VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.01.1990 - 2 S 2767/89
Fundstelle
openJur 2013, 7247
  • Rkr:

1. Anlagen zur Behandlung von Klärschlamm können beitragsrechtlich verselbständigte Teileinrichtungen der von der Gemeinde als öffentliche Einrichtung betriebenen Abwasserbeseitigung sein.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die beiden Bescheide über die Erhebung eines Abwasserbeitrags für die Schlammbehandlung der Antragsgegnerin vom 19.5.1988 abgewiesen. An der Rechtmäßigkeit dieser Bescheide bestehen nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keine ernstlichen Zweifel (§ 80 Abs. 5 S. 1 VwGO in Verb. mit einer entsprechenden Anwendung des Abs. 4 S. 3 dieser Vorschrift). Solche Zweifel wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur dann anzunehmen, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher wäre als dessen Mißerfolg (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluß vom 8.1.1990 -- 2 S 3193/89 -- m.w.N.). Davon kann bei summarischer Prüfung nicht ausgegangen werden.

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluß dargelegt, weshalb der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keinen Erfolg haben kann. Auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts nimmt der Senat Bezug. Ergänzend -- insbesondere unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens -- wird noch auf folgendes hingewiesen:

Den angegriffenen Beitragsbescheiden dürfte der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegenstehen. Dieser besagt zum einen, daß die sachliche Beitragspflicht (abstrakte Beitragsschuld) für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung zu Lasten eines Grundstücks nur einmal entsteht. Ist sie entstanden, kann sie nach diesem Grundsatz nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt und in anderer Höhe noch einmal entstehen. Ferner schließt der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung das Verbot der Doppelbelastung in dem Sinne ein, daß ein Grundstück für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung grundsätzlich nur einmal zu einem Beitrag herangezogen werden darf (vgl. Urteil des Senats vom 29.3.1989 -- 2 S 43/87 -- m.w.N.). Ist ein Grundstück durch einen wirksamen Bescheid zu einem Beitrag veranlagt worden, so läßt das aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung folgende Verbot der Doppelbelastung nur dann Raum für eine erneute Veranlagung, wenn jener Bescheid bestandskräftig oder doch zumindest in sofort vollziehbarer Weise (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) oder durch rechtskräftiges Urteil aufgehoben worden ist oder wenn sich die Gemeinde eine Nachveranlagung des Grundstücks durch eine zulässige satzungsrechtliche Regelung vorbehalten hat, auf Grund der sich die erneute Veranlagung des Grundstücks rechtfertigen läßt (vgl. Urteil des Senats vom 27.9.1984 -- 2 S 2437/82 --, ESVGH 35 S. 55).

Keine Doppelbelastung liegt indes dann vor, wenn das veranlagte Grundstück noch nicht zu (Teil-)Beiträgen für die erstmalige Herstellung derselben öffentlichen Einrichtung bzw. Teileinrichtung herangezogen worden ist. So dürfte es hier liegen. Die Antragstellerin dürfte in zurückliegender Zeit durch Bescheide nicht zu den Kosten der "Teileinrichtung Schlammbehandlung" herangezogen worden sein.

