während des Bestehens der bisherigen Anlage bzw. der bisherigen Nutzung durch die in der Vergangenheit allgemein erhöhte Verkehrsdichte erwachsen ist. Insoweit kommt der Anlage jedoch Bestandsschutz zu. Bei einer Änderung oder Nutzungsänderung einer Anlage ist daher entsprechend dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 39 Abs. 1 S. 3 LBO lediglich der durch die bauliche Änderung oder Nutzungsänderung, nicht aber der durch das erhöhte Verkehrsaufkommen bedingte Mehrbedarf an Stellplätzen zu decken.

Soweit der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg im Urteil vom 30.4.1989 -- 8 S 542/86 -- (BWGZ 1987, 307) die Auffassung vertritt, bei der Ermittlung des Stellplatzbedarfs für die frühere Nutzung sei auf die im Zeitpunkt der früheren Baugenehmigung geltenden Stellplatzvorschriften abzustellen, braucht deswegen nicht der Große Senat wegen einer abweichenden Entscheidung auf dem Gebiet des Landesrechts nach §§ 12 Abs. 2, 11 Abs. 3 VwGO angerufen zu werden. Denn die in dem zitierten Urteil erwähnte Rechtsauffassung gehört nicht zu den tragenden Gründen der Entscheidung. Dem Urteil ist nämlich zu entnehmen, daß der Stellplatzbedarf für die frühere Nutzung sowohl nach den früheren als auch nach den zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Vorschriften gleich groß war (vgl. S. 16 unten des amtlichen Abdrucks). Insoweit kam es bei der Entscheidung des 8. Senats auf diese Frage gar nicht an, so daß eine Vorlagepflicht nicht besteht (vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 9.Aufl. § 11 Anm. 1 f; Eyermann/Fröhler, VwGO, 9.Aufl., § 11 RdNr. 4).

Für die beantragte Spielhalle entsteht gegenüber der bisherigen Nutzung des Gebäudes als Konditorei-Cafe kein zusätzlicher Stellplatzbedarf. Bei dem bestehenden Cafe wären nach der Berechnung der Beklagten nach der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Herstellung notwendiger Stellplätze (VwV-Stellplätze) vom 8.12.1986 (GABl. 1987, S. 3) sieben Stellplätze erforderlich gewesen (je 10 qm Gastraum ein Stellplatz, d.h. bei 48,06 qm fünf Stellplätze sowie zwei Stellplätze für den Laden). Nach Nr. 6.3 VwV-Stellplätze ist bei Spielhallen ein Stellplatz je 10 bis 20 qm Nutzfläche des Aufstellraums, mindestens drei Stellplätze, erforderlich. Die Beklagte verlangt hier je 10 qm Aufstellfläche einen Stellplatz, insgesamt neun Stellplätze. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, daß bei der Stellplatzberechnung im vorliegenden Fall nicht ohne besondere Gründe von der oberen Grenze von einem Stellplatz pro 10 qm ausgegangen werden kann, da es sich nicht um eine kerngebietstypische Spielhalle handelt. Schon bei einem Bedarf von einem Stellplatz je 12 qm Aufstellfläche sind bei einer Fläche von 80,65 qm nur noch sieben Stellplätze erforderlich. Ein zusätzlicher Bedarf gegenüber der bisher zulässigen Nutzung ist damit nicht gegeben. Der Senat verweist hierzu im übrigen gemäß Art. 2 § 6 EntlG auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils.

Die Beklagte kann deshalb die beantragte Genehmigung nicht wegen des angeblich fehlenden Nachweises notwendiger Stellplätze ablehnen. Auf die Geeignetheit der vom Kläger zusätzlich angebotenen Stellplätze kommt es deshalb nicht an.

Die ablehnenden Bescheide waren daher aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die beantragte Baugenehmigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.