BGH, Urteil vom 29.01.2001 - II ZR 183/00
Fundstelle
openJur 2010, 3530
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 19. April 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem am 26. Juni 1995 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der O. GmbH. Sie wurde durch den Alleingesellschafter M. K. mit Gesellschaftsvertrag vom 15. November 1993 gegründet und am 27. Januar 1994 im Handelsregister eingetragen. Geschäftsführerin war Ma. van Te.. Das Stammkapital betrug 50.000,--DM; die Stammeinlage war in bar zu erbringen und sofort fällig. K. trat am 13. Juni 1994 einen Teilgeschäftsanteil von 22.500,--DM an Th. Ku. ab. Am 16. Dezember 1994 ließ sich der Beklagte diesen Anteil sowie einen weiteren Teilgeschäftsanteil K.s in Höhe von 3.000,--DM abtreten, wobei für die beiden Veräußerer eine Mitarbeiterin des beurkundenden Notars als Vertreterin ohne Vertretungsmacht handelte. Der Notar wurde in beiden Verträgen mit der Einholung der Genehmigungen der Veräußerer beauftragt und bat diese unter dem 16. Dezember 1994 um Genehmigungserklärungen, die dem Beklagten am 9. und 10. Januar 1995 zugingen.

Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten aus §§ 16 Abs. 3, 19 Abs. 1 GmbHG Zahlung der angeblich rückständigen Stammeinlagen auf die erworbenen Geschäftsanteile von 22.500,--DM und 3.000,--DM. Dem hält der Beklagte entgegen, K. habe die Einlageschuld durch Kontoüberweisungen vom 16. November bzw. 7. Dezember 1993 bereits erfüllt. Im übrigen seien die Anteilsübertragungen vom 16. Dezember 1994 unwirksam, weil dem Beklagten die Genehmigungen des vollmachtlosen Handelns der Mitarbeiterin des Notars durch K. und Ku. erst nach Ablauf der Frist des § 177 Abs. 2 Satz 2 BGB mitgeteilt worden sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr -bis auf einen Teil der Zinsforderung -stattgegeben. Mit seiner - zugelassenen -Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht (dessen Urteil in GmbHR 2000, 1099 veröffentlicht ist) meint, der Beklagte hafte für die nicht nachweislich geleisteten Stammeinlagen als bei der Gemeinschuldnerin angemeldeter Anteilserwerber gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG trotz Unwirksamkeit der von den Veräußerern gemäß § 177 Abs. 2 Satz 2 BGB verspätet genehmigten Anteilsübertragungen. Die Haftung des bei der Gesellschaft angemeldeten Scheinerwerbers für noch offene Sozialverpflichtungen im Fall eines zunächst schwebend und dann endgültig unwirksamen Anteilserwerbs sei allerdings aus BGHZ 84, 47 ff. nicht unmittelbar zu entnehmen; auch sei diese Entscheidung im Schrifttum umstritten (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 16 Rdn. 14 m.w.N.), weshalb die Revision zuzulassen sei.

II. Die angefochtene Entscheidung hält -unabhängig von der von dem Berufungsgericht zur Überprüfung gestellten Rechtsfrage - revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Revision rügt zu Recht, daß schon die Annahme des Berufungsgerichts, die Anteilsübertragungen auf den Beklagten seien der Gesellschaft gegenüber im Sinne von § 16 GmbHG angemeldet worden, durch die getroffenen Feststellungen nicht getragen wird.

1. Das Berufungsgericht stützt sich insoweit im wesentlichen auf ein Schreiben der Geschäftsführerin der Gemeinschuldnerin an den Beklagten vom 8. März 1995, in dem die Geschäftsführerin unter Bezugnahme auf "Ihre Gesellschafteranteile O. GmbH" die Abhaltung einer Gesellschafterversammlung anregt. Dieses Schreiben reicht jedoch für die Annahme einer Anmeldung des Anteilsübergangs nach Maßgabe des § 16 GmbHG nicht aus. Eine -für die Haftung gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG in jedem Fall erforderliche -Anmeldung setzt die Kundgabe des Anteilsübergangs durch einen Gestaltungsakt des Veräußerers oder des Erwerbers gegenüber der Geschäftsführung der Gesellschaft voraus; allein die Kenntnis der Geschäftsführung von der Übertragung genügt dafür nicht, weil der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Gesellschafterwechsels gegenüber der Gesellschaft durch dessen Anmeldung bei ihr zur Disposition der Parteien des Veräußerungsvertrages steht (Sen.Urt. v. 24. Juni 1996 -II ZR 56/95, NJW-RR 1996, 1377, 1378). Aus dem Schreiben vom 8. März 1995 geht aber lediglich die Kenntnis der Geschäftsführerin von der Gesellschafterstellung des Beklagten hervor. Es ist daraus nicht ersichtlich, auf welche Weise, wann und durch welche Personen sie von den Anteilsübertragungen erfahren hat.

