OLG Zweibrücken, Urteil vom 24.05.2011 - 8 U 158/08
Fundstelle
openJur 2013, 46364
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 25. November 2008 (7 O 50/07) wird   z u r ü c k g e w i e s e n.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung wegen der Kosten abzuwenden durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird   z u g e l a s s e n.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt bis zu 110.000,00 €.

Gründe

I.

Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen. Der Beklagte war in der Zeit vom 01. Februar 1999 bis zum 30. September 2005 für die Klägerin als Vermittler im Bereich der Filialdirektion M... tätig. Grundlage der Rechtsbeziehungen der Parteien war ein Mehrfachagenturvertrag, der zu dem genannten Datum einvernehmlich beendet wurde. Gemäß dem Vertrag war für den Beklagten ein Provisionskonto eingerichtet worden, auf dem sowohl Provisionsgutschriften als auch -belastungen gebucht wurden. Mit der (letztlich nicht mehr bestrittenen) Behauptung, dass eine Reihe von dem Beklagten vermittelter (im Einzelnen bezeichneter) Versicherungsverträge "storniert" worden seien, verlangt die Klägerin die Rückerstattung von ihr gezahlter Provisionsvorschüsse. Der Beklagte erachtet das Begehren der Klägerin für nicht berechtigt.

Anfang des Jahres 2007 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Ziel einer Verurteilung des Beklagten zur Rückzahlung eines Betrages von 150.445,60 € (zuzüglich Zinsen). Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2008 hat sie sodann "eine Excel-Tabelle als Anlage 10" (nebst einer Vielzahl von Unterlagen in Leitzordnern ) zur Akte gereicht, hierzu vorgetragen, dass aus dieser Tabelle "die Forderungen ersichtlich" seien, auf die die Klage nunmehr beschränkt werde, und den eingeklagten Betrag auf noch 121.668,19 € beziffert.

Demgemäß hat die Klägerin in erster Instanz zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 121.668,19 € nebst 7 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat dem gegenüber beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 25. November 2008 ist das Erstgericht dem Antrag des Beklagten gefolgt. Wegen des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes und der sie tragenden rechtlichen Erwägungen wird auf das Urteil (Bl. 159 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen die am 28. November 2008 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin unter dem Eingangsdatum des 23. Dezember 2008 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist begründet. Zunächst hat die Klägerin lediglich noch eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 108.108,87 € (zuzüglich Zinsen) erstrebt. Mit Blick auf die in der "Anlage 10" aufgelisteten "Fälle 20, 102, 103, 106, 119, 121, 128, 130, 137, 159, 176, 193, 194, 197, 200, 207, 209, 210, 212, 214, 216 und 218 mit einem Provisionsgesamtbetrag in Höhe von 13.559,32 €" hat sie die klageabweisende Entscheidung erster Instanz nicht angegriffen. Dem gegenüber hat der Beklagte das Urteil erster Instanz in vollem Umfang verteidigt.

Am 02. Februar 2010 hat der Senat (in anderer als seiner aktuellen Besetzung) eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Am Ende des Termins ist der Klägerin Gelegenheit eingeräumt worden "zur Überarbeitung und Differenzierung ihrer Rückforderungsaufstellung (Stornogefahrmitteilung/Nachbearbeitung) ..."; Termin zur Verkündung einer Entscheidung wurde bestimmt auf Dienstag, den 13. April 2010.

