ArbG Siegburg, Urteil vom 16.09.2010 - 1 Ca 919/09
Fundstelle
openJur 2013, 6532
  • Rkr:
Tenor

1) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Grundbetrag der persönlichen Zulage gemäß § 6 TV UmBw zuzüglich der jeweils allgemeinen Erhöhung ohne den in § 6 Abs.3 TV UmBw vorgesehen Abzug zu zahlen.

2) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 148,56 Euro brutto für die Monate Dezember 2008 bis März 2009 zu zahlen.

3) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4) Der Streitwert wird auf 1.337,04 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist seit dem 16.05.2001, zunächst als Helferin in einer Versorgungseinrichtung, zuletzt als Nachschubhelferin D/Gabelstaplerfahrerin C in der Betriebsstätte der Beklagten in L. beschäftigt.

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 16.05.2003 enthält u.a. folgende Bestimmung:

"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) vom 6. Dezember 1995 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung." (Bl. 20 f. d.A.)

Seit dem 01.10.2005 fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der TVöD Anwendung. Mit Erlass vom 03.12.2007 ordnete die Beklagte für die Beschäftigungsstelle der Klägerin die Einstellung des Leistungslohnverfahrens zum 31.12.2007 an. In dem Erlass heißt es, die Beklagte habe "den Wegfall der Voraussetzungen für die Weiterführung des Leistungslohnverfahrens im Einvernehmen mit der vertragsschließenden Gewerkschaft festgestellt" (Bl. 23 d.A.). Außerdem bestimmt der Erlass, dass die Einstellung des Leistungslohnverfahrens in der Beschäftigungsstelle der Klägerin eine Maßnahme im Sinne des Tarifvertrages über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der C. (TV UmBw) sei, nach dem, sofern die übrigen Voraussetzungen vorlägen, die leistungsbezogenen Lohnbestandteile in die Einkommenssicherung nach § 6 Abs.2 TV UmBw einzubeziehen seien.

Seit dem 01.01.2008 erhält die Klägerin keinen Leistungslohn mehr. Die Beklagte zahlt ihr eine persönliche Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zur bisherigen Vergütung. Im Zuge allgemeiner Entgelterhöhungen nimmt die Beklagte unter Bezugnahme auf § 6 Abs.3 TV UmBw eine Kürzung der Zulage um zwei Drittel des Erhöhungsbetrages vor.

Mit der am 16.04.2009 zugestellten Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Betrages, um den ihre Vergütung in den Monaten Dezember 2008 bis März 2009 gekürzt worden ist, sowie die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Zulage bei allgemeinen Entgelterhöhungen zu kürzen. Sie macht geltend, die Regelungen in § 6 Abs.3 TV verstießen gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters nach den Bestimmungen des AGG, da Beschäftigte, die das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt hätten, sowie Beschäftigte, die eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren zurückgelegt hätten überhaupt nicht und Beschäftigte, die eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt hätten, lediglich im Umfang von 1/3 von der Kürzung betroffen seien.

Die Klägerin beantragt,

1.     festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Grundbetrag der persönlichen Zulage gemäß § 6 TV UmBw zuzüglich der jeweiligen allgemeinen Erhöhung, ohne den in § 6 Abs.3 TV UmBw vorgesehenen Abzug auszuzahlen;