Es spricht wenig dafür, daß die an die Rechtsvorgänger der Klägerin gerichteten Beitragsbescheide vom 3.12.1974 die Veranlagung zu einem Klärbeitrag beinhalten, der auch die Kosten der Schlammbehandlung umfaßt. Hierbei kann der Senat offen lassen, ob dem Umstand, daß zum damaligen Zeitpunkt eine Schlammbehandlung nicht stattgefunden hat, rechtliche Bedeutung zukommen kann (vgl. hierzu insbesondere VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.3.1989 -- 2 S 43/87 --). Denn die Auslegung dieser Bescheide gemäß der im öffentlichen Recht entsprechend anzuwendenden Auslegungsregel des § 133 BGB (BVerwG, Urteil vom 12.1.1973, DÖV 1973, 533; Urteil des Senats vom 25.6.1984 -- 2 S 945/83 --) dürfte ergeben, daß Teilbeiträge für die Schlammbehandlung gerade nicht erhoben wurden oder mitumfaßt sein sollten. Die Bescheide vom 3.12.1974, in denen von "Baukosten der Kläranlage" die Rede ist, müssen auf dem Hintergrund der satzungsrechtlichen Bestimmungen ausgelegt werden. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthielt die maßgebliche Entwässerungssatzung der Antragsgegnerin vom 18.12.1972 in § 14 Abs. 2 die Regelung, daß sich der Entwässerungsbeitrag aus insgesamt fünf verschiedenen Teilbeiträgen zusammensetzt, demgemäß die von der Antragsgegnerin betriebene öffentliche Einrichtung der Abwasserbeseitigung aus den diesen Teilbeiträgen zuzuordnenden Teileinrichtungen besteht. Eine dieser Teileinrichtungen war die Schlammbehandlung, da § 14 Abs. 2 Nr. 5 der Satzung einen entsprechenden Teilbeitrag vorsah. Das Fehlen eines entsprechenden Teilbeitragssatzes steht der Verselbständigung der entsprechenden Teileinrichtung nicht entgegen, zumal zu dem damaligen Zeitpunkt eine Schlammbehandlung noch nicht durchgeführt worden ist. Die Bescheide vom 3.12.1974 enthalten die Heranziehung der Rechtsvorgänger der Antragstellerin "zu den Baukosten der Kläranlage" und weisen die in § 14 Abs. 2 Nr. 3 und 4 der Satzung bestimmten Teilbeitragssätze aus; die Bescheide dürften demnach allein eine Beitragsfestsetzung für das Klärwerk enthalten. Damit stellt sich zugleich die Festsetzung eines Teilbeitrags für die Schlammbehandlung in den angegriffenen Bescheiden nicht als "Nacherhebung" eines Beitrags dar, sondern als erstmalige (Teil-)Beitragserhebung.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin dürfte die Schlammbehandlung Teil der von der Antragsgegnerin als öffentliche Einrichtung betriebenen Abwasserbeseitigung sein und sich nicht als Abfallbeseitigung darstellen. Nach § 18 a WHG ist Abwasser so zu beseitigen, daß das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Abwasserbeseitigung im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes umfaßt das Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln von Abwasser, sowie das Entwässern von Klärschlämmen im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung (vgl. auch Henseler, Das Recht der Abwasserbeseitigung S. 21 ff.). Mag im Gegensatz zu den anderen in § 18 a WHG genannten Handlungen der Abwasserbeseitigung die Klärschlammentwässerung nicht der Vorbereitung der Einleitung von Abwasser dienen, sondern in einer anderweitigen Beseitigung des Schlammes ihr Ziel haben (vgl. Imhoff, Taschenbuch der Stadtentwässerung, 26. Aufl., S. 209), so ändert dies nicht ihre Zuordnung zur Abwasserbeseitigung. Als solche dürfte sie grundsätzlich beitragsfähig sein.

Der in § 24 der Abwassersatzung der Antragsgegnerin vom 8.9.1983 i.d.F. vom 8.2.1988 normierte Beitragsmaßstab der zulässigen Geschoßfläche dürfte nicht zu beanstanden sein. Für die Umlegung des beitragsfähigen Aufwands auf die Beitragspflichtigen ist ein Maßstab zu wählen, der in etwa den jeweiligen Vorteil ausdrückt. Der Vorteil der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage besteht vor allem darin, den anschließbaren und angeschlossenen Grundstücken die Bebaubarkeit zu vermitteln und diese auf Dauer zu gewährleisten (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.3.1989 -- 2 S 43/87 -- m.w.N.). Der Geschoßflächenmaßstab für die Bemessung des Abwasserbeseitigungsbeitrags ist allgemein anerkannt (vgl. Faiss, Kommentar zum KAG, § 10 Rdnr. 19 c mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Es spricht wenig dafür, daß das Vorteilsprinzip im Sinne des § 10 Abs. 3 S. 1 KAG in Verb. mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG es geböte, für die Bemessung des Teilbeitrags für die Schlammbeseitigung einen anderen oder modifizierten Maßstab zu wählen. Wie der Senat entschieden hat (vgl. Beschluß vom 13.11.1987 -- 2 S 1926/87 --), kann das Vorteilsprinzip in Verb. mit dem Gleichheitssatz es erfordern, die Eigentümer solcher Grundstücke, die in besonders abwasserintensiver Weise genutzt werden, mit höheren Entwässerungsbeiträgen zu belasten, wenn die ihretwegen erforderlich gewordene größere Dimensionierung und bessere Ausstattung der Kläranlage auch tatsächlich beitragsfähige Mehrkosten verursacht hat. Im vorliegenden Fall ist weder ersichtlich noch von der Antragstellerin dargetan, daß die Schlammbehandlung gerade wegen der Abwassereinleitung in quantitativer oder qualitativer Hinsicht von bestimmten Grundstücken besondere Kosten, nämlich Mehrkosten, erfordert hat.

Anhaltspunkte für die Ungültigkeit des in § 28 Nr. 4 der Abwassersatzung der Antragsgegnerin i.d.F. vom 8.2.1988 festgesetzten Teilbeitragssatzes für die Schlammbehandlung von 0,30 DM/qm Geschoßfläche bestehen auf Grund der im summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkten Sach- und Rechtsprüfung anhand der vorliegenden Unterlagen nicht. _