OLG Köln, Beschluss vom 30.12.2010 - 17 W 308/10
Fundstelle
openJur 2013, 6489
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Landgericht Köln vom 13. September 2010 - 33 O 23/10 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Aufgrund des Urteils des Landgerichts Köln vom 8. Juni 2010 sind von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin 7.592,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 30. Juni 2010 zu erstatten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 2.012,00 €

Gründe

Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten verfahrensrechtlich unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst vollen Erfolg.

Zu Unrecht hat der Rechtspfleger die Kosten für die Einschaltung eines italienischen Verkehrsanwaltes als nicht erstattungsfähig angesehen. Damit setzt er sich in Widerspruch zu der, von der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 19. Oktober 2010 zutreffend angeführten Rechtsprechung, der auch der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung folgt (Beschluss vom 20. April 2010 - 17 W 51/10 -; vom 26. Oktober 2010 - 17 W 228/10 -; vom 28. Dezember 2010 - 17 W 297/10 -).

1.

Gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterlegene Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Danach sind Reisekosten zur Terminswahrnehmung durch einen Prozessbevollmächtigten, der - wie vorliegend - weder im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist noch am Ort des Prozessgerichts wohnt, nur insoweit zu erstatten, als die Hinzuziehung dieses Anwaltes zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war (§ 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO). Ob diese Notwendigkeit bestand, bemisst sich danach, was eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (BGH NJW  2003, 898, 900; NJW-RR 2004, 230; 1724; 2008, 1378). In diesem Rahmen ist die Hinzuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwaltes durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte inländische Partei regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig im Sinne des § 91 Abs. 2 S. 1, Hs. 2 ZPO anzusehen (BGH NJW 2003, 898, 900 f.; 2027 f.; NJW-RR 2004, 858; NJW 2004, 3187; NJW-RR 1724; NJW-RR 2005, 922; NJW 2008, 2122; NJW-RR 2009, 556).

Hierbei wird - neben anderen Erwägungen - für wesentlich erachtet, dass eine Partei ein berechtigtes Interesse daran haben kann, sich durch den Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen (BGH NJW-RR 2004, 858). Dieser Gesichtspunkt ist ein entscheidender Grund gewesen für die Änderung des Lokalisationsprinzips in § 78 ZPO (BGH NJW 2003, 898, 901; NJW-RR 2004, 858; NJW 2006, 3008, 3009). Im Streit um die Singular- oder Simultanzulassung von Rechtsanwälten ist gerade das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant, das auf Aktenkenntnis im konkreten Fall oder auch auf langjähriger Beratung und erfolgreicher begleitender Zusammenarbeit gründen kann, als ein rechtlich anzuerkennender Vorteil aus der Sicht des Mandanten angesehen worden (BVerfGE 103, 1,16 = NJW 2001, 353). Nichts anderes kann bei der Entscheidung gelten, inwieweit die Kosten des beim Prozessgericht nicht zugelassenen und am Gerichtsort nicht ansässigen Prozessbevollmächtigten zu erstatten sind. Hierzu ist ebenso dem Vertrauensverhältnis zwischen der Partei und dem von ihr ausgewählten Rechtsanwalt Rechnung zu tragen (BGH NJW-RR 2004, 858; 2005, 707; NJW 2006, 3008, 3009). Zu berücksichtigen ist hierbei im Übrigen, dass einem Zivilprozess in vielen Fällen vorgerichtliche Auseinandersetzungen vorausgehen. Auch von einer kostenbewussten Partei kann selbst im Interesse der erstattungspflichtigen Gegenpartei nicht erwartet werden, auf den mit der Sache bereits vertrauten Rechtsanwalt zu verzichten und einen neuen Prozessbevollmächtigten am Gerichtsort zu beauftragen (BGH NJW 2003, 898, 900; NJW-RR 2004, 858).

2.

Diese Erwägungen müssen in einem ganz besonderen Maße gerade auch für den inländischen Vertrauensanwalt einer ausländischen Partei gelten (OLG Düsseldorf JB 2003, 427; OLG München OLGR 2004, 204 = AGS 2004, 362; LG Hanau JB 2004, 35; LG Detmold AnwBl 2009, 149; AnwK-RVG/N. Schneider, 5. Auflage, Nr. 7003 - 7006 VV RVG Rn. 82). Die Hinzuziehung eines solchen Anwalts durch eine ausländische Partei stellt danach regelmäßig in gleicher Weise eine Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung dar wie die Hinzuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftssitzes ansässigen Rechtsanwaltes durch eine inländische Partei. Begründet wird dies insbesondere damit, dass gerade einer ausländischen Partei das Recht zustehen muss, von einem Rechtsanwalt ihres Vertrauens vor einem Gericht vertreten zu werden, das nicht nur ein auswärtiges, sondern ein ausländisches Gericht ist. Für die ausländische Partei ist es insbesondere grundsätzlich unzumutbar, zunächst das für ihren Fall örtlich zuständige deutsche Gericht zu ermitteln und hiernach ihren deutschen Rechtsanwalt auszusuchen (Senat, Beschluss vom 01. Dezember 2008 - 17 W 211/08 -).

Es gibt insbesondere keinen kostenrechtlichen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine ausländische Partei gehalten ist, einen möglichst nahe am Prozessgericht ansässigen (inländischen) Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung zu beauftragen. Eine solche Rechtsanwendung liefe auf eine durch nichts gerechtfertigte Schlechterstellung ausländischer Parteien gegenüber inländischen hinaus.

3.

Darüber hinaus darf nach vorherrschender, auch vom erkennenden Senat vertretenen Rechtsprechung eine ausländische Partei, die im Inland prozessiert, sich grundsätzlich eines Korrespondenzanwalts bedienen, wobei sie die Wahl hat, ob sie hierzu einen deutschen Rechtsanwalt oder einen Anwalt an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz bestimmt. Die Kosten eines (ausländischen) Verkehrsanwaltes sind dabei grundsätzlich in Höhe der Gebühren eines deutschen Verkehrsanwaltes erstattungsfähig (BGH NJW 2005, 1373 = AGS 2005, 268 = MDR 2005, 895; OLG Stuttgart OLGR 2008, 74, 2009, 452; Senatsbeschlüsse vom 22. April 2009 - 17 W 47/09 - und vom 13. August 2009 - 17 W 187/09 - sowie 17 W 218 und 232/09 -).

4.

Die Begründung des Rechtspflegers für seine Entscheidung, nämlich dass die Antragstellerin angesichts ihrer Satzung einen deutschen Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen gleich zu stellen und wie ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung zu behandeln sei, geht am Kern der Rechtsproblematik vorbei. Denn auch das ändert nichts daran, dass von ihr als ausländischem Zusammenschluss weder deutsche Rechts- noch Sprachkenntnisse verlangt werden können, so dass ihr das Recht nicht abgesprochen werden kann, sich eines italienischen Verkehrs- und eines deutschen Rechtsanwaltes zu bedienen.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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