LG Düsseldorf, Urteil vom 16.09.2010 - 14c O 94/10
Fundstelle
openJur 2013, 6433
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %

des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein weltweit führendes Unternehmen für Babyprodukte. Zu den Produkten der Klägerin gehören neben den bekannten Kinderschalen­sitzen "Maxi-Cosi" u.a. Kinderwagen, die sie unter der Marke "Quinny" vertreibt.

Sie ist Inhaberin des in Kraft stehenden, nachfolgend wiedergegebenen, eingetragenen Gemeinschafts­geschmacksmusters xxx, das am 03.07.2003 angemeldet und einge­tragen und am 03.09.2003 veröffentlicht wurde:

0003.1

0003.2 

0003.3 

0003.4 

Diesem Geschmacksmuster ist - mit kleineren Abweichungen - der nachfolgend eingeblendete Kinderwagen "ZAPP" der Klägerin nachgebildet.

                                

Die Beklagte zu 1) vertreibt ebenfalls Babyausstattung. Sie hat ihren Sitz in Deutschland und bietet ihre Produkte deutschland- und europaweit an. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1).

Die Klägerin hat die Beklagte zu 1) in einem vorangegangenen Verfahren wegen der nachfolgend abgebildeten Kinderwagen "FIT" und "KISS" auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch genommen.

- Modell "FIT" -

- Modell "KISS" -

                                                             

Während die Kammer die Klage durch Urteil vom 19.02.2009 abgewiesen hat (Az. 14c O 294/08), hat das Oberlandesgericht Düsseldorf auf die Berufung der Klage durch Urteil vom 30.12.2009 stattgegeben und die Beklagte zu 1) auch zur Herausgabe und Vernichtung verurteilt (Az. I-20 U 46/09).

Am 21. Januar 2010 stellte die Klägerin fest, dass die Beklagte zu 1) nunmehr ihre neuen Modelle "FIT+" und "KISS+", die im Klageantrag wiedergegeben sind, auf ihrer Internetseite bewirbt. Ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat die Kammer am 18.03.2010 zurückgewiesen (Az. 14c O 27/10). Auf die Berufung zum Oberlandesgericht hat dieses mit Urteil vom 24.08.2010 entsprechend den Anträgen der Klägerin erkannt (Az. I-20 U 54/10).

Bereits im April hat die Klägerin die vorliegende Hauptsacheklage erhoben, die sie mit Schriftsatz vom 12. Mai 2010 auf den Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und um Ansprüche auf Rechnungslegung und Belegvorlage erweitert hat. Allerdings haben die Parteien im Hinblick auf die Belegvorlage den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit Auftragsbestätigungen auf Abnehmerseite betroffen sind, weil die Beklagten erklärt haben, dass es insoweit keine Auftragsbestätigungen gebe. Die Klägerin hält daran fest, dass die Beklagte ihr Geschmacksmuster verletze.

Außerdem macht sie einen Anspruch aus ergänzendem wettbewerbs­rechtlichen Leistungsschutz nach §§ 3, 4 Nr. 9 a und 5 Abs. 2 UWG geltend. Insoweit behauptet sie, nach der Einführung im Jahr 2004 in den Jahren 2005 bis 2009 jährlich zwischen 20.000 und 35.000 Stück von ihrem Kinderwagen­modell "ZAPP" in Deutschland verkauft und hiermit Umsätze zwischen € 2 Mio. und € 3,5 Mio. erzielt zu haben. Sie trägt zu ihren Vertriebszahlen, zu Werbeaufwendungen sowie Publikationen im Einzelnen vor (vgl. Anlagen L6 - L12).

Die Klägerin beantragt,

I.

die Beklagten zu verurteilen,

1.

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 1) an ihrem/n jeweiligen/m gesetzlichen Vertreter/n zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Kinderwagen, die die nachstehenden Gestaltungsmerkmale aufweisen, im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft anzubieten und/oder anbieten zu lassen, in Verkehr zu bringen und/oder in Verkehr bringen zu lassen oder zu den vorstehend genannten Zwecken zu besitzen:

(1)   annähernd elliptisch geformter Rahmen aus Aluminiumstangen, dessen Ellipsenform nur im oberen Bereich durch eine horizontal verlaufende Stange begrenzt wird;

(2)   Applikationen aus schwarzem Kunststoff an den Gelenkstellen und am unteren Ende des Rahmens;

(3)   horizontal verlaufende Verbindung der äußeren Streben des Rahmens im Griffbereich;

(4)   Sitzfläche aus gespanntem Stoff, die den Rahmen ausfüllt und in den Rahmen eingespannt ist;

(5)   hängemattenartige Form der Sitzfläche, die einstufig in den Stoff eingelassen ist;

(6)   zwei Räder im hinteren Bereich, die durch Aluminiumstangen pfeilartig mit

zwei im Abstand voneinander angeordneten Rädern an der Spitze des Pfeil­segments verbunden sind;

wenn diese wie nachfolgend abgebildet gestaltet sind,

wobei es auf die konkrete Farbgebung nicht ankommt:

-          Modell "FIT+" -                                                                      -  Modell "KISS+" -             

                                      

              2.

der Klägerin Auskunft zu erteilen und durch Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. I.1. bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe

a)     der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse unter Vorlage von Auftragsbestätigungen, Rechnungen und etwaigen Gutschriften, wobei keine Auftragsbestätigungen vorzulegen sind, soweit die Abnehmerseite betroffen ist;

b)     der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und unter Angabe der Namen und Anschriften der Abnehmer sowie unter Vorlage von Auftragsbestätigungen, Rechnungen und etwaigen Gutschriften;

c)     der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

d)     der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Ge­stehungs­kosten und des erzielten Gewinns;