Mit Schriftsatz vom 01. März 2010 (Bl. 246 ff. d. A.) hat die Klägerin "als Anlage K11 eine Zusammenstellung derjenigen stornierten Verträge, für die bis zum 30.09.2005 ein Bearbeitungsauftrag (Stornogefahrmitteilung) an den Beklagten versandt wurde", vorgelegt (Bl. 249 ff. d. A.), des Weiteren als Anlage K12 eine Zusammenstellung derjenigen stornierten Verträge, "für die ... eine ausreichende eigene Bearbeitung der Klägerin vorliegen dürfte" (Bl. 258 ff. d. A.). Nur noch auf die in den Anlagen K11 und K12 aufgelisteten Verträge bzw. deren "Stornierung" und die in diesem Zusammenhang ergriffenen (in den Anlagen aufgelisteten) Maßnahmen wird die (Gesamt-)Forderung der Klägerin nunmehr gestützt und mit insgesamt 104.781,72 € beziffert. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 01. März 2010 (dort insbesondere Seiten 2 und 3, Bl. 247 f. d. A.) und dessen (diesem Urteil in Fotokopie beigehefteten) Anlagen (Bl. 249 ff. und 258 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 18. März 2010 (Bl. 265 ff. d. A.) hat der Beklagte vortragen lassen, aufgrund nunmehriger Überprüfung festgestellt zu haben, dass er lediglich für die Verträge "Nr. 15, 16, 19 und 30 und 140" Stornogefahrmitteilungen erhalten habe. Hinsichtlich darüber hinausgehender Gefahrmitteilungen werde weiterhin bestritten, dass diese überhaupt abgesandt worden und erst recht zugegangen seien. Im Übrigen ergebe sich aus der Anlage K11, dass jedenfalls eine zeitnahe Versendung nicht erfolgt sei. Ein Agent sei indessen frühzeitig zu informieren. Nach Wochen oder gar Monaten könne er nicht mehr auf den Versicherungsnehmer einwirken. "Die Anlage K12 für Eigenbearbeitung" weise "überhaupt keinerlei Bearbeitungsaufträge aus, sondern allenfalls eine weitere Mahnung." "Konkrete Maßnahmen ..." seien "... auch hier nicht aufgezeigt."

Am 13. April 2010 hat der Senat (noch in der früheren Besetzung) einen Hinweis- und Beweisbeschluss verkündet (Bl. 277 ff. d. A.). Zu einer Ausführung des Beschlusses ist es in der Folgezeit nicht mehr gekommen. Vielmehr hat der Senat (nunmehr in der erkennenden Besetzung) unter dem Datum des 06. Dezember 2010 einen (abweichenden) Hinweisbeschluss (Bl. 293 ff. d. A.) erlassen und sodann Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 05. April 2011 bestimmt. In diesem Termin ist die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert und der Beschluss vom 13. April 2010 aufgehoben worden.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, mit den in den Anlagen K11 und K12 dargestellten Maßnahmen ihrer Pflicht zur Nachbearbeitung der in den Anlagen aufgelisteten (notleidend gewordenen und schließlich "stornierten") Versicherungsverträge genügt zu haben.

Nachdem sie im Termin vom 05. April 2011 erklärt hat, die weitergehende (die Abweisung der Klage hinsichtlich der "Verträge Nr. 102, 103, 106, 118, 119, 121, 128, 130, 137, 145, 152, 159, 166, 174, 176, 185, 193, 194, 200, 207, 209, 210, 212, 214, 216 und 218" betreffende) Berufung zurückzunehmen,

beantragt die Klägerin nunmehr,

das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 25. November 2008 (7 O 50/07) dahingehend abzuändern und insgesamt neu zu fassen, dass der Beklagte verurteilt wird, an sie - die Klägerin - 104.781,72 € nebst 7 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil erster Instanz weiterhin in vollem Umfang.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Dem zulässigen Rechtsmittel muss in der Sache der Erfolg versagt bleiben. Zu Recht hat das Erstgericht die Klage abgewiesen.

Eine Pflicht zur Rückgewähr der noch verfahrensgegenständlichen Provisionsvorschüsse (§§ 87a Abs. 2, 2. Halbsatz, 92 Abs. 2 HGB) besteht nicht. Zwar käme ein Rückzahlungsanspruch in einigen wenigen der noch im Streit stehenden Fälle grundsätzlich in Betracht; jedoch steht der Summe der insoweit gezahlten Vorschüsse ein sie weit übersteigendes (per se unstreitiges) Guthaben des Beklagten in Höhe von 66.301,79 € (Seite 9 der Anlage K11) gegenüber. In den übrigen noch streitgegenständlichen Fällen scheidet ein Rückzahlungsanspruch von vorne herein aus, weil davon ausgegangen werden muss, dass die Klägerin die Auflösung dieser von dem Beklagten vermittelten Versicherungsverträge zu vertreten hat, indem sie ihrer Nachbearbeitungspflicht nicht bzw. nicht ausreichend nachgekommen ist. Die für eine Erfüllung ihrer Nachbearbeitungspflicht darlegungsbelastete Klägerin trägt schon nicht schlüssig vor, worauf der Senat bereits mit seinem Beschluss vom 06. Dezember 2010 hingewiesen hatte.

