ArbG Aachen, Urteil vom 13.12.2012 - 2 Ca 4226/11
Fundstelle
openJur 2013, 5864
  • Rkr:

Weist ein Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft die Bewerbung eines Krankenpflegers allein mit der Begründung zurück, er sei nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft, stellt dies eine Diskriminierung im Sinne des AGG dar und löst eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG aus. Die Religionsgemeinschaft kann sich insoweit nicht auf ihren verfassungsrechtlichen Sonderstatus berufen, wenn sie allein auf die formelle Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft abstellt. Nach ihren eigenen Vorgaben in § 3 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes darf sie nur bei der Besetzung von Stellen im pastoralen, katechetischen sowie in der Regel im erzieherischen Bereich und bei leitenden Aufgaben die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche verlangen. Bei allen übrigen Stellen reicht es aus, dass der Bewerber sicher stellt, den besonderen Auftrag glaubwürdig zu erfüllen. Die Entschädigung ist auch unterhalb der Schwelle des § 15 Abs. 2 AGG zu reduzieren, wenn die Schwere des Verstoßes wegen der schwierigen und weitgehend ungeklärten Rechtslage als gering einzustufen war.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.000,00 EUR (i. W. dreitausend Euro, Cent wie nebenstehend) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 24.11.2011 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 80 %, die Beklagte zu 20 %.

4. Der Streitwert wird auf 9..423,01 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen Diskriminierung aus Gründen der Religionszugehörigkeit bei der Bewerbung.

Der heute 40-jährige Kläger war seit seiner Ausbildung zum Krankenpfleger über 12 Jahre hinweg am Universitätsklinikum B., zuletzt mit 30,38 Wochenstunden beschäftigt. Während dieser Zeit hatte er sich berufsbegleitend weitergebildet. Er ist verheiratet und Vater dreier Kinder, er war zu keinem Zeitpunkt Mitglied einer Religionsgemeinschaft.

Die Beklagte ist eine katholische Kirchengemeinde, die in F. ein Krankenhaus betreibt. In der auch für sie geltenden Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22.09.1993 heißt es unter anderem:

Artikel 1 : Grundprinzipien des kirchlichen Dienstes

Alle in einer Einrichtung der katholischen Kirche Tätigen tragen durch ihre Arbeit ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dazu bei, dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann (Dienstgemeinschaft). Alle Beteiligten, Dienstgeber sowie leitende und ausführende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, müssen anerkennen und ihrem Handeln zugrunde legen, dass Zielsetzung und Tätigkeit, Organisationsstruktur und Leitung der Einrichtung, für die sie tätig sind, sich an der Glaubens- und Sittenlehre und an der Rechtsordnung der katholischen Kirche auszurichten haben.

Artikel 2 : Geltungsbereich

(1) Diese Grundordnung gilt für Arbeitsverhältnisse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei den Dienststellen, Einrichtungen und sonstigen selbständig geführten Stellen - nachfolgend als Einrichtung(en) bezeichnet -

a) der Diözesen,

b) der Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen,

c) der Verbände von Kirchengemeinden,

d) der Diözesancaritasverbände und deren Gliederungen, soweit sie öffentliche juristische Personen des kanonischen Rechts sind,

e) der sonstigen öffentlichen juristischen Personen des kanonischen Rechts.

(2) Diese Grundordnung ist auch anzuwenden im Bereich der sonstigen kirchlichen Rechtsträger und ihrer Einrichtungen, unbeschadet ihrer Rechtsform sowie des Verbandes der Diözesen Deutschlands und des Deutschen Caritasverbandes. Die vorgenannten Rechtsträger sind gehalten, die Grundordnung für ihren Bereich rechtsverbindlich zu übernehmen.

(3) Unter diese Ordnung fallen nicht Mitarbeiter, die auf Grund eines Klerikerdienstverhältnisses oder ihrer Ordenszugehörigkeit tätig sind.