3.

die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse entsprechend vorstehend Ziff. I.1. an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

II.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu Ziff. I.1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

             

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, sie verletzten die Rechte der Klägerin nicht. Die elliptische, nach oben offene Rahmenform sei durch die gerade Ausbildung der Holme und den Schiebebügel aufgegeben worden. Die Einzelgriffe seien durch den massiven, schwarzen Schiebebügel ersetzt und die horizontal verlaufende Verbindung aus metallischhellem Material sei nicht mehr vorhanden. Wegen der eckigen Ausgestaltung des Rahmens nehme das rund ausgebildete Fahrwerk die Rahmenform nicht mehr auf.

Das Anbieten der beanstandeten Kinderwagen sei auch nicht wettbewerbswidrig. Die von der Klägerin angegebenen Umsatzzahlen, die Werbung und die Presse­veröffentlichungen bestreite sie mit Nichtwissen. Ihrer Ansicht nach seien ihre Kinderwagenmodelle aber von dem von der Klägerin vertriebenen Kinderwagen "ZAPP" ohnehin so weit entfernt, dass eine unzulässige Nachahmung ausscheide, zumal ein deutlicher Herkunfts­hinweis durch ihr Wortzeichen "Moon" und ihr Bildzeichen in Form zweier Quadrate an mehreren Stellen auf­gebracht und an jedem Kinderwagen eine Bedienungsanleitung mit ihren Zeichen und ihrer Unternehmens­bezeichnung ange­bracht seien. Es gebe keine Übung im Bereich der Kinderwagen, dass Hersteller ihre Produkte unter einer Zweitmarke vertreiben würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes - insbesondere wegen der umfangreichen Rechtsausführungen der Parteien, auf die in den Entscheidungsgründen eingegangen wird - wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch aus Art. 19 Abs. 1, Art. 10, Art. 89 Abs. 1 a) Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (im Folgenden: GGV).

Sie ist ausweislich des als Anlage L 1 vorgelegten Online-Auszugs aus dem Register des Harmonisierungsamtes Inhaberin des im Tatbestand wiedergegebenen, einge­tragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters xxx hinsichtlich eines Kinder­wagens.

Nach Art. 95 Abs. 1 GGV ist von der Rechtsgültigkeit des Klagegeschmacksmusters auszugehen. Der Klägerin steht das ausschließliche Recht zu, ihr Geschmacksmuster zu benutzen (Art. 19 Abs. 1 GGV). Die angegriffenen Kinderwagen der Beklagten fallen indes nicht in den Schutzumfang des Geschmacksmusters.

Nach Art. 10 Abs. 1 GGV erstreckt sich der Umfang des Schutzes aus dem Gemein­schafts­geschmacksmuster auf jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt. Bei der Beurteilung des Schutz­umfangs ist der Grad der Gestaltungsfreiheit zu berücksichtigen.

1.

Das Geschmacksmuster weist folgende Merkmale auf:

(1)   Elliptisch geformter Rahmen aus metallischhellen Stangen, dessen Ellipsenform nur im oberen Bereich durch eine horizontal verlaufende metallischhelle Stange begrenzt wird;

(2)   Applikationen aus schwarzem Kunststoff an den Gelenkstellen und am unteren Ende des Rahmens;

(3)   Griffe aus schwarzem Kunststoff, die die äußeren Streben des Rahmens fort­setzen und nach vorne zeigen;

(4)   horizontal verlaufende Verbindung der Griffe mit einem schwarzen Versatzstück um das sich in der Mitte befindende Gelenk herum;

(5)   Sitzfläche aus einem gespannten Stoff, die den Rahmen ausfüllt und in den Rahmen eingespannt ist;

(6)   hängemattenartige Form der Sitzfläche, die einstufig in den Stoff eingelassen ist;

(7)   zwei Räder im hinteren Bereich, die durch metallischhelle Stangen pfeilartig mit zwei im Abstand voneinander angeordneten Rädern an der Spitze des Pfeil­segments verbunden sind;

(8)   zwei metallischhelle Stangen, die jeweils von den hinteren Rädern zu einem Verbindungsstück unter der Sitzfläche führen, von dem aus ein weiteres Verbindungsrohr zur vorderen Spitze führt;

(9)   zwei metallischhelle Stangen, die von dem Mittelgelenk der Seitenstangen gleichfalls zu dem Verbindungsstück führen.

Prägend für den Gesamteindruck des Kinderwagens ist der oben geschnittene, elliptisch geformte Rahmen mit dem dazwischen gespannten Stoff, der den Rahmen sichtbar lässt. Der Kinderwagen wirkt durch die flächige Gestaltung mit dem umlaufenden Rahmen sportlich und dynamisch, wendig und windschnittig. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass die Streben von den Hinterrädern gleichfalls nach vorne zum Doppelrad pfeilartig zulaufen und so die Form des oberen, elliptischen Rahmens leicht abgewandelt wieder aufnehmen. Der technisch anspruchsvoll wirkende Faltmechanismus des Gestells unter dem Sitz spricht den Betrachter insoweit an, als die moderne, dynamische Linie des Kinderwagens unterstrichen wird.  

2.

Das Geschmacksmuster hat einen mindestens durchschnittlichen Schutz­umfang.

