BGH, Urteil vom 10.05.2001 - VII ZR 356/00
Fundstelle
openJur 2010, 3528
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. August 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht der A. GmbH Werklohnansprüche aus verschiedenen Bauaufträgen der Beklagten geltend.

Die A. GmbH erstellte im Herbst 1997 die Schlußrechnungen über die Bauvorhaben und verlangte noch 424.404,27 DM. Die Klägerin informierte die Beklagte am 5. November 1997 über die Abtretung der Forderungen unter Hinweis darauf, daß deshalb mit schuldbefreiender Wirkung nur an sie gezahlt werden könne. Mit Schreiben vom 19. Januar 1998 teilte die Beklagte mit, daß die Restverbindlichkeit nach dem Ergebnis ihrer Rechnungsprüfung nach Abzug der vertraglichen Sicherheitseinbehalte lediglich 146.954,41 DM betrage. Sie wies darauf hin, daß die V. GmbH aus einem verlängerten Eigentumsvorbehalt ebenfalls Ansprüche auf Zahlung geltend gemacht habe. Gleichzeitig forderte sie die Klägerin auf, ihr durch übereinstimmende Erklärung aller Anspruchsteller aufzugeben, wie die von ihr errechnete Restverbindlichkeit zu verteilen sei. Sie werde sonst den Betrag von 146.954,41 DM hinterlegen. Die A. GmbH legte am 24. Januar neue Schlußrechnungen vor, die unter Berücksichtigung des vorab abgezogenen Sicherheitseinbehalts noch eine Forderung von 327.817,78 DM ergaben und forderte die Beklagte zur Zahlung an die Klägerin auf.

Die V. GmbH teilte am 29. Januar 1998 im Einverständnis mit der Klägerin mit, daß an sie noch 63.504,01 DM zu zahlen seien und die darüber hinausgehenden Beträge mit schuldbefreiender Wirkung an die Klägerin gezahlt werden könnten. Die Beklagte erbat daraufhin eine Stellungnahme der Klägerin, daß sie mit einer Verteilung der Restverbindlichkeit von 63.504,01 DM an die V. GmbH und 83.450,40 DM an sie einverstanden sei und die Auszahlung mit schuldbefreiender Wirkung an die Beteiligten erfolge. Die Klägerin erklärte sich mit der quotalen Aufteilung der Schuld zur Vermeidung des Hinterlegungsverfahrens einverstanden. Mit Schreiben vom 2. Februar 1998 erwiderte die Beklagte, sie verstehe das Schreiben der Klägerin so, daß nunmehr die Zahlung in der von der Beklagten vorgeschlagenen Weise erfolgen und mit schuldbefreiender Wirkung gezahlt werden könne. Sollte die Beklagte von der Klägerin nichts anderes hören, ginge sie von deren Einverständnis und der daraus resultierenden Schuldbefreiung für ihre Gesellschaft aus. Die Klägerin reagierte nicht. Die Zahlungen erfolgten.

Mit der Klage verlangt die Klägerin noch 165.248,57 DM Vergütung für die Leistungen der A. GmbH. Sie legt ihrer Berechnung die Schlußrechnungen vom 24. Januar 1998 zugrunde und hat die sich aus dem verlängerten Eigentumsvorbehalt der V. GmbH ergebenden Forderungen in Höhe von 79.082,81 DM, die Zahlung von 83.450,40 DM sowie Sicherheitseinbehalte von 40.510,99 DM von vornherein abgezogen. Letztere macht sie gesondert zur Zahlung Zug um Zug gegen Stellung einer Bankbürgschaft geltend.

Die Beklagte hat sich unter anderem auf den Standpunkt gestellt, mit der Zahlung von 83.450,40 DM an die Klägerin und 63.504,01 DM an die V. GmbH seien sämtliche Ansprüche aus den Bauvorhaben erledigt. Das Landgericht ist dem gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin die Zahlungsansprüche weiter.

Gründe

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht meint, die Parteien hätten auf der Grundlage des Schriftwechsels Ende Januar/Anfang Februar 1998 eine Vereinbarung getroffen, nach deren Inhalt der Streit über weitere Forderungen mit der Zahlung der Beklagten über insgesamt 146.954,41 DM erledigt gewesen sei. Die Beklagte habe in ihren Schreiben deutlich gemacht, daß die Zahlung an die Klägerin, wie auch an die andere Gläubigerin, mit schuldbefreiender Wirkung habe erfolgen sollen. Das sei nicht anders zu verstehen gewesen, als daß dadurch auf die Beklagte keine weiteren Forderungen zukommen sollten. Unerheblich sei, daß die A. GmbH noch am 24. Januar 1998 auf Bezahlung der neuen Rechnungen bestanden habe. Die A. GmbH sei dazu nicht autorisiert gewesen, da sie infolge der Abtretung nicht Forderungsinhaberin gewesen sei. Wenn die Klägerin eine Schuldbefreiung nicht gewollt haben sollte, hätte sie spätestens auf das Schreiben vom 2. Februar 1998 reagieren müssen.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Rechtsirrig nimmt das Berufungsgericht eine Einigung der Parteien darüber an, daß die Klägerin keine Ansprüche aus den abgetretenen Forderungen mehr hat. Das Berufungsgericht hat Prozeßstoff übergangen und gegen das Gebot einer interessengerechten Auslegung verstoßen. Die Auffassung, die Beklagte habe durch ihre verschiedenen Schreiben deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es ihr um eine endgültige Erledigung der Forderungen gehe, wird durch diese Schreiben und die ihnen zugrunde liegenden Umstände nicht belegt.