2.     die Beklagte zu verurteilen, an sie 148,56 Euro für die Monate Dezember 2008 bis März 2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, der TV UmBw habe die Aufgabe, die Arbeitsplätze bei der C. zu sichern, federe aber zudem mögliche Belastungen für Arbeitnehmer, die nach dem TVöD ohne Weiteres möglich wären ab. Hier liege kein klassischer Fall der Betroffenheit nach dem TV UmBw vor. Es sei beschlossen worden, die Zahl der Zivilbeschäftigten bei der C. von ca. 120.000 auf 75.000 zu reduzieren. Ausgangspunkt für den Abschluss des TV UmBw sei die Sozialverträglichkeit der erforderlichen personellen Maßnahmen gewesen. Die Regelungen des TV UmBw stellten eine Einheit dar, weshalb § 6 nicht isoliert zu betrachten sei. Bei den Regelungen des TV UmBw sei primär auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit abgestellt worden, um vor allem auf die schlechteren Chancen älterer Beschäftigter auf dem Arbeitsmarkt Rücksicht zu nehmen. Unter diesem Aspekt sei die Bevorzugung älterer Arbeitnehmer zum Ausgleich ihrer schlechteren Chancen angemessen und erforderlich. Ein altersbedingter Nachteil könne auch in einer altersbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit bestehen. Eine ältere Arbeitnehmer begünstigende Regelung habe dann den Zweck, diesen Nachteil auszugleichen, zumindest dann, wenn sie an ein Alter ab etwa 55 Jahren anknüpfe. Im Zuge der eingeführten leistungsorientierten Bezahlung (Leistungsentgelt) sei es jüngeren Beschäftigten regelmäßig eher möglich, durch ein verstärktes Sicheinbringen in den Genuss eines leistungsbezogenen Bonus zu kommen als älteren Arbeitnehmern, die altersbedingt nicht mehr zu denselben Leistungen fähig seien wie lebensjüngere.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Für den Feststellungsantrag ist das nach § 256 Abs.1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben: Die Parteien streiten um den Umfang der Zahlungsverpflichtung der Beklagten, dies kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (BAG 16.12.2008 - 9 AZR 985/07 - zitiert nach juris). Nicht zuletzt aufgrund der von ihr in den Kammerterminen abgegebenen Erklärungen ist davon auszugehen, dass die Beklagte als Arbeitgeberin des öffentlichen Dienstes sich einem rechtskräftigen Feststellungsurteil, das den Streit der Parteien um die Wirksamkeit die Berechtigung der von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen entscheidet, beugen wird.

Der Zahlungsantrag ist unter Berücksichtigung der Klagebegründung dahin auszulegen, dass die Zahlung eines Bruttobetrages begehrt wird, da sich die Klägerin gegen eine vom Bruttolohn vorgenommene Kürzung wendet.

Die Klage ist auch begründet.

Die Beklagte ist nicht berechtigt, die der Klägerin gezahlte persönliche Zulage im Fall von allgemeinen Entgelterhöhungen in Anwendung des § 6 Abs.3 TV UmBw zu kürzen.

Dabei ist zunächst festzustellen, dass ein Fall des § 1 TV UmBw nicht vorliegt, da der Arbeitsplatz der Klägerin nicht weggefallen ist. Das räumt auch die Beklagte ein, wenn sie ausführt, ein klassischer Anwendungsfall des TV UmBw liege nicht vor.

Zwar enthält § 18 TV UmBw in der Fassung des 2. Änderungstarifvertrages vom 04.12.2007 eine Regelung, die sich mit dem Leistungsentgelt befasst. Die Tarifnorm besagt jedoch lediglich, dass durch einvernehmliche Dienst- oder Betriebsvereinbarung im zeitlichen Rahmen des § 1 Abs.1 und 2 (also bis zum 31.12.2010) ganz oder teilweise von den Regelungen des Tarifvertrages über das Leistungsentgelt für die Beschäftigten des Bundes abgewichen werden kann, und zwar für Beschäftigte, die außerhalb von Dienstposten beschäftigt werden, und für Beschäftigte, die nach § 4 Abs.2 oder 3 TVöD ihre Arbeitsleistung bei Dritten erbringen. Die Gewährung einer Einkommenssicherung nach § 6 TV UmBw sieht diese Tarifvorschrift indes nicht vor. Abgesehen davon, ist auch nicht ersichtlich, dass hier überhaupt ein Anwendungsfall des § 18 TV UmBw gegeben ist.