Insoweit teilt die Kammer die Auffassung des Oberlandesgerichts nicht in vollem Umfang, dass der Gestalter nur wenige funktionale Vorgaben beachten müsse, weshalb ihm ein großer Gestaltungs­spielraum verbleibe. Zwar ist es zutreffend, dass Kinderwagen - wie gerade der vorgelegte Formenschatz zeigt - ganz unterschiedlich ausgestaltet sein können. Will der Gestalter indes einen faltbaren Kinderwagen (Buggy) schaffen, so wird er doch durch funktionale Vorgaben in seiner Gestaltungsfreiheit eingeschränkt. Denn bei diesen Kinderwagen steht im Vordergrund, dass sie auf engem Raum genutzt und klein zusammengepackt werden können. Der Designer kann sich zunächst zwischen einem vierrädrigen oder einem dreirädrigen Wagen oder einer Zwischenlösung entscheiden. Wählt er eine Gestaltung mit nur einem oder mit zwei enger angeordneten Vorderrädern, ist es naheliegend, den Rahmen nach vorne schmaler werden zu lassen. Auch ergibt eine unmittelbare Verbindung von Vorder- und Hinterrädern eine pfeil­ähnliche Gestaltung. Schließlich ist es für die Nutzung auf engem Raum und den Transport im zusammengeklappten Zustand von Vorteil, den Stoff nicht um den Rahmen zu ziehen, um ihn vor Beschädigungen zu schützen. 

Entscheidend für den Schutzumfang ist der Abstand vom vorbekannten Formen­schatz. Davon weicht das Design des Geschmacksmusters so erheblich ab, dass es beim infor­mierten Benutzer einen deutlich anderen Gesamteindruck hervorruft als andere vor dem Anmeldetag offenbarte Muster und deshalb einen mindestens durchschnittlichen Schutzumfang hat. Das Oberlandesgericht hat ihm sogar einen weiten Schutzumfang zugebilligt. Zwar sind die Einzelmerkmale teilweise aus dem vorbekannten Formen­schatz bekannt; indes führt dies deshalb nur zu einer geringen Untergewichtung dieser Merkmale, weil sich die vorbekannten Formen im Übrigen von dem Geschmacksmuster erheblich unter­scheiden (vgl. dazu Ruhl, Gemeinschafts­­geschmacks­muster, 2006, Art. 10 Rdnr. 28).

So zeigt das Geschmacksmuster xxx der xxx KG (Anlage PBP 1 a) aufgrund der Verwendung zweier eng zusammenstehender Vorderräder zwar eine Konstruktion, bei der der Rahmen nach unten hin zusammenläuft. Auch weist es die schwarzen Kunststoffapplikationen an den Gelenkstellen und an dem unteren Ende des Rahmens auf. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat es aber keinen elliptischen Rahmen im Sinne des Klagegeschmacks­musters. Denn die Seiten­streben sind über­wiegend parallel angeordnet und laufen oben nicht aufeinander zu. Unten findet sich kein fließender Übergang in die Rundung, sondern der Rahmen knickt beidseitig nach innen ab, um dann im Bogen abzuschließen. Es fehlen auch die pfeilartigen Verbindungs­stangen zwischen Vorder- und Hinterrädern. Insgesamt wirkt das Gestell mit dem um­lau­fenden Griffteil und der herkömmlichen Hinterradachse konservativ. Dem entspricht auch, dass der Stoff nicht eingespannt, sondern um die Seitenstreben geknöpft ist. Spannung und Dynamik ist dem Kinderwagen nicht zuzuordnen.

Die  Gebrauchsmusterschrift DE 202 08 353 (Anlage PBP 1 b) zeigt zwar die in Merkmal 7 beschriebene Pfeilform, die sich auch bei den oberen Rahmenstangen findet. Aller­dings vermittelt die abgerundete Ausführung im Geschmacksmuster in Kombi­nation mit dem elliptischen oberen Rahmen doch einen deutlich anderen Eindruck als das kantige Gestell aus der Gebrauchsmusterschrift. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass in Fig. 2 auch eine Verjüngung des Rahmens zum Griffbereich hin im zusammengeklappten Zustand gezeigt ist, ist zu berücksichtigen, dass bei diesem Kinderwagengestell nicht der Rahmen selbst zu den Griffen hin aufeinander zuläuft. Vielmehr wird dieser Effekt erst durch den Klapp­mechanismus erzielt. Die Gestaltung eines Kinderwagens mit einem Rahmen in abgeschnittener Ellipsenform ist dadurch nicht nahegelegt.

Das Modell Gecko (Anlage PBP 1 c und 1 d) offenbart einen ovalen Rahmen. Hier ist in der Tat das besonders prägende Merkmal 1 des Geschmacksmusters teilweise vorweg­genommen. Allerdings fehlt die horizontal verlaufende metallischhelle Stange, da der Wagen einen umlaufenden Griff hat. Die Ellipse wirkt mithin nicht abgeschnitten wie das Geschmacksmuster. Außerdem handelt es sich um einen vierrädrigen herkömmlichen Kinderwagen mit gänzlich anderer Fahrwerks­konstruktion und einer eingesetzten Sitzschale bei im Übrigen offener Gestaltung. Das Kind sitzt in der Mitte des Rahmens, wie das Küken im Ei, geschützt und gemütlich. Sportliche Dynamik vermittelt dieser Wagen nicht. Der ovale, rundliche Rahmen vermittelt vielmehr einen gänzlich anderen Eindruck als der Rahmen des Geschmacksmusters.