Grundsätzlich tritt ein Wegfall des Provisionsanspruchs des Versicherungsvertreters ein (und entsteht mithin ein Rückzahlungsanspruch des Versicherers, der einen Vorschuss geleistet hat), wenn die Vertragsauflösung mit dem Versicherungsnehmer auf Umständen beruht, die der Versicherer nicht zu vertreten hat (§ 87a Abs. 3 Satz 2 HGB). Dies ist dann der Fall, wenn es zur Auflösung des Vertrages kommt, obgleich sich der Versicherer ausreichend um dessen Rettung bemüht hat. Ihm obliegt es, das Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um eine Vertragsauflösung abzuwenden, wobei Art und Umfang der dem Versicherer abzuverlangenden Bemühungen auch und gerade im Licht der gegenüber dem Versicherungsvertreter bestehenden Treuepflicht und insbesondere der Pflicht, auf dessen Provisionsinteresse Rücksicht zu nehmen, zu bestimmen sind. Verlangt ein Versicherer (wie hier) wegen Stornierung von Versicherungsverträgen die Rückzahlung geleisteter Provisionsvorschüsse, so muss er in jedem Einzelfall (auch wenn die Nichtzahlung einer Erstprämie in Rede steht; vgl. etwa OLG Brandenburg, Urteil vom 07.Oktober 2010, Az.: 12 U 96/09, und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Februar 2007, Az.: I -16 W 70/06, jeweils abrufbar über "juris") nachvollziehbar dartun und (im Bestreitensfall) beweisen, seiner Pflicht zur Nachbearbeitung genügt zu haben, sei es in Gestalt der Versendung einer sogenannten Stornogefahrmitteilung an den Versicherungsvertreter - selbst wenn dieser bereits aus den Diensten des Versicherers ausgeschieden sein sollte -, sei es durch Bemühungen "in eigener Person" (d. h. der eines Mitarbeiters) gegenüber dem Versicherungsnehmer. Der Versicherer muss in jedem Einzelfall konkret vortragen und (im Bestreitensfall) beweisen, entweder rechtzeitig und mit dem notwendigen Inhalt eine Stornogefahrmitteilung an den Versicherungsvertreter versandt zu haben oder sich selbst gegenüber dem Versicherungsnehmer rechtzeitig und mit dem gebotenen Engagement um einen Vertragserhalt bemüht zu haben. Will der Versicherer sich auf die Versendung von Stornogefahrmitteilungen berufen, so muss er für jeden Einzelfall substantiiert darlegen, die Mitteilung so rechtzeitig an den Versicherungsvertreter versandt zu haben, dass dieser sich (bei einem Zugang binnen üblicher Beförderungszeit) noch mit Aussicht auf Erfolg um eine Rettung des Vertrages bemühen konnte, und mit der Mitteilung zugleich alle Informationen übermittelt zu haben, die der Vertreter aus objektiver Sicht für eine sachgerechte und erfolgreiche Nachbearbeitung benötigte. Will der Versicherer sich auf eigene Bemühungen gegenüber dem Versicherungsnehmer berufen, so muss er in jedem Einzelfall konkret vortragen, wann er aktiv geworden ist (rechtzeitig?) und was er unternommen hat (genug?), um den Vertrag zu retten. Die bloße Versendung eines einfachen Mahnschreibens (oder auch mehrerer) genügt im Regelfall nicht. Maßstab für das, was dem Versicherer im Falle eigener Bemühungen gegenüber dem Versicherungsnehmer abzuverlangen ist, ist dasjenige, was der Vertreter selbst vernünftigerweise zur Erhaltung seines Provisionsanspruches getan hätte, wenn ihm die Nachbearbeitung überlassen worden wäre (Stichwort "gleichwertige Alternativen"; OLG Brandenburg, Urteil vom 09. Juli 2009, Az.: 12 U 254/08, abrufbar über "juris"). Dazu wird grundsätzlich eine alsbaldige persönliche Rücksprache mit dem Versicherungsnehmer gehören. Diese wird entweder im Wege eines Besuchs oder (und dies auch bei sogenannten "Kleinstornos") auf dem schnellen, Effektivität versprechenden und in der Regel preisgünstigen Wege eines Telefonats herbeigeführt werden, um sodann die Gründe zu erfragen, aus denen der Vertrag notleidend geworden ist, und - wenn die Gründe stichhaltig sind - gemeinsam mit dem Versicherungsnehmer nach einer (vertragserhaltenden) Lösung zu suchen oder - wenn die Gründe nicht stichhaltig sind - diesen sehr ernsthaft und nachdrücklich zu einer Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten anzuhalten. Dieser Ansicht steht die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, nach der ein Verbraucher (und mithin auch ein Versicherungsnehmer) in eine werbende telefonische Kontaktaufnahme einwilligen muss, schon deshalb nicht entgegen, weil ein unzulässiger Anruf im Rahmen der Nachbearbeitung eines Versicherungsvertrags dann nicht vorliegt, wenn er in erster Linie beratenden Charakter hat (Boslak/Kreth VW 2010, 441). Nur und erst dann, wenn ein persönlicher Kontakt im Einzelfall nicht hergestellt werden kann, wird es angezeigt sein, eine schriftliche Kommunikation zu versuchen und zwar mit einem deutlich über ein bloßes Mahnschreiben hinausgehenden Inhalt. Wird eine Nachbearbeitung im dargestellten Sinn von dem Versicherer nicht oder nicht hinreichend durchgeführt, ist die Vertragsauflösung von ihm zu vertreten. Er muss sich dann grundsätzlich so behandeln lassen, als habe eine erfolgreiche Nachbearbeitung stattgefunden und sei der Provisionsanspruch des Vertreters endgültig entstanden.