Artikel 3: Begründung des Arbeitsverhältnisses

(1) Der kirchliche Dienstgeber muss bei der Einstellung darauf achten, dass eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter die Eigenart des kirchlichen Dienstes bejahen. Er muss auch prüfen, ob die Bewerberin und der Bewerber geeignet und befähigt sind, die vorgesehene Aufgabe so zu erfüllen, dass sie der Stellung der Einrichtung in der Kirche und der übertragenen Funktion gerecht werden.

(2) Der kirchliche Dienstgeber kann pastorale, katechetische sowie in der Regel erzieherische und leitende Aufgaben nur einer Person übertragen, die der katholischen Kirche angehört.

(3) Der kirchliche Dienstgeber muss bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch Festlegung der entsprechenden Anforderungen sicherstellen, dass sie ihren besonderen Auftrag glaubwürdig erfüllen können. Dazu gehören fachliche Tüchtigkeit, gewissenhafte Erfüllung der übertragenen Aufgaben und eine Zustimmung zu den Zielen der Einrichtung.

(4) Für keinen Dienst in der Kirche geeignet ist, wer sich kirchenfeindlich betätigt oder aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.

(5) Der kirchliche Dienstgeber hat vor Abschluss des Arbeitsvertrages durch Befragung und Aufklärung der Bewerberinnen und Bewerber sicherzustellen, dass sie die für sie nach dem Arbeitsvertrag geltenden Loyalitätsobliegenheiten (Artikel 4) erfüllen.

Artikel 4: Loyalitätsobliegenheiten

(1) Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Insbesondere im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst sowie bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind, ist das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich. Dies gilt auch für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(2) Von nichtkatholischen christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Wahrheiten und Werte des Evangeliums achten und dazu beitragen, sie in der Einrichtung zur Geltung zu bringen.

(3) Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen bereit sein, die ihnen in einer kirchlichen Einrichtung zu übertragenden Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.

(4) Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen. Sie dürfen in ihrer persönlichen Lebensführung und in ihrem dienstlichen Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden.

Die beklagte Kirchengemeinde schaltete für das Krankenhaus Mitte 2012 im Internet und auf ihrer Homepage eine Anzeige mit auszugsweise folgendem Inhalt:

"... Wir suchen ... zum nächstmöglichen Zeitpunkt für unsere interdisziplinäre Intensivstation - integriert in unsere zertifizierte Chest-Pain-Unit  (CPU) und unser regionales Traumazentrum -, für unseren Funktionsbereich Anästesiepflege - bestehend aus Zentral-OP, Aufwachraum und einer interdisziplinären Intermediate-Care-Einheit (IMC) - sowie für unsere internistische Notaufnahme - bestehend aus Ambulanz-, Überwachungs- und Low-Care Bereich - mehrere

Gesundheits- und

Krankenpfleger/innen

(in Voll- oder Teilzeit)

              ... Voraussetzungen:

·         Examen in der (Gesundheits- und) Krankenpflege)

·         Überzeugende Erfahrungen im entsprechenden oder einem verwandten Bereich, gerne eine Fachweiterbildung

·         Eine ausgeprägte Identifikation mit den Abteilungs- und Unternehmenszielen

·         Sensibilität im Umgang mit Patienten und Mitarbeitern

·         Belastbarkeit, Teamfähigkeit und Flexibilität

·         Bereitschaft zur ständigen persönlichen Weiterentwicklung und Fortbildung

Am 08.08.2012 bewarb sich der Kläger auf diese Anzeige. In dem Betreff seines Schreibens heißt es:

Bewerbung als Fachkrankenpfleger für Ihre Intensivstation

Daraufhin wurde er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, das am 12.08.2011 stattfand. Für die Beklagte brachte die Pflegedienstleiterin darin zu Ausdruck, dass Bewerber mit seiner Erfahrung und Qualifikation selten seien. Die Frage nach seiner Religionszugehörigkeit wurde nicht gestellt. Die Parteien vereinbarten eine Hospitation für den 31.08.2011. In deren Verlauf wurde dem Kläger von der Stationsleiterin mitgeteilt, dass keine Bedenken gegen seine Einstellung bestünden. Der Kläger teilte mit, gern am 01.01.2012 die neue Stelle antreten zu wollen. Bei der Beklagten hätte er ein Einkommen in Höhe von 2.809,37 EUR erzielt.

