VG Köln, Urteil vom 23.04.2009 - 26 K 5879/08
Fundstelle
openJur 2013, 6597
  • Rkr:
Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben bzw. der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Kostenbeitragsbescheid des Beklagten, soweit dieser den Wechsel der Steuerklasse nicht berücksichtigte. Bis zur mündlichen Verhandlung hat er sich auch dagegen gewandt, dass der Beklagte für einen Teil der Aufenthalte des Adoptivsohnes C. und zwar zweitägige Wochenendaufenthalte in seinem Haushalt keine Minderung des Kostenbeitrags vornimmt.

In diesem klägerischen Haushalt in einer 1975 fertiggestellten Immobilie mit mindestens 200 qm Wohnfläche (davon 20 qm Steuerberaterbüro der Ehefrau des Klägers) lebt neben dem Kläger und seiner Ehefrau S. das 2002 geborene Pflegekind D. , für das die Stadt Düsseldorf Pflegegeld zahlt.

Der 1993 geborene, im Alter von zweieinhalb Jahren nach einem halbjährigen Aufenthalt in einem Kinderheim adoptierte Sohn des bei I. H. tätigen Klägers, der von Oktober bis Dezember 2006 die Förderschule K.---straße in Q. und von Januar bis Juni 2007 die I1. -Privatschule in C1. besuchte, erhält aufgrund des Antrags des Klägers und seiner Frau ab dem 22. Dezember 2007 Eingliederungshilfe nach § 35 a Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - (SGB VIII) zunächst durch Óbernahme der Kosten einer Integrationshelferin. Angestrebt wurde seinerzeit bereits die vollstationäre Unterbringung. In dem Bewilligungsbescheid vom 22. Januar 2008 wies der Beklagte bereits darauf hin, dass ab dem Beginn der Hilfe in stationärer Form gemäß §§ 91 ff SGB VIII die Fähigkeit der Eltern C.s geprüft werde, einen Kostenbeitrag zu den Maßnahmekosten zu leisten.

Am 26. Januar 2008 wurde C. im Intensivangebot I in der Jugendhilfeeinrichtung der Jugend- und Behindertenhilfe N. in S1. untergebracht. Der Tagessatz der Einrichtung beträgt 204,50 EUR. Die monatlichen Kosten belaufen sich auf etwa 6.500,00 EUR.

Mit Bescheid vom 29. Februar 2008 bewilligte der Beklagte C. ab 26. Januar 2008 Eingliederungshilfe in Form der Óbernahme der Kosten der Unterbringung in der Einrichtung N. unter Einschluss von dessen Lebensunterhalt. Er beanspruchte gemäß § 93 Abs. 5 SGB VIII das Kindergeld und forderte den Kläger und seine Ehefrau auf, wegen der Prüfung des Kostenbeitrags die Einkommensverhältnisse darzulegen und nachzuweisen.

Die Nachweise gingen im April ein (Bl. 20 ff. der Beiakte). Ausweislich des Steuerbescheides vom 12. September 2007 für 2005 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer erzielten der Kläger und seine Ehefrau (letztere auch aus Vermietung und Verpachtung) ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 51.053,00 EUR. Sie hatten im Laufe des Jahres 17,13 EUR Steuern zu viel gezahlt, die aufgrund des Bescheides zur Erstattung angewiesen wurden. Ausweislich des Bescheides für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen erzielte die Ehefrau des Klägers (wohl zusammen mit einer Schwester) 2006 erneut Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und zwar in Höhe von 9.205,00 EUR jährlich. Ferner erzielte die Klägerin aus der Vermietung und Verpachtung einer weiteren Immobilie ein Jahreseinkommen von 1.409,19 EUR. Nach der vorgelegten Gewinnermittlung für 2007 verwirklichte die Ehefrau des Klägers wegen des Abzugs von Kosten, u.a. von deutlich über 5.447,62 EUR Raumkosten, 2.209,28 EUR Fahrzeugkosten und 2.360,79 EUR sonstigen betrieblichen Aufwendungen, mit ihrer geringfügig betriebenen selbständigen Tätigkeit einen Verlust von 916,06 EUR.