Zwar finden sich die Merkmale 5 und 6, nämlich eine Sitzfläche aus gespanntem Stoff, die den Rahmen ausfüllt und einstufig in den Stoff eingelassen ist, teilweise im U.S.-Patent xxx (Anlage PBP 1 e); allerdings ist der Stoff bei dem dort gezeigten Kinderwagen nicht innen eingespannt, sondern um die Seitenstreben geführt, sodass der umlaufende Rahmen überwiegend bedeckt ist. Durch den umlaufenden Griff und die abweichende Gestaltung des Untergestells weist die in der Patentschrift gezeigte Gestaltung noch erheblichen Abstand zum Geschmacksmuster auf.

Auch das in der US-Design-Patentschrift xxx gezeigte dreirädrige Kinderwagen­gestell (Anlage PBP 1 f) hat keinen elliptischen Rahmen. Vielmehr laufen die Seiten­streben parallel und sind am oberen und unteren Ende durch einen gebogenen Griff bzw. eine gebogene Fußstange verbunden. Eine Schwächung des Merkmals 1 vermag auch diese Gestaltung nicht zu bewirken.

Das US-Design-Patent xxx (Anlage PBP 1 g) zeigt ein Kinderwagengestell bei dem der Rahmen sich nach oben und unten hin verjüngt. Eine elliptische Form ist allerdings nicht zu erkennen. Auffallend ist die Ausgestaltung der den Rahmen schließenden Griffstange und die Grundform des Gestells, das an eine Schubkarre erinnert. Vom Geschmacksmuster ist dieser Formenschatz daher deutlich entfernt.

Die internationale Geschmacksmusterregistrierung DM/xxx (Anlage PBP 1 h) zeigt ein dreirädriges Gestell und einen dreirädrigen Kinderwagen, bei denen der Rahmen unten zusammenläuft, die aber keinen ovalen Rahmen aufweisen, wenngleich nicht genau zu erkennen ist, ob der Rahmen auch oben aufeinander zuläuft. Es zeigt überdies pfeil­förmige, leicht nach innen gekrümmte, den oberen Rahmen spiegelnde Fahrwerks­stangen (Merkmal 6) und eine Sitzfläche aus gespanntem Stoff, die den Rahmen ausfüllt und in den Rahmen eingespannt ist, wobei jeweils Bänder um den Rahmen geführt sind. Die Merkmale 5 - 7 werden durch diesen Wagen etwas geschwächt, wobei aufgrund der unterschiedlichen Gestaltung im Übrigen noch ein deutlicher Abstand zum Geschmacksmuster  verbleibt.

Außerdem hat die Beklagte Kinderwagen mit freiliegendem Rahmen zusammengestellt (Anlage PBP 3), die aber alle in der übrigen Gestaltung sehr weit vom Geschmacksmuster entfernt liegen.

Schließlich sind zwar - wie die Kammer auch aus dem vorangegangenen Verfahren weiß - die in den Merkmalen 3 und 4 beschriebenen Griffe nebst Verbindungsstange in ähnlicher Gestaltung im Formenschatz ebenso wie das Merkmal 2 belegt. Prägend für das Klagegeschmacksmuster ist indes ihre Kombination mit den übrigen Merkmalen, insbesondere dem elliptisch geformten, freiliegenden, metallischhellen Rahmen und der eingespannten, den Rahmen freilassenden Sitzfläche.

Insgesamt ergibt sich aus dem Vergleich mit dem Formenschatz, dass zwar die Merkmale 2, 3, 4 und 6 vorbekannt und daher geringer zu gewichten sind, während das Klagegeschmacksmuster durch die Kombination der bekannten Merkmale mit den stark prägenden Merkmalen 1 und 7 sowie 5 seinen besonderen Gesamteindruck erhält, wobei bei letzterem entscheidend ist, dass der Stoff in den Rahmen so eingespannt ist, dass dieser sichtbar bleibt. Die im vorbekannten Formenschatz nicht festzustellenden Merkmale 8 und 9 schaffen ebenfalls ein Abstand zum Formenschatz, wobei ihre Wirkung auf den Gesamteindruck trotz des Abstandes zum Formenschatz nicht über­zubewerten ist, weil sie zugleich einer technischen Lösung geschuldet sind und damit vom informierten Benutzer geringer gewichtet werden (vgl. Ruhl, a.a.O., Art. 10 Rdnr. 66).

Der Abstand zum Formenschatz ist insgesamt erheblich, weshalb auch der Schutzumfang des Geschmacksmusters nicht eng zu fassen ist.

3.

Gleichwohl verbleibt die Kammer bei ihrer Überzeugung, dass die im Antrag abgebildeten Verletzungsmuster "FIT+" und "KISS+" selbst dann beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck als das Muster der Klägerin erwecken, wenn man mit dem Oberlandesgericht sogar von einem weiten Schutzumfang des Geschmacksmusters ausgeht. Die angegriffen Kinderwagen benutzen mithin das Geschmacksmuster nicht.

Die Merkmale des Geschmacksmusters finden sich bei den angegriffenen Ausführungsformen nur teilweise wieder. Bei dem Vergleich der Geschmacksmuster sind alle Merkmale unter Berücksichtigung ihrer Gewichtung für den Gesamteindruck zu prüfen. Dabei genügt es nicht, Übereinstimmungen in prägenden Merkmalen festzustellen. Da der Gesamteindruck geprüft wird, ist kein Raum für die völlige Ausblendung von "unwesentlichen" Merkmalen, zumal sich auch kleine Unterschiede zu einem unterschiedlichen Gesamteindruck summieren können (vgl. Ruhl, a.a.O. Rdnr. 31). 