Am 01.09.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, seine Konfessionslosigkeit stelle ein Problem bei der Einstellung dar. Mit Schreiben vom 05.09.2011 reichte die Beklagte dem Kläger die Bewerbungsunterlagen zurück mit dem Hinweis darauf, dass "eine Einstellung in unserem Hause aus den mit Ihnen besprochenen Gründen nicht zustande" komme. Bemühungen des Klägers, die Beklagte umzustimmen, hatten in der Folgezeit keinen Erfolg. Zu diesem Zeitpunkt ging die Beklagte fälschlicherweise noch davon aus, dass der Kläger aus der Kirche ausgetreten sei. In der Folgezeit stellte die Beklagte einen konfessionsgebundenen Bewerber ein.

Mit Schreiben vom 27.10.2011 machte der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 3 Monatsgehältern und einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Differenzvergütung geltend. Zur Begründung wurde ausgeführt, es liege eine Diskriminierung vor, da die zuvor erklärte Zusage einer Einstellung nach Kenntnis der Konfessionslosigkeit zurückgenommen worden sei. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Blatt 31 ff.) ergänzend Bezug genommen. Die Forderungen wies die Beklagte mit Schreiben vom 09.11.2011 (Blatt 4.) als nicht nachvollziehbar zurück.

Mit Beginn des Jahres 2012 wechselte der Kläger den Arbeitgeber. Seither ist er als Krankenpfleger in Vollzeit beschäftigt.

Mit seiner am 18.11.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 24.11.2011 zugestellten Klage begehrte der Kläger eine  Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern und Schadensersatz in Höhe der Differenzvergütung für zunächst 7. Monate. Mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 9.11.2011 verlangt der Kläger Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm den Erwerbsschaden zu ersetzen, der ihm dadurch entsteht, dass er nicht als Krankenpfleger im Sankt B. Hospital eingestellt worden ist.

Der Kläger ist der Ansicht, die Ablehnung seiner Bewerbung aufgrund seiner Konfessionslosigkeit sei einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes dar. Die Mitgliedschaft zur katholischen Kirche bzw. einer anderen Konfession stelle keine berufliche Anforderung an die Tätigkeit eines Krankenpflegers dar, die eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion bei der Beschäftigung durch eine Religionsgemeinschaft nach § 9 Abs. 1 AGG rechtfertigen könne. Bei einer Tätigkeit, die keine oder nur geringe Berührung mit der Verkündung der Botschaft der Religionsgemeinschaft habe, also dem verkündigungsfernen Bereich zuzurechnen sei, bestehe kein schützenswertes Interesse der Religionsgemeinschaft, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könne. Bei der Tätigkeit als Krankenpfleger handele es sich um eine solche verkündigungsferne Tätigkeit, da Anforderungen an die Religion oder Weltanschauung allenfalls einen Randbereich seiner Tätigkeit stellten. Das Berufsbild eines Krankenpflegers unterscheide sich durch nichts von dem Berufsbild von Krankenpflegern an anderen Krankenhäusern, die sich nicht in kirchlicher Trägerschaft befinden. Das gelte sowohl für die fachliche Pflege von Kranken wie auch für die Grundsätze der Medizinethik.

Hinsichtlich der Höhe des Entschädigungsanspruchs vertritt der Kläger die Ansicht, er stünde ihm im gesetzlich vorgesehenen Maximalrahmen von drei Bruttomonatsgehältern zu. Dies folge aus der Überlegung, dass die Diskriminierung, die der Kläger aufgrund seiner Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft durch die Beklagte erfahren habe, als ein schwerwiegender Verstoß gegen das AGG angesehen werden müsse.