Der Kläger legte einen Nachweis für den Aufenthalt C.s in ihrem Haushalt vor und zwar bezogen auf die Zeit vom 21. März bis 24. März 2008.

Mit dem angegriffenen Leistungsbescheid vom 16. April 2008 setzte der Beklagte den von dem Kläger zu leistenden Kostenbeitrag ab dem 26. Januar 2008 auf monatlich 635,00 EUR fest. Den Rückstand bezifferte er auf 1.945,96 EUR, hinsichtlich dessen er eine Ratenzahlung anbot. Bei der Berechnung legte er nicht für jeden Monat von Januar bis April 2008 das erzielte tatsächliche Nettoeinkommen zugrunde (also z.B. für Januar 2008 3.105,82 EUR), sondern das Durchschnittseinkommen aus den Werten von März 2007 bis Februar 2008, das er mit 3.067,04 EUR ermittelte. Auf Bl. 58 ff. der Beiakte wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Der Ehefrau des Klägers teilte der Beklagte mit, dass sie aus ihrem ermittelten Einkommen von 512,98 EUR monatlich nicht zu einem Kostenbeitrag herangezogen werde.

Ab Mai 2008 zahlte der Kläger monatlich 885,00 EUR laufenden Kostenbeitrag und Anteil des rückständigen Kostenbeitrags.

Unter dem 13. Mai 2008 machte der Kläger mit seiner Frau geltend, dass die monatlichen Aufwendungen für ihre Immobilie von 1.009,16 EUR nicht abgezogen worden seien. Die Kosten abzüglich eines angemessenen Wohnwerts müssten berücksichtigt werden. Zudem müsse seine Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau berücksichtigt werden.

Der Beklagte ermittelte ausgehend von einer angenommenen Wohnfläche des Hauses von 190 qm bei einem Quadratmeterpreis von 6,00 EUR einen Wohnwert von 1.140,00 EUR monatlich und führte unter dem 15. Mai 2008 aus, im Hinblick auf diesen Wohnwert könne eine Berücksichtigung der Hauslasten ausgeschlossen werden. Die 25 %-Pauschale werde durch die nachgewiesenen Belastungen auch nicht überschritten. Infolge der Unterhaltsrechtsreform vom 1. Januar 2008 sei die Ehefrau zudem nicht mehr im gleichen Rang wie minderjährige Kinder unterhaltsberechtigt.

Am 1. Juli 2008 legte der Kläger die Gehaltsabrechnung für Juni 2008 vor, die nun bei einem Bruttoeinkommen von 4.704,28 EUR nur noch ein Nettoeinkommen von 1.918,72 EUR aufwies, da der Kläger in die Lohnsteuerklasse 5 gewechselt war, obwohl seine Ehefrau - wie oben dargestellt - so gut wie kein Erwerbseinkommen erzielte. Die Steuerlast erhöhte sich also gegenüber der bisherigen Steuerklasse 3 um insgesamt 1.115,12 EUR monatlich von 813,34 EUR auf 1.928,46 EUR. Ferner legte der Kläger Bescheinigungen über Aufenthalte C.s in seinem Haushalt vom 4. bis 6. April, 18. bis 20. April, 2. bis 4. Mai, 16. bis 18. Mai und 30. Mai bis 1. Juni 2008 vor.

Unter dem 3. Juli 2008 wies der Beklagte darauf hin, dass der Wechsel der Steuerklasse von 3 auf 5, da die Ehefrau nur über ein geringes Einkommen verfüge, so dass erhebliche Steuererstattungen fällig würden, nicht anerkannt werden könne. Der Kläger sei verpflichtet, seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht ohne Grund zu reduzieren.

Die nachgewiesenen Zeiträume, die der Sohn des Klägers in dessen Haushalt verbracht habe, stellten normale 14-tägige Umgangskontakte im Sinne der §§ 1684 und 1685 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar.