Trotz fehlender oder unzureichender Nachbearbeitung entsteht ein Rückzahlungsanspruch des Versicherers ausnahmsweise dann, wenn davon ausgegangen werden muss, dass eine ordnungsgemäße Bearbeitung von vorne herein nicht erfolgversprechend gewesen und der in Rede stehende Vertrag auch bei einem pflichtgemäßen Tätigwerden des Versicherers nicht zu retten gewesen wäre. Dies ist etwa der Fall bei feststehender Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers, oder wenn dieser einen Interessenwegfall (wie etwa die Abmeldung eines versicherten Fahrzeugs) mitteilt.

Unabhängig von vorherigen Nachbearbeitungsbemühungen und deren Erfolgsaussichten gelangt ein Rückzahlungsanspruch des Versicherers zur Entstehung, wenn ein Versicherungsnehmer eine Beitragsreduzierung beantragt und der Versicherer diesem Wunsch entsprochen hat (OLG Brandenburg a. a. O.), oder wenn der Versicherungsnehmer von seinem vertraglichen Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hat (vgl. in diesem Zusammenhang auch Münchener Kommentar, HGB, 3. Auflage, § 87 Rdz. 25).

Zum Ganzen sei verwiesen auf BGH, Urteil vom 01. Dezember 2010, Az.: VIII ZR 310/09, und Urteil vom 25. Mai 2005, Az.: VIII ZR 279/04, OLG Brandenburg, Urteil vom 07. Oktober 2010, Az.: 12 U 96/09 (s. o.), Urteil vom 09. Juli 2009, Az.: 12 U 254/08 (s. o.), und Urteil vom 20. Mai 2009, Az.: 3 U 20/09, sowie Urteil vom 05. März 2008, Az.: 13 U 107/06, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Februar 2007, Az.: I -16 W 70/06 (s. o.) , OLG Köln, Urteil vom 09. September 2005, Az.: 19 U 174/04, und auch LAG Hamm, Urteil vom 03. November 2009, Az.: 14 Sa 1690/08 (jeweils abrufbar über "juris").

Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Vortrag der Klägerin letztlich nicht geeignet, Rückzahlungsansprüche gegen den Beklagten zu begründen. Vielmehr gilt:

Anlage K 11 ("Zusammenstellung derjenigen stornierten Verträge, für die bis zum 30.09.2005 ein Bearbeitungsauftrag (Stornogefahrmitteilung) an den Beklagten versandt wurde"):

Soweit die Klägerin am Ende der Anlage zu ihren Gunsten eine Zwischensumme von 110.957,12 € errechnet hat, ist dieser Betrag von vorne herein um 312,04 € zu kürzen. Denn mit Blick auf den (in der Anlage enthaltenen) Versicherungsvertrag mit der lfd. Nummer 106 ist gegen die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts schon kein Rechtsmittel eingelegt worden (und ging deshalb die auf diesen Vertrag bezogene Erklärung einer Rücknahme der Berufung gleichsam "ins Leere").

