LG Hamburg, Urteil vom 02.07.2010 - 331 S 137/09
Fundstelle
openJur 2010, 3345
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 916 C 359/09
Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgericht Hamburg-St. Georg vom 28.10.2009 (Az.: 916 C 359/09) wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1085,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-punkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 22.7.2009 zu zahlen.

2. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils wird wie folgt abgeändert und neu gefasst: Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme der durch die Verweisung entstandenen Mehrkosten, die der Kläger zu tragen hat.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg; die Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Kläger kann von der Beklagten die begehrte Versicherungsleistung in Höhe von insgesamt 1085,98 € verlangen.

Unstreitig bestand zwischen den Parteien ein Vollkaskoversicherungsvertrag. Es handelt sich bei dem streitgegenständlichen Unfallereignis auch um ein versichertes Ereignis.

Die Beklagte kann ihre Leistung nicht gemäß § 81 Abs. 2 VVG kürzen. Nach Ansicht der Kammer ist im vorliegenden Fall nicht von einem grob fahrlässigen Handeln des Klägers auszugehen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige nicht beachtet wird, was im konkreten Fall jedem Verkehrsteilnehmer hätte einleuchten müssen. Sie setzt neben einem objektiv verkehrswidrigen Verhalten subjektiv ein erheblich gesteigertes Verschulden voraus (vgl. OLG Frankfurt, VersR 2004, 1260 ff).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im vorliegenden Fall nicht anzunehmen. Zwar sieht § 2 Abs. 3 a StVO vor, dass die Ausrüstung an die Wetterverhältnisse anzupassen ist. Verlangt wird eine geeignete Bereifung; begründet wird keine generelle Winterreifenpflicht (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR, 21. Auflage 2010; § 2 StVO, Rn. 54).

Angesichts der eingereichten Bilder zu dem Gutachten (Anlage B 1) herrschten winterliche Verhältnisse. Es ist sicherlich fahrlässig gewesen, bei diesen Verhältnissen mit Sommerreifen zu fahren. Allerdings lässt sich nicht hinreichend sicher feststellen, dass das Handeln des Klägers zumindest in subjektiver Hinsicht grob fahrlässig gewesen ist. So hat er unwidersprochen vorgetragen, die Witterungsverhältnisse seien wechselhaft gewesen. Auch seien nicht sämtliche Straßen in winterlichem Zustand gewesen. Die Gegend, in der sich der Unfall ereignete, liegt nicht in einer Region, in der typischerweise mit entsprechenden Witterungsverhältnissen zu rechnen ist. Nach alledem hat die Kammer Zweifel daran, dass im vorliegenden Einzelfall grobe Fahrlässigkeit anzunehmen ist.

Zudem erscheint auch die Kausalität fraglich. Es ist nicht eindeutig, dass es im vorliegenden Fall bei den vorherrschenden Witterungs- und Straßenverhältnissen mit Winter- bzw. Ganzjahresreifen nicht zu dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen gekommen wäre.

Allein die Tatsache, dass der Kläger von der Straße abgekommen und gegen die streitgegenständliche Grundstücksmauer geprallt ist, lässt nicht auf ein grob fahrlässiges Verhalten schließen.

Die Nettoreparaturkosten betragen unstreitig 2171,97 €. Abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 300 € besteht ein Anspruch in Höhe von 1871,97 €. Abzüglich der bereits erfolgten Zahlung der Beklagten in Höhe von 785,99 € verbleibt ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1085,98 €.

Der Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die Anschlussberufung hat keinen Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten nicht nur die Zahlung von 150 € begehren, sondern insgesamt in Höhe von 1085,98 €. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 97, 281 Abs. 3 Satz 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.