Der Kläger beantragt nach Rücknahme des Schadensersatzanspruchs nach § 15 Abs. 1 AGG und der Feststellungsklage,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9..423,01 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 288 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Mitgliedschaft zur katholischen Kirche bzw. einer anderen christlichen Konfession stelle eine berufliche Anforderung an die hier in Frage stehende Tätigkeit dar, die dem Selbstverständnis der Beklagten als katholischer Kirchengemeinde entspreche. Es sei Kern der durch Art. 137 Abs. 3 WRV gewährten Autonomie, selbst zu entscheiden, welche Voraussetzungen allgemein oder im Speziellen von Beschäftigten erfüllt werden müssen, um an dem Auftrag der Kirche in der Welt teilzunehmen. Hierüber verhalte sich das Regelwerk in Art. 3 der Grundordnung der katholischen Kirche. Entsprechend greifen die katholische Kirche und ihre Einrichtungen bei Bewerbungen für bestimmte Tätigkeiten zwingend auf Bewerbungen der eigenen Konfession zurück. Bei anderen Tätigkeiten stelle sie durch entsprechende Anforderungen sicher, dass die Bewerber ihren besonderen Auftrag glaubwürdig erfüllen können. Hierzu könne je nach in Frage stehender Tätigkeit als Anforderung die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche oder einer anderen christlichen Konfession aufgestellt werden. Nur wenn dies mangels geeigneter Bewerber nicht möglich sei, würde man auch auf konfessionslose Bewerber zurück greifen. In der Praxis entschieden Krankenhäuser bei der Besetzung von Krankenpflegern von Fall zu Fall, ob sie katholischen Bewerbern den Vorzug geben oder nicht. Entsprechend ihrem Selbstverständnis habe die Beklagte für ihren Bereich entschieden, im palliativen Pflegebereich ausschließlich Personen zu beschäftigen, die der katholischen Kirche oder einer anderen Konfession angehöre. Bei der Tätigkeit eines Krankenpflegers handele es sich wie bei einer Altenpflegerin um eine verkündigungsnahe Tätigkeit. Die Krankenversorgung sei Ausdruck des christlichen Selbstverständnisses und damit Teil des Verkündungsauftrages der Kirche. Dementsprechend beschränke sich die Tätigkeit eines Krankenpflegers nicht nur auf die rein fachliche Pflege, der Krankenpfleger sei auch Ansprechpartner für Patienten und Angehörige in existenziellen Nöten und Ängsten. Konfessionslose Pflegekräfte beschäftige die Beklagte nicht. Nur Tätigkeiten eines Gärtners, der Buchhaltungskraft oder des Reinigungs- oder Küchenpersonal können als verkündigungsfern bezeichnet werden. Letztlich bestimme die Beklagte als Einrichtung der katholischen Kirche im Rahmen ihres verfassungsrechtlich abgesicherten Selbstbestimmungsrecht allein, wann die Konfessionszugehörigkeit zu den beruflichen Anforderungen zählt und wann nicht. Es wäre ein sinnwidriges Ergebnis, wenn der kirchliche Träger einen sich illoyal verhaltenden Bewerber einstellen müsste.

Der Ansicht des Klägers, die Schwere des Verstoßes rechtfertige einen Entschädigungsanspruch in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern, hält die Beklagte entgegen, selbst bei Annahme einer sanktionspflichtigen Diskriminierung sei eine Entschädigung am unteren Ende anzusiedeln: Die Beklagte habe jedenfalls aufgrund einer vertretbaren Rechtsauffassung und keinesfalls aufgrund von niedrigen oder nicht nachvollziehbaren Beweggründen gehandelt. Zudem habe er - unstreitig - unverzüglich nach der Auswahlentscheidung einen neuen Arbeitsplatz gefunden.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den Akteninhalt und insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und deren Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

1.               Die Klage ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu, jedoch nur in Höhe von 3000,00 EUR zu. Soweit der Kläger einen darüber hinaus gehenden Anspruch geltend macht, unterliegt die Klage der Abweisung.

Denn die Tatbestandsvoraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs sind vorliegend erfüllt.

a)               Nach § 8. Abs. 1 AGG dürfen Arbeitgeber Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligen.