Bei den angegriffenen Kinderwagen finden sich schon keine vollständigen Übereinstimmungen in den prägenden Merkmalen; vielmehr weisen sie insoweit nur starke Ähnlichkeiten mit dem Geschmacksmuster auf. Die Summe der Unterschiede in den übrigen Merkmalen führen in Verbindung mit den Abweichungen in den prägenden Merkmalen zu einem unterschiedlichen Gesamteindruck.

Im Einzelnen:

Beim Vergleich des Geschmacksmusters mit den angegriffenen Kinderwagen finden sich nur die Merkmale 2 und 7 vollständig übereinstimmend wieder, wobei Merkmal 2 als gängiges Gestaltungsmerkmal nur sehr geringe Bedeutung zukommt, während Merkmal 7 - wie ausgeführt - insbesondere auch im Zusammenspiel mit Merkmal 1 zu den prägenden Merkmalen zählt.

Merkmal 6, das von durchschnittlicher Bedeutung ist, kann man nur dann als übereinstimmend verwirklicht ansehen, wenn man die zusätzliche Fußstufe als zusätzliches Merkmal oder im Rahmen von Merkmal 5 berücksichtigt und nicht als zweite Stufe der Sitzfläche ansehen will, wie dies im Vorverfahren wohl angenommen wurde.

Der in besonders hohem Maße prägende, elliptische Aluminiumrahmen (Merkmal 1) findet sich bei den angegriffenen Kinderwagen nicht mehr identisch wieder. Der Rahmen ist nunmehr mit geraden Streben gestaltet, die leicht abgeknickt sind. Sie sind aber gleichwohl so geformt, dass sie im wesentlichen dieselbe Kontur wie vorher ausbilden, wobei der Eindruck einer Ellipse dadurch verstärkt wird, dass die Stangen unten in der an der Unterkante halbrund geformten Fußstufe enden.

Der informierte Benutzer, der mit einigen Kenntnissen und Designbewusstsein die Erzeugnisse vergleicht, wird zwar bemerken, dass es sich nicht um gewölbte Stangen handelt. Denn er wird den Gesamteindruck nicht nur aufgrund der aus der Entfernung deutlich werdenden Gesamtgestaltung, sondern auch nach seinen Detailgestaltungen beurteilen (vgl. dazu für ein Erzeugnis im Bereich hoher Musterdichte, OLG Düsseldorf, I-20 U 128/06, Urteil vom 03.04.2007, zitiert nach Hartwig, Designschutz in Europa, Bd. 3, S. 129, Tz. 17). Das gilt hier trotz geringerer Musterdichte deshalb, weil es sich um ein Erzeugnis handelt, dass die Benutzer selbst äußerlich sichtbar bei sich führen (vgl. dazu Ruhl, Art. 6, Rdnr. 35, 36). Gleichwohl wird der informierte Benutzer diesem Unterschied aber für den Gesamteindruck weniger Bedeutung beimessen, weil mit den leicht abgeknickten, geraden Streben ein optisch sehr ähnlicher Effekt erzielt wird wie mit den gewölbten Streben des Geschmacksmusters. Man muss die Rahmen­gestaltung der angegriffenen Kinderwagen wohl eher als verschlechtertes Merkmal ansehen und die Abweichung daher gering gewichten (vgl. Ruhl, a.a.O. Art. 10 Rdnr. 39).

Entscheidend für die hohe Übereinstimmung in der Gestaltung des Rahmens ist das in Merkmal 5 beschriebene Element, dass die Sitzfläche in den Rahmen ein­ge­spannt ist mit der Folge, dass der Rahmen freiliegt. Gleichwohl wird der informierte Benutzer aufgrund seiner Kenntnisse und seines Designbewusstseins feststellen, dass die angegriffenen Muster an sportlicher Dynamik weiter verloren und sich dem oben beschriebenen Formenschatz angenähert haben.

Es verbleibt aber ein sehr ähnlicher Eindruck, der - wie schon zu den Modellen im Vorverfahren ausgeführt -  auch nicht dadurch beseitigt wird, dass die Seitenstreben am Mittelgelenk unterbrochen sind. Denn dies wird durch die schwarzen Plastikabdeckungen derart kaschiert, dass der Eindruck eines durchgängig umlaufenden Rahmens erhalten bleibt. Indes wird die Ähnlichkeit mit einer Ellipse im unteren Bereich dadurch deutlich eingeschränkt, dass in den Stoff eine farblich abgesetzte Fußstufe eingesetzt ist und dort die nach vorne ausgewölbte Kunststoff­applikation beginnt, wodurch deutliche optische Querlinien entstehen, die die Ellipse in gewisser Weise auch unten abschneiden. Auch wird der flächige Eindruck des Geschmacksmusters, der im Zusammenwirken mit Merkmal 6 geschaffen wird, durch die Fußstufe und die hervor­stehende Kunststoff­applikation erheblich geschwächt.