Der Kläger und seine Frau führten unter dem 21. Juli 2008 u.a. aus, zwar würden die Heimkosten ihres Sohnes von der Allgemeinheit getragen, sie gehörten aber auch zur Allgemeinheit und würden somit doppelt herangezogen. Dadurch, dass sie ihren Adoptivsohn bis zur vollstationären Aufnahme in ihrem Haushalt gehabt hätten, hätten sie der Allgemeinheit zwölf Jahre lang die Kosten für ein Heimkind erspart. Ebenso würden durch die Besuchskontakte ihres Sohnes bei ihnen der Allgemeinheit Kosten erspart. Wegen dessen Behinderung kämen bei dessen Aufenthalt in ihrem Haushalt erhebliche Aufgaben auf sie zu.

Mit Bescheid vom 5. August 2008 lehnte der Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung seiner bisherigen Ausführungen eine Abänderung des Bescheides vom 1. Juli 2008 ab. U.a. führte er aus, der Kläger werde als abhängig Beschäftigter nicht zu Einkommensteuervorauszahlungen herangezogen. Die selbständig tätige Ehefrau werde aus ihrem Einkommen wegen dessen Höhe nicht zu einem Kostenbeitrag herangezogen. Für die Betreuung des eigenen Kindes werde keine Aufwandsentschädigung gewährt.

Unter dem 16. Januar 2009 teilte der Beklagte mit, wegen nachträglich anerkannter Besuchsaufenthalte (Besuchskontakte vom 21. März bis 24. März 2008, 1. bis 4. Mai 2008, 20. bis 21. Juni 2008, 27. Juni bis 13. Juli 2008, 25. Juli bis 3. August 2008, 15. August bis 17. August 2008 sowie 29. August bis 30. August 2008) ergebe sich für März bis August 2008 eine Reduzierung des Kostenbeitrags um insgesamt 719,67 EUR (Kostenbeitrag März und Mai 2008 553,06 EUR, Juni 2008 550,33 EUR, Juli 2008 225,32 EUR und August 2008 573,55 EUR). Auf Bl. 30 - 32, 46 f der Gerichtsakte wird Bezug genommen.

Der Kläger hat bereits am 5. September 2008 Klage erhoben. Mit Beschluss vom 19. November 2008 hat die Kammer den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit teilweise - im Umfang der Reduzierungen vom 16. Januar und 5. Februar 2009 - in der Hauptsache für erledigt erklärt. Hinsichtlich der weiteren zweitägigen Wochenendaufenthalte des Sohnes im elterlichen Haushalt hat der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Zur Begründung der Klage wiederholt und vertieft er seine bisherigen Ausführungen zur Anerkennung des verminderten Einkommens wegen des Steuerklassenwechsels.

Gemäß § 93 Abs. 2 Ziffer 1 SGB VIII seien von dem Einkommen die auf das Einkommen tatsächlich gezahlten Steuern abzusetzen. Die Änderung der Steuerklasse sei mit Wirkung zum 1. Juni 2008 zu berücksichtigen. Es gebe nachvollziehbare Gründe für den Steuerklassenwechsel und zwar die Senkung der Einkommensteuervorauszahlung von vierteljährlich 448,00 EUR, die ihn und seine Ehefrau betreffe. Er trage zu ihrem Familieneinkommen grob geschätzt mindestens 80 % bei. Er habe die unzutreffende Tieflage der Steuerlast durch den Wechsel beseitigt. Ferner gehe es um die Möglichkeit für seine Ehefrau, durch die eventuelle Aufnahme einer (weiteren) Berufstätigkeit den vom Beklagten auferlegten Verpflichtungen nachzukommen.

Die von der Einzelrichterin zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Steuerklassenwechsel betreffe das Unterhaltsrecht, nicht das Kostenbeitragsrecht. Soweit die Rechtsprechung anwendbar sei, müsse aber ein fiktiver Ausgleich erfolgen und zwar durch Berücksichtigung der Steuerklasse 4 oder Absetzung der Steuervorauszahlung, die er und seine Ehefrau leisten mussten.