Als Bewerber ist der Kläger nach § 7. Abs. 1 Satz 2 AGG "Beschäftigter" und unterfällt damit dem persönlichen Anwendungsbereich des AGG.  Die Beklagte ist als "Arbeitgeberin" passiv legitimiert. Nach § 7. Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer "Personen nach Absatz 1" des § 7. AGG "beschäftigt". Arbeitgeber eines Bewerbers ist also der, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis gebeten hat (BAG Urteil vom 13.10.2011 -  9. AZR 608/10). Aufgrund ihrer Stellenausschreibung trifft dies auf die Beklagte zu.

b)               Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch mit dem anwaltlichen Schreiben vom 27.10.2011 innerhalb der Zwei-Monatsfrist des (§ 15 Abs. 4 AGG gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat. Auch die Klageerhebung unter dem 18.01.2011 erfolgte innerhalb von drei Monaten nach der Geltendmachung des Anspruchs und damit rechtzeitig nach Maßgabe des § 61 b ArbGG.

c)               Nach § 15 Abs. 2 S. 1 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Der Entschädigungsanspruch setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 8. Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG voraus. Dies stellt § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zwar nicht ausdrücklich klar, ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in § 15 AGG (BAG Urteil vom 07.04.2011 - Az: 9. AZR 679/09 m.w.Nachw. der Rspr.).

Nach § 8. Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale benachteiligt werden. Gegen dieses Benachteiligungsverbot hat die Beklagte verstoßen, indem sie sich wegen der Konfessionslosigkeit des Klägers gegen seine Beschäftigung entschieden hatte. Entgegen ihrer Rechtsauffassung ist die unterschiedliche Behandlung wegen der Religion nicht wegen § 9 Abs. 1 AGG zulässig.

Die Bewerbung des Klägers auf die fragliche Stelle ist unstreitig wegen seiner Konfessionslosigkeit von dem Beklagten nicht berücksichtigt worden. Diese Benachteiligung im Einstellungsverfahren ist unzulässig. Die unterschiedliche Behandlung der Klägerin wegen ihrer Religion erfüllt nicht die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 1 AGG.

Nach § 9 Abs.1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften und die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform ausnahmsweise zulässig, wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

Vor dem Hintergrund der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 ist in der Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob § 9 Abs. 1 AGG den Religionsgemeinschaften das Recht einräumt, in eigenem Ermessen festzulegen, dass bestimmte Tätigkeiten nur von Angehörigen der eigenen Konfession ausgeübt werden können. So hat das Arbeitsgericht Hamburg festgestellt, dass eine "richtlinienkonforme" Auslegung geboten sei. Danach könne der kirchliche Arbeitgeber in Ausfüllung des Selbstbestimmungsrechts die Einstellung nur bei sogenannten verkündigungsnahen Tätigkeiten von der Konfessionszugehörigkeit abhängig machen. 

Der vorliegende Sachverhalt bietet keine Veranlassung, die vorstehend aufgeworfene Frage der richtlinienkonformen Auslegung abschließend zu beantworten. Selbst wenn man von einem weitgehenden Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften ausgeht, kann sich die Beklagte vorliegend nicht darauf berufen. Denn sie hat durch die in der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22.09.1993 festgeschriebene Regelung selbst verbindlich entschieden, wie die Besetzung von Stellen im Dienst der katholischen Kirche zu erfolgen hat. Sie bestimmt, wann die Konfessionszugehörigkeit zu den beruflichen Anforderungen zählt und wann nicht. An den dort festgelegten Kriterien hat sich die Beklagte bei ihren Einstellungsentscheidungen messen zu lassen.  

Mit der vorliegenden Entscheidung nimmt die Kammer auch nicht den von der Beklagtenseite befürchteten Paradigmenwechsel vor. Nicht das staatliche Gericht trifft die Entscheidung, wann die Konfessionszugehörigkeit zu den beruflichen Anforderungen zählt und wann nicht. Ausdrücklich erkennt die erkennende Kammer das durch Art 137 Abs. 3 WRV garantierte und über Art. 140 GG fortgeltende Recht der Kirchen an, selbst verbindlich zu bestimmen, was die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündung erfordert, was spezifisch kirchliche Aufgaben sind, was Nähe zu ihnen bedeutet und welches die wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre sind. In Bezug auf Bewerbungen für Stellen in der katholischen Kirche und ihrer Einrichtungen hat sie davon in § 3 der Grundordnung Gebrauch gemacht und Maßstäbe für Einstellungskriterien festgelegt. Die Kammer legt an ihrer Entscheidung also lediglich die von der katholische Kirche sich selbst auferlegten Grundsätze an. Und gemessen daran war die Entscheidung der Beklagten fehlerhaft. Sie hätte den Kläger nicht allein deshalb zurückweisen dürfen, weil er formell kein Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist.