Viel entscheidender für die Begründung eines abweichenden Gesamteindruck ist, dass die angegriffenen Kinderwagen die Ellipse nicht mehr mit einer horizontalen metallischhellen Stange begrenzen, sondern durch den eher kräftigen, schwarzen, umlaufenden Griff, wodurch zugleich die Überstimmung der Vorläufermodelle in den Merkmalen 3 und 4 vollständig beseitigt wurde. Dieser Unterschied ist besonders augenfällig, da beide Grifflösungen zwar aus dem Formenschatz bekannt aber gleichwohl sehr unterschiedlich sind. Die Griffgestaltung der Klägerin erinnert eher an den einfachen, leichten, schnell zusammenlegbaren Stadtbuggy. Die umlaufende Griffstange wirkt dagegen robuster und etwas behäbiger. Auch wenn die Griffstange im Grundsatz wie die metallischhelle Stange des Klagegeschmacksmusters horizontal verläuft, hat sie doch eine ganz andere Wirkung. Sie verschließt den Rahmen nach oben hin, während beim Klagegeschmacksmuster zwar die Ellipsenform durch die Stange geschnitten wird, in Verbindung mit den nach vorne stehenden Griffen aber gerade der Eindruck einer eher offenen Ellipsenform verbleibt.

Insgesamt wird deutlich, dass sich die Beklagten mit den leicht geknickten, geraden Rahmenstangen und dem Griffbügel wieder stärker dem bekannten Formenschatz annäherten.

Deutliche Abweichungen bestehen neben der Ausgestaltung der Griffkonstruktion aber auch bei Merkmal 5. Zwar füllt bei den angegriffenen Kinderwagen der Stoff den Rahmen aus und bildet eine hängemattenartige Form der einstufig in den Stoff eingelassenen Sitzfläche. Auch ist er nicht um den Rahmen gewickelt, sondern innen befestigt. Denn der Stoff ist bei den angegriffenen Mustern nur im unteren Bereich gespannt, wobei dort noch eine zusätzliche Stufe für die Füße geschaffen wurde. Im oberen Bereich wurde in die Sitzfläche zusätzlicher Stoff eingearbeitet, um ein Zurückklappen der Rückenlehne zu ermöglichen. Zwar ist der Stoff nicht um den Rahmen gewickelt, sondern innen befestigt, gleichwohl findet sich gerade keine Sitzfläche aus einem im Rahmen gespannten Stoff. Die Kammer verbleibt bei ihrer im Vorverfahren vertretenen Auffassung, dass darin ein ganz entscheidender Unterschied zum Geschmacksmuster liegt. Bei ausgeklappter Rücklehne verändert sich die Gestalt der Kinderwagen, wie insbesondere in der Seitenansicht deutlich wird. Bei eingeklappter Rücklehne nähert sich die Form der Kinderwagen zwar wieder der des Geschmacksmusters an, indes bilden sich deutlich hervortretende Stofffalten. Der Sitzfläche fehlt, mehr noch als im ausgeklappten Zustand, jede Spannung. Der flächige Charakter ist aufgehoben. Sportliche Dynamik vermögen diese Wagen nicht mehr zu vermitteln.

Auch beim Untergestell finden sich Unterschiede, die im Zusammenwirken mit den bereits beschriebenen Unterschieden zu einem anderen Gesamteindruck führen. Zwar greifen die angegriffenen Ausführungsformen die pfeilförmige Gestaltung der von den hinteren Rädern zum vorderen Doppelrad führenden Streben auf. Allerdings fehlt es völlig an den Merkmalen 8 und 9, die den technisch anspruchsvoll wirkenden Faltmechanismus des Gestänges unter dem Sitz beschreiben, der die moderne, dynamische Linie des geschützten Kinderwagens deutlich unterstreicht.  Wenn auch der informierte Benutzer der genauen Ausgestaltung des Klappmecha­nismus weniger Bedeutung für den Gesamteindruck beimessen wird, da sie der technischen Konstruktion des zusammenklappbaren Kinderwagens geschuldet ist und weniger der Gestaltung dient, so ist gleichwohl eine grundlegend andere Gestaltung deutlich zu erkennen. Während das Geschmacksmuster eine dickes, von der Spitze des Kinderwagens ausgehendes Verbindungsrohr aufweist, das mit den anderen Stangen in einem großen, auffälligen Knotenpunkt unter der Sitzfläche endet, ist umgekehrt bei den angegriffenen Kinderwagen eine diese hochgradig prägende Gestaltung gerade in diesem Bereich festzustellen. Sie liegt in dem nahezu vollständigen Fehlen eines Gestänges unter der Sitzfläche, das auch optisch durch die Verwendung schwarzer Stangen zurücktritt. Die angegriffenen Kinderwagen weisen nur ein sehr weit vorne angeordnetes Scherengestänge auf und wirken dadurch deutlich leichter, aber auch fragiler. Eine sportlichdynamische Belastung mag man diesem Gestell weniger zumuten.

Die weiteren, kleineren Abweichungen in der Gestaltung sind nicht entscheidend, verstärken aber die Vermittlung eines anderen Gesamteindrucks. Insgesamt vermögen die Kinderwagen der Beklagten gerade nicht den schnittigen und sportlichdynamischen Gesamteindruck des Klagegeschmacksmusters zu vermitteln. Im Gesamteindruck noch deutlich weiter entfernt als das Modell "FIT+" liegt dabei das Modell "KISS+", das durch die weiter beabstandeten Vorderräder noch einen zusätzlichen ganz erheblichen Unterschied aufweist.