Nach § 94 Abs. 4 SGB VIII seien die tatsächlichen Betreuungsleistungen über Tag und Nacht auf den Kostenbeitrag anzurechnen. Die Betreuungsintensität bei Wochenendheimfahrten überschreite in jedem Fall Umgangskontakte nach § 1684 BGB. Die Berücksichtigungspraxis anderer Jugendämter sei bekannt. Wegen des durch die Behinderung ausgelösten Betreuungsaufwandes verweise er auf Fachliteratur wie die Bücher von Dr. Bettina Bonus "Mit den Augen eines Kindes sehen lernen, Band 1, zur Entstehung einer Frühtraumatisierung bei Pflege- und Adoptivkindern und Band 2 zur Anstrengungsverweigerung. Der Inhalt des Gutachtens der Landesklinik Tiefenbrunn habe auf jeden Fall zur Kenntnis genommen werden müssen.

Sie hätten vor der Unterbringung des Adoptivsohnes alles Erdenkliche getan, um dessen Beeinträchtigungen gerecht zu werden.

Der Kläger hat die Gehaltsabrechnung für den Monat Februar 2008 mit einem Bruttoeinkommen von 4.704,28 EUR und einem Nettoeinkommen von 3.013,45 EUR vorgelegt. Ferner hat er den an den Kläger und seine Ehefrau gerichteten Vorauszahlungsbescheid über die Vorauszahlung von Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer 2008 vorgelegt, demzufolge am 10. März und 10. Juni 397,00 EUR, also monatlich rund 132,33 EUR vorauszuzahlen und danach keine Vorauszahlung mehr zu leisten waren. Weitere Steuerbescheide über Einkommenssteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ab dem Jahr 2006 hat der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung - zuerst in der Eingangsverfügung vom 8. September 2008 - bis heute nicht vorgelegt und vorgetragen, für 2007 und 2008 noch keine derartigen Steuerbescheide erhalten zu haben.

Der Kläger beantragt noch,

den Bescheid des Beklagten vom 16. April 2008 in der Gestalt des Bescheides vom 5. August 2008 und der Änderungen vom 16. Januar sowie 5. Februar 2009 aufzuheben, soweit er von Juni 2008 bis 31. Januar 2009 den Steuerklassenwechsel in der Berechnung des Kostenbeitrags nicht berücksichtigt hat.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, der Steuerklassenwechsel lasse den Steueranspruch des Staates als solchen unberührt und er sei daher kostenbeitragsrechtlich nicht relevant. Dadurch würden nur die vorläufig erhobenen monatlichen Steuerbeträge verändert. Der Ausgleich finde durch den jährlichen Einkommensteuerbescheid statt.

Die Ehefrau des Klägers werde mangels Leistungsfähigkeit gerade nicht zu einem Kostenbeitrag zu der Hilfe für ihren Adoptivsohn herangezogen. Sie müsse also keiner finanziellen Verpflichtung nachkommen.

Im Óbrigen verstoße der Kläger gegen den im Sozialrecht geltenden Grundsatz, dass der Leistungsempfänger sich leistungsfähig halten müsse. Er habe zunächst eigene in seiner Kraft stehende Anstrengungen zu unternehmen, bevor er die jeweilige Hilfe erhalte. Der Beklagte müsse mangels nachvollziehbarer klägerischer Erklärung davon ausgehen, dass dieser den Steuerklassenwechsel vorsätzlich nur zur Reduzierung des Kostenbeitrags vorgenommen habe. Er verstoße damit gegen den in § 93 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII explizit geregelten, aber auch allen anderen Tatbeständen des § 93 SGB VIII zugrunde liegenden Grundsatz der wirtschaftlichen Lebensführung. Auch beim Mutterschaftsgeld werde vom Bundesarbeitsgericht die Wahl einer wirtschaftlich unsinnigen Steuerklasse als rechtsmissbräuchlich angesehen. Es sei keine Sinnhaftigkeit darin zu erkennen, wenn der Kläger durch den Steuerklassenwechsel sein Einkommen in Höhe von monatlich 900,00 EUR reduziere, um einer Steuervorauszahlung von monatlich 149,00 EUR (448,00 EUR im Quartal) zu entgehen. Weiterhin habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass er als abhängig Beschäftigter in Person die Verpflichtung habe, die Steuervorauszahlung zu leisten. Vielmehr treffe die Vorauszahlungspflicht unmittelbar seine selbständig tätige Ehefrau und den Kläger allenfalls mittelbar.