Die Beklagte wendet die Regelungen über die Einkommenssicherung gemäß § 6 TV UmBW allerdings auf die Fälle der Einstellung des Leistungslohnverfahrens in der Betriebsstätte in L. an. Soweit der Erlass vom 13.12.2007 den Abs.2 des § 6 in Bezug nimmt, der in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 04.12.2007 aufgehoben ist, übernimmt er offensichtlich die Formulierung aus dem Erlass vom 03.12.2007 (Az 18-20 12/03), der auf die ursprüngliche (am 03.12.2007 auch noch maßgebliche) Fassung des TV UmBw vom 18.07.2001 verweist.

Die von der Beklagten in Anwendung der in § 6 Abs.3 TV UmBw getroffenen Regelungen vorgenommene Kürzung der persönlichen Zulage ist gemäß § 7 AGG unzulässig, denn sie verstößt gegen das Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters und ist nicht nach §§ 5, 8 oder 10 AGG gerechtfertigt. Dabei kann dahin stehen, ob die Benachteiligung auf einer Vereinbarung beruht oder durch einseitiges Handeln der Beklagten, denn in beiden Fällen ist liegt eine unzulässige Benachteiligung vor (§ 7 Abs.1 und 2 AGG).

Nach § 6 Abs.3 TV UmBw in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 07.12.2007 nimmt die zur Einkommenssicherung gezahlte persönliche Zulage an allgemeinen Entgelterhöhungen (Satz 1) teil, verringert sich aber nach Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist bei jeder allgemeinen  Entgelterhöhung bei Beschäftigten, die

a)     eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt und noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, um ein Drittel,

b)     noch keine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben, um zwei Drittel des Erhöhungsbetrages (Satz 2).

Dabei unterbleibt die Verringerung u.A., wenn die/der Beschäftigte

a)     das 55. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt hat,

b)     eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren zurückgelegt hat (Satz 4).

Gemäß § 7 Abs.1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. § 1 AGG verbietet jede Benachteiligung wegen des Alters und erfasst sowohl das höhere als auch das niedrige Lebensalter (ErfK-Schlachter, 10. Auflage, § 1 Rn 11), sodass auch jüngere Arbeitnehmer gegen Benachteiligungen im Verhältnis zu älteren Arbeitnehmern geschützt sind.

Die Regelung des § 6 Abs.3 TV S.2 UmBw enthält eine unmittelbare Altersdiskriminierung, da die Beschäftigten, die das 55. Lebensjahr nicht vollendet haben, im Vergleich zu denen, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, in Bezug auf die Kürzung der persönlichen Zulage benachteiligt werden, weil Letztere keine Verringerung der persönlichen Zulage hinnehmen müssen, wenn sie eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben (§ 6 Abs.3 S.3 a)): Nach § 3 Abs.1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen (u.A.) des Alters eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Lage. Die Einräumung einer ungünstigeren Vertragsbedingung stellt eine weniger günstige Behandlung im Sinne der vorgenannten Vorschrift dar.

Die Regelungen in § 6 Abs.3 S.2 a), b), S.3 a) und b) enthalten eine mittelbare Diskriminierung, da die Beschäftigten, die eine Beschäftigungszeit von 15 bzw. 25 Jahren zurückgelegt haben, keine oder eine geringere Kürzung ihrer persönlichen Zulage erfahren als die Beschäftigten, die wie die Klägerin keine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt haben, denn das Kriterium Beschäftigungszeit ist dem Anschein nach neutral, jedoch wird das Merkmal der Beschäftigungszeit von mindestens 15 oder 25 Jahren erheblich häufiger von älteren als von jüngeren Beschäftigten erfüllt:

Eine Benachteiligung ist mittelbar merkmalsbedingt, wenn das Differenzierungskriterium, das die nachteiligen Folgen herbeiführt, zwar nicht unmittelbar die Zugehörigkeit zur geschützten Gruppe dient, wohl aber solche Merkmale, die von Gruppenmitgliedern erheblich häufiger als von anderen Personen erfüllt werden (ErfK-Schlachter,  a.a.O., § 3 AGG Rn 6).