Weitere Kürzungen der Zwischensumme ergeben sich daraus, dass - dem Vortrag der Klägerin zufolge - in der ganz überwiegenden Anzahl der übrigen in der Anlage aufgelisteten Fälle - konkret mindestens in den Fällen mit den lfd. Nummern 1 bis 11, 13 bis 19, 21 bis 24, 29, 30, 32 bis 34, 36, 38 bis 40, 44, 48 bis 52, 54 bis 59, 62, 63, 66 bis 68, 70, 73, 74, 77 bis 85, 87 bis 89, 92 bis 94, 96, 98, 99, 100, 104, 105, 107 bis 112, 114 bis 117, 124, 133, 134, 136, 138, 140, 143, 144, 150, 151, 153, 157 und 158 - eine Versendung der Stornogefahrmitteilung (von der Klägerin als "Bearbeitungsauftrag" bezeichnet) erst Wochen nach dem ersten Anzeichen für ein Notleidendwerden des jeweiligen Versicherungsvertrages erfolgt ist. Dies kann nicht als rechtzeitig angesehen werden. Vielmehr wäre die Klägerin mit Rücksicht auf das Provisionsinteresse des Beklagten gehalten gewesen, unverzüglich nach dem ersten Anzeichen für eine Stornogefahr entweder "in eigener Person" (in der gebotenen Weise) gegenüber dem Versicherungsnehmer tätig zu werden oder eine (mit den notwendigen Informationen versehene) Mitteilung an den Beklagten zu versenden, um so das Risiko einer zwischenzeitlichen, rückwirkend nicht oder nicht mehr maßgeblich beeinflussbaren Verschlechterung der Möglichkeiten einer Vertragsrettung aus in der Sphäre des Versicherungsnehmers liegenden Gründen zu minimieren und damit die Chancen des Beklagten auf eine Vertragserhaltung bestmöglich zu wahren. Nur wenn die Klägerin - wie indessen tatsächlich nicht - für jeden einzelnen der in Rede stehenden Fälle dargetan (und unter Beweis gestellt) hätte, dass es bis zu dem späten Zeitpunkt der Versendung der Stornogefahrmitteilung nicht zu einer solchen Verschlechterung gekommen war, hätte die Argumentation behelflich sein können, dass zwischen dem Zugang der Mitteilung (eine übliche Beförderungszeit unterstellt) und der tatsächlichen Vertragsauflösung noch genügend Zeit für den Versuch einer Vertragsrettung zur Verfügung gestanden habe, vorausgesetzt der jeweilige Versicherungsnehmer war in der in Rede stehenden Zeitspanne erreichbar und nicht etwa durch einen Krankenhausaufenthalt, eine Urlaubsreise (vgl. etwa OLG Frankfurt VersR 1997, 875), eine beruflich bedingte Ortsabwesenheit o. Ä. verhindert. Mit Rücksicht auf einen bestmöglichen Chancenerhalt für den Versicherungsvertreter muss dem Versicherer abverlangt werden, unverzüglich nach dem ersten Anzeichen für eine Stornogefahr zu entscheiden, ob er selbst (in der gebotenen Weise) tätig werden oder ob er den Versuch einer Vertragsrettung dem Versicherungsvertreter überlassen will, und sodann unverzüglich danach zu handeln. Als nicht zulässig muss es angesehen werden, zunächst selbst standardisierte Schreiben ("Abrufrückläufer", ...) zu versenden und (bei ausbleibendem Erfolg) erst Wochen nach dem ersten "Krisenanzeichen" dem Versicherungsvertreter eine Gefahrmitteilung zukommen zu lassen.

Mit Blick auf die Übrigen in der Anlage K11 aufgelisteten Fälle - konkret die mit dem lfd. Nummern 28, 37, 41 bis 43, 45, 53, 60, 64, 65, 69, 71, 75, 76, 86, 90, 91, 95, 97, 101, 160, 172 - fehlt dem Vortrag der Klägerin die Schlüssigkeit spätestens deshalb, weil eine Addition der lt. Anlage nicht verdienten Provisionsanteile einen Gesamtbetrag ergibt, der (mit 17.768,95 €) weit hinter dem (im Rahmen der Gesamtabrechnung als "Rechnungsposten" zu berücksichtigenden) unstreitigen Guthaben des Beklagten i. H. v. von 66.301,79 € zurückbleibt.

Anlage K 12 ("stornierte Verträge &, für die & eine ausreichende eigene Nachbearbeitung der Klägerin vorliegen dürfte"):

Die am Ende dieser Anlage zu Lasten des Beklagten errechnete Summe von 58.206,39 € ist von vorne herein um 612,10 €, 537,60 € und 446,40 € zu kürzen. Denn auch hier gilt, dass mit Blick auf die (in der Anlage enthaltenen) Versicherungsverträge mit den lfd. Nummern 20 und 197 gegen die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts schon kein Rechtsmittel eingelegt worden ist.