Auch eine fiktive Einstufung in Steuerklasse 4 stelle eine bewusste Einkommensreduzierung zum Zwecke der Reduzierung des Kostenbeitrags dar. Müsste der Kläger allein für den Unterhalt seines Sohnes sorgen, würde er wohl schwerlich derartige Óberlegungen des Steuerklassenwechsels anstellen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger Einkommensverhältnisse beklage, die er selbst herbeigeführt habe.

Die noch nicht anerkannten Wochenendaufenthalte überschritten bloße Umgangskontakte nicht, so dass die Voraussetzungen für eine Anrechnung von weiteren Betreuungskosten nach § 94 Abs. 4 SGB VIII nicht vorlägen. Es sei darauf zu verweisen, dass die Einrichtung auch an den Tagen, an denen das Kind sich bei dem Kläger aufhalte, den gleichen Tagessatz verlange wie an Anwesenheitstagen. Der Jugendhilfeträger profitiere also nicht davon, wenn das Kind sich bei den Eltern aufhalte.

Am 16. Januar 2009 hat der Beklagte - wie schon dargestellt - bezüglich umfangreicherer nachgewiesener Besuchsaufenthalte den geforderten Kostenbeitrag für mehrere Monate insgesamt um 719,67 EUR reduziert. Auf Bl. 46f. der Gerichtsakte wird Bezug genommen.

Am 10. Februar 2009 hat der Beklagte zudem vorgetragen, dass der Kostenbeitrag künftig zunächst vorläufig festgesetzt werde. Bis Februar 2009 sei das Kostenbeitragskonto des Klägers ausgeglichen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben bzw. der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zum Teil in analoger Anwendung.

Die Klage, über die gemäß § 6 Abs. 1 VwGO die Einzelrichterin entscheidet, ist im Óbrigen zulässig, jedoch nicht begründet.

Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 5. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2008 und der Änderungen vom 16. Januar und 5. Februar 2009 ist rechtmäßig, der Kläger wird durch die fehlende Berücksichtigung des Steuerklassenwechsels von Steuerklasse 3 zu Steuerklasse 5 nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Bescheid beruht auf den §§ 91 ff SGB VIII in Verbindung mit den Regelungen der Kostenbeitragsverordnung (KostenbeitragsV). Gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 SGB VIII werden Elternteile aus ihrem Einkommen zu den Kosten der in § 91 Abs. 1 genannten Leistungen, also auch zur vollstationären Eingliederungshilfe nach § 91 Abs. 1 Nr. 6 SGB VIII, durch Erhebung eines Kostenbeitrags herangezogen. Gemäß §§ 93 Abs. 1 i.V.m. 2 SGB VIII gehören zu diesem Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert, bei nichtselbständig Beschäftigten u.a. in Form des Bruttoeinkommens.

Das Bruttoeinkommen des Klägers betrug ausweislich der vorgelegten Einkommensbescheinigungen im Februar und Juni 2008 jeweils 4.704,28 EUR, in den Monaten der Urlaubsgeldzahlung und Zahlung der Weihnachtsgratifikation (Mai und November), die der Kläger bisher für 2008 nicht nachwies, deutlich mehr (2007: 2.186,54 EUR und 1.462,23 EUR netto). Das Durchschnittsbruttoeinkommen betrug ausweislich der Entgeltabrechnung für Juni 2008, Bl. 73 der Beiakte) von Januar bis Juni 2008 bereits 32.981,84 EUR : 6 = 5.496,97 EUR und damit deutlich mehr als das Einkommen, das der Beklagte in seiner Kostenbeitragsberechnung (Bl. 58 der Beiakte) zugrunde legte (Beträge zwischen 4.528,28 EUR und 6.714,82 EUR, durchschnittlich 59.131,41 EUR : 12 = rund 4.928 EUR).

Von diesem Bruttoeinkommen hat der Beklagte zu Recht gemäß § 93 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII die Steuer nach der bis Mai 2008 bestehenden Steuerklasse 3, nicht die der seither gewählten Steuerklasse 5 weiterhin abgezogen.