Die Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Alters ist nicht nach § 8 Abs.1 AGG gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Hier sind weder das Alter noch die Beschäftigungszeit von mindestens 15 oder 25 Jahren wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung. Der Europäische Gerichtshof (17.10.1989 , Rs C-109/88, Danfoss, NZA 1990, 772; 03.10.2006, Rs C-17/05, Cadman, zitiert nach juris) im Zusammenhang mit der Geschlechtsdiskriminierung durch Entgeltsystemen, die die Entgelthöhe u.A. von dem Kriterium der Anciennität abhängig machen, entschieden, dass das Kriterium der Beschäftigungsdauer grundsätzlich nicht eine Diskriminierung wegen des Geschlechts begründet, da die Anciennität mit der Berufserfahrung einhergehe und diese den Arbeitnehmer im allgemeinen befähige, seine Arbeit besser zu verrichten, stehe es dem Arbeitgeber frei, die Anciennität bei der Entlohnung zu berücksichtigen, ohne dass er ihre Bedeutung für die Ausführung der dem Arbeitnehmer übertragenen spezifischen Aufgaben darlegen müsse.

Diese Grundsätze lassen sich auf die vorliegende Fallgestaltung jedoch nicht übertragen: Hier steht das Kriterium der Beschäftigungszeit in § 6 Abs.3 TV UmBw nicht für Berufserfahrung, denn es geht ausschließlich um Besitzstandswahrung, nicht um den höheren Wert, den die Arbeitsleistung berufserfahrenerer Arbeitnehmer für den Arbeitgeber haben kann. Die Beklagte macht das im Übrigen auch nicht geltend.

Auch nach § 10 Abs.1 - dort insbesondere S.3 Nr.2 - AGG ist die Benachteiligung nicht gerechtfertigt. Denn Voraussetzung dafür wäre, dass die Benachteiligung durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind.

Die Formulierung in § 10 Abs.1 S.2 AGG "durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt" lehnt sich an Art. 6 RL 2000/78/EG an, lässt jedoch die dort bereits in der Eingangsklausel formulierten Regelbeispiele für legitime Ziele (Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung) aus. Im Unterschied zu der Richtlinie soll die Altersdiskriminierung nach § 10 Abs.1 AGG nicht in erster Linie oder gar ausschließlich durch sozialpolitische Ziele gerechtfertigt werden können (Entwurfsbegründung BT-Drucksache 16/1780 S. 36; ErfK-Schlachter, a.a.O. § 10 AGG Rn 1 f.). Ob der Gesetzgeber damit den Forderungen der Richtlinie ausreichend nachgekommen ist, kann dahin stehen. Jedenfalls ist bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 10 Abs.1 S.2 AGG zu beachten, dass  rein individuelle Beweggründe wie Kostenreduzierung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit allein nicht als rechtmäßige Ziele anzusehen sind, sondern es sich immer um sozialpolitische Ziele handeln muss, wenngleich den Arbeitgebern bzw. Tarifpartnern bei der Verfolgung dieser Ziele ein gewisser Grad an Flexibilität eingeräumt ist (EuGH 05.03.2009- Rs C-388/07- NZA 2009, 305).

Hier sind auch im weitesten Sinn sozialpolitische Ziele für die diskriminierende Regelung nicht erkennbar, insbesondere greift der von der Beklagten geltend gemachte Schutz älterer Arbeitnehmer wegen der bei ihnen typischerweise gegebenen Arbeitsmarktchancen nicht. Vorliegend geht es nicht um Entlassung, sodass arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte unbeachtlich sind.