1. Die Beklagte hat in den Schreiben vom 19. Januar 1998 bis zum 2. Februar 1998 nicht zum Ausdruck gebracht, daß mit der Zahlung der von ihr errechneten Restverbindlichkeit von 146.954,41 DM mögliche weitere Forderungen der Klägerin ausgeschlossen sein sollten. Ein derartiger Ausschluß ist in den Schreiben nicht erwähnt. Aus dem mehrfachen Hinweis auf die erwünschte Schuldbefreiung ergibt er sich bei interessengerechter, alle Umstände berücksichtigenden Auslegung nicht.

a) Das Berufungsgericht berücksichtigt nicht das Schreiben der Klägerin vom 5. November 1997. Darin teilt diese mit, daß mit schuldbefreiender Wirkung nur an sie gezahlt werden könne. Die Beklagte hat auf dieses Schreiben am 19. Januar 1998 geantwortet. Mit der Bezugnahme auf das Schreiben vom 5. November 1997, dem Hinweis auf die angemeldete Forderung der V. GmbH und der Ankündigung der Hinterlegung wird deutlich, daß der Beklagten allein daran gelegen war, Sicherheit in einem möglichen Prätendentenstreit zu erhalten. So ist das Schreiben offenbar auch von den Forderungsinhabern verstanden worden. Eine Erklärung dahin, daß sie auf weitere Forderungen verzichten wollten, enthalten die Schreiben der Prätendenten nicht. Sie haben lediglich den von der Beklagten zugestandenen Betrag aufgeteilt.

b) Auch die Schreiben der Beklagten vom 29. Januar 1998 und 2. Februar 1998 geben nicht zu erkennen, daß diese unter der mehrfach erwähnten Schuldbefreiung die Aufforderung der Klägerin zu einem Verzicht auf etwaige weitergehende Ansprüche verstanden haben wollte.

Die Auslegung des Berufungsgerichts führt dazu, daß die Klägerin auf Forderungen in erheblicher Höhe verzichtet hätte. Gegen dieses Verständnis spricht schon, daß die Beklagte keinen nachvollziehbaren Grund dargelegt hat, warum die Klägerin auf ihre restliche Forderung verzichten sollte. Eine Gegenleistung hat sie nicht angeboten. Sie besteht nicht in dem Verzicht der Beklagten auf Hinterlegung. Eine Verhandlung über die Mehrforderungen, wie sie sich aus den Rechnungen der A. GmbH vom 24. Januar 1998 ergaben, hat nicht stattgefunden. Gegen die Bereitschaft der Klägerin zu einem Verzicht spricht, daß die A. GmbH noch mit Schreiben vom 24. Januar 1998 die Rechnungskürzungen der Beklagten nur zum Teil anerkannt hatte und zu einer weitaus höheren Restforderung gekommen war. Unabhängig davon, ob die A. GmbH noch Forderungsinhaberin war, war für die Beklagte erkennbar, daß auch die Klägerin diese Forderung unterstützte. Denn diese war als Sicherungszessionarin verpflichtet, die Interessen der A. GmbH zu wahren. Das betrifft insbesondere den vom Berufungsgericht ebenfalls bejahten Verzicht auf die Auszahlung des Sicherheitseinbehalts. Über diesen bestand kein Streit. In der von der Beklagten errechneten Summe von 146.954,41 DM war er nicht enthalten. Die Beklagte hat keine Gründe dargelegt, warum die Klägerin bereit gewesen sein sollte, zu Lasten ihrer Zedentin auf eine Forderung zu verzichten, die zwischen den Parteien unstreitig, jedoch nur deshalb noch nicht fällig war, weil die Gewährleistungsfristen noch nicht abgelaufen waren.

2. Ein Verzicht kann auch dann nicht angenommen werden, wenn die unter Beweis gestellte Behauptung der Beklagten zutreffen sollte, ihr Mitarbeiter F. habe dem Mitarbeiter W. der Klägerin auf dessen Nachfrage erklärt, die Beklagte wolle sicher gehen, daß die Angelegenheit mit der Zahlung der im Schriftverkehr erwähnten Teilbeträge endgültig geklärt sei. Diese Erklärung verdeutlicht ebenfalls nicht mit der nach Treu und Glauben gebotenen Klarheit, daß die Beklagte von der Klägerin erwartete, auf einen Großteil ihrer Forderung zu verzichten. Der Zeuge W. durfte die Erklärung so verstehen, daß sich die endgültige Klärung der Angelegenheit auf die bis dahin ungewisse Forderungszuständigkeit der Prätendenten bezog.

III.