Zwar kann eine Anmeldung i.S.v. § 16 GmbHG auch durch konkludentes Verhalten eines Anmeldungsberechtigten erfolgen (vgl. Sen.Urt. v. 15. April 1991 -II ZR 209/90, ZIP 1991, 724 f.); so etwa, wenn der Geschäftsführer den Erwerber mit dessen zum Ausdruck gekommenen Willen als Gesellschafter behandelt (vgl. Scholz/Westermann, GmbHG 9. Aufl. § 16 Rdn. 15 m.w.N.). Die bloße Bezeichnung des Beklagten als Gesellschafter im Schreiben vom 8. März 1995 ist aber dafür nicht ausreichend; denn das läßt noch keine Schlüsse darauf zu, ob auch der Beklagte sich gegenüber der Geschäftsführerin in entsprechender Weise verhalten hat. Behandelt und anerkennt die Gesellschaft den Erwerber als neuen Gesellschafter, so macht dies zwar den Nachweis, nicht aber die Anmeldung des Anteilsübergangs (§ 16 Abs. 1 GmbHG) entbehrlich (vgl. Sen.Urt. v. 15. April 1991 aaO zu 2).

2.

Soweit das Berufungsgericht zusätzlich darauf abstellt, daß der Veräußerer Ku. zur Zeit der Abtretung seines Geschäftsanteils an den Beklagten Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin gewesen und ihr deshalb durch ihn die Veräußerung seines Geschäftsanteils bekannt geworden sei, ist darin zum einen nicht ohne weiteres eine Anmeldung i.S.v. § 16 Abs. 1 GmbHG zu sehen (Sen.Urt. v. 15. April 1991 aaO zu 2 a). Zum anderen weist die Revisionserwiderung selbst darauf hin, daß Ku. nur zeitweise Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin und ausweislich des vorliegenden Handelsregisterauszugs noch vor der Anteilsübertragung von dieser Funktion abberufen worden war.

3.

Über die Feststellungen des Berufungsgerichts hinausgehenden, vorinstanzlichen Vortrag des Klägers zu der fraglichen Anmeldung der beiden Anteilsabtretungen zeigt die Revisionserwiderung nicht auf. Die Sache ist gleichwohl nicht zu Lasten des Klägers entscheidungsreif, weil die Parteien in den Vorinstanzen die Voraussetzungen einer Anmeldung i.S.v. § 16 Abs. 1 GmbHG -ebenso wie das Berufungsgericht -verkannt haben und dem Kläger daher durch die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht Gelegenheit gegeben werden muß, dazu ergänzend vorzutragen (vgl. § 278 Abs. 3 ZPO).

Ganz oder zum Teil abweisungsreif ist die Klage auch nicht im Hinblick auf die vom Beklagten behauptete Erfüllung der Einlageschuld durch den Gesellschafter K., weil diese nach den bisherigen Feststellungen nicht bewiesen ist (vgl. unten III 2).

III. Für die weitere Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:

1. Auf die nach Ansicht des Berufungsgerichts entscheidungsbedürftige Rechtsfrage der Anmeldungswirkung bei unwirksamer Anteilsübertragung (vgl.

oben I) kommt es im vorliegenden Fall auch dann nicht an, wenn dem Kläger der Nachweis einer Anmeldung gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG gelingen sollte. Die beiden Anteilsübertragungen auf den Beklagten vom 16. Dezember 1994 sind gemäß § 177 Abs. 1 BGB durch den Zugang der Genehmigungserklärungen K.s und Ku.s beim Beklagten Anfang Januar 1995 wirksam geworden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts (das sich insoweit auf OLG Köln, NJW 1995, 1499 stützt) können die Schreiben des Notars vom 16. Dezember 1994, mit denen er K. und Ku. um Genehmigung der Verträge bat, nicht als Aufforderungen des Beklagten zur Erklärung über die Genehmigung im Sinne des § 177 Abs. 2 BGB verstanden werden. Der Notar handelt im Rahmen einer übernommenen Vollzugstätigkeit im Verhältnis zu den Vertragsparteien grundsätzlich als Amtsperson. Er ist nicht Bevollmächtigter oder Treuhänder einer Partei (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO; BGH, Urt. v. 21. Dezember 1959 -III ZR 180/58, LM Nr. 14 zu § 21 RNotO). Er wird deshalb regelmäßig bei Abgabe und Entgegennahme materiellrechtlicher Erklärungen nicht als Vertreter von Urkundsbeteiligten mit gegenläufigen Interessen tätig (vgl. OLG Naumburg, MittRhNotK 1994, 315 m. Nichtannahme-Beschl. d. BGH v. 27. Oktober 1994 -V ZR 264/93). Daß der Notar im vorliegenden Fall abweichend von diesem Grundsatz nicht eine eigene Handlung im Rahmen des Vertragsvollzugs vornehmen, sondern eine rechtsgeschäftliche Erklärung der einen Vertragspartei (Beklagter) im Verhältnis zur anderen (K. bzw. Ku.) abgeben wollte, kann den beiden Schreiben vom 16. Dezember 1994 nicht entnommen werden. In dem Schreiben an Ku. heißt es lediglich, dieser werde um Hereingabe der Genehmigung gebeten. Im Schreiben an K. wird die Bitte zum Ausdruck gebracht, "wie mit Herrn C. (Beklagter) besprochen zu verfahren". Daraus konnten die Empfänger nicht auf ein Handeln des Notars in fremden Namen und gar auf eine Aufforderung des Beklagten zur Erklärung über die Genehmigung gemäß § 177 Abs. 2 BGB schließen (vgl. OLG Naumburg aaO).