Nach § 3 Abs. 2 der Grundordnung betrifft das Anforderungsprofil bei Tätigkeiten, die zumindest in weiterem Sinne im Zusammenhang mit der Vermittlung von Glaubens- oder Moralvorstellungen der Religionsgemeinschaft stehen. Dies trifft nicht nur auf pastorale oder katechetische Tätigkeiten zu, sondern in der Regel auch auf erzieherische oder leitende Funktionen zu wie etwa bei Lehrern an kirchlichen Schulen oder Erziehern in kirchlichen Kindergärten. Der Kläger hatte sich als Krankenpfleger im Intensivbereich beworben. Mit dieser Tätigkeit unterfällt er zur Überzeugung der Kammer nicht dem Geltungsbereich des § 3 Abs. 2 der Grundordnung. Denn es geht dabei weder um die Vermittlung von Glaubens- oder Moralvorstellungen der katholischen Kirche, noch um erzieherische oder leitende Aufgaben. Auch die Besonderheiten der Intensivstation machen aus dem Krankenpfleger keinen "Verkünder" im Sinne des § 3 Abs. 2 der Grundordnung. Diese Einschätzung deckt sich auch mit der Wertung, die die Beklagte selbst vorgenommen hatte. Sie stellt mehrfach im Verfahren klar, dass für die Stelle nicht eine katholische Konfessionszugehörigkeit erforderlich sei, sondern überhaupt eine Konfessionszugehörigkeit.

Für die übrigen Tätigkeiten bei einer Einrichtung der katholischen Kirche hat der kirchliche Dienstgeber nach § 3 Abs. 3 durch ein entsprechendes Anforderungsprofil sicherzustellen, dass der Bewerber seinen besonderen Auftrag glaubwürdig erfüllen kann. Dazu hören fachliche Tüchtigkeit, gewissenhafte Erfüllung der übertragenen Aufgaben und eine Zustimmung zu den Zielen der Einrichtung. Nach § 3 Abs. 5 der Grundordnung hat der kirchliche Dienstgeber deshalb vor Abschluss des Arbeitsvertrages durch Befragung und Aufklärung der Bewerberinnen oder des Bewerbers sicherzustellen, dass sie die für sie nach dem Arbeitsvertrag geltenden Loyalitätsobliegenheiten erfüllen, bei nichtkatholischen Christen sind dies Achtung und Umsetzung der Wahrheiten und Werte des Evangeliums, bei nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Bereitschaft, die ihnen in einer kirchlichen Einrichtung zu übertragenden Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.

Bei der Beurteilung, ob ein Bewerber als geeignet einzuschätzen ist, ist nach dem Wortlaut von § 3  Abs. 3 iVm Abs. 5 der Grundordnung eine wertende Gesamtschau aller Faktoren vorzunehmen. Eine solche hat die Beklagte erkennbar nicht vorgenommen. Sie hat allein auf das fehlende Merkmal der Religionszugehörigkeit abgestellt. Die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft findet sich als Eignungskriterium in der Grundordnung nicht, allein der Austritt aus der katholischen Kirche, den der Kläger unstreitig nicht vollzogen hat, stellt ein absolutes Negativmerkmal dar. Ausgehend von den Maßstäben, die die katholische Kirche für die Bewerbereignung aufgestellt hat, ist allein die Konfessionsfähigkeit kein Kriterium, um die fachliche Tüchtigkeit, gewissenhafte Erfüllung der übertragenen Aufgaben und Zustimmung zu den Zielen der Einrichtung beurteilen zu können.