Zwar ist das Einkommen gemäß § 93 SGB VIII grundsätzlich auf der Grundlage der tatsächlich gezahlten Steuer zu ermitteln. Der fiktiv höhere Betrag bei Nichteinräumung eines Steuerfreibetrages ist also unbeachtlich.

Vgl. Schellhorn/Fischer/Mann, SGB VIII, 3. Aufl. 2007, § 93 Rdnr. 16.

Gegen Treu und Glauben verstoßende vorgenommene Gestaltungen zur Reduzierung des Einkommens sind ebenfalls unbeachtlich. Eine derartige Gestaltung hat der Kläger vorgenommen und im Grunde keine Steuern gezahlt, sondern dem Fiskus bis zum Erlass des diesen jeweiligen Zeitraum betreffenden Steuerbescheids im Umfang des durch den Steuerklassenwechsel hervorgerufenen Steuermehrbetrags ab Juni 2008 ein zinsloses Darlehen gewährt.

Der Kläger und seine Ehefrau sind ihrem Adoptivsohn gegenüber auch nach dessen Aufnahme in die vollstationäre Einrichtung nach wie vor an 365 Tagen des Jahres zu Bar- und Betreuungsunterhalt verpflichtet. Diese Pflicht ist nicht - fast ausschließlich - auf die Allgemeinheit der Steuerzahler übergegangen. Wie im zivilrechtlichen Unterhaltsrecht kann ein Unterhaltsverpflichteter auch im Kostenbeitragsrecht seine Unterhaltsfähigkeit zu Lasten des Unterhaltsberechtigten - bzw. der öffentlichen Haushalte - nicht durch die Wahl einer wegen der Reduzierung des laufenden Einkommens steuerrechtlich nicht sinnvollen, irgendwann zu maßgeblichen Steuererstattungen führenden Steuerklasse reduzieren. Da mit den Vorschriften zum Kostenbeitrag die Unterhaltspflicht der Eltern unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Kinder- und Jugendhilferechts umgesetzt wird und nur im Interesse einer zügigen, umfassenden, also insbesondere bedarfsdeckenden Hilfe zugunsten des Hilfebedürftigen der Jugendhilfeträger von Anbeginn an ungeachtet der Leistungsfähigkeit der Unterhaltsverpflichteten die gesamten Maßnahmekosten zu tragen hat, gelten die Begrenzungen steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts erst Recht für die Bemessung des Kostenbeitrags. Er dient anders als die zivilrechtlichen Unterhaltsvorschriften nicht (lediglich) einem "innerfamiliären" Ausgleich, sondern der Vermeidung einer übermäßigen, gegebenenfalls Mittel zu Lasten der Hilfe für andere Bedürftige aufzehrenden Beanspruchung der Haushaltsmittel des Jugendhilfeträgers.

Grundsatz des Unterhaltsrechts ist es, dass ein Unterhaltsverpflichteter zugunsten des Unterhaltsberechtigten nicht nur seine Arbeitskraft bestmöglich einsetzen muss, was gegebenenfalls zur Zurechnung fiktiven erzielbaren Einkommens führt,

vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 14. Januar 2009 - 13 WF 128/08 -, in juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 21. Februar 2006 - 8 UF 214/05 -, in juris, OLG Köln, Beschluss vom 10. September 2008 - 4 WF 104/08 - in juris,

sondern in zumutbarer Weise erzielbare Steuervorteile nutzen und die Schmälerung durch unnötig hohe gesetzliche Abzüge unterlassen muss,

vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2004 - XII ZR 69/01 -, in juris; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 10. Februar 2009 - 10 UF 65/08 - in juris; OLG München, Urteil vom 4. Juni 2008 - 12 UF 1125/07 -, in juris.

Die jüngste Rechtsprechung des Landessozialgerichts zu dem Steuerklassenwechsel für die Erzielung eines höheren Elterngeldes,

vgl. Pressemitteilungen des LSG zu Urteilen vom 12. Dezember 2008 - L 13 EG 40/08 - und 16. Januar 2009 - L 13 EG 51/08 -, nicht rechtskr.,

spielt demgegenüber, da es sich um ein völlig anderes Rechtsgebiet mit anderen geregelten Interessenlagen handelt, keine Rolle. Es ist auch unerheblich, welche Gestaltungsmöglichkeiten das Steuerrecht eröffnet. Im Gegensatz dazu handelt es sich vorliegend um den Bereich der gewährenden Sozialverwaltung. Auch bei dem streitigen Kostenbeitrag werden dem Sohn des Klägers etwa 90 % der Maßnahmekosten letztendlich gewährt (635,-- EUR bei 6.500,-- EUR Maßnahmekosten).