Auf die Gesamtschau der Regelungen des Tarifvertrages kann es ebenfalls nicht ankommen, denn die Einstellung des Leistungsentgelts unterfällt dem Anwendungsbereich des TV UmBw nicht, die Beklagte wendet die Regelungen zu Einkommenssicherung lediglich auf diesen Fall an. Auch die von der Beklagten angesprochene altersbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer vermag die Benachteiligung nicht zu rechtfertigen, weil die vorliegende Fallgestaltung schon keinen Zusammenhang zur altersbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit aufweist. Entsprechendes gilt für das Argument, jüngeren Beschäftigten sei es regelmäßig eher möglich, durch ein verstärktes Sicheinbringen in den Genuss eines leistungsbezogenen Bonus zu kommen als älteren Arbeitnehmern, die altersbedingt nicht mehr zu denselben Leistungen in der Lage seien wie jüngere: Die Einstellung des Leistungsentgelts war ja gerade Anlass für die Anwendung der Regelungen des TV UmBw zur Einkommenssicherung.

Wenn ein Arbeitgeber - wie hier - die Regelungen eines Tarifvertrages auf eine Fallgestaltung anwendet, die im Tarifvertrag nicht geregelt ist, kann bei der Beurteilung der Frage, ob eine Benachteiligung durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, nicht auf die von den Tarifpartnern mit ihren Regelungen verfolgten Ziele abgestellt werden, vielmehr kommt es darauf an, ob die von dem Arbeitgeber bei Anwendung der Regelungen des betreffenden Tarifvertrages verfolgten Ziele die Benachteiligung rechtfertigen. Die Kammer hatte hier deshalb nicht zu entscheiden, ob die Regelungen in § 6 Abs.3 TV UmBw für die in § 1 TV UmBw genannten Fallgestaltungen eine unzulässige Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer darstellen.

Dass der TV UmBw Jahre vor Inkrafttreten des AGG geschlossen worden ist, wäre im vorliegenden Zusammenhang selbst dann unbeachtlich, wenn ein Anwendungsfall des § 1 TV UmBw vorläge: Nach § 2 Abs.1 Nr.2 AGG unterliegen kollektivrechtliche Regelungen, die Beschäftigungsbedingungen festlegen, der Diskriminierungskontrolle des AGG. Da das AGG keine Übergangsregelung enthält, findet es auch dann Anwendung, wenn wie hier die beanstandete Benachteiligung nach Inkrafttreten des AGG eingetreten ist, auch wenn sie auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrages beruht (BAG 16.12.2008 - 9 AZR 985/07 - zitiert nach juris).

Eine Kollision zwischen dem nach Art. 28 GRC gewährleisteten Recht auf Kollektivverhandlungen und dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters  nach Art. 21 GRC liegt nicht vor, denn § 6 Abs.3 TV UmBw gilt hier weder kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit noch aufgrund der Bezugnahme der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes im Arbeitsvertrag der Parteien. Die Frage, ob und auf welche Art die Beklagte die Benachteiligung in der vorliegenden Fallkonstellation beenden kann, berührt ausschließlich die Ebene des Individualarbeitsrechts. Ein Tätigwerden der Tarifvertragsparteien ist nicht erforderlich, um hier die gegen § 7 AGG verstoßende Handhabung der Beklagten einzustellen.

Infolge der nicht gerechtfertigten Benachteiligung kann die Klägerin verlangen, so gestellt zu werden wie die lebensälteren Beschäftigten, es hat also eine Anpassung nach oben zu erfolgen (EuGH 27.06.1990 - Rs C 33/89, zitiert nach juris; ErfK-Schlachter, a.a.O, § 7 Rn 5).

Nach dem unbestrittenen Rechenwerk der Klägerin stehen ihr, wenn die von der Beklagten vorgenommene Kürzung unterbleibt, für die Monate Dezember 2008 bis März 2009 insgesamt 148,56 Euro brutto zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs.2 ArbGG in Verbindung mit § 91 ZPO. Der gemäß § 61 Abs.1 ArbGG im Urteil auszuweisende Streitwert war nach § 42 Abs.3 GKG mit dem 36fachen Betrag der begehrten monatlichen Vergütungsdifferenz zu bewerten.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim

M.

eingegangen sein.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.     Rechtsanwälte,

2.     Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.     juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.