2. Zur Frage der Erfüllung der Einlageschuld durch den Gesellschafter K. gilt folgendes:

a) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht in dem am 16. November 1993 erfolgten Eingang von 54.285,75 DM auf einem als Geschäftskonto der Vorgesellschaft benutzten Bankkonto auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes zutreffend keine Erfüllung der Einlageschuld gesehen. Abgesehen davon, daß das Bankkonto nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts noch auf "O. T. Inh. M. K." lautete und erst Anfang Januar 1994 auf die Gemeinschuldnerin "umgeschrieben" wurde, geht aus dem von der Revision in Bezug genommenen Parteivortrag nicht hervor, ob es sich bei der Überweisung um eine Leistung des Gesellschafters K. oder eines Dritten gehandelt hat und ob mit ihr die Einlageschuld oder eine andere Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft erfüllt werden sollte. Eine Leistung auf die Einlageschuld würde (auch im Fall des § 267 BGB) eine für den Geschäftsführer erkennbare Zuordnung zu ihr voraussetzen (vgl. Sen.Urt. v. 22. Juni 1992 -II ZR 30/91, ZIP 1992, 1303, 1305). Gegen einen entsprechenden Zusammenhang mit der Einlageschuld spricht hier neben dem von ihr abweichenden Überweisungsbetrag insbesondere der Umstand, daß K. selbst drei Wochen später 30.000,--DM mit der ausdrücklichen Zweckbestimmung "Einzahlung Stammkapital" auf das Konto überwiesen hat, also von einem Fortbestand seiner Einlagepflicht zumindest noch in dieser Höhe ausgegangen ist.

b) Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht weiter davon aus, daß K. auch mit der am 7. Dezember 1993 vorgenommenen "Einzahlung Stammkapital" in Höhe von 30.000,--DM auf das Bankkonto, dessen Inhaber er war, seine Einlageschuld noch nicht (teilweise) erfüllt hat. Das gilt unabhängig davon, daß das Konto auch als Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin fungierte und ihre Geschäftsführerin -neben K. -darüber verfügen konnte. Denn als Kontoinhaber war K. weiterhin verfügungsberechtigt und daher in der Lage, die 30.000,--DM ohne Mitwirkung der Geschäftsführerin jederzeit wieder abzuziehen. Das Kontoguthaben stand sonach noch nicht endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführung, wie es für die Erfüllung der Einlageschuld erforderlich wäre.

c) Entgegen der Ansicht der Revision kann in der Anfang Januar 1994 erfolgten "Umschreibung" des Kontos auf die Gemeinschuldnerin nicht ohne weiteres eine Einlageleistung in Höhe des damaligen Guthabens von 30.507,38 DM gesehen werden. Denn dem Kontostand ist nicht zu entnehmen, ob und inwieweit K. die auf das Konto eingezahlten 30.000,--DM dort belassen oder sie zu eigenen Zwecken wieder abgezogen hat. Der bei der Übertragung des Kontos verbliebene Saldo kann auch auf Zuflüssen aus der Geschäftstätigkeit der Vorgesellschaft beruhen. Ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Kontoauszüge wurden in der Zeit zwischen dem 7. und 30. Dezember 1993 zahlreiche Zu- und Abflüsse auf dem faktisch gemeinsamen Konto verbucht.

Soweit das Berufungsgericht meint, K. habe zusammen mit dem Konto auch sein bisheriges Einzelunternehmen auf die Gemeinschuldnerin übertragen und ihr damit insgesamt eine Sacheinlage anstelle der geschuldeten Bareinlage erbracht (wie im Falle des Sen.Urt. v. 22. Juni 1992 aaO zu I), läge das dann nahe, wenn die Vorgesellschaft das frühere Einzelunternehmen gegen Entgelt oder auch dessen Verbindlichkeiten zu übernehmen hatte (vgl. BGHZ 132, 133, 139). Feststellungen dazu fehlen.

d) Scheidet eine verdeckte Sacheinlage aus, so wäre eine (teilweise) Tilgung der Bareinlageschuld allerdings anzunehmen, wenn und soweit über das (30.000,--DM übersteigende) Kontoguthaben nach Einzahlung der -als Bareinlage bestimmten -30.000,--DM tatsächlich nicht mehr K., sondern die Geschäftsführerin verfügt und es zur Begleichung von (originären) Gesellschaftsverbindlichkeiten eingesetzt hat. Das ist aber dem bisherigen Vortrag des für die Erfüllung der Einlageschuld beweispflichtigen Beklagten nicht zu entnehmen. Erforderlichenfalls wird das Berufungsgericht den Parteien insoweit Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben. Eine etwaige Vorbelastungshaftung des Beklagten (nach den Grundsätzen in BGHZ 80, 129, 134, 333) im Fall einer Unterbilanz der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt ihrer Eintragung in das Handelsregister, bliebe davon unberührt.