Gerade die Schmälerung seines Einkommens durch Wahl einer unnötige Abzüge verursachenden Steuerklasse hat der Kläger vorgenommen. Dabei kann sein Vortrag für den Anlass des Steuerklassenwechsels, also im Wesentlichen zur angestrebten Minderung der Steuervorauszahlung, schon im Hinblick auf die Beträge, um die es geht (Minderung seines Einkommens um monatlich über 1.115,00 EUR wegen einer geringeren Vorauszahlungslast des Klägers und der ohnehin aus ihrem Einkommen nicht zum Kostenbeitrag herangezogenen Ehefrau von monatlich rund 132,33 EUR) eindeutig nur als Schutzbehauptung gewertet werden, die den Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nicht zu kaschieren vermag. Denn aus dem Steuerbescheid für 2005 folgt, dass der Kläger und seine Ehefrau im Jahr 2005, also mit den ursprünglichen Steuerklassen, 17,13 EUR zuviel an Steuern zahlten. Es gab also keine auszugleichende "Tieflage" und schon deshalb - ungeachtet sonstiger Rechtsfragen - auch keinen Grund zur Vornahme eines tatrichterlich geschätzten Abschlags von dem klägerischen Einkommen wegen etwaiger drohender Steuernachzahlungen. Für die Zeit ab 2006 hat der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung keine weiteren Einkommensteuerbescheide vorgelegt. Es liegt also nichts vor, was seine diesen eindeutigen Tatsachen entgegenstehende Behauptung untermauern könnte. Falls der Kläger irgendwann einmal während der Jugendhilfeleistung doch entgegen aller vorliegenden Erkenntnisse eine Steuernachzahlung leisten müsste, wäre das in diesem Monat von dem Beklagten zu berücksichtigen.

Der Kläger hat mit der Änderung der Steuerklasse ein Modell gewählt, für das sich kein vernünftig denkender Steuerzahler mit einer geringfügig berufstätigen Ehefrau und in seinem Haushalt lebenden, allein zu unterhaltenden (Adoptiv-)Kind(ern) entscheiden würde.

Eine fiktive Berechnung nach der Steuerklasse 4, die zu höheren Steuern als nach der anerkannten Steuerklasse 3 führen würde, scheidet ebenfalls aus. Der Kläger hat die Steuerklasse 4 weder vor, zur Zeit des Eintritts des Leistungsfalls noch danach gewählt,

vgl. zur Nichtberücksichtigung fiktiver höherer Steuern auch: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. November 2008 - 7 A 10710/08 -, in juris, Rdnr. 5.

Zudem spricht nichts dafür, dass es sich bei der Steuerklasse 4 um die nach den vorstehenden Grundsätzen zugunsten des Unterhaltsberechtigten wählbare, nicht gegen Treu und Glauben verstoßende Steuerklasse gehandelt haben würde. Denn wie schon ausgeführt, war es nach dem vorgelegten Steuerbescheid für das Jahr 2005 mit den alten Steuerklassen sogar zu einer geringen Óberzahlung von Steuern gekommen. Der Kläger und seine Ehefrau waren also mit den seinerzeitigen Steuerklassen zutreffend eingestuft. Die Steuerklasse 4 hätte ebenfalls zu einer die bisherige Steuervorauszahlung von rund 132,33 EUR monatlich erheblich überschreitenden Steuermehrbelastung des Klägers von 508,73 EUR (1.322,07 EUR abzüglich 813,34 EUR) geführt und kann deshalb ebenfalls nur als Versuch der Reduzierung des geschuldeten Kostenbeitrags und Erzielung einer späteren erheblichen Steuernachzahlung gewertet werden. Auf die diesbezüglichen Berechnungen mit dem Abgabenrechner des Bundesfinanzministeriums, Bl. 117 ff. der Gerichtsakte, wird Bezug genommen.