Zur Überzeugung der Kammer führen die neu geschaffenen Unterschiede in der Rahmengestaltung, insbesondere die veränderte Griffgestaltung, zusammen mit den weiteren erheblichen Unterschieden dazu, dass ein übereinstimmender Gesamt­eindruck auch bei Annahme eines weiten Schutzumfangs zu verneinen ist. Denn allein die Feststellung, dass die Kinderwagen in der das Geschmacksmuster in besonders hohem Maße prägenden elliptischen, freiliegenden Rahmengestaltung sehr ähnlich sind, genügt für die Feststellung eines übereinstimmenden Gesamteindrucks nicht. Damit würde man diesem Teil des Geschmacksmusters eine Art unzulässigen Elementenschutz zukommen lassen und nicht hinreichend berück­sichtigen, dass der Gesamteindruck aufgrund des Erzeugnisses als ganzen zu vergleichen ist (vgl. zum Elementenschutz, Ruhl, a.a.O. § 10, Rdnr. 44).

Auf die Zusatzapplikationen der angegriffenen Muster kommt es nach alledem nicht mehr an. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass sie den Wagen mit einem Sicherheitsbügel und insbesondere mit der Aufbewahrungstasche anbietet, die beim Geschmacksmuster fehlen, handelt es sich um Zubehör, das üblicherweise bei Kinderwagen zusätzlich angeboten wird, sofern es noch nicht montiert ist. Die Kammer ist mit dem Oberlandesgericht der Auffassung, dass der informierte Benutzer diesen Elementen keine gestaltungsprägende Bedeutung für den Kinderwagen zumessen und den Gesamt­eindruck aus der Gestaltung des Kinder­wagens ohne Zubehör gewinnen wird.

II.

Der Klägerin steht kein Anspruch aus §§ 3, 4 Nr. 9 UWG auf ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz zu.

1.

Der für das Verhältnis des Wettbewerbsrechts zum Sonderrechtsschutz geltende Grundsatz, dass ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz grundsätzlich dann nicht gewährt wird, wenn bereits ein Sonderrechtsschutz besteht (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl. 2008, § 4 Rz. 9.5. m.w.N.), gilt nicht für das Verhältnis zum Geschmacksmusterrecht (BGH GRUR 2006, 79 - Jeans I).

2.

Der Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses kann wettbewerbswidrig sein, wenn dieses von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten, die seine Nachahmung unlauter erscheinen lassen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je größer der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen (BGH GRUR 2007, 339, 341 - Stufenleitern; BGH GRUR 2007, 984, 986 - Gartenliegen).

3.

Es kann offen bleiben, ob das Kinderwagen­modell "ZAPP" der Klägerin über wettbewerbliche Eigenart verfügt.

Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale eines Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH a.a.O., BGH GRUR 2003, 973, 974 - Tupperwareparty; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rz. 9.24 m.w.N.). Dabei genügt es, wenn der Verkehr aufgrund der Ausgestaltung oder bestimmter Merkmale des Erzeugnisses die Vorstellung hat, es könne wohl nur von einem bestimmten Anbieter oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen stammen (BGH GRUR 2007, 984, 986 - Gartenliege). Der Grad der wettbewerblichen Eigenart kann durch die tatsächliche Bekanntheit des Erzeugnisses im Verkehr verstärkt werden (BGH GRUR 2001, 251, 253 - Messerkennzeichnung; BGH GRUR 2005, 600, 602 - Handtuchklemmen).

Im Hinblick auf den Kinderwagen der Klägerin sprechen der bezüglich des Geschmacksmusters dargelegte, für den Kinderwagen in gleicher Weise geltende Abstand vom vorbekannten Formenschatz sowie die vorgetragenen (bestrittenen) Umsatzzahlen, Werbeaufwendungen und Publikationen für eine wettbewerbliche Eigen­art.

4.

Allerdings fehlt es im Hinblick auf die Kinderwagen der Beklagten an einer Nachahmung, die geeignet ist, die Gefahr einer Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 9a UWG) oder den Un­lauter­keitstatbestand der Rufausbeutung oder - beeinträchtigung (§ 4 Nr. 9b UWG) zu begründen.

Wie bereits im Hinblick auf das Geschmacksmuster dargelegt, vermitteln die angegriffenen Kinderwagen einen anderen Gesamteindruck als dieses. Dann kann auch für den wettbewerblichen Anspruch grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass eine nachschaffende Nachahmung des dem Geschmacksmuster nachgebildeten Erzeugnisses nicht vorliegt, weil der Gesamteindruck unterschiedlich ist (LG Hamburg, 308 O 639/04, Urteil vom 8.7.2003 - Mobiltelefon,  zitiert nach Hartwig, a.a.O., Bd. 2, S. 347). Es müssen dann zusätzliche, über die Nachahmung hinaus gehende unlautere Begleitumstände vorliegen, die die Wettbewerbswidrigkeit begründen (Hanseatisches OLG Hamburg,5 U 135/05, Urteil vom 20.12.2006 - Mobiltelefon, zitiert nach Hartwig, a.a.O., Bd. 3, S. 75, Tz. 63 ff.).