Hinsichtlich der übrigen in der Anlage enthaltenen Fälle kann dem Vortrag der Klägerin nicht entnommen werden, dass (mindestens) jene Maßnahmen zur Vertragsrettung ergriffen worden wären, die ein Versicherungsvertreter selbst vernünftigerweise unternommen hätte, wenn ihm die Nachbearbeitung überlassen worden wäre (Stichwort "gleichwertige Alternativen"). Wie bereits ausgeführt, wird ein Vertreter in aller Regel (unverzüglich) den Versuch einer persönlichen Kontaktaufnahme mit dem Kunden unternehmen, zumal gerade eine telefonische Rücksprache grundsätzlich leicht und schnell zu bewerkstelligen ist, die Kommunikation (gegenüber der schriftlichen Variante) wesentlich erleichtert und zudem preisgünstig(er) ist. Nur hilfsweise wird der Vertreter sich schriftlich an den Kunden wenden und diesen dabei auch und insbesondere auffordern, die Gründe für das Notleidendwerden seines Vertrages schriftlich oder mündlich mitzuteilen, sowie anbieten, anschließend - mit wohlwollender Grundhaltung - gemeinsam nach einer (vertragserhaltenden) Lösung zu suchen. Dass in den hier in Rede stehenden Fällen (zumal mit der gebotenen Beschleunigung) auf diese Weise vorgegangen worden wäre, kann weder den Ausführungen der Klägerin auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 01. März 2010 (dort auf Seite 2 unter Ziffer 2.) noch den Eintragungen in der Anlage K12 selbst entnommen werden.

Soweit die Klägerin im Rahmen des genannten Schriftsatzes auf in der Anlage K12 enthaltene "Sonderfälle wie

a) Insolvenz (Nr. 46)

b) Herabsetzung der Prämie (Nr. 142, 147, 183, 186, 189, 205)

c) Umzug ohne Ummeldung (Nr. 161, 215, 220)

d) Vormundschaft (Nr. 206)"

verweist, ist ihr zuzugeben, dass in diesen Fällen davon auszugehen ist, dass auch (unverzügliche) Bemühungen im dargestellten Sinn nicht zu einer Vertragsrettung geführt hätten bzw. (in den Fällen lit. b)) von vorne herein nicht erforderlich waren, ihr Fehlen einem Provisionsrückzahlungsanspruch also jeweils nicht entgegensteht. Dennoch kann der Klägerin hieraus kein Teilerfolg erwachsen. Denn die Summe der in Rede stehenden Provisionsbeträge (4.982,23 €) bleibt deutlich hinter dem noch nicht "verbrauchten" Rest des (bereits wiederholt angesprochen) Guthabens des Beklagten von (ursprünglich) 66.301,79 € zurück.

Auf eine tatsächliche Vermutung dafür, dass über die genannten Fälle hinaus ein Teil der streitgegenständlichen Versicherungsverträge (ein bestimmter Prozentsatz) selbst bei ordnungsgemäßer Nachbearbeitung nicht zu retten gewesen wäre (vgl. in diesem Zusammenhang etwa BGH, Urteil vom 19. November 1982, Az.: I ZR 125/80, abrufbar über "juris"), beruft die Klägerin sich schon nicht. Dementsprechend trägt sie weder Anhaltspunkte vor, die eine solche Vermutung begründen könnten, noch solche, die eine Einschätzung (§ 287 ZPO) des in Rede stehenden Prozentsatzes zuließen (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH, Urteil vom 12. November 1987, Az.: I ZR 3/86, und OLG Brandenburg, Urteil vom 07. Oktober 2010, Az.: 12 U 96/09 (s. o.), jeweils abrufbar über "juris").

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den Vorschriften der §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), da insbesondere unter den Aspekten "Rechtzeitigkeit einer Stornogefahrmitteilung" und "Anforderungen an den Versicherer im Fall eigenen (nachbearbeitenden) Tätigwerdens gegenüber dem Versicherungsnehmer" (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 01. Dezember 2010, Az.: VIII ZR 310/09, abrufbar über "juris") über den vorliegenden Einzelfall hinaus das Bedürfnis nach einer weiteren Klärung besteht.

Der Festsetzung des Streitwertes des Berufungsverfahrens liegt die Vorschrift des § 47 Abs. 1 GKG zugrunde.