Der Kläger versucht, sich einen unzulässigen Vorteil bei der Berechnung des Kostenbeitrags zu verschaffen. Denn er zahlt während des laufenden Jahres für alle Beteiligten von vornherein bekannt erheblich zu viel Steuern, die dann zwar in einem Monat (zumindest im Wesentlichen auf ihn entfallend) erstattet werden und in diesem Erstattungsmonat sein Einkommen in diesem Erstattungsumfang beträchtlich - mit der Konsequenz eines erhöhten Kostenbeitrags in dem Monat - erhöhen würden, falls der Beklagte den Kostenbeitrag nicht - wie bestritten geschehen - berechnete. In der Summe würden aber die Kostenbeiträge wegen der Einkommensverlagerung in dem klägerseits gewählten Steuermodell geringer bleiben oder zumindest die Kostenbeitragsleistungen des Klägers zu Lasten des Jugendhilfeträgers erheblich in die Vergangenheit verschoben, möglicherweise sogar in einen Monat, in dem der Kläger mangels weiterer Hilfegewährung überhaupt nicht mehr zu einem Kostenbeitrag herangezogen werden würde. So liegt der Steuerbescheid für 2007 bis heute nicht vor.

Das tatsächliche im streitigen Zeitraum Januar 2008 bis Januar 2009 anzusetzende Einkommen beträgt - wie schon ausgeführt - ausweislich der Gehaltsabrechnung für Juni 2008 im Óbrigen deutlich mehr, als das von dem Beklagten in den streitigen Berechnungen zugrunde gelegte Einkommen. Während Letzterer wegen der Zahlen des Vorjahres von 59.131,12 EUR brutto (= durchschnittlich mtl. 4.927,62 EUR brutto) ausging, hatte der Kläger von Januar bis Juni 2008 bereits 32.981,84 EUR ( = durchschnittlich mtl. 5.496,97 EUR brutto) an Einkommen erzielt. Wegen der Spannweite der Einkommensgruppe 13 der Anlage 1 zu § 1 KostenbeitragsVO dürfte sich trotz des höheren klägerischen Einkommens keine Änderung der Einstufung (s. Berechnung Bl. 118 der Gerichtsakte) und jedenfalls keine Reduzierung der gegen den Kläger gerichteten Gesamtforderung ergeben, so dass insoweit eine detaillierte und auf den jeweiligen Einkommensmonat bezogene Óberprüfung - auch mangels dahingehender Angriffe und Vorlage von Einkommensunterlagen - unterbleiben konnte.

Jedenfalls liegt das klägerische monatliche Einkommen ausweislich der vorgelegten Nachweise im streitigen Zeitraum um deutlich mehr als rund 105,00 EUR höher, so dass offen bleiben kann, ob eine anteilige Berücksichtigung der Steuervorauszahlung von monatlich 132,33 EUR (der Kläger beziffert seinen Anteil mit 80 %) ab Juni 2008 fiktiv vorzunehmen war. Dies konnte den Kostenbeitrag nicht zugunsten des Klägers verändern.

Der Beklagte hat allerdings, falls künftig während des Leistungszeitraums eine den Kläger betreffende Steuererstattung für die Zeit ab Juni 2008 erfolgt, die Beträge, die bis dahin allein durch die Berücksichtigung der Steuerklasse 3 als klägerisches Einkommen zugrunde gelegt werden, von dem Einkommenszufluss durch die jeweilige Steuererstattung abzuziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 155 Abs. 1 Satz 3, 155 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO. Dabei waren dem Kläger auch hinsichtlich des in der Hauptsache erledigten Teils die Kosten aufzuerlegen, da er die Aufenthaltsnachweise, die zur Reduzierung der Kostenbeiträge durch den Beklagten führten, weitgehend erst in diesem gerichtlichen Verfahren vorlegte (Bl. 30 ff der Gerichtsakte) und im Óbrigen (s. Vorlagen Bl. 55, 74 f. der Beiakte) der Anteil des Unterliegens bzw. Anerkennens des Beklagten nur gering war.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO).

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