Eine Nachahmung liegt im Hinblick auf die angegriffenen Kinderwagen im Vergleich zum Kinderwagen "ZAPP" der Klägerin nicht vor, weil es am übereinstimmenden Gesamteindruck fehlt und keine zusätzlichen Begleitumstände vorliegen, die die Wettbewerbswidrigkeit begründen. Zwar weist der Kinderwagen "ZAPP" abweichend vom Geschmacksmuster auch eine zweite Stufe im eingespannten Stoff als Fußabstellfläche auf und wirkt daher im unteren Bereich weniger flächig als das Geschmacksmuster. Die hängemattenartige Form ist deutlich geschwächt. In diesem Merkmal sind der Kinderwagen "ZAPP" und die angegriffenen Kinderwagen in ihrer Gestaltung weitaus ähnlicher als Geschmacksmuster und angegriffene Ausführungsform. Gleichwohl verbleibt es aber bei den erheblichen Unterschieden insoweit, als der Kinderwagen "ZAPP" im oberen Sitzbereich/Rücklehne entsprechend dem Klagegeschmacksmuster einen stramm eingespannten Stoff aufweist, während  die angegriffenen Wagen hier mit der klappbaren Rücklehne jede Spannung und damit den flächigen Eindruck vermissen lassen. Auch die im Hinblick auf das Geschmacksmuster beschriebenen Unterschiede im Gestell finden sich wieder. Während der Kinderwagen "ZAPP" ein fast klobig wirkendes Faltgestänge unter der Sitzfläche hat, das den Eindruck von Solidität und sportlicher Kraft vermittelt, fehlt den angegriffenen Kinderwagen ein vergleichbares Gestänge. Die weit vorne an­ge­­ordnete Schere wirkt fragil und die Kinderwagen eher leicht und wendig, aber wenig be­lastbar. Insgesamt wirken die angegriffenen Kinderwagen - der vierrädrige umso mehr -  bei weitem nicht so dynamisch kraftvoll und sportlich wie der Kinderwagen "ZAPP". Hinzugetreten sind bei den hier zu beurteilenden neuen Kinderwagenmodellen der Beklagten noch die Änderungen in der Rahmenform und insbesondere der Griffgestaltung, die zusammen mit den anderen Unterschieden deutlich aus dem Nachahmungsbereich herausführen.

Die Gefahr einer Herkunftstäuschung scheidet daher schon deshalb aus, weil der Kinderwagen einen anderen Gesamteindruck vermittelt. Hinzukommen die deutlich angebrachten Herkunftshinweise durch das mehrfach angebrachte Wort- und Bildzeichen der Beklagten. Inwieweit Herstellerkennzeichnungen eine Herkunfts­­täuschung vermeiden können, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (BGH GRUR 2001, 443, 445 - Vienetta; OLG Hamburg, NJOZ 2007, 3055). Dabei kann es darauf ankommen, ob die Herkunftskennzeichnung unmittelbar und deutlich wahrnehmbar ist; ebenso darauf, ob die Herkunftskennzeichnung dauerhaft oder nur auf einem ablösbaren Aufkleber angebracht ist (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rz. 9.46 m.w.N.). Im Streitfall sind die Zeichen der Beklagten mehrfach auf den Kinderwagen angebracht und wirken nicht nur als Applikation, sondern legen nahe, dass es sich um ein Herstellerzeichen handelt. Umgekehrt ist der Wagen der Klägerin mit den Schriftzügen "Quinny" und "zapp" versehen. Jedenfalls im Zusammenwirken dieser Herstellerhinweise mit den Unterschieden, die die Muster aufweisen, wird der Verkehr auch nicht annehmen, es handele sich bei den Kinderwagen der Beklagten um eine Zweitmarke der Klägerin. Insoweit fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten (vgl. dazu BGH GRUR 1998, 477, 480 - Trachtenjacken; OLG Köln NJW-RR 2003, 183, 186). Ein Erfahrungssatz, dass ein Unternehmen seinem Konkurrenten die nachschaffende Übernahme seiner Produkte gestattet, existiert nicht (BGH GRUR 2001, 443, 446 - Vienetta; OLG Köln a.a.O.). Dass es im Bereich der Kinderwagen eine Übung von Herstellern bekannter Marken gibt, ihre Produkte unter Zweitmarken zu vertreiben oder Konkurrenten die nachschaffende Übernahme von Produkten zu gestatten, hat die Klägerin nicht ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht und ist - auch unter Berücksichtigung der in Anlage L 16 gezeigten Kinderwagen - nicht ersichtlich.

Insgesamt wird der interessierte Betrachter gerade nicht davon ausgehen, dass die beiden Produkte von demselben Hersteller oder einem mit ihm geschäftlich oder organisatorisch verbundenen Unternehmen stammen.

Aufgrund der erheblichen Gestaltungsunterschiede scheidet auch eine Rufausbeutung oder -beeinträchtigung aus. Diese würde überdies erfordern, dass das Kinder­wagen­modell "Zapp" eine besondere "Wertschätzung" genießt, d.h. in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit, genauer der potentiellen Käufer, mit positiven Vorstellungen besetzt wäre, die sich insbesondere auf die Qualität, die Exklusivität oder den Luxus- oder Prestigewert des Produktes beziehen können, wobei der gute Ruf dabei auf eigenen geschäftlichen Aktivitäten, insbesondere den Werbeanstrengungen des Herstellers, beruhen muss (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rz. 9.52). Es ist insoweit gerichtsbekannt, dass es mehrere Hersteller hochwertiger Kinderwagen auf dem Markt gibt. Auch wenn man von den angegebenen (bestrittenen) Umsatzzahlen ausgeht, ergibt sich aus ihnen keine solche besondere "Wertschätzung" des Kinderwagenmodells "Zapp", die bei der Übernahme von Merkmalen des Kinderwagens durch einen anderen Hersteller eine Rufausbeutung oder - beeinträchtigung befürchten ließen. Für ein Qualitätsdefizit bei den Kinderwagen der Beklagten bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

5.

Auch ein Anspruch aus § 5 Abs. 2 UWG wegen einer unlauteren Irreführung scheidet aus. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Herkunftstäuschung verwiesen werden.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 200.000 € festgesetzt.