Es erschließt sich für die Kammer nicht ansatzweise, aus welchem Grund der Kläger als Krankenpfleger, der zu keinem Zeitpunkt Mitglied einer Religionsgemeinschaft war, es deshalb per se an Berufsethos und Engagement sowie Mitgefühl und Menschlichkeit fehlen lassen soll. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte selbst ihm ein Handeln nach "ethischen (mutmaßlich humanistischen) Grundsätzen" nicht absprechen will. Die Kammer vermag sich nicht vorzustellen, dass es einem Krankenpfleger an Stärke oder Willen fehlen soll, tiefe Krisen von Patienten mitzutragen und menschenwürdig und im Sinne tätiger Nächstenliebe und Barmherzigkeit zu gestalten, nur weil er noch nie formal Mitglied dieser Kirche war. Christliche Grundwerte erhält man nicht durch den Eintritt in die katholische Kirche, genauso können diese Werte nicht bei einer Person als vorhanden angenommen werden, nur weil sie Mitglied der katholischen Kirche ist. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass diese Grundwerte auch bei Menschen anzutreffen sind, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht Mitglied der Kirche geworden sind. Es kommt vielmehr auf die individuellen Fähigkeiten und subjektiven Einstellungen eines Bewerbers an, um ihn als geeignet im Sinne des § 3 Abs. 3 Grundordnung zu qualifizieren oder nicht. Allein auf die förmliche Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft abzustellen, vermag keine Aussage über die Befähigung und persönliche Ausrichtung eines Bewerbers zu rechtfertigen.

d)               Dem Kläger steht nach den obigen Ausführungen ein Anspruch auf Entschädigung i. S. d. § 15 Abs. 2 AGG zu. Dieser Anspruch besteht allerdings nur in Höhe von 3.000,00 EUR, weil kein schwerwiegender Fall einer Benachteiligung vorliegt.

Bei der Festsetzung einer angemessenen Entschädigung sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Schwere und Art der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, so dass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Der Arbeitgeber soll von künftigen Diskriminierungen abgehalten werden, wobei die Entschädigung in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss (BAG Urteil vom 2.. 08. 2010 - 9. AZR 530/09; BAG Urteil vom 18.03.2010 - 9. AZR 1044/08; Hessisches LAG, Urteil vom 08.07.2011 - 3 Sa 742/10).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint der erkennenden Kammer eine Entschädigung in der ausgeurteilten Höhe als erforderlich, aber auch ausreichend. Die Schwere des Verstoßes der Beklagten ist zunächst als mittel schwer einzustufen; der Kläger hat nahtlos zu seiner vorangegangenen Beschäftigung beim Universitätsklinikum eine anderweitige Beschäftigung aufnehmen können. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zielgerichtet diskriminiert worden ist, bestehen nicht. Der Beweggrund der Beklagten, den Kläger nicht einzustellen, liegt darin, dass sich die Beklagte nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse verpflichtet sah, die Bewerbung des Klägers zurückzuweisen. Auch der Umstand ist zu berücksichtigen, dass die Frage umstritten ist, ob und in welchem Umfang kirchliche Einrichtungen die Konfessionszugehörigkeit zu einer gerechtfertigten beruflichen Anforderung machen dürfen. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt (Urteil vom 08.07.2011 - 3 Sa 742/10):

"Anders als ein Arbeitgeber, der beispielsweise eine beiden Geschlechtern zugängliche Stelle, nur für Frauen oder Männer ausschreibt und offensichtlich gegen das AGG verstößt, musste sich die Beklagte im Gegensatz hierzu lediglich darüber bewusst sein, dass sie sich mit ihrer Vorgehensweise wegen der noch nicht abschließend geklärten Rechtfragen in einem juristischen Grenzbereich bewegt. Die von ihr zu leistende Entschädigungsleistung darf allerdings nicht nur symbolischer Natur sein, da auch dem Sanktionszweck in § 15 Abs. 2 AGG Rechnung getragen werden muss."

Dem trägt die Entschädigung in der ausgeurteilten Höhe Rechnung.

e)               Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

2.               Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO mit dem Betrag der Klageforderung.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von jeder Partei Berufung eingelegt werden.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim

Landesarbeitsgericht Köln

Blumenthalstraße 33

50670 Köln

Fax: 0221-7740 356

eingegangen sein.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.      Rechtsanwälte,

2.      Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.      juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.