VG Stuttgart, Beschluss vom 18.12.2012 - A 7 K 4330/12
Fundstelle
openJur 2013, 15355
  • Rkr:

Versäumt ein Mitgliedstaat die Dreimonatsfrist in Art. 17 Abs. 2 Dublin-II-VO (juris: EGV 343/2003) für die Stellung eines Übernahmeersuchens, wird er für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Darauf kann der Asylbewerber sich zur Verhinderung seiner Rücküberstellung berufen.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19.11.2012 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtkostenfreien Verfahren.

Gründe

Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 AsylVfG zulässig und begründet.

Die Regelung des § 34 a Abs. 2 AsylVfG, wonach im Falle einer Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden darf, findet vorliegend keine Anwendung.

Die Antragsgegnerin ist zu Unrecht von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ausgegangen.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrag zuständig ist, vom 18.02.2003 (Dublin-II-VO). Hält ein Mitgliedsstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde, einen anderen Mitgliedsstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig, so kann er gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO so bald wie möglich, in jedem Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Antrags im Sinne von Art. 4 Abs. 2, den anderen Mitgliedsstaat ersuchen, den Asylbewerber aufzunehmen. Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der Frist von drei Monaten unterbreiten, so ist gemäß Art. 17 Abs. 2 Dublin-II-VO der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung des Asylantrages zuständig.

Nach diesen Maßgaben hat die Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht ihre Zuständigkeit verneint und die Rücküberstellung des Antragstellers nach Dänemark angeordnet.

Der Antragsteller hat ausweislich des angefochtenen Bescheid bereits am 15.06.2011 einen Asylantrag gestellt. Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Entscheidungen über Asylanträge syrischer Staatsangehöriger, wie gerichtsbekannt ist, vorübergehend zurückgestellt hat, erfolgte erst nach über einjähriger Untätigkeit am 21.08.2012 die persönliche Anhörung des Antragstellers sowie unmittelbar danach, ebenfalls am 21.08.2012, das Übernahmeersuchen nach der Dublin-II-VO an Dänemark.

Die Versäumung der Drei-Monatsfrist führt gem. Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO zur Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Antrags auf Asylgewährung.

Hierauf kann sich die Antragsteller auch berufen. Die Nichteinhaltung der Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.

Für die Norm des § 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO folgt das Bestehen eines subjektiven Rechtes aus der Regelung des § 26 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG, wonach sich ein Ausländer im Bundesgebiet auf das Grundrecht des Art. 16 a Abs. 1 GG berufen kann, wenn die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Etwas anderes folgt vorliegend nicht daraus, dass Dänemark der Übernahme trotz des verspäteten Übernahmeersuchens zugestimmt hat (ebenso VG Bremen, Beschluss vom 26.07.2012 - 4 V 815/12.A -, juris, m.w.N.).

Das Prinzip des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gebietet es vorliegend, dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutzes zu gewähren, da die zeitnahe Abschiebung des Antragstellers nach Dänemark droht mit der faktischen Folge, dass er sein Asylbegehren im Bundesgebiet nicht mehr geltend machen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.